Geschichte Alte Bekannte und neue Gesichter: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Burg Fischwacht, 22. Tsa 1045 BF'''
 
'''Burg Fischwacht, 22. Tsa 1045 BF'''
  
Wie immer, wenn ihn ein Brief seiner geliebten Tsaja erreicht hatte, hatte es sich Geribold mit einem Becher Wein in seiner Schreibstube gemütlich gemacht. Wie immer, wollte er die Lektüre des Briefes genießen.
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Wie immer, wenn ihn ein Brief seiner geliebten Tsaja erreicht hatte, hatte es sich Geribold mit einem Becher Wein in seiner Schreibstube gemütlich gemacht. Wie immer, wollte er die Lektüre des Briefes genießen.<br>
Er nahm einen kleinen Schluck des für sein Empfinden ein wenig zu sauren Weines, verzog deshalb leicht das Gesicht, machte sich im Geiste eine Notiz, diese Sorte nicht mehr zu erwerben und entfaltete dann den Brief. So wie er es immer tat, damit der Geschmack des Weines und das Lesen der ersten Zeilen der jeweiligen Briefe eine genussvolle Einheit bildeten. Direkt schlugen ihn die Zeilen, die dort auf ihn warteten, in seinen Bann. Bereits den vierten Satz begann er leise murmelnd vorzulesen.  
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Er nahm einen kleinen Schluck des für sein Empfinden ein wenig zu sauren Weines, verzog deshalb leicht das Gesicht, machte sich im Geiste eine Notiz, diese Sorte nicht mehr zu erwerben und entfaltete dann den Brief. So wie er es immer tat, damit der Geschmack des Weines und das Lesen der ersten Zeilen der jeweiligen Briefe eine genussvolle Einheit bildeten. Direkt schlugen ihn die Zeilen, die dort auf ihn warteten, in seinen Bann. Bereits den vierten Satz begann er leise murmelnd vorzulesen.<br>
Nach der Lektüre des kurzen Briefes, saß er einen kurzen Moment lang still da. Dann leerte er seinen Becher auf einen Zug, schüttelte sich, wobei ihm wieder die Gesichtszüge entglitten, und rief:
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Nach der Lektüre des kurzen Briefes, saß er einen kurzen Moment lang still da. Dann leerte er seinen Becher auf einen Zug, schüttelte sich, wobei ihm wieder die Gesichtszüge entglitten, und rief:<br>
''"Disibold!"''
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''"Disibold!"''<br>
Nur wenige Herzschläge vergingen, bis sich die Tür zum Vorzimmer der Schreibstube knarrend öffnete.
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Nur wenige Herzschläge vergingen, bis sich die Tür zum Vorzimmer der Schreibstube knarrend öffnete.<br>
''"Ihr habt gerufen, Euer Hochgeboren?"''
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''"Ihr habt gerufen, Euer Hochgeboren?"''<br>
Ein hochgewachsener Mann mit kurzgeschorenen Haaren, dafür aber einem stattlichen, mit Pomade zurecht gezwirbeltem Schnurrbart steckte seinen Kopf herein.
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Ein hochgewachsener Mann mit kurzgeschorenen Haaren, dafür aber einem stattlichen, mit Pomade zurecht gezwirbeltem Schnurrbart steckte seinen Kopf herein.<br>
 
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''"Disibold! Ich habe einen besonderen Auftrag für dich. Sattle dein Pferd und reite alsbald nach Burg Bösalbentrutz. Dort verbringt der gute Boso gerade ein paar Tage mit seiner Familie. Richte ihm aus, er möge zurückkehren und die Geschäfte für einige Tage übernehmen. Ich reise nach Burg Tannwirk."''
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''"Disibold! Ich habe einen besonderen Auftrag für dich. Sattle dein Pferd und reite alsbald nach Burg Bösalbentrutz. Dort verbringt der gute Boso gerade ein paar Tage mit seiner Familie. Richte ihm aus, er möge zurückkehren und die Geschäfte für einige Tage übernehmen. Ich reise nach Burg Tannwirk."''<br>
 
