Götterspiele: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Wölkchen am Himmel waren verschwunden und zeigten einen klaren, blauen Himmel. Noch immer war es heiß, doch nicht zu vergleichen mit der vergangenen Mittagshitze. Von fernen sangen die Vögel und die Festwiese war nun hergerichtet. Drei zwei Schritt hohe Stäbe waren in den Boden gerammt worden, die in den Farben Goldgelb, Rot und Orange angestrichen und  an deren Enden Wimpel angebracht waren. Klar sind darauf die heiligen Symbole für die Götter Praios, Rahja und Travia  zu erkennen. Vor jedem Stab wurden ein Tisch aufgestellt, auf denen die drei Geweihten Dinge gestellt hatten. Vor kurzem kam auch ein vierter, weiß angestrichener, Stab dazu. Diesmal war es der Praiosgeweihte Ademar von Leihenhof der seine Stimme erhob:<br>
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“Liebe Gäste, ich bitte um Aufmerksamkeit und versammelt euch.” <br>
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Nach kurzen Warten, bis die Leute sich  eingefunden hatte, sprach er weiter: <br>
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“Dem Wunsch der Familie von Altenberg zu Folge, stellen wir diese Brautschau unter den Segen der Götter. Wichtig ist es, einen Partner für den Bund der Ehe gut einzuschätzen und kennen zu lernen. Auch die Götter geben uns Hinweise in unseren Leben, doch nicht jeder Hinweis oder Zeichen ist für jeden klar und verständlich. Ich selbst war ein Auserwählter des Götterfürsten Praios, der durch mich die Verkündung durch hundert Zungen sprach. Erst seit diesem Tag an habe ich verstanden, dass die Götter auch ohne Worte und durch kleine Hinweise zu uns sprechen. Wir Diener der Götter sind heute hier, um  euch dabei zu helfen, diese kleinen Zeichen zu verstehen, auf das ihr die Möglichkeit habt, den oder die Richtige heute zu finden. Ich bitte nun jeden die Gottheit auszuwählen, von der er denkt sie würde ihm am ehesten helfen in diesen Belangen oder folgt der Person für die ihr euch interessiert. Wir werden euch dann eine Aufgabe stellen, auf das ein jeder schaut wie diese gemeistert wird und möge euch dadurch mehr Antwort als Frage bleiben. Falls dann noch jemand Rat braucht, sind wir natürlich alle für euch da. Im Namen des Herrn Praios,  der Mutter Travia und der Göttin Rahja heiße ich die Spiele als eröffnet!” Ein Räuspern Rahjels erinnerte ihn noch an etwas. “Oh … und der Herrin Rondra.” Er faltete die Hände zusammen und ging zu seinem Tisch.<br>
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Die Baronin von Rickenhausen hatte ihre Zofe damit beauftragt, ein Auge auf Milian von Altenberg zu haben. Also war Melisande zu den Tischen für die Götterspiele geschlendert, um sich nach dem edlen Herrn umzusehen, doch dieser war noch nicht aufgetaucht. So beobachtete sie das Treiben also betont unbeteiligt aus ein paar Schritt Entfernung und wartete, wobei sie die Eindrücke, die hier geboten wurden, durchaus neugierig zur Kenntnis nahm.<br>
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=Am Tisch des Götterfürsten=
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Der Luminifer Ademar von Leihenhof stellte sich hinter einem Tisch, das mit einer Tischdecke, rot mit goldener Borte, bestückt war. Ein Stapel Bücher war darauf abgelegt ,dass er nun Buch für Buch vor sich ausbreitete. Mit abwesendem Blick sprach er mit sich selbst, während die Gäste sich vor dem Tisch versammelten.<br>
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Lares von Mersingen musste keinen Augenblick überlegen, welchem Tisch er den Vorzug geben würde. Nicht nur hatte Ademar ihm gut zugesprochen, schließlich war des Herren Licht der Erkenntnis das, was er am Meisten brauchen würde. Und seiner Pagin würde die ein oder andere Ermahnung in Sachen Ehrlichkeit nicht schaden. Mit ein wenig nagender Sorge dachte er an das Gespräch, das sie und er nach der Feierlichkeit würden führen müssen. Der Ritter trat an den Tisch heran und besah sich die dicken Wälzer - in denen er schon immer zuhause war. Auch Lissa sollte einen Blick auf die Werke werfen können. “Kannst du sehen?” fragte er sie leise.<br>
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Die Kleine nickte, stand aber auf ihren Zehenspitzen, um einen einigermassen ausreichenden Blick zu erhaschen. “Es geht schon.” Was waren das für Werke. Sie hatte den Unterricht bei ihrer Tante nie gemocht. All die Bücher und all die Worte. Ein Seufzen kam über ihre Lippen, dann flüsterte sie halblaut zu ihrem Schwertvater: “Muss mal all diese Bücher lesen, wenn man heiraten will?”<br>
