Mittagsmahl in geheimer (albenhuser) Runde

Eine Briefspielepisode am Rande der Schweinsfolder Hochzeit, in der sich drei Albenhuser Gefährten austauschen, von denen zwei von ihrem schlechten Gewissen wegen der Geschehnisse der letzten Nacht geplagt werden.

unter der Spielleitung von DanSch


Die Protagonisten

Die Beteiligten (Briefspieler)

Die Geschichte

Die Reisegruppe aus Albenhus hatte sich für diesen Mittag verabredet, um sich untereinander über die Ergebnisse ihrer Ermittlungen auszutauschen. Doch statt der großen Runde aller Albenhuser trafen lediglich drei der Gefährten am verabredeten Treffpunkt ein. Und das Gespräch hatte ein anderes Thema als geplant.

Tsalinde betrat den kleinen Salon im Gasthaus “Zum Lilienhain”. Immer wieder erstaunte es sie, wie bereitwillig die Gastleute ihre Wünsche erfüllten, seit es sich herumgesprochen hatte, dass sie als Gesandte einer Baronin unterwegs war. Das Gefühl von so viel Macht gefiel ihr ganz und gar nicht, doch in diesem Fall war sie schließlich zu der Erkenntnis gelangt, dass es ja einem guten Zweck diente und sie immerhin niemanden damit übermäßig belastete. Während es im großen Schankraum in den letzten Tagen immer hoch hergegangen war, blieb dieser kleine, etwas abgelegene Raum von dem Trubel weitestgehend verschont. Die Wirtsleute hatten ihr erzählt, dass dieser Salon meist für kleinere Lesungen oder Vorträge reserviert wurde, die Barden und Bänkelsänger jedoch aber den Schrankraum bevorzugten.

In die Mitte des Raumes hatten fleißige Helfer einige Tische zusammen geschoben, sodass nun alle Albenhuser aus ihrer Reisegruppe daran Platz finden würden. An einer Wand stand eine Anrichte auf der ein großer Korb mit frisch gebackenem Brot und ein weiterer mit reifem Obst und frischen Beeren standen. Dazu gab es zwei große Laib Käse mit unterschiedlichen Reifegraden und geräucherten Schinken und Wurst, auf massiven Brettern mit jeweils einem Messer, sodass sich ein jeder Gast selbst nehmen konnte, wonach sein Herz begehrte.

Nervös ging Tsalinde im Raum auf und ab, prüfte die auf den Tischen verteilten Krüge mit Wein, Met, Wasser und einem wundervollen Saft aus Äpfeln und rückte da und dort die Schalen und Löffel zurecht, die bereits auf der Tafel lagen. In ein paar Minuten würden die ersten Gefährten hier eintreffen, damit sie gemeinsam und in Abgeschiedenheit darüber reden konnten, was sie bisher hier erlebt und erfahren hatten.

Tsalinde hatte sich absichtlich für dieses Treffen in das einfachste Gewand gekleidet, dass sie mit sich führte und hoffte inständig, niemand würde auch nur erahnen, was zwischen Gudekar und ihr in der vergangenen Nacht geschehen war. Ein Schauer lief ihr allein bei dem Gedanken daran durch den ganzen Körper. Gudekar war in einem Traviabund und das sehr glücklich, so zumindest machte es den Eindruck. Noch dazu hatte Tsalinde sich keinesfalls verliebt oder fühlte sich von Gudekar angezogen. Sie mochte ihn, mehr nicht.

Tsalinde von Kalterbaum seufzte hörbar in dem leeren Raum. Hoffentlich musste sie nicht mehr lange mit ihren Gedanken alleine sein.

Der Lärm vor der Tür ließ die Edle aus ihren Gedanken aufschrecken. War das einer der Erwarteten? Die wohlklingende, leicht samtig Stimme, die anscheinend mit einer der Schankmaiden scherzte, klang ihr bekannt. Weder Eoban, noch Gudekar oder Wichard klangen so. Noch im Gedanken öffnete sich schon die Tür und mit einem nach außen gerichteten “Wartet auf mich, oh holde Schöne. Unsere Wege werden sich schon bald wieder kreuzen” trat Corwyn von Dürenwald in den Salon ein.

