SuW Abendlicher Besuch

<-- Teil 1


Teil 2: Abendlicher Besuch


Dramatis Personae:
Aurea Coletta von Züchtelsen (22, Vögtin des Junkerguts Züchtelsen)
Linnart vom Traurigen Stein (23, Ritter vom Bannstrahl Praios´)
Eine Dame in Schwarz


Burg Kerbelberg, Abend des 03. Efferd 1043 BF
Vier Reiter näherten sich über den steilen Hohlweg den Kerbelberg hoch zur gleichnamigen Burg. Der einzige Weg hinauf zur alten Wehranlage der Familie Züchtelsen war nur für ein Reittier problemlos gangbar, sodass die kleine Gruppe hintereinander reiten musste. Burg Kerbelberg lag gut 100 Schritt über dem Boden und es sah aus als würde das, durch Wind und Wetter glatt geschliffene, düstere Mauerwerk direkt aus dem Fels wachsen. Der Stammsitz der hiesigen Junker war nichts für Ästheten, doch galt als uneinnehmbar.

Früh schon wurde man sich auf Kerbelberg der Neuankömmlinge bewusst und öffnete das massive Fallgatter im ersten Torhaus, dessen Zugbrücke nur im Ernstfall hochgezogen wurde. Der groß gewachsene Mann, der die vier in Empfang nahm, schien den ebenso groß gewachsenen Anführer der kleinen Gruppe besonders herzlich zu begrüßen. Dann wurde er ins Innere geführt, während seine Begleiter im Hof blieben.

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Aurea Coletta von Züchtelsen stand am Fenster des Rittersaales. Sie war eine typische Schönheit vom Lande; ein graziles Fräulein mit der einen oder anderen Rundung an der richtigen Stelle. Ihr rotbraunes Haar glänzte im Schein der Lichtquellen wie poliertes Kirschholz, das ebenmäßige Antlitz war von Feenküsschen gezeichnet und geherberte neben einer schlanken Nase auch zwei milde, rehbraune Augen. Gekleidet war die Edeldame in einen schwarzen Reitrock und eine schwarze, hochgeschlossene Jacke, die gleichsam züchtig und figurbetont wirkte. Um ihren Hals lag eine goldene Kette mit einem Greifenanhänger. Aurea trug keine Rüstung, keine Waffe und auch keinen Wappenrock. Bei ihrer zarten Gestalt lag ohnehin die Vermutung nahe, dass sie darunter zusammengebrochen wäre … würde man meinen, denn ihr Anblick führte eben oft dazu, dass man die Burgvögtin unterschätzte. Ein Fehler, wie sich dem Unbedarften stets recht früh zeigen sollte; die junge Frau durchlief nämlich die harte Ausbildung im Orden vom Bannstrahl, diente einige Götterläufe in der Sonnenmark und wurde sogar zur Ritterin geschlagen. Die, die sie besser kannten, fürchteten Aurea für ihre strengen Strafen und ihre öfters an den Tag gelegte Grausamkeit. Aber dennoch war sie stets gerecht.

In ihrem Rücken saß eine schwarzhaarige Frau, die entspannt ihre Beine übereinander geschlagen hatte und gelangweilt mit ihrer langen rabenschwarzen Haarpracht spielte. Sie trug ein schwarzes Kleid mit hohen seitlichen Schlitzen und freien Schultern. Ihr Mund war kirschrot und die Augen mit Kohlestaub hervorgehoben. Um ihren schlanken Hals trug die Unbekannte Schmuck aus Silber, um Karneole und Rubinen ergänzt.

“Du bist dir immer noch unsicher?” Die Angesprochene reagierte auf die Worte der Schwarzhaarigen nicht. Stattdessen verschränkte sie nun ihre Arme hinter dem Rücken. “Es war die richtige Entscheidung.”

Nun folgte ein tiefes Seufzen. “Ich weiß”, antwortete Aurea in sehr ruhigem Tonfall. “Es ist eigentlich eine Schande, dass mein Großvater die Sache solange hat schleifen lassen. Aber das ist nun vorbei. Ich werde diese Athalzea an ihren Haaren aus dem Wald zerren und eigenhändig …”

Ein Klopfen an der schweren Tür in den Saal ließ die junge Ritterin in ihrer Ausführung stoppen und auch das feine Lächeln am Antlitz der anderen konnte sie nicht vernehmen. Herein trat ein dunkelblonder Mann im Ornat der Bannstrahler. Er trug ein langes Kettenhemd mit vergoldeter erster Gliederreihe, unter einem blütenweißen Wappenrock mit goldenen Säumen. Ergänzt wurde diese Tracht, durch leichte Plattenteile an den Schultern. Gerade diese waren kunstvoll verziert, erkannte man darauf jeweils eine ziselierte flammende Sonne, in dessen Zentrum ein Bernstein eingelassen war. Der Schwertgürtel war mit goldenen Greifen- und Sonnensymbolen verziert und das Schwert an seiner Seite bestacht durch vergoldete Parierstangen und einen Knauf, der in Form eines Adler - oder Greifenhaupts nachgebildet war. Auf seiner Brust baumelte das geweihte Sonnenamulett.

“Linnart …”, Aureas Stimmlage schnellte verwundert nach oben und ein feines Lächeln umspielte ihre Züge und auch die Schwarzhaarige hatte sich dem jungen Mann interessiert zugewandt, “... was für eine Überraschung. Ich hatte schon gehofft, dass sie dich schicken.”

