Die Satisfaction der Zofe: Unterschied zwischen den Versionen

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== Prolog ==
 
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Schreiben an Lares von Mersingen am Abend der Brautschau, Herzogenfurt 8.Rahja 1042 BF
 
Schreiben an Lares von Mersingen am Abend der Brautschau, Herzogenfurt 8.Rahja 1042 BF
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== Stadtgespräche ==
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Noch immer lag der frohlockende Sinn der liebholden Liebesgöttin Rahja in der Luft und die Bürger des kleinen Städtchen Herzogenfurt frönten noch immer eine ausgelassene Stimmung. Dieser Tag jedoch, der zehnte Tag des Rahjamondes 1042 nach Bosparans Fall, war erfüllt mit flüsternden Worten, Gelächter und Neugierde. Erst waren es nur wenige Gäste der Altenberger Brautschau, die vor zwei Tagen in Herzogenfurt standfand, die von einer Geschichte am Rande,  zwischen einer Zofe und einem Ritter, hörten. Doch dann sprachen Knechte und Mägde darüber und binnen eines Tages war es das Stadtgespräch. So wusste einer der Gärtner im Lilienpark zu berichten, wie der Junker von Mersingen, dem Bannstrahler Linnart vom Traurigen Stein die Verlobte neidete und diese schändlichst beleidigte. Oder die Magd des Hotels konnte erzählen wie die Jungfer Durinja vom Traurigen Stein sich dem Mersinger vom Leibe halten musste, da ihm der Wein und Rahja zu Kopfe gestiegen war. Unter den Hofdamen sprach man davon, das der Junker sich  zum ´Retter aller gebrochenen Herzen´ ernannte, ob diese nun wollten oder nicht, und erkor sich die Traurigensteiner aus, als Wurzel allen Übels, um diese zu einem Duell zu fordern. Die Geweihte der gütigen Travia war sich sicher, dass die ehrbare Göttin dem Wüstling strafen würde, für seine verletzenden Worte der Edeldame gegenüber und auch der Wurstmetzger und die Pökelmeisterin konnten nur den Kopf schütteln, über die Selbstgefälligkeit des Grünschnabels von einem Ritter. Welche Wendung diese Geschichte auch bekam, in einem Detail stimmten sie überein: Die Edeldame vom Traurigen Stein und der Ritter von Mersingen sollten sich zur Phexstunde an diesem Tag am Uhlenturm vor den Toren Herzogenfurts treffen, um dieser Geschichte genüge zu tun. Und somit brachen viele Stadtbürger, Edelleute und Gäste auf, dem Zeuge zu sein.
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Die Dämmerung war schon über das Land eingebrochen und in einem Wasserlauf würden die Stadttore der Stadt Herzogenfurt in der Baronie Schweinsfold geschlossen. Nur hundert Schritt waren die beiden wuchtigen Zolltürme davon entfernt, die mit ihrer Brücke über den Foldenquell den Handel und die Reise Rahja-Efferdwärtig von Amleth nach Honingen sicherten.
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Zu Fuße des Uhlenturms, der auf der Seite Herzogenfurt stand, direkt am Ufer des Flusses fand sich eine Traube von Menschen ein, denn hier sollte das Zusammentreffen der beiden Edelleute stattfinden. Im Scheine von einigen Fackeln und Laternen wartete die besagt Jungfer, dessen Namen nun in jederfraus und jedermanns Mund war: Durinja vom Traurigen Stein. Die junge Frau hatte ihr dunkles, langes Haar zu einem Zopf geflochten und trug ein sittsames, hochgeschlossenen und dunkelgraues Hemd, dazu eine dunkle Hose, mit leichten Schnürstiefeln. Blass war ihr hübsches Gesicht, bar jeder Schminke. Einzig alleine ihre zweifarbigen Augen gaben ihr etwas auffälliges, doch jedem war klar, das diese zarte Gestalt sehr an den Schmähungen des Junkers gelitten haben musste. Die leichten Rötungen um Auge und Nase wiesen darauf hin, dass die unschuldig wirkende Edeldame geweint haben musste. Ihr Bruder, ein leicht untersetzter, hübscher Mann stand in ihrer Nähe. Zu seinen Füßen hatte eine sehr große, lederne Tasche und schien leicht abwesend. Auch der besagte Verlobte, der Bannstrahler Linnart vom Traurigen Stein war nicht weit und stand im Scheine einer Fackel. Neugierig wurde sie von den Leuten gemustert, immer wieder den Blick zum Stadttor wandernd, denn der Herausgeforderte war noch immer nicht zu sehen.
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Besagter Verlobter der Duellantin lehnte entspannt an einer nahen Brüstung. Sein aufmerksamer Blick schweifte über die Anwesenden und die sich ihm bietende Szenerie. ´Was für eine Schmierenkomödie´, dachte er bei sich, versuchte jedoch sich seinen Gemütszustand nicht anmerken zu lassen und neutral zu wirken. Dennoch fühlte er sich dazu genötigt seinen Ornat anzulegen, um halbwegs was her zu machen und die Präsenz der Kirche des Gleißenden zu zeigen. Vielleicht würde das die Anwesenden dazu motivieren die vorherrschenden, gegenseitigen Ressentiments nicht eskalieren zu lassen und hier und heute keine Dummheit zu begehen. Denn auch wenn er von diesem Duell nicht viel hielt - sobald er Durinja in Gefahr wähnte, würde er einschreiten. Verbot von Ehrenhändeln oder dieser nicht nachvollziehbare rondrianische Ehrbegriff in allen Ehren, aber ein Familienmitglied würde er immer verteidigen.
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So trug der Ritter sein edles, langes Kettenhemd mit der vergoldeten ersten Gliederreihe. Darüber einen weißen Wappenrock mit golden bestickten Säumen und einen schweren Umhang. Gegürtet hätte er ein hochwertiges Langschwert mit vergoldeten Parierstangen. Die güldenen Elemente seines Ornats funkelten im Licht der nahen Fackeln.
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Linnart blickte auf seine schöne Zukünftige. Was für eine herausragende Schauspielerin sie doch war. Die Anwesenden werden es ihr abnehmen und in Sympathie für die zierliche Hofdame dahinschmelzen - der Bannstrahler wusste es besser. Dennoch ließ er Durinja ihren Auftritt und die damit einhergehende Inszenierung. Sein Blick lag nun auch am Stadttor. Wer weiß würde dieser Mersinger überhaupt erscheinen. Er schien gerne auf phexischen Pfaden zu wandeln und liebte es Menschen hinter ihrem Rücken verbal zu verunglimpfen - die offene Konfrontation schien seine Stärke nicht zu sein.
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An einer Hauswand, nicht weit von der sich bietenden Szenerie, lehnte der düstere Marborad und wartete mit leicht amüsierten Gesichtsausdruck auf das, was gleich kommen sollte. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt und stützte sich mit einem Bein an der Wand ab. Zu der hautengen Mi - Parti Hose in Schwarz und Weiß trug er Schnabelschuhe aus braunem Rindsleder und eine dunkelgrüne Schecke mit tiefen Ausschnitt und Mahoîtres. Die Säume waren mit silbernen Stickereien verziert, welche ein Granatapfelmuster zeigten. Unter der Schecke trug er ein weißes Leinenhemd. Sein Haar hatte er zu zwei Zöpfen geflochten, die einen dunkelgrünen Fez umrundeten und im Nacken ineinander gewoben waren. Caligo, sein Rabe, flog krächzend über die Brücke, flog einmal über die wartende Menge und beäugte dabei den Bannstrahler und dessen Verlobte, bevor er sich auf dem Dach des Uhlenturmes niederließ.
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Lange stand Marborad nicht alleine, denn Gezelda von Ulmentor, erste Hofdame der Baronin von Schweinsfold, gesellte sich zu ihm. Die ältere Frau, wohl schon in ihren Fünfzigern, war noch immer eine herbe Schönheit, der sich sich die Männer jeglichen Alters noch immer umdrehten. Mit einem horasischen Fächer in der Hand lächelte sie dem Höfling zu. “Diese Durinja hat ja ordentliche Arbeit geleistet, das muss man ihr lassen. Die ganze Stadt spricht von ihr … und vor allem schlecht von dem Junker.” raunte sie dem Dachswiesner zu.
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“Die möchte man wahrlich nicht zum Feind haben. Irgendwie tut mir der Junker sogar ein bisschen Leid. Und das obwohl er so häßlich ist.” Während sie leicht fächerte, lachte sie verhalten, weiter darauf achten, ein Lächeln für die anderen zu behalten. “Wahre Worte, Marborad. Schauen wir, wie er sich so schlägt. Vielleicht hat sie auch zu hoch gespielt. Zumindest weiß ich von zwei Mägden, die sie bezahlt hat … Geschichten zu streuen.” Nun bekam sie ein Funkeln im Gesicht. “Ihr Verlobter ist schon ein Schmuckstück … nur leider auf der falschen Seite.” Der Höfling betrachtete den Bannstrahler und antwortete: “Ich hätte schon Möglichkeiten ihn auf die `richtige`Seite zu bringen”, und grinste, “aber es wäre nur eine Illusion für einen Augenblick. Im Grunde genommen ist es doch auch langweilig, wenn sie es nicht von selbst wollen. Zumindest ein kleines bisschen. Findet Ihr nicht auch?”
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“In der Tat” Der Blick blitzte kurz über Linnart. “Man hört ja so einiges von den Traurigensteiner. Die sollen Orgien auf ihren Gut feiern. Was hälst du von dem da?” Sie deutete flüchtig auf den Junker Aureus von Altenwein.
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“Sieht nicht schlecht aus. Scheint mir aber etwas naiv zu sein, glaubt an das Gute im Menschen und so. Das muss keine schlechte Eigenschaft sein, solange man sich nicht übertölpeln lässt. Und irgendwie hat er etwas von einem Hund, treu, neugierig, freut sich über jeden neuen Menschen, den er trifft. - Ich frage mich, ob der auch mit seinem Schwanz wedeln kann? - Allerdings würde ich Euch von ihm abraten. Es liegt ein Schatten auf ihm, er tanzt gerade auf Messers Schneide und Urgroßmutter hat noch nicht entschieden, welchen Weg er nehmen wird. - Orgien hattet Ihr gesagt. Klingt verlockend. Sind die wie unsere Treffen, oder wie darf ich mir das vorstellen?”
