Folgen einer Nacht - Kalterbaum und Weissenquell

Folgen einer Nacht

Aus einer ungewollten Nacht auf der Hochzeit In Schweinsfold ist eine Geschichte mit Folgen geworden. Das Verhältnis zwischen Tsalinde von Kalterbaum und dem Haus Weissenquell wird in mehreren Episoden und Briefwechseln dargestellt.

Vorgeschichte

Auf der Hochzeit in Schweinsfold hatten Tsalinde von Kalterbaum und Gudekar von Weissenquell eine kurze Affäre. Man kannte sich bereits vorher durch eine Reihe von Ereignissen, zu denen man gemeinsam mit weiteren Gefährten aus Albenhus ermittelt hat. Doch an jenem Abend gab es – beeinflusst durch einen Feenzauber – ein engeres, ungeplantes Zusammenkommen.


Zu weiteren Ermittlungen traf man sich zum Lichterfest am 1. FIR 1043 in Liepenstein. Dort wurde eine alte, verlassene Burgruine entdeckt, in deren Verließen eine Kammer mit hoher astraler Wirkung entdeckt wurde. Diese astrale Kraft zog Gudekar in ihren Bann. Tsalinde versuchte, den Magier wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, indem sie ihm offenbarte, dass sie sein Kind in ihrem Bauch trug.

Wiedersehen in Liepenstein

Ein magisches Vergnügen

Setting

Personen

In der Ruine

Endlich haben wir wohl alle Fallen hinter uns gelassen, denn wir erreichen nun einen nicht sehr großen Raum, auch unsere Lichtquellen funktionieren wieder. Darin befindet sich ein Stein von Tischgröße, außerdem stellt etwas direkt unter ihnen den Magiern die Haare auf und lässt bei ihnen alles kribbeln. Wir anderen bemerken davon zunächst nichts.

„Hätte ich doch bloß Antimagie gelernt“, beschwert sich Adelchis, dem sichtlich unwohl ist.

„Spürt ihr das auch?“, fragt Gudekar dagegen uns andere. Wir wissen natürlich nicht, wovon er redet, daraufhin beschreibt er uns seine Empfindungen. Aber alle Nichtmagier bestätigen, dass sie nichts spüren, was mich irgendwie beruhigt.

Tsalinde hat ganz verheulte Augen, sie ist ja fast noch mehr mitgenommen als ich mich fühle. Sie sinkt an einer Wand nieder und ist offenbar völlig fertig. Sie sagt auch, dass sie das alles hier furchtbar findet und Angst hat, aber ich glaube, die haben wir alle. Ich versuche, ihre Hilfe von vorhin zu vergelten und sie zu trösten, indem ich mich neben sie setze und sie umarme.

Die Magier vermeinen, dass ihr seltsames Gefühl stärker wird. Eigentlich kann das nur irgendeine magische Strömung sein, die unter ihnen durch den Fels fließt und so stark ist, dass sie diese ohne zaubern zu müssen bemerken. Adelchis äußert die Vermutung, dass hier die Quelle der Kraft sein könnte, die es ermöglicht hat, den Drachen zu versteinern.

Der Tisch weist auf der Oberseite eine Mulde auf, die wie geschaffen für ein Drachenei sein könnte. Von der Mulde aus führen Rillen nach außen. Ob das eine Art Ritualplatz ist?

„Hat sich hier jemand an der zwölfgöttlichen Ordnung vergangen?“, fragt Lares mit deutlicher Missbilligung in der Stimme.

„Wie kommt Ihr darauf?“, will Eoban wissen.

„Das sieht mir so aus, als ob … man ein Opfer dargebracht hätte.“

„Wie kommt Ihr darauf?“, wiederholt Eoban.

„Seht Ihr das nicht?“, ereifert sich Lares. „Der große Block mit dem Loch, da könnte man einen Kopf hineinstecken!“

Adelchis tritt näher, kann aber keine Rückstände von Blut oder ähnlichem auf dem Stein entdecken. Überhaupt gibt es hier auch kaum Staub, aber das könnte einfach daran liegen, dass dieser Raum so abgeschlossen von der Umgebung ist. Dadurch kann man auch nicht sagen, ob hier jemand außer uns in letzter Zeit war.

Die Magier werden sich bewusst, dass dieses Gefühl der magischen Kraft überaus angenehm ist, dass sie das Gefühl haben, hier wären ihnen keine Grenzen gesetzt. Adelchis steigt dieses Gefühl bereits zu Kopf, zumindest sieht er ein wenig aus, als sei er im Drogenrausch, wie ich finde. Mir wird ganz mulmig zumute.

Die Magier vermuten, dass unter ihnen ein Knotenpunkt von Kraftlinien liegt, der diesen Effekt hervorruft. Was wohl passieren würde, brütete man hier ein Drachenei aus?

Auf den Wänden des Raumes ist die Drachengeschichte in Form von Reliefs verewigt, sehr ähnlich, wie es die Bilder im Herrenhaus zeigten. Sie legen aber auch nahe, dass der Besieger des Drachen das Drachenei irgendwo verwahrt hat. Möglicherweise genau hier.

Vielleicht ist der Drache ja geschlüpft, wurde groß und hat dann die Burg zerstört, spekuliert Lares. Witta äußert nochmals, dass dieser Raum der perfekte Ritualplatz wäre, Eoban und Lares stimmen dem zu. Bei genaueren Hinsehen ist die Mulde im Stein schon eher für ein großes Drachenei gedacht, das aufrecht hineingestellt wird. Ein menschlicher Kopf würde die Mulde gar nicht ausfüllen.

Tsalinde meint, ob es nicht viel zu aufwendig wäre, nur wegen eines einzelnen Dracheneis so einen Raum zu konstruieren. Gudekar widerspricht, er hält es durchaus für sinnvoll, so etwas Wertvolles sicher und von Fallen geschützt zu verwahren. „Das stimmt“, gibt Tsalinde zu, „aber wo ist das Drachenei jetzt? Wirklich ausgebrütet?“

„Vielleicht?“, gibt Gudekar zurück.

Meine Gefährten diskutieren hin und her, wozu der Raum hier alles gut sein könnte. Tsalinde meint, hier wäre der ideale Ort, um „den Stein“ (damit meint sie bestimmt das Herz der Nordmarken) wieder zusammenzusetzen. Witta wirft ein, es wäre ebenfalls der richtige Ort, um Marbulf als letztes Opfer umzubringen. Oder um Dämonen zu beschwören, ergänzt Lares.

Im Übrigen ist hier Schluss, es führt kein Weg aus diesem Raum heraus außer dem, durch den wir gekommen sind. Zumindest kein offensichtlicher.

Die Magier werden zunehmend entrückt, ihre Hemmungen schwinden offensichtlich, wie sich zeigt, als Adelchis unvermittelt einen Feuerstrahl gegen die Wand schleudert. „Das wollte ich schon immer tun!“, schreit er dazu, fast höre ich schon irres Gelächter. Erschreckt zucke ich zusammen und halte schützend die Arme über meinen Kopf, nachdem ich Tsalinde in Deckung gezogen habe.

Auch Gudekar lässt nun alle Vorsicht und Zurückhaltung fahren. Auch er spricht irgendetwas, dann brechen Steinbrocken aus der Wand und Splitter fliegen umher.

Adelchis umarmt Gudekar vor lauter Glücksgefühl. Dann machen sie sie gerade weiter mit ihrer wilden, ungezügelten Zauberei. Ich schreie sie an, sie sollen aufhören, aber sie hören einfach nicht.

„Adelchis, Ihr habt sie nicht mehr alle! Ihr seid völlig dem Wahnsinn verfallen!“, schreit nun auch Tsalinde. „Wollt Ihr, dass alles über uns einstürzt? Seid Ihr denn verrückt geworden?“

Witta bleibt relativ ruhig in dem ganzen Chaos und schüttelt nur den Kopf, während Adelchis irgendwie hungrig von einem zur anderen sieht. Lares macht dagegen Anstalten, Adelchis anzuspringen. Gudekar sieht das und ruft: „PARALÜ PARALEIN!“ Erstarrt und zu keiner Bewegung mehr fähig stürzt Lares zu Boden.

Witta macht zwar einen Schritt nach vorne, als wolle sie Lares auffangen, kommt aber zu spät. Sie sieht jetzt nicht mehr ganz so ruhig und deutlich missbilligend aus. „Der Raum ist nicht gut für uns!“, ruft sie laut. Eoban ist völlig fassungslos und offenbar ganz ohne Zauber zu keiner Handlung fähig.

In Gudekars Augen beginnt der Wahnsinn zu glitzern. Ich richte mich auf, um ihn anzuspringen. „Herr von Weissenquell, seid Ihr des Wahnsinns?“, spricht es Witta direkt aus, auch Eoban schüttelt seine Lethargie ab und tritt auf den Magier zu. Doch da zeigt Adelchis auf ihn, ich höre so etwas wie „Imperavi!“, und Eoban verharrt im Schritt.

Ich werfe mich auf Gudekar, doch der verschwindet plötzlich und taucht in einer anderen Ecke des Raumes wieder auf, so dass ich mit voller Kraft gegen die Steinwand knalle. Mit einem Aufschrei sinke ich zu Boden.

Alle Aufrufe zur Vernunft zeigen bei den Magiern keine Wirkung. Witta geht zu Tsalinde und meint, sie sollten wohl am besten den Raum verlassen. Die Gelehrte stimmt dem vorbehaltlos zu.

Gudekar macht sich derweil durchsichtig, Adelchis bläst Tsalinde auf, wie er es bei Kobolden gesehen hat. Tsalinde wird nun von Verzweiflung übermannt und ruft: „Gudekar, wie könnt ihr unserem Kind das antun?“ Ich höre das zwar, bin aber noch viel zu benommen, um daraus irgendwelche Schlüsse zu ziehen.

Gudekar wird unmittelbar wieder sichtbar und sieht völlig erstarrt zu Tsalinde hinüber. Witta schaut ihn seltsam an, nutzt aber die Gelegenheit, um ihn aufzufordern, seinen Wahnsinn hinter sich zu lassen und Lares wieder zu entsteinern. Tatsächlich folgt Gudekar ihrer Aufforderung und hebt den Zauber auf Lares auf, aber erst, nachdem er Tsalinde eine ganze Weile angestarrt hat und dann zu Boden gesunken ist.

Adelchis sieht nun ein wenig unschlüssig aus, er ist durch Gudekars Handlungen aus seinem Hochgefühl gerissen worden. „Tsalinde, was … ?“ stammelt dieser, verstummt dann aber wieder.

Adelchis verwandelt sich in eine Spinne und krabbelt die Wand hoch, während ich aus dem Raum flüchte, da mir die Situation zu verworren ist und die Magier immer noch zu wahnsinnig. Draußen stolpere ich leider wieder in die Zone der Orientierungslosigkeit. Rückwärts begebe ich mich durch diese hindurch, verharre dann aber schwer atmend, um mich zu sammeln.

Eoban ist unschlüssig, Lares rappelt sich wieder auf und schaut hin und her. Dann sagt er plötzlich fragend: „Glückwunsch?“

Eoban ignoriert das und tut kund, dass sie nun den Raum verlassen sollten. „Kommt Ihr mit, Gudekar?“, fragt er den immer noch völlig erschüttert dasitzenden Magier. „Ihr könntet doch einfach ein Loch in die Decke sprengen.“

Doch Lares nimmt Gudekar nun an der Hand und führt ihn aus dem Raum, was dieser nahezu willenlos mit sich geschehen lässt. „Das kann nicht sein … das darf nicht sein …“, murmelt er dabei vor sich hin.

Die beiden arbeiten sich auch rückwärts durch die orientierungslose Zone und treffen danach auf mich. Ich zucke erst einmal zusammen, als ich sie höre, vor allem Gudekar. Instinktiv strecke ich abwehrend die Arme aus. „Alles gut“, beruhigt mich Lares. Außer, dass bei uns völlig finster ist.

Adelchis verwandelt sich zurück, und dann sprengt er die Decke, aber so, dass der Raum nicht einstürzt. Wir hören das auch, denn der Lärm ist mörderisch. „Adelchis, hört auf!“, ruft jetzt sogar Gudekar, aber vermutlich sind wir schon zu weit weg, als dass er es hört.

Adelchis bläst sich nun selbst auf und fliegt durch das selbst geschaffene Loch nach draußen.

Wir anderen können nicht fliegen und müssen daher die Fallen in umgekehrter Richtung nochmals überwinden, um dann auf konventionellem Wege in den Burghof aufzusteigen. Unsere Waffen müssen wir zurücklassen.

Gespräche in der Nacht

Setting

Vater und Sohn, Part I

Personen:

Das Gespräch

1. Firun 1043 B.F., Nachts im Gasthaus von Poluik, nachdem nach den Untersuchungen des Tatorts als ein Teil der Gruppe dort zur Nachtruhe angekommen ist.

Gudekar stand am Fenster seines Zimmers und beobachtete regungslos das Schneetreiben vor seinem Fenster, als es an seiner Tür klopfte. Er reagierte nicht, Doch nach dreimaligem Klopfen ohne Antwort öffnete sich die Tür vorsichtig. Er hatte vergessen, seine Tür zu verriegeln. Ein heller Lichtschein fiel vom Flur in das ansonsten dunkle Zimmer. “Gudekar?” hörte er die Stimme seines Vaters.

“Herr Vater? Seid Ihr es?” fragte der Magier, als ob er es nicht wüsste.

“Ja, mein Sohn! Darf ich eintreten?”

“Kann ich euch davon abhalten, Euer Wohlgeboren?”

Friedewald lachte leicht, doch war es eher ein gequältes Lachen. “Nein, mein Sohn, nicht wirklich.” Er trat ein, schloss die Tür und entzündete mit der mitgebrachten Kerze den Leuchter auf dem Tisch. Dann stellte er eine Flasche ab, die in der Hand hielt. “Komm her, mein Junge, setz dich und trink mit mir.” Er nahm zwei der Becher, die zusammen mit einer Karaffe Wasser bereit gestellt worden waren. Doch Friedewald goß aus der Flasche, die er selbst mitgebracht hatte eine grüne Flüssigkeit ein. “Schau, ich habe in meinem Reisegepäck noch eine Flasche Albenhuser gefunden.”

Gudekar tat, wie ihm gehießen, und setzte sich zu seinem Vater an den Tisch.

“Gudekar, ich glaube, du hast mir einiges zu erklären.” Sein Sohn wollte gerade tief Luft holen, um wieder aufzustehen und lautstark zu protestieren, da sprach Friedewald jedoch schon weiter. “Wir sind nicht hierher zu Herrn Eoban gereist, um ein Fest zu feiern und einen Hirschen zu jagen, hab ich recht? Da steckt etwas bedeutenderes dahinter. Erzähl mir, was dich und Eoban, den Freund deines Bruders, zusammengeführt hat und was Euch hier umtreibt!”

Gudekar setzte sich wieder und leerte den Becher in einem Zug. Während er still da saß, um seine Gedanken zu sammeln, goss ihm sein Vater nach, doch Gudekar rührte den Becher nicht mehr an. „Vater, ihr habt von den Ereignissen während des Flussfests gehört?“

„Du meinst die Prophezeiung des Flussvolks, die entlang des großen Flusses und auch an den Nebenläufen allerorts zu vernehmen war? Ja selbstverständlich! Obwohl bei uns keine Erscheinung war, aber der Lützelbach ist wohl zu klein und trug zu der Zeit nach der Trockenheit des Sommers zu wenig Wasser, als dass sich das Flussvolk bis nach Lützeltal verirrt hätte.“

„Genau, das meine ich. Nun, ich wurde von meinem Abt beauftragt, mich der gräflichen Ermittlergruppe anzuschließen, die die Bedeutung der Prohezeihung entschlüsseln sollte, was uns auch zum Teil gelang. Genaueres kann und möchte ich Euch nicht verraten. Zum einen, weil ich Stillschweigen über die Erkenntnisse gelobte. Aber vor allem, weil ich Euch und die Familie schützen muss.” Mit ängstlichen Augen schaute Gudekar seinen Vater an und zitternder Stimme sprach er weiter. “Vater, es gibt Dinge, bei denen das reine Wissen darüber eine ernste Gefahr für das Leben und die Seele darstellt - für sich selbst, aber auch für die eigenen Lieben.”

Nun schaute Friedewald erschrocken zu seinem Sohn und leerte seinen Becher. “Es ist gut, Gudekar. Erzähl mir mehr! Nur wenn ich die Art der Gefahr kenne, kann ich mich darauf vorbereiten, die Familie zu beschützen.”