“Dame Kalterbaum, nicht dass ich eure Anwesenheit minder schätzen würde, als es euch zustehen sollte, jedoch sehe ich mich mit euch alleine in diesen Hallen. Habe ich Satinavs Wege zuvorkommender eingeschlagen, als es die Etikette gebietet?” versuchte er sich den Blick auf die leeren Stühle freundlich gut zu reden. Doch nachdem er seinen Hut fürsorglich an einem der ausstehenden Wandverzierungen aufgehangen hatte und sich Tsalinde direkt zuwand, stutzte er. “Kann es sein, dass euch der heutige oder späte gestrige Tag nicht nur Praios Sonne, Rahjas Wonne und Phexens Wohlwollen gebracht haben?” In den Worten des jungen Ritters lag Spott, in seinem Blick aber Besorgnis.

“Werter Herr Dürenwald, ich freue mich, dass ihr gekommen seid. Bitte nehmt Platz und bedient euch nach Herzenlust.” Tsalinde drängte ihre irrenden Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf den jungen Ritter. “Ich danke euch für eure Sorge und die Aufmerksamkeit, die ihr mir zu Teil haben lasst. Eure Sorgen sind jedoch unbegründet. Zwar hatte ich ein paar stressige Tage, doch lasse ich auch den Genuß nicht zu kurz kommen.” Damit zwinkert Sie ihm zu und lächelt hintergründig.

“Wenn ihr dies sagt holde Dame, dann werde ich nur den Wunsch äußern, dass euch zukünftig ruhigere Tage gegönnt sein mögen.”

Gudekar konnte noch immer nicht begreifen, was am vergangenen Abend geschehen war. Wie konnte es soweit kommen? Wie sollte er dies nur zu Hause erklären? Sollte er es überhaupt erklären? Aber könnte er Merle nach der Reise gegenübertreten und so tun, als wäre nichts geschehen? Könnte er mit einem solchen Geheimnis leben, was, nun, eigentlich keines war? Und wie sollte es mit Tsalinde weiter gehen? Wie sollte er die gemeinsame Aufgabe weiter verfolgen ohne immer wieder an die vergangene Nacht zurück zu denken? Eigentlich hatte er ja keine tieferen Gefühle für die junge Adlige. Ja, ihr gutes Aussehen war ihm nicht verborgen geblieben. Aber mehr konnte und wollte er sich nicht vorstellen, bis der Zauber des gestrigen Abends über ihn kam. Doch wie dachte sie darüber? Empfand Tsalinde womöglich tiefere Gefühle für ihn? Wie sollte er damit umgehen, wenn sie ihm nun vielleicht in Zukunft nachstellte? Sie hatte ja wohl bisher keine feste Liaison. Wollte sie womöglich mehr von ihm?

Diese Gedanken gingen Gudekar den ganzen Morgen schon durch den Kopf. Er versuchte sich abzulenken, indem er vormittags durch die Gassen der Stadt wanderte, doch wirklich Ablenkung fand er nicht. Schließlich hätte er fast die Verabredung mit den Gefährten vergessen. Etwas verspätet traf Gudekar so im Gasthaus ein. Keines Blickes würdigte Gudekar die beiden Gefährten, die bereits eingetroffen waren. Er setzte sich an eine Ecke der Tafel, so weit wie möglich von den anderen entfernt. Er ergriff einen der Weinkrüge, die in seiner Nähe standen, goss sich seinen Becher voll und leerte diesen in einem Zug. Erst dann fiel ihm auf, dass er heute noch nichts gegessen hatte und der Hunger sich nun meldete. So ergriff er ein Messer und schnitt sich einz großes Stück von Wurst und Käse und brach sich etwas Brot ab. Immer noch mit dem Blick die anderen Anwesenden meidend setzte sich Gudekar wieder und begann zu Essen. Für alle, die ihn kannten und so sahen, war sofort klar, dass irgendetwas mit Gudekar nicht stimmte.

"Oh, da scheint mir, die Lebensfreude aus diesem erlauchten Kreise hat gerade ihren Weg in Borons und Firuns Hallen angetreten." Es war eher ein Murmeln, jedoch deutlich genug um von Tsalinde und Gudekar gehört werden zu können, so diese auf etwas anderes als ihre eigenen Gedanken zu hören bereit sein sollten. Der Blick erst auf den Weissenqueller gerichtet, der wie eines dieser possierlichen Feldfelltierchen Essen in die Backentaschen stopfend am Tisch saß, dann auf die Dame Kalterbaum, die in größtmöglicher Entfernung einem scheuen Reh nervös mit Fluchtreflex gleich nahe dem Fenster stand. Beide Verhalten standen in jedwedem Missverhältnis zu dem was er bisher von ihnen gewohnt war. Innerlich seine Schwester verfluchend, deren Wunsch ihn hierher geführt hatte, griff er einen Stuhl, stellte diesen nahe die Tür und setzte sich. In was war er hier nur hinein geraten?