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“Das kann ich wirklich nicht sagen. Aber vielleicht werden wir eines Tages eingeladen.”fast herausfordernd hörten sich ihre Worte an.
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“Das klingt ja so, als wolltet Ihr ein Spiel daraus machen…” Frech grinste er sie an.
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“Wer weiß, wer weiß.” war ihre knappe, doch verschwörerische Antwort.
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“Also gut. Ich nehme an. Worum wollen wir wetten?” Marborad war sich der Tatsache bewußt, dass er der ersten Hofdame unterlegen war, aber sie war wie eine Katze und diese spielten gerne. Warum sollte er ihr nicht eine kleine Freude machen. Leicht machen würde er es ihr jedenfalls nicht. “Ich schlage folgendes vor: wer von uns beiden zuerst eine Einladung erhält, hat gewonnen, nimmt aber den Verlierer mit. Der Verlierer hingegen spendiert dem Gewinner eine Flasche des seltenen, aber köstlichen Altenweiner Firunsodem. Na, was sagt Ihr?”
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“Abgemacht”, gurrte sie ihm entgegen.
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Sina gähnte, die letzten Nächte und Tage waren zu kurz oder zu aufregend gewesen. So recht wusste sie auch nicht, was sie von dem Spektakel halten sollte. Mit Lares hatte sie nicht viel gesprochen, sympathisch war er ihr nicht, aber trotzdem machte er nicht den Eindruck, unbesonnen und ungerecht zu sein. Sicher hatte er sich entschuldigt und Sina selbst hatte Linnart für sein Verhalten eine Ohrfeige gegeben. Zuviel Emotionen auf einem Haufen. Durinja war ihr auch nicht so recht sympathisch, nach einem gemeinsamen Gespräch hatte es sich geändert, aber die Szenerie wirkte zu aufgesetzt. Vor allem Linnart. Er stand nur rum und ließ seine Frau weinen? Was war Nachts geschehen und warum war er so passiv? Ihr Gatte in spe schien wegzudösen. Sina weckte ihn mit einem stoß ihres Ellbogens. “Was hältst du davon?” Sie hatte noch einen Gedanken, den sie kontinuierlich verdrängte. So dumm wäre Linnart nicht und Durinja nicht so schlau.
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“Mmmmmh, mich wundert, dass sich der Mersinger auf dieses Spiel eingelassen hat. Gerade er sollte doch wissen, dass Duelle nicht gern gesehen sind, um es mal gelinde auszudrücken. Zumal Durinja nicht satisfaktionsfähig ist, sie wurde ja nicht zur Ritterin ausgebildet. Außerdem finde ich es merkwürdig, dass er noch nicht erschienen ist. Er ist eigentlich ein sehr korrekter Mann und daher zuverlässig und pünktlich.” Nachdenklich schaute er zum Stadttor. “Vielleicht sollte ich mal losgehen und schauen, ob er vielleicht ´aufgehalten´wurde.” Jetzt schaute er zu Durinja, denn auch der Junker hatte die Gerüchte vernommen, die durch die Stadt wehten. Sie passten so gar nicht zu dem Bild, dass er von dem Mersinger hatte, seit die beiden gemeinsam auf der Concabella gereist waren. Unwillkürlich fielen ihm plötzlich Durinjas Worte ein, die sie beim Tanz zu ihm gesprochen hatte: und nun passt mehr auf Eure Schritte auf. Er hatte damals geglaubt, sie würde sich auf seinen ungelenken Tanz beziehen, aber jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Mit dem Hintergrund dieser `Veranstaltung`bekamen diese Worte eine ganz andere Bedeutung, eine warnende Bedeutung im Sinne von: kommt mir nicht in die Quere. Aureus schüttelte den Gedanken wieder ab. Die vergangenen Nächte mit Sina waren lang und ausgiebig gewesen, so dass er vor Müdigkeit kaum klar denken konnte. Er nahm Sinas Hand, küsste sie und fragte: “Was hältst Du davon?”
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“Bleib lieber bei mir. Der Mersinger ist schlau, auch, wenn er skurril ist und sich vor Katzen fürchtet.” Nachdenklich biss sie sich auf die Unterlippe. “Allerdings ist Durinja auch schlau. Ich hätte gestern besser aufpassen sollen, als ich vertrauter mit ihr geredet habe. Welchen Sinn das alles haben soll, verstehe ich auch nicht. Deine Leute passen doch auf unsere Sachen auf, oder? Die ganze Stadt ist abgelenkt. Man könnte das ausnutzen."
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“Welche Leute? Mein Zelt steht noch auf dem Platz neben dem Park und Deine Sachen sind doch im Hotel sicher, oder nicht?”
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“Sie sollten sicher sein. Abgesehen davon habe ich nicht viel dabei. Ich habe nur ein seltsames Gefühl. Kennst du ihre Familie ?”
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“Ich habe Elvan kennen gelernt bei der Jagd von Nilsitz vor ein paar Wochen, aber sonst ist mir das Haus Altenberg ein unbeschriebenes Blatt. Warum fragst Du?”
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“Und Elvan ist in Ordnung. Ich weiß nicht, es ist so ein Gefühl. Sie wirkt berechnend und tut sicher nichts, ohne es zu wollen. Gestern war sie nett zu mir, ich frage mich nur, ob sie mich beeinflussen wollte. Aber, das ist jetzt mein Vorteil, ich bin einfach zu unwichtig.” Sina lächelte.
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“Du bist die einzig wichtige hier”, lächelte Aureus und gab Sina einen Kuss auf die Wange. Er nahm ihre Hand in seine und sprach weiter: “Aber Du hast recht, Durinja müssen wir im Auge behalten.”
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Sina kicherte. „Wollen wir wirklich hier rumstehen? Oh, schau, Lares kommt.“
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Gestern hatte Doratrava noch einen netten Nachmittag mit Cupida verbracht, sie hatte sich nach einer Einführung in die Rosenpflege von der Gärtnerin die Stadt zeigen lassen, aber dabei das Thema "Duell" weitgehend vermieden, da Cupida mit ihrer Neugier offensichtlich nichts anzufangen wusste. Später musste sie sich wieder um den Schrein kümmern, also hatte Doratrava die Zeit genutzt, noch ein wenig am Lilienteich zu verweilen und dort ihre täglichen Übungen zu absolvieren. Niemand hatte sie dort gestört, auch nicht der Teich oder die Weiden selbst.
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Am Abend hatte die Gauklerin sich dann in die nahegelegene Herberge begeben, um sich mit ihren Künsten noch ein wenig Zubrot zu verdienen. Dort hatte sie auch Nordrun getroffen und sich bei dieser ebenfalls nochmals bedankt und von ihr verabschiedet. Und auch Alana, die Ritterin, hatte sich zu ihrer Freude unter die Gäste gemischt. Das hatte ihre Lust zu tanzen nochmals angestachelt, und am Ende waren sie wieder in Alanas Zelt gelandet. Aber diesmal hatte sie wenigstens die halbe Nacht geschlafen.
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Und nun war sie hier. Gestern war Doratrava noch ein wenig unschlüssig gewesen, ob sie nicht Cupida zuliebe dem Duell fernbleiben sollte, aber als sich die Kunde desselben immer weiter verbreitet hatte, was ihr natürlich nicht entgangen war, redeten doch einige Leute im Gasthaus über nichts anderes mehr, hatte sie ihre oder vielmehr Cupidas Bedenken beiseite gewischt. Wenn so viel Volk Interesse zeigte, dann würde es viele Zuschauer geben. Und wo es viele Zuschauer für das Duell gab, gab es auch viele Zuschauer für sie, denn natürlich nutzte sie die Gelegenheit, die Schaulustigen bis zum Beginn des Duells mit Tanz und Akrobatik zu unterhalten und ihr Säckel noch ein wenig mehr zu füllen. Natürlich waren ihre Darbietungen kein Vergleich zu dem, was sie auf der Brautschau gezeigt hatte, aber erstens hatte sie nicht einmal ein Mindestmaß an Vorbereitungszeit gehabt und zweitens wollte sie ja nicht den beiden Streithähnen oder vielmehr dem Streithahn und der Streithenne die Bühne streitig machen. Sie schmunzelte innerlich über ihr gedankliches Wortspiel.
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So präsentierte sich Doratrava heute auch nicht in einem aufreizenden Kleid, sondern in Lederhose mit Schellen an den Fesseln und einem weit geschnittenen, langärmligen weißen Leinenhemd mit einem bunt karierten Streifen, der von der linken Schulter zur Hüfte verlief und von dort auf dem Rücken wieder zur linken Schulter zurück. So hatte sie schon am späten Nachmittag die ersten Neugierigen begrüßt und so hatte sie auch die danach herbei strömenden Leute auf sich aufmerksam gemacht, aber nun, da die verabredete Zeit des Duells gekommen war, beendete sie ihre kleine Vorführung, verbeugte sich vor den Zuschauern, sammelte die Heller und Kreuzer ein, welche nicht in ihrem Sammelbeutel gelandet waren, und stellte sich in die Gruppe der Wartenden, während ihr Blick von Durinja zu Linnart, dann zu den anderen bekannten Gesichtern wanderte. Was diese wohl alle dachten?
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“Die begabteste Gauklerin die ich kenne.” Alanas Stimme war unverkennbar. Die Ritterin aus dem Haus Altenberg stand hinter der zierlichen Doratrava. Heute Abend war sie gerüstet, so wie man es von einer Ritterin erwarten würde. Nur ihren Helm hatte sie nicht auf, doch ihr Schwert gegürtet.
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Erfreut wandte Doratrava sich zu der Kriegerin um und schloss den Beutel sicher. “Nanu, ziehst du in den Krieg?” lächelte die Gauklerin und hakte sich ganz gegen ihre Gewohnheit bei Alana unter. Nach zwei zumindest teilweise zusammen verbrachten Nächten war diese aber auch keine Fremde mehr. “Im Ernst: erwartest du einen Kampf?”
