Tommelsbeuger Hochzeit

Das Bankett

Eine Szene aus dem Briefspiel zur Tommelsbeuger Hochzeit, im Anschluss an Die Trauung.


12. Peraine 1046 BF, im Festsaal der Burg Fischwacht in Tommelsbeuge.

Als die Hohen Herrschaften alle den Weg aus dem Garten in den Festsaal der Burg gefunden und sich gesetzt hatten, hatte Geribold von Fischwachttal das Wort an sie gewandt. Er hatte ihnen für ihr Kommen, die dargebrachten Geschenke sowie die warmen Worte gedankt und sie eingeladen, nun mit ihm und seiner Angetrauten zu speisen und zu trinken.

Die einzelnen Gänge wurden von der Küchenchefin der Burg, Ariana Simis, und derjenigen von Burg Tannwirk, Waliburia Eichenblatt, die angereist war, um ihre Künste zur Verfügung zu stellen, verkündet.


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Nach dem Hauptgang, als eine kleine Pause eingetreten war, erhob sich Melinde, die Baronin zu Witzichenberg, und Nichte der Braut, und erhob das Wort:

"Werte Gäste! Lasset uns das Glas auf das Brautpaar erheben! Mögen die Zwölfe sie behüten und segnen! Trinken wir bei diesem Anlass auch auf das Wohl Seiner Hoheit, unseres Herzogs, und ebenso auf das Wohl Seiner Hochwohlgeboren, unseres Landtgrafen!", hierbei prostete sie dessen Tochter, Ihrer allerprinzlichsten Hochgeboren Lechmin Alara Greifax, zu. Nachdem man getrunken hatte, setzte sie ihre Rede fort:
"Wir sind erfreut, dass Ihr, teure Gäste, so zahlreich erschienen seid, um die Verbindung unserer beiden Häuser mit uns zu feiern! Dieser Bund möge dazu beitragen, die Einigkeit in Gratenfels weiter zu stärken. Und so lasset uns noch einmal das Glas erheben: Auf Gratenfels und eine fürderhin weiter gute Nachbarschaft!"
Nach einem weiteren Zuprosten nahm Melinde wieder Platz.
Nachdem Melinde geendet hatte, nickte Geribold mit einem freundlichen Lächeln seiner mittlerweile langjährigen Freundin zu, als wolle er ihre Worte damit unterstreichen.
"Eine solche Verbindung in Travia ist nicht nur Schutz und Schirm für Eure Familien, sondern gleichfalls für das Lehen Tommelsbeuge und somit für die gesamte Landtgrafschaft. Mögen die Götter immer gnädig auf euch schauen und darauf achten, dass Ihr auf Eurem Wege niemals strauchelt. Und mögt ihr stets Schwert und Wehr sein für alles, was den guten Göttern in Gratenfels wohlgefällig ist", sprach Ihre allerprinzlichste Hochgeboren und bekräftigte damit ebenfalls die Worte Melindes.


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Ingrawin Eberwulf von Tannwirk, Gemahl der Baronin zu Witzichenberg, erhob seinen Krug mit Ferdoker und prostete Alrik, dem Großvater Melindes zu, hatte dieser doch einige Fässer davon anlässlich der Vermählung geordert. Alrik prostete lächelnd zurück. Seine Gesundheit hatte sich im vergangenen Götterlauf verschlechtert und er hatte sein geselliges Leben in Elenvina aufgegeben und lebte nun bei der Familie auf Burg Tannwirk. Umso mehr genoss er es, nun den Traviabund seiner jüngsten Tochter feiern zu können.


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Auch wenn er bereits vor vielen Götterläufen dem Alkohol abgeschworen hatte, ließ es sich Udilbras nicht nehmen und erhob seinen Kelch - den er von einem Diener vorsorglich mit etwas gestrecktem Saft hatte füllen lassen. Unter seiner Führung und auch der seiner Tochter, hatte es dergleichen nicht gegeben. Doch seine Enkeltochter dachte in anderen Bahnen. Sie hatte nicht nur die Bänder innerhalb der Familie wieder enger geflochten, sondern sich auch daran gemacht, die umliegenden Lehen, die Baronien Schnakensee und Kranick, stärker an die Vairnburg zu binden. Entspannt auf seinem Platz verweilend, verhielt sich der Altbaron eher zurückhaltend und beobachtend. War jedoch keiner Abfrage abgeneigt.


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Iriane hob ebenfalls ihren Becher und prostete lächelnd dem Brautpaar zu. Nachdem die Hochrufe auf die Gastgeber verklungen waren, schaute sie kurz verstohlen und sehr warm lächelnd zu ihrer Sitznachbarin Adula von Schnakensee. Danach wandte sie sich kurz zu ihrem Sohn:
"Könntest du nach dem Mahl kurz Ihre Hochgeboren Wunnemine und ihrem Gatten Leodegar von Fadersberg deine Aufwartung machen und sie fragen, ob sie ein paar Minuten für mich opfern können?"
Hier dachte sie kurz nach, bevor sie weitersprach:
"Ob in den Räumlichkeiten oder bei einem kurzen Abstecher in den Gärten würde ich ihrer Hochgeboren überlassen."
Irian lächelte seiner Mutter freundlich zu.
"Natürlich, Mutter, sehr gerne."
Danach wandte Iriane ihre Aufmerksamkeit Adula wieder zu.
"Wie war deine Anreise?"

Nachdem Adula ihren Krug nach der Ansprache ebenfalls zum Gruß erhoben hatte, blickte sie ziellos am Tisch umher. Erst die Frage ihrer Freundin Iriane von Kranick riss sie aus den Gedanken.
"Meine Anreise? Ähm… ja, gut!"
Sie sprach leise und ohne Iriane direkt anzublicken.
"Für Calla nicht, ihr Rücken macht ihr zu schaffen, wenn sie reitet."
Nach wie vor ließ sie ihre Blicke über die Anwesenden schwenken und blieb dann kurz bei Thalissa di Triavus hängen, der sie ein schmales Lächeln schenkte, ehe sie zu ihrer Tischnachbarin Iriane flüstere:
"Wer ist Sie denn?"

Iriane schaute kurz zu Thalissa hin, wandte sich dann wieder an ihre Freundin. Sie zog kurz eine Augenbraue hoch und sprach mit beiläufiger Stimmlage:
"Nun, das ist ihre Hochgeboren Thalissa di Triavus, die Baronin von Rickenhausen. Eine recht attraktive Erscheinung. Ihre Kleidung ist immer leicht an die horasische Mode angelehnt, ihr Lehen wirft allerdings auch das nötige Kleingeld dazu ab. Mehr weiß ich über die Dame leider nicht."

"Kleingeld? Scheint, als wäre Aufmerksamkeit ihre bevorzugte Währung.", erwiderte die junge Baronin, ohne ihre Freundin dabei anzublicken.
Allerdings suchte sie mit ihrer Rechten die Hand ihrer Freundin unter dem Tisch und drückte sie kurz, aber fest, ehe sie sich wieder dem Essen auf dem Teller vor sich widmete.

Iriane erwiderte den Druck der Hand ihrer Freundin unter dem Tisch und lächelte kurz.
"Ja, sie scheint die Aufmerksamkeit zu genießen."
Dann schaute sie kurz in die Augen Adulas.
"Aber der am Hellsten funkelnde Diamant in einer Sammlung muss nicht der Schönste sein. Wie dem auch sein, nach dem Essen etwas Politik. Ich hoffe, dass ihre beziehungsweise Ihre Hochgeboren Wunnemine oder Leodegar von Fadersberg mir gleich etwas ihrer Zeit schenken."
Sie seufzte kurz bevor sie leiser weitersprach und sich dabei wieder zu ihrer Freundin wandte:
"Ich würde lieber mit dir einen kleinen Spaziergang durch den Garten machen."
Dann schaute sie kurz erschrocken aufgrund ihrer eigenen Ignoranz.
"Geht es Calla etwas besser, konnte sie sich etwas erholen?"

Adulas Mundwinkel zuckten kurz und ein Lächeln deutete sich an:
"Komplimente aus deinem Munde schmecken immer besonders süß.", flüsterte sie vor sich hin, ehe sie sich kurz schüttelte:
"Ja, Calla. Ich weiß nicht. Denke nicht. Sie wollte lieber auf der Stube bleiben, auch wenn sie sich für das Bankett ein neues Kleid hat nähen lassen."
Die junge Baronin lehnte sich etwas zurück und ließ ihre Augen rings umher schwenken.
"Wenn du später Politik machst, werde ich nach ihr sehen."
Als sie sich wieder nach vorne lehnte frug sie beiläufig:
"Was gibt’s denn mit den Fadersbergs zu besprechen?"

Iriane schaute ihre Freundin aufmerksam an.
"Richte Calla die besten Grüße aus. Nun, ich kenne die Frau nicht wirklich und sie ist auch eine Lehnsherrin aus Nordgratenfels. Ich denke, dass wir alles in allem enger zusammenarbeiten sollten in unserem Landstrich, gute Kontakte sind nie fehl am Platz."

"Hmm, ja.", entgegnete Adula und stocherte mit ihrer Gabel lustlos in dem Essen auf dem Teller vor ihr herum.
Nach einem Moment der Stille meinte sie dann beinahe schon kleinlaut und ohne aufzublicken zu ihrer Freundin:
"Ich hätte Jasper mitnehmen sollen."