Sehr wohl hatte der Magier die Worte vernommen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sie lediglich zu dritt in dem Gastraum waren. Das waren eindeutig zu wenige, um sich erfolgreich zu verstecken. Wo waren denn die anderen? „Oh, entschuldigt bitte mein unmögliches Benehmen. Wo war ich nur mit meinen Gedanken? Hoher Herr von Dürenwald! … Hohe Dame von Kalterbaum!“ Der zweite Gruß kam mit einer leichten Verzögerung. Es fiel ihm schwer Tsalinde anzusprechen, anzusehen.

"Dann mag auch ich euch förmlich einen Gruß erbieten. Seid Willkommen in unserem Raume,  und ich bitte um Verzeihung Dame Kalterbaum, dass ich euch eure Worte gerade stehle, so doch ihr hier alles so wohl gerichtet habt." Der Ritter endete hier sein Reden, denn es schien ihm besser kein Vermerk über Moritaten anzubringen, in deren Verlauf ähnliche Szenen auftauchten, wie hier gerade vor seinen Augen standen. Die Meisten hatten mit Feiern und Übermaß zu tun. Andere von Übernatürlichem und Erwachen. Beides hatte er auf einer vergangenen Brautschau an diesem Orte bereits erleben dürfen.

Bei Corwyns Worten schaute Gudekar zu Tsalinde, so wie es sich geziemt, wenn eine Dame von einem Herren angesprochen wird. Doch als auch Tsalinde in seine Richtung schaute und zu sprechen ansetzen wollte, drehte der Magier seinen Kopf reflexartig in die Richtung der Tür. Es war nicht eindeutig, ob er nach einem Fluchtweg suchte, oder ob er hoffte, die anderen Gefährten würden nun doch endlich erscheinen.

‘Die Götter stehen mir bei!’, dachte Tsalinde, ‘Er ahnt etwas!’

In dem Versuch sich nichts anmerken zu lassen wandte Tsalinde sich an Gudekar. “Meister Gudekar, bitte verzeiht mein gestriges Benehmen. Ich habe mich absolut unangemessen verhalten und hoffe inständig, ihr werdet mir verzeihen.”

“Werte Tsalinde, hm, ich glaube nicht, dass es etwas gibt, wessen Ihr Euch zu entschuldigen habt. Keiner von uns hatte mehr oder weniger Schuld an dem , was gestern vorgefallen ist.” Gudekar versuchte, möglichst gefasst zu wirken und das Geschehen des Vorabends mit einer abwinkenden Geste herunterzuspielen, damit der ebenfalls anwesende Ritter möglichst keinen Verdacht schöpfen konnte. Ob ihm das wirklich gelang, mochte er bezweifeln.

Dann schaute sie Corwyn tief in die Augen. “Ich bitte auch euch um Verzeihung. Offensichtlich kann man mich leichter lesen als ich dachte. Seid bitte so lieb und behaltet, was immer ihr vermutet oder zu wissen glaubt, für euch.”

Einen kurzen Moment war Corwyn versucht mit großer Geste Tsalinde zu versichern dass er einer so augengefälligen Dame selbstverständlich jeden Wunsch erfüllen werde, doch das unterdrückte er eisern. "Geschichten, die erzählt werden, sind immer Geschichten, die es wert sind, unter das Volk gebracht zu werden. Diese hier scheint zu persönlich zu werden, um einem solchem Werte zugemessen zu werden." Er hatte den Blick kurz abgewendet, dann suchte der Barde den Blick beider Gefährten.

"Auch wenn die Stimmung unverändert und auch kein Wort von mir daran Erleichterung verschaffen mag, so denken meine Gedanken doch frei an Stimmungen welche dieser durchaus ähnlich gewesen. Mir liegt gerade ein Wortgespinnst des garethschen Stückeschreibers Ludowick Eichforstrodet im Sinne, welches er 'Gefesselt' beschrieb.

Liebesglück und Liebesschmerz -

Die Minute macht zum Sklaven,

O der Göttin Gaben trafen

Mein gestählt gewappnet Herz.

Trage Ketten, golden süß,

Aber immer sind es Ketten,

Goldne Ketten, süße Ketten,

Aber Ketten sinds gewiss.

In des Lebens Blütenzeit

Tief verletzt und schwer gebunden,

Und in Fesseln und in Wunden

Dennoch diese Seligkeit?

Mag, auch wenn die Worte nicht die meinen sein mögen, Euch dies Wortgespinnst Erlösung und Erleichterung bei den Wolken, die euch umgeben, sein. Der schönen Göttin Gaben sind Freude und Pflicht zugleich. Es ist nicht an uns Sterblichen, sie bis in den letzte Hauch eines Gabentropfen zu hinterfragen. Ohne die Anderen kann keine sein. Wir wären ebenfalls nicht und Nichts alleine, wie es auch die Alveranischen sind.'

