Stella Nova: Unterschied zwischen den Versionen

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Erst waren es einzelne, nun war es eine beachtliche Gruppe,  die ihren Weg in den Tempel der Allwissenden fanden. Und heute, am 12 Perainemond 1043 nach Bosparans Fall, hatten sich 4 Grüppchen gebildet, die jeweils um einen Gelehrten versammelt waren. Denn unstimmig war man über die Bedeutung des Sternenfalls und so gab es verschiedene Meinungen und Ansichten. Der junge Norbarde Ghazbar Hulkonjeff kam aus dem Svelttal angereist und kannte sich mit dem Wert von Sternengold aus. Eine tiefgehende Bedeutung dessen, sah er allerdings nicht. Im Gegensatz zu der hiesigen Hesindegweihten Nirjaschka. Die Bornländerin hatte gehört, das Sternenschätze in der jetzigen Zeit als Götterzeichen galten und ist sich sicher, das es sich bei dieser ´Stella Nova´, genau um das handelte. Belsazar ay Asango, ein Horasier mit chirakanischen Wurzeln, kam wiederum mit einer alten, niedergeschriebenen Prophezeiung, die besagte, das ein Königskind unter einem Sternenregen geboren werden sollte. Der letzte im Bunde war der kriegserfahrene Chronist Melchior Praiotreu aus Gratenfels. Dieser kam mit einem dicken Folianten voller Verschwörungstheorien und Auslegungen alter Kriegsschauplätze angereist und witterte hinter dem Sternzeichen, den Beginn eines neuen Krieges. Und so wurde, jeweils in einer der 6 Nischen des Tempels an einem Tisch vorgetragen, diskutiert, zugehört, überlegt und abgeschätzt.  
 
Erst waren es einzelne, nun war es eine beachtliche Gruppe,  die ihren Weg in den Tempel der Allwissenden fanden. Und heute, am 12 Perainemond 1043 nach Bosparans Fall, hatten sich 4 Grüppchen gebildet, die jeweils um einen Gelehrten versammelt waren. Denn unstimmig war man über die Bedeutung des Sternenfalls und so gab es verschiedene Meinungen und Ansichten. Der junge Norbarde Ghazbar Hulkonjeff kam aus dem Svelttal angereist und kannte sich mit dem Wert von Sternengold aus. Eine tiefgehende Bedeutung dessen, sah er allerdings nicht. Im Gegensatz zu der hiesigen Hesindegweihten Nirjaschka. Die Bornländerin hatte gehört, das Sternenschätze in der jetzigen Zeit als Götterzeichen galten und ist sich sicher, das es sich bei dieser ´Stella Nova´, genau um das handelte. Belsazar ay Asango, ein Horasier mit chirakanischen Wurzeln, kam wiederum mit einer alten, niedergeschriebenen Prophezeiung, die besagte, das ein Königskind unter einem Sternenregen geboren werden sollte. Der letzte im Bunde war der kriegserfahrene Chronist Melchior Praiotreu aus Gratenfels. Dieser kam mit einem dicken Folianten voller Verschwörungstheorien und Auslegungen alter Kriegsschauplätze angereist und witterte hinter dem Sternzeichen, den Beginn eines neuen Krieges. Und so wurde, jeweils in einer der 6 Nischen des Tempels an einem Tisch vorgetragen, diskutiert, zugehört, überlegt und abgeschätzt.  
 
Elador Thedon, der Hohe Lehrmeister des Hesindetempels, hatte die Hände hinter seinem Rücken verschränkt und grinste zufrieden vor sich hin. Schon lange waren seine Hallen nicht mehr mit dem Geist und den Stimmen der Gelehrsamkeit gefüllt gewesen, wie an diesem Tag. Und so schlenderte er von Nische zu Nische und hörte hier und da zu. ´Oh Hesinde, was für ein Tag! Mögest du unsere Geister mit Erkenntnis füllen!´, schickte er ein stilles Gebet an die Sternensucher.
 