Iriane runzelte kurz die Stirn und schaute ihre Freundin erstaunt an.
"Bei den letzten Begegnungen schien mir eine gewisse Spannung zwischen den beiden zu herrschen. Zudem benötigst du hier eher eine Zofe als deinen Truchsess. Ich denke, dass dein Zuspruch der guten Calla mehr zusagt als der von Jasper. Vielleicht können wir für sie ja irgendwie eine Kutschfahrt zurück organisieren."

Adula schob den Teller, von dem sie nur vereinzelte Stücke gepickt hatte, etwas von sich und lehnte sich zurück. Sie atmete tief durch und sprach mit gedämpfter Stimme:
"Wegen der Politik. Jasper könnte das mit dir machen, er kennt sich da aus. Calla… ja, Calla könnte das sicher auch, aber er ist eben mein Truchsess und sein Wort hat mehr Gewicht als das einer Zofe."
Die junge Baronin ließ ihren Blick über den Tisch schweifen und lächelte dabei, ehe sie sich wieder ihrer Freundin zuwandte:
"Du kennst sie alle?"

Iriane drückte nochmals leicht die Hand ihrer Freundin unter dem Tisch und lächelte.
"Du brauchst Jasper nicht für Politik, das kriegst du auch selber hin. Du musst dich nur drangeben und trauen. Wir kriegen unsere Pläne schon umgesetzt, das braucht halt etwas Zeit."
Dann schaute sie sich ebenfalls um und schüttelte leicht den Kopf.
"Namentlich sagt mir jedes Mitglied auf der Gästeliste etwas. Vom Sehen oder persönlich kenne ich allerdings nicht alle."
Sie deutete auf das Baronspaar von Ambelmund.
"Mit den beiden suche ich ja gleich das Gespräch, darüber hatten wir eben kurz gesprochen. Odelinde von der grauen Furt dort drüben, die Baronin von Nablafurt, kenne ich ebenfalls nur vom Sehen." Dann deutete sie auf Udilbras III. Efferdan Timerlain von Vairningen.
"Dies ist der Altbaron von Vairningen, ich glaube seine Enkelin regiert die Baronie aktuell. Wahrscheinlich ist er an ihrer statt hier. Irminella Ermine von Eberbach und ihr Gefolge kennst du ja. Ihre Hoheit vom Berg kennst du sicherlich auch", führte sie weiter aus und schaute kurz in die Richtung der stattlichen Altherzogin.
"Melinde und Ingrawin Eberwulf von Tannwirk, das Baronspaar von Witzichenberg, sitzen dort."
Hier deutete Iriane auf das harmonisch wirkende Ehepaar.
"Dort drüben sitzt, wenn ich mich nicht täusche, der Vogt der Baronie Orgils Heim, Wilmibert von Bregelsaum. Er wurde nach dem Tod des damaligen Barons im Phex des letzten Götterlaufes bestellt. Dort drüben sitzt ihre Hochgeboren Selinde II von Schweinsfold. Es wundert mich, dass sie ihren Gatten nicht mitgebracht hat. Zum Schluss kenne ich noch Seine Hochwürden Ardan von Siebenstein. Er ist der Hochgeweihte des Praios-Tempels zu Kefberg. Mit ihm muss ich heute Abend auch noch in einer Angelegenheit ein paar Worte wechseln. Ansonsten sind mir die anderen Gäste nicht persönlich bekannt."

Mit gleichgültigem Gesichtsausdruck lugte die Baronin von Schnakensee mehr oder weniger unauffällig von einer Person zur nächsten, als diese ihr vorgestellt wurden. Als Iriane ihre Runde beendet hatte, entfuhr Adula ein lautes "Tsss!", dann schüttelte sie kurz den Kopf, ehe sie zwar flüsternd, aber in abfälligem Tonfall sprach:
"War ja klar, dass Vea und Basin etwas Besseres zu tun haben und ihren Großvater schicken."

Iriane zog überrascht eine Augenbraue hoch, dies war für ihre Freundin eine außergewöhnlich spitze Bemerkung.
"Wie kommst du darauf? Ich dachte, grade du und Basin seid euch freundschaftlich zugetan?"

Adula grinste verschmitzt und zuckte mit den Schultern.
"Jaja, das sind wir. Aber du hast ihn ja auch schon kennengelernt. Er kann es sich eben leisten, hier fernzubleiben. Er ist diesen Dingen entwachsen."
Sie seufzte noch immer lächelnd und nahm dann einen Schluck aus ihrem Weinkelch. Als sie diesen wieder abstellte, grinste sie noch breiter.
"Wenn er hier wäre, hätte ich ihn später zum Tanze aufgefordert. Kannst du dir das Gerede vorstellen?"
Ganz leicht knuffte Adula ihre Freundin in die Seite, jedoch ohne sie dabei anzusehen.

Iriane grinste vor sich hin und lachte kurz auf.
„Oh ja, das wäre was gewesen. Man muss den Leuten Futter geben, sie reden nur allzu gerne. Nun ja, wobei das für Vea eher unangenehm wäre, denke ich."
Dann schaute sie kurz auf.
"Oh schau, da kommt Irian mit der Ambelmunderin. Du musst mich wohl gleich entschuldigen, fürchte ich. Sehen wir uns später?"

Adula wollte gerade etwas erwidern, schloss ihren Mund jedoch wieder.
"Ja, verstehe. Viel Erfolg!", sprach sie noch lächelnd zu ihrer Freundin, als diese sich ihrem Sohn und dessen Begleiterin widmete.


~*~


Nach den Trinksprüchen wandte sich Thalissa ihrer Tischnachbarin Odelinde Neidenstein zu.
"Hochgeboren, es ist mir eine Freude, Euch hier zu treffen", eröffnete sie das Gespräch.
"Ich habe schon viel von Euch gehört, leider viel zu wenig aus erster Hand, obwohl doch meine Vorgängerin im Amte und Tante, Biora Tagan, eine gute Freundin von Euch war."
Mehr sagte sie zunächst nicht, sondern wartete die Reaktion der streitbaren und nicht mehr als jung zu bezeichnenden Baronin ab.

Nachdem Thalissa eine Weile mit Odelinde geplaudert und ihre bisher doch sehr flüchtige Bekanntschaft ein wenig vertieft hatte, widmete sie sich ihrem Wein und hörte zu, was sonst so in Hörweite gesprochen wurde.


~*~


Melinde gesellte sich zu Odelinde, ihrer Schwertmutter, und zu Thalissa.
"Ich hoffe, das Mahl mundet Euch? Auf Burg Fischwacht gibt es eine exzellente Küchenmeisterin, wie ich finde. Und das Mahl hat sie gemeinsam mit unserer Waliburia ausgetüftelt."

Thalissa nickte Melinde zu.
"Ganz ausgezeichnet, wenn auch ein wenig gehaltvoll."
Sie lächelte, um zu unterstreichen, dass das nicht als Kritik gemeint war.
"Wer ist Waliburia?", fragte sie dann neugierig.

"Frau Waliburia Eichenblatt ist die Küchenmeisterin von Burg Tannwirk. Sie hat sich damals das Menü anlässlich meiner Belehnung erdacht und mit der Hilfe vieler fleißiger Hände auch zubereitet. Darf ich Euch ein Kompliment zu Eurer hinreißenden Garderobe machen? Viele interessierte Blicke ruhen auf Euch!"
Melinde selbst trug anlässlich der Feier ein burgunderrotes Seidenkleid mit weit schwingendem Rock, dazu ihre Baronskrone auf dem Haupte und ein silbernes Collier mit Perlen.

"Nun, Ihr könnt Frau Eichenblatt auf jeden Fall mein Kompliment für das Menü ausrichten. Wenn ich es mir recht überlege, wäre eine neue Küchenmeisterin für Rickenhausen auch eine gute Idee. Frau Eichenblatt hat nicht zufällig Lust, sich zu verändern?"
Thalissa machte eine kurze Pause und lächelte fast schon schelmisch, fuhr dann aber gleich fort, bevor Melinde antworten konnte:
'""Keine Sorge, das war ein Scherz, zumindest, was das Abwerben Eurer Küchenmeisterin angeht. - Habt Dank für das Kompliment bezüglich meiner Garderobe", wechselte sie dann das Thema.
"Ihr braucht Euch aber wahrlich auch nicht zu verstecken. Und was die Blicke angeht, die auf mir ruhen … wollt Ihr meine Aufmerksamkeit da in eine bestimmte Richtung lenken?"
Nun nahm das Lächeln der Baronin von Rickenhausen eine feine, hintergründige Note an.

Melinde lachte laut auf:
"Vielen Dank, ich werde es gerne ausrichten! Was das Abwerben betrifft, bin ich nicht besorgt, denn Frau Waliburia ist mit meinem Mundschenk verheiratet. Wenn Ihr diesen nicht auch abwerben möchtet, kann ich davon ausgehen, dass Frau Eichenblatt auf Burg Tannwirk verbleiben wird"
Melinde blickte sich prüfend im Saal um, dann wandte sie wieder ihre Aufmerksamkeit Thalissa zu.
"Was die Blicke betrifft, nun viele Herren blicken wohlwollend auf Euch, etliche der Damen weit weniger wohlwollend! Mein Medicus, Herr Doktor Bellentor, scheint mir ebenfalls zu Euren Bewunderern zu gehören!"
Melinde lächelte schelmisch mit Blick auf den Genannten.