“Hallo … Aurea …”, kam es etwas reservierter aus dem Mund des jungen Ritters, dessen misstrauischer Blick besonders lange auf der Unbekannten zu liegen schien. Aus diesem Grund bemerkte er erst auch nicht, dass sich die Züchtelsenerin auf flinken Sohlen auf ihn zu bewegte und den Traurigsteiner mit einem Kuss begrüßte. Linnart brauchte ein paar Herzschläge um die Burgherrin sanft, aber bestimmt von sich zu schieben.

“Warum denn so reserviert?”, kommentierte Aurea spöttisch.

“Ich bin verlobt und darüber hinaus dienstlich hier”, wieder ging Linnarts Blick hin zur unbekannten Schwarzhaarigen, die diesen Blick wohl richtig deutete und sich dann mit einem knappen Nicken aus dem Saal entfernte. “Wer ist sie?”, fragte er und deutete auf das Tor der Halle.

“Die Dame von der weiten Au …”, antwortete Aurea und nahm dabei ihre Augen nicht von ihrem ehemaligen Verlobten, “... sie geht mir ein bisschen zur Hand, aber lenke nicht ab.” Nun umspielte ein grausames Lächeln die Züge der Adelsdame. “Sag an, hat deine Verlobte etwa schon die Eisen angelegt? Das ist nicht der Linnart, den ich einst gel …”

Weiter kam die Vögtin nicht, hatte der Traurigsteiner doch schon seine große Linke am schmalen Hals der Hausherrin, die sich durch diese Geste jedoch nicht wirklich geschockt zeigte, sondern stattdessen schmal lächelte. “Ja … genau …”, kam es gedämpft, “... das ist er schon eher.”

Nach einem leichten Klaps mit seiner der flachen Rechten auf ihre Wange, ließ der Ritter wieder von ihr ab. “Hör auf zu spielen und sag mir lieber was das soll?” Die beiden jungen Adeligen waren einige Sommer lang Waffengeschwister im Orden vom Bannstrahl und dienten auch gemeinsam in Beilunk.

“Was meinst du?”, antwortete Aurea in gespielter Naivität.

“Dir ist bewusst, dass zwei Lanzen des Ordens in Hirtenruh weilen?” Linnart hob seine Augenbrauen.

“Achso …”, kam es seelenruhig zur Antwort und die Burgvögtin wirkte in diesem Moment so, als ginge sie dieser Umstand nicht wirklich etwas an, “... das. Ja, das will ich doch hoffen. Schließlich haben wir euch herbestellt.”

“Dann weißt du auch, dass die Hölle ausgebrochen ist, seit wir angekommen sind?”, setzte Linnart unbeeindruckt nach.

“Hölle? Inwiefern?”

“Bereits drei Männer haben ihre Eheweiber der Hexerei bezichtigt … Seltsam, meinst du nicht?” Linnart entfernte sich ein paar Schritte von seiner ehemaligen Geliebten und schenkte sich an einem Beistelltisch Wein in einen ungebrauchten Kelch, bevor er seinen Blick wieder auf Aurea warf. “Kannst du dir das erklären?”

Zur Antwort folgte ein einfaches Schulterzucken. “Der Zirkel dieser Hexenweiber tanzt uns schon die längste Zeit auf der Nase rum, Linnart”, antwortete die Vögtin mit nun kaum verhohlener Rage. “Immer wieder verschwinden Menschen im Wald. Meistens Frauen und auch der Wald scheint sich gegen uns zu wehren.”

“Der Wald?” Der Ritter zog eine Augenbraue hoch.

“Spotte nicht und sei lieber vorsichtig. Diese Schlampe Athalzea ist nicht zu unterschätzen. Sie und diese Biester in ihrem Gefolge sind die Geißel dieser Lande - seit hun …”, Aurea seufzte, “... viel zu lange schon.”

“Nein …”, Linnart schüttelte sanft seinen Kopf und dämpfte seine Stimme, “... du bist die, die Vorsicht walten lassen sollte. Ich denke du weißt nicht was du hier los trittst.” Er stürzte den Wein in seinem Kelch mit einem Mal hinunter. “Verrenn dich nicht. Hass war noch nie ein guter Ratgeber, Aurea.”

Die Burgherrin ging nicht darauf ein. “Wer führt den Einsatz? Doch nicht etwa du”, fragte sie stattdessen. Die Adelsdame rollte kurz und kaum vernehmlich mit ihren Augen. Linnart war weich geworden, das war offensichtlich.

“Bannerführer Bago”, antwortete der Angesprochene knapp und ging dann wieder zurück zu Aurea. Sanft streichelte er über ihren Oberarm. Es gab eine Zeit, da bedeutete ihm diese Geste um einiges mehr als sie das gegenwärtig tat. Sie hatte sich verändert, er hatte sich verändert - die Zeit blieb nicht stehen. “Dein Burgsass hat uns bereits Gemächer zugewiesen. Ich werde mich dann zurückziehen und deine Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch nehmen, als unbedingt nötig.”

Mit diesen Worten verließ der Bannstrahler den Rittersaal und ließ die Burgherrin verdutzt zurück. Aurea hoffte zwar, dass er sich noch einmal zu ihr umwandte, doch war das leise Scheppern und Klirren seiner Rüstung das Einzige, was sie an seinem Weg hinaus noch vernehmen sollte.


Teil 3 -->