Folgen einer Nacht - Kalterbaum und Weissenquell

Folgen einer Nacht

Aus einer ungewollten Nacht auf der Hochzeit In Schweinsfold ist eine Geschichte mit Folgen geworden. Das Verhältnis zwischen Tsalinde Von Kalterbaum und dem Haus Weissenquell wird in mehreren Episoden und Briefwechseln dargestellt.

Vorgeschichte

Auf der Hochzeit In Schweinsfold hatten Tsalinde Von Kalterbaum und Gudekar von Weissenquell eine kurze Affäre. Man kannte sich bereits vorher durch eine Reihe von Ereignissen, zu denen man gemeinsam mit weiteren Gefährten aus Albenhus ermittelt hat. Doch an jenem Abend gab es – beeinflusst durch einen Feenzauber – ein engeres, ungeplantes Zusammenkommen.


Zu weiteren Ermittlungen traf man sich zum Lichterfest am 1. FIR 1043 in Liepenstein. Dort wurde eine alte, verlassene Burgruine entdeckt, in deren Verließen eine Kammer mit hoher astraler Wirkung entdeckt wurde. Diese astrale Kraft zog Gudekar in ihren Bann. Tsalinde versuchte, den Magier wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, indem sie ihm offenbarte, dass sie sein Kind in ihrem Bauch trug.

Ein magisches Vergnügen

Setting

Personen

Geschichte

Endlich haben wir wohl alle Fallen hinter uns gelassen, denn wir erreichen nun einen nicht sehr großen Raum, auch unsere Lichtquellen funktionieren wieder. Darin befindet sich ein Stein von Tischgröße, außerdem stellt etwas direkt unter ihnen den Magiern die Haare auf und lässt bei ihnen alles kribbeln. Wir anderen bemerken davon zunächst nichts.

„Hätte ich doch bloß Antimagie gelernt“, beschwert sich Adelchis, dem sichtlich unwohl ist.

„Spürt ihr das auch?“, fragt Gudekar dagegen uns andere. Wir wissen natürlich nicht, wovon er redet, daraufhin beschreibt er uns seine Empfindungen. Aber alle Nichtmagier bestätigen, dass sie nichts spüren, was mich irgendwie beruhigt.

Tsalinde hat ganz verheulte Augen, sie ist ja fast noch mehr mitgenommen als ich mich fühle. Sie sinkt an einer Wand nieder und ist offenbar völlig fertig. Sie sagt auch, dass sie das alles hier furchtbar findet und Angst hat, aber ich glaube, die haben wir alle. Ich versuche, ihre Hilfe von vorhin zu vergelten und sie zu trösten, indem ich mich neben sie setze und sie umarme.

Die Magier vermeinen, dass ihr seltsames Gefühl stärker wird. Eigentlich kann das nur irgendeine magische Strömung sein, die unter ihnen durch den Fels fließt und so stark ist, dass sie diese ohne zaubern zu müssen bemerken. Adelchis äußert die Vermutung, dass hier die Quelle der Kraft sein könnte, die es ermöglicht hat, den Drachen zu versteinern.

Der Tisch weist auf der Oberseite eine Mulde auf, die wie geschaffen für ein Drachenei sein könnte. Von der Mulde aus führen Rillen nach außen. Ob das eine Art Ritualplatz ist?

„Hat sich hier jemand an der zwölfgöttlichen Ordnung vergangen?“, fragt Lares mit deutlicher Missbilligung in der Stimme.

„Wie kommt Ihr darauf?“, will Eoban wissen.

„Das sieht mir so aus, als ob … man ein Opfer dargebracht hätte.“

„Wie kommt Ihr darauf?“, wiederholt Eoban.

„Seht Ihr das nicht?“, ereifert sich Lares. „Der große Block mit dem Loch, da könnte man einen Kopf hineinstecken!“

Adelchis tritt näher, kann aber keine Rückstände von Blut oder ähnlichem auf dem Stein entdecken. Überhaupt gibt es hier auch kaum Staub, aber das könnte einfach daran liegen, dass dieser Raum so abgeschlossen von der Umgebung ist. Dadurch kann man auch nicht sagen, ob hier jemand außer uns in letzter Zeit war.

Die Magier werden sich bewusst, dass dieses Gefühl der magischen Kraft überaus angenehm ist, dass sie das Gefühl haben, hier wären ihnen keine Grenzen gesetzt. Adelchis steigt dieses Gefühl bereits zu Kopf, zumindest sieht er ein wenig aus, als sei er im Drogenrausch, wie ich finde. Mir wird ganz mulmig zumute.

Die Magier vermuten, dass unter ihnen ein Knotenpunkt von Kraftlinien liegt, der diesen Effekt hervorruft. Was wohl passieren würde, brütete man hier ein Drachenei aus?

Auf den Wänden des Raumes ist die Drachengeschichte in Form von Reliefs verewigt, sehr ähnlich, wie es die Bilder im Herrenhaus zeigten. Sie legen aber auch nahe, dass der Besieger des Drachen das Drachenei irgendwo verwahrt hat. Möglicherweise genau hier.

Vielleicht ist der Drache ja geschlüpft, wurde groß und hat dann die Burg zerstört, spekuliert Lares. Witta äußert nochmals, dass dieser Raum der perfekte Ritualplatz wäre, Eoban und Lares stimmen dem zu. Bei genaueren Hinsehen ist die Mulde im Stein schon eher für ein großes Drachenei gedacht, das aufrecht hineingestellt wird. Ein menschlicher Kopf würde die Mulde gar nicht ausfüllen.

Tsalinde meint, ob es nicht viel zu aufwendig wäre, nur wegen eines einzelnen Dracheneis so einen Raum zu konstruieren. Gudekar widerspricht, er hält es durchaus für sinnvoll, so etwas Wertvolles sicher und von Fallen geschützt zu verwahren. „Das stimmt“, gibt Tsalinde zu, „aber wo ist das Drachenei jetzt? Wirklich ausgebrütet?“

„Vielleicht?“, gibt Gudekar zurück.

Meine Gefährten diskutieren hin und her, wozu der Raum hier alles gut sein könnte. Tsalinde meint, hier wäre der ideale Ort, um „den Stein“ (damit meint sie bestimmt das Herz der Nordmarken) wieder zusammenzusetzen. Witta wirft ein, es wäre ebenfalls der richtige Ort, um Marbulf als letztes Opfer umzubringen. Oder um Dämonen zu beschwören, ergänzt Lares.

