Hort des Seelenpfades (Nandustempel Galebquell)


Geschichte

Jüngstes Gotteshaus der kleinen, aber anwachsenden Ortschaft Grasbühl und wohl auch jüngstes Gotteshaus des gesamten Herzogtumes Nordmarken ist der erstaunlich schlichte Tempel des Nandus. Ausgerechnet ein Heiligtum des freigeistigen Hesindesohnes fand hier im konservativen Herzogtum am Großen Fluss seine Heimat!

Doch lauschen wir der gesamten Geschichte des Tempels, wie sie geschrieben steht.

Am Beginn stand ein wandernder Priester des Nandus, Ynbaht von Lichtenberg mit Namen. Jener halbelfische Priester erhielt vom Baron zu Galebquell erst als Edler, dann als Junker die Ortschaft Grasbühl zu Lehen und siedelte sich in der kleinen Wasserburg auf einer Insel in der Galebra an. Zu Ehren Nandus‘, seines göttlichen Patrons, und um den Verrat seines Amtsvorgängers zu tilgen, benannte er sie um in Wasserburg Einhornfreund. Denn sein alveranischer Meister hatte ihm, dem einfachen Priester, einst eine Vision angedeihen lassen, der er über ein Land herrschen würde, welches sein Fuß bereits betreten hatte.

Damals im Jahr 1025 nach dem Falle Bosparans bestand die erste sakrale Handlung des jungen Nandusgeweihten darin, eine Schreibstube der Burg in einen Schrein seines göttlichen Patrons umzuwandeln. Hier wurde Nandus von der Haus Lichtenberg als Gott der Wissenschaft, der Weisheit und der Orakel verehrt. Auf einem einfachen Tischchen mit einer grünen Decke mit silbernen Stickereien stand eine Statue des Gottes aus Speckstein, die ihn als Lehrer mit einem Buch zeigt. Der Raum wurde regelmäßig von Seiner Gnaden Ynbaht gereinigt und gesegnet. Noch heute befindet sich diese Kapelle in der Burg, ist doch Nandus der Schutzgott der Familie Lichtenberg.

Von diesem kleinen Raum aus breitete sich jedoch der Geist des Nandus über das Junkergut Grasbühl und die Baronie Galebquell aus. Der damalige Erbbaronet Roklan Boromar von Leihenhof suchte in diesen Tagen Schutz und seelische Fürsorge und Ynbaht von Lichtenberg und Nandus waren scheinbar die Einzigen, die sie ihm bereitwillig gaben. Und, wunderlich für einen nordmärkischen Adligen, Roklan wandte sich im Laufe der Jahre dem Kult des Nandus – aber auch der Hesinde – zu.

Am Waldrand unweit der Straße und auf halbem Wege zwischen der Baronsstadt Galebbogen und dem beschaulichen Hainen gelegen, schuf sich der künftige Baron in einer kleinen Waldklause einen eigenen Schrein, einen Rückzugsort im Geiste Nandus, den Ynbaht von Lichtenberg dann auf Bitten seines Schülers segnete.

Noch im selben Jahr, nämlich 1026 BF, entschloss sich Ynbaht einen anderen seiner Schüler zum Priester zu weihen. Koradin von Rothammer, selbst elfischen Blutes und aus kleinem nordmärkischem Adelshause, hatte sich dem Kult zugewandt und in die Lehre bei Meister Ynbaht begeben. Trotz der kriegerischen Ausbildung waren es doch Weisheit und Mystik des Nandus, die den Ritter ungewöhnlicher Abstammung anzogen und in dessen Geiste er den Schutz und die Anerkennung fand, derer er bedurfte. Beide zogen sich an einen urtümlichen Ort zurück, einem alten orkischen Heiligtum des Tairach, welches Ynbaht in den Koschbergen Galebquells entdeckt hatte und nun auf Anweisung seines Schutzherrn vor Unbill bewahrte. Hier vollzogen die beiden Halbelfen die uralten Riten, um Koradin an den Rand des Göttlichen zu erheben. Nandus anerkannte seinen neuen Geweihten und so wurde Koradin ein Priester des Nandus.

Die kleine Zelle wuchs und erlangte an Einfluss, insbesondere, da Koradin aus der Hand Baron Riobhans von Galebquell das Edelgut Niederwiesen empfangen hatte. Die beiden Geweihten bemühten sich nun gemeinsam darum, den kleinen Kult zu etablieren, so fremd die Verehrung des Nandus in den Nordmarken auch war.