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“Ach, wo denkst du hin. Ich bin nur gebeten worden, falls der Junker meine Verwandte fordern möchte. Du mußt wissen, da sie keine Bewaffnete ist, darf sie ihn nicht fordern, auch wenn sie das als Wettstreit verkleidet hat. Aber sie dürfte eine Vertretung wählen.” Dabei tippte Alana auf ihr Schwert.
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Doratrava machte große Augen. “Du? Du müsstest dann kämpfen? Sollte Durinja nicht ihren Verlobten wählen, wenn sie einen Vertreter braucht?” Musste sie sich nun Sorgen machen? Alana sah durchaus so aus, als könne sie sich ihrer Haut erwehren, auch wenn Lares im Vergleich zu ihr ein junger Hüpfer war. Vielleicht war er beweglicher, aber die Kriegerin war sicher die Erfahrenere. Aber würde sie an sich halten können, wenn Alana ernsthaft in Bedrängnis geraten sollte? Sie konnte doch kaum einfach nur zuschauen, wie man ihre neue Freundin in Stücke schlug. Ihre grasgrünen Augen spiegelten ihre besorgten Gedanken wieder, aber dann schüttelte sie energisch den Kopf und setzte wieder ein Lächeln auf. Alana würde nichts passieren.
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Alana beantwortete Doratravas Lächeln ebenfalls mit einem. Nein, mit einem Waffengang rechnete sie nicht. Durinja war eine Altenbergerin. Und die verabscheuten das Schwert wie Pest und Galle. Dennoch war sie Neugierig, wie der junge Ritter auftreten würde.
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Thankred von Trollpforz kam zu besagtem Duell wie es sich für einen Ritter von Stand gehörte, gerüstet, mit gegürtetem Schwert und hoch zu Ross.
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Der Junker wollte sich das 'Duell' nicht entgehen lassen. Zwar hatte er es ohnehin nicht sonderlich eilig in den Isenhag zurückzukehren und wollte nach dem Ende der Brautschau noch ein wenig der Jagd frönen, bis er gemeinsam mit Sabea- seiner zukünftigen Braut heimkehren würde, doch für ein solches 'Ereignis'- einem aus Eitelkeit geborenen Streit, verzichtete er gern auch darauf auf die Pirsch zu gehen.
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Die große und schwerbusige Sabea  tat es ihrem Verlobten gleich und saß ebenfalls hoch zu Ross. Eigens dafür hatte sie sich den grau-weißen Apfelschimmel, genannt ´Aschefell´, von ihrer Schwester Gelda geliehen. Die wilden, roten Locken wirkten im Schein der Fackeln wie glühendes Feuer und mit bedauernden Blick schaute sie sich ihre Base Durinja an. “Ach, das arme Durinjaschen. Dieser unflätige Junker hätte nicht mal sein Satz beenden können, hätte er meinen Verlobten beleidigen wollen.” Mit einem Seitenblick lächelte sie nun Thankred zu. “Ich bin gespannt, wie die das lösen wollen. Mit diesen dünnen Ärmchen, wird die Arme kein Schwert heben können. Ich frag mich warum dieser Linnart nichts macht.”
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"In der Tat", bestätigte der Junker. "Das dürfte hoch interessant werden.
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Ich habe den Mersinger als sehr impulsiven, wenn nicht sogar hitzköpfigen Mann kennengelernt. Das was man hört haben sich die Parteien des Streits aber in dieser Hinsicht nicht viel gegeben.
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Wer im Recht oder Unrecht ist interessiert mich aber auch nicht sonderlich, um darüber zu Urteilen hätten man bei allen Episoden dabei sein müssen.
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Was mich hingegen neugierig macht ist die Frage, wie alle Beteiligten ohne Gesichtsverlust da herauskommen wollen, ohne großes Blutvergießen meine ich. Und Duell um die Ehre ist für gewöhnlich recht blutig nach meiner Erfahrung, die aber zugegebenermaßen noch nicht sehr groß ist."
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Sabea wirkte nachdenklich. “Bei uns in der Familie wird der Waffengang abgelehnt. Es soll wohl Unglück auf das Haus Altenberg werfen. Deswegen hab ich auch nach den Stützbalken der Schmiede gegriffen und nicht zum Schwert, als die Thorwaler kamen. Hmmmm.” Weiter Grübelnd schaute sie sich den Platz genauer an.
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“Es ist nichts unehrenhaftes daran sich mit den Fäusten zu messen”, auch so kann man einen Streit beilegen, schlug Thankred vor. “Das Problem an der vorliegenden Situation sind die ganzen Menschen, die sich hier versammelt haben. Das Volk erwartet ein Duell, sie wollen Blut sehen und werden enttäuscht sein, wenn es nicht so kommt und schlecht reden werden sie auch.”
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Was für ein Menschenauflauf! Und wie neugierig sie schauten, dabei tuschelnd und schwatzend!
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Ringard versuchte, sich im Hintergrund zu halten, was in der Nähe ihres Verlobten Amiels und damit auch Durinjas gar nicht so einfach war. Wenigstens unterstützte sie ihr dezentes, dunkelgrünes Kleid mit naturfarbenen Seitenstücken, dessen einzige Finesse in seinen ausladenden Schmetterlingsärmeln und seiner rückwärtigen Schnürung bestand und ansonsten weder Einblicke in ihr ohnehin noch wenig üppiges Decolleté noch auf ihr Schuhwerk (heute einfache dunkelbraune Lederschuhe) oder gar Beine gewährte, bei diesem Ansinnen.  Das dunkelblonde Haar der jungen Tannenfelserin lag bis auf zwei schmale, hinter ihrem Haupt zusammenlaufende Schläfenzöpfe offen über ihren Schultern, und betonte ihr durchaus hübsches, aber keinesfalls auffälliges oder gar aufreizendes  Auftreten. Dennoch glaubte sie, die vielen gaffenden Blicke wie Nadelspitzen auf sich zu spüren. Rasch zog sie sich ein wenig hinter Amiel zurück,  dessen üppigere Gestalt ihrer hageren im wachsenden Dunkel des Abends gute Deckung gewährte.
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Wie sehr musste der Mersinger Durinja beleidigt haben, dass diese sich zu einer derartigen Maßnahme gezwungen sah! Aus den Erzählungen konnte sie noch immer nicht genau nachvollziehen,  was geschehen war. Jedenfalls schien alle Welt über den impertinenten Junker aufgebracht. Nur Amiel wirkte überraschenderweise recht gelassen auf sie.  Ringard selbst war aufgeregt - was würde sich hier gleich ereignen? Und wo blieben nur Nivard und Elvrun?
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"Weißt Du, was Durinja genau vor hat?" raunte sie Amiel von hinten ins Ohr, vor Anspannung und Neugier fast platzend.
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“Ich habe keine Ahnung, mein Liebstes. Soweit ich weiß, wird es ein Wettstreit geben. Aber was für einen liegt in der Hand des Mersingers. Ich habe ein paar Sachen mitgebracht.”, flüsterte Amiel ihr zu.
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"Und was genau hast Du dabei?", flüsterte Ringard zurück. Sie wollte zu gerne wissen, auf welche Art von Wettstreit das ganze hinauslaufen würde.
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Irgendwie ging das alles ganz anders vonstatten, als sie sich so etwas ausgemalt hatte - wie in den Büchern,  die sie und die Baroness Befinna sich letzten Winter gegenseitig in der Kemenate zu Burg Fadersberg mit rotglühenden Wangen mal kichernd, mal bangend und oft mit verträumt schmachtendem Blick vorgelesen hatten, und die voll von solchen Geschichten waren, Geschichten von großen Gefühlen und Menschen,  die daran beinahe zerbrachen,  dann aber daran wuchsen, Geschichten von wahrer Liebe und ewiger Feindschaft, von steter Treue und hinterhältigen Verrat und von unbefleckter Ehre und dreckigster Niederträchtigkeit. In diesen hätte Durinja niemals selbst für ihre Ehre streiten müssen, nein, sie hätte noch nicht einmal Satisfaktion fordern müssen.  Dann wäre ihr Verlobter nämlich - wie ein echter Ritter - von sich aus für sie in den Ring gestiegen und hätte dem Mersinger Manieren beigebracht, wenn er denn auch nur halb so unflätig aufgetreten wäre, wie man sich erzählte.
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Obgleich Ringard sich unsicher war, wie viel von den Gerüchten sie glauben durfte, und obwohl sie Durinja nur wenig und den Mersinger gar nicht kannte, gehörte ihre Sympathie ganz der gepeinigten Zofe: zum einen würde diese bald ihre Schwägerin sein, und sie konnte sich kaum vorstellen,  wie ein so lieber Mensch wie Amiel eine ganz andere Schwester haben sollte. Zum anderen war Durinja eine unbewaffnete Frau, noch dazu eine Zofe wie sie im Prinzip auch - selbst wenn man sie dafür in Ambelmund eine Hofdame schimpfen würde - und damit gegenüber einem Ritter und Junker in eindeutig unterlegener Position. Wie konnten all die Mannsbilder hier umhin sie in dieser Lage nur alleine für sich eintreten lassen?
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"Glaubst Du, dass es gefährlich für Durinja werden könnte?" schob sie aufgeregt hinterher, gespannt auf die Antwort selbst, aber auch auf die Reaktion Amiels.
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“Seile, Spielkarten und so Kram.” flüsterte er weiter. Dann griff Amiel nach Ringards Hand. “Keine Sorge, Durinja kann sich ihrer Haut erwehren. Ich hab jeden Kampf mit ihr verloren.” feixte er.
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Jetzt musste Ringard grinsen. "Na, wenn das so ist. Dann muss in Zukunft ja ich Dich beschützen." scherzte sie zurück.
  