Im Übrigen ist hier Schluss, es führt kein Weg aus diesem Raum heraus außer dem, durch den wir gekommen sind. Zumindest kein offensichtlicher.

Die Magier werden zunehmend entrückt, ihre Hemmungen schwinden offensichtlich, wie sich zeigt, als Adelchis unvermittelt einen Feuerstrahl gegen die Wand schleudert. „Das wollte ich schon immer tun!“, schreit er dazu, fast höre ich schon irres Gelächter. Erschreckt zucke ich zusammen und halte schützend die Arme über meinen Kopf, nachdem ich Tsalinde in Deckung gezogen habe.

Auch Gudekar lässt nun alle Vorsicht und Zurückhaltung fahren. Auch er spricht irgendetwas, dann brechen Steinbrocken aus der Wand und Splitter fliegen umher.

Adelchis umarmt Gudekar vor lauter Glücksgefühl. Dann machen sie sie gerade weiter mit ihrer wilden, ungezügelten Zauberei. Ich schreie sie an, sie sollen aufhören, aber sie hören einfach nicht.

„Adelchis, Ihr habt sie nicht mehr alle! Ihr seid völlig dem Wahnsinn verfallen!“, schreit nun auch Tsalinde. „Wollt Ihr, dass alles über uns einstürzt? Seid Ihr denn verrückt geworden?“

Witta bleibt relativ ruhig in dem ganzen Chaos und schüttelt nur den Kopf, während Adelchis irgendwie hungrig von einem zur anderen sieht. Lares macht dagegen Anstalten, Adelchis anzuspringen. Gudekar sieht das und ruft: „PARALÜ PARALEIN!“ Erstarrt und zu keiner Bewegung mehr fähig stürzt Lares zu Boden.

Witta macht zwar einen Schritt nach vorne, als wolle sie Lares auffangen, kommt aber zu spät. Sie sieht jetzt nicht mehr ganz so ruhig und deutlich missbilligend aus. „Der Raum ist nicht gut für uns!“, ruft sie laut. Eoban ist völlig fassungslos und offenbar ganz ohne Zauber zu keiner Handlung fähig.

In Gudekars Augen beginnt der Wahnsinn zu glitzern. Ich richte mich auf, um ihn anzuspringen. „Herr von Weissenquell, seid Ihr des Wahnsinns?“, spricht es Witta direkt aus, auch Eoban schüttelt seine Lethargie ab und tritt auf den Magier zu. Doch da zeigt Adelchis auf ihn, ich höre so etwas wie „Imperavi!“, und Eoban verharrt im Schritt.

Ich werfe mich auf Gudekar, doch der verschwindet plötzlich und taucht in einer anderen Ecke des Raumes wieder auf, so dass ich mit voller Kraft gegen die Steinwand knalle. Mit einem Aufschrei sinke ich zu Boden.

Alle Aufrufe zur Vernunft zeigen bei den Magiern keine Wirkung. Witta geht zu Tsalinde und meint, sie sollten wohl am besten den Raum verlassen. Die Gelehrte stimmt dem vorbehaltlos zu.

Gudekar macht sich derweil durchsichtig, Adelchis bläst Tsalinde auf, wie er es bei Kobolden gesehen hat. Tsalinde wird nun von Verzweiflung übermannt und ruft: „Gudekar, wie könnt ihr unserem Kind das antun?“ Ich höre das zwar, bin aber noch viel zu benommen, um daraus irgendwelche Schlüsse zu ziehen.

Gudekar wird unmittelbar wieder sichtbar und sieht völlig erstarrt zu Tsalinde hinüber. Witta schaut ihn seltsam an, nutzt aber die Gelegenheit, um ihn aufzufordern, seinen Wahnsinn hinter sich zu lassen und Lares wieder zu entsteinern. Tatsächlich folgt Gudekar ihrer Aufforderung und hebt den Zauber auf Lares auf, aber erst, nachdem er Tsalinde eine ganze Weile angestarrt hat und dann zu Boden gesunken ist.

Adelchis sieht nun ein wenig unschlüssig aus, er ist durch Gudekars Handlungen aus seinem Hochgefühl gerissen worden. „Tsalinde, was … ?“ stammelt dieser, verstummt dann aber wieder.

Adelchis verwandelt sich in eine Spinne und krabbelt die Wand hoch, während ich aus dem Raum flüchte, da mir die Situation zu verworren ist und die Magier immer noch zu wahnsinnig. Draußen stolpere ich leider wieder in die Zone der Orientierungslosigkeit. Rückwärts begebe ich mich durch diese hindurch, verharre dann aber schwer atmend, um mich zu sammeln.

Eoban ist unschlüssig, Lares rappelt sich wieder auf und schaut hin und her. Dann sagt er plötzlich fragend: „Glückwunsch?“

Eoban ignoriert das und tut kund, dass sie nun den Raum verlassen sollten. „Kommt Ihr mit, Gudekar?“, fragt er den immer noch völlig erschüttert dasitzenden Magier. „Ihr könntet doch einfach ein Loch in die Decke sprengen.“

Doch Lares nimmt Gudekar nun an der Hand und führt ihn aus dem Raum, was dieser nahezu willenlos mit sich geschehen lässt. „Das kann nicht sein … das darf nicht sein …“, murmelt er dabei vor sich hin.

Die beiden arbeiten sich auch rückwärts durch die orientierungslose Zone und treffen danach auf mich. Ich zucke erst einmal zusammen, als ich sie höre, vor allem Gudekar. Instinktiv strecke ich abwehrend die Arme aus. „Alles gut“, beruhigt mich Lares. Außer, dass bei uns völlig finster ist.

Adelchis verwandelt sich zurück, und dann sprengt er die Decke, aber so, dass der Raum nicht einstürzt. Wir hören das auch, denn der Lärm ist mörderisch. „Adelchis, hört auf!“, ruft jetzt sogar Gudekar, aber vermutlich sind wir schon zu weit weg, als dass er es hört.

Adelchis bläst sich nun selbst auf und fliegt durch das selbst geschaffene Loch nach draußen.

Wir anderen können nicht fliegen und müssen daher die Fallen in umgekehrter Richtung nochmals überwinden, um dann auf konventionellem Wege in den Burghof aufzusteigen. Unsere Waffen müssen wir zurücklassen.