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Lares konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. “Wollen wir Vater Ademar fragen? Ich bin mir sicher, er wird uns das sagen können. Habe ich dir eigentlich erzählt, dass wir uns kennen? Ich habe bei Vater Ademar Recht studiert. Er war ein wohlmeinender Lehrmeister.” Erneut hatte der Mersinger nicht gelogen, doch ob die Zuschreibung die ganze Wahrheit war? “Euer Gnaden, darf ich Euch meine Pagin Basilissa von Keyserring vorstellen? Sie wollte erfahren, wozu die ganzen Bücher dienen.”<br>
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Der Geweihte holte sich aus seinen Gedanken zurück. “Oh, sehr erfreut, parva Scintilla! Diese Bücher hier beinhalten die Weisheit des himmlischen Richters, dass sind alles Gesetzesbücher. Aber habt Geduld. Ich werde gleich alles erklären.” Er lächelte, wirkte aber ein wenig … entrückt.<br>
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“Jaja. Geduld war auch eine Tugend, die Vater Ademar versuchte, mir zu lehren. Ich fürchte, da trugen seine Unterweisungen nicht reifliche Früchte.”<br>
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Ein leicht verzogenes Schnütchen zeigte sich auf den Zügen des Kindes. “Gesetzesbücher?” Sie verstand nun wirklich nicht, was ausgerechnet die mit der Ehe zu tun hatten. Womöglich weil beides  genauso langweilig wie das jeweils andere war? Hm. Vermutlich nicht. Offensichtlich wenig beeindruckt von dem Aufruf nach Geduld fragte sie Lares leise: “Ist es, weil beide so schwierig zu verstehen sind? Die Ehe und die Gesetzesbücher?”<br>
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Da musste der junge Mersinger aus tiefster Seele lachen. Es war ein kehliges, herzliches Lachen, das nicht etwa die Kleine auslachte, sondern ansteckte. Als er sich wieder einigermaßen gefangen hatte, prustete er heraus: “Also ich für meinen Teil finde Gesetzbücher wunderbar verständlich. Was das andere betrifft… wenn mir der Herr PRAios die gleichen Einsichten in die Herzen der Frauen schenken würde, dann schwöre ich feierlich, ziehen wir beide auf eine Pilgerreise nach Drol oder wohin immer der Höchste es wünscht!” <br>
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“Ist Drol weit weg?” fragte das Kind neugierig. “Hmm”, nickte er im Gegenzug. Machte dann aber eine kleine Pause: “Warum wollt ihr denn eine Einsicht in ihre Herzen? Gebt ihr ihnen denn eine in eures?” Es folgte wieder eine Pause: “Sollte man das tun? Ich meine…immer? Und der Herr Praios… verlangt er, dass wir immer alles offenbaren, was wir hier.” Und sie tippte auf ihr Herz, wie es Andesine im Küchenzelt gemacht hatte. “Spüren?”<br>
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“Habe ich dir eigentlich schon mal gesagt, dass du ein Talent dafür hast, die richtigen Fragen zu stellen?” Das meinte Lares genauso, wie er es sagte. Seine Pagin würde sicherlich eine tolle Ermittlerin oder Inquisitorin werden. Vielleicht sollte er irgendwann ihren Vater darum bitten, sie in der Knappschaft doch nicht in seine, sondern in Obhut des Ordens vom Bannstrahl zu geben. Aber bis dahin müsste er noch ihre Begeisterung für Gesetzestexte wecken. “Nein, nicht immer. Er verlangt von uns, aufrichtig und aufrecht zu sein, doch nicht, uns vor allen nackt zu machen und jeden Gedanken zu entblößen. Zu Ordnung und Anstand gehört nämlich auch ein wenig Privatheit. Und doch, manchmal wünschte ich mir, ich wüsste, was andere Menschen fühlen. Dadurch würde mancher Streit vermieden, manche Schlacht nicht geschlagen und manche Freundschaft begründet. Und bei den Frauen natürlich, da muss ich gestehen, da habe ich es einfach etwas schwerer, sie zu verstehen. Ich will ja niemanden verletzen, der es nicht verdient hat, verstehst du. Das wäre ja ungerecht! Verstehst du mein Problem?”<br>
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Das Kind dachte kurz nach: “Also…. wenn ich mich kurz über Luzi ärgere… und ich es nicht sage, verraucht meine Wut auf sie wieder, ohne dass es ihr wehtut… Aber … wenn ich mich wirklich sehr über Luzi ärgere… und sie es nicht merkt und meine Wut bleibt… dann soll ich es ihr lieber sagen, damit wir uns vertragen können?” irritiert sah sie Lares an: “Wie kann ich das denn unterscheiden? Wenn ich wütend auf jemanden bin, weiss ich doch zuerst noch nicht wie lange?”<br>
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“Ich finde, du hast das schon sehr gut auf den Punkt gebracht. Es ist manchmal schwer, den Unterschied zu erkennen. Wenn du dir denkst, jetzt bin ich wütend, dann ist es gut, erst einmal abzuwarten. Wenn der Zorn nicht vergeht, dann solltest du mit Luzia sprechen. Ich hoffe nur, dass du nicht nur böse auf deine Schwester bist - die hat das nämlich nicht verdient. Sie ist ein guter Mensch, glaube ich”, sagte der Mersinger und war zufrieden, wie schnell seine Pagin seinen Gedanken folgte.<br>