‘Halt einfach dein Maul, Barde! Dich hat niemand gefragt.’, waren die ersten Worte, die dem Magier in den Sinn kamen, die er jedoch nicht aussprach, schon allein, weil er wusste, dass hier der Bruder der Vögtin Witta vor ihm saß. Und mit ihr wollte er es sich nicht verscherzen. So überlegte er einen Moment nach einer passenderen Erwiderung. “Was wollt ihr mit Euren Worten sagen, Herr Corwyn? Ihr sprecht in Rätseln. Und ich glaube, mein Geist ist heute nicht bereit, diese zu entschlüsseln.”

"Nach eurem Appetit zu urteilen scheint es nicht der Alkohol zu sein, der euren Geist nun verschlüsselt." Corwyn unterdrückte den spöttischen Unterton der sich einen Weg in seine Worte suchen wollte. Er war hierher gekommen, um eine vielleicht etwas verwolfte Gruppe Gefährten zu treffen. Die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe verdankte er seiner lieben Schwester Witta, die durch ihr Amt gebunden keine längeren Reisen außerhalb der Albenhuser Grafschaft mehr antreten wollte. Der Gruppe fehlte etwas von dem, was seine Reisegruppen üblicherweise ausmachen. Die Leichtigkeit in Gedanken und Taten. Obwohl sie bereits einige Tage zusammen gereist waren, war er nicht Teil der Gruppe geworden. Witta hatte ihm versichert jeder der Gruppe hätte sein Herz am rechten Fleck. Bemerkt hatte er davon wenig. Wäre es nicht Wittas Wunsch, es wäre ihm egal. "Worte fliegen, reisen von Ort zu Ort. So reisen auch wir, immerfort." Dieser Avessatz war ihm Wunsch und Auftrag zugleich. Doch Wittas Wunsch band ihn noch eine lange Weile an diese Menschen. Seine Leichtigkeit war deshalb hier nicht gewünscht. "Wenn es nicht der Trunk war, der den Geist gefangen hält, kann es nur das Herz sein. Gefühle in Ketten, wie es Meister Ludowick so treffend versponnen hat. Und für Worte gilt, sie können verletzen und heilen. Diese mögen euch Erlösung und Erleichterung bei den Wolken, die euch umgeben, sein. So dies gerade nicht möglich ist, ich trage sie im Herzen und werde sie euch gerne wieder und wieder geben."

“Ihr habt Recht, es ist nicht der Wein, der meinen Geist trübt, es sind wohl eher die Nachwehen eines perfiden Zaubers, der uns Dinge hat tun lassen, die besser nicht getan worden wären.” Der Magier bis sich auf die Zunge und schallt sich einen Narren, sich von den Worten des Mannes derart verwirren zu lassen, dass er mehr gesagt hatte, als es gut war in dieser Situation. Dennoch sprach er weiter, vielleicht war nun eine Mauer in ihm eingerissen, der Damm gebrochen, der die vielen verschiedenen Gefühle in ihm zurück hielt und miteinander vermischte, so dass ein formloser emotionaler Brei seinen Kopf überflutete. “Das Herz sagt ihr? Das Herz. Wer weiß, was das Herz wirklich will. Sollte es nicht in erster Linie der Geist sein, der unsere Taten lenkt? Doch wenn es nicht der Geist ist, ist es das Herz? Können wir da sicher sein, dass es das Herz ist? Oder gibt es auch andere Kräfte, die wir nicht beeinflussen können, die uns zu unseren Taten führen? Doch können diese Kräfte auch das Herz lenken? Was, wenn man etwas getan hat, dass das Herz noch tags zuvor nicht wollte und der Geist einem verbieten sollte? Kann dies das Herz beeinflussen? Kann es das Herz verändern? Kann es den Geist verändern? Und gibt es ein zurück? Wie soll man dann mit einem Gefährten, einer Gefährtin umgehen, die mit von dieser Kraft beeinflusst war?“ Bei diesen Worten blickte er kurz verstohlen zu Tsalinde. „Wie soll man mit den Menschen umgehen, zu denen das eigene Herz gehört und denen man es entzogen hat?“ Nun fasste Gudar an seine Brust an jene Stelle, an der unter seiner Robe das Amulett des Muschelfürsten hing. „Sprecht, Barde, wenn ihr so viel von den Dingen des Herzens zu verstehen glaubt, sprecht: wie soll das weitere Handeln in solch einer Situation erfolgen? Travia zur Ehr, Hesinde zur Ehr, …”, er pausierte einen Augenblick, “ und vielleicht auch Rahja zur Ehr?”