Gespräche in der Nacht

Setting

Vater und Sohn, Part I

Personen:

Das Gespräch

1. Firun 1043 B.F., Nachts im Gasthaus von Poluik, nachdem nach den Untersuchungen des Tatorts als ein Teil der Gruppe dort zur Nachtruhe angekommen ist.

Gudekar stand am Fenster seines Zimmers und beobachtete regungslos das Schneetreiben vor seinem Fenster, als es an seiner Tür klopfte. Er reagierte nicht, Doch nach dreimaligem Klopfen ohne Antwort öffnete sich die Tür vorsichtig. Er hatte vergessen, seine Tür zu verriegeln. Ein heller Lichtschein fiel vom Flur in das ansonsten dunkle Zimmer. “Gudekar?” hörte er die Stimme seines Vaters.

“Herr Vater? Seid Ihr es?” fragte der Magier, als ob er es nicht wüsste.

“Ja, mein Sohn! Darf ich eintreten?”

“Kann ich euch davon abhalten, Euer Wohlgeboren?”

Friedewald lachte leicht, doch war es eher ein gequältes Lachen. “Nein, mein Sohn, nicht wirklich.” Er trat ein, schloss die Tür und entzündete mit der mitgebrachten Kerze den Leuchter auf dem Tisch. Dann stellte er eine Flasche ab, die in der Hand hielt. “Komm her, mein Junge, setz dich und trink mit mir.” Er nahm zwei der Becher, die zusammen mit einer Karaffe Wasser bereit gestellt worden waren. Doch Friedewald goß aus der Flasche, die er selbst mitgebracht hatte eine grüne Flüssigkeit ein. “Schau, ich habe in meinem Reisegepäck noch eine Flasche Albenhuser gefunden.”

Gudekar tat, wie ihm gehießen, und setzte sich zu seinem Vater an den Tisch.

“Gudekar, ich glaube, du hast mir einiges zu erklären.” Sein Sohn wollte gerade tief Luft holen, um wieder aufzustehen und lautstark zu protestieren, da sprach Friedewald jedoch schon weiter. “Wir sind nicht hierher zu Herrn Eoban gereist, um ein Fest zu feiern und einen Hirschen zu jagen, hab ich recht? Da steckt etwas bedeutenderes dahinter. Erzähl mir, was dich und Eoban, den Freund deines Bruders, zusammengeführt hat und was Euch hier umtreibt!”

Gudekar setzte sich wieder und leerte den Becher in einem Zug. Während er still da saß, um seine Gedanken zu sammeln, goss ihm sein Vater nach, doch Gudekar rührte den Becher nicht mehr an. „Vater, ihr habt von den Ereignissen während des Flussfests gehört?“

„Du meinst die Prophezeiung des Flussvolks, die entlang des großen Flusses und auch an den Nebenläufen allerorts zu vernehmen war? Ja selbstverständlich! Obwohl bei uns keine Erscheinung war, aber der Lützelbach ist wohl zu klein und trug zu der Zeit nach der Trockenheit des Sommers zu wenig Wasser, als dass sich das Flussvolk bis nach Lützeltal verirrt hätte.“

„Genau, das meine ich. Nun, ich wurde von meinem Abt beauftragt, mich der gräflichen Ermittlergruppe anzuschließen, die die Bedeutung der Prohezeihung entschlüsseln sollte, was uns auch zum Teil gelang. Genaueres kann und möchte ich Euch nicht verraten. Zum einen, weil ich Stillschweigen über die Erkenntnisse gelobte. Aber vor allem, weil ich Euch und die Familie schützen muss.” Mit ängstlichen Augen schaute Gudekar seinen Vater an und zitternder Stimme sprach er weiter. “Vater, es gibt Dinge, bei denen das reine Wissen darüber eine ernste Gefahr für das Leben und die Seele darstellt - für sich selbst, aber auch für die eigenen Lieben.”

Nun schaute Friedewald erschrocken zu seinem Sohn und leerte seinen Becher. “Es ist gut, Gudekar. Erzähl mir mehr! Nur wenn ich die Art der Gefahr kenne, kann ich mich darauf vorbereiten, die Familie zu beschützen.”

Nervös strich sich der Magier mit seiner Hand durch die Haare, bevor er weitersprach. “Jedenfalls, bei unseren Ermittlungen stießen wir auf die Spur eines Paktierers. Des Paktierers, der erst vor kurzem auch in Talwacht sein Unwesen trieb.” Als er weitersprach, brach immer wieder seine Stimme, und Tränen flossen aus seinen Augen. “Während unserer Untersuchung wurde dann auch Reto von den Schergen des Paktierers entführt. Es war schrecklich! Nur mit Mühe war es uns gelungen ihn und einen Tsageweihten zu befreien. Vater, du hättest Reto sehen sollen. Er war doch immer so ein starker, selbstbewusster Mann. Du hättest ihn nicht wiedererkannt. Er war gebrochen.”

Der Edle erhob sich von seinem Stuhl und ging zu seinem Sohn, um ihn in den Arm zu nehmen. Wort- und regungslos verharrten sie so einen lange Zeit, und Friedewald gab seinem Sohn halt, während Gudekar weinte. Als er sich wieder etwas gefangen hatte, fragte Friedewald: “War es dies, worüber ich im Greifenspiegel gelesen habe?”  

“Ja, Vater, genau dies waren die Ereignisse.”

“Oh je, wie schrecklich. Dies erklärt dann auch die niedergeschlagene Stimmung, die mir in Darrenbruck auf der Herreise entgegen schlug. Es war fast gespenstig, Nicht einmal Eilada wollte groß mit mir reden.” Der Edle machte eine Pause und setzte sich wieder. Schweigend saßen sich Vater und Sohn gegenüber.

“Und was treibt euch nun hierher? Auf die alte Burg?”

“Marbulf von Limmburg, der Edle von Trackental, der heute ermordet wurde, war der Vater des Paktierers. Wir hofften, hier eine Spur auf dessen Verbleib zu finden. Es gab auch die Befürchtungen, er hätte sich in der alten Ruine ein geheimes Versteck errichtet.”

“Und Ihr habt ihn stellen können? Es schien mir dort einen gewaltigen Kampf gegeben zu haben, der den ganzen Berg zu erschüttern schien. Hätte ich nicht den Auftrag gehabt, die Pagin zu bewachen und zu beschützen, ich hätte doch noch versucht, zu Euch zu gelangen, solche Sorgen habe ich mir gemacht.”