Elador Thedon, der Hohe Lehrmeister des Hesindetempels, hatte die Hände hinter seinem Rücken verschränkt und grinste zufrieden vor sich hin. Schon lange waren seine Hallen nicht mehr mit dem Geist und den Stimmen der Gelehrsamkeit gefüllt gewesen, wie an diesem Tag. Und so schlenderte er von Nische zu Nische und hörte hier und da zu. ´Oh Hesinde, was für ein Tag! Mögest du unsere Geister mit Erkenntnis füllen!´, schickte er ein stilles Gebet an die Sternensucher.
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== Am Tisch der Sternenschatzsucher==
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Mit einem süffisanten Lächeln schaute der junge Norbarde in die Runde und ließ seinen Zuhörern einen langen Blick auf seine Schätze. Mitte Zwanzig war er, hatte leicht gebräunte Haut und trug einen prächtigen, tiefschwarzen Schnauzer. Sein Kopf war kahl geschoren, auch wenn der dunkle Schatten verriet, das es wohl einige Tage her war. Seine Augen waren von einem warmen Braunton, fast schon gülden wie bei einem reichhaltigen Honig. Gekleidet war der Sternenjäger, der sich Ghazbar nannte, in bequemer Kleidung aus braunem Wildleder, dessen Gürtel und Warms mit Borten, Federn und kleinen Bernsteinen geziert war. Direkt vor ihm hatte er ein Ledertuch ausgebreitet auf den 4 Steine unterschiedlichster Metalle und Größe lagen. Der Kenner konnte den hellsilbernen Stein als Madasilber erkennen, sowie den dunkelroten und den schwarzen als Meteoreisen und das reinweiße als Arkanium. “Dat alles sind Funde von Masseln, als Sterne, denen ich jefolgt bin. Glaubt mir, ich hab eine Menge Kaffs jesehen, da kann man echt meschugge werden. Aber es lohnt, auch wenn man malochen muss. Beschiskeln kann mich da kehner, ich hab dafür ein Riecher!” Dabei tippte er auf seine große, ausgeprägte Nase.
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Eine der Anwesenden glänzte jedoch durch Begeisterungslosigkeit. Es war eine aufregende junge Frau, die sich am Tisch der Schatzsucher eingefunden hatte. Mittelgroß gewachsen, exzentrisch und mit einer rahjagefälligen, aber schlanken Figur gesegnet, fiel es Valeria Xaviera Rahjalina von Belhanka schwer den Ausführungen dieses … in ihren Augen Wilden ... zu folgen. Verächtlich rümpfte die Rahjageweihte ihr Näschen. Diese Nordmarken machten sie langsam aber sicher krank. Heimat ihrer Vorfahren, ja, doch war sie von der Göttin zu so viel Höherem berufen worden, als hier einer Gruppe nachzulaufen, die einfach gestrickt in beinahe fremden Zungen zu reden schien. Sie strich ihr festes weinrotes Kleid zurecht, das eng gehalten war und so ihre schmale Taille, das schöne runde Becken und ihre Oberweite gut zur Geltung brachte. Lange seitliche Schlitze bei den Beinen ließen ihr dabei einiges an Bewegungsfreiheit. Den ebenso roten Mantel hatte sie abgelegt. Dazu trug Valeria über-kniehohe Stiefel mit leichten Absätzen. Ihre honigblonden Locken hatte sie einfach zusammengebunden und immer wieder löste sich dabei eine widerspenstige Strähne, die ihr ins Gesicht fiel. Eben jenes kindliche Antlitz bestach durch große himmelblaue Augen und einen schmalen Mund, beides mit dezenter Schminke hervorgehoben. Alleine ihr Äußeres sollte es jedem klar erscheinen lassen, dass sie eigentlich nicht hierher gehörte.
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Ihr Platz war in Rahjas Palast auf Deren, wo sie als Mündel der Rahjakirche aufgewachsen war. Sie sollte im Machtzentrum des Kultes eine Position bekleiden und nicht in diesem verbohrten Herzogtum, wo alle Einwohner auf ihren Knien in die Praios- und Traviatempel hinein rutschten, anstatt ... nun ja, es gab schließlich so viele andere Dinge, die man im knienden Zustand tun konnte - schönere Dinge ... erfüllendere Dinge. Es war auf jeden Fall ein erheblicher Rückschlag für sie und ihre persönliche Entwicklung, als Gylvana - ihre Lehrmeisterin und einflussreichste Dienerin der Schönen auf dem Kontinent - sie nach Elenvina entsandte um ihre Augen und Ohren in den Nordmarken zu sein. Eine Aufgabe, die ihre Befähigung und ihr Format meilenweit unterschreiten sollte, wie Valeria befand. Aber was nutzte es schon sich lang und breit darüber zu erregen? Wie es schien musste sie sich nun öfters mit solchen Hinterwäldlern abgeben. Der deutlichen Order, dass man dem Phänomen fallender Sterne nachzugehen hatte, konnte sie sich schließlich nicht entziehen. Die Welt war im Wandel, das war deutlich und Gylvana wollte Informationen. Vielleicht war dieser Stern ja auch ihre Eintrittskarte für die Rückkehr nach Belhanka. Ein Geschenk an die Göttin und vielleicht fiel dabei auch für sie selbst was ab, aus dem man sich schönen Schmuck schmieden lassen konnte. Bei diesem Gedanken huschte erstmal ein liebliches Lächeln über das Antlitz der jungen Frau.
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Ihr Blick ging für einen kurzen Moment hin zur jungen Meta, die so etwas wie ihre Begleitung war. Ein Mädchen, das nicht gerade viel aus sich zu machen schien, doch dennoch recht nett war. Als Almadanerin war sie auch nicht ganz so weit entfernt von jener Lebenseinstellung, die Valeria als normal empfand. "Kaff … Beschinskel … meschugge ... malochen … weißt du wovon der schwafelt?" Flüsterte sie ihr zu.
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Meta Croÿ war eine Knappin im Alter der Rahjani und ihr gegenüber dennoch grundverschieden. Die heiligen 12 Götterläufe Ausbildungszeit hatte sie im letzten Sommer hinter sich gebracht, doch der Ritterschlag blieb ihr verwehrt. Sie war vielleicht 165 Halbfinger groß, wenig weiblich - also für den durchschnittlichen Mann, an dem sie nie vortäuschte, Interesse zu haben - und zu wenig rundlich an Brust und Becken. Sie kleidete sich in Reitgewand, trug dazu Schwert und Dolch. Ihre blonden, lockigen Haare waren ungezähmt, ihr hübsches Gesicht ungeschminkt. Mit verschränkten Armen und zurückgelehnt hörte sie zu. Die Rahjani schien eine Frage an sie zu stellen, doch ehe Meta antworten konnte, lag deren Aufmerksamkeit schon auf jemand anderen. Es schmälerte ihr Interesse an beiden Personen, war es doch gegen die Etikette und das Gespräch mit ihr war wohl zweitrangig oder unwichtig. Nichts desto trotz sprach sie halblaut zu sich selbst.  „Der Kerl, woher er auch kommt, das werde ich ihn mal fragen, sollte, wäre er gut erzogen, so reden, dass man ihn versteht. Yo no hablo en mi lengua materna. Entiendes? Ich verstehe nur malochen und dafür bin ich nicht hier.“
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Die junge Croÿ schaffte es damit wieder die Aufmerksamkeit der Geweihten auf sich zu ziehen. “Ten cuidado, Meta. También hablo tu lengua materna.” Sie ließ ein Augenzwinkern folgen und lächelte abschätzig. Die Almadanerin sollte nicht vergessen wer ihr gegenüber stand und nicht einmal auf die Idee kommen sie zu unterschätzen. Sie war nicht so einfach gestrickt wie ihr Onkel Thymon oder ihr Cousin Linnart. Bei beiden setzte der Verstand aus wenn sie eines wackelnden Weiberhinterns ansichtig wurden. Sie war aus einem anderen Holz geschnitzt. “Doch sag an, was bedeutet dieses … malochen? Es ist eine Unart wenn Menschen vor jenen in fremden Zungen sprechen, die dies nicht verstehen.”
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Meta wandte sich artig, aber mit gewissem Stolz der hübschen Frau zu. “Die sprechen, als ob sie es...ach, ich muss auf meine Etikette achten. Aber hört Euch mal die Rustikalen aus den Bergdörfern an.” Meta wirkte jünger, als sie war. Gerade im direkten Vergleich neben der gleichaltrigen Rahjani. Der Blick des Kerls gegenüber war ihr nicht entgangen, wurde Rahja im Haus vom Traurigen Stein doch ausgiebig verehrt. Sie selbst war sicher hübscher, als man es jetzt sah. Wie ein zerrupfter, junger Schwan wirkte Meta gegenwärtig. “Malochen, das ist nichts für uns. Arbeit, meist schwere Arbeit. Wir sollten betonen, dass unsere Hände zart bleiben müssen.” Sie zwinkerte. "Nur ein kleiner Tipp." Die junge Frau wandte sich den anderen am Tisch zu. "Meta Croÿ, immer noch Knappin und gerade im Dienste von Thymon vom Traurigen Stein, sollte ich mich noch nicht vorgestellt haben.” Sie lächelte lieb, aber etwas Seltsames, Ungefährliches lag in ihrem Blick. Und das hatte nichts mit Rahja zu tun.
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Valeria kicherte glockenhell auf. “Wir und hart arbeiten? Neeeein …”, sie sah sich unter den anderen am Tisch um und klimperte unschuldig mit ihren Wimpern. Innerlich fühlte sie erste Anflüge von Zorn aufsteigen. Sie fixierte Ghazbar, ihr Lächeln schwand und ihre Augen funkelten. Sah er in ihnen am Ende bloß Gehilfen zum ´malochen´? Die Geweihte wandte sich wieder Meta zu. “Was erwartet sich Thymon denn von dieser Sache hier?” Es konnte nicht allzu viel sein, sonst wäre er selbst angetanzt - so gut kannte sie ihren Onkel bereits.
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Irritierend arglos sah Meta in die wundervollen Augen der anderen Frau. Wie sprach man die gleich wieder an?  “Euer Ehren … ähh wie lautet Eure korrekte Anrede? Euer Gnaden? Und irgendwie seid Ihr mit Thymon verwandt, oder?” Die junge Frau schien in der Runde etwas schüchtern und schüttelte den Kopf, um ihr Haar in seine ursprüngliche Wildheit zu bekommen. Sie lächelte spitzbübisch. “Nun ja, Thymon hat mich geschickt. Eine Knappin. Vielleicht will er mich prüfen? Vielleicht im Ort damit angeben? Wer weiß das schon? Ich hätte eigene Pläne … ihr werdet es sicher alles dem Tempel spenden, wenn die Herren genug malocht haben?” Dann flüsterte sie. “Den Herren in grau, woher meint Ihr, kommt der?”
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Die Geweihte musste ob Metas - vielleicht vorgespielter - Naivität grinsen. "Onkel Thymon hat dir nicht gesagt was du hier sollst? Vielleicht ist ja genau das herauszufinden auch ein Teil deiner Aufgabe …", Valeria schlug einen verspielt verschwörerischen Ton an und fuhr flüsternd fort: "... ein Tipp, er will bestimmt ein Stück vom Kuchen. Der Mann hat Gold und er war schon immer sehr findig in der Wahl seiner Mittel, um sicherzustellen, dass es sich mehr und mehr vermehrt." Die Frau wandte sich von der Knappin ab und blickte zu Ronan. Innerlich seufzte sie - Valeria bezweifelte, dass ihr Onkel mit Metas Wahl sich dieser Sache anzunehmen gut fahren würde. "Der Graue kommt mir bekannt vor. Ich meine ihn aus meiner Zeit in Belhanka zu kennen, aber sicher bin ich mir nicht." Was sie mit dem Schatz vor hatte ging das Mädchen nichts an.
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“Gut, dann nenne ich Euch Valeria oder Euer Gnaden. Wir sollten uns darauf konzentrieren, das Zeug zu finden und es nicht in die falschen Hände kommen lassen. Mehr weiß ich leider nicht. Ach, der dicke Wanst da drüben, ich weiß was der will.” Sie kicherte und trank etwas.
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Die Angesprochene nickte wissend. "Wir alle hier am Tisch wollen dasselbe …", sie zwinkerte und dämpfte ihre Stimme, "... sonst stünden wir bei den Frömmlern am Tisch, oder liefen einem angeblichen Königskind nach." Sie rollte mit ihren Augen. Seltsam war in diesem Zusammenhang, wie eine Priesterin der Zwölf die Gläubigen abwertend als 'Frömmler' bezeichnete. "Alle hier sind sowohl Verbündete, als auch Gegner. Sei dir dessen bewusst, Meta. Hilf mir und es wird unser beider Schaden nicht sein."
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Voller Unschuld und fast kindlichem Glauben nickte Meta nach einigen Lidschlägen.  “In Ordnung. Verbündete. Es soll aber nicht nur nicht zu meinem Schaden, sondern besser zu meinem Nutzen sein.”
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Zufrieden lächelte die Geweihte und strich sich ihre widerspenstige Locke hinters Ohr. “Natürlich, du gehörst doch zur Familie.” Sie zwinkerte verschwörerisch.
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Neben der Rahjageweihten, die an diesem Tisch überaus auffällig und ein wenig deplatziert wirkte, saß ein Mann in nebulösem Grau. Das graue Leinen seiner Tunika war fein gewebt, der dunklere Überwurf mit silbernen Säumen besetzt. Lugten auf der Borte nicht Fuchssymbole hervor? Die Kapuze seiner Tunika hatte er zurückgeworfen, sodass sein dunkelbraunes, langes und zu einem einfachen Zopf gebundenes Haar zum Vorschein kam. Das Gesicht des Mannes wirkte auch etwas fremdartig in diesen nordmärkischen Landen. Die scharfen Zügen und die dunklere Hautfarbe wiesen auf eine Herkunft aus südlicheren Landen hin. Ronan Rohaldor al’Menkhauhour von Lichtenberg betrachtete nachdenklich die Funde des Norbarden und rieb sich das Kinn und strich durch den kurzen, sorgsam gepflegten und gestutzten Bart. Während er die Funde betrachtete, suchten seine Augen die Gesichter der Umsitzenden ab. Was trieb sie an? Sah er Gier oder Neugier in ihren Gesichtern? Tatsächlich aber waren ihm ein jeder Personen bereits bekannt, schaute er doch in das Gesicht des akribisch-akkurat-pedantischen Weinhändlers Rhodan Herrenfels. Für den Bruchteil einer Sekunde blieb er an dessen Gesicht hängen, kaum wahrnehmbar, bevor dieser weiterzog.
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Valeria kniff ihre Augen zusammen als der Blick dieses Graulings sie streifte. Sie vermeinte ihn zu kennen, doch war der Ursprung dieser eventuellen Bekanntschaft nichts, was hier auf diesem Tisch diskutiert werden sollte. Es würde auf keinen Fall schaden ihn im Auge zu behalten.
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Der Ronan gegenübersitzende Rhodan strich sich mit Müh und Not sein etwas zu stramm sitzendes Wams über dem rundlichen Wohlstandsbauch zurecht. Seitdem Ronan ihn kennenlernte, hatte der achtunddreißigjährige Mann noch etwas zugelegt und wirkte noch gesetzter als zuvor. Der Kontormeister der Familie Mersingen war auf eigene Rechnung nach Elenvina gekommen. Über seine guten Kontakte in der Hauptstadt - zugleich Hauptabsatzort für seine erlesenen Waren - hatte er erfahren, dass sich eine Gruppe sternenbegeisterter Abenteurer treffen würde, um einen der fallenden Sterne zu bergen. Tatsächlich war der schon langsam ergrauende, großgewachsene Mann für seinesgleichen über die Maßen am Firmament, seinen Wegen und Veränderungen interessiert, doch musste er sich zugestehen, als er die noch blonden Locken hinter die Stirne strich, dass der materielle Wert der Metalle, die solch ein Stern angeblich transportierte, ungleich bedeutender für ihn war. So sah sich der eigentlich nicht sonderlich abenteuerlustige, seinem Bürostuhl doch sehr zugetane Rhodan in so kurzer Frist erneut genötigt, eine Reise zu tun. Aufgrund einer etwas aus dem Ruder gelaufenen Transaktion - Abenteuer brachten nur Ärger, diese Lektion scheinte der Händler jedoch noch nicht gelernt zu haben - war er auf das Geld dringend angewiesen, hatte doch der junge Mersinger Wind von seinen Schulden bekommen; dieser wiederum hatte deswegen eine Belehrung des Barons von Rabenstein über sich ergehen lassen müssen und war furchtbar ungehalten, als er in Rosenhain eingetroffen war. Naja: Ende vom Lied, er war hier und quetschte sich an den Tisch zu diesem bunt zusammengewürfelten Haufen. Die edle, samtige Kleidung, die er trug, war ihm dabei eher im Weg, doch wurde für jedermann ersichtlich, dass es der Rosenhainer darunter nicht machte. Ronan, den er bereits hinlänglich kannte, grüßte er mit einem Nicken und einem feinen Lächeln, das seine kräftigen Backen aufblähte. Sein Blick wanderte über die Gäste hinweg, bis er an Valeria von Belhanka hängen blieb. Die ersichtlich deutlich jüngere Rahjani war ganz nach seinem Frauengeschmack. Die grauen Augen des betuchten Händlers wurden groß und rund. Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit ergötzte sich Rhodan an den visuellen Reizen der schönen Frau und betrachtete jede erdenkliche sichtbare, angedeutete oder nur zu erahnende Rundung.