"Von Dingen des Herzens? Das Herz ist Ort all dessen, was nicht der Sitz des Kopfes ist. Der Kopf ist Wissen, Denken und Wollen. Er ist Planung und Pflicht. Das Herz ist Leben, Liebe und Leidenschaften. Es ist Fließen und Moment. Viel verstehen? Ich bin wie jeder auf diesem Dererund nur Lernender und Sammelnder. So wir ihr in eurer, ich in meiner Berufung. Wie ihr den Blick aus arkan geschulten Augen vor allem hesindeverbunden und wenn ich die Profession eures Ordens recht einordnen auch peraineverbunden auf das Tun um euch herum werft, so mache ich dies rondraverbunden und aus noch stärkerer Berufung rahjaverbunden. Ob ich mehr denn ihr von Dingen des Herzens weiß, mag ich nicht zu beurteilen oder behaupten. Mein Blick ist nur anders gerichtet." Der Ritter und Barde schien nachdenklich. Der Blick schweifte vom Magier am Tisch zur Edlen am Fenster und wieder zurück. "Wart Ihr gestern im Stadtpark? Ist dort geschehen was euch so beschäftigt und erschüttert?" Seine Blicke wandte sich verunsichert der Dame Kalterbaum zu. Er befürchtete durch seine Worte jegliche Etikette gegenüber ihr bereits gebrochen zu haben und war sich nicht sicher ob sie tatsächlich jene von Gudekar angesprochene und mitbetroffene Gefährtin war. Er konnte jedoch keinen Zorn oder Empörung aus ihrem Blick laden, so konzentrierte er sich wieder auf den Magier. "Ihr sprecht von Zauber. Meint ihr dies vom Kopfe oder Herzen aus gesprochen? Habt ihr den Zauber erfasst oder gefühlt?"

Nachdenklich schob der Magier die Platte mit seinem Essen in die Tischmitte und stand auf, ohne Tsalinde oder Corwyn anzusehen. Er ging zu einem der freien Fenster, lehnte den Unterarm an die Wand daneben und stürzte den Kopf auf den Arm, sodass er durch das Fenster auf das geschäftige Treiben im Park schauen konnte. Was wusste der Barde über den Park? Über den Zauber, der dort wirkte? Über das, was gestern geschehen war? Nach einem Moment der Stille, fing Gudekar wieder an zu sprechen. „Was, wenn es so wäre, wenn es dort einen Zauber gäbe, den zu beherrschen, zu brechen ich nicht im Stande bin? Was wenn dieser Zauber zwei Menschen zu Taten führte, die zwar der lieblichen Göttin gefallen dürften, jedoch den Eid, der gegenüber der guten Mutter gegeben wurde, brachen? Was, wenn diese Taten das Verhältnis, die Beziehung zweier Menschen, die als Weggefährten Teil einer größeren Gemeinschaft sind, neu definiert? Kann die Gemeinschaft dann weiter in Vertrauen bestehen? Wie sollen diese beiden sich dann während des Fortbestehens der Gemeinschaft verhalten? Wie sollen sie sich jenseits der Gemeinschaft verhalten? Wie sollen sie sich verhalten, wenn sie einst getrennter Wege gehen und daheim ankommen? Was, wenn dies geschehen wäre?“ Er erwartete keine Antwort auf diese Fragen.

„Sprecht, Herr Corwyn, was wisst ihr über den Park?“

Entsetzt schaute Tsalinde von Gudekar zu Corwyn und zurück. Tsalinde gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf und sie hatte sich fest vorgenommen, in einem Tempel bei den Göttern und ihren weltlichen Dienern Hilfe zu erbitten. Ein Barde war ihr als Gesprächspartner für diesen Konflikt nicht in den Sinn gekommen, doch wo es nun schon zur Sprache gekommen ist und die Karten auf dem Tisch lagen konnte sie genauso gut die Chance nutzen.

Traurig schaute sie zu Gudekar: “Es tut mir leid was geschehen ist. Ich bin nicht sicher, ob der Zauber allein eine Rechtfertigung dafür ist. Meister Gudekar, bitte verzeiht mir, ich weiß euch als Gefährten im Abenteuer sehr zu schätzen, doch lieben tue ich euch nicht.”