“Nein Vater, Eure Sorge war unbegründet. Es gab dort keine Spur auf den Paktierer. Doch haben wir etwas anderes entdeckt, etwas wundervolles, dass weit älter als das wirken des Paktierers ist, weit älter als die Nordmarken, wie wir sie kennen. Ein Geschenk Hesindes.”

“Nagut, mein Sohn, von diesen Dingen verstehe ich nicht viel, und will sie auch gar nicht wissen.” Friedewald reichte seinem Sohn noch einmal den Becher voll Albenhuser Albenbluth, den Gudekar jetzt auch dankbar entgegen nahm. “Es freut mich, dass dir nichts passiert ist, Junge! Lass uns auf die Familie trinken. Auf die Liebe und das Leben, auf die Weisheit Hesindes und die Gastfreundschaft Travias!”

Gudekar nahm den Becher. “Auf die Familie!” Er trank einen Schluck, stellte den Becher dann jedoch wieder ab. Mit einem ernsten Gesicht sprach er den Edlen an: “Vater, ich muss Euch noch etwas mitteilen.” Friedewald nickte lediglich zustimmend. Er hatte darauf gewartet und schaute seinen Sohn auffordernd an.

“Ihr habt die Edle von Kalterbaum kennengelernt.” Friedewald nickte bejahend. “Nach meiner Rückkehr aus Schweinsfold fragtet ihr mich, was dort vorgefallen war.” Friedewald schaute streng zu Gudekar. “Ihr wolltet wissen, mit wem… mit wem ich Merle hintergangen hatte.”

“Ja. Na gut, Gudekar, du musst es nicht aussprechen.” Jetzt stand der Edle auf und diesmal war er es der zum Fenster lief und hinaus schaute, um seinen Sohn nicht ansehen zu müssen. Das machte es schlimmer, denn Gudekar hatte noch immer des öfteren Kontakt mit der Dame. Gudekar lief ihm hinterher und drehte ihn an den Schultern um.

“Vater, sie erwartet ein Kind!”

BATSCH!

Gudekar spürte die flache Hand seines Vaters auf seiner Wange, doch er zuckte nicht weg. Weiter hielt er den Edlen an den Schultern.

“Was hast du dir nur dabei gedacht, Junge?” schrie Friedewald ihn an.

Der Magier senkte den Kopf. Kleinlaut antwortete er. “Ich habe mir nichts dabei gedacht.”

“Ja, das ist typisch, der Herr Magus macht wieder einmal, was er will. Weil er es kann, vermutlich. Ohne sich über die Konsequenzen seines Handelns klar zu sein. Dachtest wohl, es wäre ein Spaß, sich einfach mal so mit einer jungen Dame zu amüsieren. An das, was dies für die Dame bedeutet, unvermählt ein Kind zu bekommen, noch dazu von einem verheirateten Mann, daran hast du also nicht gedacht? Und an deine Frau und dein ungeborenes Kind wohl auch nicht.”

Wieder rannen Tränen über Gudekars Gesicht. “Nein, Herr Vater, so war es nicht. Es war ein Zauber, ein Feenzauber, der dort in Herzogenfurt über dem Park lag, und der Tsalinde und mich Dinge tun ließ, die nicht geplant und, ja, auch nicht gewollt waren. Wir waren nicht Herr unserer Sinne, als es geschah.”

Friedewald blickte ernst zu seinem Sohn. “Sieh mich an! Sieh mir in die Augen und sage mir eins. Und lüge mich nicht an! Habt ihr es danach noch einmal getan? Tut ihr es immernoch, wenn ihr gemeinsam unterwegs seid?”

“Nein, Vater. Ich hatte nur dieses eine Mal mit Tsalinde Rahja geopfert. Und ich habe kein Interesse daran, es wieder zu tun.” Friedewald sah, dass Gudekar diese Worte  ernst meinte und ohne eine Spur von Falschheit. Doch der Edle übersah, das Merle davon berichtet hatte, dass sie zweimal etwas von entsprechenden Gefühlen bei Gudekar gespürt hatte.

Der alte Ritter ging in dem Zimmer auf und ab und überlegte, während Gudekar an die Wand gelehnt auf sein Urteil wartete.

“Nun gut, Gudekar. Es war nur einmal. Doch dabei hat Tsa sich eingemischt. Das ist nicht gut. Es ist vor allem nicht gut, weil du damit Travia enttäuscht hast. Und es kann nie gut für die Familie sein, wenn Travia enttäuscht wurde. Doch es gibt Wege, dafür Buße zu tun. Gudekar, zurück in Albenhus musst du mit Mutter Luidbirg und Vater Reginbald reden und um Vergebung bitten. Sie werden dir einen Weg zeigen, deine Schuld wieder gut zu machen. Und du musst mit der Dame von Kalterbaum reden und diese Sache ein für alle mal klären. Sag ihr, das Haus von Weissenquell wird sich entgegenkommend zeigen. Es ist einerlei, ob sie das Problem aus der Welt schaffen will, oder ob Sie sich selbst um den Balg kümmern will. Das Haus Weissenquell wird sich erkenntlich zeigen. Nur soll sie uns danach damit in Ruhe lassen.”

Jetzt war Gudekar außer sich und brüllte seinen Vater an. “DAS PROBLEM AUS DER WELT SCHAFFEN? Ist dies Euer Weg? Meiner ist es nicht! Was denkt Ihr Euch eigentlich?” Ohne ein weiteres Wort zu sagen ergriff Gudekar seinen Mantel, stürmte aus dem Zimmer und schlug mit einem lauten Knall die Tür hinter sich zu, was alle anderen Gäste im Haus aufschrecken ließ.

Besuch zur späten Stunde

Personen:

Das Gespräch

Es war schon spät in der Nacht. Ein erneuter Schneefall hatte eingesetzt und in den Straßen von Poluik war es stockdunkel, bis auf den schwachen Schein einer bläulich leuchtenden Kugel, die die Straßen entlang schwebte. Der Kugel folgte eine Gestalt, die in einen Mantel gehüllt war. Diese Gestalt war der Urheber der Lichtkugel.