 
[[Kategorie:Geschichten]]
 
[[Kategorie:Geschichten]]

Version vom 27. Oktober 2022, 17:21 Uhr

Zeit

10. Rahja 1042 BF

Ort

In der Stadt Herzogenfurt in der Baronie Schweinsfold

Autoren

DanSch, Ambelmund, RekkiThorkarson, StLinnart

Teilnehmer:


Prolog

“Den Götter zum Gruß! Euer Wohlgeboren, Lares von Mersingen. Eine Frau von meinem Stand weiß um ihre eigene Ehre, die ihr uneinsichtig und in aller Öffentlichkeit in den Schmutz gezogen habt. Auch wenn eine Entschuldigung eureseits mit Phexens Stimme gesprochen wurde, war doch die praiosgefällige Ehrlichkeit, die hesindegefällige Einsichtigkeit und die rahjagefällige Leidenschaft nicht vorhanden. Den kaum kam eure Worte über eure Lippen, ging die Ehrbeleidigungen gegen meine Person gleich weiter, auch wenn sie verkleidet waren in den Anschuldigungen gegen meinem Verlobten Venerati Lumini Linnart vom Traurigen Stein. Mir ist bewusst, dass meine Worte in rahja- und rondragefälliger Leidenschaft gesprochen wurden. Doch ist es einer Dame zu verdenken? Das praiosgefällige Recht und das herzögliche Recht stehen auf eurer Seite. Somit werde ich euch nicht zu einer Satisfaktion fordern.