Gudekar drehte sich zu Tsalinde und schaute ihr in die Augen. Er schluckte. Und stand da. Und schaute sie an. Er war perplex, dass sie das Geschehene hier, in Corwyns Gegenwart so direkt ansprach. Noch einmal schluckte er, dann holte er tief Luft und fing an zu sprechen, ganz ruhig. “Ich weiß. Und, verzeiht mir, auch ich empfinde keine Liebe zu Euch, auch wenn der letzte Abend es anders wirken ließ. Das soll nicht heißen, dass ich Euch nicht mag. Ihr seid eine bewundernswerte Frau, eine wunderschöne Frau. Und der Mann, der Euch eines Tages erobern wird, Euer Herz erobern wird, kann sich wahrlich einen Glückspilz nennen. Doch mein Herz gehört einer anderen, es gehört Merle, meiner Frau. Und in meinem Herzen ist kein Platz für eine weitere Frau. Das ist nicht der Weg, den ich gehe. Dennoch, es gibt nichts, weshalb Ihr Euch entschuldigen müsst. Zum einen, es wirkte wohl ein Zauber über uns, und ich habe die Ahnung, dass Herr Corwyn mehr über diesen Zauber weiß, als er bisher verraten hat. Wir beide waren nicht Herr unserer Sinne, unserer Gefühle. Ihr seid auch frei, ihr seid ungebunden. Ihr habt das Recht, zu tun, was euch beliebt. Doch ich, ich habe ein Versprechen gegeben, gegenüber meiner Merle und gegenüber Travia. Und ich, ich war es, der nicht standhaft war, der diesem perfiden Zauber nicht widerstehen konnte. Ich bin es, der sich entschuldigen muss, bei Euch, bei Travia, … bei Merle.” Mit dem letzten Wort, das nur leise über seine Lippen kam, senkte er den Kopf.

Traurig schaute Tsalinde zu ihm herüber. “Dennoch tut es mir leid was geschehen ist. Ich weiß, euer Herz gehört Merle und ich wünsche euch von ganzem Herzen, dass sie euch verzeiht.” Mit diesen Worten ging sie zu ihm herüber und schaute ihm tief in die Augen. “Verzeiht euch, wie ihr auch mir verziehen habt. Ihr hattet ebenso wenig Einfluß auf das, was geschehen ist, wie ich. Keinen!”

Bei Tsalindes Worten brach es aus Gudekar heraus. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Er ergriff Tsalindes Hände und mit sich überschlagender Stimme fing er an zu reden. “Merle weiß es! Ich weiß, dass sie es weiß. Ich habe ihre Gefühle gespürt. Erst die Verwunderung, die Verwirrung, dann die Wut und schließlich Verzweiflung. Ich habe jede ihrer Empfindungen gespürt, während wir... während wir uns vergnügt haben. Und genauso muss Merle jedes einzelne meiner Gefühle gespürt haben.” Er griff sich erneut an die Brust und umklammerte das Medaillon, das unter seinem Gewand an einer Kette hing. “Die Amulette haben uns die ganze Zeit verbunden. Und obwohl ich es gemerkt habe, obwohl ich wusste, was die Amulette taten, war ich nicht imstande, meines abzulegen, noch, das Geschehen zu unterbrechen. Oh Travia, oh Hesinde, oh Efferd! Das, was als Geschenk des noblen Muschelfürsten gedacht war, entpuppte sich als wahrer Fluch!” Tränenüberströmt senkte der Magier den Kopf und sank wie ein Häufchen Elend in sich zusammen.