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“Ich bin ja gerade gar nicht wütend auf sie. Aber ich war schon mal wütend auf sie.” sagte die Kleine. Und schaute zu Boden. “Es war nur ein Beispiel.”<br>
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“Das habe ich verstanden. Du hast ein sehr treffendes Beispiel gemacht. Du hast einen wachen Geist. Schauen wir mal, was Vater Ademar für uns vorbereitet hat. Vielleicht bringt dich das auch auf so kluge Ideen!” Das Lob kam von Herzen. Lares hatte den Eindruck, seine Pagin zu häufig zu ermahnen. Dabei war sie schon auf einem guten Weg.<br>
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Linnart vom Traurigen Stein blickte kurz etwas wehmütig hinüber zum Traviatisch. Für einen Moment hätte er sich gewünscht, dass Andesine sich auch hier auf dem Tisch des Götterfürsten einfinden würde, doch standen in diesem Moment die Götter und deren Diener an oberster Stelle. Der Bannstrahler grüßte alle Anwesenden lächelnd, wobei sein Blick besonders lang auf Durinja von Altenberg zu liegen schien. Auch der junge Herr von Mersingen war anwesend, was ihn freute und vielleicht die Möglichkeit zu einem Gespräch eröffnete.<br>
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Unsicher wo sie sich eigentlich hinbegeben sollte, hatte Andesine von Wasserthal Travia gewählt. Natürlich wäre auch Rondra eine Möglichkeit gewesen, aber unter den Augen ihres Bruders? Auf gar keinen Fall! Aber dann suchte sie in der Menge eine ganz bestimmte Person. Sie vermisste ihn, dabei war es ihr Vorschlag gewesen bis zum Spaziergang getrennte Wege zu gehen. Aber da war er, Linnart und sie konnte gerade sehen wie er sich wehmütig wieder abwandte. Kurzentschlossen verließ sie den Travia-Tisch und kam herüber. Andesine stellte sich neben Linnart und betrachtete die Bücher. “Was es wohl damit auf sich hat? Was meint Ihr, mein Hoher Herr vom Traurigen Stein?”<br>
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Den Bannstrahler traf die Anrede der Wasserthalerin unvorbereitet, dennoch fing er sich schnell. "Hmm ...", brummte er säuselnd, "... das ist eine gute Frage, hohe Dame. Wollt Ihr Euch nicht zu uns gesellen, damit wir es gemeinsam herausfinden?"<br>
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“Es wäre mir eine Freude.” Mit einem breiten Lächeln rückte sie näher an Linnart heran. Dabei entdeckte sie Lares und Lissa. “So sieht man sich wieder. Das neue Kleid steht dir sehr gut, Basilissa.” <br>
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“Danke.” Verschämt sah sie zu Boden. Dann knickste sie in Richtung des Bannstrahlers: “Praios zum Gruße, hoher Herr, mein Name ist Basilissa von Keyserring. Und dies ist mein Schwertvater, der hohe Herr Lares von Mersingen.” plapperte sie Linnart entgegen, um zu verhindern, dass Andesine ihr unangenehme Fragen stellen würde.  Sie schielte zu Lares, ob sie die Vorstellung dieses Mal richtig gemacht hatte. Der drückte kurz ihre Hand und nickte freundlich. Das hatte wohl Früchte getragen.<br>
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Der Ritter nickte der Pagin freundlich zu. ´Was für ein wohlerzogenes Mädchen ...´, dachte er bei sich. "Praios zum Gruße, junge Dame ...", erwiderte Linnart ihren Gruß, "... der Herr von Mersingen und ich sind uns schon bekannt. Auch wenn wir es zuvor verabsäumt hatten uns namentlich vorzustellen." Kurz schien es als würde ein Schmunzeln über die Lippen des Bannstrahlers huschen. Dann streckte er ihm die Hand zum Gruß hin. "Linnart vom Traurigen Stein. Es ist mir eine Freude, hoher Herr."<br>
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Einen kurzen Moment musterte Lares die dargebotene Hand und blickte dem Bannstrahler in die Augen. Dann warf er einen Blick auf Andesine, die sich in Gegenwart des Rüpels nicht unwohl zu fühlen schien. “Die Freude ist ganz meinerseits. PRAios zum Gruße, Herr vom Traurigen Stein. Ich hoffte, wir hätten uns auf anderem Wege kennen gelernt. Aber wie ich sehe sind alle ‘Missverständnisse’ ausgeräumt. Etwas anderes hätte ich einem treuen Ritter vom Bannstrahl auch nicht zugetraut. Dass Ihr an den Tisch kommen würdet, damit hatte ich fest gerechnet, aber ich freue mich, auch dich hier wiederzusehen Andesine. Das mit dem Kleid haben wir schon ganz gut hingekriegt, wir zwei, aber dir habe ich es zu verdanken, dass Basilissa guten Gewissens unter die Augen unseres strahlenden Herrn treten kann und das kann ich wohl kaum wiedergutmachen.” Mit gut verborgener Spannung erwartete der junge Mersinger die Reaktion Linnarts auf seinen vertraulichen Ton. Vielleicht konnte er ihn etwas eifersüchtig machen? Geschähe ihm Recht. <br>