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Der große Mann zwirbelte an seinem Bart, die Sorgenfalten, die er eben noch trug, wichen einem Lächeln, als er anhob:
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Der große Mann zwirbelte an seinem Bart, die Sorgenfalten, die er eben noch trug, wichen einem Lächeln, als er anhob:<br>
''"Ihre Wohlgeboren Tsaja Eberwulf von Tannwirk, nehme ich an?"''
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''"Ihre Wohlgeboren Tsaja Eberwulf von Tannwirk, nehme ich an?"''<br>
''"So ist es, Disibold. Also spute Dich!"''
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''"So ist es, Disibold. Also spute Dich!"''<br>
Disibold wollte sich gerade schon wegdrehen, als er noch einmal innehielt.
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Disibold wollte sich gerade schon wegdrehen, als er noch einmal innehielt.<br>
''"Wie Euer Hochgeboren sicherlich wissen, lebt meine Schwester mit der Familie von Eberbach auf eben jener Burg. Erlaubt mir die Gelegenheit nutzen und einen Tag länger verweilen. Ich habe sie lange nicht gesehen."''
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''"Wie Euer Hochgeboren sicherlich wissen, lebt meine Schwester mit der Familie von Eberbach auf eben jener Burg. Erlaubt mir die Gelegenheit nutzen und einen Tag länger verweilen. Ich habe sie lange nicht gesehen."''<br>
Auf ein kurzes Nicken, einem angedeuteten Lächeln und einer entsprechenden Handbewegung hin wandte sich Disibold dann letztlich zum Gehen.  
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Auf ein kurzes Nicken, einem angedeuteten Lächeln und einer entsprechenden Handbewegung hin wandte sich Disibold dann letztlich zum Gehen. <br>
 
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Noch am selben Abend ließ Geribold den Stallmeister kommen und trug ihm auf, sein Pferd für die Reise bereit zu machen. Auch seinem Leibdiener trug er auf, alle benötigten Vorkehrungen zu treffen. Man tat wie geheißen und so ritt Seine Hochgeboren Geribold von Fischwachttal am Morgen des 23. Ingerimm 1045 BF auf den Weg nach Burg Tannwirk. Begleitet wurde er von seinem Leibdiener sowie zwei Gardisten zur Bedeckung.
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Noch am selben Abend ließ Geribold den Stallmeister kommen und trug ihm auf, sein Pferd für die Reise bereit zu machen. Auch seinem Leibdiener trug er auf, alle benötigten Vorkehrungen zu treffen. Man tat wie geheißen und so ritt Seine Hochgeboren Geribold von Fischwachttal am Morgen des 23. Ingerimm 1045 BF auf den Weg nach Burg Tannwirk. Begleitet wurde er von seinem Leibdiener sowie zwei Gardisten zur Bedeckung.<br>
Die Reise verlief recht unkompliziert, sodass er die Burg noch am Abend desselben Tages vor sich aufregen sah. Mit vor Vorfreude wild pochendem Herzen hielt er geradewegs auf sein Ziel zu.
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Die Reise verlief recht unkompliziert, sodass er die Burg noch am Abend desselben Tages vor sich aufregen sah. Mit vor Vorfreude wild pochendem Herzen hielt er geradewegs auf sein Ziel zu.<br>

Version vom 16. März 2023, 14:49 Uhr

Alte Bekannte und neue Gesichter

Dramatis Personae:

_______________

Gratenfels, 12. Tsa 1045 BF

Schreiben Ihrer Wohlgeboren Tsaja Eberwulf von Tannwirk, zu Gast im Hause der Gwynna von Siebenstein, Stadt Gratenfels, an Seine Hochgeboren Geribold von Fischwachttal, Baron zu Tommelsbeuge, Burg Fischwacht, Baronie Tommelsbeuge

Mein liebster Geribold!

Mit Hilfe der Zwölfe bin ich sicher in Gratenfels angekommen und habe im Hause von Gwynna von Siebenstein Quartier bezogen. Obwohl die Dame mich persönlich noch nicht kannte, hat sie mich auf das herzlichste Willkommen geheißen und gut untergebracht. Es ist mir doch angenehmer bei Freunden untergekommen zu sein, als allein in einem Hotel. Meine Freundin Lara hatte ihrer Schwester geschrieben und gebeten, mich aufzunehmen und mir Gesellschaft zu leisten.

Einem jungen Mann aus Tommelsbeuge bin ich hier auch schon begegnet. Leodegar von Eberbach, dem Bruder unserer Witzichenberger Knappin Amadis! Wahrlich! Gratenfels ist klein! Leodegar hat in Witzichenberg auf Bussardstein bei Travin das Falknerhandwerk erlernt und vervollkommnet seine Fertigkeiten nun bei Gwynna am Grafenhof. Ich war wirklich viel zu lange weg von Witzichenberg und habe einiges verpasst.