"Ihr mögt es als Fluch empfinden, jedoch ist nicht alles Fluch was danach scheint. Manches ist nur Prüfung." Ein wenig Traurigkeit schwang in diesen Worten mit. Ganz ohne Sehnsucht waren die Worte aber nicht. Das versuchte Corwyn jedoch nicht zu stark aufkommen zu lassen. "Ihr fragtet, was ich vom Park weiß. Nicht genug, um sicher zu wissen, was war, aber genug, um Wege zur Interpretation anzudeuten. Ihr wisst sicher das, was offiziell zum Park erzählt wird." Der Barde versuchte bei den folgenden Worten gebildet auszusehen und einen Lehrer aus einer Praiosschule zu imitieren. "Der berühmteste Ort und das Zentrum Herzogenfurts ist der Lilienpark. Der an einem Teich, umgeben von prächtigen Lilien, stehende Pavillon mit der steinernen Statue einer Fee und ihrem menschlichen Geliebten ist dessen eigentliche Attraktion. Jeder in der Provinz, fast jeder in der Grafschaft Gratenfels und viele Leute in den Nordmarken kennen die Liebesgeschichte von der ´Mär der Lilienprinzessin´ - einer Fee, die ihre Unsterblichkeit aufgab, um bei ihren geliebten Menschen zu bleiben. Laut der Legende stieg die ´Lilienprinzessin´ aus dem Teich und lebte hier, im Hain voller Lilien, mit ihrem Geliebten. Viele Barden und Bänkelsänger singen ihre Geschichte und seither zieht es viele Verliebte jedweder Altersgruppe und jedweder Ausrichtung in den Stadtpark von Herzogenfurt. Denn laut der Geschichten lebten die beiden Liebenden bis zum Ende ihrer Tage in einem Lilienhain, der heutzutage der besagte Stadtpark sein soll. Es ist auch Brauch, dass Verliebte zu Füßen der Statuen ein Geschenk hinterlassen." Corwyn versuchte seine Stimme gleichförmig wie ein Hesindgeweihter bei einem uninteressanten Vortrag zu halten. "Soweit zum offiziellen Blick auf den Park. Leider habe ich keinen Sang über diese Legende in meinen Liedern. Ich würde den Geschichten auch nicht gerecht werden, denn ich habe sie nicht selbst erlebt. Gegen die praiosgefällige Ordnung der Grafschaft ist die Lilienprinzessin genau so viel und wenig eine Sage wie die Herrin des Farindelwald, die Wesenheit der Tommel oder die Herrscherin unter den Wassern. Die Lilienprinzessin und ihr Gefolge sollen jedoch mehr dem Volke des Farindel gleichen denn dem unter den Wassern."

Der Magier wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen und versuchte, seine Fassung wiederzuerlangen, als Corwyn anfing, vom Lilienhain zu erzählen. Nein, er kannte die Sagen nicht. Zu weit weg war das Lützeltal von Herzogenfurt, als dass sich diese Geschichten bis dorthin ausgebreitet hätten. Und zu lange fort aus den Nordmarken war Gudekar als Kind und junger Mann. Nachdem Corwyn seinen Vortrag beendet hatte, fragte Gudekar nach. “Schön, eine wirklich schöne Mär. Doch berichtet ihr mehr von Verliebten, die dort, nachdem sie sich bereits gefunden haben, hingehen, um den Liebenden zu huldigen. Doch was geschieht dort mit Besuchern, die nicht als Paar dort hingelangen? Welche Kräfte bemächtigen sich ihrer? Welche Art von Magie ist es, die dort herrscht?” Die Neugier, der Wissensdrang sprach nun aus dem Magier, der nun wieder stärker zu sein schien als die Sorge um die Zukunft. Denn dass die Antworten auf seine Fragen ihm keinesfalls halfen, das Dilemma seiner Beziehung zu Merle - und Tsalinde - zu lösen, war Gudekar durchaus bewusst.

“Der Teil der Verliebten ist jener, der im Hierseits geschieht. Jener der von Rahja spricht und alveranisch scheint. Der Teil der im Park aber auch wirkt, ist jener der feeischen Ursprungs sein dürfte. Wie ich von meiner Schwester weiß, habt ihr jene bereits gespürt. Flussvaters Reich ist euch bekannt. Vom Farindelvolk weiß man, dass dort ein eher schelmischer Umgang mit Gefühlen zu herrschen scheint. Auch wenn ich nie das Tor durchschritten habe und den Feen hier begegnet bin, habe ich bei der Brautschau vor einiger Zeit hier miterleben können was dieses Volk zu bewirken scheint.” Corwyn schien durchaus angenehme Erinnerungen an den Park zu haben, denn auf seinem Gesicht lag ein träumerisches Funkeln. “Biestlinger gab es auch. Ich vermute Eberbiestlinger. Durchaus ein gewöhnungsbedürftiger Anblick und doch ein wahrhaft interessantes Sangesvorbild eines solchen Wesen mit einem Menschen im Spiele.”

“Ihr meint, es gibt ein Tor in jene andere Welt? Und man kann dieses Tor durchschreiten?” Nun war Gudekars Aufmerksamkeit vollends auf Corwyns Worte ausgerichtet und alles, was davor gesagt und gefühlt war, war wie weggeblasen.