Koradin wurde der Leibpriester des Erbbaronets von Galebquell, Roklan von Leihenhof, während Ynbaht seine Kontakte zur Kirche der Hesinde pflegte. Insbesondere dank seiner der Hesinde geweihten Gemahlin erlangte er die Möglichkeiten, mit den ranghöchsten Priestern und Priesterinnen der Hesinde zu parlieren. Biora von Rickenhausen stellte sich als umgängliche Vertreterin ihres Standes heraus, während der Hohe Lehrmeister des Hortes des Wissens in Elenvina der Nanduskirche gegenüber sehr zurückhaltend blieb. Einzig Ynbahts gutes Verhältnis zum Erzwissensbewahrer des Zirkels Argelions, Valnar Yitskok, bewogen seine Hochwürden schließlich dazu, dem Halbelfen den Zutritt zur Bibliothek zu gewähren. Dort fand er erste Hinweise auf die geheimnisvolle Vorgeschichte eines Nanduskultes in der Baronie Galebquell.

Diesen suchte der Geweihte nachzugehen, doch galt es erst einmal ein anderes Geheimnis zu lüften: 1028 BF verdichteten sich Hinweise auf ein in Galebquell oder Schwertleihe lebendes Einhorn. Auf Bitten Ynbahts begann eine seiner Schülerinnen mit der Suche nach diesem Einhorn und ging dabei verschollen. Roklan von Leihenhof, sein Ritter, seine Magierin und die elfische Hofbardin begannen nun mit der Suche nach der Sucherin – und deckten eine Verschwörung auf. Die Hinweise auf das Einhorn schienen eher der Anreiz gewesen zu sein, um letzten Endes diese den Nanduskult bekämpfende Verschwörung aufzudecken. Ynbaht entschloss sich nun, einen Bund aus Laien zu gründen, der sich einerseits der Suche nach diesem mysteriösen Einhorn verschwor, andererseits auch mit mystischen Mitteln versuchte, gerade an solche Informationen zu gelangen. Der Bund des Blauen Einhorns erblickte das Licht der Welt und wurde von Ynbaht im Laufe der folgenden Jahre weiter organisiert von einer lockeren Zusammenkunft hin zu einem strukturierten Orden, dessen Hierophant der Nandusgeweihte selbst wurde.

Jetzt wuchs in Ynbaht der Wunsch, diesem Orden einen zentralen Sitz zu geben. Der Priester stieß dann in den Katakomben des Hesindetempels zu Elenvina im Jahr 1030 BF auf Schriftstücke aus den Zeiten des Königreiches Nordmarken, denen Zufolge in Chraaz-Bulum, jenem vorzeitlichem Dorf, an dessen Stelle heute Grasbühl sich erhebt, neben dem Kult der Getreidegöttin Paranja der weise Seher der vergangenen und kommenden Zeiten Anendu verehrt wurde. Er trat – nachdem die Bosparaner die hiesigen Orks vom Stamm der Ghrazaburai besiegt und vertrieben hatten – an die Stelle des blutigen Wissens- und Magiegottes Tairach.

Ynbaht sah dies als Zeichen, dass Grasbühl der richtige Ort war, um ein neues Heiligtum seines Gottes zu begründen. Und die Prophezeiung Nandus‘, dass er über jenes Land herrschen würde, das sein Fuß bereits betreten hatte, ergab nun einen Sinn: Denn nicht sein – Ynbahts Fuß war gemeint (auch wenn er Grasbühl bereits lange vor seiner Adelserhebung betreten hatte) – sondern Nandus‘ Wirken. Ynbaht war der Junker über jenes Land, in dem Nandus bereits kultische Verehrung erfahren hatte!

Ein weiteres Zeichen sah er dann, als im Peraine 1030 BF der wohlhabende Patrizier, Amtsschreiber und Händler Erolan Weinkenner kinderlos verstarb. In seinem im Travia-Schrein hinterlegtem Testament bedachte er einzig und allein die Nanduskirche mit seinem Besitz, darunter sein über Generationen bestehendes Haus am Stadtrand. Es war geräumig und bot genügend Möglichkeiten, es zu einem Tempel umzuwidmen. Einen großen Saal im Erdgeschoss, eine geräumige Schreibstube mit Bibliothek, sogar eine Kräuterküche – daneben natürlich auch reguläre Räume, Küche, Vorratskammer, Schlafräume. Die Familie Weinkenner war über einige Generationen hinweg sehr erfolgreich gewesen und nun hatte Erolan Weinkenner nicht nur einige ertragreiche Weingüter und Äcker im Fuchsgau, sondern auch ein kleines florierendes Handelshaus. Der Krieg jedoch hatte seinen einzigen Sohn dahingerafft und einzig im Glauben an Nandus fand der Mann noch eine Zuflucht. Bis zu seinem Tod. Und nun übertrug er das ganze Hab und Gut der Familie Weinkenner an die Kirche des Nandus, vertreten durch Ynbaht von Lichtenberg.