Thalissa hob eine Augenbraue, absichtlich ohne Melindes Blick zu folgen.
"Ist das so?", meinte sie leicht ironisch, wobei nicht ganz klar war, ob sie nur die letzte Bemerkung meinte oder auch das davor Gesagte.

Aber bevor sie noch etwas hinzufügen konnte, trat der Hausherr an den Platz, der mit freundlichem Lächeln frug:
"Erlauben die Hohen Damen, dass ich mich hinzugeselle?"

Thalissa sah auf, dann lächelte sie zurück.
"Wer würde dem Herrn dieser Burg einen Wunsch verweigern?", erklärte sie dann ein wenig übertrieben, aber durchaus ernst gemeint.
Sie war heute in seltsam, ja ungewohnt leichter Stimmung. Ob das am Wein lag?
"An mir soll es nicht liegen", fügte sie hinzu, dann schaute sie Melinde an, nutzte die Gelegenheit aber auch, um einmal unauffällig durch den Raum zu schauen, ob ihr gerade jemand besondere Aufmerksamkeit schenkte.

In der Tat konnte sie noch sehen, wie ein etwas älterer Mann den Kopf in eine ihr abgewandte Richtung drehte.

Auch der älteste Spross aus dem Hause Eberbach, Rondrik von Eberbach, blickte zu der Hohen Dame herüber. Dieser wandte seinen Kopf nicht wieder ab, als Thalissa zu ihm herüberblickte. Anscheinend nahm er, obwohl er sie definitiv ansah, davon keinerlei Notiz.

Thalissa kniff kurz die Augen zusammen, wandte sich dann aber wieder ihrem Gespräch zu.
"Nun, man sollte doch immer berücksichtigen, um welche Art Wunsch es sich handelt. Es könnte sich ja auch um einen Wunsch handeln, den man nicht erfüllen möchte oder sollte", erwiderte Melinde süffisant.
An Geribold gewandt:
"Selbstverständlich bist Du uns willkommen!".
Sie zwinkerte dem Baron unauffällig zu.

"Vielen Dank.", gab er zur Antwort als er sich setzte.
"Auf die Gefahr hin, dass Ihr Euch wiederholen müsst, Hochgeboren, ich hoffe es ist alles zu Eurer Zufriedenheit?", wandte er sich dann an Thalissa.

"Keine Sorge, wir sprachen in der Tat gerade darüber, was ich tun müsste, um Eure Küchenmeisterin abzuwerben."
Thalissa lächelte verschmitzt.
"Aber wir sind noch zu keinem Ergebnis gekommen."
Sie zwinkerte Melinde zu.
"Vielleicht habt Ihr da ja eine Idee?"
Kurz wanderte ihr Blick wieder zur Seite, um zu sehen, ob der junge Mann, den sie nicht kannte, noch immer zu ihr herüberschaute, wobei sie feststellte, dass dem so war.

Geribold lachte herzlich.
"Geht es um Ariana oder Waliburia?", fragte er dann noch immer grinsend.
"Ich fürchte, ich bedarf der Dienste der jungen Frau Simis noch eine Weile, könnte mir aber eine zusätzliche Anstellung Waliburia Eichenblatts durchaus ebenfalls vorstellen, wenn ich mir dieses wunderbare Menü hier so besehe. Wir sind also Konkurrenten."

Melinde lachte, fröhlich und unbeschwert.
'""Frau Eichenblatt gebe ich so ohne weiteres nicht her. Vielleicht sollte ich über einen Bonus für ihre formidable Mitarbeit hier nachdenken!".

"Jedenfalls freut es freut mich, dass Euch das Menü offenbar geschmeckt hat, Hochgeboren", führte Geribold dann weiter aus.

"Ja, in der Tat, Eure Küchenmeisterin hat sich selbst übertroffen", bestätigte Thalissa.
"Und auch der Wein ist ganz ausgezeichnet. Was ist das für ein Tropfen, wenn ich fragen darf?"

Geribold spähte kurz in den Becher Thalissas bevor er antwortete:
"Als Rotweine haben wir einen recht leichten, der auf den Namen 'Elenviner' hört. Dagegen steht als recht schwerer und samtig-würziger Rotwein die 'Grünhainer Spätlese'. Einen von beiden werdet Ihr in Eurem Becher haben."
Er blickte kurz durch den Raum, als suche er jemanden, dann fuhr er fort.
"Die Weine sind ein Geschenk von meinem Schwiegervater, Seiner Hochgeboren Alrik Eberwulf von Tannwirk – wie das klingt. Geliefert wurden sie vom Handelshaus DaRe. Solltet Ihr also genaueres wissen wollen, seid Ihr dort sicher in besten Händen."

"Bitte entschuldigt mich, ich möchte gerne kurz nach meinen Töchtern schauen", verabschiedete sich Melinde.

Mit einem Nicken nahm Thalissa Melindes Verabschiedung zur Kenntnis, dann antwortete sie dem Baron:
"Dann wird es die Spätlese sein, denn den Elenviner kenne ich. Nun, es mag sich ergeben, dass ich Eurem Rat folge und mich an das Handelshaus wende. - Ihr erwähntet vorher noch eine gewisse Ariana. Für welchen Teil dieser Festlichkeit ist diese Dame denn verantwortlich?"

"Mhm", nickte er.
"Frau Simis hat sich das gesamte Menü mit der Witzichenberger Küchenchefin erdacht. Für welche Komponenten oder Speisen sie explizit verantwortlich zeichnet, entzieht sich leider meiner Kenntnis. So Ihr wünscht, lasse ich sie kommen, dann könnt Ihr mit ihr sprechen?"

"Nein, lasst nur, ich war nur neugierig", winkte Thalissa ab.
"Die gute Frau hat sicher auch dann genug zu tun, wenn sie nicht von neugierigen Gästen verhört wird."
Sie lächelte ironisch.
"Und läuft das Fest auch zu Eurer Zufriedenheit?", gab sie die ursprüngliche Frage Geribolds an diesen zurück.
Sie fragte nicht nur aus Höflichkeit, sondern dachte zurück an die Geschehnisse bei der Schweinsfolder Hochzeit, in der Hoffnung, dass sich hier Ähnliches nicht wiederholen mochte.

"Dann werde ich sie bei Gelegenheit fragen.", antwortete er.
Dann schweifte sein Blick über die versammelten Gäste, bevor er die Frage Thalissas beantwortete.
"Ja, mittlerweile fällt auch langsam die Anspannung von mir ab.", lachte er.
"Bei den Zwölfen, war ich nervös! Aber nun, da ich sehe, dass den Gästen das Essen schmeckt, sie sich unterhalten und tanzen… ja, es läuft zu meiner Zufriedenheit."
Noch einmal blickte er über die Gäste hinweg, diesmal blieb sein Blick an den Gardisten hängen, die, zwar außerhalb des Raumes postiert, aber durch die geöffnete Tür zu sehen waren. Anschließend schaute er Thalissa wieder in die Augen und stellte ein zufriedenes Lächeln zur Schau.

"Das freut mich zu hören”, lächelte Thalissa zurück, welcher der Blick Geribolds zu den Wachen nicht entgangen war.
"Apropos Tanz: wenn es soweit ist, würdet Ihr mir die Ehre geben?"

"Ha!", rief Geribold aus.
"Dasselbe wollte ich Euch im Anschluss an unser Gespräch ebenfalls fragen. Es wäre mir eine Ehre! Ich werde zu gegebener Zeit an Euch herantreten. Eine letzte Frage hätte ich allerdings noch, wenn Ihr erlaubt. Woher habt Ihr dies wunderbare Kleid? Es zeigt doch einen recht seltenen Schnitt, ich finde es sehr schön, wenn ich das einmal so plump formulieren darf."

Thalissa schmunzelte.
"Ich stehe in regelmäßigem Kontakt mit meinen Verwandten in der Vinsalter Heimat", antwortete sie.
"Da lasse ich mir hin und wieder auch neue Garderobe kommen. In den Nordmarken habe ich zu meinem Bedauern noch keinen Schneider gefunden, der meinen Ansprüchen genügt. Allerdings muss ich zugeben, auch noch nicht ausgiebig nach einem solchen gesucht zu haben. Vermutlich müsste ich dazu aber mindestens bis Elenvina reisen, was von Rickenhausen auch nicht gerade der nächste Weg ist, da macht es nicht mehr so viel Unterschied, wenn ich mir Kleider gleich aus Vinsalt schicken lasse."

Geribold wirkte freudig überrascht.
"Aus Vinsalt, dem Horasreich? Ihr habt Beziehungen dorthin? Meint Ihr, es wäre möglich, dass man mir ein Buch mit Eurem nächsten bezaubernden Kleid mitschickt? Es geht um 'Das Heldenzeitalter', ein Werk der Poeta Laureata Polissena di Fruganza, einer Philosophin aus Methumis. Wenn ich recht informiert bin, gilt es im Horasreich als Standardwerk, hier konnte ich es bislang allerdings noch nicht finden."
Seine Augen glitzerten, seine freudige Erregung war seiner Stimme deutlich zu entnehmen. Er blickte Thalissa erwartungsvoll an.