“Ich selbst habe es nicht durchschreiten können, nur davon gehört. Es soll einen Wächter diesseits geben namens Rahjagoras. Einen Menschen. Wie bei so vielen Feenwelten darf nicht offen darüber geredet werde. Zu viel der Lebenden diesseits sind ungläubig ob der Fantastomagie, die den Worten ausströmen mag. Doch manche Geschichten singen sich selbst. So an einer der Tafeln auf der Brautschau vor einigen Monden. Es fiel dort der Name einer  Dryade, die bei jenem Fest die Tor für Gäste geöffnet hatte, namens Salgar. Für das Reich hinter dem Tor fiel der Name Duthaich Nam Muc. Dort soll die Lilienkönigin leben. Das ist das was ich vernommen habe zwischen den Trinksprüchen und dem Gelächter an der Tafel.” der Barde konnte bei diesen Worten nicht ruhig stehen. Es war ihm anzusehen, wie sehr er das, was er erzählte, auch zu erleben versuchte. Die luftlichte Gestalt der Dryade schwebte in seinen Gesten durch den Raum, als ob er gerade durch seine Bewegungen ein Tor zu erschaffen versuchte. Gedanklich durch es zu gehen versuchte. Einen Blick hinein werfend den Namen zu Bildern zu verwandeln versuchte. Dann kam er wieder zum Stehen. Etwas verträumt und traurig. “Auch, wenn ich nicht dabei gewesen bin in den Tagen des Festes, wo sich das Tor geöffnet haben mag, vielleicht hat es sich geöffnet und die Feenmacht wirkte hindurch auf euch?”

„So mag es wohl gewesen sein.“ Nach außen versuchte Gudekar gefasst zu wirken, doch innerlich hatte er beschlossen, eines Tages der Erzählung nachzugehen, wenn die aktuelle Mission abgeschlossen war. Diese Anderswelt würde er eines Tages besuchen und erforschen.

Dann wandte Tsalinde sich wieder dem Tisch zu. “Euer Hochwohlgeboren, bitte verzeiht, dass wir euch mit unseren persönlichen Befindlichkeiten belastet haben. Ich bin sicher, unsere Gefährten werden sich ebenfalls gleich zu uns gesellen, dann können wir gegenseitig auf den neuesten Stand bringen.”

"Eurem Wunsch auf kleinem Kreise der Sänger und Lauscher dieser Geschichte war es förderlich, den Raum so gering gefüllt zu erleben. Ihr seht es als belastende persönliches Befindlichkeit. Mögt Ihr nicht versuchen, es weiter zu sehen? Keiner sieht der Rosengleichen ins alveranische Herz. Genau so wenig sollten wir nur abwertend jenes werten, was das Feenvolk uns im scheinbaren Spiel zugedenkt. Geschehen lässt sich nicht zurückziehen oder ungeschehen machen. Die Wertung macht uns zum Spielball oder zum Spieler. Unsere eigene Wertung."

Gudekar schaute etwas skeptisch, nachdem er sich wieder gefangen hatte. “Hm, so langsam glaube ich, wir wurden versetzt. Ich muss gestehen, allzu lange habe ich auch nicht mehr Zeit zu warten. Ich wurde für den heutigen Nachmittag vom Herrn Elvan von Altenberg noch zu einer Versammlung gebeten, deren Anlass wichtig zu sein scheint. Darauf muss ich mich noch vorbereiten. Deshalb werde ich nun wohl bald aufbrechen müssen. Vielleicht schaue ich noch auf dem Weg, ob ich Eoban und Reto finde, um zu fragen, was sie aufgehalten hat. Ansonsten werde ich sie sicherlich heute Abend bei der Feier des Junggesellen sehen.” Er wollte sich gerade zum Gehen umdrehen, da fiel sein Blick wieder auf den gedeckten Tisch. “Ach, es wäre aber wohl schade, diese Köstlichkeiten hier ungegessen zurückzulassen. Auch könnte eine Stärkung vor der anderen Besprechung nicht schaden. Wer weiß, wann es wieder etwas zu essen gibt.” So schnitt er sich von Käse und Wurst ab, brach sich ein Stück Brot vom Laib und goss einen Becher voll Wein. Schließlich ließ er noch einen Apfel in einer Tasche seines Umhangs mit den Worten “Für später!” verschwinden. Dann setzte er sich wieder und fing genüsslich an zu speisen. “Wollt Ihr nicht auch etwas?”

Eine Augenbraue Corwyns hob und senkte sich. Der letzte Abend würde noch lange Zeit Teil der Gefährten bleiben, bis Tsalinde und Gudekar ihn einfach annehmen konnten. Für ihn selbst blieb es faszinierend, die Feenmacht so stark hinter den Worten zu spüren. Auch wenn es für beide sicher hilfreich war, dass sie nichts von der Welt hinter dem Portal erlebt hatten, er hätte viel für Eindrücke von dort gegeben. Einen Stuhl einige Plätze von Gudekar entfernt zurück ziehend meinte er, ihn der Edlen anzubieten: "Dame Tsalinde? Mögt ihr nicht hier Platz nehmen?"