Gudekar klopfte energisch an die Eingangstür des Gästehauses, in dem die Damen der Reisegruppe einquartiert waren. Auf die Frage “Wer da?” des Knechts, der nach einer ganzen Weile an die Tür kam, weil das Klopfen nicht aufhörte, antwortete der Magier: “Gudekar von Weissenquell. Ich muss sofort mit der Dame von Kalterbaum sprechen. Lasst mich ein!” Ein Riegel wurde zur Seite geschoben und bevor der Knecht die Tür öffnen konnte schob schon der späte Gast diese auf. Er lief zur Treppe und nachdem er zwei Stufen förmlich hoch geflogen war, drehte sich Gudekar um und fragte: “Welches Zimmer?” Der Knecht antwortete ihm, und Gudekar rannte zu der genannten Tür. Er klopfte an, vorsichtiger diesmal, und rief leise: “Euer Wohlgeboren, Frau von Kalterbaum? Tsalinde? Seid Ihr noch wach? Ich muss Euch dringend sprechen!”

In weiche, warme Felle gehüllt saßen Tsalinde und Isavena vor der Feuerstelle in ihrem Zimmer und tranken heißen Apfelsaft.

“Manchmal wünschte ich, du wärst keine Edelfrau.”, sinnierte die Zofe. “Dann könnten wir einfach weg gehen und an einem anderen Ort neu anfangen.”

“Das verstehe ich. Ich könnte auch verstehen, wenn du mich verlässt. Ich habe dich betrogen und ich habe meine Baronin, die so viel Vertrauen in mich gesetzt hat, sehr enttäuscht.” Eine Träne lief ihr über die Wange.

Entschlossen strich Isavena das Fell zurück, welches um ihre Schulter lag und kniete sich vor ihre weinende Gefährtin. Zärtlich strich sie ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wischte die Tränen weg. “Tsalinde, Geliebte, es war ein Zauber und, wie ich vermute, noch dazu ein recht starker. Du magst oder mochtest Gudekar, wenn auch nicht auf diese Weise und so war es der Magie ein leichtes dich zu verführen. Ich bin dir weder böse noch bin ich enttäuscht von dir. Gemeinsam werden wir einen Ausweg finden.”

In dem Moment klopfte es an der Tür.

Melisande war froh gewesen, als sie am späten Abend endlich wieder in ihrem Zimmer und allein war. Alles tat ihr weg von dem ungewohnten Gestapfe durch den Schnee den ganzen Tag, gleichzeitig war ihr noch immer kalt, hatte es doch kaum Gelegenheit zum richtigen Aufwärmen gegeben nach ihrer Rückkehr von der Ruine. Sie hatte sich noch zwei weitere Decken bringen lassen, erst dann hatte sie sich ausgezogen und im Nachthemd in das von einer Bettpfanne vorgewärmte Bett gelegt.

Dann jedoch, als sie endlich hätte schlafen können, waren all die Ereignisse des Tages wieder aus ihren Löchern hervorgekrochen und hatten einen wilden Reigen in ihrem Kopf aufgeführt, der sie kaum richtig zur Ruhe hatte kommen lassen. Sie hatte sich gefühlt hundert Mal hin- und her gedreht in ihrem Bett unter vier Decken, und versucht, sich zu entspannen, was durch ihre schmerzenden Muskeln nicht leichter gemacht worden war. Und endlich, endlich, war sie wohl ins Reich der Träume hinab geglitten, wenn es auch keine schönen, ruhigen Träume gewesen waren.

Da plötzlich riss Melisande ein infernalischer Lärm wieder heraus aus Borons Reich. Kerzengerade saß sie im Bett und blinzelte mehrfach, bis die den Lärm als Klopfen an der Tür identifizierte, dem männliche Stimmen gefolgt waren. Dann Schritte auf der Treppe und erneutes Klopfen, nicht so laut, aber an der direkt benachbarten Tür. Und dann die Stimme Gudekars, der zwar leise, aber für ihre scharfen Ohren doch vernehmbar sprach.

Was wollte der Magier mitten in der Nacht - oder wie spät genau es jetzt auch immer war, gefühlt hatte sie noch so gut wie gar nicht geschlafen, sie hatte immer noch überall Schmerzen und fühlte sich gerädert - von Tsalinde? Kurz zögerte die Zofe, doch dann überwand ihre Neugier den Schrecken, sich im Nachthemd und barfuß aus dem warmen Bett zu wühlen und sie tat genau dass, um auf leisen Sohlen zur Tür zu schleichen, um zu lauschen. Mit Mühe ignorierte sie den eisigen Schauer, den die kalten Luft des Zimmers über ihre fast ungeschützte Haut jagte.

Erschrocken sahen sich die Frauen an, dann  griffen sie wortlos nach den Waffen.

Tsalinde, griff nach einem Bündel Pfeile, die sie zur Sicherheit noch in ihrem Gepäck hatte, nahm einen Pfeil heraus und legte ihn auf die Sehne ihres Bogens. Schussbereit stellte sie sich gegenüber der Tür auf und ließ Isavena, die lediglich mit einem Dolch bewaffnet war, die Türe so öffnen, dass sie freies Schussfeld hatte. Mit leiser, aber fester Stimme sprach sie ihren nächtlichen Gast an. “Gudekar von Weissenquell, was bringt euch dazu mitten in der Nacht an meine Tür zu klopfen. Meint ihr nicht, mein Ruf wäre geschädigt genug?”

Mit Schrecken wich der Magier einen Schritt zurück, als er den auf ihn gerichteten Pfeil sah. Dann hob er abwehrend die Hände und trat vorsichtig einen Schritt in den Raum. “Frau von Kalterbaum, ihr wollt doch sicher keinen unbewaffneten Mann erschießen!” Die Furcht, die den Ärger über seinen Vater vertrieb, war deutlich in seiner Stimme zu hören. Er war nicht sicher, ob sie vielleicht doch genau dies tun würde. Was ging in der Dame vor? Wie hat sie die Ereignisse verkraftet? Was bewirkt…? Er konnte, nein, er wollte ihre Gedanken nicht lesen. Er hoffte nur, sie würde ihm nicht wirklich etwas antun. “Nicht nur Euer Ruf wurde geschädigt! Ihr seid ungebunden, doch ich bin ein verheirateter Mann.” Er ließ ihr keine Zeit, darauf zu antworten. “Ich muss unbedingt mit Euch sprechen. Und wenn Ihr Euch wohler fühlt, dies in Gegenwart einer Person zu tun, der ihr vertraut,” er schaute fragend ihre Zofe an, “dann soll es so sein. Darf ich eintreten?”