"Nun ja, ich bin in Vinsalt geboren", erwiderte Thalissa schmunzelnd.
"Das mit dem Buch lässt sich sicher einrichten."
Sie winkte Melisande zu sich.
"Die gute Dame della Yaborim wird die Organisation übernehmen, dann sollte es keine Probleme geben. Sobald das Werk bei mir eingetroffen ist, kann ich es Euch weiterleiten, oder es gibt eine Gelegenheit, sich zu treffen und es persönlich zu überreichen. - Aber sagt, woher rührt Euer Interesse an diesem Werk? Wie habt Ihr davon erfahren?"

"Wie wunderbar, ich wäre euch unendlich dankbar! So Ihr es erlaubt, besuche ich Euch und hole das Buch persönlich ab!"
Geribold klatschte freudig in die Hände.
"Nun, es verhält sich so, dass ich mich in den letzten Jahren intensiv mit dem Studium philosophischer Werke befasst habe. Genauer gesagt, noch immer befasse. In einem der Werke stand ein handschriftlicher Vermerk, dass eben jenes Werk zur Konsultation herangezogen werden solle. Meine dürftigen Nachforschungen ergaben lediglich, neben Namen der Autorin und dem Titel - ersterer stand als Vermerk im anderen Buch - und das Faktum, dass es im Horasreich wohl zu den Standardwerken gehörte."

"Wenn es meine Geschäfte zulassen, dass ich Euch empfangen kann, dann will ich das gerne tun und mich darüber freuen", antwortete Thalissa.
"Ich schicke Euch einen Boten, sobald das Buch bei mir angekommen ist. Was nun den Inhalt des Werkes angeht, kann ich nicht viel sagen, da ich es selbst nicht gelesen habe. Ob es tatsächlich als 'Standardwerk' bezeichnet werden kann, vermag ich ebenfalls nicht zu beurteilen, aber ich hörte, dass es in gewissen Kreisen sich durchaus einiger Beliebtheit erfreut. So hoffe ich, dass das Buch hält, was Ihr Euch davon versprecht. - Was hat denn Euer Interesse für philosophische Werke ausgelöst? Oder hat es Euch plötzlich überkommen? Manchmal ist es ja so, man liest etwas, und auf einmal ist man begeistert und weiß gar nicht so recht, warum."

"Als mein Bruder und mein Herr Vater aus dem Krieg nicht mehr heimkehrten, zog ich mich zurück. Plötzlich war ich allein, war Baron geworden und hatte niemanden, mit dem ich hätte sprechen können. So las und las und las ich, was immer mir in die Hände fiel. Darunter war auch ein Band der 'Gespräche Rohals des Weisen'. Da hat es mich gepackt - und bis heute nicht mehr losgelassen.", lächelte er.
"Ob das Werk aus Vinsalt - so Ihr es ohne allzu große Umstände erwerben könnt - nun hält, was ich mir davon verspreche, kann ich auch nicht sagen. Sicher aber wird es interessant sein."
Nun blickte er zur Tanzfläche und wechselte das Thema.
"Was meint Ihr, reserviert Ihr mir also einen Tanz?"

Thalissa hatte dem nichts mehr hinzuzufügen, also nickte sie lächelnd.
"Aber sicher. Bevor mich noch jemand anderes auffordert."


~*~


Nachdem der Hausherr den Platz bei der Baronin aus Rickenhausen geräumt hatte, trat Rondrik von Eberbach an sie heran und verneigte sich.
"Euer Hochgeboren, ich will nicht unziemlich sein, aber erlaubt mir Euch ein Kompliment für Euer wunderschönes Kleid, das sich beinahe malerisch in Euren Augen widerspiegelt, zu machen. Zwei Wunder, die sich finden, in einem Gemälde aus Blau."

Überrascht stellte Thalissa fest, dass der junge Herr ihr seine Aufmerksamkeit nun nicht mehr aus der Ferne schenkte. Sie musterte ihn kurz von oben bis unten und antwortete dann:
"Nun, einem ehrlich gemeinten Kompliment, welches in erlesenen Worten vorgetragen wird, bin ich nicht abgeneigt."
Ganz schwach umspielte die Andeutung eines ironischen Lächelns ihre Mundwinkel.
"Allerdings muss ich feststellen, dass Ihr zwar mich zu kennen scheint, aber umgekehrt muss ich leider passen. Würdet Ihr mir also die Freude erweisen, diesen Umstand zum Besseren zu wenden?"

"Selbstverständlich, Hochgeboren. Meine Name ist Rondrik von Eberbach. Zumindest ist dies der Name, den meine Mutter mir gegeben hat und sie würde sich sicherlich wünschen, dass ich Euch verschwiege, dass ich mich selbst Rahjaehr nenne."
Dabei grinste er und schaute kurz zu seiner Frau Mutter.
"uren Namen kenne ich ebenfalls von ihr."

"Ah", machte Thalissa leicht ernüchtert.
Die gräfliche Vögtin Irminella von Eberbach war ihr ein Begriff, wenn sie auch noch nie persönlich mit ihr zu tun gehabt hatte. Aber Parteigänger des Grafen waren mit Vorsicht zu genießen, daher hatte sie automatisch gewisse Vorbehalte.
"Dann... freut mich, Euch kennenzulernen", erwiderte Thalissa nichtsdestotrotz, ohne zu wissen, ob es denn wirklich eine Freude sein würde.
"Und was sollte Eure Frau Mutter dagegen haben, wenn Ihr Euch 'Rahjaehr' nennt?", fragte sie dann interessiert.

Erfreut ob der interessierten Nachfrage Ihrer Hochgeboren blitzten die Augen des Jungen Herren von Eberbach auf.
"Nun, es ist weniger der Name allein, als der Umstand weshalb ich ihn führe. Ich bin Schriftsteller. Dass ich Euch das sagen muss zeugt von meinem bisherigen Erfolg damit.", lachte er dann selbstironisch.
"Doch schreibe ich um des Schreibens willen, dichte um des Dichtens Willen. Obschon ein wenig mehr... Resonanz... natürlich schön wäre."

Thalissa schaute den Schriftsteller mit undefinierbarem Gesichtsausdruck an.
"Aha", sagte sie schließlich, "und Eure Mutter hätte gern, dass Ihr etwas anderes tut? Was zum Beispiel?"

Rondrik schien die Reserviertheit Ihrer Hochgeboren zu entgehen. Unbeirrt freundlich und zugewandt fuhr er deshalb fort:
"Das ist eine vortreffliche Frage, die ich leider nicht zur Genüge beantworten kann. Vermutlich, dass ich einmal die Familiengeschäfte übernehme. Aber daran habe ich - offen gesprochen - genauso viel Interesse wie sie an meinem Schreiben."
Er lachte, doch hörte man durchaus ein wenig Bitterkeit darin.
"Noch weniger Interesse habe ich daran, mich mit einem Lamifaar anzulegen. Lieber würde ich darüber schreiben."

"Lamifaar? Ist das nicht eine Dunkelfee? Ach ja, ich erinnere mich dunkel... war da nicht etwas mit Eurer Mutter und einer Dunkelfee? Könnt Ihr mich da aufklären?"
Thalissa klang nun deutlich interessiert, was nicht hieß, dass ihr Interesse vorher lediglich als geheuchelt angesehen werden konnte. Doch vorher war es eher ein distanziert-neugieriges Interesse gewesen.

"Wir schreiben das Jahr 1036 nach Bosparans Fall. Irminella Ermine von Eberbach steht in ihrem Gemach und grübelt fieberhaft nach, wie dem Monstrum, das den Waldbauern von Gut Gräflich Bösalbentrutz übel zusetzte, beizukommen ist."
Er brach ab, grinste und fuhr dann fort:
"Ich sagte ja, ich würde gern darüber schreiben. Doch ich beliebe nur zu Scherzen. Inhaltlich stimmt es aber. Meine Mutter erfuhr durch Bösalbentrutzer Waldbauern von einer Schwarzfee, deren Umtriebe mittlerweile ein Menschenleben gekostet hatte. Weil sie, bei aller Ignoranz gegenüber der Literatur, ein großes Herz hat, nahm sie sich der Sache an und erschlug das Biest letztlich an einem versumpften Weiher. Wie sie das Unwesen gefunden hat oder es töten konnte, weiß ich nicht. Das müsstet Ihr sie selbst fragen. Jedenfalls war sie seitdem im Gut in aller Munde und bekam später das Lehen, sodass wir - wie damals noch - heute nicht mehr im Gutshaus sondern auf Burg Bösalbentrutz residieren."

'""Hm."
Thalissa lächelte hintergründig.
"Wenn Ihr aber darüber schreiben wollt, eines Tages, dann müsst Ihr doch wissen, wie das mit der Schwarzfee genau war. Soweit mir bekannt ist, kann man solche Wesen nicht so einfach mit einem gewöhnlichen Schwert erschlagen, aber ich mag mich irren. Habt Ihr denn keine Nachforschungen angestellt? Oder einfach Eure Mutter gefragt?"