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Als die Geweihte sich der Aufmerksamkeit des unförmigen Mannes gewahr wurde, zwang sie sich zu einem wunderschönen Lächeln. Innerlich jedoch seufzte sie. Es waren Blicke, die sie kannte, aber nicht sonderlich schätzte. Valeria war keine jener Dumpfbacken, die tagtäglich Stundengläser lang vor dem Spiegel standen und die Aufmerksamkeit so vieler Männer und Frauen wie möglich brauchten. Nein, sie registrierte die Aufmerksamkeit der anderen, doch gab ihr diese nichts. Es war natürlich, dass andere Menschen sie begehrten und wollten, doch waren Männer von stetem Besitzdenken getrieben und Frauen, Amazonen, klammerten zu sehr. Darüber hinaus hatte sie ihre Aufträge, ordnete diesen alles unter und hatte demnach auch keine Zeit für Müßiggang. Valeria war keine einfache Rahjageweihte, auch wenn sie nach außen hin genau dieses Bild transportieren wollte. Schon ihre Ausbildung unterschied sich zum Teil grundlegend von der ihrer Brüder und Schwestern. Gylvana hatte sie als Kleinkind in den Tempel aufgenommen und ihr eine fordernde Ausbildung angedeihen lassen. Die junge Rahjani war demnach nicht nur schön, sondern auf ihre Art auch wehrhaft. Jede Rose, so optisch vollendet sie auch sein mochte, hatte ihre Dornen. Die ihren waren dabei besonders stark ausgeprägt. Etwas, das Männer, wie derjenige, der sie nun angaffte, ihr wohl nicht zutrauen würden. Dennoch entsprach sie nun genau jenem Bild, das man von einer Dienerin der Schönen haben mochte. Valeria lächelte und winkte verspielt. Vielleicht konnte ihr der Tropf ja noch irgendwie von Nutzen sein.
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Rhodan grinste ungeniert und nickte der Rahjani zu, doch Lust auf unverbindliche Kommunikation hatte er keine. Dieses feine Sahneschnittchen würde er sich schon noch zu Gemüte führen, doch der wahre Gourmet - das wusste er ganz genau - genießt und schweigt.
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Nach dem anzüglichen Grinsen dieses Stelzbockes wandte sie sich wieder von ihm ab. Es war genug der Aufmerksamkeit und Valeria wollte nichts versäumen, das hier von Belang gesprochen wurde.
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“Und was, mein Freund, aus fernem Land…” wandte sich Ronan an den Schatzsucher aus dem Svelltland. “... treibt dich in den hiesigen Tempel mit deinen Funden?” Er deutete  leicht auf einen der Klumpen, wobei ein dezenter Silberring im Licht der Kerzen aufblitzte. Er sprach mit einem leichten, wellend-singendem Akzent, der nicht von hier stammte. Almada? Die Tulamidenlande?
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Alrik war mit dem alten Gelehrten in den Tempel gekommen. Jung an Jahren, mit karottenrotem Haar und Sommersprossen, die seine Wange lustig gesprenkelt scheinen ließen, war er erst vor kurzem aus dem Osten wiedergekehrt. Die Familie des Alten hatte ihn gut bezahlt, ihn wieder heil in die Nordmarken zu bringen. Und Arbeit war es tatsächlich gewesen, wenngleich Alrik viel gelernt hatte. Viel mehr als er geglaubt hatte, als Milian ihn vor über einem Götterlauf angeheuert hatte. Und nun dies hier. Sternengold in den Nordmarken und er war einer der ersten, die sich daran bereichern konnten. Still glitt sein Blick über die anderen und blieb an Ronan hängen. Lächelnd zog er einen Mundwinkel nach oben.
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Dieser bemerkte kurz vor die Mimik des jungen Mannes sich wieder auflöste diese Reaktion. Ebenso kurz wie das Lächeln des Mannes war zog der Grauberobte seine rechte Augenbraue nach oben und sah ihm währenddessen direkt in die Augen. Alrik schaute in das helle braun, fast bernstein- oder honigfarben, welches ihm warm entgegenblickte.
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Ein Zwinkern, fast unmerklich folgte. Dann wandte der andere den Blick zur Seite und sah sich interessiert im TEmpel um.
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“Bina Maschores, mein Briederchen! Das gute Geschäft. Das was da vom Himmel rauscht, ist genug Almonesse für uns alle. Auch wenn ich gerne alles haben möchte, alleine wird es schwer. Wenn wir aber als Meschpoche reisen, ist es möglich den Massel zu finden. Das hat nichts mit einer Steldripa … wie sagt ihr … Weissagung zu tun. Außer das wir den Sternenschatz nur finden müssen, wenn er aufschlägt.” Abschätzig schaute Ghazbar in die Runde und sein Blick verriet, dass er alle Anwesenden genauso Schatzversessen einschätzte wie sich selbst.
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'Diese Worte …', Valeria rollte kaum vernehmbar mit ihren Augen. Ihre Lippen zierte jedoch immer noch ein Lächeln. "Und wie gedenkt Ihr die anderen von diesem … Fund … fernzuhalten?" Die Geweihte wies mit einem einfachen Kopfnicken hin zu einem anderen Tisch, wo sich ein alter Krampen gerade fürchterlich echauffierte. "Ihr solltet nicht leichtfertige Versprechen artikulieren, die nicht leicht einzuhalten sein werden." Sie kicherte und schenkte dem Svelltländer ein herzliches, doch falsches, Lächeln und blickte ihn dann herausfordernd an.
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Ronan lehnte sich zurück. "sahr. lm 'ar mithl hadhih almaeadin alnajmiat alnaqiat mundh eshr sanawatin." murmelte er leise. Er schaute die junge Rahjageweihte an, die den Norbarden recht scharf angegangen war. Währenddessen legte verschränkte er die Arme vor der Brust. In der Ellenbeuge zuckten seine Finger, bis sie scheinbar eine bequeme Position gefunden hatten. Hatte Rhodan ihn gesehen - oder war seine Aufmerksamkeit an der Rahjageweihten hängen geblieben?
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Rhodan langweilte sich bei dem Geplänkel. Die sollten ruhig über hypothetische Vorgänge palavern - so würde das Ghazbar vermutlich ausdrücken. Ihm war klar, dass es bedeutend war, die Sternenmaterialien, sollten sie ihrer habhaft werden können, klandestin fortschaffen müssten und sie zügig weiterverkaufen sollten. Wenn es um solche Sachen ging, dann waren die Kirchen schneller vor Ort, als man PRAios sagen konnte. So ließ er seinen Blick über die anderen schweifen - wer wusste noch, worauf es ankam? Ja klar, Ronan. Rhodans linker Mundwinkel zuckte nach oben. Na, dann sollte er mal loslegen, vielleicht war der Einfall des Südaventuriers wertvoller als das Gejammer.
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‘Hohe Reinheit.’ signalisierte die schnelle Abfolge der Fingerspiele. ‘Wertvoll.’ eine kurze weitere. ‘Vorsicht, Gier.’ die letzte.
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Rhodan blickte aus dem Augenwinkel auf den selbsterklärten Meschpochenführer. Der war auch gierig ungefährlich, dachte er sich. Rhodan antwortete knapp. ‘Konkurrenz.’ Das sah er eher als Risiko an.
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Der derart angesprochene nickte nur  knapp und signalisierte mit einem kurzen Fingerspiel ein Lachen.
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“So ein lecker Schwesterchen wie euch, lass ich natürlich den Vortritt.” Nun lachte der Norbarde herzlich. “ Ich sehe das so: fernhalten möchte ich keinen. Das was da runter kommt gehört uns allen und keinen. Meine Erfahrung sagt mir, das so ein Massel nicht einfach an einer Stelle zu finden ist, sondern der sich verteilt. Mit ordentlich viel Hani, also Glück, und Heshinjas Segen werden ein paar von uns auch fündig. Und wies ausschaut sind wir eine große Meschpoche.” Mit geschickten Griff fing er an, seine Schätze wieder in das Tuch einzuschlagen.
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“Mesch … was ...”, Valeria seufzte und begann ihre Schläfen zu massieren. Langsam aber sicher bekam sie davon Kopfschmerzen. Sie ging nun dazu über diese Worte zu ignorieren - so schwer dies auch fallen würde. Dass dieser Klotz meinte, der Stern gehöre allen - oder noch besser, niemandem - würde sich noch zeigen. “Werden auch die anderen …”, die Geweihte wies mit einem Kopfnicken in Richtung eines anderen Tisches, “... mit uns ziehen, oder wir mit ihnen? Und wenn nicht, wie gedenkt Ihr dieses … Geschenk der Götter zu finden? Ihr verlasst Euch doch hoffentlich nicht nur auf Euer Glück?”
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Ronan lachte und wandte sich an die Priesterin der Rahja. “Natürlich Glück, Diener der herzlichen Fröhlichkeit.” rollte er mit seinem Akzent. “Das Glück ist ein wertvolles Geschenk und schenkt uns wiederum Gelegenheiten, die wir mit schnödem Wissen übersehen hätten.”
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Kurz schoben sich die edel geschwungenen Augenbrauen der Geweihten zusammen, dann huschte wieder ein vollendet schönes Lächeln über ihre Lippen. Das Spiel mit ihren Gesichtszügen hatte sie inzwischen gemeistert, auch fiel es Valeria nicht schwer falsche Tatsachen vorzuspielen. “Eure Worte in den Ohren der Götter.” Sie zwinkerte dem Grauen verschwörerisch zu.
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“Ihr wisst, junge Dame, das Glück ist mit den Tüchtigen”, lachte Rhodan nonchalant. “Denen hören die Götter immer zu. Doch es schadet nicht, ein wenig nachzuhelfen. Entscheidend ist, das Feld einzuengen, in dem die Sterne niedergehen könnten. Dazu müssten wir wissen, woher sie kommen. Ist jemandem der Anwesenden etwa bekannt, welcher Stern womöglich fallen wird?”
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Ronan schüttelte den Kopf und legte dann seinen Zopf zurück auf die Schulter, von der er gerade entkommen war. Rhodan fiel auf, dass der Grauberobte vor wenigen Wochen noch kurzes Haar getragen hatte? Sein Blick glitt gen Himmel, als könne er durch die Tempeldecke den Sternenhimmel erkennen. “Lasst uns dazu den Sternenhimmel beobachten, denn so können diese Schätze am HImmel der Nacht uns verraten, welcher Stern zu fallen gedenkt.” Er nahm den Blick wieder herunter und sah erst Rhodan an, dann Valeria in die Augen. Diese waren dezent mandelförmig, Lachfalten zeigten, dass Ronan offenbar gerne lachte. “Die Sterne können dann dem Kundigen verraten, wo sie fallen werden.” Er nahm die Arme auseinander und legte einen Arm über die Lehne seines Stuhles, den anderen in seinen Schoß, die Beine übereinander geschlagen. “Funkelndes Juwel in dieser lichtbeschienenen Stadt, hat man Euch gelehrt, den Sternenhimmel zu lesen?”
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Zuckersüß lächelte die junge Rahjani. Wenn der Grauling wüsste was sie ihr alles gelehrt wurde. Die Astronomia war jedoch nicht darunter. Hier war sie auf die anderen Anwesenden angewiesen, soviel war Valeria inzwischen klar geworden. Und das machte ihr Sorgen, hasste sie es doch nicht die Kontrolle über eine Situation zu haben. “Lilasaf lā”, säuselte sie den Tulamiden in seiner Muttersprache an. “Da werde ich mein Glück gänzlich in Eure Hände legen”, das ´müssen´ sprach sie dabei nicht mehr aus.
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“Na da seid Ihr in besten Händen meine Teuerste”, grinste Rhodan und rieb sich ebenjene. Tatsächlich kannte er sich mit Astronomie gut aus. Zeit unter dem Sternenzelt zu verbringen war seine zweitliebste Beschäftigung - nach dem Zählen von Geld. “Aber zuvor wäre es doch hinlänglich von Interesse zu erfahren, warum Ihr euch dieser ‘Plackerei’ hier angeschlossen habt. Ich bin mir sicher, eine solche Reise ist Eurem perfekten Teint nicht zuträglich.”
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Abermals lächelte die Lehrerin der Leidenschaft strahlend. “Haben wir nicht alle unsere Geheimnisse, mein Herr?” Sie blickte kurz hinüber zu Ronan und leckte sich über die Lippen: “Dann wäre es doch nur gut und richtig einer Dame die ihren zu lassen, meint Ihr nicht?”
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Rhodan zog die Augenbrauen hoch und strahlte über beide Ohren wie ein Honigkuchenpferd. Dann lachte er aus vollem Tone seines doch voluminösen Bauchs. “Hört, hört!”, sagte er noch immer halb lachend. “Ich weiß: ein Geheimnis macht eine Frau zu einer Dame sagt man.” Der Händler nickte wissend. “Aber Geheimnisse sind doch deswegen so interessant, weil man sie lüften möchte, oder nicht? Jetzt lasst uns doch nicht so zappeln.”
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“Tststs …”, die junge Rahjani begann kokett mit ihrer widerspenstigen Haarlocke zu spielen, “... aber mein Herr … wo bliebe denn die Herausforderung, wenn ich Euch hier auf Nachfrage meine Geheimnisse offenbaren würde? Sind wir nicht genau deshalb hier?” Ihr Blick machte eine Runde über die Anwesenden. “Der Herausforderung wegen?”
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Ronan grinste, ob dieses Wortwechsels. Dann lächelte er Valeria zu. “Natürlich, die Herausforderung. Das ist das spannende am Spiel, am Lüften von Geheimnissen und an den ganzen Wagnissen.” Er sah zu Rhodan, dem Weinhändler. “Und wer nicht wagt, der nicht gewinnt.” Hatte er gerade mit dem Valeria abgewandten Auge gezwinkert? Er wandte sich wieder an die Rahjageweihte. “Aber ohne einen Sternenkundler wird auch unser norbardischer … Freund … hier den zu erwartenden Sternenfall ermitteln können. Ein Doctor der Astrologie wäre wirklich wahres Gold wert, meint Ihr nicht auch, holde Schönheit eines Rosenstrauches?”
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“Oh mein Freund, das klingt aber nach einer Großinvestition! Habt Ihr so viel Wagniskapital übrig, dass Ihr Euer Geld in einen Astrologen investieren wollt? 4 aus 5 davon sind doch Scharlatane und beim Fünften weiß man auch nicht so genau. Ach ja: Mit fremdem Geld spekuliert man nicht”, brummte Rhodan scherzhaft, wobei er in Gedanken ergänzte außer man habe es vorher expropriiert. “Ich denke, man könnte ja mal am heutigen Abend einen Blick in die Sterne wagen. Vielleicht funkeln sie heute noch schöner als sonst.”