Nervös strich sich der Magier mit seiner Hand durch die Haare, bevor er weitersprach. “Jedenfalls, bei unseren Ermittlungen stießen wir auf die Spur eines Paktierers. Des Paktierers, der erst vor kurzem auch in Talwacht sein Unwesen trieb.” Als er weitersprach, brach immer wieder seine Stimme, und Tränen flossen aus seinen Augen. “Während unserer Untersuchung wurde dann auch Reto von den Schergen des Paktierers entführt. Es war schrecklich! Nur mit Mühe war es uns gelungen ihn und einen Tsageweihten zu befreien. Vater, du hättest Reto sehen sollen. Er war doch immer so ein starker, selbstbewusster Mann. Du hättest ihn nicht wiedererkannt. Er war gebrochen.”

Der Edle erhob sich von seinem Stuhl und ging zu seinem Sohn, um ihn in den Arm zu nehmen. Wort- und regungslos verharrten sie so einen lange Zeit, und Friedewald gab seinem Sohn halt, während Gudekar weinte. Als er sich wieder etwas gefangen hatte, fragte Friedewald: “War es dies, worüber ich im Greifenspiegel gelesen habe?”  

“Ja, Vater, genau dies waren die Ereignisse.”

“Oh je, wie schrecklich. Dies erklärt dann auch die niedergeschlagene Stimmung, die mir in Darrenbruck auf der Herreise entgegen schlug. Es war fast gespenstig, Nicht einmal Eilada wollte groß mit mir reden.” Der Edle machte eine Pause und setzte sich wieder. Schweigend saßen sich Vater und Sohn gegenüber.

“Und was treibt euch nun hierher? Auf die alte Burg?”

“Marbulf von Limmburg, der Edle von Trackental, der heute ermordet wurde, war der Vater des Paktierers. Wir hofften, hier eine Spur auf dessen Verbleib zu finden. Es gab auch die Befürchtungen, er hätte sich in der alten Ruine ein geheimes Versteck errichtet.”

“Und Ihr habt ihn stellen können? Es schien mir dort einen gewaltigen Kampf gegeben zu haben, der den ganzen Berg zu erschüttern schien. Hätte ich nicht den Auftrag gehabt, die Pagin zu bewachen und zu beschützen, ich hätte doch noch versucht, zu Euch zu gelangen, solche Sorgen habe ich mir gemacht.”

“Nein Vater, Eure Sorge war unbegründet. Es gab dort keine Spur auf den Paktierer. Doch haben wir etwas anderes entdeckt, etwas wundervolles, dass weit älter als das wirken des Paktierers ist, weit älter als die Nordmarken, wie wir sie kennen. Ein Geschenk Hesindes.”

“Nagut, mein Sohn, von diesen Dingen verstehe ich nicht viel, und will sie auch gar nicht wissen.” Friedewald reichte seinem Sohn noch einmal den Becher voll Albenhuser Albenbluth, den Gudekar jetzt auch dankbar entgegen nahm. “Es freut mich, dass dir nichts passiert ist, Junge! Lass uns auf die Familie trinken. Auf die Liebe und das Leben, auf die Weisheit Hesindes und die Gastfreundschaft Travias!”

Gudekar nahm den Becher. “Auf die Familie!” Er trank einen Schluck, stellte den Becher dann jedoch wieder ab. Mit einem ernsten Gesicht sprach er den Edlen an: “Vater, ich muss Euch noch etwas mitteilen.” Friedewald nickte lediglich zustimmend. Er hatte darauf gewartet und schaute seinen Sohn auffordernd an.

“Ihr habt die Edle von Kalterbaum kennengelernt.” Friedewald nickte bejahend. “Nach meiner Rückkehr aus Schweinsfold fragtet ihr mich, was dort vorgefallen war.” Friedewald schaute streng zu Gudekar. “Ihr wolltet wissen, mit wem… mit wem ich Merle hintergangen hatte.”

“Ja. Na gut, Gudekar, du musst es nicht aussprechen.” Jetzt stand der Edle auf und diesmal war er es der zum Fenster lief und hinaus schaute, um seinen Sohn nicht ansehen zu müssen. Das machte es schlimmer, denn Gudekar hatte noch immer des öfteren Kontakt mit der Dame. Gudekar lief ihm hinterher und drehte ihn an den Schultern um.

“Vater, sie erwartet ein Kind!”

BATSCH!

Gudekar spürte die flache Hand seines Vaters auf seiner Wange, doch er zuckte nicht weg. Weiter hielt er den Edlen an den Schultern.

“Was hast du dir nur dabei gedacht, Junge?” schrie Friedewald ihn an.

Der Magier senkte den Kopf. Kleinlaut antwortete er. “Ich habe mir nichts dabei gedacht.”

“Ja, das ist typisch, der Herr Magus macht wieder einmal, was er will. Weil er es kann, vermutlich. Ohne sich über die Konsequenzen seines Handelns klar zu sein. Dachtest wohl, es wäre ein Spaß, sich einfach mal so mit einer jungen Dame zu amüsieren. An das, was dies für die Dame bedeutet, unvermählt ein Kind zu bekommen, noch dazu von einem verheirateten Mann, daran hast du also nicht gedacht? Und an deine Frau und dein ungeborenes Kind wohl auch nicht.”

Wieder rannen Tränen über Gudekars Gesicht. “Nein, Herr Vater, so war es nicht. Es war ein Zauber, ein Feenzauber, der dort in Herzogenfurt über dem Park lag, und der Tsalinde und mich Dinge tun ließ, die nicht geplant und, ja, auch nicht gewollt waren. Wir waren nicht Herr unserer Sinne, als es geschah.”

Friedewald blickte ernst zu seinem Sohn. “Sieh mich an! Sieh mir in die Augen und sage mir eins. Und lüge mich nicht an! Habt ihr es danach noch einmal getan? Tut ihr es immernoch, wenn ihr gemeinsam unterwegs seid?”

“Nein, Vater. Ich hatte nur dieses eine Mal mit Tsalinde Rahja geopfert. Und ich habe kein Interesse daran, es wieder zu tun.” Friedewald sah, dass Gudekar diese Worte  ernst meinte und ohne eine Spur von Falschheit. Doch der Edle übersah, das Merle davon berichtet hatte, dass sie zweimal etwas von entsprechenden Gefühlen bei Gudekar gespürt hatte.

Der alte Ritter ging in dem Zimmer auf und ab und überlegte, während Gudekar an die Wand gelehnt auf sein Urteil wartete.

“Nun gut, Gudekar. Es war nur einmal. Doch dabei hat Tsa sich eingemischt. Das ist nicht gut. Es ist vor allem nicht gut, weil du damit Travia enttäuscht hast. Und es kann nie gut für die Familie sein, wenn Travia enttäuscht wurde. Doch es gibt Wege, dafür Buße zu tun. Gudekar, zurück in Albenhus musst du mit Mutter Liudbirg und Vater Reginbald reden und um Vergebung bitten. Sie werden dir einen Weg zeigen, deine Schuld wieder gut zu machen. Und du musst mit der Dame von Kalterbaum reden und diese Sache ein für alle mal klären. Sag ihr, das Haus von Weissenquell wird sich entgegenkommend zeigen. Es ist einerlei, ob sie das Problem aus der Welt schaffen will, oder ob Sie sich selbst um den Balg kümmern will. Das Haus Weissenquell wird sich erkenntlich zeigen. Nur soll sie uns danach damit in Ruhe lassen.”

Jetzt war Gudekar außer sich und brüllte seinen Vater an. “DAS PROBLEM AUS DER WELT SCHAFFEN? Ist dies Euer Weg? Meiner ist es nicht! Was denkt Ihr Euch eigentlich?” Ohne ein weiteres Wort zu sagen ergriff Gudekar seinen Mantel, stürmte aus dem Zimmer und schlug mit einem lauten Knall die Tür hinter sich zu, was alle anderen Gäste im Haus aufschrecken ließ.

Besuch zur späten Stunde

Nacht vom 1. zum 2. Firun 1043 B.F., im Gästehaus der Familie von Klingbach in Poluik.

Personen:

Das Gespräch

Es war schon spät in der Nacht. Ein erneuter Schneefall hatte eingesetzt und in den Straßen von Poluik war es stockdunkel, bis auf den schwachen Schein einer bläulich leuchtenden Kugel, die die Straßen entlang schwebte. Der Kugel folgte eine Gestalt, die in einen Mantel gehüllt war. Diese Gestalt war der Urheber der Lichtkugel.

Gudekar klopfte energisch an die Eingangstür des Gästehauses, in dem die Damen der Reisegruppe einquartiert waren. Auf die Frage “Wer da?” des Knechts, der nach einer ganzen Weile an die Tür kam, weil das Klopfen nicht aufhörte, antwortete der Magier: “Gudekar von Weissenquell. Ich muss sofort mit der Dame von Kalterbaum sprechen. Lasst mich ein!” Ein Riegel wurde zur Seite geschoben und bevor der Knecht die Tür öffnen konnte schob schon der späte Gast diese auf. Er lief zur Treppe und nachdem er zwei Stufen förmlich hoch geflogen war, drehte sich Gudekar um und fragte: “Welches Zimmer?” Der Knecht antwortete ihm, und Gudekar rannte zu der genannten Tür. Er klopfte an, vorsichtiger diesmal, und rief leise: “Euer Wohlgeboren, Frau von Kalterbaum? Tsalinde? Seid Ihr noch wach? Ich muss Euch dringend sprechen!”

In weiche, warme Felle gehüllt saßen Tsalinde und Isavena vor der Feuerstelle in ihrem Zimmer und tranken heißen Apfelsaft.

“Manchmal wünschte ich, du wärst keine Edelfrau.”, sinnierte die Zofe. “Dann könnten wir einfach weg gehen und an einem anderen Ort neu anfangen.”

“Das verstehe ich. Ich könnte auch verstehen, wenn du mich verlässt. Ich habe dich betrogen und ich habe meine Baronin, die so viel Vertrauen in mich gesetzt hat, sehr enttäuscht.” Eine Träne lief ihr über die Wange.

Entschlossen strich Isavena das Fell zurück, welches um ihre Schulter lag und kniete sich vor ihre weinende Gefährtin. Zärtlich strich sie ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wischte die Tränen weg. “Tsalinde, Geliebte, es war ein Zauber und, wie ich vermute, noch dazu ein recht starker. Du magst oder mochtest Gudekar, wenn auch nicht auf diese Weise und so war es der Magie ein leichtes dich zu verführen. Ich bin dir weder böse noch bin ich enttäuscht von dir. Gemeinsam werden wir einen Ausweg finden.”

In dem Moment klopfte es an der Tür.

Melisande war froh gewesen, als sie am späten Abend endlich wieder in ihrem Zimmer und allein war. Alles tat ihr weg von dem ungewohnten Gestapfe durch den Schnee den ganzen Tag, gleichzeitig war ihr noch immer kalt, hatte es doch kaum Gelegenheit zum richtigen Aufwärmen gegeben nach ihrer Rückkehr von der Ruine. Sie hatte sich noch zwei weitere Decken bringen lassen, erst dann hatte sie sich ausgezogen und im Nachthemd in das von einer Bettpfanne vorgewärmte Bett gelegt.

Dann jedoch, als sie endlich hätte schlafen können, waren all die Ereignisse des Tages wieder aus ihren Löchern hervorgekrochen und hatten einen wilden Reigen in ihrem Kopf aufgeführt, der sie kaum richtig zur Ruhe hatte kommen lassen. Sie hatte sich gefühlt hundert Mal hin- und her gedreht in ihrem Bett unter vier Decken, und versucht, sich zu entspannen, was durch ihre schmerzenden Muskeln nicht leichter gemacht worden war. Und endlich, endlich, war sie wohl ins Reich der Träume hinab geglitten, wenn es auch keine schönen, ruhigen Träume gewesen waren.

Da plötzlich riss Melisande ein infernalischer Lärm wieder heraus aus Borons Reich. Kerzengerade saß sie im Bett und blinzelte mehrfach, bis die den Lärm als Klopfen an der Tür identifizierte, dem männliche Stimmen gefolgt waren. Dann Schritte auf der Treppe und erneutes Klopfen, nicht so laut, aber an der direkt benachbarten Tür. Und dann die Stimme Gudekars, der zwar leise, aber für ihre scharfen Ohren doch vernehmbar sprach.

Was wollte der Magier mitten in der Nacht - oder wie spät genau es jetzt auch immer war, gefühlt hatte sie noch so gut wie gar nicht geschlafen, sie hatte immer noch überall Schmerzen und fühlte sich gerädert - von Tsalinde? Kurz zögerte die Zofe, doch dann überwand ihre Neugier den Schrecken, sich im Nachthemd und barfuß aus dem warmen Bett zu wühlen und sie tat genau dass, um auf leisen Sohlen zur Tür zu schleichen, um zu lauschen. Mit Mühe ignorierte sie den eisigen Schauer, den die kalten Luft des Zimmers über ihre fast ungeschützte Haut jagte.

Erschrocken sahen sich die Frauen an, dann  griffen sie wortlos nach den Waffen.

Tsalinde, griff nach einem Bündel Pfeile, die sie zur Sicherheit noch in ihrem Gepäck hatte, nahm einen Pfeil heraus und legte ihn auf die Sehne ihres Bogens. Schussbereit stellte sie sich gegenüber der Tür auf und ließ Isavena, die lediglich mit einem Dolch bewaffnet war, die Türe so öffnen, dass sie freies Schussfeld hatte. Mit leiser, aber fester Stimme sprach sie ihren nächtlichen Gast an. “Gudekar von Weissenquell, was bringt euch dazu mitten in der Nacht an meine Tür zu klopfen. Meint ihr nicht, mein Ruf wäre geschädigt genug?”

Mit Schrecken wich der Magier einen Schritt zurück, als er den auf ihn gerichteten Pfeil sah. Dann hob er abwehrend die Hände und trat vorsichtig einen Schritt in den Raum. “Frau von Kalterbaum, ihr wollt doch sicher keinen unbewaffneten Mann erschießen!” Die Furcht, die den Ärger über seinen Vater vertrieb, war deutlich in seiner Stimme zu hören. Er war nicht sicher, ob sie vielleicht doch genau dies tun würde. Was ging in der Dame vor? Wie hat sie die Ereignisse verkraftet? Was bewirkt…? Er konnte, nein, er wollte ihre Gedanken nicht lesen. Er hoffte nur, sie würde ihm nicht wirklich etwas antun. “Nicht nur Euer Ruf wurde geschädigt! Ihr seid ungebunden, doch ich bin ein verheirateter Mann.” Er ließ ihr keine Zeit, darauf zu antworten. “Ich muss unbedingt mit Euch sprechen. Und wenn Ihr Euch wohler fühlt, dies in Gegenwart einer Person zu tun, der ihr vertraut,” er schaute fragend ihre Zofe an, “dann soll es so sein. Darf ich eintreten?”

Melisande machte große Augen, als sie dem Gespräch entnahm, dass Waffen im Spiel waren, und war sehr erleichtert, dass es nicht unmittelbar zu Kampfhandlungen unter ihren Gefährten kam. Zudem war sie hin und her gerissen, ob sie nicht lieber diskret weghören sollte, denn das hörte sich sehr privat an. Die Etikette verlangte es, aber ihre Neugier, die sie früher schon mehr als einmal in des Namenlosen Küche gebracht hatte, war einfach stärker. Fast vergaß sie über diesen Gedanken die Kälte, die ihr mehr und mehr in die Glieder kroch.

“Unbewaffnet? Nach dem was ich in der Burgruine gesehen habe benötigt ihr keine Waffen um Menschen zu verletzen. Eure Macht ist euch zu Kopfe gestiegen und ich bin nicht sicher, ob ihr mir wohlgesonnen seid. Ein gezielter Zauber auf mich würde schnell einige eurer Sorgen beseitigen.” Dennoch deutete sie auf einen Platz am Kamin. “Setzt euch.”

Bei der Erwähnung der Ereignisse in der Burgruine funkelten für den Bruchteil einer Sekunde die Augen des Magiers und ein sehnsüchtiges Lächeln durchzog sein Gesicht. Doch im fahlen Lichtschein des Zimmers war dies kaum zu erkennen. Ja, dort, in der Kammer. hätte er ihr etwas antun können, wenn er es gewollt hätte. Dort hätte er ALLES tun können. Doch hier reichten seine Kräfte nicht, um ihr etwas ernsthaftes antun zu können. Ihrem Kind - seinem Kind - schon, aber ihr nicht. Dennoch es war wohl besser, wenn sie das nicht wusste.

Gudekar trat ein und setzte sich auf den Stuhl, den ihm Tsalinde wies.  

Hinter Gudekar schloss Isavena die Tür, nahm Tsalinde den Bogen ab und bezog mit gespannter Sehne Aufstellung. Zwar deutete die Pfeilspitze zu Boden, dennoch schien die Zofe bereit die Waffe einzusetzen.