"Und wie ich das habe! Mehrfach! Doch bekam ich aus ihr nie mehr heraus, als das, was mir auch ein beliebiger Waldbauer hätte sagen können. Sie hüllt sich in Schweigen bezüglich der Details!"
Rondrik ließ sich von einem der Bediensteten ein Glas Wein reichen, war offenbar in Redelaune - wobei diejenigen, die ihn kannten, behaupten würden, dass er das immer sei.
"Sei's drum.", zuckte er dann mit den Schultern.
"Immerhin bleibt mir so künstlerische Freiheit, nicht wahr?"

"Na ja... aber dann könntet Ihr ja eine beliebige Geschichte erfinden", erwiderte Thalissa.
"Dass Eure Frau Mutter ihrem Sohn nichts über diese Geschehnisse erzählen möchte, kommt mir aber schon seltsam vor. War sie denn allein, als sie die Tat vollbrachte? Und wisst Ihr zumindest den Ort, an dem es geschah?"

Für einen kurzen Moment schien Rondrik aufgebracht zu sein, hob an, etwas zu sagen, schürzte stattdessen nur die Lippen und trank einen Schluck aus seinem Glas, das er sich zuvor hatte reichen lassen. Als er es wieder absetzte, war sein freundliches Lächeln zurück.
"Sie war allein, ja. Mein Vater wollte mit, doch sie stahl sich nach seinen Aussagen davon. Seit der Sache mit Aelfea… nun ja, sie will kein weiteres Familienmitglied verlieren."
Er räusperte sich und trank noch einen Schluck.
"Wo es war, weiß ich. Denn es ist der Ort, an dem man sie gefunden hat. Ein toter Baum inmitten eines kleinen Weihers. Dort hat das Biest gehaust."
Er blickte erneut zu seiner Mutter herüber und fragte dann:
"Soll ich sie Euch vorstellen? Vielleicht verrät sie Euch, wie sie es gemacht hat."
Er zögerte, konnte sich den Nachsatz offenbar diesmal nicht verkneifen und schob deshalb mit fester Stimme nach:
"Dass sie es getan hat, steht aber außer Frage, Euer Hochgeboren."

"Habe ich das in Zweifel gezogen?"
Thalissa hob eine Augenbraue.
"Aber ja, es würde mich freuen, Eure Mutter kennenzulernen", stimmte sie dann Rondriks Vorschlag zu.
Ob es wirklich eine Freude werden würde, würde sich zeigen, aber interessant versprach es auf jeden Fall zu werden.

"Oh, nein, natürlich nicht.", antwortete Rondrik rasch.
"Deshalb zögerte ich auch zunächst, es überhaupt laut auszusprechen. Leider wurde die Leistung meiner Mutter nur allzu häufig in Disposition gezogen, sodass ich in diesem Punkt ein manches Mal etwas übereifrig bin. Ich wollte Euch nichts in den Mund legen, Hochgeboren. Nun, bevor ich mich hier weiter um den sprichwörtlichen Kragen rede..."
Wieder blickte er zu seiner Mutter, die seinen Blick diesmal auffing. Er machte eine einladende Geste, der sie umgehend folgte und an die beiden herantrat.

Thalissa lächelte lediglich fein und sagte nichts weiter zu den Aussagen des jungen Mannes. Dann drehte sie sich Irminella zu.

"Euer Hochgeboren, es ist mir eine Ehre Eure Bekanntschaft zu machen. Bislang kannte ich nur Euren Namen, dies können wir nun hoffentlich ändern. Irminella Ermine von Eberbach mein Name, sehr erfreut.", lächelte sie um kurz darauf nachzuschieben:
"Ich hoffe, mein Sohn hat Euch nicht mit einem seiner anzüglichen Gedichte belästigt?"
Zwar lachte sie dabei, doch hörte man durchaus eine gewisse Verunsicherung in ihrer Stimme, als wäre sie sich der Antwort auf diese eigentlich rhetorische Frage doch nicht so sicher.

"Die Freude ist ganz meinerseits, Wohlgeboren von Eberbach", erwiderte Thalissa recht formell, aber dennoch mit einem herzlichen Lächeln.
"Ja, es kann gelegentlich nicht schaden, miteinander statt übereinander zu sprechen. Aber keine Angst, Euer Sohn ist mir nicht zu nahe getreten. Doch brachte er die Sprache auf die Großtat, welche Ihr vollbracht habt", kam die Baronin von Rickenhausen ohne weiteres Geplänkel auf den Punkt.
"Ihr sprecht aber anscheinend nicht gerne darüber? Wobei ich natürlich auch Euch nicht zu nahe treten will. Ich bin lediglich notorisch neugierig. Wahrscheinlich Berufskrankheit."
Wieder lächelte Thalissa sehr fein, während ihre strahlend blauen Augen auf Irminellas Regungen achteten, aber auch Rondrik nicht völlig aus dem Blick ließen.

Irminella zog für einen kurzen Moment die rechte Braue nach oben und blickte dann zu ihrem Sohn, als wisse sie, dass er die Sache zur Sprache gebracht hatte. Dieser nahm davon allerdings keine Notiz, denn er war damit beschäftigt, angestrengt wegzusehen - entweder aus Schuldbewusstsein oder Verdruss darüber, dass seine Mutter seine Gedichte soeben als 'anzüglich' beschrieben hatte.
Irminella wandte sich dann aber wieder mit fröhlichem Lächeln an Ihre Hochgeboren.
"Diese Geschichte hat mir mehr Aufmerksamkeit eingebracht als mir lieb ist, wenn ich ehrlich bin. Ich habe lediglich einem Bauersjungen meine Hilfe zugesagt, als er verzweifelt vor unserem damaligen Wohnsitz stand und von einem Unwesen berichtete, das seine Familie und Freunde bedrohte. Der Rest hätte dann beinahe mich, letztlich aber doch nur die Schwarzfee das Leben gekostet. Wollt Ihr etwas bestimmtes Wissen?", beendete sie ihren kurzen Monolog mit einer Frage.

„Wie ich schon sagte, ich bin neugierig”, erwiderte Thalissa mit einem interessierten Lächeln.
"Wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich gerne die ganze Geschichte hören, wie Ihr auszogt, eine Schwarzfee zu töten, und dabei siegreich geblieben seid."
Die Stimme der Baronin ließ keine Ironie erkennen, sie schien tatsächlich auf die Fakten aus zu sein.

Irminella zögerte kurz und sagte dann:
"Nun gut. Doch vertraue ich auf Eure Diskretion. Ich möchte nicht, dass die Geschichte allzu öffentlich wird. Wenn ich geendet habe, wisst ihr warum, denke ich."

Thalissa zog eine Augenbraue leicht überrascht nach oben, nickte aber.

Rondrik blickte seine Mutter überrascht an.
"So plötzlich der Sinneswandel?"
Diese wiederum funkelte ihren Sohn an.
"Wenn du sie ebenfalls hören willst, bist du jetzt still. Und wenn ich irgendwo davon lese, dass du die Geschichte in deinen Romanen benutzt...", ließ sie den Satz unbeendet im Raum stehen.
"Dann hast du also nichts dagegen, dass ich weiterschreibe?", grinste er.
"Würdest du aufhören, wenn ich es dir auftrüge?", fragte sie dann.
"Nein."':, kam es von Rondrik knapp zurück, was Irminella mit einem Schürzen der Lippen und dem Hochziehen beider Augenbrauen quittierte. Dann richtete sie ihren Blick wieder auf Thalissa.
"Verzeiht, Hochgeboren."

Diese zeigte lediglich die Andeutung eines Lächelns und nickte erneut wortlos.

Irminella räusperte sich kurz und begann dann mit der Erzählung:
"Den Beginn machten einige Ereignisse, die besagte Schwarzfee wohl als 'Streiche' bezeichnet hätte. Irgendwann forderte sie von den Bewohnern der Waldsiedlung allerdings Blutopfer, die sie nicht gewillt waren zu geben. Dies erzürnte den Lamifaar derart, dass wenig später eine Hütte brannte, in der ein Mann ums Leben kam. Der bereits zuvor erwähnte junge Mann kam dann zu unserer Heimstatt und bat um Hilfe."
Sie machte eine Pause, in der sie ihren Becher Wein auffüllen ließ. Dann sprach sie mit gesenkter Stimme weiter:
"Ich bin im Besitz einiger handgeschriebener Seiten, auf denen die bekannten Eigenschaften einiger magischer und nicht magischer Wesenheiten verzeichnet sind - Orks, Goblins, Oger - und eben auch Feen und deren pervertierter Geschwister. Meist ist es nicht viel, doch waren die Informationen über die Schwarzfeen unbezahlbar wertvoll. Ihr müsst wissen, dass einige dieser Wesen, so sie hier auf Deren bleiben wollen, eines Ankers bedürfen, der sie hier hält - nebst anderen Dingen, die aber wohl rein spekulativer Natur sind. Ich wusste also, dass ich diesen Anker finden musste, wollte ich die Schwarzfee finden und bezwingen."
Sie trank erneut einen Schluck, um ihre Nervosität in den Griff zu bekommen, während Thalissa nachdenklich die Augenbrauen zusammenzog, aber auf Einwürfe verzichtete.
"Also machte ich mich auf den Weg. Ich wusste, dass der Ort ein unheiliger, toter sein würde und dass er sich in der Nähe besagter Waldbauern befinden musste. Ich brauchte einige Stunden, bis ich einen Tümpel fand, stinkende Faulgase absondernd, ohne Anzeichen von Leben, in dessen Mitte ein unwirklich scheinender, toter und verdrehter Baum stand. Als ich mich anschickte, den Baum, in dem ich den Anker der Fee vermutete, zu zerstören, tauchte sie tatsächlich auf. Geifernd warf sie sich sodann auf mich, kratzte, biss und zauberte. Ich selbst kämpfte um mein Leben, das ich wohl verloren hätte, wäre mir nicht in höchster Not ein glücklicher Treffer gelungen, der den Lamifaar tötete. Zum Sterben bereit lehnte ich mich an den toten Baum und erwartete Golgaris endgültige Umarmung. Doch die blieb aus. Stattdessen fand man mich, trug mich nach Hause und pflegte mich gesund. Ende der Geschichte."
Sie trank einen erneuten, diesmal recht großen Schluck Wein und schaute dabei über den Becherrand zu Thalissa, in angespannter Erwartung ihrer Reaktion.
Rondrik stand, für ihn recht unüblich, schweigend neben seiner Mutter und blickte sie mit großen Augen an.