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Zwischen den kirschroten Lippen der jungen Geweihten erschien eine Reihe perlweißer Zähne. “Sprecht Ihr von Euch?”, meinte sie an Ronan gewandt. “Aber wie mir scheint haben beide Herren eine Ahnung von den Sternen. Wir alle können uns also glücklich schätzen.” Sie zwinkerte verspielt.
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“Das Glück, Dienerin der Schönen Göttin…” sprach Ronan ruhig. “... ist, wie der werte Herr Herrenfels schon so richtig anmerkte, mit den Tüchtigen. Und ja, die Herzog-Eolan-Universität hat mir den Titel eines Doctors der Astrologie, also der Sternenkunde, verliehen.” Die braunen Augen des offenbar tulamidisch-stämmigen Herrn funkelten, sein Blick glitt kurz zu Rhodan, der mit der schönen Rahjageweihten ebenfalls in diesem intensiven Gespräch stand. “Die Kenntnisse zur Berechnung der entsprechenden Konstellationen kann ich somit dieser Unternehmung unter Umständen zur Verfügung stellen.”
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“Die da wären?”, fragte Valeria interessiert zurück.
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Der Angesprochene zuckte mit den Schultern. “Nun, da wären die Berechnung der astrologischen Konstellationen anhand der Ephemeridentafeln. Weiterhin die Deklinations-Achsen-Berechnung und die Elongations-Abweichungen der Wandelsterne zu Berechnung vergangener oder zukünftiger Bahnen.” Er lächelte. “Insbesondere die Kombination der Deklinationsbetrachtung mit der modernen Längenberechnung mittels eines Astrolabiums könnte uns Hinweise auf den Aufprallort liefern.” Ronan lächelte die Rahjageweihte herzlich an. Er musste es zugeben, wenn auch nur sich und dem Grauen, er genoss das spielerische Parlieren mit ihr.
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Für einen Herzschlag lang schien sich Unsicherheit auf ihrem Antlitz bemerkbar zu machen, doch verschwand dieser Ausdruck so schnell wie er gekommen war. “Ich sehe schon …”, Valeria berührte verspielt den Oberarm des Graulings, “... ich … äh … wir sind bei Euch in den besten Händen.”
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Meta schwieg. Interessant, was für Gestalten und Sprachen, beziehungsweise Dialekte sich hier zusammenfanden. Deutlich südlicher als Almada. Sie würde sich an die Meschpoke halten und erst einmal abwarten, bis man vor Ort war. Sie war nur Knappin und hatte zu schweigen. Eine Frage lohnte sich aber und war ungefährlich. “Mit Verlaub, hohe Damen und Herren. Wann werden wir reisen, wie, mit wem und wer wird für die Unkosten, die bei Übernachtungen anfallen werden, aufkommen? Wie lange werden wir unterwegs sein?” Typisch, es war dann doch mehr als eine Frage. Sie stellte sich darauf ein, bei den Pferden im Stall zu schlafen, das war am günstigsten und das Schnauben wirkte so schön beruhigend. Einer ihrer Mundwinkel zuckte amüsiert. Natürlich würde kein Mann sie mit zu sich nehmen, wenn sie wieder auf dem Gut war, sollte sie die längst fällige Besprechung mit einem gewissen Herren, ihr einziger Freund, der einzige, dem sie wirklich traute, in Angriff nehmen.
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Belustigt schaute Ghazbar in die Runde. “Ich hab gehofft hier motivierte Leute zu finden. Versprechen kann ich nichts, allerdings bis jetzt hab ich immer was gefunden. Und wie es schaut, haben wir auch Leute hier, die die Gegend kennen und für einen Schatz auch malochen würden.” Der Norbarde zwinkerte Valeria zu. “Nun jeder ist willkommen sich anzuschließen. Am Ende werden nur die Glücklichen fündig. Und”, jetzt zog er ein Fernrohr hervor,” Wir müssen den Himmel im Auge haben. Nur so wissen wir, wo er runterkommt.” Dann steckte er das Rohr wieder weg. “Es ist ja kein Auftrag, also macht das wohl jeder aus eigener Tasche. Es sei die Galaschen, die Priester, unterstützen uns.” Sein Blick wanderte kurz zum Tisch der Mentorin Nirjaschka. “Was sagt ihr?”
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“Ich sage, es lohnt sich, auf eigene Rechnung zu arbeiten, dann gibt es auch niemanden, der im Nachhinein Ansprüche anmelden kann”, bekräftigte Rhodan. Bei sich ergänzte er, dass dann auch jeder nach seiner Facon nächtigen könnte. Er würde Zeit unten den immerfort funkelnden Sternen verbringen. Auch wenn er das Reisen und die Beschwerlichkeiten hasste, die Sterne zogen ihn magisch an. “Ich hoffe, die Herrschaften sind adäquat ausgerüstet und vorbereitet?”
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“Wir sind in Elenvina.” War die mystisch knappe Antwort des Grauberobten.
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Die Rahjageweihte hob abwehrend ihre Hand. “Die Priester? Götter, nein! Ihr wisst so gut wie ich, dass die den Stern nicht mehr loslassen werden, wenn wir ihnen helfen diesen zu finden. Wir sollten uns ausrüsten und wenn es sein muss heuern wir ein paar Arbeiter zum … malochen … an. Das Gold dafür wird meine Familie vorab auslegen … lasst das meine Sorge sein.”
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Alrik lächelte still. Was so ein Stern wohl wert wäre? Käme vermutlich auf das Material an. Und ob man es offen oder versteckt verkaufen müsste. In jedem Fall hätte es großes Potential- eine große Möglichkeit zu werden.
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Unauffällig und nur mit einem kaum hörbaren Klingeln trat die weißhaarige Gauklerin an den Tisch des Norbarden. Sie hatte nur den letzten Satz des Mannes gehört und nahm das als Anlass, in die Runde zu winken - was nun doch wieder ein lauteres Klimpern erzeugte. “Hallo zusammen, ich bin Doratrava, aber die meisten hier kennen mich ja schon. Ich dachte, ich begrüße euch mal und schaue, was an diesem Tisch so gesprochen wird.” Sie grinste und gab sich den Anschein der unbefangenen Neugierde, was ihr nicht schwer fiel, da das einer ihrer natürlichen Wesenszüge war.
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Rhodan wurde aus dem Gespräch gerissen, wandte sich kurz der irritierend schlanken, weißhaarigen Frau zu, die für seinen (ausgeprägten) Frauengeschmack deutlich zu afeminin war und rümpfte die Nase. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Was machte denn bitteschön fahrendes Volk hier? Sollte das eine Tschokolatl-Fahrt werden, so, wie sie das neuerdings im Horasreich für begüterte ältere Damen anboten?
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Doratrava grinste den Händler übertrieben freundlich an, obwohl der sie ansah, als hätte sie mehr als sechs Beine und sei gerade unter einem Stein hervorgekrabbelt. Offenbar erinnerte sich der feine Herr nicht mehr an die Episode in Herzogenfurt, als eine Explosion im dortigen Hotel sie zu unfreiwilligen Leidensgenossen gemacht hatte, wenn auch nur für ein paar Stunden.
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“Doratrava!” Das R rollte genüsslich im Mund des Grauberobten. Er lächelte breit. “Welch Freude, dich hier zu sehen. Aber irgendwie verwundert es mich nicht, dass die Götter dich auf diesen Pfad führten.” Noch mehr Konkurrenz? Oder eher Aufmunterung und Unterhaltung? Wer außer den Alveranischen mochte dies wissen?
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“Die Götter, ja. Oder ihre Diener. Eigentlich wollte die Geweihte da drüben”, Doratrava machte eine klimpernde Geste Richtung Nirjaschka, “nur mit mir sprechen. Von so einem Auflauf hatte sie nichts erwähnt. Und dass ich hier so viele bekannte Gesichter vorfinden würde, auch nicht.” Wieder grinste die Gauklerin übermütig.
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Der junge Rothaarige sah die Weißhäutige interessiert an. Interessant. “Der Alte hat euch vom anderen Tisch vertrieben?” fragte er grinsend.
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Valeria musste an sich halten um ihre Gesichtszüge nicht entgleisen zu lassen. Sie kannte die Gauklerin, die bei der Hochzeit ihres Cousins im Schlepptau der Feenküsschen erschien. Eine talentierte Künstlerin, soviel war klar, doch schwierig handzuhaben. Wohl eine Amazone, so wie sie damals ihre Cousine Rahjalind angesehen hatte, also würde sich auch Valeria vor ihr in Acht nehmen müssen. Die Ankunft Doratravas würdigte sie lediglich mit einem kurzen gelangweilten Blick in ihre Richtung.
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“Kennst du den?” wandte Doratrava sich dem jungen Mann zu. “Redet der immer so hochgestochen daher, als müsse man vor ihm auf die Knie fallen und ihm für die Gnade danken, einem die Weisheit der Welt zuteil werden zu lassen?”
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Der junge Mann nickte.
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Die Rahjani streifte die Gauklerin dagegen nur mit einem Blick. Sie hatte die schöne Frau erst vor ein paar Tagen zuletzt (und zuerst) gesehen, aber sie wurde nicht recht schlau aus ihr. Für eine Dienerin der Schönen Göttin kam sie recht reserviert daher, zumindest ihr gegenüber. Dabei sollten Musik und Tanz fast schon ein natürliches Band knüpfen zwischen einer Geweihten der Rahja und einer Gauklerin. Aber sie würde sich sicher nicht aufdrängen.
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Meta nickte Doratrava dagegen nochmals knapp zu, aber auch hier galt dasselbe: sie würde sich nicht aufdrängen. Sie wollte ja eigentlich nur kurz Hallo sagen … aber so etwas mochte nicht zum ersten Mal unerwartete Auswirkungen haben …
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“Er ist mein Herr. Und ja er redet mit den meisten so. Außer … nun ja, mit einigen redet er … nun ja anders…. Dann allerdings mit Worten, die ich nicht kenne und nicht verstehe.” Er grinste Doratrava an, während er den Kopf dabei leicht schräg legte.
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“Dein Herr?” Doratrava zeigte sich deutlich überrascht. “Ähm … und warum bist du dann nicht bei ihm?”
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“Er kommt schon allein zurecht, solange er nicht laufen, nichts tragen oder sich an profane Dinge wie Essen oder korrektes Ankleiden erinnern muss.” lachte der junge Mann. “Er ist zufrieden, solange Menschen da sind, die er mit seinem Wissen beglücken darf.”
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“Na dann muss man sich ja keine Sorgen um ihn machen”, grinste Doratrava zurück. Eine Reise mit dem Zausel würde aber sicher schwierig werden. Kein sehr erhebender Gedanke. Aber andererseits war sie ja nicht hier, um irgendeine Reise anzutreten. Dennoch fragte sie neugierig: “Und, habt ihr hier schon einen Schlachtplan?”
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Es war der Norbarde der Doratravas Frage aufgriff. “ Das lecker Mädel ist also interessiert. Na, als Meschpoche, also als Gruppe, könnten wir dem Stern nachjagen. Wer wäre dabei?”
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Die junge Geweihte räusperte sich. “Nachjagen …”, wiederholte sie und tippte sich dabei theatralische auf ihr Kinn, “... wie habt Ihr die Schätze denn sonst immer ausgehoben?” Insgeheim fürchtete sie, dass sie der Gruppe der Priester an Professionalität unterlegen waren. Diejenigen, die das Kind oder den Krieg suchen, empfand die Rahjani nicht unbedingt als Konkurrenz, doch die Gelehrten mit dem alten Zausel waren es auf alle Fälle. “Am Gold für Ausrüstung soll es dabei nicht scheitern, das leiere ich notfalls meinem Onkel aus der Tasche.” Valeria setzte ein kindlich unschuldiges Lächeln auf als sie ihren Blick über die Gesichter der anderen schweifen ließ.
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“Und in welche Richtung soll es denn gehen?” fragte Doratrava weiter. “Die da drüben”, sie deutete auf Nirjaschkas Tisch, “wissen auch noch nicht, wohin sie müssen, die wollen erst noch beobachten und irgendetwas berechnen.”
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“Ich hab gehofft, das es hier jemanden gibt, der sich besser mit den Sternen auskennt. Ich bin zwar sehr geübt, aber noch ist der Stern zu weit entfernt. Zumindest hat es mich in die Nordmarken geführt. Ein Teleskop wäre hilfreich.” Fragend schaute er in die Runde.
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“Ein Teleskop ist eine kostenintensive Anschaffung, aber die könnte sich lohnen. Mit dem nötigen Geld hätte ich die Kontakte, um so etwas zu beschaffen, keine Frage.”
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Valeria klatschte in ihre Hände. “Das ist großartig. Dann haben wir ja eine Bezugsquelle und jemanden, der den Spaß bezahlt.”
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“Ihr also, meine Teuerste?”
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Ronan lächelte Rhodan und Valeria zu. “Wunderbar! Dann haben wir jemanden, der das kostbare Teleskop für eine profunde Sternenschau finanziert. Wir danken Euch sehr, Schönheit der Rosenknospe.”
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“Meine Familie …”, meinte die Geweihte keineswegs kleinlaut, sondern sehr selbstsicher, “... sofern Bedarf besteht und vorausgesetzt das eingesetzte Kapital wird bei der Aufteilungsquote ausreichend berücksichtigt.” Noch bevor jemand antworten konnte, lag die Aufmerksamkeit der Geweihten auf ihrer Begleiterin.
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Meta war von Natur aus unauffällig und gab sich auch so. Kein Wunder, dass die Gauklerin, die sie schon mindestens dreimal getroffen hatte, sie überging. Wobei das eine Mal recht emotional gewesen war. Damals hatte Dora ihre verheulten Augen auch auf andere Personen gerichtet. Typischerweise pflegten die Herrschaften, sich in Szene zu setzen, obwohl es noch keinen Grund dafür gab. Sie fasilierten und palaverten. “Hohe Damen, Hohe Herren, werden die anderen Gruppen mit uns reisen? Und wann gedenkt Ihr, aufzubrechen? Wir sollten eine malochende Meschpoke beauftragen, geeigneten Proviant und Reiseutensilien zu besorgen. Eine gewisse Ahnung, wo das, nachdem wir suchen auf Dere landen wird, werdet Ihr doch sicher haben.” Sie stützte sich nun mit beiden Ellbogen auf dem Tisch ab. “Einig, dass wir es wollen, sind wir uns doch. Wichtig wäre ein Vorsprung. Oder habe ich etwas Wichtiges verpasst? Wenn der Zausel nicht gehen will, soll er eben hier bleiben.” Sie zuckte mit den Schultern. Was an den anderen Tischen vorgefallen war, hatte sie nicht mitbekommen. Doratravas Auftreten wunderte sie nicht. Die Frau war flatterhaft.
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Flüsternd wandte sich Valeria an die Knappin. “Wir wissen nicht wohin, das ist das Problem. Und ich befürchte, dass die anderen weiter sind als wir. Könntest du dich auf den anderen Tischen umhören ob jemand eine Idee hätte?” Sie hob ihre Augenbrauen. “Unauffällig, wohlgemerkt. Vielleicht tut der Lakai des Alten es dir am Tisch der Götterdiener ja gleich.” Mit einem Lächeln versuchte sie Meta für ihren Plan zu gewinnen.
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Das Erklingen eines Glöckchen ließ alle aufhorchen.
  