Und dass nicht nur Gratenfels ein Dorf ist, sondern ganz Dere, beweist eine Begegnung, die ich heute Nachmittag in der Stadt vor dem Hotel Koschblick hatte! Ich habe eine Bekannte aus Almada getroffen. Die Dame ist eine Geweihte der Herrin Hesinde. Ihre Gnaden Alassia Marnion aus dem Hesinde Tempel zu Punin. Wir kennen uns eher oberflächlich, haben uns aber trotzdem gleich erkannt.

Wir beschlossen, uns ein wenig auszutauschen und begaben uns in das Gasthaus “Zum Greifen”, um etwas Tee und Gebäck zu uns nehmen. Ihre Gnaden Marnion hat auf ihren Reisen viel von Dere gesehen, war sogar Ihrer Majestät in die Wildermark gefolgt und hat dort in der “Märkischen Schlacht” gekämpft! Wie tapfer! Sie ist immer viel gereist und es scheint, dass sie ein Leben außerhalb der Tempelmauern bevorzugt, aber auch genug vom Umherziehen hat. Sie ist eine angenehme Gesellschafterin und versteht es, auf das angenehmste zu plaudern, ohne dabei oberflächlich zu sein. Mich würde interessieren, was Du von ihr hältst! Sie hat etwas in ihren Augen, das mich ahnen lässt, dass auch ihr im Krieg Schlimmes begegnet ist. Dabei erweckt sie nicht den Eindruck, ihren Glauben oder ihre Lebensfreude verloren zu haben. Leider wird sie Gratenfels bald verlassen und über den Greifenpass nach Angbar und später weiter nach Punin reisen. Wir haben beschlossen, brieflich in Kontakt zu bleiben.

Mein Herr Papa hat beschlossen, uns zur Vermählung ein Service zu schenken. Ich habe mir heute schon verschiedene angeschaut. Besonders gut gefällt mir ein Dekor, das sich “Valluser Veilchen” nennt. Wenn Du aber lieber ein schlichtes weißes Service möchtest, vielleicht mit Deinem Wappen und einer Baronskrone geziert, dann lasse es mich rasch wissen, damit ich es bestellen kann. Ich sende die Gardistin Berinka Gumbeltritt mit diesem Brief zu Dir, in der Hoffnung, dass sie Dich auf Burg Fischwacht antreffen möge. Sie könnte Deine Antwort gleich mit zurück nach Gratenfels bringen.

Etwas bin ich in Sorge, dass die Schwermut Dich vielleicht befallen könnte! Wie sehr wünsche ich mir, endlich dauerhaft bei Dir zu sein und alle trüben Gedanken fort lachen zu können!

Deine Tsaja

_______________

Burg Fischwacht, 15. Tsa 1045 BF

Schreiben Seiner Hochgeboren Geribold von Fischwachttal, Baron von Tommelsbeuge, an Ihre Wohlgeboren Tsaja Eberwulf von Tannwirk, Haushofmeisterin der Burg Tannwirk, zu Gast im Hause der Gwynna von Siebenstein, Stadt Gratenfels

Meine liebste Tsaja!

Wie sehr freute ich mich, als mir die von Dir entsandte Gardistin Deinen Brief überreichte!

Ein wenig Trost dafür, Dich derzeit nicht an meiner Seite hier auf Burg Fischwacht zu wissen. So sehr freue ich mich darauf, in Bälde tagtäglich neben Dir zu erwachen. Die Freude darauf erfüllt mich in solchem Maße, dass ich schon geraume Zeit nicht mehr in die von dir befürchtete Schwermut verfiel, ganz im Gegenteil. Derzeit weiß ich bisweilen nicht, wohin mit meiner Tatkraft! Dem guten Boso wird es gefallen, denn ich habe ihn für ein paar Tage zu seiner Familie entlassen, aus der, wie du weißt, der Junge Herr Leodegar als jüngster Spross hervorging. Ich hörte von ihm, als ich das letzte Mal auf Burg Tannwirk zu Besuch war. Wie du weißt, war ich einst bei Seiner Hochgeboren Alrik Eberwulf von Tannwirk in Pagenschaft. Seitdem verbindet mich ein freundschaftliches Band mit dessen Familie - und bald noch ein viel innigeres. Bestelle dem Jungen Herrn doch bitte einen Gruß, meine Liebe.