Ynbaht nutzte diese Gelegenheit und begann mit dem Vermögen der Familie Weinkenner mit einigen Umbaumaßnahmen am Haus. Aus einem Familienwohnhaus sollte ein Heiligtum werden, ein sakraler Raum des Nandus.

Beschreibung

Von Außen

Der Hort des Seelenpfades, wie der Tempel des Nandus nun genannt wurde, fand sich am Rande der anwachsenden wohlhabenden Ortschaft, nicht weit von der westlichen Stadtmauer entfernt. Zwei Geschosse sowie ein Kellergeschoss und das Dachgeschoss bildeten den Tempel. Einst weiß getüncht, wurden die Wände nun grau verputzt und gestrichen und die dunklen Holzbalken mit feinen, silberverzierten Schnitzarbeiten in Gestalt galoppierender Einhörner geschmückt. Der Türrahmen wurde erweitert und zwei Türflügel ausgebaut. Diese trugen mit silberweißer Farbe aufgemalt ein prachtvolles Bild, welches Nandus in menschlicher Gestalt im Gespräch mit einem Einhorn darstellt.

Das Erdgeschoss

Durch diese Türen betrat der Reisende und Suchende nach Weisheit eine eigene kleine Welt. Einst hatte das Erdgeschoss aus mehreren Räumen bestanden, diese hatte der Tempelherr zusammenfassen lassen. Jetzt beherrschte der große Saal das Erdgeschoss.

Zentrum des quadratischen Saales war die weißmarmorne Statue eines Einhornes, welches zu Füßen eines in eine altertümliche Toga gekleideten, jungen Mannes mit einem Buch lag. Einhorn und Mann schienen in ein angeregtes Gespräch vertieft zu sein. Wer ihn zu Lebzeiten gekannt hatte, erkannte in dem Mann den grasbühler Händler und Schreiber Erolan Weinkenner – jenen Gläubigen, welcher in seinem Testament die Nanduskirche mit all seinem Vermögen bedachte und diesen Tempelbau erst ermöglicht hatte.

Um beide herum gruppierten sich in regelmäßigem Abstand acht etwa halb mannshohe achteckige, schlanke Sockel. Auf jedem einzelnen der Sockel war ein Werkzeug der nandusgefälligen Gelehrsamkeit positioniert: eine Schreibfeder, ein Zirkel, ein leeres Buch, ein Messinglineal, ein Südweiser, ein Abakus, eine Wachstafel mit Griffel und schließlich in einem Kästchen ein Satz Inrahkarten.

Auf dem Boden lagen verteilt zahlreiche strohgefüllte Kissen und einfache Matten, auf denen die Gläubigen sich niederlassen konnten. Keine Stühle, keine Bänke, keine Tische. Was sich der Erbauer dieses Tempels dabei dachte, das mochte man ihn selbst fragen.

Die Wände waren grau gestrichen, auch die Säulen waren grau – immer wieder fanden sich jedoch aufgemalt in gelber Farbe verschiedene Sternbilder des Himmelszeltes. Ein besonderer Stern war aus blauen Mosaik-Steinchen zusammengesetzt worden: es war der Wandelstern Nandus, dem gleichnamigen Gotte heilig. Befand sich genau im Zentrum des Himmels, über der Statue des Gottes – und somit auch nicht in einem der zwölfgöttlichen Sternbilder.

An den Wänden hingen fein gewebte Wandteppiche – auf grauem Grund mit grünen Borten wurden verschiedene Szenerien dargestellt. Jeder der sechs Teppiche war einzigartig und zeigte ein neues, anderes Bild, eingewebt von kundiger Hand.

Diese Tempelhalle konnte man über zwei Türen verlassen, eine an der hinteren Wand hinter dem Altar, die andere an der rechten Wand, unscheinbar und unauffällig neben einem der Wandbehänge.

Durch die zweite Tür gelangte man in einen einfachen Flur, der auch eine Treppe nach oben und eine nach unten aufwies. Am Ende des langgezogenen, schmalen Flurs fand sich wieder eine Tür in den hinteren Bereich des Gebäudes. Hier waren zum einen die Küche untergebracht sowie die Kräuterkammer, aber auch in einem großen Raum direkt hinter dem Tempelsaal die Bibliothek. Hier konnten die Studiosi die Schriften des Tempels studieren und ihre eigenen Schreibarbeiten erledigen. Die Bibliothek war auch direkt über den Tempel durch die Tür hinter dem Altar zu erreichen. Freundliche Fenster ließen Licht einfallen und konnten durch hölzerne Läden und Vorhänge geschlossen werden. Dicht an Dicht standen die Regale, in denen Bücher, Schriftrollen, Mappen mit losen Thesen und vielerlei mehr lagen. Ein ausgereiftes System nach Themen und Autor ließ nach kurzem, eigenem Überlegen die Ordnung begreifen und gezielt die gesuchten Schriften finden. Eine kleinere Statue des Gottes überblickte freundlich die Studiosi und schien sie aufzumuntern.