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Doch schien dem nicht zu sein. Der Ritter vom Orden des Bannstrahls nickte dem Mersinger lächelnd zu, dann war seine Aufmerksamkeit vom Gespräch zwischen Andesine und Lissa eingenommen.<br>
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Lissa verstand nicht recht, was ihr Schwertvater meinte. Daher runzelte sie die glatte Kinderstirn und sah mit zusammengekniffenen Augen zwischen Linnart und Andesine hin und her.<br>
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Bei den Worten begann die Ritterin zu strahlen. “Das habe ich gerne gemacht, Lares. Wenn es Basilissa gut geht, ist mir das Lohn genug.” Sie trat näher an Lissa heran und kniete sich vor ihr hin. “Siehst du da drüben den Rondra-Geweihten stehen? Das ist mein Bruder von dem ich dir erzählt habe. Wenn du willst, kann ich dich ihm später vorstellen.” Sie sah zu Lares auf. “Wenn dein Schwertvater dem zustimmt, natürlich.” Es freute sie, dass Basilissa ihrem Rat gefolgt war und Lares davon erzählt hatte.<br>
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Sie zuckte mit den Achseln. Sie wusste nicht recht, was sie mit dem Rondrageweihten besprechen sollte. Er würde ihr sicher nur raten, sich zusammen zu reissen. Das … wollte sie ja. Doch es war schwierig. Die dunklen Kinderaugen sahen zu Lares hinauf- interessiert, was er von der Idee hielt.<br>
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Scheinbar hatte Lissa nicht ganz verstanden, was sie gemeint hatte. Unauffällig tippte sie sich mit zwei Fingern auf die Brust, etwa in Höhe des Herzens.<br>
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Die Kleine nickte. Sie hatte zwar verstanden, war aber immer noch unsicher, ob ein Rondrageweihter ihr helfen konnte. Aber immerhin war Andesine eine echte Ritterin. Und daher musste sie wohl die Welt besser kennen als sie selbst: “Hoher Herr, ähm, die hohe Dame dachte, es könne helfen, wenn ich mich… mit  ihrem Herrn Bruder unterhielte.” fragend sah sie Lares an.<br>
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“Und ich bin der letzte, der dich daran hindern wird”, sagte der Mersinger nonchalant. “Natürlich. Andesines Rat ist wertvoll. Da kann der Rat ihres Bruders im Namen der Sturmleuin sicherlich nicht zurückstehen. Ich muss gestehen, dass auch ich gerne Bekanntschaft mit deinem Bruder machen würde, Andesine.”<br>
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"Ich stelle ihn euch gerne vor." Sie sah hinüber zu ihrem Bruder, der gerade in ein Gespräch mit Thankred von Trollpforz und Sabea von Altenberg vertieft war. Es war der Geweihte, mit dem Lares schon früher am Tag zu tun hatte.<br>
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Linnart verfolgte die Konversation Andesines mit der jungen Pagin schmal lächelnd. Er mochte ihren liebevollen Umgang mit der jungen Dame. Die Wasserthalerin war ein guter und frommer Mensch. Dann wandte er sich wieder dem Mersinger zu. Eifersucht, dass Lares und die Ritterin sich allem Anschein nach schon besser kennen gelernt hatten, empfand er nicht. Es war nie seine Art gewesen eifersüchtig zu sein. Sein Vater meinte immer, dass Eifersucht bloß eine Manifestation von Angst sei, dass ein anderer Partner besser für seine Geliebte geeignet wäre als er selbst - ein Gedanke, der sowieso nicht in sein selbstbewusstes Wesen passte. “Eure Pagin macht Euch alle Ehre, hoher Herr. Ich habe selten eine so wohlerzogene junge Dame treffen dürfen.”<br>
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Wohlerzogen? So hatte sie noch nie jemand genannt. Lissa zog ein breites Grinsen und sah zu Lares hoch.<br>
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Der wiederum lächelte stolz zurück und tätschelte anerkennend ihre Schulter. Heute benahm sie sich wirklich (weitestgehend) vorbildlich und mit jeder Stunde machte sie Fortschritte. Vergessen war das kleine Missgeschick mit dem Bierfass. Tatsächlich rührte das Kompliment des Ritters den jungen Mersinger ein wenig - was seine Meinung von dem Bannstrahler unerwartet hob. “Ich danke Euch, aber das Kompliment gebührt nicht mir, sondern ihr. Sie beträgt sich heute erfreulich, sodass ich stolz auf sie sein kann - und ihr Vater sicherlich auch. Aber ich danke Euch. Ein Kompliment sagt immer auch etwas über denjenigen aus, der komplementiert. Sagt, wie ist es beim Orden vom Bannstrahl? Nehmt ihr Pagen in Euren Reihen auf? Dass die Knappschaft auch im Lichte des Herrn abgeleistet werden kann, das ist mir bewusst, aber ich kann mich nicht entsinnen, bereits einen Pagen des Bannstrahls angetroffen zu haben. Habt Ihr auch schon einen jungen Herrn oder eine junge Dame ausgebildet?”<br>