Das Service betreffend, vertraue ich auf Deinen vortrefflichen Geschmack, meine Teure. Gehe ich Recht in der Annahme, dass es sich bei “Valluser Veilchen” um ein in Violett-Tönen gefärbtes Service handelt? Dann sollten wir darauf achten, dass auch der Rest der Dekoration einst zu diesem großzügigen Geschenk Deines Herrn Vaters passen mag, oder? Ich bin nicht wirklich bewandert in der Kunst des Dekorierens, doch ist die farbliche Abstimmung der verschiedenen Elemente ein wichtiger Bestandteil dieser Kunst, falls ich mich nicht irre? Ich freue mich schon sehr darauf, das Service gemeinsam mit dir zu bestaunen. Ich werde Deinem Herrn Vater alsbald meinen Dank zukommen lassen!

Die zufällige Begegnung mit Deiner Bekannten aus Almada erinnert auch mich daran, welch spannende Zufälle das Leben doch ein manches Mal für uns bereithält. Ich hoffe, ihr hattet eine angenehme Zeit miteinander! Wie du sie beschrieben hast - weit gereist, schlachterfahren und tiefsinnig - wünschte ich, ich hätte auch ein paar Worte mit Ihrer Gnaden wechseln können. Wie du weißt, schätze ich den geistreichen Austausch und das gemeinsame Philosophieren, und wer wäre hierfür besser geeignet als eine Geweihte der Mutter der Weisheit. Sicher könnte sie meinen Horizont erweitern! Vermutlich ist sie bereits aufgebrochen, nun da Du meinen Brief in Händen hältst? Falls doch nicht, sprich ihr bitte eine Einladung aus, denn als Bekannte oder gar Freundin von Dir, ist sie selbstredend ohnehin jederzeit willkommen.

Auch wenn mein Gemüt derzeit nicht schwer sein mag, so freue ich mich darauf, bald wieder mit Dir gemeinsam zu lachen!

Dein Geribold

P.S.: Weißt Du was? Vielleicht schreibe ich einfach einen Brief, adressiert an den Angbarer Hesinde-Tempel, zu Händen Ihrer Gnaden Marnion? Wer weiß, wann sie wieder zugegen ist.

_______________

Gratenfels, 18. Tsa 1045 BF

Schreiben Ihrer Wohlgeboren Tsaja Eberwulf von Tannwirk, zu Gast im Hause der Gwynna von Siebenstein, Stadt Gratenfels, an Seine Hochgeboren Geribold von Fischwachttal, Baron zu Tommelsbeuge, Burg Fischwacht, Baronie Tommelsbeuge

Mein teurer Geribold!

Es macht mich sehr glücklich, dass Du so guter Stimmung bist! Mir geht es ausgezeichnet und ich genieße das gesellige Treiben in Gratenfels! Das verkürzt mir die Wartezeit bis zu unserem Hochzeitstage sehr. Außerdem habe ich hier die Gelegenheit, noch alle möglichen und unmöglichen Einkäufe zu erledigen!

Ach, dass der gute Boso ja zur Familie der von Eberbach gehört, war mir entfallen. Du sprichst ja immer nur von Boso! Dass Du Knappe meines Vaters warst, habe ich nicht vergessen, obwohl mir der Kopf vor lauter Glück schwirrt! Deine Grüße an Leodegar habe ich ausrichten können. Er war heute Abend an Gwynnas Tafel zu Gast. Er hat sich sehr gefreut, von Dir zu hören und entbietet Dir ebenfalls Grüße. Er freut sich sehr über unser Glück, wenn ich auch das Gefühl habe, dass er manchmal doch sehr still ist.

Ihre Gnaden Marnion musste ihre Abreise verschieben. Ihr Pferd lahmt und sie wird sich bestimmt noch eine weitere Woche in Gratenfels aufhalten. Sie ist im “Gasthaus zum Schwefelstecher” abgestiegen. Die Herberge ist einfach, aber gepflegt und sauber. Aufgrund der Nähe zu den Schwefelquellen ist die Unterkunft sehr günstig, denn der Geruch dort ist kaum auszuhalten, weshalb Ihre Gnaden viel Zeit mit Spaziergängen am anderen Ende der Stadt verbringt. Sie besichtigt die Bastionen und verbringt ihre Zeit auch damit, zu zeichnen. Kürzlich hat sie eine sehr hübsche Kohlestiftzeichnung eines Falken angefertigt. Gerne suche ich sie auf und übermittle Deine Einladung mündlich. Vielleicht solltest Du ihr zusätzlich auch eine kurze schriftliche Einladung senden? Es kommt mir doch etwas dreist vor, jemanden auf Deine Burg einzuladen.