Das Obergeschoss

Im Obergeschoss des Tempels fand sich die Amtsstube des Hohepriesters, der den Titel Bote des Einhorns trug. Hier empfing der Bote des Einhorns seine hochrangigen Gäste und Geschäftspartner. Die Amtsstube war geräumig und großzügig angelegt, mit einem wunderschönen Schreibtisch aus Eichenholz, Regalen mit den Büchern des Tempels sowie einer gemütlichen Sitzecke mit Tisch und Sesseln. Die Amtsstube lag im hinteren Bereich des Obergeschosses, direkt an sie angeschlossen war die Schlafstube des Hohepriesters, die er gemeinsam mit seiner Gattin bewohnte.

Im vorderen Bereich fanden sich die Gemächer der Tempelpriester, insgesamt jedoch nur drei an der Zahl, welche in dieser Zeit als weitere Gästegemächer fungierten. Zwei Gästegemächer, eines sehr luxuriös ausgestattet, das andere schlichter, waren ebenfalls noch vorhanden. Ein jedes der Gemächer enthielt in unterschiedlicher Güte ein Bett, eine Truhe, ein Schreibpult und Waschschüssel und Krug. Je nach Güte der Ausstattung variierten Bequemlichkeit, Verzierung, Dekoration und derlei mehr.

Ein anderer Raum war immer verschlossen: Es ist die Geheime Bibliothek, welche direkt neben der Amtsstube zu finden war. Nur der Bote des Einhorns, der Hohepriesters, besaß einen Schlüssel zu diesem Raum, in dem brisante oder sehr wertvolle, weil seltene Schriften aufbewahrt wurden. Nur Studiosi mit einem untadeligen Leumund erhielten die Erlaubnis, diesen Raum zu betreten und die Schriften zu studieren. Auf Bestechung ließ sich der Hohepriester nicht ein.

Eine weitere Treppe führte nach oben in das Dachgeschoss.

Das Dachgeschoss

Hier fanden sich einmal die Schlafsäle der wenigen Lakaien des Tempels, getrennt nach Geschlechtern als auch die Arbeits- und Stoffkammer, in der sämtliche Laken, Vorhänge, Stoffe und viele andere Utensilien des alltäglichen Bedarfes aufbewahrt wurden.

Ein anderer Raum war das Sternenzimmer mit einem großen Dachfenster, durch das man mithilfe eines Fernrohres – eine kostbare Anschaffung des ersten Boten des Einhorns Ynbaht von Lichtenberg – die Sterne beobachten und so astronomische Berechnungen vornehmen konnte.

Das Kellergeschoss

In dem geräumten, mehrfach unterteilten Kellergeschoss lagerten all jene Vorräte des Tempels, die zum Kochen und Brauen benötigt wurden. Eine straff organisierte Lagerhaltung sorgte für eine effiziente Bewirtschaftung des Tempels, denn auf diese Art von Ordnung legte der Bote des Einhorns sehr viel wert.

Auch das bis ins kleinste Detail raffiniert ausgestattete alchemistische Labor war hier zu finden, abgetrennt durch eine schwere Tür vom Rest des Kellers. Dieser Teil des Kellers lag sogar nicht mehr unter dem eigentlichen Tempelbau, sondern ragte einige Schritt darüber beziehungsweise darunter hinaus. In diesem Labor konnten zahlreiche alchemistische Rezepturen ausprobiert und angewandt werden – aber auch hier legte der Bote des Einhorns wert auf Sauberkeit, Ordnung und Struktur, schon um Unfälle und Schäden zu vermeiden.

Der Garten

Umgeben war der Tempel von einer kleinen, niedrigen Mauer aus Stein, die bereits der vorige Besitzer angelegt hatte. Innerhalb dieser Mauern legte der Bote des Einhorns mehrere Kräutergärten an, deren Schätze sortiert waren nach Wirkungskreis. Ein jeder Priester hatte die Pflicht, diese Gärten zu hegen und zu pflegen, auf dass die Kräuter stets für Küche und Labor parat standen.

Wichtige Bewohner

Gundela von Hornisberg, Hochgeweihte des Nandustempels und Botin des Einhorns