Tsalinde setzte sich wieder auf ihren Platz am Kamin, kuschelte sich aber nicht in die Felle, sondern zog ihren Dolch aus dem Halfter und legt ihn in ihren Schoß. Ihr Fingerknöchel traten weiß hervor, so fest hielt sie den Griff der Waffe.

Beide Frauen wirkten verängstigt, aber fest entschlossen sich gegenseitig mit Zähnen und Klauen zu verteidigen.

“Oh, vermutlich wäre es dies, was sich mein Vater wünschen würde, doch das ist nicht mein Weg” murmelte er vor sich hin, so dass es kaum zu verstehen war. Und es war auch nicht klar, ob er nur laut gedacht hatte und die Worte versehentlich aussprach, oder ob Tsalinde diese hören sollte.

Nun wandte er sich direkt an Tsalinde. “Schaut, Tsalinde, es war niemals meine Absicht, irgendjemanden irgendetwas anzutun, weder in der Kammer noch hier. Und es wird es auch nie sein. Das ist nicht mein Weg!”

Melisande gingen ein paar undamenhafte Gedanken durch den Kopf, als es zeitweilig sehr ruhig im Nachbarraum wurde, und sie presste sich noch enger an die Tür, um besser hören zu können. Dann sprach Gudekar endlich wieder. Seine Worte erinnerten sie an den Schrecken, den sie in dieser Kammer in der Burg verspürt hatte, als es den Anschein hatte, die Magier würden trunken vor Macht durchdrehen. Sie hoffte inständig, dass Gudekar seine Worte so meinte, wie er sie sagte, allerdings befürchtete sie, dass jene Macht so verführerisch sein könnte, dass jeder Vorsatz hinweggefegt werden würde, wenn er sie erneut kostete. Wobei sein Kollege, dieser für sie recht undurchschaubare Adelchis, fast noch schlimmer betroffen gewesen war.

Betrübt schaute Tsalinde ihren Gast an und versuchte in ihm zu lesen. “Vor dem heutigen Tage hätte ich euch auch niemals solcher Taten für fähig gehalten, doch was ich in der Kammer gesehen habe hat mich eines besseren belehrt. Offensichtlich seid ihr, wenn eure Macht nur groß genug ist, durchaus fähig selbst eure Gefährten, mit denen ihr bereits einige Gefahren durchgestanden habt, zu verletzen.” Sie atmete tief durch und fügte hinzu: “Es tut mir leid, dass ihr auf diesem Wege von unserem Kinde erfahren habt, doch ich sah keinen anderen Ausweg. Ihr wart ja wie von Sinnen.”

Melisande machte große Augen. Daher wehte also der Wind! In dem Chaos und der Aufregung in der Kammer hatte sie die Worte Tsalinds gar nicht richtig mitbekommen, aber jetzt machte das Sinn.

Bevor Gudekar reagieren konnte deutete sie auf ein kleines, filigranes Kästchen, dass auf einem Tischchen neben ihm lag. “Seht euch das bitte an.”

Der Magier nahm das Kästchen in die Hand, doch schaute er zunächst nicht hinein. Stattdessen sprach er mit einem eher beleidigtem als reuigem Tonfall: “Ich habe niemandem aus unserer Gefährtenschaft ernsthaften Schaden zugefügt! Im Gegenteil, als Adelchis und ich angegriffen wurden, habe ich lediglich versucht, durch geeignete, ungefährliche Gegenmaßnahmen die Situation zu deeskalieren.”

“Wenn das eure Ansicht ist, tut es mir sehr leid um euch, denn dann ist euch die Macht mehr zu Kopf gestiegen als ich geglaubt habe. Ihr habt eine junge Frau quer durch den Raum geschleudert, wollt ihr ernsthaft behaupten, das war ungefährlich? Melisande hätte sich dabei schlimm verletzen können und im schlimmsten Falle gar das Genick brechen.”

Unwillkürlich nickte Melinsande heftig bei diesen Worten. Ihre Schmerzen rührten nicht nur von der anstrengenden Wanderung durch den verschneiten Wald …

“Aber…”, wollte Gudekar zu einer Verteidigung ausholen, doch sie schüttelte den Kopf, atmete tief durch und fuhr fort: “Offensichtlich seid ihr nicht gekommen um euch wegen dieser Vorkommnisse zu erklären, daher lassen wir das Thema besser fallen. Vielleicht wird euch eines Tages bewusst wie sehr die Situation dort unten bereits eskaliert war. Dann werdet ihr vielleicht auch verstehen, dass ich zu solch drastischen Maßnahmen greifen musst.”

Offensichtlich war das Thema für sie damit erledigt, denn sie schwieg und schaute ihn nur auffordernd von dem Magier zu dem Kästchen in seiner Hand.

Schließlich sah Gudekar in das Kästchen. Darin befand sich auf einem samtweichen Bett, ein kleiner, aus Blüten und Baumblättern gestalteter, bunter Schmetterling. Der Magier schaute sich den Inhalt genau an. Ohne ein Wort zu sagen blickte er dann zu Tsalinde auf. Seine Augen spiegelten eine fragende Skepsis wider.

”Diesen Schmetterling schenkten mir die Kinder TSAs als wir dort gemeinsam dort im Tempel waren.” Zärtlich strich sie sich über den Bauch, wobei ihr Oberteil etwas verrutschte und ein buntes Tuch in den Farben des Regenbogens hervorblitzte, das sie um ihre Taillie trug. “Die Göttin TSA und ihre Kinder haben dieses Kind gesehen, weit bevor ich es tat.” Herausfordernd schaute sie Gudekar an. “Ich werde dieses Kind nicht nur zur Welt bringen, ich werde es groß ziehen und von ganzem Herzen lieben, denn es ist ein Geschenk der Göttin.”

Fast wünschte sich Melisande, durch Wände sehen zu können, wie es Gudekar heute getan hatte, aber gleich darauf schalt sie sich erschreckt für solche Gedanken. Wenn mit solchen Fähigkeiten einherging, dass man anfällig wurde für Versuchungen, dass man die Kontrolle verlor und eine Gefahr für andere wurde, dann wollte sie damit nichts zu tun haben.

“Gut!” Gudekar klang erleichtert, doch gleich darauf sprach er vorwurfsvoll: “Und wann hattet Ihr vor, mir davon zu erzählen?”

Verlegen senkte Tsalinde den Kopf: “Erst wollte ich euch einen Brief schreiben, doch ich fand nicht die richtigen Worte. Gestern schien ständig entweder euer Vater oder einer unserer Gefährten bei euch zu sein.” Leiste fügte sie hinzu: “Vielleicht war ich aber auch zu feige.”

Gudekar stützte die Ellenbogen auf die Armlehnen des Stuhls und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Mit den Fingern massierte er sich die Schläfen. Ein stechender Kopfschmerz hatte sich seiner bemächtigt. Schweigend blieb er eine Weile so sitzen und schien nachzudenken. “Ihr tatet gut daran, es nicht in Gegenwart meines Vaters kundzutun. Ich war nicht so weise.” Mit leiser Stimme sagte er diese Worte. Er dachte weiter nach, doch dann fragte er entschlossen: “Also gut, Ihr wollt das Kind austragen. Das begrüße ich. Und dann? Wie geht es dann weiter? Ihr seid nicht verheiratet. Ich schon, wie ich bereits angemerkt habe.”

“Ja, das weiß ich und ich habe bereits bei der Herrin Travia Buße getan für das, was in dem Park geschehen ist. Seit ich von meinem Kind weiß, mache ich mir Gedanken darüber und schlussendlich wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als mich an meine Baronin zu wenden und sie zu bitten, mir dabei zu helfen einen Mann zu finden, der nicht nur bereit ist den Traviabund mit mir zu schließen, sondern der auch das Kind anerkennen wir.” Eine Träne rollte über ihre Wange. “Doch nun wissen all unsere Gefährten inklusive der Vögtlin Witta von dem was geschehen ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben haben. Es tut mir leid, dass ihr durch mich nun auch noch in Verruf geraten werdet. Oder glaubt ihr, jemand wie Lares wird diese Tatsache für sich behalten?”

Gute Frage. Der verkniffene Ritter, der immer so mürrisch schaute, hielt sich sehr an Praios. Wenn er vor Praios einen Grund sah, dieses Wissen zu teilen, würde er es tun, ungeachtet der Folgen für die Beteiligten. Wenn es allerdings keinen Grund gab …

Der Mann, der noch immer in seinen Reiseumhang gekleidet war und lediglich die Kapuze nach hinten geworfen hatte, wirkte bleich. Er starrte Tsalinde entgeistert an. Er wusste nicht was er sagen sollte, zu viel ging ihm durch den Kopf. ‘Bei der Herrin Buße tun’. Das stand ihm noch bevor. Doch hatte er weit mehr zu büßen, als Tsalinde wissen konnte. Das Gerede von Zweckehen ließen einen Stein in seinem Bauch erscheinen. Unwillkürlich musste er an Meta zurück denken. Wenn der Herr Lares davon erführe, dann hätte er wohl erst recht etwas in der Hand. Und dennoch. Für Tsalinde würde sich vermutlich durch dieses Kind mehr ändern als für ihn. Am Ende würde es für sie eine weitaus größere Herausforderung bedeuten. Sie würde mehr Opfer bringen müssen als er. Und doch machte sie sich Sorgen um ihn, um Gudekar. Das verstand er nicht. Warum macht sie sich Gedanken, er könne in Verruf geraten? Er hatte mit Vorwürfen gerechnet, mit Forderungen. Und jetzt dies?

Der Geist des Magiers war unendlich Müde. Er wünschte er wäre woanders, weit weg von hier. An einem anderen Ort, in eine andere Zeit.

So saß er da und starrte Tsalinde an.

Eine Weile wartete Tsalinde, ob er noch etwa dazu sagen würde, dann steckte sie ihren Dolch weg und erhob sich müde. “Geht zu Bett, Gudekar. Denkt über das nach was heute geschehen ist und was ihr erfahren habt. Wir können jetzt, müde und erschöpft wie wir sind, ohnehin keine vernünftigen Entscheidungen treffen. Ich werde mich um unser Kind kümmern und alles dafür tun, dass es in Liebe aufwächst. Ihr müsst für euch entscheiden wie ihr zu dem Kind stehen möchtet.”

Nun hielt es Gudekar nicht mehr auf dem Stuhl. Er stand auf und lief zwei mal im Zimmer hin und her. Dann blieb er stehen und drehte sich zu Tsalinde. Er war sichtlich nervös. “Ich muss euch warnen. Ich habe versucht, mit meinem Vater zu reden. Doch dies war ein Fehler. Ich befürchte, er wird versuchen, mit Euch sprechen wollen. Doch seid gewarnt: er wird Euch vermutlich einen Angebot machen, dass Euch nicht gefallen wird. Ich kann nur sagen, das ist nicht mein Weg! Ich freue mich, dass Ihr Euch für das Kind entschieden habt!”

Melisande verdrehe die Augen. Das roch nach Ärger und Drama. Hoffentlich behinderte sie das nicht genau dann, wenn der Zusammenhalt der Gruppe wichtig war. Fast hatte sie das Gefühl, der Schatten des Paktierers schwebe schon über ihnen. Ein eisiges Prickeln lief ihre Wirbelsäule hinab, welches nichts mit der Kälte im Raum zu tun hatte, aber es erinnerte sie daran, dass sie ihre Füße schon kaum mehr spürte.

Besorgt musterte Tsalinde ihren nächtlichen Besucher. “Wird euer Vater mir oder dem Kind drohen oder uns schaden wollen?” “Ich weiß nicht, was er vorhat. Sicher wird er Euch oder dem Kind nichts antun, das würde er nie tun. Dennoch sprach er davon, das ‘Problem solle aus der Welt’ geschafft werden. Und das Haus Weissenquell würde sich erkenntlich zeigen.” Gudekar war sichtlich schockiert von den Worten seines Vaters und es war offensichtlich, was er davon hielt.

Scharf zog Melisande die Luft ein bei diesen Worten. Aber dann sagte sie sich, dass Gudekars Vater sicher keinen Tsa-Frevel begehen würde … wobei … ihr kamen die Erinnerungen wieder hoch, was Thalissa aus Talwacht erzählt hatte, dass die Leute unter dem Bann des Bäckerpruchs die schlimmsten, traviaungefälligen Dinge getan hatte. Erneut lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Vielleicht hatte der Bäckerpruch seinen Vater ja nicht besucht, aber das hieß noch lange nicht, dass er nicht in der Nähe sein könnte.

“Dann vertraue ich darauf, dass ihr euren Vater richtig einschätzt. Wenn es ihm um den Ruf seines Hauses geht, kann er sich vielleicht ebenfalls bei unseren Gefährten dafür stark machen, daß diese schweigen.” Damit ging sie zur Tür und öffnet sie weit. Ein deutlicher Hinweis darauf, daß das Gespräch für sie beendet war. “Ruht euch aus, Gudekar, ich bin sicher, ein weiterer, ereignisreicher Tag wartet auf uns.”

Melisande zuckte zusammen, als die Nachbartür sich unvermittelt öffnete. Im ersten Moment wollte sie zurückspringen, aber dann übernahm ihr Verstand wieder die Kontrolle. Niemand konnte sie hier sehen, und solange sie keinen Lärm machte, auch nicht hören. Schnell drückte sie das Ohr wieder an die Tür.

„Gut, dann warten wir ab, was geschehen wird. Ich denke Ihr habt Ruhe mehr nötig als ich.“ Tatsächlich hatte das Spektakel unter der Burg ihm mehr Kraft gegeben als gekostet und Gudekar fühlte sich - körperlich - kein wenig erschöpft. Er überlegte, ob es nach den Ereignissen am Tag und diesem Gespräch sinnvoll wäre, dafür zu sorgen, dass Tsalinde einen erholsamen Schlaf genießen würde. In Anbetracht der Tatsache, dass ihre Zofe noch immer den Bogen hielt, verwarf er den Gedanken jedoch gleich wieder. „Ich wünsche Euch eine geruhsame Nacht, Tsalinde! Möget Ihr trotz all der Widrigkeiten die nötige Erholung finden.“ Zur Zofe nickte er kurz: „Frau Isavena!“ Kurz vor der Tür wollte er sich beinahe noch einmal umdrehen und setzte zu Sprechen an. Doch stattdessen schüttelte er nur den Kopf und verließ den Raum, um zurück zu seiner Herberge zu gehen.

Mit klopfendem Herzen verharrte Melisande noch ein paar Augenblicke, wo sie war. Ihre Neugier hielt sie an ihrem Platz, denn vielleicht sagte Tsalinde ja noch etwas zu ihrer Zofe, das sie hören könnte, solange die Tür offen war. Allerdings hatte sie langsam auch das Gefühl, sich hier sowieso nicht mehr wegbewegen zu können, weil sie festgefroren war.

Erschöpft ging Tsalinde zum Feuer, trank den Rest ihres Saftes leer und wandte sich an ihre Zofe. “Was für ein Tag.”

Vorsichtig nahm Isavena den Pfeil vom Bogen und legte die Waffe zur Seite, dann ging sie zu Tsalinde rüber und nahm sie sanft in den Arm. “Mach dir keine Gedanken mehr um die Zukunft. Du wurdest schon von weit gefährlicheren Männern als Friedewald von Weissenquell zum Gespräch gebeten.”

“Das stimmt allerdings”

“Und du hast es überstanden und inzwischen gar dein eigenes Lehen. Ich bin sicher, gemeinsam mit der Baronin werdet ihr eine Lösung finden und schon bald wirst du ein gesundes und hübsches, kleines Baby in den Armen halten.” Sie strich sanft über Tsalindes Bauch.

Das brachte die Edle zum Lächeln und während sich die beiden fürs Bett fertig machten sangen sie leise ein Schlaflied und kaum hatten sie sich unter den Fellen aneinander gekuschelt, schliefen sie friedlich ein.

Außer ein paar unbedeutenden Wortfetzen war nichts mehr zu verstehen, dann schloss sich die Tür zum Nachbarzimmer. Melisande war nicht enttäuscht, denn sie hatte eine Gelegenheit ergriffen und das Beste, was sie hier und jetzt erreichen konnte, daraus gemacht. Allerdings wurde sie sich der Kälte nun umso stärker bewusst, als die Aufregung des heimlichen Lauschens abklang. Mit Mühe konnte sie ein Zähneklappern unterdrücken, dann riss sie sich von der Tür los und schleppte sich auf tauben Füßen ins Bett. Ihre vielen Decken hatten die Wärme einigermaßen bewahrt, trotzdem fröstelte sie noch eine ganze Zeit lang, bis sie schließlich in einen unruhigen Schlummer fiel.