 
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Version vom 31. Oktober 2022, 18:02 Uhr

was: Briefspiel

wer: Themengruppe, Forscher/Gelehrte/Interessierte

wo: Nordmarken

wann: Peraine 1043 BF

SL: DanSch

Personen:

Der Tempel der Allwissenden (12. Peraine 1043 BF)

Der Frühlingsregen ließen den Stadtpark von Elenvina grau und verwaschen erscheinen und das zarte Grün und die ersten Blüten konnten den Eindruck nicht schmälern. Die jungen Blätter der Bäume hingen schlaff herab, vom schweren Efferdstropfen geschwängert. Wie es schien, hielt der Frühling einen feuchten Einzug dieses Jahr. Allein der kleine, verspielte Tempel im Rohalschen Stil, mit seiner bunten Glaskuppel, stemmte sich gegen die Trübe dieses Tages. Wollte man meinen, dass nicht viele Besucher ihren Weg dorthin fanden dieser Tage, wäre derjenige, der die schwere Türe in den Tempel der Allwissenden öffnete, überrascht: Ein lautes Stimmengewirr von einer Gruppe von Geweihten und Besuchern erfüllte die heilige Halle.

Einige Monde ist es wohl schon her, als verborgen vor den meisten Augen, aber dennoch nicht unbemerkt, ein Himmelflackern am Sternenhimmel erschien. Taten die meisten Gelehrten es als eine Laune der Götter ab, so gab es eine Handvoll von Leuten, die dem Frieden nicht trauten. Und recht hatten sie! Aus dem Flackern, dem hellen, winzig- kleinen Lichtpunkt, wurde bald ein Stern, der täglich, oder besser gesagt nächtlich, größer wurde. Es wurde beobachtet, gegrübelt und berechnet. Und in einer Nacht, als der Stern besonders hell erleuchtete, war man sich klar: Das Ziel waren die Nordmarken! Alsbald brachen die Neugierigen, die Sternenkundler und die Gelehrte auf, in der Hoffnung, mehr Klarheit im Hesindetempel zu Elenvina zu gelangen.

Erst waren es einzelne, nun war es eine beachtliche Gruppe, die ihren Weg in den Tempel der Allwissenden fanden. Und heute, am 12 Perainemond 1043 nach Bosparans Fall, hatten sich 4 Grüppchen gebildet, die jeweils um einen Gelehrten versammelt waren. Denn unstimmig war man über die Bedeutung des Sternenfalls und so gab es verschiedene Meinungen und Ansichten. Der junge Norbarde Ghazbar Hulkonjeff kam aus dem Svelttal angereist und kannte sich mit dem Wert von Sternengold aus. Eine tiefgehende Bedeutung dessen, sah er allerdings nicht. Im Gegensatz zu der hiesigen Hesindegweihten Nirjaschka. Die Bornländerin hatte gehört, das Sternenschätze in der jetzigen Zeit als Götterzeichen galten und ist sich sicher, das es sich bei dieser ´Stella Nova´, genau um das handelte. Belsazar ay Asango, ein Horasier mit chirakanischen Wurzeln, kam wiederum mit einer alten, niedergeschriebenen Prophezeiung, die besagte, das ein Königskind unter einem Sternenregen geboren werden sollte. Der letzte im Bunde war der kriegserfahrene Chronist Melchior Praiotreu aus Gratenfels. Dieser kam mit einem dicken Folianten voller Verschwörungstheorien und Auslegungen alter Kriegsschauplätze angereist und witterte hinter dem Sternzeichen, den Beginn eines neuen Krieges. Und so wurde, jeweils in einer der 6 Nischen des Tempels an einem Tisch vorgetragen, diskutiert, zugehört, überlegt und abgeschätzt. Elador Thedon, der Hohe Lehrmeister des Hesindetempels, hatte die Hände hinter seinem Rücken verschränkt und grinste zufrieden vor sich hin. Schon lange waren seine Hallen nicht mehr mit dem Geist und den Stimmen der Gelehrsamkeit gefüllt gewesen, wie an diesem Tag. Und so schlenderte er von Nische zu Nische und hörte hier und da zu. ´Oh Hesinde, was für ein Tag! Mögest du unsere Geister mit Erkenntnis füllen!´, schickte er ein stilles Gebet an die Sternensucher.

Am Tisch der Sternenschatzsucher

Mit einem süffisanten Lächeln schaute der junge Norbarde in die Runde und ließ seinen Zuhörern einen langen Blick auf seine Schätze. Mitte Zwanzig war er, hatte leicht gebräunte Haut und trug einen prächtigen, tiefschwarzen Schnauzer. Sein Kopf war kahl geschoren, auch wenn der dunkle Schatten verriet, das es wohl einige Tage her war. Seine Augen waren von einem warmen Braunton, fast schon gülden wie bei einem reichhaltigen Honig. Gekleidet war der Sternenjäger, der sich Ghazbar nannte, in bequemer Kleidung aus braunem Wildleder, dessen Gürtel und Warms mit Borten, Federn und kleinen Bernsteinen geziert war. Direkt vor ihm hatte er ein Ledertuch ausgebreitet auf den 4 Steine unterschiedlichster Metalle und Größe lagen. Der Kenner konnte den hellsilbernen Stein als Madasilber erkennen, sowie den dunkelroten und den schwarzen als Meteoreisen und das reinweiße als Arkanium. “Dat alles sind Funde von Masseln, als Sterne, denen ich jefolgt bin. Glaubt mir, ich hab eine Menge Kaffs jesehen, da kann man echt meschugge werden. Aber es lohnt, auch wenn man malochen muss. Beschiskeln kann mich da kehner, ich hab dafür ein Riecher!” Dabei tippte er auf seine große, ausgeprägte Nase.

Eine der Anwesenden glänzte jedoch durch Begeisterungslosigkeit. Es war eine aufregende junge Frau, die sich am Tisch der Schatzsucher eingefunden hatte. Mittelgroß gewachsen, exzentrisch und mit einer rahjagefälligen, aber schlanken Figur gesegnet, fiel es Valeria Xaviera Rahjalina von Belhanka schwer den Ausführungen dieses … in ihren Augen Wilden ... zu folgen. Verächtlich rümpfte die Rahjageweihte ihr Näschen. Diese Nordmarken machten sie langsam aber sicher krank. Heimat ihrer Vorfahren, ja, doch war sie von der Göttin zu so viel Höherem berufen worden, als hier einer Gruppe nachzulaufen, die einfach gestrickt in beinahe fremden Zungen zu reden schien. Sie strich ihr festes weinrotes Kleid zurecht, das eng gehalten war und so ihre schmale Taille, das schöne runde Becken und ihre Oberweite gut zur Geltung brachte. Lange seitliche Schlitze bei den Beinen ließen ihr dabei einiges an Bewegungsfreiheit. Den ebenso roten Mantel hatte sie abgelegt. Dazu trug Valeria über-kniehohe Stiefel mit leichten Absätzen. Ihre honigblonden Locken hatte sie einfach zusammengebunden und immer wieder löste sich dabei eine widerspenstige Strähne, die ihr ins Gesicht fiel. Eben jenes kindliche Antlitz bestach durch große himmelblaue Augen und einen schmalen Mund, beides mit dezenter Schminke hervorgehoben. Alleine ihr Äußeres sollte es jedem klar erscheinen lassen, dass sie eigentlich nicht hierher gehörte.

Ihr Platz war in Rahjas Palast auf Deren, wo sie als Mündel der Rahjakirche aufgewachsen war. Sie sollte im Machtzentrum des Kultes eine Position bekleiden und nicht in diesem verbohrten Herzogtum, wo alle Einwohner auf ihren Knien in die Praios- und Traviatempel hinein rutschten, anstatt ... nun ja, es gab schließlich so viele andere Dinge, die man im knienden Zustand tun konnte - schönere Dinge ... erfüllendere Dinge. Es war auf jeden Fall ein erheblicher Rückschlag für sie und ihre persönliche Entwicklung, als Gylvana - ihre Lehrmeisterin und einflussreichste Dienerin der Schönen auf dem Kontinent - sie nach Elenvina entsandte um ihre Augen und Ohren in den Nordmarken zu sein. Eine Aufgabe, die ihre Befähigung und ihr Format meilenweit unterschreiten sollte, wie Valeria befand. Aber was nutzte es schon sich lang und breit darüber zu erregen? Wie es schien musste sie sich nun öfters mit solchen Hinterwäldlern abgeben. Der deutlichen Order, dass man dem Phänomen fallender Sterne nachzugehen hatte, konnte sie sich schließlich nicht entziehen. Die Welt war im Wandel, das war deutlich und Gylvana wollte Informationen. Vielleicht war dieser Stern ja auch ihre Eintrittskarte für die Rückkehr nach Belhanka. Ein Geschenk an die Göttin und vielleicht fiel dabei auch für sie selbst was ab, aus dem man sich schönen Schmuck schmieden lassen konnte. Bei diesem Gedanken huschte erstmal ein liebliches Lächeln über das Antlitz der jungen Frau. Ihr Blick ging für einen kurzen Moment hin zur jungen Meta, die so etwas wie ihre Begleitung war. Ein Mädchen, das nicht gerade viel aus sich zu machen schien, doch dennoch recht nett war. Als Almadanerin war sie auch nicht ganz so weit entfernt von jener Lebenseinstellung, die Valeria als normal empfand. "Kaff … Beschinskel … meschugge ... malochen … weißt du wovon der schwafelt?" Flüsterte sie ihr zu.

Meta Croÿ war eine Knappin im Alter der Rahjani und ihr gegenüber dennoch grundverschieden. Die heiligen 12 Götterläufe Ausbildungszeit hatte sie im letzten Sommer hinter sich gebracht, doch der Ritterschlag blieb ihr verwehrt. Sie war vielleicht 165 Halbfinger groß, wenig weiblich - also für den durchschnittlichen Mann, an dem sie nie vortäuschte, Interesse zu haben - und zu wenig rundlich an Brust und Becken. Sie kleidete sich in Reitgewand, trug dazu Schwert und Dolch. Ihre blonden, lockigen Haare waren ungezähmt, ihr hübsches Gesicht ungeschminkt. Mit verschränkten Armen und zurückgelehnt hörte sie zu. Die Rahjani schien eine Frage an sie zu stellen, doch ehe Meta antworten konnte, lag deren Aufmerksamkeit schon auf jemand anderen. Es schmälerte ihr Interesse an beiden Personen, war es doch gegen die Etikette und das Gespräch mit ihr war wohl zweitrangig oder unwichtig. Nichts desto trotz sprach sie halblaut zu sich selbst. „Der Kerl, woher er auch kommt, das werde ich ihn mal fragen, sollte, wäre er gut erzogen, so reden, dass man ihn versteht. Yo no hablo en mi lengua materna. Entiendes? Ich verstehe nur malochen und dafür bin ich nicht hier.“

Die junge Croÿ schaffte es damit wieder die Aufmerksamkeit der Geweihten auf sich zu ziehen. “Ten cuidado, Meta. También hablo tu lengua materna.” Sie ließ ein Augenzwinkern folgen und lächelte abschätzig. Die Almadanerin sollte nicht vergessen wer ihr gegenüber stand und nicht einmal auf die Idee kommen sie zu unterschätzen. Sie war nicht so einfach gestrickt wie ihr Onkel Thymon oder ihr Cousin Linnart. Bei beiden setzte der Verstand aus wenn sie eines wackelnden Weiberhinterns ansichtig wurden. Sie war aus einem anderen Holz geschnitzt. “Doch sag an, was bedeutet dieses … malochen? Es ist eine Unart wenn Menschen vor jenen in fremden Zungen sprechen, die dies nicht verstehen.”

Meta wandte sich artig, aber mit gewissem Stolz der hübschen Frau zu. “Die sprechen, als ob sie es...ach, ich muss auf meine Etikette achten. Aber hört Euch mal die Rustikalen aus den Bergdörfern an.” Meta wirkte jünger, als sie war. Gerade im direkten Vergleich neben der gleichaltrigen Rahjani. Der Blick des Kerls gegenüber war ihr nicht entgangen, wurde Rahja im Haus vom Traurigen Stein doch ausgiebig verehrt. Sie selbst war sicher hübscher, als man es jetzt sah. Wie ein zerrupfter, junger Schwan wirkte Meta gegenwärtig. “Malochen, das ist nichts für uns. Arbeit, meist schwere Arbeit. Wir sollten betonen, dass unsere Hände zart bleiben müssen.” Sie zwinkerte. "Nur ein kleiner Tipp." Die junge Frau wandte sich den anderen am Tisch zu. "Meta Croÿ, immer noch Knappin und gerade im Dienste von Thymon vom Traurigen Stein, sollte ich mich noch nicht vorgestellt haben.” Sie lächelte lieb, aber etwas Seltsames, Ungefährliches lag in ihrem Blick. Und das hatte nichts mit Rahja zu tun.