Thalissa runzelte die Stirn.
"Interessant", sagte sie schließlich.
"Aber … Ihr sagt, Euch gelang ein 'glücklicher Treffer' gegen die Fee selbst, während ihr dem Baum, dem Anker, wie Ihr sagt, nichts getan habt? Und Ihr konntet die Fee so tatsächlich töten? Und der Anker existiert nun noch? - Versteht mich nicht falsch, ich zweifle nicht an Eurer Erzählung, aber ich möchte sicher sein, alles richtig verstanden zu haben. Man weiß nie, wann solches Wissen einmal nützlich sein könnte. Wobei Ihr Euch darauf verlassen könnt, dass ich nichts davon herumtratschen werde."
Sie blickte kurz zu Rondrik, dem seine Mutter kein Schweigeversprechen abgenommen hatte, sondern ihn lediglich ermahnt hatte, nichts davon zu schreiben.
"Und... was an der Geschichte würde nun ein schlechtes Licht auf Euch werfen, wenn sie allgemein bekannt würde?", fragte die Baronin dann doch.
"Ihr habt einem Mann geholfen, Ihr habt eine Bedrohung für die besagte Siedlung beseitigt, das ist doch aller Ehre wert?"
Thalissa hatte allerdings schon einen Verdacht, den sie aber zunächst nicht aussprach, sie wollte erst hören, was Irminella dazu sagte.

"Ich kehrte, nachdem ich gesundet war, zu dem Ort zurück, an dem ich den Lamifaar fand. Der Sumpf war noch immer da, alles Leben darin wohl unwiederbringlich erloschen. Doch der widerwärtige Baum war geborsten. Was Eure Frage zum Kampf betrifft: zunächst könnte ich die Fee nicht treffen - zu klein, zu schnell. Verwundbar war sie aber, denn vor dem tödlichen Hieb gelang mir ein leichter Treffer, der das Monstrum bluten ließ. 'Was blutet, kann man töten', dachte ich damals, das weiß ich noch wie heute. Die Leiche des Unwesens, gepaart mit dem geborstenen Baum lassen mich glauben, dass der Spuk endgültig beendet ist", beendete sie ihre genaueren Erläuterungen.
Rondrik, der bislang beharrlich geschwiegen hatte, sprach nun wieder:
"Ich verstehe. Mein Cousin...", hob er an.
"...muss das nicht wissen.", schnitt Irminella ihm das Wort ab.
Rondrik rollte mit den Augen, sprach dann aber doch weiter:
"Mein Cousin würde das sicherlich nicht gutheißen. Dass du dich mit magischen Geschöpfen auseinandersetzt, meine ich. Und deshalb sehe ich es genauso. Das muss er nicht wissen."
Er nickte seiner Mutter zu.
"Hochgeboren, genau benennen mag ich es nicht, doch wäre es nicht das erste Mal, dass ich mit meinem Neffen und damit im Grunde meiner Familie der Ibenburger Seite, über meinen Umgang mit der Magie aneinandergeraten würde, versteht Ihr?"

Damit hatte Irminella ihren Verdacht bestätigt, wie eigentlich nicht anders zu erwarten gewesen war.
"Ich verstehe", sagte Thalissa laut, ohne auf die sehr praiosgefällige, ibenburger Verwandtschaft der Vögtin einzugehen.
"Ja, ich denke auch, dass die Gefahr damit gebannt ist. So scheint also nicht nur das Wesen von dem Anker abhängig gewesen zu sein, sondern andersherum war es genauso der Fall. Interessant. - Aber sagt, wie kommt es, dass Ihr im Besitz magischer Schriften seid?", fragte die Baronin dann und gab ihrer Stimme den Klang von freundlicher Neugier.

"Nun, dass es in Bösalbentrutz, im Grunde in ganz Tommelsbeuge, durch die unbestreitbare Anwesenheit der Feen magisches Wirken gibt, ist offensichtlich. Ich ging, nein gehe von dem Standpunkt aus, dass ich wissen muss, was mich umgibt - letztlich um Land und Leute zu beschützen, wie ich es getan habe. Ohne das Wissen daraus, hätte ich das Monster zwar ebenfalls töten können, ob ich es zuvor aber gefunden hätte, ist fraglich. Zumindest hätte es einige Zeit gedauert, es hätte mehr Angriffe gegeben."
Sie zuckte mit den Schultern.
"Ich bin in diesem Punkt recht pragmatisch. Ich will wissen, womit ich es zu tun habe."

"Nun, bei mir rennt Ihr dabei offene Türen ein", gab Thalissa zurück.
"Allerdings ist die Beschäftigung mit Magie in den Nordmarken nicht gern gesehen, wie Euch ja bekannt ist, Pragmatismus hin oder her. Insofern kann ich Eure Vorsicht nachvollziehen und bin fast schon überrascht, dass Ihr mir so bereitwillig Auskunft erteilt habt. Womit habe ich diese Ehre verdient?", fragte sie, nun doch wieder mit einem leicht schelmisch angehauchten Lächeln.

"Das würde ich jetzt aber doch auch gern wissen wollen", verlieh Rondrik Thalissas Frage mit verschränkten Armen Nachdruck.
"Nun, ich... hmm", hob Irminella an, um dann ihren Weinbecher für drei, vier Herzschläge zu schwenken und kurz innezuhalten.
"Der rechte Moment? Offen gestanden weiß ich es nicht."
Das, was sie sagte, meinte sie ernst.
"Was ich jedoch weiß, ist - wenn wir ohnehin schon dabei sind -, dass ich diese Geheimniskrämerei hasse. Wie gern würde ich offenlegen, wie ich es getan habe. Nicht, weil ich noch mehr Lorbeeren dafür haben will, als mir ohnehin schon entgegengebracht werden. Irminella, die Feentöterin, nennen sie mich."
Sie schüttelte den Kopf. Dass sie aufgeregt war, hörte man in ihrer Stimme und sah man an ihren rötlichen Wangen.
"Sie kennen alle die Geschichte, nur das wichtigste Detail, den Grund, wieso ich die Fee überhaupt fand, den gerade kennen sie nicht. Sie kennen nur die halbe Wahrheit und bejubeln mich dafür. Würden sie die ganze Wahrheit kennen, würden nur noch die Bauern klatschen."
Sie wirkte nun wirklich recht zornig.
Rondrik blickte nun nicht mehr herausfordernd drein, verschränkte auch die Arme nicht mehr. Vielmehr legte er nun seiner Mutter eine Hand auf die Schulter, als wolle er sie beruhigen.
'""Warum jetzt aufhören?", sprach die nun wirklich aufgebrachte Irminella weiter und lies sich demnach nicht beruhigen.
"Wisst Ihr, warum meine Familie der Heirat mit Balther so schnell zustimmte?", fragte sie, nur um die Antwort direkt selbst zu geben:
"Weil sie mich aus dem Haus haben wollten, bevor jemand mitbekommt, dass ich mich für magische Wesen interessiere. So, da ist sie, die ganze Wahrheit. Natürlich hat das nie jemand expressis verbis gesagt, aber dumm bin ich nun einmal nicht."
Nun war sie es, die die Arme verschränkte und herausfordernd zu Thalissa blickte, als erwarte sie, dass selbige sie nun verbal angehen würde, so wie es bislang fast immer geschehen war, wenn sie von ihrer heimlichen Leidenschaft sprach - weshalb sie es bis heute auch viele Jahre nicht mehr getan hatte.
In Rondriks Blick lag nun zum ersten Mal während des gemeinsamen Gespräches nichts als aufrichtige Ehrfurcht vor seiner Mutter, die ihm ihr Ausbruch an Offenheit abnötigte.

"Wie ich schon sagte, bei mir rennt Ihr da offene Türen ein", erwiderte Thalissa nun durchaus ernst und ohne zu lächeln.
"Das ist aber auch etwas, das Ihr nicht an die große Glocke hängen solltet. - Und Ihr auch nicht", sprach sie mit leichter Schärfe an Rondrik gewandt, bevor sie sich wieder Irminella widmete.
"Ich sage nicht, dass der Zweck die Mittel heiligt, aber ich sage, dass man alle zur Verfügung stehenden Mittel benutzen sollte, um ein Ziel zu erreichen, wenn damit kein Schaden angerichtet wird. - Aber sagt, wie ist denn dann der Landtgraf auf Euch aufmerksam geworden?"