Eisiger Morgen

2. Firun 1043 B.F., am frühen Morgen im Gasthaus von Poluik.

Personen:

Das Gespräch

Es war kühl geworden im Zimmer des Edlen. In der Nacht ist das Kaminfeuer erloschen, denn Friedewald war zu müde, zu aufgebracht, um vor dem zu Bett gehen noch einen Scheit nachzulegen. Zu viel ging ihm durch den Kopf. Was war nur mit Gudekar los?

Er hatte sich dermaßen verändert, seit… ja, seit wann eigentlich. Seit dem Flussfest und den Nachforschungen, die ihm im Anschluss aufgebürdet wurden. Er war doch immer ein so lieber Junge. Gut, da war dieser Makel des Astralen, aber immerhin, dank der Entscheidungen, die er, Friedewld, damals getroffen hatte, war ja dennoch etwas halbwegs sinnvolles aus Gudekar geworden. Immerhin, er nutze seine Kräfte ja sinnvoll, um Menschen zu helfen, zu heilen. Aber was neuerdings in Gudekar so vor ging? Naja, es kommt ja nicht ganz überraschend. Schon damals, als er nach seiner Ausbildung nach Albenhus zurückgekehrt war, hatte er ja ein unzüchtiges Verhalten an den Tag gelegt. Wer weiß, was er davor schon in Donnerbach so… getrieben hatte. Aber dann in Albenhus sich an einem Waisenkind aus dem Traviatempel zu vergehen… Es war verständlich, dass die Geweihten damals auf eine Hochzeit drängten, dabei war Merle ja noch nicht einmal adelig. Aber trotzdem war es die richtige Entscheidung. Merle war eine gute Frau. Wäre sie von Stand, Friedewald wäre stolz gewesen, dass Gudekar eine solche Frau bekommen hat.

Friedewald bemühte sich, das Kaminfeuer wieder anzufachen. Nach einigen Versuchen gelang es ihm endlich.

Der Edle hatte dann gedacht, sein Sohn wäre endlich zur Vernunft gekommen, hätte aus seinen Fehlern gelernt. Über Jahre hatte Gudekar treu seinen Dienst im Anconiterkloster geleistet. Vom einfachen Adepten hat er sich zu einem Vertrauten des Abtes hochgearbeitet. Das ist eine Leistung. Er hatte sich ein solches Vertrauen erarbeitet, dass er immer öfter mit wichtigen Aufträgen des Klosters und des Traviatempels beauftragt wurde. Das machte Friedewald stolz. Wer weiß, vielleicht wir Gudekar eines Tages zum Abt des Klosters ernannt? Oder vielleicht würde er zum Hofmagier am gräflichen Hof auserwählt werden? Dies würde Ruhm und Ansehen für die Familie bringen.

Doch dann kam dieser neuerliche Auftrag, der Gudekar weit außerhalb des Albenhusischen führte. Um was es genau ging, wusste Friedewald ja nicht. Aber es war wichtig. Und was macht dieser dumme Junge? Kaum ist er außer Sichtweite, vergnügt er sich mit einer jungen Adeligen und legt ihr auch noch ein Kuckucksei ins Nest, anstatt gewissenhaft seiner Aufgabe nachzugehen. Oh, diese Dame von Kalterbaum wäre sicherlich eine gute Partie gewesen für seinen Gudekar, doch dafür war es zu spät. Der Bund mit Merle war vor Travia geschlossen und war somit nicht zu lösen. Das wäre eine Schande für das Haus. Zumal nun endlich, nach all den vielen Jahren, auch Merle von Tsa gesegnet war. Doch gab es einen Weg, diesen Traviefrevel wieder gut zu machen. Vor Travia, aber auch vor ihm, dem Großvater des Kindes.

Friedewald stellte sich neben das Kaminfeuer, das nun endlich loderte. Er war noch nicht für den Tag zurecht gemacht. Dafür war es ihm noch zu kalt. Oh, früher hätte ihm die Kälte nichts ausgemacht. Da hätte sich auch im Tsagewand in den Schnee gelegt, um am Morgen die Lebensgeister zu wecken. Doch diese Zeiten waren vorüber. So stand er vor dem Feuer, nur mit ein Wollhemd über das Nachtgewand und einen Morgenmantel bekleidet und mit Filzpantoffeln an den Füßen, und beobachtete die Flammen.

Entschlossen, ihre Differenzen zumindest mit Friedewald zu klären, verließ Tsalinde von Kalterbaum schon am frühen Morgen ihre Unterkunft.

Verzweifelt eilte Isavena hinter ihr her und redete auf sie ein: “Wirklich, Tsalinde, das ist keine gute Idee. Ihr kennt diesen Adligen doch kaum. Wer weiß, wie er reagiert? Ihr solltet zumindest den Magier dazu holen.”

Doch Tsalinde ließ sich nicht aufhalten. “Nein, Isavena, es macht nur dann einen Sinn Gudekar mitzunehmen, wenn dieser unserer Meinung ist. Dessen bin ich mir aber immer noch nicht sicher. Ich muss wissen, was der Edle plant.” Sie fragte einen der Bediensteten, die ihr über den Weg liefen und stand wenige Minuten später vor dem Gemach von Friedewald von Weissenquell. Einmal atmete sie noch tief durch, dann schaute sie kurz ihre Begleiterin an und klopfte schließlich entschlossen an die Tür. “Euer Wohlgeboren, hier ist Tsalinde von Kalterbaum in Begleitung ihrer Zofe, bitte gewährt mir Einlass, ich würde gerne mit euch reden.”

Aus seinen Gedanken gerissen schrak der Edle auf. Einen Moment benötige er, den Namen einordnen zu können, doch dann fiel ihm wieder ein, dass es ja diese Dame von Kalterbaum war, die seinen Sohn in Schwierigkeiten gebracht hatte. Was sie wohl zu dieser Stunde von ihm wollte? Hatte Gudekar etwa nach ihrem Gespräch noch mit der Dame geredet?

„Verzeiht, ich bin noch nicht für Besuch gekleidet zu dieser frühen Stunde. Doch wenn Euch dies nicht stört, so tretet ein.“

Friedewald schnürte noch einmal die Kordel fest um seine Taille, um den Morgenmantel ordentlich zu verschließen.

Kurz zögerte Tsalinde, dann trat sie, gefolgt von ihrer Zofe, ein.

Nachdem die Tür hinter den Damen geschlossen war begann Tsalinde: “Euer Wohlgeboren, bitte entschuldigt, dass wir euch so früh am Tage aufsuchen. Euer Sohn war am gestrigen Abend noch bei mir und erzählte mir, wie ihr die Nachricht von unserer Verfehlung aufgenommen habt.” Sie suchte den Blick des älteren Mannes. “Bitte seid versichert, dass ich in keinster Weise die Absicht habe oder hatte, eurem Haus oder eurem Sohn zu schaden. Glaubt mir bitte, dass ich nie vorhatte jemandem außer eurem Sohne zu sagen, von wem dieses Baby ist.” Sanft streichelte sie über ihren Bauch. “Ich möchte weder, dass euer Sohn das Geschenk der Tsa anerkennt, noch erwarte ich Geld oder sonstiges von euch.”

Friedewald drehte sich zu den Damen um und schaute sie irritiert an. Dann deutete er auf den Stuhl, der vor einem kleinen Schreibtisch stand. “Setzt Euch, werte Dame von Kalterbaum. Ihr braucht nicht stehen.” Dann schaute er zur Zofe und sprach sie an: “Es tut mir leid, das Zimmer ist sehr karg und es gibt nur diese eine Sitzgelegenheit. Doch wenn ihr es wünscht und nicht als unschicklich erachtet, dürft ihr gern auf der Kante meines Bettes Platz nehmen.” Er wartete einen Moment auf die Reaktion der Damen, bevor er in ruhigem Ton weitersprach. “So, mein Sohn ist also noch in der Nacht zu Euch gegangen. Das war zu befürchten, so wie unser Gespräch geendet hat. Ich hatte ihn gebeten, mit Euch zu reden, doch wir sind nicht unbedingt in Frieden auseinander gegangen, und ich bin mir nicht sicher, ob Gudekar meine Worte richtig aufgefasst hat. Was genau hat er Euch gesagt?”

“Danke für euer Angebot, doch ich würde lieber stehen. Im Moment habe ich, ehrlich gesagt, nicht die Ruhe mich zu setzen. Ihr habt gefragt was Gudekar mir gesagt hat und ich muss gestehen, es war nicht unbedingt was er absichtlich zu mir sagte, sondern was er in Gedanken vor sich hin sprach.” Sie zögerte kurz. “Gudekar ließ vernehmen, dass ihr euch wünscht, wenn er mein Kind mit einem Zauber töten würde.” Tsalinde beobachtete den Edlen genau um seine Reaktion einschätzen zu können.

Friedewald wurde bei den Worten der Edlen leichenblass. Kraftlos ließ er sich auf das Bett fallen und saß dort, die Hände vor das Gesicht haltend. “Das hat er gesagt? Das waren seine Worte?” Seine Stimme zitterte. “Wie kann er so etwas nur denken, dieser Narr, wie kann er nur denken, ich könnte wollen, dass Euch oder dem Kind etwas geschehe?”

Voller Mitgefühl ging Tsalinde zu ihm und kniete sich direkt vor ihn. “Es freut mich, dass ihr nicht vorhabt dem Kind oder mir zu schaden. Bitte verzeiht mir, dass ich euch solchen Kummer bereite. Ich werde mich um das Kind kümmern, es lieben und dafür sorgen, dass es seinen Weg im Leben findet. Für euch hoffe ich, dass ihr einen Weg findet, eurem Sohn zu verzeihen.”

Der alte Edle schaute sie überrascht an. „Aber das geht nicht! Ich meine nicht, Gudekar zu vergeben. Ich könnte ihm vermutlich verzeihen, auch wenn mich seine Unterstellung mir gegenüber zutiefst verletzt. Aber nicht ich bin es, der ihm verzeihen muss.“ Er schaute Tsalinde in die Augen und wurde ernst. “Das Kind in Eurem Leib ist durch einen Traviafrevel heraus entstanden! Gudekar ist ein vermählter Mann, und sein Bund steht unter der besonderen Obhut des Albenhusener Traviatempels. Dennoch hat er sich an Euch vergangen. Dies ist etwas, dass nur vor Travia wieder gut gemacht werden kann. Und deshalb muss dieses Kind Travia geweiht werden. Als Wiedergutmachung. Ich schlage deshalb vor, ihr begebt Euch in Albenhus in die Obhut von Mutter Liudbirg und Vater Reginbald, bis das Kind geboren ist und übergebt es dann an das Waisenhaus. Das wäre auch für Euch besser, denn Ihr seid eine unverheiratete Frau und könnt es nicht verantworten, mit einem Bastard unter Eurem Dach zu leben. Das wird Eure Baronin sicher kaum dulden. Glaubt mir, das wäre für alle das Beste.”

Erschrocken weiteten sich die Augen der jungen Frau. Sie sprang auf und entfernte sich einige Schritte von dem Edlen. “Ich habe bei der Göttin Travia bereits Buße getan, doch mein Kind werde ich nicht in die Obhut ihres Tempels geben.” Schützend legte sie sich ihre Arme über den Bauch. “Ich verstehe euch nicht. Im ganzen Land gibt es unzählige Waisen, die ganz allein sind und im Schoß der Göttin Travia gut aufgehoben sind. Ich war im Tempel, den Kindern dort geht es gut, aber es sind auch sehr viele. Jeder Platz dort ist wichtig und sollte den armen Wesen zur Verfügung stehen, die es nötig haben. Mein Baby hat eine Mutter, die es schon jetzt von ganzem Herzen liebt. Ich bin eine Gelehrte der Rechtsschule in Elenvina und eine Schreiberin. Wenn es hart auf hart kommt werde ich mein Kind nehmen und an einem anderen Ort mein Glück suchen. Wir werden vielleicht nicht reich sein, aber mein Kind wird geliebt werden und es wird ihm niemals an Wärme fehlen.” Tränen rollten über ihre Wangen. “Es tut mir in der Seele weh meine Baronin so zu enttäuschen und ich fände lieber einen anderen Weg, doch mein Kind weg zu geben ist für mich keine Option.”

Liebevoll legt Isavena einen Arm um die Schulter ihrer Freundin und funkelt den Edlen wütend an.

Friedewald musterte die Edle und ihre Zofe. Es wärmte sein Herz, zu sehen, welche traviagefällige Mutterliebe die Edle jetzt schon dem Kind entgegen brachte.  Er hätte fast ein Lächeln aufgesetzt, wäre er nicht davon überzeugt gewesen, dass ihr Wille der falsche Weg war. Doch so blieb sein Gesicht ernst. “Es spricht für Euch, wie Ihr empfindet, Euer Wohlgeboren. Dennoch liegt ihr falsch. Es gibt keinen anderen Weg, die Seele des Kindes zu retten.” Meinte er das Baby oder seinen Sohn? Er machte eine kurze Pause. “Habt ihr mit Gudekar gesprochen, was Euer Wunsch ist? Habt Ihr ihm erläutert, was Ihr vor habt? Wie steht er dazu? Schließlich ist er der Vater des Kindes und sollte ebenfalls seine Meinung dazu kundtun.” Friedewald baute darauf, dass Gudekar sich seiner Pflicht besinnen und die junge Dame zur Vernunft bringen würde.

“Macht euch um die Seele MEINES Kindes keine Gedanken. Die Göttin Tsa hat es bereits mit ihrer Aufmerksamkeit gesegnet und ist ihm wohlgesonnen. Die Herrin Travia hat meine Buße angenommen und wird es sicher gutheißen, dass ich das Kind an meinem Herdfeuer mit der Liebe zu den Zwölf Göttern erziehen werde. Euer Sohn akzeptiert meine Entscheidung das Kind zu behalten und schien erleichtert zu sein. Eure Reaktion scheint ihm da wesentlich mehr Sorgen zu machen. Also sagt mir, Friedewald von Weissenquell, drohen mir oder meinem ungeborenen Kind Unheil durch euch oder euer Haus?”

“Nun, es ist nicht allein EUER Kind, es ist auch das Kind Gudekars. Damit ist es ein Weissenquell. Deshalb sollte auch das Haus ein Wörtchen mitsprechen können, zumindest aber der Vater. Ihr sagt, er akzeptiert Eure Meinung. Nun gut, vielleicht tut er dies, vielleicht sagt er dies Euch gegenüber. Doch das heißt nicht, dass er derselben Meinung ist, wie Ihr, was mit dem Kind zu geschehen hat. Deshalb meine Frage: Habt Ihr Gudekar gefragt, was ER sich erhofft?” Friedewald machte eine kurze, Rhetorische Pause, doch bevor Tsalinde zu einer Antwort ansetzen konnte, stand er auf, ging auf Tsalinde zu um legte seine Hände um ihre. Dann sprach er mit sanfter Stimme, fast schon väterlich: “Glaubt Ihr wirklich, Gudekar könnte Recht haben mit seiner Behauptung, ich könnte dem Kind oder Euch etwas antun? Dies wäre nicht traviagefällig, es wäre keinem der Zwölfgötter gegenüber gefällig. Das Kind, das Ihr unter Eurem Herzen tragt ist ein Weißenquell aus direkter Linie. Es gehört damit zur Familie, Ihr gehört damit zur Familie. Und die Familie gilt es zu schützen, um jeden Preis. Euch oder dem Kind etwas anzutun wäre ein Frevel gegen die Familie, gegen die Götter. Seid gewiss, Ihr steht unter dem Schutz des Hauses. Doch ich mache mir große Sorgen. Wenn ich all dies, was in den letzten Monden in den Nordmarken geschehen ist, wenn ich die Andeutungen, die ich auf dieser Reise mitbekommen habe, richtig deute, dann könntet Ihr und das Kind für den Feind von großem Wert und somit in Gefahr sein. Und deshalb bleibe ich dabei: es ist die einzig richtige Entscheidung, das Kind in die Obhut der Geweihten zu geben. Ich bin überzeugt davon, Gudekar wird mir diesbezüglich nicht widersprechen.”

Als wäre eine Maske gefallen, entgleisen Tsalinde die Gesichtszüge und sie beginnt zu weinen. “Euer Sohn mag ein guter Mensch sein, so habe ich ihn in den letzten Wochen und Monaten kennengelernt, doch wenn es um Macht geht, ist er korrumpierbar und das macht mir Angst. Ihr hättet ihn gestern erleben sollen. Er war trunken vor Macht und wäre vor lauter Übermut zu allem fähig. Verzeiht mir bitte, doch ich kann Gudekar nicht vertrauen. Im Moment treben sich üble Wesen in den Nordmarken herum. Da werden Frevel begangen, euer Wohlgeboren, die könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Frevel im Namen der Gegenspielers zu unserer geliebten Göttin Travia.” Weinend sinkt sie vor ihm auf die Knie. “Bitte, ich möchte mein Kind nicht fremden Menschen anvertrauen.”