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Der Angesprochene schüttelte seinen Kopf. "Grundsätzlich steht es einem jeden Mitglied des Ordens vom Bannstrahl ab dem Rang eines Ritters zu, neue Mitglieder anzuwerben und auszubilden, doch wird das Prozedere von Niederlassung zu Niederlassung unterschiedlich gehandelt. Im Kloster St. Aldec ist der Knappenmeister, Bruder Praioswulfus von Altzack, für die Ausbildung der jungen Zöglinge verantwortlich. Dennoch wurde ich schon das eine oder andere Mal von einem unserer jungen Mitglieder begleitet. So auch vor wenigen Monden, als es mich und meine Lanze für längere Zeit in Nordgratenfels hielt." Linnart dachte kurz an die junge Hexe Vea, die den Zorn eines ganzen Dorfes auf sich lud, der sich dann soweit steigerte, dass ein örtlicher Tempel des Gleißenden nach den Ordensrittern geschickt hatte. "Aber um auf Eure Frage zurückzukommen. Ja, die Ausbildung in unserem Orden kann man schon im Paginnenalter beginnen. Meist indem man niedere Dienste innerhalb der Ordenseinrichtung übernimmt und, neben den theologischen Studien, im Lesen und Schreiben, Bosparano, sowie der Rechts- und Magiekunde unterwiesen wird. Dennoch würde ich meinen, dass der Begriff ´Page´ in unserem Fall nicht ganz passend ist." Der Ritter blickte kurz auf Basilissa. "Den Knappenrang hat man im übrigen so lange inne, bis man eine große Tat im Sinne der Ordensregeln verbringt. Bei mir war es damals ein sechs Monde langer Dienst in Beilunk, wo mir die Ehre zu Teil wurde unter der Fürst-Illuminierten Gwidûhenna von Faldahon dienen zu dürfen, die ja selbst einmal Angehörige unseres Ordens war." Linnart lächelte. Es war offensichtlich, dass er sich gerne an jene Zeit zurückerinnerte. "Ihr seid ein frommer Mann wie ich meine. Vielleicht stellt sich für Euch ja ebenfalls einmal die Frage eines Eurer Kinder unserer Gemeinschaft zu überantworten?" Lares wog den Kopf hin und her. “Ihr wisst, dass in unserer alten Familie wichtige Entscheidungen, besonders hinsichtlich des Schicksals unserer Kinder, selten allein getroffen werden. Ich kann mir das allerdings sehr wohl vorstellen - was sollte auch ehrenvoller sein, als dem Herrn des Lichts im Kampf an vorderster Front zu dienen?” Das Lächeln des Bannstrahlers wurde charmanter. "Wie gefällt Euch die Feier hier? Habt Ihr schon eine Favoritin gefunden?", wechselte er dann das Thema. "Ich hoffe ja doch, dass ich Euch nicht als Rivalen betrachten muss?"<br>
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“Das kommt ganz darauf an, welche Dame Eure Favoritin ist. Wenn mich meine Beobachtungsgabe nicht täuscht, dann …” Er machte eine wohlgesetzte, leicht süffisante Pause und blickte demonstrativ von Andesine zu Durinja “...kann das schon sein. Wir wollen den Tag ja schließlich nicht vor dem Abend loben. Gönnen wir der PRAiosscheibe doch noch, etwas über das Firmament zu wandern. Bekanntlich hat der Herr PHex auch noch ein Wörtchen mitzureden, wo das Licht des Herrn hinscheint.” Lares von Mersingen zuckte demonstrativ mit den Schultern und ließ sich nach Kräften nicht in die Karten schauen. Es wäre ja unlauter, sich vor den Damen bereits so festgelegt zu zeigen. Schließlich sollte man sich ja...umgucken. Doch insgeheim hatte er ein kleines Bisschen gelogen.<br>
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Der Bannstrahler nickte Lares knapp zu. "Wohl gesprochen, hoher Herr." Innerlich hoffte er, dass Andesine den Blick des Mersingers hin zu Durinja nicht vernommen hatte, als dieser über Linnarts angebliche Favoritinnen sprach. Nein, er hatte nur eine Favoritin ... eine … seine Wahl ... und die war blauäugig und hatte schwarzes Haar. Durinja daneben war eine Versuchung, von der er überzeugt war, ihr standhalten zu können. Das Wesen der Zofe mochte viele der jungen Männer abstoßen ... ihn jedoch zog es an. Starke, ehrgeizige, herausfordernde Frauen waren stets seine Schwäche gewesen. "Dann mögen der Gleißende und seine Geschwister Rahja und Phex heute mit uns sein, hoher Herr. Ich wünsche Euch viel Glück."<br>
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Andesine war erleichtert, dass der kleine Streit, den es ihretwegen gegeben hatte hier keine Fortsetzung fand, sondern sich die beiden Männer scheinbar sogar ganz gut verstanden. Aufmerksam verfolgte sie das Gespräch der beiden, wobei sie augenscheinlich die Bücher auf dem Tisch näher betrachtete. Nachdem Lares allerdings verkündete, dass er eventuell als Konkurrent zu Linnart auftreten würde, sah Andesine allerdings auf. Überrascht blickte sie Lares direkt an, der den Blick offen erwiderte und schwieg. Ehrlichkeit hieß nicht, sich immer und überall in die Karten schauen zu lassen. Das hatte er gerade erst seiner Pagin erklärt. Naja und Andesine war eine liebevolle Person, ging vorbildlich mit Lissa um, war streitbar und wirklich schön. Wenn Lares nicht wüsste, dass sie eigentlich schon ‘verloren’ war, dann hätte er in Erwägung gezogen, sie zu freien. Aber da war ja immer noch eine gewisse große Schwester, die in seinem Hinterkopf herumgeisterte. <br>