Wenn ihr ein Mann von Ehre seid, wie ihr lauthals behauptet, so würde ich eine öffentliche und ehrliche Entschuldigung als Genugtuung gerne entgegen nehmen. Sollten das gesprochene Wort nicht als standesgemäß empfunden werden, schlage ich euch einen angemessenen Wettstreit vor. Sei es zum Beispiel im Tauchen, Klettern oder Zielwerfen mit dem Messer. Die Wahl liegt bei euch. Seid ihr euch dem allem zu Schade, so ist das euer Recht.

Gebt den Überbringer des Schreibens bescheid, wie ihr euch entscheidet oder seid am 10. Rahja 1042 BF zur Phexstunde am Uhlenturm an den Ufern der Foldenquell und wir bereinigen diese Angelegenheit.

Durinja von Altenberg, zukünftigst Haus ´vom Traurigen Stein´.”

Schreiben an Lares von Mersingen am Abend der Brautschau, Herzogenfurt 8.Rahja 1042 BF

Stadtgespräche

Noch immer lag der frohlockende Sinn der liebholden Liebesgöttin Rahja in der Luft und die Bürger des kleinen Städtchen Herzogenfurt frönten noch immer eine ausgelassene Stimmung. Dieser Tag jedoch, der zehnte Tag des Rahjamondes 1042 nach Bosparans Fall, war erfüllt mit flüsternden Worten, Gelächter und Neugierde. Erst waren es nur wenige Gäste der Altenberger Brautschau, die vor zwei Tagen in Herzogenfurt standfand, die von einer Geschichte am Rande, zwischen einer Zofe und einem Ritter, hörten. Doch dann sprachen Knechte und Mägde darüber und binnen eines Tages war es das Stadtgespräch. So wusste einer der Gärtner im Lilienpark zu berichten, wie der Junker von Mersingen, dem Bannstrahler Linnart vom Traurigen Stein die Verlobte neidete und diese schändlichst beleidigte. Oder die Magd des Hotels konnte erzählen wie die Jungfer Durinja vom Traurigen Stein sich dem Mersinger vom Leibe halten musste, da ihm der Wein und Rahja zu Kopfe gestiegen war. Unter den Hofdamen sprach man davon, das der Junker sich zum ´Retter aller gebrochenen Herzen´ ernannte, ob diese nun wollten oder nicht, und erkor sich die Traurigensteiner aus, als Wurzel allen Übels, um diese zu einem Duell zu fordern. Die Geweihte der gütigen Travia war sich sicher, dass die ehrbare Göttin dem Wüstling strafen würde, für seine verletzenden Worte der Edeldame gegenüber und auch der Wurstmetzger und die Pökelmeisterin konnten nur den Kopf schütteln, über die Selbstgefälligkeit des Grünschnabels von einem Ritter. Welche Wendung diese Geschichte auch bekam, in einem Detail stimmten sie überein: Die Edeldame vom Traurigen Stein und der Ritter von Mersingen sollten sich zur Phexstunde an diesem Tag am Uhlenturm vor den Toren Herzogenfurts treffen, um dieser Geschichte genüge zu tun. Und somit brachen viele Stadtbürger, Edelleute und Gäste auf, dem Zeuge zu sein.

Die Dämmerung war schon über das Land eingebrochen und in einem Wasserlauf würden die Stadttore der Stadt Herzogenfurt in der Baronie Schweinsfold geschlossen. Nur hundert Schritt waren die beiden wuchtigen Zolltürme davon entfernt, die mit ihrer Brücke über den Foldenquell den Handel und die Reise Rahja-Efferdwärtig von Amleth nach Honingen sicherten. Zu Fuße des Uhlenturms, der auf der Seite Herzogenfurt stand, direkt am Ufer des Flusses fand sich eine Traube von Menschen ein, denn hier sollte das Zusammentreffen der beiden Edelleute stattfinden. Im Scheine von einigen Fackeln und Laternen wartete die besagt Jungfer, dessen Namen nun in jederfraus und jedermanns Mund war: Durinja vom Traurigen Stein. Die junge Frau hatte ihr dunkles, langes Haar zu einem Zopf geflochten und trug ein sittsames, hochgeschlossenen und dunkelgraues Hemd, dazu eine dunkle Hose, mit leichten Schnürstiefeln. Blass war ihr hübsches Gesicht, bar jeder Schminke. Einzig alleine ihre zweifarbigen Augen gaben ihr etwas auffälliges, doch jedem war klar, das diese zarte Gestalt sehr an den Schmähungen des Junkers gelitten haben musste. Die leichten Rötungen um Auge und Nase wiesen darauf hin, dass die unschuldig wirkende Edeldame geweint haben musste. Ihr Bruder, ein leicht untersetzter, hübscher Mann stand in ihrer Nähe. Zu seinen Füßen hatte eine sehr große, lederne Tasche und schien leicht abwesend. Auch der besagte Verlobte, der Bannstrahler Linnart vom Traurigen Stein war nicht weit und stand im Scheine einer Fackel. Neugierig wurde sie von den Leuten gemustert, immer wieder den Blick zum Stadttor wandernd, denn der Herausgeforderte war noch immer nicht zu sehen. Besagter Verlobter der Duellantin lehnte entspannt an einer nahen Brüstung. Sein aufmerksamer Blick schweifte über die Anwesenden und die sich ihm bietende Szenerie. ´Was für eine Schmierenkomödie´, dachte er bei sich, versuchte jedoch sich seinen Gemütszustand nicht anmerken zu lassen und neutral zu wirken. Dennoch fühlte er sich dazu genötigt seinen Ornat anzulegen, um halbwegs was her zu machen und die Präsenz der Kirche des Gleißenden zu zeigen. Vielleicht würde das die Anwesenden dazu motivieren die vorherrschenden, gegenseitigen Ressentiments nicht eskalieren zu lassen und hier und heute keine Dummheit zu begehen. Denn auch wenn er von diesem Duell nicht viel hielt - sobald er Durinja in Gefahr wähnte, würde er einschreiten. Verbot von Ehrenhändeln oder dieser nicht nachvollziehbare rondrianische Ehrbegriff in allen Ehren, aber ein Familienmitglied würde er immer verteidigen. So trug der Ritter sein edles, langes Kettenhemd mit der vergoldeten ersten Gliederreihe. Darüber einen weißen Wappenrock mit golden bestickten Säumen und einen schweren Umhang. Gegürtet hätte er ein hochwertiges Langschwert mit vergoldeten Parierstangen. Die güldenen Elemente seines Ornats funkelten im Licht der nahen Fackeln. Linnart blickte auf seine schöne Zukünftige. Was für eine herausragende Schauspielerin sie doch war. Die Anwesenden werden es ihr abnehmen und in Sympathie für die zierliche Hofdame dahinschmelzen - der Bannstrahler wusste es besser. Dennoch ließ er Durinja ihren Auftritt und die damit einhergehende Inszenierung. Sein Blick lag nun auch am Stadttor. Wer weiß würde dieser Mersinger überhaupt erscheinen. Er schien gerne auf phexischen Pfaden zu wandeln und liebte es Menschen hinter ihrem Rücken verbal zu verunglimpfen - die offene Konfrontation schien seine Stärke nicht zu sein.