Der Lützeltaler schaute die junge Frau, deren Hand er immernoch hielt , entgeistert an. „Ich weiß nicht, was gestern in der Ruine wirklich vorgefallen ist. Ich hatte lediglich die Erschütterungen in dem Berg gehört und gespürt. Doch Ihr schildert meinen Sohn in einer Art, die mir fremd ist und die ich mir nur schwer vorstellen kann. Gudekar war, trotz all seiner Sonderlichkeiten, stets ein herzensguter Mensch und weit entfernt von jeglichem Streben nach Macht.“ Fragend schaute er zwischen Tsalinde und ihrer Zofe hin und her.“Wenn wahr ist, was Ihr sprecht, und versteht mich nicht falsch, ich bin fern davon entfernt, Euch der unwahren Rede zu beschuldigen, wenn dies also stimmt, was Ihr sagt, wäre es dann nicht noch wichtiger, das Kind in die Obhut der Zwölfe zu geben?“ Als er Tsalindes verzweifelten Blick sah, Lenker der Edle jedoch ein. „Nun gut, ich sehe, ihr meint es ernst, das Kind bei Euch zu behalten. Dann sei es so. Doch wie wollt für seine Sicherheit sorgen? Wie kann die Familie Euch dabei helfen?“

Erleichtert lächelte Tsalinde ihn an und stand auf. “Wie kann ich euch nur dafür danken?” Sie drückte die Hände des älteren Mannes. “Mein Lehen liegt ziemlich abseits und ist umgeben von unwirtlichen Wäldern und hohen Bergen. Um Gut Kalterbaum herum gibt es viele wehrhafte Förster, Jäger und Zwergenkrieger, von denen ich überzeugt bin, dass sie mein Kind und mich mit allen Mitteln verteidigen werden. Wisst ihr, ich habe in meinem Leben schon Ritter gesehen, die vor dem kleinsten Kampf geflohen sind und Bauern, die ihre letzte Kuh mit einer Heugabel verteidigten. Kalterbaum hat nicht viele Bewohner, doch die wenigen, die es gibt, sind mir und meinem Haus treu ergeben. Ein größeres Aufgebot an Kriegern würde nur unnötige Aufmerksamkeit auf sich ziehen.” Kurz stockte sie und tauschte einen Blick mit Isavena. Dann atmete sie tief durch und fragte: “Wann und woran habt ihr bemerkt, dass Gudekar magisch begabt ist?”

Friedewald, der bei der Schilderung der Verhältnisse in Kalterbaum immer sorgenvoller geschaut hatte, musste bei der letzten Frage der jungen Edlen doch kurz auflachen und amüsiert grinsen. “Es gab schon früh Anzeichen, doch hatten wir sie immer ignoriert. Doch im Alter von sechs Götterläufen hatte es sich dann doch gezeigt und war nicht zu ignorieren. Gudekar hatte schon lange dem alten Ulbert aus dem Dorf geholfen beim Sammeln der Kräuter für das Albenhusener Albenbluth, hatte Gudekar doch schon immer einen Blick für die besten Kräuter im Wald. Ihr müsst wissen, Ulbert hat den besten Albenbluth in den ganzen Nordmarken gebrannt. Und auch dabei hatte Gudekar dem Alten oft geholfen. Eines Tages schien Gudekar jedoch beim Brennen etwas… gewirkt zu haben. Jedenfalls hatte das Albenbluth eine besonders intensive grüne Farbe. Als wir Gäste im Gut hatten, hatte ich den Schnappes ausgeschenkt. Dummerweise färbte sich dann auch die Haut aller, die davon getrunken hatten, in einem solchen Grünton. An jenem Tag war klar, dass wir Gudekar in die Obhut eines Meisters geben mussten.”

Bei der Vorstellung all dieser grünhäutigen Adligen musste Tsalinde schmunzeln.

Doch dann wurde er wieder ernst. “Doch zurück zu Eurer Sicherheit. Ich bin nicht davon überzeugt, dass Ihr in Kalterbaum sicher seid. So wie Ihr Euer Lehen schildert, scheint es der ideale Angriffspunkt für einen Paktierer zu sein, der im Verborgenen handelt. Wollt ihr nicht nach Lützeltal kommen und Euch in die Obhut von mir und meinem Sohn Kalman begeben, wenigstens, bis dieser Paktierer gefasst ist? Wir wissen, welche Gefahren drohen könnten, und können uns darauf vorbereiten. Ihr wärt bei uns direkt durch zwei geübte Klingen geschützt.”

Ebenfalls wieder ernst geworden antwortete Tsalinde: “Mag sein, dass es auf Kalterbaum nicht so viele geübte Klingen gibt, doch dafür kennt dort jeder jeden. Es würde auffallen, wenn plötzlich jemand auftaucht der nicht dorthin gehört. Oder wenn sich jemand nicht gegen die Götter gewandt hat.” Dass der Bäcker Pruch ebenfalls in einem kleinen Dorf und bei seiner Familie die größten Frevel begangen hat und auch ihr Vater seine Paktiererei vor seiner Familie über Jahre verheimlichen konnte, ließ sie besser unerwähnt. “Ehrlich gesagt möchte ich bis zur Aufklärung dieser Vorkommnisse so wenig Fremde wie nur möglich an mein Kind heran lassen.”

Friedewald war klar, dass er die junge Dame nicht von ihrem Vorhaben würde abbringen können. Deshalb schaute er sie lediglich besorgt an, ohne sie weiter unter Druck setzen zu wollen. “Gut, wie Ihr meint. Dennoch denke ich, Ihr solltet in Erwägung ziehen, Euren Schutz durch ein oder zwei Schwerter, denen Ihr vertrauen könnt, zu erhöhen. Es sollte hierbei auch nicht an fehlender Münze scheitern. Lützeltal ist zwar nicht wohlhabend, aber den Sold für einen zusätzlichen Wachmann, der Euch und mein Enkelkind schützt, werden wir für die nächsten Monde aufzubringen wissen.” Es wurde deutlich, dass der Weissenqueller an dieser Stelle keine weiteren Argumente in die Waagschale zu werfen hatte.

Doch dann schaute er Tsalinde noch einmal ernsthaft an. “Eines noch: egal, was zwischen Euch und Gudekar vorgefallen ist, Gudekar ist ein guter Mensch. Gebt ihn nicht auf! Er wird weder Euch noch irgend einem anderen Eurer Reisegemeinschaft etwas Böses antun. Ich glaube nicht, dass dies in seiner Art liegt.“

“Das glaubt ihr? Oder wisst ihr das? Verzeiht mir bitte, aber noch vor wenigen Tagen hätte ich euch da nicht widersprochen, doch heute bin ich mir da nicht mehr so sicher.”

Friedewald überlegte stil, wie die Dame ihre Worte gemeint haben könnte. Scheinbar war auch er nicht sicher, wie er über Gudekar denken sollte. Doch lagen seine Gedenken weniger in dem Einfluss durch die arkane Macht, denn diese Auswirkungen hatte er nicht selbst erlebt. Vielmehr sorgte er sich um Gudekars grundsätzliche moralische Gefestigtkeit, die schließlich auch durch die Affäre mit Tsalinde in Frage gestellt wurde.

Dann dachte sie kurz nach und fügte hinzu: “Ich danke euch dafür, dass ihr euch Sorgen macht und ich verspreche euch, dass ich auf euch zukommen werde, sollte ich eure Unterstützung benötigen. Verzeiht mir aber bitte, dass ich euer Angebot zum jetzigen Zeitpunkt nicht annehmen kann. Ehrlich gesagt, muss ich mir selbst erst noch über einiges klar werden und mit meiner Baronin Rücksprache halten, doch ich werde mich an euch wenden, sollte ich etwas benötigen.”

“Gut”, gab Friedewald nun endgültig nach. “Ihr wisst vermutlich am besten, wie Ihr Euch vor dem Paktierer schützen könnt. Mein Angebot steht.” Nach einer kurzen Pause schaute er sie fragend an und fragte ernstlich interessiert: “Was habt Ihr als nächstes vor?”

“Habt Dank werter Herr. Ich werde so bald wie möglich in mein Lehen zurück kehren und mich mit meiner Baronin beraten. Wenn ihr es wünscht, werde ich euch auf dem Laufenden halten, wie es mir und dem Kinde ergeht.”

“Das würde mich natürlich sehr freuen.” Friedewald schaute die Dame von Kalterbaum abwartend an, ob sie noch etwas sagen wollte.

“Dann euer Wohlgeboren, möchte ich euch nicht länger belästigen. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben.”

„Ich danke Euch, dass Ihr gekommen seid und wir so die Dinge klären konnten“, antwortete der Edle. Er ging zur Tür und hielt diese für die Edle von Kalterbaum und ihre Zofe auf. Dann bemerkte er noch einmal: „Ich bedauere Eure Entscheidung zu tiefst, aber ich werde sie akzeptieren. Doch, wenn Ihr es Euch noch einmal anders überlegt, die Tore in Lützeltal stehen für Euch offen! Ich wünsche Euch alles Gute und viel Glück auf Eurem schweren Weg! Mögen die Götter auf Eurer Seite sein und Euch behüten! Bei Travia!“

“Habt Dank und seid versichert, dass ich dieses Gespräch nicht vergessen werde. Mögen die Götter euch und den Euren wohlgesonnen sein.”

Nachdem die Edle gegangen war, setzte sich Friedewald auf seinen Stuhl und dachte einen Moment schweigend nach. Dann stand er auf, wusch sich gründlich und legte seine Kleidung an. Er hatte mit seinem Sohn zu reden. Also verließ er sein Zimmer und ging hinüber zur Tür, hinter sich Gudekars Kammer befand.

Vater und Sohn, Part II

2. Firun 1043 B.F., am frühen Morgen im Gasthaus von Poluik.

Personen:

Das Gespräch

Gudekar war bereits früh wach an diesem Morgen. Überhaupt hatte er nicht viel geschlafen in der letzten Nacht. Zu sehr war sein Geist von den Ereignissen und Erkenntnissen des Vortags aufgewühlt. So war er bereits aufgestanden und hatte sich angekleidet, das grüne Gewand seines Ordens. Jetzt saß er an dem kleinen Schreibpult und verfasste Korrespondenz.

„Liebste Meta,

viel ist geschehen in den letzten Tagen seit meinem letzten Brief an dich. Und es dauert mich, dass ich nicht bei dir sein kann. Kein Tag ist seit dem vergangen, an dem ich nicht an dich gedacht habe, keine Nacht, in der ich nicht nach dir geschmachtet habe.

Doch nun habe ich eine Neuigkeit erfahren, die dir nicht schmecken wird. Doch lass mich von vorne beginnen. Nachdem ich“

Es klopfte an seine Tür. Genauer gesagt polterte es gegen seine Tür. „Gudekar, Junge!“ hörte er die Stimme seines Vaters aufgebracht rufen. „Komm sofort rüber in mein Zimmer! Wir haben zu reden.“ Der Vater versuchte, die Tür zu öffnen, doch diese war von innen verriegelt, worüber Gudekar nun froh war. Schnell ließ der Magier den begonnenen Brief in der oberen Schublade des Schreibpultes verschwinden. Erst dann ging er zur Tür, entriegelte sie, öffnete sie einen Spalt. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass tatsächlich sein Vater draußen stand, schlüpfte Gudekar auf den Flur und Zug die Tür hinter sich zu.

Der Lützeltaler Edle schaute seinen Sohn fragend an. “Sag, Gudekar, hast du etwas vor mir zu verbergen, oder warum lässt du mich nicht hinein?”

“Wieso fragt Ihr, Vater? Wollt Ihr mir hinterher schnüffeln? Was sollte ich vor Euch zu verbergen haben? Wieso glaubt Ihr so etwas? Aber bitte”, der Magier öffnete seine Zimmertür und deutete mit dem Arm schwungvoll eine einladende Geste an, “kommt herein, schaut Euch um, wollt Ihr mein Zimmer kontrollieren?” Friedewald warf unwillkürlich einen Blick in das Zimmer, dass äußerst ordentlich aussah. Die Bettdecke war aufgeschlagen, jedoch war das Bett kaum aufgewühlt. Das Schreibpult war aufgeräumt. Die Kleider lagen ordentlich verstaut oder hingen an einem Haken an der Wand. Als Friedewald dann tatsächlich in das Zimmer trat, schloss Gudekar die Tür hinter ihm, ging zum Schreibpult und öffnete die untere der beiden Schubladen. Spöttisch kommentierte er: “Wollt Ihr auch meine Schränke und Schubladen durchsuchen?”

“Ach Gudekar, nun sei nicht albern! Was ist mit dir denn? Vom Durchsuchen deines Zimmers war doch nie die Rede, ich wollte lediglich mit dir reden. Die Dame von Kalterbaum war bei mir. Stimmt es etwa, was sie über dich berichtet hat? Was ist in dieser Ruine passiert?”

“Nun gut, lass uns reden”, bemerkte Gudekar in einem deutlich freundlicheren, fast schon resignierten Tonfall. “Und als erstes sag mir, was Tsalinde dir über die Ereignisse in der Kammer erzählt hat.”

“Nicht viel, lediglich, dass dir die Macht dort zu Kopf gestiegen sei.” Friedewald drehte sich weg und ging einen Schritt vor den langsam erlöschenden Kamin. Mit einem Schürhaken stocherte er in der Glut, die noch einmal aufflackerte. Langsam legte er zwei Holzscheite nach.

„Pfft“, pustete Gudekar aus. “So ein Stuss. Ja, die Energie, die dort geflossen ist, hat ein gutes Gefühl verbreitet. Doch war wohl eher ich es, der versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren. Die anderen Ermittler, allen voran dieser Mersinger und die Zofe der Baronin di Triavus, waren vollkommen außer sich und schienen uns die arkanen Kräfte nicht gegönnt zu haben, die uns in der Kammer zuteil wurden. Unvermittelt griffen sie Adelchis und mich an und wollten uns überwältigen, obwohl wir von uns aus keinem der Gefährten etwas getan hatten. Warum auch hätten wir ihnen etwas antun sollen? Sie sind unsere Gefährten, und in einer solchen Gemeinschaft sollte Vertrauen herrschen. Doch genau dieses Vertrauen wurde uns nicht zuteil. Ich hatte lediglich versucht, das Leben von Adeptus Adelchis und mir zu retten, und habe dabei noch sehr umsichtig versucht, jegliches Leid von den anderen abzuwenden. Doch gerade meine Verteidigungsversuche werden mir nun vorgeworfen.” Nervös lief der Magier im Zimmer auf und ab. “Vater, auch Tsalinde scheint meine Taten falsch gedeutet zu haben.” Er ging zu seinem Vater, nahm ihn in den Arm und legte seinen Kopf auf die Schulter des Edlen. Dass dem Magier eine Träne über die Wange lief, konnte Friedewald nicht sehen, jedoch vernahm er, dass die Stimme seines Sohnes brach. “Auch sie wirft mir vor, ich hätte ihnen allen etwas angetan. Sie traut mir tatsächlich zu, ich hätte versucht, ihr etwas zu tun und dem Kind zu schaden. Dabei hatten wir uns doch zuvor so gut verstanden. Sonst wäre es ja wohl auch kaum zu dem… Vorfall in Herzogenfurt gekommen.” Gudekar schniefte. “Selbst Eoban, den ich als Freund bezeichnen möchte und dem ich von allen am meisten vertraue, blickt mich seit der Untersuchung der Kammer mit einem eisigen Blick an, der das Wetter dort draußen,” Gudekar blickte aus dem Fenster, vor dem gerade ein neuer Schneeschauer tobte, “wie eine laue Sommerbrise wirken läßt.”

Friedewald versuchte seinen Sohn zu trösten, indem er ihm auf den Rücken tätschelte. „Komm, Gudekar, lass uns ein wenig spazieren gehen. Die frische Winterluft wird uns beiden gut tun.“

„Wie Ihr wünscht, Vater. Ihr habt recht, die Kälte schärft den Geist.“ Gudekar trocknete die Tränen in seinen Augen. Dann legte er seinen Wollmantel um und zog eine Mütze unter der Kapuze des Umhangs an. Auf dem Weg nach draußen zog auch Friedewald seinen Mantel an, während Gudekar seine Zimmertür sorgfältig verschloss.

Der Schneeschauer ließ ein wenig nach, so dass nun das frühe Tageslicht die Straßen des Dorfes erhellte. Dennoch war wohl noch niemand unterwegs zu sehen. Die meisten Bewohner waren entweder noch vom vortägigen Lichterfest zu träge, oder suchten sich Tätigkeiten in der warmen Stube oder den trockenen Stallungen. So liefen Vater und Sohn einsam durch das Dorf, zunächst schweigend nebeneinander.