Melisande machte große Augen, als sie dem Gespräch entnahm, dass Waffen im Spiel waren, und war sehr erleichtert, dass es nicht unmittelbar zu Kampfhandlungen unter ihren Gefährten kam. Zudem war sie hin und her gerissen, ob sie nicht lieber diskret weghören sollte, denn das hörte sich sehr privat an. Die Etikette verlangte es, aber ihre Neugier, die sie früher schon mehr als einmal in des Namenlosen Küche gebracht hatte, war einfach stärker. Fast vergaß sie über diesen Gedanken die Kälte, die ihr mehr und mehr in die Glieder kroch.

“Unbewaffnet? Nach dem was ich in der Burgruine gesehen habe benötigt ihr keine Waffen um Menschen zu verletzen. Eure Macht ist euch zu Kopfe gestiegen und ich bin nicht sicher, ob ihr mir wohlgesonnen seid. Ein gezielter Zauber auf mich würde schnell einige eurer Sorgen beseitigen.” Dennoch deutete sie auf einen Platz am Kamin. “Setzt euch.”

Bei der Erwähnung der Ereignisse in der Burgruine funkelten für den Bruchteil einer Sekunde die Augen des Magiers und ein sehnsüchtiges Lächeln durchzog sein Gesicht. Doch im fahlen Lichtschein des Zimmers war dies kaum zu erkennen. Ja, dort, in der Kammer. hätte er ihr etwas antun können, wenn er es gewollt hätte. Dort hätte er ALLES tun können. Doch hier reichten seine Kräfte nicht, um ihr etwas ernsthaftes antun zu können. Ihrem Kind - seinem Kind - schon, aber ihr nicht. Dennoch es war wohl besser, wenn sie das nicht wusste.

Gudekar trat ein und setzte sich auf den Stuhl, den ihm Tsalinde wies.  

Hinter Gudekar schloss Isavena die Tür, nahm Tsalinde den Bogen ab und bezog mit gespannter Sehne Aufstellung. Zwar deutete die Pfeilspitze zu Boden, dennoch schien die Zofe bereit die Waffe einzusetzen.

Tsalinde setzte sich wieder auf ihren Platz am Kamin, kuschelte sich aber nicht in die Felle, sondern zog ihren Dolch aus dem Halfter und legt ihn in ihren Schoß. Ihr Fingerknöchel traten weiß hervor, so fest hielt sie den Griff der Waffe.

Beide Frauen wirkten verängstigt, aber fest entschlossen sich gegenseitig mit Zähnen und Klauen zu verteidigen.

“Oh, vermutlich wäre es dies, was sich mein Vater wünschen würde, doch das ist nicht mein Weg” murmelte er vor sich hin, so dass es kaum zu verstehen war. Und es war auch nicht klar, ob er nur laut gedacht hatte und die Worte versehentlich aussprach, oder ob Tsalinde diese hören sollte.

Nun wandte er sich direkt an Tsalinde. “Schaut, Tsalinde, es war niemals meine Absicht, irgendjemanden irgendetwas anzutun, weder in der Kammer noch hier. Und es wird es auch nie sein. Das ist nicht mein Weg!”

Melisande gingen ein paar undamenhafte Gedanken durch den Kopf, als es zeitweilig sehr ruhig im Nachbarraum wurde, und sie presste sich noch enger an die Tür, um besser hören zu können. Dann sprach Gudekar endlich wieder. Seine Worte erinnerten sie an den Schrecken, den sie in dieser Kammer in der Burg verspürt hatte, als es den Anschein hatte, die Magier würden trunken vor Macht durchdrehen. Sie hoffte inständig, dass Gudekar seine Worte so meinte, wie er sie sagte, allerdings befürchtete sie, dass jene Macht so verführerisch sein könnte, dass jeder Vorsatz hinweggefegt werden würde, wenn er sie erneut kostete. Wobei sein Kollege, dieser für sie recht undurchschaubare Adelchis, fast noch schlimmer betroffen gewesen war.

Betrübt schaute Tsalinde ihren Gast an und versuchte in ihm zu lesen. “Vor dem heutigen Tage hätte ich euch auch niemals solcher Taten für fähig gehalten, doch was ich in der Kammer gesehen habe hat mich eines besseren belehrt. Offensichtlich seid ihr, wenn eure Macht nur groß genug ist, durchaus fähig selbst eure Gefährten, mit denen ihr bereits einige Gefahren durchgestanden habt, zu verletzen.” Sie atmete tief durch und fügte hinzu: “Es tut mir leid, dass ihr auf diesem Wege von unserem Kinde erfahren habt, doch ich sah keinen anderen Ausweg. Ihr wart ja wie von Sinnen.”

Melisande machte große Augen. Daher wehte also der Wind! In dem Chaos und der Aufregung in der Kammer hatte sie die Worte Tsalinds gar nicht richtig mitbekommen, aber jetzt machte das Sinn.

Bevor Gudekar reagieren konnte deutete sie auf ein kleines, filigranes Kästchen, dass auf einem Tischchen neben ihm lag. “Seht euch das bitte an.”

Der Magier nahm das Kästchen in die Hand, doch schaute er zunächst nicht hinein. Stattdessen sprach er mit einem eher beleidigtem als reuigem Tonfall: “Ich habe niemandem aus unserer Gefährtenschaft ernsthaften Schaden zugefügt! Im Gegenteil, als Adelchis und ich angegriffen wurden, habe ich lediglich versucht, durch geeignete, ungefährliche Gegenmaßnahmen die Situation zu deeskalieren.”

“Wenn das eure Ansicht ist, tut es mir sehr leid um euch, denn dann ist euch die Macht mehr zu Kopf gestiegen als ich geglaubt habe. Ihr habt eine junge Frau quer durch den Raum geschleudert, wollt ihr ernsthaft behaupten, das war ungefährlich? Melisande hätte sich dabei schlimm verletzen können und im schlimmsten Falle gar das Genick brechen.”

Unwillkürlich nickte Melinsande heftig bei diesen Worten. Ihre Schmerzen rührten nicht nur von der anstrengenden Wanderung durch den verschneiten Wald …

“Aber…”, wollte Gudekar zu einer Verteidigung ausholen, doch sie schüttelte den Kopf, atmete tief durch und fuhr fort: “Offensichtlich seid ihr nicht gekommen um euch wegen dieser Vorkommnisse zu erklären, daher lassen wir das Thema besser fallen. Vielleicht wird euch eines Tages bewusst wie sehr die Situation dort unten bereits eskaliert war. Dann werdet ihr vielleicht auch verstehen, dass ich zu solch drastischen Maßnahmen greifen musst.”