Wegen des Services bin ich im Moment doch fast geneigt, ein neutrales Service in einem Elfenbeinton mit Wappen und Baronskrone zu nehmen. Deine Frage zur passenden Dekoration ist ein Argument gegen die Veilchen. Sie sind zwar nur als kleine Streublüten über das Geschirr verteilt, aber ich habe auch noch die Bedenken, ob man sich nicht bald an ihnen satt sieht. Also bestelle ich das zuerst genannte Dekor. Es wird von einer schlichten, zeitlosen Eleganz sein. Allerdings habe ich Sorge, ob es rechtzeitig zu unserem Traviafest fertig werden wird. Nun, falls nicht, wird es symbolisch durch einen Platzhalter vertreten sein!

Morgen werde ich nochmal Ihre Gnaden aufsuchen, Deine Einladung erwähnen und mich von ihr verabschieden. Übermorgen reise ich dann zurück nach Hause (noch Burg Tannwirk). Dein nächster Brief wird mich dann dort antreffen.

Deine Tsaja

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Burg Fischwacht, 21. Tsa 1045 BF

Schreiben Seiner Hochgeboren Geribold von Fischwachttal, Baron von Tommelsbeuge, an Ihre Wohlgeboren Tsaja Eberwulf von Tannwirk, Haushofmeisterin der Burg Tannwirk, Burg Tannwirk

Meine liebste Tsaja,

dass ich einmal das schlagende Argument in Fragen der Dekoration auf meiner Seite haben würde, hätte ich mir im Traume nicht einfallen lassen! Du förderst offenbar selbst meine verstecktesten Talente zutage.

Sicherlich wird das Service ganz wunderbar aussehen und sich gleichsam wohl tatsächlich leichter ins Gesamtbild fügen. Wenn Dir aber zukünftig doch weiterhin etwas an den "Valluser Veilchen" liegt, so können wir es ja noch immer in Auftrag geben, meinst du nicht? Werden die Service denn in Gratenfels hergestellt?

Boso - Du hast Recht, ich spreche, und schreibe auch ganz offenbar, nur von "Boso" - hat vor seiner Rückreise nach Gut Gräflich Bösalbentrutz, genauer nach Burg Bösalbentrutz, ebenfalls kurz von Leodegar gesprochen. Demzufolge dürfte ihm die Zeichnung Ihrer Gnaden recht gut gefallen, scheint er ja regelrecht besessen zu sein von seinen Schützlingen! Bosos Worte, nicht meine. Wenn ich ihn im Übrigen auch nur "Boso" nenne, so habe ich doch höchsten Respekt vor diesem Manne - er hat eine höchst… dramatische Familiengeschichte und ist dennoch ein lebensfroher Mann mit viel Witz, der es liebt, unter Leuten zu sein.

Über Leodegars Gemüt kann ich hingegen keine Aussagen treffen, denn tatsächlich habe ich bislang noch nicht mit ihm gesprochen. Eventuell ändert sich das an unserem Freudentag.

Bezüglich Ihrer Gnaden Marnion setze ich im Anschluss an diesen Brief einen weiteren auf, in dem ich sie persönlich hierher einlade. Ich hoffe, dass es ihrem Tier bald wieder besser geht, doch bin ich sicher, dass es in Gratenfels sicher fähige Viehärzte gibt!

Ich hoffe, du bist gut bei Deiner Nichte angekommen, auch sie grüße bitte recht herzlich von mir! Ich freue mich sehr auf dein nächstes Schreiben!

Dein Geribold

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Gratenfels, 19. Tsa 1045 BF

Schreiben Ihrer Wohlgeboren Tsaja Eberwulf von Tannwirk, zu Gast im Hause der Gwynna von Siebenstein, Stadt Gratenfels, an Seine Hochgeboren Geribold von Fischwachttal, Baron zu Tommelsbeuge, Burg Fischwacht, Baronie Tommelsbeuge

Mein lieber Geribold!

Bitte verzeih’, dass ich jetzt nur ganz kurz schreibe, aber ich möchte gleich den Boten mit dem Brief losschicken, um Dich über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Ich habe Ihre Gnaden eingeladen, mich nach Burg Tannwirk zu begleiten und sie hat die Einladung angenommen.

Vielleicht ist es geschickter, wenn Du die Möglichkeit hast, sie auf “neutralem” Boden kennen zu lernen. Kannst Du Dich für einige Tage von Deinen Pflichten frei machen und nach Tannwirk kommen? Dann könnte ich Euch einander vorstellen, wie es sich gehört!