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Interessiert hatte auch Linnart die Blicke zwischen Andesine und dem Mersinger verfolgt, doch tat er das ohne Missgunst oder Eifersucht. Es war ihm immer klar gewesen, dass er, die Wasserthalerin betreffend, Konkurrenz bekommen würde. Sie war wunderbar. Bildhübsch, ruhig, bedacht und verantwortungsbewusst. Ja, sie stammte aus einem politisch noch unbedeutenden Haus und würde auch keine Reichtümer oder Ländereien erben, aber das taten viele der Anwesenden anderen Werberinnen und Werber hier auch nicht. Der Bannstrahler würde sogar so weit gehen und an der Zurechnungsfähigkeit eines jeden einzelnen Mannes zweifeln, der die Ritterin nicht wenigstens in Betracht zog. Dem Mersinger, als gebildeten, frommen Mann, war das Wesen seiner Angebeteten allem Anschein nach nicht entgangen, was Linnart noch zusätzlich bestärkte. Dennoch fürchtete er seine Konkurrenz nicht. Er wusste was er wert war - was er geben konnte und zu geben bereit war. Das mochte zwar noch kein klingender Name oder politische Macht sein und sollte darüber hinaus gehen seine Frau in teure Kleider zu stecken, oder mit edlem Geschmeide zu behängen, doch war er selbst ein ehrgeiziger und zielstrebiger Mann. Er war nicht nur der Erbe eines wohlhabenden Guts, sondern auch dabei sich in der mächtigen Institution der Gemeinschaft des Lichts einen Namen zu machen und darauf bestrebt seine Sippschaft, die derzeit stets etwas belächelt wurde, zu neuem Glanz zu verhelfen. Und auch zwischenmenschlich war der Bannstrahler eine gute Partie gewesen, dem war er sich sicher. Nein, er fürchtete die Konkurrenz der anderen nicht und lächelte seinen Gesprächspartnern selbstsicher zu.<br>
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Linnart fasste verdeckt nach Andesines Hand und drückte sie kurz. Wie gern er sie jetzt berühren, sie in die Arme schließen und küssen würde. Der Ritter war ein leidenschaftlicher Mann, mit körperlicher Distanz konnte er nur sehr schwer umgehen. Sein Blick streifte den der Altenbergerin. Sie wusste, was ihn mit der Ritterin verband und dennoch hatte sie ihm ein Angebot unterbreitet. Sah sie vielleicht gar seine Gefühle für Andesine als Ansporn - würde sie um ihn ... spielen? Und wenn ja, mit welchen Mitteln? Oder war Durinja der Meinung, dass ein Mann sich um sie zu bemühen habe und nicht umgekehrt. Der Linnartsteiner schob diese Gedanken beiseite, bevor sein intensiver Blick hin zur Zofe jemandem auffiel.<br>
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Hatte er gerade zu dieser Frau hinüber geschielt? Andesine musterte diese - wie war noch ihr Name? - ach ja, Durinja von Altenberg, die Hofdame. Schnepfen wie sie kannte sie zu Genüge. An beinahe jedem Adelshof, den sie in ihrer Zeit als fahrende Ritterin besucht hatte, gab es mindestens eine solche, welche die Nase über sie gerümpft hatte. Nur weil sie damals eine stabile Rüstung einem feinen Kleid vorgezogen hatte und sie sich eher auf den Schwertkampf als auf Stickereien verstanden hatte. ‘Inzwischen kann ich auch sticken! Vielen Dank!’ In ihren Augen begannen Flammen aufzulodern.<br>
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Auch dies entging dem Mersinger nicht, der seine Umgebung mit Argusaugen beobachtete. Na das konnte heiter werden. Wenn nur einfach alle den Geboten des Herrn folgen und wahr sprechen würden, dann würde nicht gar so viel Neid und Missgunst herrschen.<br>
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Die Blicke der Anderen waren Durinja natürlich nicht entgangen. Auch wenn Praios der letzte Gott wäre, bei der sie sich Rat holen würde, konnte sie nicht anders als den interessanten Leuten zu folgen. “Wie schön, das wir alle dem Götterfürsten gewählt haben. Schön dass wir die Gelegenheit haben uns kennenzulernen, hohe Dame von Wasserthal.”Sie deutet eine Knicks an.<br>
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Andesine knickste ebenfalls. “So lernen wir uns also endlich kennen.” “Der Herr von Traurigen Stein hat ja schon seine Aufwartung gemacht. Und ihr seid der Junker von Mersingen?” stellte sie die Frage in die Richtung von Lares.<br>
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“Sehr wohl, die Zwölfe zum Gruße. Und Ihr seid? Entschuldigt, die Vorstellung der Brautwerber musste ich leider zum Teil versäumen.” Lares blieb kurz an den divergierenden Augenfarben hängen. Der Blick irritierte ihn unverständlicherweise.<br>
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“Durinja Elva von Altenberg, angenehm.” Sie hielt ihm ihren rechten Handrücken entgegen.<br>