Nach einigen Schritten in Stille blieb Friedewald stehen und schaute Gudekar ernst in die Augen. “Du sprachest von Vertrauen. Doch hierbei muss ich auch zu deinem Verhalten etwas anmerken. Ich bin schockiert, was die Dame von Kalterbaum erzählt hat. Wie kannst du nur denken, ich wollte ihr oder ihrem Kind etwas antun?”

“Unserem Kind!” korrigierte ihn Gudekar.

“Eurem Kind, ja sehr wohl.” Der Edle drehte sich von seinem Sohn ab. Von einer niedrigen Mauer, die einen Vorgarten einfriedete, sammelte er den Schnee auf und formte langsam eine Kugel daraus, “Aber genau das ist die Sache. Die Dame von Kalterbaum scheint zu beabsichtigen, das Kind allein großzuziehen.”

“Was soll sie auch anderes tun?”, fragte der Anconiter verständnislos. “Ich bin gebunden, ich wurde ja bereits verheiratet. Außerdem erwartet auch Merle ein Kind. Ich kann wohl kaum der Vater der Kinder zweier verschiedener Frauen sein, zumal Tsalinde nicht in Albenhus wohnt.”

“Nein, das kannst du nicht”, sagte er langsam, nachdenklich den Schneeball von einer Hand in die andere fallen lassend. Dann drehte er sich abrupt um und sprach energisch: “Aber der Traviatempel könnte sich des Kindes, eures Kindes annehmen. Dies war, was ich ihr vorschlug.”

Erschrocken rief Gudekar: “Wie bitte? Was habt Ihr ihr vorgeschlagen?”

“Meine Forderung war und ist, dass das Kind, das aus einem Traviafrevel heraus gezeugt wurde, der guten Mutter geweiht wird, um den Frevel wiedergutzumachen”, bekräftigte er mit fester Stimme.

Der Magier wurde immer aufgebrachter. “Was habt Ihr gefordert? Sagt mal, Vater, geht es Euch nicht mehr gut?” Nach einer kurzen Pause redete er weiter.  “Und was hat Tsalinde geantwortet?”

Ruhig mit einem Ton von Gleichgültigkeit antwortete der Edle: “Sie hat dies von sich gewiesen, sie möchte das Kind behalten.”

Wütend kommentierte Friedewalds Sohn: “Ich habe nichts anderes erwartet. Und nun, was werdet Ihr nun tun? Ihr das Kind gewaltsam entreißen, um es den Dreifeldern zu geben?”

“Sohn, wie kannst du so etwas nur denken. Ich habe ihr vorgeschlagen, sie solle doch in Lützeltal verweilen, bis das Kind zur Welt kommt. Vielleicht könnten wir sie dort zur Vernunft bringen.”

“Aha, und ist sie auf deine Einladung eingegangen?” bemerkte er spöttisch. Gudekars Augen funkelten vor Ärger. Entsprechend bissig klangen seine Worte.

“Natürlich nicht. Deshalb hoffte ich, du könntest mit ihr reden, und sie davon überzeugen, damit die richtige Entscheidung trifft.”

Gudekar war nun endgültig außer sich vor Zorn und brüllte seinen Vater an: “Vater, wann hört Ihr endlich auf, über mein Leben bestimmen zu wollen, oder das Leben derer, an denen mir etwas liegt? Das ist Tsalindes Kind, sie entscheidet was mit ihm geschehen soll! Ihr habt Euch schon immer in mein Leben eingemischt, habt schon immer über mich bestimmt. Ihr habt mich als Kind in die Fänge dieses alten Irren gegeben, habt zugelassen, dass mich nach seinem Tod das Anconiterkloster aufnehmen musste. Ihr und Liudbirg und Reginbald, Ihr habt damals beschlossen, dass Merle und ich heiraten müssen, habt uns in die frühe Ehe gedrängt!”

“Aber ihr beide liebt euch doch! Und wir haben es euch ermöglicht, diese Liebe vor Travia zu legitimieren, trotz aller Standesunterschiede.”

“Ja, wir waren damals verliebt ineinander. Aber Merle war noch fast ein Kind. Und ich war frisch von der Akademie zurück. Habt Ihr uns jemals gefragt, was WIR wollten? Habt Ihr mich gefragt, welche Ambitionen ich hatte? Ich hatte mein Leben dank Euch den Anconitern verschrieben. Ich wollte in die Welt ziehen und Gutes tun für die Menschen, dort, wo ich wirklich gebraucht werde, und nicht in den Klostermauern versauern. Ich hätte damals auf Kalman hören sollen. Dieses eine Mal hätte ich auf meinen Bruder hören sollen!”

Eine eisige Stille trat zwischen Vater und Sohn.

Nach schier endloser Zeit sprach Friedewald mit bleiernder Stimme: “Gut, Meister Gudekar. So sei es ich halte mich aus Eurem Leben heraus. Ich habe nichts mehr mit der Sache zu tun!”

Wortlos gingen beide noch eine Weile nebeneinander her.

Briefwechsel

Brief von Gudekar an Tsalinde

Folgenden Brief steckt Gudekar Tsalinde noch zu, bevor sich ihre Wege trennen. An Tsalinde von Kalterbaum, Edle von Kalterbaum, Baronie Gernebruch

Werte Tsalinde, Euer Wohlgeboren,

wenn Ihr diese Zeilen lest, haben sich unsere Wege bereits getrennt, und wir hatten keine Gelegnheit mehr, uns noch einmal auszusprechen. Dabei gäbe es noch so vieles, was ich Euch zu sagen hätte, so vieles, das mir Sorgen bereitet.

Es tut mir zutiefst leid, wie sich die Dinge in Liepenstein entwickelt haben. Ich bitte Euch, das Verhalten meines Vaters zu verzeihen. Er ist manchmal ein alter, verbohrter Narr.

Gebt gut auf Euer Kind, auf UNSER Kind acht! Lasst nicht zu, dass irgendjemand es Euch wegnimmt, lasst nicht zu, dass mein Vater es in den Tempel steckt! Ich werde versuchen, noch einmal mit ihm zu reden, und ihn davon zu überzeugen, das Richtige zu tun.

Ich kann aus verschiedenen Gründen nicht für Euch und für das Kind da sein, wie Ihr es verdient hättet, doch gelobe ich, alles für das Kind zu tun, was in meiner Macht steht.

Ich bitte Euch um Euret Willen, um des Kindes Willen: Gebt auf Euch acht! Bringt Euch in Sicherheit. Niemand von uns ist sicher, niemand weiß, wann und wo der Paktierer auf uns wartet. Es wäre furchtbar, wenn Euch etwas ähnliches passieren würde, was Reto widerfahren ist.  

Euer ergebenster Adeptus Major

Gudekar von Weissenquell

Firun im Jahre 1043 nach dem Fall des mächtigen Bosporanischen Reiches  

Tsalindes Brief an Friedewald von Weissenquell

Euer Wohlgeboren Friedewald von Weissenquell, dies ist nun der dritte Versuch die richtigen Worte zu finden um euch zu informieren, doch ich finde einfach nicht die richtige Formulierung um euch schonend zu erzählen, was sich in der Zwischenzeit ergeben hat. Deshalb werde ich einfach nicht lange drumherumreden.

Am 12.Tsa werde ich mit Lys von Kargenstein den Traviabund eingehen.

Lys von Kargenstein war ein Plötzbogner und somit ist nicht nur der gesellschaftliche Stand meines Kindes und mir gesichert, sondern auch unsere körperliche Unversehrtheit ist wesentlich sicherer.

Ich hoffe, ihr könnt euch für das Baby und mich freuen.

Den Zwölfen zum Gruße

Tsalinde von Kalterbaum

Glückwunschschreiben von Friedewald an Tsalinde

An Tsalinde von Kalterbaum, Edle von Kalterbaum, Baronie Gernebruch

Lützeltal, Grafschaft Albenhus, 29. Firun 1043 B.F.  

Eure Wohlgeboren von Kalterbaum,

ich danke Euch für Eure ehrliche und aufrichtige Nachricht. Ich bin zwar noch immer der Ansicht, Ihr habt den falschen Weg eingeschlagen und Euer Kind hätte eine andere Zukunft bedurft, doch habe ich Gudekar versprochen, mich nicht mehr in sein oder in Euer Leben einzumischen. Diesem Versprechen fühle ich mich verpflichtet.

Auch, wenn ich eine andere Sichtweise auf die Sache habe, kann ich Euren Schritt nachvollziehen, und denke, dass Ihr das einzig Vernünftige getan habt, was in dieser Situation – nach Eurer Entscheidung, dass Kind bei Euch zu behalten – noch möglich war, zu Eurem Wohle und zum Wohl des Kindes.

Ich habe lange mit meinem Sohn Kalman diskutiert, was das richtige Handeln für das Haus Weissenquell wäre. Einerseits möchte das Haus Weissenquell Euch seine Ehrerbietung bringen und unseren Respekt zollen, weswegen ich sehr gerne zu Eurer Hochzeit gereist wäre, oder zumindest meinen Sohn als Delegation gesandt hätte. Doch sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass wir Euren Gemahl  nicht unnötig mit unserem Erscheinen in Verlegenheit bringen wollen.  Deshalb bitte ich das Fernbleiben des Hauses Weissenquell von den Feierlichkeiten zu vergeben.

Wir wünschen Euch und Eurem Gemahl alles erdenklich Gute, ein erfülltes Leben und dass Mutter Travia stets ihre schützende Hände über Eure Familie ausbreite.  Möge Tsas Segen über Eure Ehe kommen und Eurem Gemahl zahlreiche eigene Kinder schenken. Und er Euch ein guter Ehemann und Euren Kindern ein guter Vater sein, auch Eurem Kind, das das Blut der Weissenquells in sich trägt!

Zeitgleich mit diesem Brief haben wir einen Knecht mit dem Karren losgeschickt, der zwei Fässer Gerstensaft, eine Kiste Pökelfleisch und Räucherkäse sowie eine Wiege aus Lützeltaler Buche geladen hat. Nehmt diese Güter als Geschenk für Euer Traviafest. Möge der kleine Weissenquell in der Wiege stets ruhigen Schlaf finden.

In der Hoffnung auf anhaltende freundschaftliche Beziehungen zwischen unseren Häusern verbleibe ich mit den besten Wünschen

Euer ergebenster

Friedewald von Weissenquell

Besuch in Elenvina

Weissenquells in Elenvina

Bei der Anreise von Gudekar zum Empfang auf der Eilenwïd-über-den-Wassern in Elenvina kommt es zu einem ungeplanten Familientreffen.

Setting

Personen

Akademie der Herrschaft

20. Ingrimm 1043 B.F., nachmittags, Akademie der Herrschaft “Onkel Gudekar! Was macht Ihr denn hier?” Sichtlich erfreut begrüßte der Scholare den Anconiter mit einer stürmischen Umarmung. “Morgan, mein Junge! Wie geht es dir? Ich wollte unbedingt mal wieder nach dir schauen.” Gudekar beugte sich etwas nach vorn, doch musste er sich nicht allzu viel bücken. “Du bist gewachsen, Morgan. Bald hast du mich eingeholt.”

Der junge Magieschüler lachte. “Das liegt mit Sicherheit nicht an dem guten Essen hier in der Akademie.”

“Hm, ist es immer noch so schlecht wie sein Ruf?”, fragte der Ältere nach. “Aber ihr sollt ja auch nicht im Genuss schwelgen, sondern fleißig Eure Thesen lernen. Sag, was machen die Studien?”

“Nun”, wurde Morgan ganz kleinlaut, “es könnte wohl etwas besser laufen. Doch sprecht Onkel, was treibt Euch schon wieder nach Elenvina. Ihr seid ja in letzter Zeit bald öfter hier als im Lützeltal.”

“Das wohl, das wohl!”, bestätigte Gudekar. “Nun, einige Gefährten und ich haben eine Audienz bei der Herzogenmutter wegen der, nun, sagen wir wegen unserer Mission. Und Meister Adelchis lud mich ein, die Nächte vorab hier in der Akademie zu verbringen. Dies schont die Geldkatze und ich kann in der Bibliothek einige Studien durchführen.”

“Dann weiß Ihre Spektabilität, dass Ihr angereist seid?”

“Ich gehe davon aus, dass Adeptus Adelchis alles geregelt hat”, antwortete Gudekar und legte seinen Reisemantel ab.

“Gut, dann gebe ich Bescheid, dass Ihr angekommen seid und frage, ob ich Euch zu Eurem Zimmer führen darf.” Mit diesen Worten war Morgan durch eine Tür verschwunden. Gudekar stand allein in der Empfangshalle und schaute sich um. Es stimmte ihn traurig, wie heruntergekommen diese Akademie selbst hier, in der Eingangshalle aussah, wenn man nur genau hinschaute.Es war deutlich, dass der Akademie nicht nur an Anerkennung, sondern vor allem an klingender Münze mangelte. ‘Oh weh, wie könnte sich dies doch wandeln, wenn es uns, der Bruder- und Schwesternschaft zusammen mit der Akademie, gelingen würde die magische Kammer in der Liepensteiner Ruine nutzbar zu machen’, dachte er.

Es verging eine Weile, dann kehrte sein Neffe zurück. “Kommt, Onkel, ich soll Euch auf Euer Zimmer führen. Ihre Spektabilität wird Euch später empfangen.” Morgan griff sich Gudekars Reisegepäck und führte ihn in den Schlaftrakt, wo ein Bett für den Gast gerichtet worden war. “Habt Ihr Großvater schon gesehen?”

“Warte, Morgan!” Gudekar blieb überrascht stehen. “Dein Großvater ist in der Stadt? Du meinst Großvater Friedewald?” Das hatte ihm gerade noch gefehlt.

“Ja, schon eine Weile”, berichtete Morgan. “Er war mit Mika, Tante Mika, bei den Zwergen und hat Mika eine Weile dort gelassen.” Das Wort ‘Tante’ in Verbindung mit Mika klang skurril, war sie doch kaum älter als ihre beiden Neffen Lukardis und Morgan.

“Morgan, du solltest nicht ‘Zwerge’ sagen, das ist beleidigend. Man nennt sie ‘Angroschim’”, belehrte Gudekar.

“Gut, jedenfalls ist Mika noch bei den ‘Angroschim’ und Großvater holt sie in den nächsten Tagen dort wieder ab, bevor sie nach Albenhus zurückreisen. Er wollte sich morgen Abend bei mir verabschieden kommen.”

“Dann werde ich morgen wohl nicht in der Akademie verweilen. Es gibt noch andere Orte, an denen ich nach dem Rechten sehen sollte.” Gudekar klang nicht erfreut.

“Ach, Unsinn, Großvater wird sich freuen, dich zu sehen. Er freut sich immer, wenn die Familie beisammen ist.”

‘Morgan ist so naiv!’, dachte Gudekar.

Vater und Sohn, Part III

21. Ingrimm 1043 B.F., mittags, Gasthaus Nest

“Vater!”

“Es ist schön, dich zu sehen!” Der alte Weissenqueller hatte sich von seinem Stuhl erhoben, als sein Sohn eintrat und ihn ansprach. Er deutete auf den Stuhl im gegenüber. “Setz dich, mein Junge!”

“Was treibt Euch nach Elenvina?”, fragte Gudekar kurz angebunden.

“Oh, das gleiche könnte ich dich fragen. Solltest du nicht in Albenhus bei Merle sein? Ist die Geburt gut verlaufen? Ist das Kind gesund?”, antwortete Friedewald mit einem Schwall von Gegenfragen.

Der Magier wirkte angespannt. “Ich habe zuerst gefragt”, blaffte er etwas ungehalten.

“Oh ja”, Friedewald war spürbar pikiert, “ich solle mich ja aus Eurem Leben heraushalten. Also gut, ich zuerst. Nun, der gute alte Borix hat in Ishna Mur ein neues Lehen erhalten, und zu den Feierlichkeiten bin ich dorthin gereist. Ich fand es eine gute Idee, Mika mitzunehmen, denn Borix und vor allem seine Frau Murla hatten sich ja nach Mutters Tod so gut um Mika gekümmert. Jedenfalls wollte Mika dort gar nicht mehr weg, und da haben wir ausgemacht, dass sie eine Weile dort bleibt. Und ich dachte, dann könnte ich die Zeit nutzen, ein paar alte Verbindungen in Richtung Efferd aufzufrischen, bis ich Mika wieder abholen muss. Und nun erzähl du! Wie geht es Merle und dem Kind? Sind sie wohl auf?”