An einer Hauswand, nicht weit von der sich bietenden Szenerie, lehnte der düstere Marborad und wartete mit leicht amüsierten Gesichtsausdruck auf das, was gleich kommen sollte. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt und stützte sich mit einem Bein an der Wand ab. Zu der hautengen Mi - Parti Hose in Schwarz und Weiß trug er Schnabelschuhe aus braunem Rindsleder und eine dunkelgrüne Schecke mit tiefen Ausschnitt und Mahoîtres. Die Säume waren mit silbernen Stickereien verziert, welche ein Granatapfelmuster zeigten. Unter der Schecke trug er ein weißes Leinenhemd. Sein Haar hatte er zu zwei Zöpfen geflochten, die einen dunkelgrünen Fez umrundeten und im Nacken ineinander gewoben waren. Caligo, sein Rabe, flog krächzend über die Brücke, flog einmal über die wartende Menge und beäugte dabei den Bannstrahler und dessen Verlobte, bevor er sich auf dem Dach des Uhlenturmes niederließ. Lange stand Marborad nicht alleine, denn Gezelda von Ulmentor, erste Hofdame der Baronin von Schweinsfold, gesellte sich zu ihm. Die ältere Frau, wohl schon in ihren Fünfzigern, war noch immer eine herbe Schönheit, der sich sich die Männer jeglichen Alters noch immer umdrehten. Mit einem horasischen Fächer in der Hand lächelte sie dem Höfling zu. “Diese Durinja hat ja ordentliche Arbeit geleistet, das muss man ihr lassen. Die ganze Stadt spricht von ihr … und vor allem schlecht von dem Junker.” raunte sie dem Dachswiesner zu. “Die möchte man wahrlich nicht zum Feind haben. Irgendwie tut mir der Junker sogar ein bisschen Leid. Und das obwohl er so häßlich ist.” Während sie leicht fächerte, lachte sie verhalten, weiter darauf achten, ein Lächeln für die anderen zu behalten. “Wahre Worte, Marborad. Schauen wir, wie er sich so schlägt. Vielleicht hat sie auch zu hoch gespielt. Zumindest weiß ich von zwei Mägden, die sie bezahlt hat … Geschichten zu streuen.” Nun bekam sie ein Funkeln im Gesicht. “Ihr Verlobter ist schon ein Schmuckstück … nur leider auf der falschen Seite.” Der Höfling betrachtete den Bannstrahler und antwortete: “Ich hätte schon Möglichkeiten ihn auf die `richtige`Seite zu bringen”, und grinste, “aber es wäre nur eine Illusion für einen Augenblick. Im Grunde genommen ist es doch auch langweilig, wenn sie es nicht von selbst wollen. Zumindest ein kleines bisschen. Findet Ihr nicht auch?” “In der Tat” Der Blick blitzte kurz über Linnart. “Man hört ja so einiges von den Traurigensteiner. Die sollen Orgien auf ihren Gut feiern. Was hälst du von dem da?” Sie deutete flüchtig auf den Junker Aureus von Altenwein. “Sieht nicht schlecht aus. Scheint mir aber etwas naiv zu sein, glaubt an das Gute im Menschen und so. Das muss keine schlechte Eigenschaft sein, solange man sich nicht übertölpeln lässt. Und irgendwie hat er etwas von einem Hund, treu, neugierig, freut sich über jeden neuen Menschen, den er trifft. - Ich frage mich, ob der auch mit seinem Schwanz wedeln kann? - Allerdings würde ich Euch von ihm abraten. Es liegt ein Schatten auf ihm, er tanzt gerade auf Messers Schneide und Urgroßmutter hat noch nicht entschieden, welchen Weg er nehmen wird. - Orgien hattet Ihr gesagt. Klingt verlockend. Sind die wie unsere Treffen, oder wie darf ich mir das vorstellen?” “Das kann ich wirklich nicht sagen. Aber vielleicht werden wir eines Tages eingeladen.”fast herausfordernd hörten sich ihre Worte an. “Das klingt ja so, als wolltet Ihr ein Spiel daraus machen…” Frech grinste er sie an. “Wer weiß, wer weiß.” war ihre knappe, doch verschwörerische Antwort. “Also gut. Ich nehme an. Worum wollen wir wetten?” Marborad war sich der Tatsache bewußt, dass er der ersten Hofdame unterlegen war, aber sie war wie eine Katze und diese spielten gerne. Warum sollte er ihr nicht eine kleine Freude machen. Leicht machen würde er es ihr jedenfalls nicht. “Ich schlage folgendes vor: wer von uns beiden zuerst eine Einladung erhält, hat gewonnen, nimmt aber den Verlierer mit. Der Verlierer hingegen spendiert dem Gewinner eine Flasche des seltenen, aber köstlichen Altenweiner Firunsodem. Na, was sagt Ihr?” “Abgemacht”, gurrte sie ihm entgegen.

Sina gähnte, die letzten Nächte und Tage waren zu kurz oder zu aufregend gewesen. So recht wusste sie auch nicht, was sie von dem Spektakel halten sollte. Mit Lares hatte sie nicht viel gesprochen, sympathisch war er ihr nicht, aber trotzdem machte er nicht den Eindruck, unbesonnen und ungerecht zu sein. Sicher hatte er sich entschuldigt und Sina selbst hatte Linnart für sein Verhalten eine Ohrfeige gegeben. Zuviel Emotionen auf einem Haufen. Durinja war ihr auch nicht so recht sympathisch, nach einem gemeinsamen Gespräch hatte es sich geändert, aber die Szenerie wirkte zu aufgesetzt. Vor allem Linnart. Er stand nur rum und ließ seine Frau weinen? Was war Nachts geschehen und warum war er so passiv? Ihr Gatte in spe schien wegzudösen. Sina weckte ihn mit einem stoß ihres Ellbogens. “Was hältst du davon?” Sie hatte noch einen Gedanken, den sie kontinuierlich verdrängte. So dumm wäre Linnart nicht und Durinja nicht so schlau. “Mmmmmh, mich wundert, dass sich der Mersinger auf dieses Spiel eingelassen hat. Gerade er sollte doch wissen, dass Duelle nicht gern gesehen sind, um es mal gelinde auszudrücken. Zumal Durinja nicht satisfaktionsfähig ist, sie wurde ja nicht zur Ritterin ausgebildet. Außerdem finde ich es merkwürdig, dass er noch nicht erschienen ist. Er ist eigentlich ein sehr korrekter Mann und daher zuverlässig und pünktlich.” Nachdenklich schaute er zum Stadttor. “Vielleicht sollte ich mal losgehen und schauen, ob er vielleicht ´aufgehalten´wurde.” Jetzt schaute er zu Durinja, denn auch der Junker hatte die Gerüchte vernommen, die durch die Stadt wehten. Sie passten so gar nicht zu dem Bild, dass er von dem Mersinger hatte, seit die beiden gemeinsam auf der Concabella gereist waren. Unwillkürlich fielen ihm plötzlich Durinjas Worte ein, die sie beim Tanz zu ihm gesprochen hatte: und nun passt mehr auf Eure Schritte auf. Er hatte damals geglaubt, sie würde sich auf seinen ungelenken Tanz beziehen, aber jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Mit dem Hintergrund dieser `Veranstaltung`bekamen diese Worte eine ganz andere Bedeutung, eine warnende Bedeutung im Sinne von: kommt mir nicht in die Quere. Aureus schüttelte den Gedanken wieder ab. Die vergangenen Nächte mit Sina waren lang und ausgiebig gewesen, so dass er vor Müdigkeit kaum klar denken konnte. Er nahm Sinas Hand, küsste sie und fragte: “Was hältst Du davon?” “Bleib lieber bei mir. Der Mersinger ist schlau, auch, wenn er skurril ist und sich vor Katzen fürchtet.” Nachdenklich biss sie sich auf die Unterlippe. “Allerdings ist Durinja auch schlau. Ich hätte gestern besser aufpassen sollen, als ich vertrauter mit ihr geredet habe. Welchen Sinn das alles haben soll, verstehe ich auch nicht. Deine Leute passen doch auf unsere Sachen auf, oder? Die ganze Stadt ist abgelenkt. Man könnte das ausnutzen." “Welche Leute? Mein Zelt steht noch auf dem Platz neben dem Park und Deine Sachen sind doch im Hotel sicher, oder nicht?” “Sie sollten sicher sein. Abgesehen davon habe ich nicht viel dabei. Ich habe nur ein seltsames Gefühl. Kennst du ihre Familie ?” “Ich habe Elvan kennen gelernt bei der Jagd von Nilsitz vor ein paar Wochen, aber sonst ist mir das Haus Altenberg ein unbeschriebenes Blatt. Warum fragst Du?” “Und Elvan ist in Ordnung. Ich weiß nicht, es ist so ein Gefühl. Sie wirkt berechnend und tut sicher nichts, ohne es zu wollen. Gestern war sie nett zu mir, ich frage mich nur, ob sie mich beeinflussen wollte. Aber, das ist jetzt mein Vorteil, ich bin einfach zu unwichtig.” Sina lächelte. “Du bist die einzig wichtige hier”, lächelte Aureus und gab Sina einen Kuss auf die Wange. Er nahm ihre Hand in seine und sprach weiter: “Aber Du hast recht, Durinja müssen wir im Auge behalten.” Sina kicherte. „Wollen wir wirklich hier rumstehen? Oh, schau, Lares kommt.“