Offensichtlich war das Thema für sie damit erledigt, denn sie schwieg und schaute ihn nur auffordernd von dem Magier zu dem Kästchen in seiner Hand.

Schließlich sah Gudekar in das Kästchen. Darin befand sich auf einem samtweichen Bett, ein kleiner, aus Blüten und Baumblättern gestalteter, bunter Schmetterling. Der Magier schaute sich den Inhalt genau an. Ohne ein Wort zu sagen blickte er dann zu Tsalinde auf. Seine Augen spiegelten eine fragende Skepsis wider.

”Diesen Schmetterling schenkten mir die Kinder TSAs als wir dort gemeinsam dort im Tempel waren.” Zärtlich strich sie sich über den Bauch, wobei ihr Oberteil etwas verrutschte und ein buntes Tuch in den Farben des Regenbogens hervorblitzte, das sie um ihre Taillie trug. “Die Göttin TSA und ihre Kinder haben dieses Kind gesehen, weit bevor ich es tat.” Herausfordernd schaute sie Gudekar an. “Ich werde dieses Kind nicht nur zur Welt bringen, ich werde es groß ziehen und von ganzem Herzen lieben, denn es ist ein Geschenk der Göttin.”

Fast wünschte sich Melisande, durch Wände sehen zu können, wie es Gudekar heute getan hatte, aber gleich darauf schalt sie sich erschreckt für solche Gedanken. Wenn mit solchen Fähigkeiten einherging, dass man anfällig wurde für Versuchungen, dass man die Kontrolle verlor und eine Gefahr für andere wurde, dann wollte sie damit nichts zu tun haben.

“Gut!” Gudekar klang erleichtert, doch gleich darauf sprach er vorwurfsvoll: “Und wann hattet Ihr vor, mir davon zu erzählen?”

Verlegen senkte Tsalinde den Kopf: “Erst wollte ich euch einen Brief schreiben, doch ich fand nicht die richtigen Worte. Gestern schien ständig entweder euer Vater oder einer unserer Gefährten bei euch zu sein.” Leiste fügte sie hinzu: “Vielleicht war ich aber auch zu feige.”

Gudekar stützte die Ellenbogen auf die Armlehnen des Stuhls und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Mit den Fingern massierte er sich die Schläfen. Ein stechender Kopfschmerz hatte sich seiner bemächtigt. Schweigend blieb er eine Weile so sitzen und schien nachzudenken. “Ihr tatet gut daran, es nicht in Gegenwart meines Vaters kundzutun. Ich war nicht so weise.” Mit leiser Stimme sagte er diese Worte. Er dachte weiter nach, doch dann fragte er entschlossen: “Also gut, Ihr wollt das Kind austragen. Das begrüße ich. Und dann? Wie geht es dann weiter? Ihr seid nicht verheiratet. Ich schon, wie ich bereits angemerkt habe.”

“Ja, das weiß ich und ich habe bereits bei der Herrin Travia Buße getan für das, was in dem Park geschehen ist. Seit ich von meinem Kind weiß, mache ich mir Gedanken darüber und schlussendlich wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als mich an meine Baronin zu wenden und sie zu bitten, mir dabei zu helfen einen Mann zu finden, der nicht nur bereit ist den Traviabund mit mir zu schließen, sondern der auch das Kind anerkennen wir.” Eine Träne rollte über ihre Wange. “Doch nun wissen all unsere Gefährten inklusive der Vögtlin Witta von dem was geschehen ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben haben. Es tut mir leid, dass ihr durch mich nun auch noch in Verruf geraten werdet. Oder glaubt ihr, jemand wie Lares wird diese Tatsache für sich behalten?”

Gute Frage. Der verkniffene Ritter, der immer so mürrisch schaute, hielt sich sehr an Praios. Wenn er vor Praios einen Grund sah, dieses Wissen zu teilen, würde er es tun, ungeachtet der Folgen für die Beteiligten. Wenn es allerdings keinen Grund gab …

Der Mann, der noch immer in seinen Reiseumhang gekleidet war und lediglich die Kapuze nach hinten geworfen hatte, wirkte bleich. Er starrte Tsalinde entgeistert an. Er wusste nicht was er sagen sollte, zu viel ging ihm durch den Kopf. ‘Bei der Herrin Buße tun’. Das stand ihm noch bevor. Doch hatte er weit mehr zu büßen, als Tsalinde wissen konnte. Das Gerede von Zweckehen ließen einen Stein in seinem Bauch erscheinen. Unwillkürlich musste er an Meta zurück denken. Wenn der Herr Lares davon erführe, dann hätte er wohl erst recht etwas in der Hand. Und dennoch. Für Tsalinde würde sich vermutlich durch dieses Kind mehr ändern als für ihn. Am Ende würde es für sie eine weitaus größere Herausforderung bedeuten. Sie würde mehr Opfer bringen müssen als er. Und doch machte sie sich Sorgen um ihn, um Gudekar. Das verstand er nicht. Warum macht sie sich Gedanken, er könne in Verruf geraten? Er hatte mit Vorwürfen gerechnet, mit Forderungen. Und jetzt dies?

Der Geist des Magiers war unendlich Müde. Er wünschte er wäre woanders, weit weg von hier. An einem anderen Ort, in eine andere Zeit.

So saß er da und starrte Tsalinde an.

Eine Weile wartete Tsalinde, ob er noch etwa dazu sagen würde, dann steckte sie ihren Dolch weg und erhob sich müde. “Geht zu Bett, Gudekar. Denkt über das nach was heute geschehen ist und was ihr erfahren habt. Wir können jetzt, müde und erschöpft wie wir sind, ohnehin keine vernünftigen Entscheidungen treffen. Ich werde mich um unser Kind kümmern und alles dafür tun, dass es in Liebe aufwächst. Ihr müsst für euch entscheiden wie ihr zu dem Kind stehen möchtet.”