Valeria kicherte glockenhell auf. “Wir und hart arbeiten? Neeeein …”, sie sah sich unter den anderen am Tisch um und klimperte unschuldig mit ihren Wimpern. Innerlich fühlte sie erste Anflüge von Zorn aufsteigen. Sie fixierte Ghazbar, ihr Lächeln schwand und ihre Augen funkelten. Sah er in ihnen am Ende bloß Gehilfen zum ´malochen´? Die Geweihte wandte sich wieder Meta zu. “Was erwartet sich Thymon denn von dieser Sache hier?” Es konnte nicht allzu viel sein, sonst wäre er selbst angetanzt - so gut kannte sie ihren Onkel bereits.

Irritierend arglos sah Meta in die wundervollen Augen der anderen Frau. Wie sprach man die gleich wieder an? “Euer Ehren … ähh wie lautet Eure korrekte Anrede? Euer Gnaden? Und irgendwie seid Ihr mit Thymon verwandt, oder?” Die junge Frau schien in der Runde etwas schüchtern und schüttelte den Kopf, um ihr Haar in seine ursprüngliche Wildheit zu bekommen. Sie lächelte spitzbübisch. “Nun ja, Thymon hat mich geschickt. Eine Knappin. Vielleicht will er mich prüfen? Vielleicht im Ort damit angeben? Wer weiß das schon? Ich hätte eigene Pläne … ihr werdet es sicher alles dem Tempel spenden, wenn die Herren genug malocht haben?” Dann flüsterte sie. “Den Herren in grau, woher meint Ihr, kommt der?”

Die Geweihte musste ob Metas - vielleicht vorgespielter - Naivität grinsen. "Onkel Thymon hat dir nicht gesagt was du hier sollst? Vielleicht ist ja genau das herauszufinden auch ein Teil deiner Aufgabe …", Valeria schlug einen verspielt verschwörerischen Ton an und fuhr flüsternd fort: "... ein Tipp, er will bestimmt ein Stück vom Kuchen. Der Mann hat Gold und er war schon immer sehr findig in der Wahl seiner Mittel, um sicherzustellen, dass es sich mehr und mehr vermehrt." Die Frau wandte sich von der Knappin ab und blickte zu Ronan. Innerlich seufzte sie - Valeria bezweifelte, dass ihr Onkel mit Metas Wahl sich dieser Sache anzunehmen gut fahren würde. "Der Graue kommt mir bekannt vor. Ich meine ihn aus meiner Zeit in Belhanka zu kennen, aber sicher bin ich mir nicht." Was sie mit dem Schatz vor hatte ging das Mädchen nichts an.

“Gut, dann nenne ich Euch Valeria oder Euer Gnaden. Wir sollten uns darauf konzentrieren, das Zeug zu finden und es nicht in die falschen Hände kommen lassen. Mehr weiß ich leider nicht. Ach, der dicke Wanst da drüben, ich weiß was der will.” Sie kicherte und trank etwas.

Die Angesprochene nickte wissend. "Wir alle hier am Tisch wollen dasselbe …", sie zwinkerte und dämpfte ihre Stimme, "... sonst stünden wir bei den Frömmlern am Tisch, oder liefen einem angeblichen Königskind nach." Sie rollte mit ihren Augen. Seltsam war in diesem Zusammenhang, wie eine Priesterin der Zwölf die Gläubigen abwertend als 'Frömmler' bezeichnete. "Alle hier sind sowohl Verbündete, als auch Gegner. Sei dir dessen bewusst, Meta. Hilf mir und es wird unser beider Schaden nicht sein."

Voller Unschuld und fast kindlichem Glauben nickte Meta nach einigen Lidschlägen. “In Ordnung. Verbündete. Es soll aber nicht nur nicht zu meinem Schaden, sondern besser zu meinem Nutzen sein.” Zufrieden lächelte die Geweihte und strich sich ihre widerspenstige Locke hinters Ohr. “Natürlich, du gehörst doch zur Familie.” Sie zwinkerte verschwörerisch.

Neben der Rahjageweihten, die an diesem Tisch überaus auffällig und ein wenig deplatziert wirkte, saß ein Mann in nebulösem Grau. Das graue Leinen seiner Tunika war fein gewebt, der dunklere Überwurf mit silbernen Säumen besetzt. Lugten auf der Borte nicht Fuchssymbole hervor? Die Kapuze seiner Tunika hatte er zurückgeworfen, sodass sein dunkelbraunes, langes und zu einem einfachen Zopf gebundenes Haar zum Vorschein kam. Das Gesicht des Mannes wirkte auch etwas fremdartig in diesen nordmärkischen Landen. Die scharfen Zügen und die dunklere Hautfarbe wiesen auf eine Herkunft aus südlicheren Landen hin. Ronan Rohaldor al’Menkhauhour von Lichtenberg betrachtete nachdenklich die Funde des Norbarden und rieb sich das Kinn und strich durch den kurzen, sorgsam gepflegten und gestutzten Bart. Während er die Funde betrachtete, suchten seine Augen die Gesichter der Umsitzenden ab. Was trieb sie an? Sah er Gier oder Neugier in ihren Gesichtern? Tatsächlich aber waren ihm ein jeder Personen bereits bekannt, schaute er doch in das Gesicht des akribisch-akkurat-pedantischen Weinhändlers Rhodan Herrenfels. Für den Bruchteil einer Sekunde blieb er an dessen Gesicht hängen, kaum wahrnehmbar, bevor dieser weiterzog.

Valeria kniff ihre Augen zusammen als der Blick dieses Graulings sie streifte. Sie vermeinte ihn zu kennen, doch war der Ursprung dieser eventuellen Bekanntschaft nichts, was hier auf diesem Tisch diskutiert werden sollte. Es würde auf keinen Fall schaden ihn im Auge zu behalten.

Der Ronan gegenübersitzende Rhodan strich sich mit Müh und Not sein etwas zu stramm sitzendes Wams über dem rundlichen Wohlstandsbauch zurecht. Seitdem Ronan ihn kennenlernte, hatte der achtunddreißigjährige Mann noch etwas zugelegt und wirkte noch gesetzter als zuvor. Der Kontormeister der Familie Mersingen war auf eigene Rechnung nach Elenvina gekommen. Über seine guten Kontakte in der Hauptstadt - zugleich Hauptabsatzort für seine erlesenen Waren - hatte er erfahren, dass sich eine Gruppe sternenbegeisterter Abenteurer treffen würde, um einen der fallenden Sterne zu bergen. Tatsächlich war der schon langsam ergrauende, großgewachsene Mann für seinesgleichen über die Maßen am Firmament, seinen Wegen und Veränderungen interessiert, doch musste er sich zugestehen, als er die noch blonden Locken hinter die Stirne strich, dass der materielle Wert der Metalle, die solch ein Stern angeblich transportierte, ungleich bedeutender für ihn war. So sah sich der eigentlich nicht sonderlich abenteuerlustige, seinem Bürostuhl doch sehr zugetane Rhodan in so kurzer Frist erneut genötigt, eine Reise zu tun. Aufgrund einer etwas aus dem Ruder gelaufenen Transaktion - Abenteuer brachten nur Ärger, diese Lektion scheinte der Händler jedoch noch nicht gelernt zu haben - war er auf das Geld dringend angewiesen, hatte doch der junge Mersinger Wind von seinen Schulden bekommen; dieser wiederum hatte deswegen eine Belehrung des Barons von Rabenstein über sich ergehen lassen müssen und war furchtbar ungehalten, als er in Rosenhain eingetroffen war. Naja: Ende vom Lied, er war hier und quetschte sich an den Tisch zu diesem bunt zusammengewürfelten Haufen. Die edle, samtige Kleidung, die er trug, war ihm dabei eher im Weg, doch wurde für jedermann ersichtlich, dass es der Rosenhainer darunter nicht machte. Ronan, den er bereits hinlänglich kannte, grüßte er mit einem Nicken und einem feinen Lächeln, das seine kräftigen Backen aufblähte. Sein Blick wanderte über die Gäste hinweg, bis er an Valeria von Belhanka hängen blieb. Die ersichtlich deutlich jüngere Rahjani war ganz nach seinem Frauengeschmack. Die grauen Augen des betuchten Händlers wurden groß und rund. Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit ergötzte sich Rhodan an den visuellen Reizen der schönen Frau und betrachtete jede erdenkliche sichtbare, angedeutete oder nur zu erahnende Rundung.

Als die Geweihte sich der Aufmerksamkeit des unförmigen Mannes gewahr wurde, zwang sie sich zu einem wunderschönen Lächeln. Innerlich jedoch seufzte sie. Es waren Blicke, die sie kannte, aber nicht sonderlich schätzte. Valeria war keine jener Dumpfbacken, die tagtäglich Stundengläser lang vor dem Spiegel standen und die Aufmerksamkeit so vieler Männer und Frauen wie möglich brauchten. Nein, sie registrierte die Aufmerksamkeit der anderen, doch gab ihr diese nichts. Es war natürlich, dass andere Menschen sie begehrten und wollten, doch waren Männer von stetem Besitzdenken getrieben und Frauen, Amazonen, klammerten zu sehr. Darüber hinaus hatte sie ihre Aufträge, ordnete diesen alles unter und hatte demnach auch keine Zeit für Müßiggang. Valeria war keine einfache Rahjageweihte, auch wenn sie nach außen hin genau dieses Bild transportieren wollte. Schon ihre Ausbildung unterschied sich zum Teil grundlegend von der ihrer Brüder und Schwestern. Gylvana hatte sie als Kleinkind in den Tempel aufgenommen und ihr eine fordernde Ausbildung angedeihen lassen. Die junge Rahjani war demnach nicht nur schön, sondern auf ihre Art auch wehrhaft. Jede Rose, so optisch vollendet sie auch sein mochte, hatte ihre Dornen. Die ihren waren dabei besonders stark ausgeprägt. Etwas, das Männer, wie derjenige, der sie nun angaffte, ihr wohl nicht zutrauen würden. Dennoch entsprach sie nun genau jenem Bild, das man von einer Dienerin der Schönen haben mochte. Valeria lächelte und winkte verspielt. Vielleicht konnte ihr der Tropf ja noch irgendwie von Nutzen sein.

Rhodan grinste ungeniert und nickte der Rahjani zu, doch Lust auf unverbindliche Kommunikation hatte er keine. Dieses feine Sahneschnittchen würde er sich schon noch zu Gemüte führen, doch der wahre Gourmet - das wusste er ganz genau - genießt und schweigt. Nach dem anzüglichen Grinsen dieses Stelzbockes wandte sie sich wieder von ihm ab. Es war genug der Aufmerksamkeit und Valeria wollte nichts versäumen, das hier von Belang gesprochen wurde. “Und was, mein Freund, aus fernem Land…” wandte sich Ronan an den Schatzsucher aus dem Svelltland. “... treibt dich in den hiesigen Tempel mit deinen Funden?” Er deutete leicht auf einen der Klumpen, wobei ein dezenter Silberring im Licht der Kerzen aufblitzte. Er sprach mit einem leichten, wellend-singendem Akzent, der nicht von hier stammte. Almada? Die Tulamidenlande?

Alrik war mit dem alten Gelehrten in den Tempel gekommen. Jung an Jahren, mit karottenrotem Haar und Sommersprossen, die seine Wange lustig gesprenkelt scheinen ließen, war er erst vor kurzem aus dem Osten wiedergekehrt. Die Familie des Alten hatte ihn gut bezahlt, ihn wieder heil in die Nordmarken zu bringen. Und Arbeit war es tatsächlich gewesen, wenngleich Alrik viel gelernt hatte. Viel mehr als er geglaubt hatte, als Milian ihn vor über einem Götterlauf angeheuert hatte. Und nun dies hier. Sternengold in den Nordmarken und er war einer der ersten, die sich daran bereichern konnten. Still glitt sein Blick über die anderen und blieb an Ronan hängen. Lächelnd zog er einen Mundwinkel nach oben. Dieser bemerkte kurz vor die Mimik des jungen Mannes sich wieder auflöste diese Reaktion. Ebenso kurz wie das Lächeln des Mannes war zog der Grauberobte seine rechte Augenbraue nach oben und sah ihm währenddessen direkt in die Augen. Alrik schaute in das helle braun, fast bernstein- oder honigfarben, welches ihm warm entgegenblickte. Ein Zwinkern, fast unmerklich folgte. Dann wandte der andere den Blick zur Seite und sah sich interessiert im TEmpel um.