Sein Sohn rutschte auf seinem Stuhl hin und her. “Ja, es ist alles gut verlaufen. Das Kind ließ sich ein paar Tage Zeit, und das war gut so, denn so war ich rechtzeitig aus Linnartstein zurück. Merle ist gesund und kam schon langsam wieder zu Kräften, als ich Albenhus verließ. Und Liudbirg Rotrude – so haben wir meine Tochter genannt – ist ein kräftiges Kind. Sie kann schon ausgesprochen laut schreien.”

Friedewald strahlte vor Stolz, erneut Großvater geworden zu sein. Noch mehr freute er sich, dass Gudekar als Namen für das Mädchen die Namen der beiden Großmütter gewählt hatte: Liudbirg nach Mutter Dreifeld, der Traviageweihten in Albenhus, die das Waisenkind Merle aufgezogen hatte, und Rotrude nach Gudekars Mutter, die leider viel zu früh bei einem Reitunfall gestorben war. Doch dann verfinsterte sich sein Blick. Das freut mich sehr zu hören, doch musst du mir zwei Dinge erklären: wieso warst du vor der Geburt unterwegs? Und wieso bist du es jetzt schon wieder?”

“Nun”, erklärte Gudekar mit einem gewissen stolz, “ich wurde aufgrund der Mission, in der ich in den letzten Monden seit dem Flussfest des Öfteren unterwegs war, zu einem Empfang auf der Eilenwid eingeladen, um Heroen zu ehren, die in einer ähnlichen Mission erfolgreich waren.” Er war überzeugt, dass die Albenhuser Ermittler früher oder später auf die gleiche Art geehrt werden würden. Sie mussten nur noch ihre Mission zu Ende bringen.

“Das ist eine gute Sache”, bestätigte Friedewald. “Doch erklärt es nicht, warum du vor der Geburt auf Reisen warst. Und mir ist zu Ohren gekommen, dass dies nichts mit deiner ‘Mission’ zu tun hatte.” Sein Blick war scharf, angriffslustig. Es war deutlich, dass Friedewald den Grund der Reise zu wissen glaubte und seine eigene Sichtweise seinem Sohn nicht schmecken würde.

“Nun ja, Vater, in Linnartstein stand eine Hochzeit zwischen dem Haus vom Traurigen Stein und dem Haus Altenberg an. Und da es, wie du dich vielleicht noch erinnern kannst, Vater”, diese Worte klangen zutiefst vorwurfsvoll, “ besteht bzw. bestand eine Verwandtschaftliche Beziehung zwischen unserem Haus und den Altenbergs.”

Wütend gab das Familienoberhaupt der Weissenquells zurück: “Und du maßt dich an, dorthin als offizieller Vertreter der Weissenquells zu reisen?”

“Weder du noch Kalman schienen ja interesse an den Beziehungen zur Familie deiner SCHWESTER - Boron sei ihr gnädig - zu haben!”

“Luzia war eine Hure!”, schrie Friedewald seinen Sohn an. “Es war unsere Entscheidung, nach ihrem Tod mit ihrer Familie alle Beziehungen abzubrechen.”

“Sie war eine Geweihte der lieblichen Göttin! Vater, das ist Göttinnenlästerung!”

“Sie hat sich verhalten wie eine Hure. Und ihr Tod war die gerechte Strafe der Götter dafür.” Der Edle beruhigte sich langsam wieder. “Nun, sei es, wie es ist. Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist es gut, die alten Geschichten zu vergessen und alte Bande neu zu knüpfen. Wie hast du es überhaupt geschafft, eine Einladung zu dieser Feier zu bekommen? Seit Jahrzehnten gab es keinen Kontakt mehr zwischen den beiden Häusern.”

Gudekar überlegte kurz, wie er es am besten erklärte. “Als ich im Travia im Schweinsfoldischen war, traf ich dort auf einige Angehörige der Altenbergs. Und in den Gesprächen ist dann die Verknüpfung unserer beider Familien deutlich geworden.”

“Das war auf dieser Hochzeit, oder, Gudekar? Diese Hochzeit wo du und…”, grübelte der Edle.

“Ja…?”, fragte sein Sohn in leichter Abwehrhaltung nach.

“Nun”, Friedewald holte tief Luft. “Es scheint viele Hochzeiten gegeben zu haben dieses Jahr.”

Gudekar schaute seinen Vater fragend an. “Gab es noch eine weitere Hochzeit, von der ich nichts weiß, aber von der ich wissen sollte?”

Friedewald nickte ganz langsam, antwortete aber zunächst nicht. Erst als der bohrende Blick seines Sohnes immer unangenehmer wurde, gab er nach. “Deine Tsalinde hat geheiratet. Es war wohl, vermute ich, eine Zweckehe. Doch damit ist das Problem deiner zweiten Vaterschaft gelöst. Ich denke, es ist für alle Beteiligten das Beste.” Friedewald nickte eindringlich bestätigend.

“So, ist es das?”, fragte der Anconiter.

Empfang auf der Eilenwïd

Die Albenhuser Ermittler sind zu einem Empfang auf Eilenwïd-über-den-Wassern geladen, um eine andere Gruppe von Recken zu Ehren.

Setting

Personen

Ankunft der Gäste

...

Zu guter Letzt trat ein in ein grünes Gewand gekleideter Mann mittleren Alters dazu. Auf den ersten Blick ein Diener der Peraine, doch bei genauerem Hinsehen erkannte man die Attribute der grüngewandeten Magierschaft der Anconiter. „Adeptus Major der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilzauberei des Anconius vom Kloster zu Albenhus: Gudekar von Weissenquell.“

Der Magier war in seine grüne Festrobe gekleidet und trug einen farblich passenden Filzhut. Beim Schreiten stützte er sich auf seinen langen Magierstab, auch wenn der Gang des Anconiters deutlich machte, dass dies eher eine Angewohnheit war, als dass er den Stab tatsächlich benötigte. Auch über seiner Festrobe trug er eine über die Schulter gegürtete braune Ledertasche. Dunkle Ringe unter den grauen Augen deuteten darauf hin, dass der Magier in letzter Zeit wenig Schlaf gefunden hatte. Dennoch wirkten seine Gesichtszüge entspannt und zufrieden. Ja, er freute sich sichtlich, auf diesem Fest anwesend sein zu dürfen. “Eure Hoheit! Es ist mir eine Ehre und eine Freude, Euch wiedersehen zu dürfen! Habt Dank für die Einladung!”

Grimberta erwiderte Dank und Gruß mit einem Nicken.

Dann schaute Gudekar freundlich in die illustre Runde und grüßte mit einem knappen “Meine Damen, meine Herren!”, wobei er jeden Gast einzeln mit einem kurzen Kopfnicken bedachte. Eine Person bedachte er mit einem besonders freudigen Lächeln, obwohl sie sich bereits zuvor vor begegnet waren. “Eure Wohlgeboren von Kalterbaum!”

Immer wieder schaute der Magier Gudekar von Weissenquell während des Essens zu Tsalinde von Kalterbaum und suchte ihren Blickkontakt. Doch sie vor der versammelten Runde anzusprechen, traute er sich nicht. So hoffte er, im Salon bei einem Getränk in Ruhe mit ihr reden zu können. Er wollte wissen, wie es ihr - und dem Kind, das in ihrem Bauch wuchs - ging und wie sie nun, mit etwas Abstand, zu den Vorkommnissen und Missverständnissen während des Lichterfests stand.

Aus den Augenwinkeln versuchte der Albenholzer zu ergründen, wie es zwischen Gudekar und Tsalinde bestellt war.

Tsalinde und Gudekar

Nachdem die Altherzögin den Saal verlassen hatte, ließ sich Gudekar von Weissenquell noch einen Becher Wein einschenken. Bemüht unauffällig und doch zielstrebig suchte er dann die Nähe der Edlen Tsalinde von Kalterbaum. „Eure Wohlgeboren“, sprach er sie an, „wir hatten noch nicht die Gelegenheit, miteinander zu reden. Wie ist es Euch ergangen? Wie ist Euer Befinden?“

“Meister Gudekar, schön Euch einmal wiederzusehen. Wie Ihr seht, geht es mir gut. Es ist alles etwas anstrengend, aber ansonsten macht mir das Kind keinerlei Umstände.” Sie schaute verlegen zu ihm hin. “Wie geht es Euch? Ist Eure Familie wohlauf?”

“Es freut mich sehr, dass es Euch und Eurem Kind gut geht. Nach den Ereignissen im Firun war ich doch sehr um Euer Wohl besorgt.” Der Magier wirkte sehr angespannt, fast schon nervös, obwohl seine Worte einen fröhlicheren Gesichtsausdruck hätten erwarten lassen.  “Einerseits war ich froh, dass Ihr Euch dem Einfluss meines Vaters entzogen habt. Andererseits teilte ich natürlich auch die Sorge, der Feind könnte Euch nachstellen und etwas antun. Doch umso mehr freut es mich, dass dem nicht so ist. Meine Frau und ihr Kind sind bester Gesundheit, zumindest war dies so zu dem Zeitpunkt, als ich Albenhus verließ, um hierher zu kommen. Sechs -“, der Magier rechnete nach, “nein, wartet! Heute sind es exakt sieben Wochen, dass Liudbirg Rotrude Praios’ Antlitz erblickte.”

Derweil schlich Eoban durch den Saal und bewunderte die Wandteppiche - oder tat so.

“Eure Sorge in allen Ehren, Meister Gudekar, doch inzwischen bin ich, zumindest wenn ich auf Gut Kalterbaum weile, von meinem Mann sehr gut beschützt.” Tsalindes Augen glänzten, als sie hinzufügte: “Lys ist einfach wundervoll. Er hat dafür gesorgt, dass Gut Kalterbaum so gut beschützt ist, wie seit langem nicht mehr, und wir habe sogar einige Vorkehrungen speziell gegen den Bäcker-Pruch getroffen.”

Gudekar schluckte bei Tsalindes Worten. „Dann ist es wahr, was mir zu Ohren gekommen ist.“ Sein Blick verfinsterte sich noch weiter, als er es eh schon war. „Dann habt Ihr also einen Dummen gefunden, der Euer Bastardkind annimmt.“

Auch wenn wenn die Teppiche dem Raum etwas seiner Hellhörigkeit nahmen, diese Worte konnte der Albenholzer nicht überhören. Und so kam er fast aus dem Gleichgewicht, als er vernahm, was sein Freund da gerade über sein eigenes Kind sagte. Vorsichtig dreht er den Kopf Richtung Gudekar und Tsalinde.

Im ersten Moment war Tsalinde schockiert von den Worten ihres Gefährten, doch dann brodelte die Wut in ihr hoch. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und funkelte den Magier wütend an. “Gudekar von Weissenquell, wie könnt ihr es wagen euch derart zu benehmen?” Sie ballte ihre Hand zur Faust und wer sie kannte wusste, dass sie versuchte sich zusammen zu reißen. “Wir sind hier zu Gast, um Helden unserer Heimat zu ehren und ihr habt nichts anderes im Sinn, als meinen Mann, mein Kind und mich zu beleidigen?”

Eoban riss erschrocken die Augen auf.

Deutlich leiser sprach Gudekar weiter, so dass nur die in direkter Nähe stehenden es hören konnten. „Was habt Ihr? Könnt Ihr die Wahrheit nicht ertragen. Aus der Sicht Eures Gemahls ist das Kind ein Bastard. Was treibt einen jungen Mann an, sich ein solches Kuckucksei ins Nest zu holen? Ist er vielleicht nicht Manns genug, für eigenen Nachwuchs zu sorgen? Oder ist es gar kein Bastard? Vielleicht hatte er ja bereits in Elenvina das Vergnügen Eurer Gesellschaft?“

“Das, Meister Gudekar”, das Wort Meister troff geradezu vor Sarkamus, “geht euch nichts an.” Langsam und nach außen hin ruhig, setze Tsalinde sich wieder hin. “Bitte geht jetzt, ich möchte kein weiteres Wort mit euch wechseln solange ihr in derartiger Stimmung seid.”

“Wie Ihr wünscht, Euer Wohlgeboren.” Der Magier verbeugte sich vor Tsalinde und sprach wieder in normaler Lautstärke. “Ich wünsche Euch und Eurer liebreizenden Familie alles erdenklich Gute! Möget ihr glücklich und zufrieden miteinander werden! Hoffen wir, dass Euer Gemahl das Kind lieben wird, als wäre es sein eigenes.”

Tsalinde knurrte: “Geht mir aus den Augen, Gudekar, sonst vergesse ich mich.”

Hilfe suchend schaute sie sich im Raum um.

Vorsichtig näherte sich der Albenholzer der kleinen Gruppe. “Ist … ähm, wie steht es um Euch?” Knurrende Frauen mit böse funkelnden Augen machten ihn etwas nervös. Aber es war ihm nicht entgangen, dass hier ein paar angespannte Worte ausgetauscht wurden.

“Eines sage ich euch, Gudekar von Weissenquell. Mein Mann, Lys von Kargenstein, wird unser Kind und mich lieben und ehren wie ihr es euch nicht einmal vorstellen könnt.”

Schweigend blickte der Magier Tsalinde an. In seinen Augen lag eine Mischung aus Herausforderung, Verzweiflung, Trauer - und Eifersucht? Er fragte sich, ob dies auch noch so sein würde, wenn Tsalindes Gemahl wüsste, wessen Kind sie in ihrem Leib trug, behielt DIIESEN Gedanken jedoch für sich. Dann drehte er sich um und suchte nach einem Diener, von dem er sich einen neuen Becher Wein reichen ließ.

“Gngh … Ah, Tsalinde, Gude …” Da verließ der Anconiter die Runde und ließ die anderen beiden zurück. Mit verzweifelten Augen schaute Eoban ihm hinterher, widmete sich dann aber der Dame. Etwas verloren schaute er sie an. “Ist denn alles … ah, benötigt Ihr einen Rat?” ‘Hilfe’, dachte Eoban. Angespannte Damen waren nun wirklich nicht seine Stärke.

“Hoher Herr, ich danke euch.” Selbst Eoban konnte erkennen, wie die Anspannung aus Tsalinde wich, als die junge Frau sich wieder auf ihren Stuhl setzte. Eine kleine Träne rinnt ihr über die Wange. “Bitte verzeiht mir, das Kind in mir”, sie streichelt zärtlich über ihren Bauch, “lässt manchmal meine Gefühle mit mir durchgehen.” Sie schaute Gudekar traurig nach. “Ich kann seine Wut kaum ertragen.” Dann atmete sie tief durch. “Ach Eoban, ich wünschte, wir hätten diese verfluchte Kammer nie gefunden.”

Der Albenholzer überlegte kurz. Angespanntes Verhalten bei Schwangerschaft - da schien es einen Zusammenhang zu geben … “Hm, ihr habt das Richtige getan. Für Euch, das Kind und die Gemeinschaft. … Ich bin sicher, wenn das Land heilen wird, dann wird auch … Güte und Friede in diese Gruppe wieder einkehren.”

“Danke, das hoffe ich auch. Allerdings habe ich wenig Hoffnung. Das Verhalten unseres Gefährten macht mir wirklich Angst.” Ein Schauer lief Tsalinde über den Rücken. “Stellt euch vor, Gudekar hätte zusätzlich noch unter dem falschen Einfluss gestanden.” Dann wurde sie leichenblass und flüsterte: “Glaubt ihr, Gudekar frevelt öfters gegen die Herrin Travia?” Ihr Augen wurden groß. “Könnte unser Gefährte unter dem Einfluss des Dämons stehen?”

Eoban erschrak. Eine Eiseskälte rannte ihm den Rücken hinunter. Wohin war der unerkannte Reisende unterwegs? Nach Lützeltal? Aus dem Augenwinkel beobachtete er den Anconiter, wie sich dieser an einem Glas Wein festhielt. Dann zu Tsalinde, hockend und leise: “... ich weiß nicht. … Aber wir sollten achtsam sein.” Eoban nahm sich vor: er würde das Gespräch mit seinem Freund suchen, sobald sich eine Möglichkeit ergab, ohne ihn direkt mit diesem Gedanken zu konfrontieren. Aber noch einen Menschen an den Frevler zu verlieren, so wie den Edlen von Limmburg, das war zu vermeiden. Besonders in dieser Gemeinschaft, seinen Freunden und Gefährten.

Nachdenklich antwortete Tsalinde: “Ja, das sollten wir.” Dann rang sie sich zu einem Lächeln durch und fragte Eoban: “Sagt, Hoher Herr, wie ist es euch in den letzten Monden ergangen?”

Der Ritter lächelte zurück, etwas angespannt. Wie sollte er so schnell den jüngsten Gedanken verdrängen ...