Gestern hatte Doratrava noch einen netten Nachmittag mit Cupida verbracht, sie hatte sich nach einer Einführung in die Rosenpflege von der Gärtnerin die Stadt zeigen lassen, aber dabei das Thema "Duell" weitgehend vermieden, da Cupida mit ihrer Neugier offensichtlich nichts anzufangen wusste. Später musste sie sich wieder um den Schrein kümmern, also hatte Doratrava die Zeit genutzt, noch ein wenig am Lilienteich zu verweilen und dort ihre täglichen Übungen zu absolvieren. Niemand hatte sie dort gestört, auch nicht der Teich oder die Weiden selbst. Am Abend hatte die Gauklerin sich dann in die nahegelegene Herberge begeben, um sich mit ihren Künsten noch ein wenig Zubrot zu verdienen. Dort hatte sie auch Nordrun getroffen und sich bei dieser ebenfalls nochmals bedankt und von ihr verabschiedet. Und auch Alana, die Ritterin, hatte sich zu ihrer Freude unter die Gäste gemischt. Das hatte ihre Lust zu tanzen nochmals angestachelt, und am Ende waren sie wieder in Alanas Zelt gelandet. Aber diesmal hatte sie wenigstens die halbe Nacht geschlafen. Und nun war sie hier. Gestern war Doratrava noch ein wenig unschlüssig gewesen, ob sie nicht Cupida zuliebe dem Duell fernbleiben sollte, aber als sich die Kunde desselben immer weiter verbreitet hatte, was ihr natürlich nicht entgangen war, redeten doch einige Leute im Gasthaus über nichts anderes mehr, hatte sie ihre oder vielmehr Cupidas Bedenken beiseite gewischt. Wenn so viel Volk Interesse zeigte, dann würde es viele Zuschauer geben. Und wo es viele Zuschauer für das Duell gab, gab es auch viele Zuschauer für sie, denn natürlich nutzte sie die Gelegenheit, die Schaulustigen bis zum Beginn des Duells mit Tanz und Akrobatik zu unterhalten und ihr Säckel noch ein wenig mehr zu füllen. Natürlich waren ihre Darbietungen kein Vergleich zu dem, was sie auf der Brautschau gezeigt hatte, aber erstens hatte sie nicht einmal ein Mindestmaß an Vorbereitungszeit gehabt und zweitens wollte sie ja nicht den beiden Streithähnen oder vielmehr dem Streithahn und der Streithenne die Bühne streitig machen. Sie schmunzelte innerlich über ihr gedankliches Wortspiel. So präsentierte sich Doratrava heute auch nicht in einem aufreizenden Kleid, sondern in Lederhose mit Schellen an den Fesseln und einem weit geschnittenen, langärmligen weißen Leinenhemd mit einem bunt karierten Streifen, der von der linken Schulter zur Hüfte verlief und von dort auf dem Rücken wieder zur linken Schulter zurück. So hatte sie schon am späten Nachmittag die ersten Neugierigen begrüßt und so hatte sie auch die danach herbei strömenden Leute auf sich aufmerksam gemacht, aber nun, da die verabredete Zeit des Duells gekommen war, beendete sie ihre kleine Vorführung, verbeugte sich vor den Zuschauern, sammelte die Heller und Kreuzer ein, welche nicht in ihrem Sammelbeutel gelandet waren, und stellte sich in die Gruppe der Wartenden, während ihr Blick von Durinja zu Linnart, dann zu den anderen bekannten Gesichtern wanderte. Was diese wohl alle dachten? “Die begabteste Gauklerin die ich kenne.” Alanas Stimme war unverkennbar. Die Ritterin aus dem Haus Altenberg stand hinter der zierlichen Doratrava. Heute Abend war sie gerüstet, so wie man es von einer Ritterin erwarten würde. Nur ihren Helm hatte sie nicht auf, doch ihr Schwert gegürtet. Erfreut wandte Doratrava sich zu der Kriegerin um und schloss den Beutel sicher. “Nanu, ziehst du in den Krieg?” lächelte die Gauklerin und hakte sich ganz gegen ihre Gewohnheit bei Alana unter. Nach zwei zumindest teilweise zusammen verbrachten Nächten war diese aber auch keine Fremde mehr. “Im Ernst: erwartest du einen Kampf?” “Ach, wo denkst du hin. Ich bin nur gebeten worden, falls der Junker meine Verwandte fordern möchte. Du mußt wissen, da sie keine Bewaffnete ist, darf sie ihn nicht fordern, auch wenn sie das als Wettstreit verkleidet hat. Aber sie dürfte eine Vertretung wählen.” Dabei tippte Alana auf ihr Schwert. Doratrava machte große Augen. “Du? Du müsstest dann kämpfen? Sollte Durinja nicht ihren Verlobten wählen, wenn sie einen Vertreter braucht?” Musste sie sich nun Sorgen machen? Alana sah durchaus so aus, als könne sie sich ihrer Haut erwehren, auch wenn Lares im Vergleich zu ihr ein junger Hüpfer war. Vielleicht war er beweglicher, aber die Kriegerin war sicher die Erfahrenere. Aber würde sie an sich halten können, wenn Alana ernsthaft in Bedrängnis geraten sollte? Sie konnte doch kaum einfach nur zuschauen, wie man ihre neue Freundin in Stücke schlug. Ihre grasgrünen Augen spiegelten ihre besorgten Gedanken wieder, aber dann schüttelte sie energisch den Kopf und setzte wieder ein Lächeln auf. Alana würde nichts passieren. Alana beantwortete Doratravas Lächeln ebenfalls mit einem. Nein, mit einem Waffengang rechnete sie nicht. Durinja war eine Altenbergerin. Und die verabscheuten das Schwert wie Pest und Galle. Dennoch war sie Neugierig, wie der junge Ritter auftreten würde.