Rondrik hob zur Antwort nur abwehrend die Hände und nickte. Irminellas Haltung entspannte sich unterdessen ein wenig.
"Schön, auf jemanden zu treffen, der meine Einstellung nachvollziehen kann.", lächelte sie dann. Sie wurde nun wieder wesentlich ruhiger und gelassener.
"Verzeiht meinen Ausbruch", entschuldigte sie sich dann erneut bei Ihrer Hochgeboren, "aber offenbar musste das alles einmal gesagt sein."
Nun trat ein wenig Verlegenheit in ihren Gesichtsausdruck.
"Aber Ihr wolltet noch wissen, wie der Landtgraf davon erfuhr. Wie ich sagte, nannte man mich rasch die Feentöterin, das heißt, man sprach über meine Tat - denn lediglich den Teil, in dem ich Schriften über magische Wesen konsultierte, ließ ich weg, der Rest war bekannt. Aber unter Waldbauern, kaum über die Grenzen meines heutigen Lehens hinaus."
Nun suchte ihr Blick kurz ihren Schwiegervater, bevor sie weitersprach.
"Ich glaube, dass die Nachricht über Boso, meinen Schwiegervater, nach Gratenfels fand. Balther hat natürlich sofort seinem Vater Kunde gebracht, dieser wird es wohl Seiner Hochgeboren Hagunald von Fischwachttal - Boron habe ihn selig - dem damaligen Baron Tommelsbeuges, erzählt haben."
Sie schürzte kurz die Lippen, und hob nun auch abwehrend die Hände.
"Wir befinden uns nun im Bereich der Spekulationen, doch gehe ich davon aus, dass eben jener Hagunald mich ins Spiel brachte. Das Lehen war nicht vergeben, wir waren schon vor meiner Tat in Bösalbentrutz gut gelitten und ich war, über meinen Schwiegervater, mit dem Hause Fischwachttal verbunden - es ist nützlich, wenn das landtgräfliche Lehen an jemanden geht, dem der Baronshof auf Grund familiärer Entwicklungen doch sehr am Herzen liegt, meint Ihr nicht?", fragte sie dann lächelnd.
"Wie gesagt, ich spekuliere, aber es ergibt Sinn, wie ich meine."
Rondrik nickte bestätigend, sagte aber nichts.

"In der Tat", bestätigte Thalissa, fragte sich aber insgeheim, ob der Landtgraf seine Wahl tatsächlich lediglich aufgrund von Irminellas Großtat vergeben hatte.
Immerhin erforderte das Verwalten eines Lehens von Baroniegröße im Alltag eher andere Fähigkeiten als es zum Töten einer Fee brauchte. Aber sie wollte jetzt die zarten Bande einer sich entwickelnden guten Beziehung nicht gleich wieder dadurch strapazieren, dass sie die Befähigung der Vögtin für ihr Amt in Zweifel zog.
"Nun, auch die Wege des Landtgrafen sind manchmal unergründlich, belassen wir es bei den Spekulationen", sagte sie daher eher unverbindlich.
"Wenn mich mein Weg allerdings einmal nach Bösalbentrutz führen sollte, wäre ich Euch durchaus verbunden, wenn ich Eure Bibliothek konsultieren dürfte. Rein interessehalber, versteht sich. Im Gegenzug kann ich Euch dasselbe anbieten. Immerhin war meine Vorgängerin im Amte eine Hochgeweihte der Hesinde, so dass sich auch in Rickenhausen eine ganze Reihe Bücher angesammelt haben."

Irminellas Augen leuchteten auf.
"Das wäre ganz wunderbar, habt vielen Dank! Und sollte Euch Euer Weg dereinst tatsächlich einmal durch mein bescheidenes Lehen führen, so seit Euch offener Türen und einer guten Lektüre gewiss", grinste sie.

Thalissa neigte lächelnd den Kopf.

Rondrik hatte nun ebenfalls zu seinem Lächeln zurückgefunden und auch sein Esprit war wieder da.
"Ah, wie ich sehe, will Euch meine Frau Mutter meine Werke präsentieren. Vortrefflich!", sagte er mit ironischem Grinsen.
Diesmal lächelte Irminella nur, da alle Gesprächspartner wussten, dass er es diesmal tatsächlich nicht ernst meinte. Dann fuhr Rondrik fort:
"Dies war doch ein durchaus erbauliches Gespräch, nicht. Wie ein guter Roman - Drama, Geheimnisse, Spannung, Emotionen!"
Diesmal meinte er es offenbar wieder ernst, sowohl Blick als auch Stimme legten diesen Schluss nahe.
"Hochgeboren, bringen wir Gespräch und neue Bekanntschaft zu einem glücklichen Ende. Würdet Ihr mir die Ehre erweisen und mir, sobald es später soweit ist, einen Tanz schenken?", fragte Rondrik schließlich.

"Nun, warum nicht?", gab sich Thalissa großzügig.
"Sofern Ihr mich frei vorfindet, soll es so sein."
Sie lächelte allerdings gutmütig, sie wollte dem Poeten seinen Tanz durchaus gönnen. Aber ein wenig anstrengen durfte er sich schon.
"Ansonsten freut es mich tatsächlich, diese … sagen wir, ein wenig überraschende Bekanntschaft mit Euch geschlossen zu haben", wandte Thalissa sich dann wieder an Irminella.
"Ich denke, ich werde einmal überlegen, wie ich meine Reisepläne zurechtbiegen kann, damit ich tatsächlich in Bälde Eure Gastfreundschaft genießen darf. Das ist doch ein Grund, anzustoßen."
Die Baronin hob ihren Weinkelch.

"Ausgesprochen gern! Ich hoffe, Ihr mögt Apfelwein oder seid einer Probe nicht abgeneigt? Die Schwester der Köchin Simis, die hier zum Teil für das Menü verantwortlich zeichnet, keltert einen hervorragenden! Ich freue mich diese, wie Ihr es nanntet, überraschende Bekanntschaft in Bälde zu vertiefen.", lächelte Irminella, während sie ihrem Becher hob.
Rondrik tat es ihr gleich und nahm die kleine Herausforderung seitens Thalissa offenbar an, indem er sprach:
"Möge das wachsam‘ Aug', den Füßen zum Tanze verhelfen."

"Das mit dem Apfelwein käme auf einen Versuch an", erwiderte Thalissa lächelnd.
"Und ansonsten: so sei es!"
Sie prostete den beiden nochmals zu und nahm dann einen Schluck aus ihrem Kelch.


~*~


Zum Zwischengang begann das Unterhaltungsprogramm. Eine Gruppe Gaukler trat auf und begeisterte die Hohen Herrschaften mit ihren Darbietungen - sie tanzten, jonglierten, zeigten ihre Akrobatik-Künste. Einer spuckte, mit weitem Abstand zu den Gästen, Feuer. Ein anderer 'schluckte' ein Schwert.

Der Höhepunkt der Darbietung aber war die junge Zahori-Tänzerin Aridana, die eine sinnlich-schöne Tanzdarbietung präsentierte, immer begleitet von ihrem Äffchen Madayon.

Bei dem Auftritt Aridanas, die eine wirklich gelungene, sinnliche Darbietung absolvierte, warf die frischvermählte Tsaja Geribold einige unsichere, irritierte Blicke zu. Die junge Tänzerin bot in ihrem blau-goldenen Tanzkostüm einen wahrlich rahjagefälligen Anblick. Doch als der kleine Affe nach der Darbietung zu ihr auf den Tisch hüpfte und artig sein Hütchen zog, lächelte sie und gab ihm ein Stück Apfel und einen Silbertaler.

Liliane Eberwulf von Tannwirk, die sittenstrenge Ziehmutter der Braut, hob beim Anblick der Zahori - Tänzerin kurz die Augenbrauen, besann sich dann aber, lächelte und applaudierte am Ende.

Circe musste bei dem Auftritt an den Auftritt Doratravas auf der Schweinsfolder Hochzeit denken und suchte ganz kurz den Blickkontakt mit Selinde.


~*~


Waliburia Eichenblatt und das kleine Küchenmädchen Titina blickten während des Tanzes behutsam durch die Tür in den Saal, um zu sehen, ob den hohen Herrschaften die zubereiteten Speisen auch mundeten. Waliburia wandte sich an Ariana Simis: „Nun, was meint Ihr? Schmeckt es den Herrschaften?”

„Wehe, wenn nicht!“, flüsterte diesem mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen zurück. Dann wurde sie ein wenig ernster. „Ich bin überzeugt, dass es den Hohen Gästen schmeckt. Wir haben unser Bestes gegeben und - wenn ich das einmal so sagen darf - Ihr seid eine formidable Köchin!“ Sie drückte mit ihrer linken Hand die rechte Schulter Waliburias und lächelte erneut, diesmal mehr freundlich als schelmisch.