“Bina Maschores, mein Briederchen! Das gute Geschäft. Das was da vom Himmel rauscht, ist genug Almonesse für uns alle. Auch wenn ich gerne alles haben möchte, alleine wird es schwer. Wenn wir aber als Meschpoche reisen, ist es möglich den Massel zu finden. Das hat nichts mit einer Steldripa … wie sagt ihr … Weissagung zu tun. Außer das wir den Sternenschatz nur finden müssen, wenn er aufschlägt.” Abschätzig schaute Ghazbar in die Runde und sein Blick verriet, dass er alle Anwesenden genauso Schatzversessen einschätzte wie sich selbst.

'Diese Worte …', Valeria rollte kaum vernehmbar mit ihren Augen. Ihre Lippen zierte jedoch immer noch ein Lächeln. "Und wie gedenkt Ihr die anderen von diesem … Fund … fernzuhalten?" Die Geweihte wies mit einem einfachen Kopfnicken hin zu einem anderen Tisch, wo sich ein alter Krampen gerade fürchterlich echauffierte. "Ihr solltet nicht leichtfertige Versprechen artikulieren, die nicht leicht einzuhalten sein werden." Sie kicherte und schenkte dem Svelltländer ein herzliches, doch falsches, Lächeln und blickte ihn dann herausfordernd an.

Ronan lehnte sich zurück. "sahr. lm 'ar mithl hadhih almaeadin alnajmiat alnaqiat mundh eshr sanawatin." murmelte er leise. Er schaute die junge Rahjageweihte an, die den Norbarden recht scharf angegangen war. Währenddessen legte verschränkte er die Arme vor der Brust. In der Ellenbeuge zuckten seine Finger, bis sie scheinbar eine bequeme Position gefunden hatten. Hatte Rhodan ihn gesehen - oder war seine Aufmerksamkeit an der Rahjageweihten hängen geblieben?

Rhodan langweilte sich bei dem Geplänkel. Die sollten ruhig über hypothetische Vorgänge palavern - so würde das Ghazbar vermutlich ausdrücken. Ihm war klar, dass es bedeutend war, die Sternenmaterialien, sollten sie ihrer habhaft werden können, klandestin fortschaffen müssten und sie zügig weiterverkaufen sollten. Wenn es um solche Sachen ging, dann waren die Kirchen schneller vor Ort, als man PRAios sagen konnte. So ließ er seinen Blick über die anderen schweifen - wer wusste noch, worauf es ankam? Ja klar, Ronan. Rhodans linker Mundwinkel zuckte nach oben. Na, dann sollte er mal loslegen, vielleicht war der Einfall des Südaventuriers wertvoller als das Gejammer.

‘Hohe Reinheit.’ signalisierte die schnelle Abfolge der Fingerspiele. ‘Wertvoll.’ eine kurze weitere. ‘Vorsicht, Gier.’ die letzte. Rhodan blickte aus dem Augenwinkel auf den selbsterklärten Meschpochenführer. Der war auch gierig ungefährlich, dachte er sich. Rhodan antwortete knapp. ‘Konkurrenz.’ Das sah er eher als Risiko an. Der derart angesprochene nickte nur knapp und signalisierte mit einem kurzen Fingerspiel ein Lachen.

“So ein lecker Schwesterchen wie euch, lass ich natürlich den Vortritt.” Nun lachte der Norbarde herzlich. “ Ich sehe das so: fernhalten möchte ich keinen. Das was da runter kommt gehört uns allen und keinen. Meine Erfahrung sagt mir, das so ein Massel nicht einfach an einer Stelle zu finden ist, sondern der sich verteilt. Mit ordentlich viel Hani, also Glück, und Heshinjas Segen werden ein paar von uns auch fündig. Und wies ausschaut sind wir eine große Meschpoche.” Mit geschickten Griff fing er an, seine Schätze wieder in das Tuch einzuschlagen.

“Mesch … was ...”, Valeria seufzte und begann ihre Schläfen zu massieren. Langsam aber sicher bekam sie davon Kopfschmerzen. Sie ging nun dazu über diese Worte zu ignorieren - so schwer dies auch fallen würde. Dass dieser Klotz meinte, der Stern gehöre allen - oder noch besser, niemandem - würde sich noch zeigen. “Werden auch die anderen …”, die Geweihte wies mit einem Kopfnicken in Richtung eines anderen Tisches, “... mit uns ziehen, oder wir mit ihnen? Und wenn nicht, wie gedenkt Ihr dieses … Geschenk der Götter zu finden? Ihr verlasst Euch doch hoffentlich nicht nur auf Euer Glück?”

Ronan lachte und wandte sich an die Priesterin der Rahja. “Natürlich Glück, Diener der herzlichen Fröhlichkeit.” rollte er mit seinem Akzent. “Das Glück ist ein wertvolles Geschenk und schenkt uns wiederum Gelegenheiten, die wir mit schnödem Wissen übersehen hätten.” Kurz schoben sich die edel geschwungenen Augenbrauen der Geweihten zusammen, dann huschte wieder ein vollendet schönes Lächeln über ihre Lippen. Das Spiel mit ihren Gesichtszügen hatte sie inzwischen gemeistert, auch fiel es Valeria nicht schwer falsche Tatsachen vorzuspielen. “Eure Worte in den Ohren der Götter.” Sie zwinkerte dem Grauen verschwörerisch zu.

“Ihr wisst, junge Dame, das Glück ist mit den Tüchtigen”, lachte Rhodan nonchalant. “Denen hören die Götter immer zu. Doch es schadet nicht, ein wenig nachzuhelfen. Entscheidend ist, das Feld einzuengen, in dem die Sterne niedergehen könnten. Dazu müssten wir wissen, woher sie kommen. Ist jemandem der Anwesenden etwa bekannt, welcher Stern womöglich fallen wird?” Ronan schüttelte den Kopf und legte dann seinen Zopf zurück auf die Schulter, von der er gerade entkommen war. Rhodan fiel auf, dass der Grauberobte vor wenigen Wochen noch kurzes Haar getragen hatte? Sein Blick glitt gen Himmel, als könne er durch die Tempeldecke den Sternenhimmel erkennen. “Lasst uns dazu den Sternenhimmel beobachten, denn so können diese Schätze am HImmel der Nacht uns verraten, welcher Stern zu fallen gedenkt.” Er nahm den Blick wieder herunter und sah erst Rhodan an, dann Valeria in die Augen. Diese waren dezent mandelförmig, Lachfalten zeigten, dass Ronan offenbar gerne lachte. “Die Sterne können dann dem Kundigen verraten, wo sie fallen werden.” Er nahm die Arme auseinander und legte einen Arm über die Lehne seines Stuhles, den anderen in seinen Schoß, die Beine übereinander geschlagen. “Funkelndes Juwel in dieser lichtbeschienenen Stadt, hat man Euch gelehrt, den Sternenhimmel zu lesen?”

Zuckersüß lächelte die junge Rahjani. Wenn der Grauling wüsste was sie ihr alles gelehrt wurde. Die Astronomia war jedoch nicht darunter. Hier war sie auf die anderen Anwesenden angewiesen, soviel war Valeria inzwischen klar geworden. Und das machte ihr Sorgen, hasste sie es doch nicht die Kontrolle über eine Situation zu haben. “Lilasaf lā”, säuselte sie den Tulamiden in seiner Muttersprache an. “Da werde ich mein Glück gänzlich in Eure Hände legen”, das ´müssen´ sprach sie dabei nicht mehr aus.

“Na da seid Ihr in besten Händen meine Teuerste”, grinste Rhodan und rieb sich ebenjene. Tatsächlich kannte er sich mit Astronomie gut aus. Zeit unter dem Sternenzelt zu verbringen war seine zweitliebste Beschäftigung - nach dem Zählen von Geld. “Aber zuvor wäre es doch hinlänglich von Interesse zu erfahren, warum Ihr euch dieser ‘Plackerei’ hier angeschlossen habt. Ich bin mir sicher, eine solche Reise ist Eurem perfekten Teint nicht zuträglich.”

Abermals lächelte die Lehrerin der Leidenschaft strahlend. “Haben wir nicht alle unsere Geheimnisse, mein Herr?” Sie blickte kurz hinüber zu Ronan und leckte sich über die Lippen: “Dann wäre es doch nur gut und richtig einer Dame die ihren zu lassen, meint Ihr nicht?”

Rhodan zog die Augenbrauen hoch und strahlte über beide Ohren wie ein Honigkuchenpferd. Dann lachte er aus vollem Tone seines doch voluminösen Bauchs. “Hört, hört!”, sagte er noch immer halb lachend. “Ich weiß: ein Geheimnis macht eine Frau zu einer Dame sagt man.” Der Händler nickte wissend. “Aber Geheimnisse sind doch deswegen so interessant, weil man sie lüften möchte, oder nicht? Jetzt lasst uns doch nicht so zappeln.”

“Tststs …”, die junge Rahjani begann kokett mit ihrer widerspenstigen Haarlocke zu spielen, “... aber mein Herr … wo bliebe denn die Herausforderung, wenn ich Euch hier auf Nachfrage meine Geheimnisse offenbaren würde? Sind wir nicht genau deshalb hier?” Ihr Blick machte eine Runde über die Anwesenden. “Der Herausforderung wegen?”

Ronan grinste, ob dieses Wortwechsels. Dann lächelte er Valeria zu. “Natürlich, die Herausforderung. Das ist das spannende am Spiel, am Lüften von Geheimnissen und an den ganzen Wagnissen.” Er sah zu Rhodan, dem Weinhändler. “Und wer nicht wagt, der nicht gewinnt.” Hatte er gerade mit dem Valeria abgewandten Auge gezwinkert? Er wandte sich wieder an die Rahjageweihte. “Aber ohne einen Sternenkundler wird auch unser norbardischer … Freund … hier den zu erwartenden Sternenfall ermitteln können. Ein Doctor der Astrologie wäre wirklich wahres Gold wert, meint Ihr nicht auch, holde Schönheit eines Rosenstrauches?”

“Oh mein Freund, das klingt aber nach einer Großinvestition! Habt Ihr so viel Wagniskapital übrig, dass Ihr Euer Geld in einen Astrologen investieren wollt? 4 aus 5 davon sind doch Scharlatane und beim Fünften weiß man auch nicht so genau. Ach ja: Mit fremdem Geld spekuliert man nicht”, brummte Rhodan scherzhaft, wobei er in Gedanken ergänzte außer man habe es vorher expropriiert. “Ich denke, man könnte ja mal am heutigen Abend einen Blick in die Sterne wagen. Vielleicht funkeln sie heute noch schöner als sonst.”

Zwischen den kirschroten Lippen der jungen Geweihten erschien eine Reihe perlweißer Zähne. “Sprecht Ihr von Euch?”, meinte sie an Ronan gewandt. “Aber wie mir scheint haben beide Herren eine Ahnung von den Sternen. Wir alle können uns also glücklich schätzen.” Sie zwinkerte verspielt.

“Das Glück, Dienerin der Schönen Göttin…” sprach Ronan ruhig. “... ist, wie der werte Herr Herrenfels schon so richtig anmerkte, mit den Tüchtigen. Und ja, die Herzog-Eolan-Universität hat mir den Titel eines Doctors der Astrologie, also der Sternenkunde, verliehen.” Die braunen Augen des offenbar tulamidisch-stämmigen Herrn funkelten, sein Blick glitt kurz zu Rhodan, der mit der schönen Rahjageweihten ebenfalls in diesem intensiven Gespräch stand. “Die Kenntnisse zur Berechnung der entsprechenden Konstellationen kann ich somit dieser Unternehmung unter Umständen zur Verfügung stellen.” “Die da wären?”, fragte Valeria interessiert zurück.

Der Angesprochene zuckte mit den Schultern. “Nun, da wären die Berechnung der astrologischen Konstellationen anhand der Ephemeridentafeln. Weiterhin die Deklinations-Achsen-Berechnung und die Elongations-Abweichungen der Wandelsterne zu Berechnung vergangener oder zukünftiger Bahnen.” Er lächelte. “Insbesondere die Kombination der Deklinationsbetrachtung mit der modernen Längenberechnung mittels eines Astrolabiums könnte uns Hinweise auf den Aufprallort liefern.” Ronan lächelte die Rahjageweihte herzlich an. Er musste es zugeben, wenn auch nur sich und dem Grauen, er genoss das spielerische Parlieren mit ihr. Für einen Herzschlag lang schien sich Unsicherheit auf ihrem Antlitz bemerkbar zu machen, doch verschwand dieser Ausdruck so schnell wie er gekommen war. “Ich sehe schon …”, Valeria berührte verspielt den Oberarm des Graulings, “... ich … äh … wir sind bei Euch in den besten Händen.”