Nun hielt es Gudekar nicht mehr auf dem Stuhl. Er stand auf und lief zwei mal im Zimmer hin und her. Dann blieb er stehen und drehte sich zu Tsalinde. Er war sichtlich nervös. “Ich muss euch warnen. Ich habe versucht, mit meinem Vater zu reden. Doch dies war ein Fehler. Ich befürchte, er wird versuchen, mit Euch sprechen wollen. Doch seid gewarnt: er wird Euch vermutlich einen Angebot machen, dass Euch nicht gefallen wird. Ich kann nur sagen, das ist nicht mein Weg! Ich freue mich, dass Ihr Euch für das Kind entschieden habt!”

Melisande verdrehe die Augen. Das roch nach Ärger und Drama. Hoffentlich behinderte sie das nicht genau dann, wenn der Zusammenhalt der Gruppe wichtig war. Fast hatte sie das Gefühl, der Schatten des Paktierers schwebe schon über ihnen. Ein eisiges Prickeln lief ihre Wirbelsäule hinab, welches nichts mit der Kälte im Raum zu tun hatte, aber es erinnerte sie daran, dass sie ihre Füße schon kaum mehr spürte.

Besorgt musterte Tsalinde ihren nächtlichen Besucher. “Wird euer Vater mir oder dem Kind drohen oder uns schaden wollen?” “Ich weiß nicht, was er vorhat. Sicher wird er Euch oder dem Kind nichts antun, das würde er nie tun. Dennoch sprach er davon, das ‘Problem solle aus der Welt’ geschafft werden. Und das Haus Weissenquell würde sich erkenntlich zeigen.” Gudekar war sichtlich schockiert von den Worten seines Vaters und es war offensichtlich, was er davon hielt.

Scharf zog Melisande die Luft ein bei diesen Worten. Aber dann sagte sie sich, dass Gudekars Vater sicher keinen Tsa-Frevel begehen würde … wobei … ihr kamen die Erinnerungen wieder hoch, was Thalissa aus Talwacht erzählt hatte, dass die Leute unter dem Bann des Bäckerpruchs die schlimmsten, traviaungefälligen Dinge getan hatte. Erneut lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Vielleicht hatte der Bäckerpruch seinen Vater ja nicht besucht, aber das hieß noch lange nicht, dass er nicht in der Nähe sein könnte.

“Dann vertraue ich darauf, dass ihr euren Vater richtig einschätzt. Wenn es ihm um den Ruf seines Hauses geht, kann er sich vielleicht ebenfalls bei unseren Gefährten dafür stark machen, daß diese schweigen.” Damit ging sie zur Tür und öffnet sie weit. Ein deutlicher Hinweis darauf, daß das Gespräch für sie beendet war. “Ruht euch aus, Gudekar, ich bin sicher, ein weiterer, ereignisreicher Tag wartet auf uns.”

Melisande zuckte zusammen, als die Nachbartür sich unvermittelt öffnete. Im ersten Moment wollte sie zurückspringen, aber dann übernahm ihr Verstand wieder die Kontrolle. Niemand konnte sie hier sehen, und solange sie keinen Lärm machte, auch nicht hören. Schnell drückte sie das Ohr wieder an die Tür.

„Gut, dann warten wir ab, was geschehen wird. Ich denke Ihr habt Ruhe mehr nötig als ich.“ Tatsächlich hatte das Spektakel unter der Burg ihm mehr Kraft gegeben als gekostet und Gudekar fühlte sich - körperlich - kein wenig erschöpft. Er überlegte, ob es nach den Ereignissen am Tag und diesem Gespräch sinnvoll wäre, dafür zu sorgen, dass Tsalinde einen erholsamen Schlaf genießen würde. In Anbetracht der Tatsache, dass ihre Zofe noch immer den Bogen hielt, verwarf er den Gedanken jedoch gleich wieder. „Ich wünsche Euch eine geruhsame Nacht, Tsalinde! Möget Ihr trotz all der Widrigkeiten die nötige Erholung finden.“ Zur Zofe nickte er kurz: „Frau Isavena!“ Kurz vor der Tür wollte er sich beinahe noch einmal umdrehen und setzte zu Sprechen an. Doch stattdessen schüttelte er nur den Kopf und verließ den Raum, um zurück zu seiner Herberge zu gehen.

Mit klopfendem Herzen verharrte Melisande noch ein paar Augenblicke, wo sie war. Ihre Neugier hielt sie an ihrem Platz, denn vielleicht sagte Tsalinde ja noch etwas zu ihrer Zofe, das sie hören könnte, solange die Tür offen war. Allerdings hatte sie langsam auch das Gefühl, sich hier sowieso nicht mehr wegbewegen zu können, weil sie festgefroren war.

Erschöpft ging Tsalinde zum Feuer, trank den Rest ihres Saftes leer und wandte sich an ihre Zofe. “Was für ein Tag.”

Vorsichtig nahm Isavena den Pfeil vom Bogen und legte die Waffe zur Seite, dann ging sie zu Tsalinde rüber und nahm sie sanft in den Arm. “Mach dir keine Gedanken mehr um die Zukunft. Du wurdest schon von weit gefährlicheren Männern als Friedewald von Weissenquell zum Gespräch gebeten.”

“Das stimmt allerdings”

“Und du hast es überstanden und inzwischen gar dein eigenes Lehen. Ich bin sicher, gemeinsam mit der Baronin werdet ihr eine Lösung finden und schon bald wirst du ein gesundes und hübsches, kleines Baby in den Armen halten.” Sie strich sanft über Tsalindes Bauch.

Das brachte die Edle zum Lächeln und während sich die beiden fürs Bett fertig machten sangen sie leise ein Schlaflied und kaum hatten sie sich unter den Fellen aneinander gekuschelt, schliefen sie friedlich ein.

Außer ein paar unbedeutenden Wortfetzen war nichts mehr zu verstehen, dann schloss sich die Tür zum Nachbarzimmer. Melisande war nicht enttäuscht, denn sie hatte eine Gelegenheit ergriffen und das Beste, was sie hier und jetzt erreichen konnte, daraus gemacht. Allerdings wurde sie sich der Kälte nun umso stärker bewusst, als die Aufregung des heimlichen Lauschens abklang. Mit Mühe konnte sie ein Zähneklappern unterdrücken, dann riss sie sich von der Tür los und schleppte sich auf tauben Füßen ins Bett. Ihre vielen Decken hatten die Wärme einigermaßen bewahrt, trotzdem fröstelte sie noch eine ganze Zeit lang, bis sie schließlich in einen unruhigen Schlummer fiel.