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Der Mersinger versuchte, sich von diesen Augen loszueisen. War sie eine Hexe? Oder mit dem Namenlosen im Bunde? Diese Augen… Und in ihrem Anblick nicht zu verachten, aber alles an dieser Frau ließ die Alarmglocken des Ritters schrillen. Er hörte immer auf sein Misstrauen. Er ergriff ihre Hand und hauchte einen standesgemäßen Kuss auf die Rückseite, dann sah er auf und ließ die Hand los. Dann blickte er zu Linnart hinüber und wandte sich dann Andesine zu, der er mit einer feinen Geste der Augenbraue bedeutete, was sie von dieser schönen Frau hielte.<br>
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Gerade als Durinja ansetzte weiter zu sprechen, spürte Lares Lissas Hand an seiner Hose und ein unauffälliges, aber energisches Zupfen an ebendieser.<br>
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Ein ganz leises “oha” entfuhr Lares und er schielte nach unten. Konnte er den Blick der kleinen Dame deuten? Lissa schaute zu Durinja hoch und zuckte kurz mit ihrem Kinn. Oh ja diese Dame hatte geguckt, als die Vorstellung ihres Schwertvaters stattgefunden hatte. Die Augen waren ihr fast herausgefallen. Das wirkte ja nicht sonderlich begeistert. Der Mersinger legte, jedenfalls unbewusst, einigen Wert auf den Eindruck seiner Pagin. Schließlich war sie ihm teuer und er wollte nicht, dass sie unglücklich war. Aber die Botschaft war eindeutig: Lissa war der Ansicht, Durinja sei interessiert. Er würde diese Frau also mit Vorsicht und Interesse beäugen müssen.<br>
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“Gratulation zu euren Ritterschlag. Seiner Exzellenz Gorfang vom Großen Fluß und von Brüllenfels hat bei seinem letzten Besuch ausführlich über euch erzählt.” Wissend lächelte sie Lares an. Lares runzelte kurz die Stirn. Wann genau war sein Schwertvater das letzte Mal fern von der Eilenwid über den Wassern gewesen? Solange er bei ihm diente, oblag es vorwiegend ihm, auswärtige Termine wahrzunehmen. Hatte sie ihm etwa schamlos ins Gesicht gelogen? Drehte sich dann wieder Andesine zu. “Ich muss gestehen, ihr seit ein unbeschriebenes Blatt für mich, zumindest habe ich nur von euren Bruder in Elenvina vernommen. Umso mehr bin ich jetzt erfreut, dass hier nachzuholen.”<br>
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“Sehr gerne, vielleicht kann ich so auch etwas mehr über Euch erfahren. Aber sagt, was habt Ihr über meinen Bruder gehört? Es interessiert mich, was man sich über ihn erzählt.” Erwiderte Andesine scheinbar ungerührt ob dieses kleinen Seitenhiebs.<br>
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Der Bannstrahler hatte die Szenerie währenddessen mit stoischer Gelassenheit verfolgt und war im ersten Moment froh darüber, dass Durinja ihre Aufmerksamkeit dem Mersinger und Andesine schenkte. Kurz dachte er dennoch an den kleinen Mondstein in seiner Tasche, griff unterbewusst danach und beschränkte sich dann darauf der Konversation der beiden Damen charmant lächelnd zu folgen.<br>
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“Die Verlobung eures Hauses mit dem Haus Rabenstein, war das letzte was ich gehört habe. Gratulation dazu.” Sie positionierte sich neben dem Bannstrahler. “Ich bin sehr gespannt, ob der Herr Praios uns ein Zeichen sendet.” sagte sie zu allen …. Oder doch mehr zu Linnart?<br>
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Der Ritter bedachte Durinja seinerseits mit einem vielsagenden Blick und einem Lächeln. "Es freut mich übrigens Euch hier am Tisch des Götterfürsten anzutreffen, meine Dame", nahm er die sich ihm bietende Gelegenheit wahr, sie am Tisch zu begrüßen. Er war gelinde gesagt überrascht gewesen, dass die Altenbergerin den Tisch des Gleißenden wählte. "Ich hoffe es doch, dass der Herr uns erleuchten möge."<br>
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“Es sei”, bekräftigte Lares unmittelbar.<br>
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“Es sei”, war auch ihre Antwort. <br>
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Ein weiterer Besucher am Tisch des Götterfürsten gesellte sich zu ihnen. Der Edelmann Milian von Altenberg, Vetter von Praiona, Durinja und Talfano gesellte sich zu ihnen und machte Andesine seine Aufwartung, den Herren nickte er kurz zu. Lares erwiderte den Gruß knapp. Die Geschichte mit dem Rabensteiner interessierte ihn viel mehr. Er hatte mit dem alten Lucrann noch ein Hühnchen zu rupfen. “Rabenstein? Ich bin neugierig. Erzählt mir, wer die Ehe mit wem schließen soll”, bat er Andesine - oder Durinja?<br>
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Durinja lächelte nur und gab das Antworten an die Wasserthalerin ab.<br>