Meta schwieg. Interessant, was für Gestalten und Sprachen, beziehungsweise Dialekte sich hier zusammenfanden. Deutlich südlicher als Almada. Sie würde sich an die Meschpoke halten und erst einmal abwarten, bis man vor Ort war. Sie war nur Knappin und hatte zu schweigen. Eine Frage lohnte sich aber und war ungefährlich. “Mit Verlaub, hohe Damen und Herren. Wann werden wir reisen, wie, mit wem und wer wird für die Unkosten, die bei Übernachtungen anfallen werden, aufkommen? Wie lange werden wir unterwegs sein?” Typisch, es war dann doch mehr als eine Frage. Sie stellte sich darauf ein, bei den Pferden im Stall zu schlafen, das war am günstigsten und das Schnauben wirkte so schön beruhigend. Einer ihrer Mundwinkel zuckte amüsiert. Natürlich würde kein Mann sie mit zu sich nehmen, wenn sie wieder auf dem Gut war, sollte sie die längst fällige Besprechung mit einem gewissen Herren, ihr einziger Freund, der einzige, dem sie wirklich traute, in Angriff nehmen.

Belustigt schaute Ghazbar in die Runde. “Ich hab gehofft hier motivierte Leute zu finden. Versprechen kann ich nichts, allerdings bis jetzt hab ich immer was gefunden. Und wie es schaut, haben wir auch Leute hier, die die Gegend kennen und für einen Schatz auch malochen würden.” Der Norbarde zwinkerte Valeria zu. “Nun jeder ist willkommen sich anzuschließen. Am Ende werden nur die Glücklichen fündig. Und”, jetzt zog er ein Fernrohr hervor,” Wir müssen den Himmel im Auge haben. Nur so wissen wir, wo er runterkommt.” Dann steckte er das Rohr wieder weg. “Es ist ja kein Auftrag, also macht das wohl jeder aus eigener Tasche. Es sei die Galaschen, die Priester, unterstützen uns.” Sein Blick wanderte kurz zum Tisch der Mentorin Nirjaschka. “Was sagt ihr?” “Ich sage, es lohnt sich, auf eigene Rechnung zu arbeiten, dann gibt es auch niemanden, der im Nachhinein Ansprüche anmelden kann”, bekräftigte Rhodan. Bei sich ergänzte er, dass dann auch jeder nach seiner Facon nächtigen könnte. Er würde Zeit unten den immerfort funkelnden Sternen verbringen. Auch wenn er das Reisen und die Beschwerlichkeiten hasste, die Sterne zogen ihn magisch an. “Ich hoffe, die Herrschaften sind adäquat ausgerüstet und vorbereitet?” “Wir sind in Elenvina.” War die mystisch knappe Antwort des Grauberobten.

Die Rahjageweihte hob abwehrend ihre Hand. “Die Priester? Götter, nein! Ihr wisst so gut wie ich, dass die den Stern nicht mehr loslassen werden, wenn wir ihnen helfen diesen zu finden. Wir sollten uns ausrüsten und wenn es sein muss heuern wir ein paar Arbeiter zum … malochen … an. Das Gold dafür wird meine Familie vorab auslegen … lasst das meine Sorge sein.” Alrik lächelte still. Was so ein Stern wohl wert wäre? Käme vermutlich auf das Material an. Und ob man es offen oder versteckt verkaufen müsste. In jedem Fall hätte es großes Potential- eine große Möglichkeit zu werden.

Unauffällig und nur mit einem kaum hörbaren Klingeln trat die weißhaarige Gauklerin an den Tisch des Norbarden. Sie hatte nur den letzten Satz des Mannes gehört und nahm das als Anlass, in die Runde zu winken - was nun doch wieder ein lauteres Klimpern erzeugte. “Hallo zusammen, ich bin Doratrava, aber die meisten hier kennen mich ja schon. Ich dachte, ich begrüße euch mal und schaue, was an diesem Tisch so gesprochen wird.” Sie grinste und gab sich den Anschein der unbefangenen Neugierde, was ihr nicht schwer fiel, da das einer ihrer natürlichen Wesenszüge war.

Rhodan wurde aus dem Gespräch gerissen, wandte sich kurz der irritierend schlanken, weißhaarigen Frau zu, die für seinen (ausgeprägten) Frauengeschmack deutlich zu afeminin war und rümpfte die Nase. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Was machte denn bitteschön fahrendes Volk hier? Sollte das eine Tschokolatl-Fahrt werden, so, wie sie das neuerdings im Horasreich für begüterte ältere Damen anboten? Doratrava grinste den Händler übertrieben freundlich an, obwohl der sie ansah, als hätte sie mehr als sechs Beine und sei gerade unter einem Stein hervorgekrabbelt. Offenbar erinnerte sich der feine Herr nicht mehr an die Episode in Herzogenfurt, als eine Explosion im dortigen Hotel sie zu unfreiwilligen Leidensgenossen gemacht hatte, wenn auch nur für ein paar Stunden.

“Doratrava!” Das R rollte genüsslich im Mund des Grauberobten. Er lächelte breit. “Welch Freude, dich hier zu sehen. Aber irgendwie verwundert es mich nicht, dass die Götter dich auf diesen Pfad führten.” Noch mehr Konkurrenz? Oder eher Aufmunterung und Unterhaltung? Wer außer den Alveranischen mochte dies wissen? “Die Götter, ja. Oder ihre Diener. Eigentlich wollte die Geweihte da drüben”, Doratrava machte eine klimpernde Geste Richtung Nirjaschka, “nur mit mir sprechen. Von so einem Auflauf hatte sie nichts erwähnt. Und dass ich hier so viele bekannte Gesichter vorfinden würde, auch nicht.” Wieder grinste die Gauklerin übermütig.

Der junge Rothaarige sah die Weißhäutige interessiert an. Interessant. “Der Alte hat euch vom anderen Tisch vertrieben?” fragte er grinsend. Valeria musste an sich halten um ihre Gesichtszüge nicht entgleisen zu lassen. Sie kannte die Gauklerin, die bei der Hochzeit ihres Cousins im Schlepptau der Feenküsschen erschien. Eine talentierte Künstlerin, soviel war klar, doch schwierig handzuhaben. Wohl eine Amazone, so wie sie damals ihre Cousine Rahjalind angesehen hatte, also würde sich auch Valeria vor ihr in Acht nehmen müssen. Die Ankunft Doratravas würdigte sie lediglich mit einem kurzen gelangweilten Blick in ihre Richtung. “Kennst du den?” wandte Doratrava sich dem jungen Mann zu. “Redet der immer so hochgestochen daher, als müsse man vor ihm auf die Knie fallen und ihm für die Gnade danken, einem die Weisheit der Welt zuteil werden zu lassen?” Der junge Mann nickte.

Die Rahjani streifte die Gauklerin dagegen nur mit einem Blick. Sie hatte die schöne Frau erst vor ein paar Tagen zuletzt (und zuerst) gesehen, aber sie wurde nicht recht schlau aus ihr. Für eine Dienerin der Schönen Göttin kam sie recht reserviert daher, zumindest ihr gegenüber. Dabei sollten Musik und Tanz fast schon ein natürliches Band knüpfen zwischen einer Geweihten der Rahja und einer Gauklerin. Aber sie würde sich sicher nicht aufdrängen. Meta nickte Doratrava dagegen nochmals knapp zu, aber auch hier galt dasselbe: sie würde sich nicht aufdrängen. Sie wollte ja eigentlich nur kurz Hallo sagen … aber so etwas mochte nicht zum ersten Mal unerwartete Auswirkungen haben … “Er ist mein Herr. Und ja er redet mit den meisten so. Außer … nun ja, mit einigen redet er … nun ja anders…. Dann allerdings mit Worten, die ich nicht kenne und nicht verstehe.” Er grinste Doratrava an, während er den Kopf dabei leicht schräg legte. “Dein Herr?” Doratrava zeigte sich deutlich überrascht. “Ähm … und warum bist du dann nicht bei ihm?”

“Er kommt schon allein zurecht, solange er nicht laufen, nichts tragen oder sich an profane Dinge wie Essen oder korrektes Ankleiden erinnern muss.” lachte der junge Mann. “Er ist zufrieden, solange Menschen da sind, die er mit seinem Wissen beglücken darf.” “Na dann muss man sich ja keine Sorgen um ihn machen”, grinste Doratrava zurück. Eine Reise mit dem Zausel würde aber sicher schwierig werden. Kein sehr erhebender Gedanke. Aber andererseits war sie ja nicht hier, um irgendeine Reise anzutreten. Dennoch fragte sie neugierig: “Und, habt ihr hier schon einen Schlachtplan?”

Es war der Norbarde der Doratravas Frage aufgriff. “ Das lecker Mädel ist also interessiert. Na, als Meschpoche, also als Gruppe, könnten wir dem Stern nachjagen. Wer wäre dabei?” Die junge Geweihte räusperte sich. “Nachjagen …”, wiederholte sie und tippte sich dabei theatralische auf ihr Kinn, “... wie habt Ihr die Schätze denn sonst immer ausgehoben?” Insgeheim fürchtete sie, dass sie der Gruppe der Priester an Professionalität unterlegen waren. Diejenigen, die das Kind oder den Krieg suchen, empfand die Rahjani nicht unbedingt als Konkurrenz, doch die Gelehrten mit dem alten Zausel waren es auf alle Fälle. “Am Gold für Ausrüstung soll es dabei nicht scheitern, das leiere ich notfalls meinem Onkel aus der Tasche.” Valeria setzte ein kindlich unschuldiges Lächeln auf als sie ihren Blick über die Gesichter der anderen schweifen ließ. “Und in welche Richtung soll es denn gehen?” fragte Doratrava weiter. “Die da drüben”, sie deutete auf Nirjaschkas Tisch, “wissen auch noch nicht, wohin sie müssen, die wollen erst noch beobachten und irgendetwas berechnen.” “Ich hab gehofft, das es hier jemanden gibt, der sich besser mit den Sternen auskennt. Ich bin zwar sehr geübt, aber noch ist der Stern zu weit entfernt. Zumindest hat es mich in die Nordmarken geführt. Ein Teleskop wäre hilfreich.” Fragend schaute er in die Runde. “Ein Teleskop ist eine kostenintensive Anschaffung, aber die könnte sich lohnen. Mit dem nötigen Geld hätte ich die Kontakte, um so etwas zu beschaffen, keine Frage.” Valeria klatschte in ihre Hände. “Das ist großartig. Dann haben wir ja eine Bezugsquelle und jemanden, der den Spaß bezahlt.” “Ihr also, meine Teuerste?”

Ronan lächelte Rhodan und Valeria zu. “Wunderbar! Dann haben wir jemanden, der das kostbare Teleskop für eine profunde Sternenschau finanziert. Wir danken Euch sehr, Schönheit der Rosenknospe.” “Meine Familie …”, meinte die Geweihte keineswegs kleinlaut, sondern sehr selbstsicher, “... sofern Bedarf besteht und vorausgesetzt das eingesetzte Kapital wird bei der Aufteilungsquote ausreichend berücksichtigt.” Noch bevor jemand antworten konnte, lag die Aufmerksamkeit der Geweihten auf ihrer Begleiterin.

Meta war von Natur aus unauffällig und gab sich auch so. Kein Wunder, dass die Gauklerin, die sie schon mindestens dreimal getroffen hatte, sie überging. Wobei das eine Mal recht emotional gewesen war. Damals hatte Dora ihre verheulten Augen auch auf andere Personen gerichtet. Typischerweise pflegten die Herrschaften, sich in Szene zu setzen, obwohl es noch keinen Grund dafür gab. Sie fasilierten und palaverten. “Hohe Damen, Hohe Herren, werden die anderen Gruppen mit uns reisen? Und wann gedenkt Ihr, aufzubrechen? Wir sollten eine malochende Meschpoke beauftragen, geeigneten Proviant und Reiseutensilien zu besorgen. Eine gewisse Ahnung, wo das, nachdem wir suchen auf Dere landen wird, werdet Ihr doch sicher haben.” Sie stützte sich nun mit beiden Ellbogen auf dem Tisch ab. “Einig, dass wir es wollen, sind wir uns doch. Wichtig wäre ein Vorsprung. Oder habe ich etwas Wichtiges verpasst? Wenn der Zausel nicht gehen will, soll er eben hier bleiben.” Sie zuckte mit den Schultern. Was an den anderen Tischen vorgefallen war, hatte sie nicht mitbekommen. Doratravas Auftreten wunderte sie nicht. Die Frau war flatterhaft.

Flüsternd wandte sich Valeria an die Knappin. “Wir wissen nicht wohin, das ist das Problem. Und ich befürchte, dass die anderen weiter sind als wir. Könntest du dich auf den anderen Tischen umhören ob jemand eine Idee hätte?” Sie hob ihre Augenbrauen. “Unauffällig, wohlgemerkt. Vielleicht tut der Lakai des Alten es dir am Tisch der Götterdiener ja gleich.” Mit einem Lächeln versuchte sie Meta für ihren Plan zu gewinnen. Das Erklingen eines Glöckchen ließ alle aufhorchen.