Das Pferd Ihrer Gnaden ist im Stall Gwynnas unter gekommen und der Stallknecht kümmert sich gegen ein Trinkgeld bestens um das Tier.

Jetzt muss ich noch eine kurze Notiz für Melinde schreiben, die Gwynna freundlicherweise mit einer Brieftaube nach Witzichenberg senden wird. Auch wenn ich weiß, dass auf Burg Tannwirk Gäste immer im Sinne der Herrin Travia willkommen sind, ist es besser, wenn ich Ihre Gnade und vielleicht auch Dich (?) ankündige.

Solltest Du bereits einen Brief an Ihre Gnaden nach Gratenfels gesendet haben, so wird er ihr nachgesandt. Dafür hat Ihre Gnaden Sorge getragen.

Ach, was würde ich mich freuen, wenn Du Dich frei machen könntest und mich auf Burg Tannwirk erwarten würdest! (Oder bald nach mir kämest!) Wenn die Reise störungsfrei verläuft, sollten wir am 22. Ingerimm auf Tannwirk eintreffen.

Deine Tsaja

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Burg Fischwacht, 22. Tsa 1045 BF

Wie immer, wenn ihn ein Brief seiner geliebten Tsaja erreicht hatte, hatte es sich Geribold mit einem Becher Wein in seiner Schreibstube gemütlich gemacht. Wie immer, wollte er die Lektüre des Briefes genießen.
Er nahm einen kleinen Schluck des für sein Empfinden ein wenig zu sauren Weines, verzog deshalb leicht das Gesicht, machte sich im Geiste eine Notiz, diese Sorte nicht mehr zu erwerben und entfaltete dann den Brief. So wie er es immer tat, damit der Geschmack des Weines und das Lesen der ersten Zeilen der jeweiligen Briefe eine genussvolle Einheit bildeten. Direkt schlugen ihn die Zeilen, die dort auf ihn warteten, in seinen Bann. Bereits den vierten Satz begann er leise murmelnd vorzulesen.
Nach der Lektüre des kurzen Briefes, saß er einen kurzen Moment lang still da. Dann leerte er seinen Becher auf einen Zug, schüttelte sich, wobei ihm wieder die Gesichtszüge entglitten, und rief:
"Disibold!"
Nur wenige Herzschläge vergingen, bis sich die Tür zum Vorzimmer der Schreibstube knarrend öffnete.
"Ihr habt gerufen, Euer Hochgeboren?"
Ein hochgewachsener Mann mit kurzgeschorenen Haaren, dafür aber einem stattlichen, mit Pomade zurecht gezwirbeltem Schnurrbart steckte seinen Kopf herein.

"Disibold! Ich habe einen besonderen Auftrag für dich. Sattle dein Pferd und reite alsbald nach Burg Bösalbentrutz. Dort verbringt der gute Boso gerade ein paar Tage mit seiner Familie. Richte ihm aus, er möge zurückkehren und die Geschäfte für einige Tage übernehmen. Ich reise nach Burg Tannwirk."

Der große Mann zwirbelte an seinem Bart, die Sorgenfalten, die er eben noch trug, wichen einem Lächeln, als er anhob:
"Ihre Wohlgeboren Tsaja Eberwulf von Tannwirk, nehme ich an?"
"So ist es, Disibold. Also spute Dich!"
Disibold wollte sich gerade schon wegdrehen, als er noch einmal innehielt.
"Wie Euer Hochgeboren sicherlich wissen, lebt meine Schwester mit der Familie von Eberbach auf eben jener Burg. Erlaubt mir die Gelegenheit nutzen und einen Tag länger verweilen. Ich habe sie lange nicht gesehen."
Auf ein kurzes Nicken, einem angedeuteten Lächeln und einer entsprechenden Handbewegung hin wandte sich Disibold dann letztlich zum Gehen.

Noch am selben Abend ließ Geribold den Stallmeister kommen und trug ihm auf, sein Pferd für die Reise bereit zu machen. Auch seinem Leibdiener trug er auf, alle benötigten Vorkehrungen zu treffen. Man tat wie geheißen und so ritt Seine Hochgeboren Geribold von Fischwachttal am Morgen des 23. Ingerimm 1045 BF auf den Weg nach Burg Tannwirk. Begleitet wurde er von seinem Leibdiener sowie zwei Gardisten zur Bedeckung.
Die Reise verlief recht unkompliziert, sodass er die Burg noch am Abend desselben Tages vor sich aufregen sah. Mit vor Vorfreude wild pochendem Herzen hielt er geradewegs auf sein Ziel zu.