Thankred von Trollpforz kam zu besagtem Duell wie es sich für einen Ritter von Stand gehörte, gerüstet, mit gegürtetem Schwert und hoch zu Ross. Der Junker wollte sich das 'Duell' nicht entgehen lassen. Zwar hatte er es ohnehin nicht sonderlich eilig in den Isenhag zurückzukehren und wollte nach dem Ende der Brautschau noch ein wenig der Jagd frönen, bis er gemeinsam mit Sabea- seiner zukünftigen Braut heimkehren würde, doch für ein solches 'Ereignis'- einem aus Eitelkeit geborenen Streit, verzichtete er gern auch darauf auf die Pirsch zu gehen. Die große und schwerbusige Sabea tat es ihrem Verlobten gleich und saß ebenfalls hoch zu Ross. Eigens dafür hatte sie sich den grau-weißen Apfelschimmel, genannt ´Aschefell´, von ihrer Schwester Gelda geliehen. Die wilden, roten Locken wirkten im Schein der Fackeln wie glühendes Feuer und mit bedauernden Blick schaute sie sich ihre Base Durinja an. “Ach, das arme Durinjaschen. Dieser unflätige Junker hätte nicht mal sein Satz beenden können, hätte er meinen Verlobten beleidigen wollen.” Mit einem Seitenblick lächelte sie nun Thankred zu. “Ich bin gespannt, wie die das lösen wollen. Mit diesen dünnen Ärmchen, wird die Arme kein Schwert heben können. Ich frag mich warum dieser Linnart nichts macht.” "In der Tat", bestätigte der Junker. "Das dürfte hoch interessant werden. Ich habe den Mersinger als sehr impulsiven, wenn nicht sogar hitzköpfigen Mann kennengelernt. Das was man hört haben sich die Parteien des Streits aber in dieser Hinsicht nicht viel gegeben. Wer im Recht oder Unrecht ist interessiert mich aber auch nicht sonderlich, um darüber zu Urteilen hätten man bei allen Episoden dabei sein müssen. Was mich hingegen neugierig macht ist die Frage, wie alle Beteiligten ohne Gesichtsverlust da herauskommen wollen, ohne großes Blutvergießen meine ich. Und Duell um die Ehre ist für gewöhnlich recht blutig nach meiner Erfahrung, die aber zugegebenermaßen noch nicht sehr groß ist." Sabea wirkte nachdenklich. “Bei uns in der Familie wird der Waffengang abgelehnt. Es soll wohl Unglück auf das Haus Altenberg werfen. Deswegen hab ich auch nach den Stützbalken der Schmiede gegriffen und nicht zum Schwert, als die Thorwaler kamen. Hmmmm.” Weiter Grübelnd schaute sie sich den Platz genauer an. “Es ist nichts unehrenhaftes daran sich mit den Fäusten zu messen”, auch so kann man einen Streit beilegen, schlug Thankred vor. “Das Problem an der vorliegenden Situation sind die ganzen Menschen, die sich hier versammelt haben. Das Volk erwartet ein Duell, sie wollen Blut sehen und werden enttäuscht sein, wenn es nicht so kommt und schlecht reden werden sie auch.”

Was für ein Menschenauflauf! Und wie neugierig sie schauten, dabei tuschelnd und schwatzend! Ringard versuchte, sich im Hintergrund zu halten, was in der Nähe ihres Verlobten Amiels und damit auch Durinjas gar nicht so einfach war. Wenigstens unterstützte sie ihr dezentes, dunkelgrünes Kleid mit naturfarbenen Seitenstücken, dessen einzige Finesse in seinen ausladenden Schmetterlingsärmeln und seiner rückwärtigen Schnürung bestand und ansonsten weder Einblicke in ihr ohnehin noch wenig üppiges Decolleté noch auf ihr Schuhwerk (heute einfache dunkelbraune Lederschuhe) oder gar Beine gewährte, bei diesem Ansinnen. Das dunkelblonde Haar der jungen Tannenfelserin lag bis auf zwei schmale, hinter ihrem Haupt zusammenlaufende Schläfenzöpfe offen über ihren Schultern, und betonte ihr durchaus hübsches, aber keinesfalls auffälliges oder gar aufreizendes Auftreten. Dennoch glaubte sie, die vielen gaffenden Blicke wie Nadelspitzen auf sich zu spüren. Rasch zog sie sich ein wenig hinter Amiel zurück, dessen üppigere Gestalt ihrer hageren im wachsenden Dunkel des Abends gute Deckung gewährte. Wie sehr musste der Mersinger Durinja beleidigt haben, dass diese sich zu einer derartigen Maßnahme gezwungen sah! Aus den Erzählungen konnte sie noch immer nicht genau nachvollziehen, was geschehen war. Jedenfalls schien alle Welt über den impertinenten Junker aufgebracht. Nur Amiel wirkte überraschenderweise recht gelassen auf sie. Ringard selbst war aufgeregt - was würde sich hier gleich ereignen? Und wo blieben nur Nivard und Elvrun? "Weißt Du, was Durinja genau vor hat?" raunte sie Amiel von hinten ins Ohr, vor Anspannung und Neugier fast platzend. “Ich habe keine Ahnung, mein Liebstes. Soweit ich weiß, wird es ein Wettstreit geben. Aber was für einen liegt in der Hand des Mersingers. Ich habe ein paar Sachen mitgebracht.”, flüsterte Amiel ihr zu. "Und was genau hast Du dabei?", flüsterte Ringard zurück. Sie wollte zu gerne wissen, auf welche Art von Wettstreit das ganze hinauslaufen würde. Irgendwie ging das alles ganz anders vonstatten, als sie sich so etwas ausgemalt hatte - wie in den Büchern, die sie und die Baroness Befinna sich letzten Winter gegenseitig in der Kemenate zu Burg Fadersberg mit rotglühenden Wangen mal kichernd, mal bangend und oft mit verträumt schmachtendem Blick vorgelesen hatten, und die voll von solchen Geschichten waren, Geschichten von großen Gefühlen und Menschen, die daran beinahe zerbrachen, dann aber daran wuchsen, Geschichten von wahrer Liebe und ewiger Feindschaft, von steter Treue und hinterhältigen Verrat und von unbefleckter Ehre und dreckigster Niederträchtigkeit. In diesen hätte Durinja niemals selbst für ihre Ehre streiten müssen, nein, sie hätte noch nicht einmal Satisfaktion fordern müssen. Dann wäre ihr Verlobter nämlich - wie ein echter Ritter - von sich aus für sie in den Ring gestiegen und hätte dem Mersinger Manieren beigebracht, wenn er denn auch nur halb so unflätig aufgetreten wäre, wie man sich erzählte. Obgleich Ringard sich unsicher war, wie viel von den Gerüchten sie glauben durfte, und obwohl sie Durinja nur wenig und den Mersinger gar nicht kannte, gehörte ihre Sympathie ganz der gepeinigten Zofe: zum einen würde diese bald ihre Schwägerin sein, und sie konnte sich kaum vorstellen, wie ein so lieber Mensch wie Amiel eine ganz andere Schwester haben sollte. Zum anderen war Durinja eine unbewaffnete Frau, noch dazu eine Zofe wie sie im Prinzip auch - selbst wenn man sie dafür in Ambelmund eine Hofdame schimpfen würde - und damit gegenüber einem Ritter und Junker in eindeutig unterlegener Position. Wie konnten all die Mannsbilder hier umhin sie in dieser Lage nur alleine für sich eintreten lassen? "Glaubst Du, dass es gefährlich für Durinja werden könnte?" schob sie aufgeregt hinterher, gespannt auf die Antwort selbst, aber auch auf die Reaktion Amiels. “Seile, Spielkarten und so Kram.” flüsterte er weiter. Dann griff Amiel nach Ringards Hand. “Keine Sorge, Durinja kann sich ihrer Haut erwehren. Ich hab jeden Kampf mit ihr verloren.” feixte er. Jetzt musste Ringard grinsen. "Na, wenn das so ist. Dann muss in Zukunft ja ich Dich beschützen." scherzte sie zurück.