“Wie ist es uns ergangen … Hm, wo fange ich an …” Eoban begann zu erzählen und blieb dabei in der hockenden Position. “Nach dem Firunfest haben wir weitere Vorsichtsmaßnahmen in Klingbach getroffen. … Aber auch das Miteinander gestärkt. Dieser Tage ist es wichtig, die Gemeinschaft zusammenzuhalten. Niemand sollte allein sein. Wir überlegen, einen eigenen Traviatempel in Poluik zu errichten und haben begonnen, die nötige Unterstützung dafür einzuholen. … Dass Margalin schwanger ist, wisst Ihr ja. Die Hebamme meint, es werden zwei. Das wird ein Abenteuer. Nächsten Mond ist die planmäßige Niederkunft. … Ansonsten war ich regelmäßig bei meinem Schwager Reto. Er hat sich noch immer nicht erholt von den Vorfällen in Elenvina … Und ich wartete auf weitere Aufgaben bzgl. unseres gemeinsamen Auftrages. Deswegen sind wir ja heute hier. Vielleicht kommt auch bald die Einladung nach Xorlosch?” Das Erzählen half ihm, seine Sorgen über Gudekar zu vergessen. Oder zumindest in den Hintergrund zu drängen. “ … Und Euch? Wie ist es Euch ergangen?”

Glücklich strahlte Tsalinde ihn an: “Ich habe am 12. Tsa mit dem Plötzbogner Lys von Kargenstein den Bund vor der Herrin Travia geschlossen. Wegen des vielen Schnees fand die Zeremonie in ganz kleinem Kreise statt, aber es war wirklich schön. Lys ist ein so wundervoller Mann. Er hat mir damals, nach unserem Abenteuer in Elenvina, mit ganz viel Geduld das Reiten beigebracht und jetzt ist er an meiner Seite und hilft mir, das Gut zu leiten und vor Ungemach zu schützen. Und er ist sehr, sehr lieb zu mir.” Kurz hielt sie inne, dann fügte sie nachdenklicher hinzu: “Nur schade, dass Gudekar es so schlecht aufgenommen hat. Von seinem Vater habe ich sogar eine wunderschöne Wiege für unser Baby erhalten und er ist so grantig zu mir.” Wieder schniefte die junge Frau und tupfte sich mit einem Tuch, dass sie aus ihrer Rocktasche holte, die Augen. “Hoher Herr, bitte verzeiht, dass ich so nah am Wasser bin, Gudekar hat mich wohl mehr getroffen als ich dachte und nach dem freundlichen Brief, den sein Vater mir schrieb, hatte ich gehofft, wir könnten freundschaftlichen Umgang pflegen. Bitte, glaubt mir, ich habe diese Zwietracht nicht gewollt.”

“Ihr habt geheiratet? Das freut mich.” ‘Auch wenn das doch recht plötzlich kam’, dachte Eoban. “Lys von Kargenstein sagt Ihr? Ein guter Mann. Schön, dass Ihr zueinander gefunden habt.” Er lächelte herzlich. Viel mehr warme Worte fielen ihm gerade nicht ein. Dann wieder etwas ruhiger: “Vielleicht ist Gudekar etwas überrascht … oder traurig. Grämt Euch nicht. Die Zeit wird es sicher richten. Und mit gutem Willen und Güte aus unserer Gemeinschaft wird es noch schneller gehen. Vielleicht hat er sich mehr Kontakt, freundschaftlichen Kontakt zu Euch gewünscht. Das soll keine Entschuldigung für seine Worte sein. Aber vielleicht macht es Euch das Herz leichter. In jedem Fall freue ich mich, dass der Großv …”, Eoban grübelte kurz. Wie wollten sie das mit der Familienbande halten? “... dass der Hohe Herr Friedewald Euch und das Kind mit Geschenken bedacht hat. Gute Bande mit der Familie … und Nachbarn sind wichtig. Ganz besonders in diesen Tagen.”

Eoban blickte sich noch einmal um. “Ich denke, ich sollte auch einmal nach Gudekar sehen. Vielleicht will er reden. Und ich würde gerne verstehen, was ihn bedrückt - wäre Euch das Recht?”

“Geht nur, vielleicht könnt ihr ihm helfen seinen Gram los zu werden.” Dann fügte sie mit einem Lächeln hinzu: “Habt Dank für eure lieben Worte und den guten Willen, Frieden zu halten und zu spenden. Ihr seid wirklich ein wahrer Ritter.”

“Habt Dank.” Der Ritter erhob sich und verneigte sich vor der edlen Dame. Dann versuchte er Gudekar im Raum ausfindig zu machen.

Eoban & Gudekar

Der Anconiter hatte sich einen neuen Becher Wein geben lassen und sich etwas abseits eine ruhige Stelle am Rande des Saals gesucht. Nachdenklich schaute er aus dem Fenster in die Weite des großen Flusses.

Der Albenholzer näherte sich ruhigen Schrittes seinem Freund und stellte sich neben ihn ans Fenster. “Was seht Ihr, Gudekar?”

Gudekar erschrak, als er aus seinen Gedanken gerissen wurde, und drehte sich um. “Ach Ihr seid es, mein Freund. Verzeiht, ich war in Gedanken versunken. Seht ihr das Wasser, das der Große Fluss mit sich trägt?”

“Ja. … … Eine natürliche Grenze der Stadt. Doch für den Fluss ist die Stadt die Grenze.” Eoban wunderte sich über sich selbst. Wie kam er auf diesen Gedanken …

„Ja, für die einen ist der Fluss eine Grenze, für andere ist er eine Lebensader. Doch seit Menschengedenken folgt der Fluss seinem Weg. Es schert ihn nicht, was wir Menschen tun, was um ihn herum geschieht. Das Wasser des Stroms folgt dem ihm vorherbestimmten Weg, Tropfen für Tropfen. Meint ihr, dem Strom kam es jemals in den Sinn, diesen Weg zu verlassen? Glaubt Ihr, einem Tropfen, einem einzelnen Tropfen kam dies je in den Sinn?“ Der Magier machte eine kurze Pause. Dann sprach er weiter: „Meint Ihr, es ist dem Fluss möglich, die ihm gesteckten Grenzen zu überschreiten?“

Doch noch mehr wunderte sich Eoban, welche Gedanken dem Magier durch den Kopf gingen. … Mit tiefer, voller Stimme antwortete er: “Wasser … Wasser zieht es stets zum Wasser. Ein Tropfen fällt und findet den Weg zum Fluss. Der Fluss findet den Weg zum Meer. Wasser kann sich wandeln. Doch Wasser ist immer Wasser. Jeder Tropfen ist das Meer. Und das Meer ist jeder Tropfen. Ach, die Menschen. Immer alles so kompliziert.” … Eoban erschrak über seine eigenen Worte. Was sprach da aus ihm. Er wendete den Blick vom Fluss ab. “ … Verzeiht, ich war irgendwie … in Gedanken. Er blickte den Magier an und versuchte sich zu erinnern, wie dessen Frage war. Mit milderer Stimme sprach er weiter: “Wenn ich an den Klingbach und die Ambrocebra denke - sicher, kann ein Fluss seine Grenzen verlassen. Und auch verschieben. Sind nicht so die ganzen Weiler nördlich von Lützeltal entstanden? … Aber was steckt hinter Eurer Frage?” Er legte seine rechte Hand väterlich auf die Schulter des jungen Mannes. “Wollt Ihr Euren Weg verlassen? Welche Grenze hindert Euch?”

Ja, was wollte Gudekar damit eigentlich sagen? Er wusste es selber nicht. “Aber ist es dem Fluss gestattet, von selbst seine Grenzen zu verschieben?” Gudekar dachte über die Sinnhaftigkeit seiner Frage nach und schüttelte dann schnell den Kopf. “Wisst Ihr, mein Freund, seit dem Flussfest haben sich Grenzen verschoben. In vielerlei Hinsicht.”

“Mh … Und ist das richtig für Euch, Gudekar? Beschreiben diese neuen Grenzen einen Ort, den Ihr Heimat nennen könnt?”

“Was? Nein, ich meine dies im übertragenen Sinne. Es hat sich so vieles verändert. Und es ist immer noch… im Fluss. Für uns alle.”

Eoban schaute den jungen Mann etwas verwirrt an. “Was hat sich für Euch verändert?”

Gudekar lenkte den Blick weg vom Fenster und schaute Eoban lachend an. “Die Frage ist wohl eher: was hat sich nicht geändert?”  

Gute Frage, dachte sich Eoban. Er stockte einen Moment … Dann leise: “Darf ich Euch eine Frage stellen? … Verzeiht mir meine Übergriffigkeit. Aber, wie geht es Euch mit Tsalinde und dem Kind?”

Der Magier drehte seinen Kopf langsam in Richtung der jungen Edlen. “Ich weiß es nicht. Ich finde, …, nein. Hm. Ich bin sehr überrascht. Eigentlich sollte es mir egal sein. Die Nacht im Park in Herzogenfurt hätte nie passieren dürfen. Es hätte nie dazu kommen dürfen, dass sie schwanger wurde. Aber es ist passiert. Zumindest hat sie behauptet, es sei dort geschehen. Kann ich mir dessen sicher sein? Wenn dem so ist, warum hat sie dann versucht, es vor mir zu verheimlichen? Warum hat sie sich nicht an mich gewendet? Wir hätten gemeinsam sprechen müssen, was geschehen soll. Stattdessen offenbart sie es mir in einer äußerst heiklen Situation, in der mich diese Nachricht dermaßen getroffen hat, dass dies hätte zu einer Gefahr für meinen Leib und mein Leben werden können, hätte mich just zu diesem Zeitpunkt ein weiterer Angriff dieser externen Ermittler ereilt. Wollte sie mir schaden?” Der Magier nahm einen tiefen Schluck aus seinem Weinbecher. “Und wieso heiratet sie so kurze Zeit später einen dahergelaufenen Söldner? Dies ist mir sehr, sehr suspekt. Was treibt diesen Mann an? Und wieder hat sie nicht vorher mit mir darüber geredet. Wenn es mein Kind wäre, das so einen neuen Vater bekommt, hätte sie nicht wenigstens mit mir darüber korrespondieren müssen? Ich finde dies alles äußerst suspekt.”

“Hm … Ich verstehe Euren Ärger. Wenn ich etwas dazu sagen darf: Es ist nicht immer einfach, die Gedanken der Gefährten zu verstehen. Vor allem in schweren Zeiten. Aber könnt Ihr Euch vorstellen, dass die Hohe Dame nur in guter Absicht gehandelt hat? … … Lasst mich vielleicht noch etwas sagen, über das ich nur selten spreche. Das Euch vielleicht aber noch einen anderen Blick eröffnet.” Jetzt flüsterte der Albenholzer wieder. “Wusstet Ihr, dass mein Vater und meine Mutter schon verstorben sind? … Gerne hätte ich mehr über ihre Motivation erfahren, mich in Obhut zu geben. Es hilft mir, zu wissen, dass sie nur das Beste für ihr Kind wollten.”

Gudekar schaute verwundert zu Eoban. “Was wollt ihr mir damit sagen? Dass es das Beste für das Kind wäre, wäre es meines, es vor mir zu verbergen?”, fragte er entrüstet. “Was maßt ihr Euch an, zu entscheiden, was das Beste für das Kind ist? Wieso glauben alle zu wissen, was das Beste für das Kind ist? Auch mein Vater hat dies geglaubt und wollte Tsalinde deshalb Vorschriften machen, was mit dem Kind zu geschehen hat. Und denkt denn niemand, wenn es mein Kind wäre, würde ich nicht auch das Beste für es wollen?”

“Gngh …”, Eoban war etwas überrascht von der Reaktion seines Gefährten. Er hatte gehofft, dass ein paar Worte zu seiner komplizierten Familienstruktur ihm helfen werden, seine Situation besser zu sehen. “Ich, ah, wollte nur zeigen, dass Ihr nicht allein seid. Das sich Wege finden werden. Hm, verzeiht meine Übergriffigkeit.”

“Nein, ich bin es, der sich entschuldigen muss! Ihr habt es nur wohl gemeint, mein Freund.” Der Anconiter hatte sich so schnell beruhigt, wie er zuvor wütend geworden war. “Es sollte mir wohl einfach egal sein. Ich werde nie erfahren, wer der wahre Vater des Kindes ist. Und es ist auch egal, denn so, wie Tsalinde gehandelt hat, wird es niemals mein Kind sein können. So oder so, ich sollte froh darüber sein. Eine Sorge weniger.” Er nahm einen weiteren Schluck des Weines, denn er wusste um die heilende Wirkung des Getränks für die Seele.

So richtig glücklich war Eoban nicht mit der Antwort des Anconiters. Er wirkte verbittert. “Ihr wisst, wann immer Ihr reden wollt, Ihr könnt gerne auf mich zukommen. Ich habe stets ein Ohr für Euch.” Irgendwie fühlte Eoban eine Art väterliche Verantwortung für den jungen Weissenquell. Er würde auf dem Rückweg nach Albenhus ergründen müssen, wie sich dieses Denken bei ihm eingestellt hat.

Innerlich musste der Anconiter heftig lachen. Hatte Eoban nicht gerade das Gespräch mit ihm gesucht? Und hatte er irgendetwas gesagt oder gefragt, das hilfreich gewesen wäre, die Sorgen von Gudekars Seele zu nehmen? “Habt Dank, wenn ich wieder einmal ein dermaßen erleichterndes Gespräch suche, werde ich mich gern an Euch wenden, mein Freund”, kommentierte er deshalb mit einem leicht sarkastischen Unterton. “Ich fühle mich schon gleich viel besser!”

Der Albenholzer nickte vorsichtig. Etwas unangenehm berührt verließ er den Anconiter. Das Ganze schien sich irgendwie in eine unerwartete Richtung zu entwickeln. Während er in den letzten Monaten mit sich ins Reine gekommen ist, war sein Freund scheinbar … nicht ins Reine gekommen. Er würde das mit seiner Frau besprechen. Vielleicht hatte sie noch eine gute Idee.

Traurig schaute der Heilmagier dem Mann, den er stets seinen Freund nannte, hinterher und schüttelte den Kopf. Er bedauerte, dass Eoban das Gespräch beendet hatte. Es tat gut, mit ihm zu reden. Doch wieder fühlte sich Gudekar allein gelassen, im Stich gelassen. Er wollte noch einen Schluck Wein trinken, doch sein Becher war leer. Auch das noch! So drehte er sich wieder dem Fenster zu und betrachtete erneut den Großen Fluss.

Briefwechsel

Brief von Tsalinde an Gudekar

Gelehrter Herr von Weissenquell

ehrlich gesagt bin ich entsetzt mit welcher Feindseligkeit ihr mir heute entgegen getreten seid. Ich weiß nicht, was euch dazu veranlasst hat.

Was habt ihr denn geglaubt, was ich tun werde? Das Baby heimlich zur Welt bringen und jemand anderem unterschieben? Oder mein Lehen und damit mein Zuhause aufgeben und mit dem Kind irgendwo neu anfangen? Meine Verbindung mit Lys von Kargenstein ist das Beste, was mir geschehen konnte. Ich mag Lys und er respektiert nicht nur mich und meine Art zu Leben, sondern ist auch bereit, ein fremdes Kind als sein eigenes anzunehmen.

Warum könnt ihr euch nicht für mich und das Baby freuen, dass wir eine Lösung gefunden haben, die es mir erlaubt, das Kind behütet und sicher groß zu ziehen?

Statt dessen macht ihr mir vor unseren Gefährten und den geladenen Gästen eine Szene, die seines gleichen sucht. Es macht mich traurig und trifft mich wirklich hart, mit welcher Abscheu ihr mir begegnet. Ich wünschte, ihr könntet meine Entscheidung ebenso akzeptieren, wie es euer Vater getan hat.

Sobald das Kind geboren ist werden wir auf Gut Kalterbaum ein Fest geben. Zu Ehren unseres Traviabundes, und zu Ehren des Tsatages unseres Kindes. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn ihr hättet kommen können und wenn es euch möglich gewesen wäre später zumindest Kontakt zu dem Kinde zu halten.

Nach eurem heutigen Auftritt kann ich das jedoch nicht verantworten. Ich möchte nicht, dass ihr Teil des Lebens unseres Kindes werdet. Denn eines sage ich euch: Hättet ihr euch in Gegenwart meines Mannes so benommen, hätte er äußerst ungehalten reagiert.

Daher muss ich euch bitten, haltet euch von mir und dem Kinde fern.

Ja, das Kind ist ein Weissenquell und ich werde Friedewald von Weissenquell über dessen Wohlbefinden informieren. Gerne werde ich ihn auch bei uns auf dem Gut willkommen heißen, doch euch möchte ich nicht dort sehen.

Diese negative Einstellung, die ihr mir und meiner Familie entgegenbringt hat auf Gut Kalterbaum und im Zuhause meiner Familie nichts zu suchen.

Travia zum Gruß

Tsalinde von Kalterbaum

Gudekar schickt keine Antwort auf den Brief…