Waliburia lächelte zurück: „Ich danke Euch für diese Auszeichnung! Mir war es eine Ehre, mit Euch zusammen zu arbeiten und ich habe sehr viel von Euch gelernt! Man merkt, dass Ihr doch weit herumgekommen seid!” Gemeinsam kehrten die beiden Frauen mit Titina in die Küche zurück.


~*~


Aidan Freiensteyn hatte die Darbietungen mit regem Interesse beobachtet, er hatte beim Auftritt von Aridana am Lautesten applaudiert. Der Geweihte der schönen Göttin konnte es kaum erwarten, dass der allgemeine Tanz losging.

Als Aridana den Geweihten und sein Interesse bemerkte, lächelte sie scheu und zwinkerte ihm zu.

Aidan zwinkerte zurück und machte nach dem Tanz eine einladende Geste auf den Stuhl zu seiner Linken.

Aridana trat zu ihm an den Tisch, nahm aber nicht Platz.
"Danke Euer Hochgeboren, aber ich glaube, es schickt sich nicht, dass ich an der Tafel der hohen Herrschaften sitze".
Sie lächelte Aidan zu. Ihr Äffchen Madayon hatte allerdings keine derartigen Skrupel und sprang mit einem Satz auf den freien Platz.

Aidan winkte mit der Hand ab und grinste die Frau an.
"Papperlapapp, setzt Euch. Das 'Hochgeboren' könnt ihr auch weglassen, so hoch stehe ich nicht in der Adelsfolge. Ich bin Aidan. Ihr heißt Aridana, das weiß ich wohl. Wie heißt euer Gefährte?"<Nr> Hierbei kraulte er dem Äffchen vorsichtig den Kopf.

Aridana lächelte schüchtern, setzte sich dann zu dem Geweihten, nachdem sie das Äffchen hochgehoben hatte.
"Hoher Herr, darf ich Euch Madayon vorstellen?"

"Es ist mir eine Ehre, Euch beide kennenzulernen. Euer Tanz war wahrhaftig der Göttin würdig, eure Bewegungen ein Genuss. Wie lange übt ihr Eure Tanzkunst schon?"
Aidan lächelte die junge Frau weiterhin freundlich an, er wirkte dabei entspannt und interessiert.

Aridana freute sich über das Interesse, das ihr zuteilwurde.
"Ich danke Euer Gnaden für Euer Lob! Schon seit vielen Jahren. Bereits als junges Mädchen tanzte ich gerne und meine Ausbildung begann sehr früh, auf spielerischer Basis. Bei Auftritten auf Jahrmärkten hatte ich schon bald Erfolg und so sorgte meine Familie dafür, dass ich eine gründliche Ausbildung erhielt und regelmäßig übte."
Verlegen blickte sie den Geweihten an und wusste nicht, wie sie die Unterhaltung fortführen sollte, weil sie keine Erfahrung im Umgang mit hohen Herrschaften besaß.

Aidan hörte der jungen Frau aufmerksam zu.
"Eure Familie hat gut daran getan, Euch die Zeit zum Üben zu lassen. Es hat sich gelohnt. Eure Kunst ist der Göttin wohlgefällig. Übt weiter und nehmt jeden Auftritt, den ihr bekommen könnt mit. Ihr werdet immer besser werden. Strebt immer nach der Verfeinerung Eurer Kunst, steht nie still. Man kann sich immer verbessern, selbst wenn es nur um Nuancen geht."
Aidan kraulte weiterhin beiläufig dem Äffchen den Kopf während der Unterhaltung.

Madayon ließ sich die Liebkosung gerne gefallen und war außergewöhnlich brav.
"Vielen Dank, Euer Gnaden! Ich werde Euren Rat im Herzen bewahren. Darf ich Euch noch etwas Wein holen oder etwas vom Büffet?", fragte die junge Tänzerin.

Aidan lächelte freundlich.
"Ich werde Euch noch einen Wein holen!", sagte er und stand auf.

"Nein! Das geht doch nicht!", rief Aridana, sprang auf und hielt den Geweihten am Ärmel fest, um ihn sofort erschrocken wieder loszulassen.
"Vergebt mir! Ich wollte nicht respektlos sein! Bitte lasst mich den Wein holen! Es ziemt sich nicht, dass ein so hoher Herr wie Ihr es seid, eine wie mich bedient!"

Und doch holte Aidan den beiden noch einen Becher des köstlichen Rebensaftes. Dann stieß er mit der jungen Frau an.
"Was sind eure Pläne nach dieser Feierlichkeit?"

Nachdem Aridana sich wieder beruhigt und einen Schluck Wein genommen hatte, so einen vorzüglichen Wein bekam sie normalerweise nicht zu trinken, antwortete sie Aidan:
"Ich habe noch keine Pläne. Entweder gehe ich nach Gratenfels oder nach Albernia. Ich muss noch Erkundigungen einholen, wo demnächst ein Fest ist, auf dem ich auftreten könnte."
Sie nippte nochmal an dem vorzüglichen Wein, hielt aber Maß, um einen klaren Kopf zu behalten.
"Darf ich Euer Gnaden fragen, wo Ihr herkommt? Wo ist Euer Heimattempel?"

Aidan hörte der jungen Frau aufmerksam zu, und lächelte weiterhin freundlich.
"Natürlich dürft ihr fragen. Ich bin in Alborath, hier in den schönen Nordmarken, geboren. Mein Noviziat habe ich in Grangor erleben dürfen, dann bin ich ein wenig über Dere gereist. Aktuell lebe ich bei meiner Schwester in Kranickteich. Sie ist dort die Tempelvorsteherin der Hüterin des Lebens und Gattin des Edlen. Fulco, mein Schwager, ist in einer Nebenlinie mit der Familie Kranick verwandt, daher kenne ich Hochwürden Gundoin."

Ob der vielen ihr unbekannten Namen blickte Aridana etwas ratlos. Von Grangor hatte sie bereits gehört.
"Wie weit ist Alborath von Gratenfels entfernt und in welcher Himmelsrichtung liegt das? Und wo liegt Kranickteich? Habe ich das richtig ausgesprochen?"

Aidan schmunzelte kurz und dachte kurz nach, bevor er eine Antwort gab.
"Ja, Ihr habt das ganz hervorragend ausgesprochen. Gratenfels und Alborath sind ein gutes Stück voneinander entfernt, bestimmt um die vier- bis fünfhundert Meilen. Kranickteich liegt in Nordgratenfels, in der Baronie Kranick. Dies ist nicht weit von hier entfernt, es ist die übernächste Baronie Richtung Rahja. Nordgratenfels ist ein rauer Landstrich, der aber auch seine schönen Seiten hat. Nicht mit dem neuen Reich vergleichbar, aber ich fühle mich wohl."

Aridana lächelte bescheiden. Immer wieder wurde ihr bewusst, wie mangelhaft ihre Bildung war.


~*~


Gala und der Page Falk trugen zwei Tabletts mit Speisen, die für Galas Mutter Quelina und ihren Onkel Quendan gedacht waren, die draußen wachten. Quendan hatte sich im Tortum platziert und Falk trennte sich von Gala, die zu ihrer Mutter in Richtung Garten weiterging, während Falk das schwere Tablett für Quendan die Treppe des Tortums hinauf bugsierte.

"Mutter? Ich bringe Euch etwas zu essen", rief Gala die Magierin an, die an einem großen Baum lehnte.
"Danke, mein Kind!"
Die Magierin bemühte sich um einen warmen Ton in ihrer Stimme. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter war schlecht und bei den Gelegenheiten, zu denen sie sich trafen, bemühten sich beide um Höflichkeit, wo es an Herzenswärme fehlte. Gala strebte mit dem Tablett zu einer Bank und ihre Mutter folgte ihr.
"Warum seid Ihr und Onkel Quendan hier draußen und nicht beim Bankett? Man könnte meinen, dass Ihr hier Posten bezogen habt."
Quelina überlegte, wie viel sie ihrer Tochter preisgeben könnte, ohne der Bitte Melindes entgegen zu handeln, alles diskret zu behandeln.
"Ja, aber Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen! Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme und bitte schweige darüber. Das Fest soll nicht beeinträchtigt werden. Es gibt auch keine konkreten Befürchtungen. Ihre Hochgeboren Melinde bat mich um Diskretion, weshalb ich Dir im Moment nicht mehr erzählen darf."
Quelina widmete sich ihrem Mahl, behielt die Gegend jedoch weiterhin im Auge.
"Amüsierst Du Dich gut?", fragte sie ihre Tochter dann.
Das Mädchen zuckte mit den Schultern.
"Es ist alles sehr förmlich und es sind so viele hohe Herrschaften anwesend. In Elenvina haben wir keinen solchen Umgang gepflegt."
"Du wirst Dich daran gewöhnen. Auf Tannwirk wirst Du alles lernen, was dazu nötig ist, sich auf diesem Parkett zu bewegen. Nach dem Bankett beginnt der gesellige Teil. Das wird Dir sicher gefallen! Nutze die Gelegenheit zum Tanze! Man ist nur einmal jung!"
Gala merkte, dass ihre Mutter sie mit dieser Aufforderung entlassen hatte.
"Guten Appetit!", wünschte sie dieser noch und begab sich zurück zum Fest.



Hier geht die Tommelsbeuger Hochzeit weiter:
Es folgt die (letzte) Szene Musik, Tanz und ein Kuchenbuffet.