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Andesine gönnte sich einen Augenblick um den Neuankömmling zu mustern und mit einem Knicks zu begrüßen, bevor sie sich daran machte, die Frage von Lares zu beantworten. “Mein Bruder, der Geweihte der Alveransleuin dort drüben”, sie deutete auf Rondradin, der gerade mit dem Rücken zu ihr stand. “Er ist bei der Jagd von Nilsitz eine Verlobung mit der Erstgeborenen des Barons, Ravena von Rabenstein, eingegangen.” Allerdings wirkte ihr Bruder immer ein wenig angeschlagen, wenn das Thema auf den Tisch kam und Palinor wird rot und schaut nur betroffen zu Boden. Das würde sie aber dieser Durinja nicht auf die Nase binden. Sie wandte sich nochmals Durinja zu. “Ist das alles was man sich über ihn erzählt?” <br>
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“Natürlich gibt es mehr. Ich kann mich noch an das Hochzeitsturnier von Herzog Hagrobald erinnern. Die anderen Geschichten würde ich eher zum Hofklatsch zählen, wo sich viele Unwahrheiten und Gerüchte auftun. Aber ihr kennt sicherlich die wahren Taten eures Bruders.”<br>
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“Der Erstgeborenen des Barons? Das heißt dein Bruder wird der Baron von Rabenstein? Na dafür muss man ihn beglückwünschen.” Andererseits: Lucrann als Schwiegervater war sicherlich die Höchststrafe. Hofklatsch schien Durinjas Spezialität zu sein. Das war Lares nicht entgangen.<br>
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“Aber meine Liebe, dann habt Ihr mich doch schon gesehen. Auch ich nahm an besagtem Turnier teil. Natürlich weiß ich um die Taten meines Bruders, aber darum ging es ja nicht.” Andesine strahlte Durinja geradezu an, bevor sie sich Lares zuwandte und fast unmerklich den Kopf schüttelte. ‘Besser nicht’, schien es zu bedeuten. “Er wird nur der Baronsgemahl. Schließlich heiratet er nur die zukünftige Baronin und ist zudem noch immer ein Geweihter Rondras.” “Ja, selbstverständlich.” Ein sehr schlechter Handel. Wirklich sehr schlechter Handel. Sie musterte Lares. “Aber es scheint, als ob du den Baron kennen würdest.” “Allerdings.” Mehr brauchte er nicht zu sagen. Schweigen sagte manchmal mehr als tausend Worte.<br>
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“Oh, ihr seid mir gar nicht aufgefallen. Nun, wichtig ist, dass wir uns heute bekannt wurden.” Sie drehte sich zu Linnart und schenkte ihn einen wissenden Blick. ´Wie gesagt, unauffällig´ schien dieser zu bedeuten.<br>
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Ja, so wie Linnart Durinja einschätzte, lag ihre Aufmerksamkeit beim Turnier wohl eher auf den stattlichen Kämpen und nicht auf den Damen in Rüstung. “Es kann schon mal vorkommen, dass man sich auf einer Turnei übersieht …”, warf er knapp, aber charmant ein.<br>
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Die Ritterin legte lachend ihre Hand auf Linnarts Unterarm. “Da habt Ihr recht. Damals hatte ich auch anderes im Kopf, als mir die Hofdamen auf der Tribüne anzusehen. Ach ja, das erste Turnier ist schon etwas besonderes. Man ist da so ...voller Tatendrang und Leidenschaft dabei und aufregend ist es zudem auch.”<br>
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Der Traurigsteiner nickte ihr knapp zu, die Spitze gegen Durinja ignorierend. Leider hatte sich für ihn noch nie die Möglichkeit ergeben an einem ritterlichen Turnier teilzunehmen. Seine Aufgaben im Orden hatten es bisher einfach nicht zugelassen. Auch war er im Tjosten nie ausgebildet worden. Dennoch mochte er es, wenn Andesine über etwas sprach, an das sie sich gerne erinnerte. Ihre blauen Augen schienen dabei nur noch schöner zu strahlen.<br>
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“Manche suchen eine Turney nur auf, um die schönen Hofdamen auf der Tribüne zu betrachten”, beinahe wäre ihm unschicklich das Wort ‘begaffen’ herausgerutscht, “doch ich denke, dass du, Andesine, wohl eher beäugt wirst, als andere zu bestaunen. Eine ritterliche Dame wie du kann die Blicke nicht nur mit ihrem Äußeren, sondern auch mit Tapferkeit, Wildheit und Kühne auf sich ziehen.” Lares zuckte die Schultern. “Wie hast du abgeschnitten?” Er maß sie mit einem keinesfalls lasziven, sondern vielmehr taxierenden Blick, wie ihn sich Ritter zuwerfen, bevor sie einander in der Schlacht begegnen. “Ich bin mir sicher, dass eine Runde in den Sparren mit dir kein Zuckerschlecken ist - meint Ihr nicht auch, hoher Herr vom Traurigen Stein?”<br>
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“Ha! Als hätten sich zwei schon gefunden.” Durinja legte ihre Hände zusammen und lächelte wissend Andesine und Lares an.<br>
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“Oder wollt Ihr Euch mit dem Schwerte messen, hohe Dame Durinja? Ich weiß noch nicht, was für Talente in Euch stecken. Vielleicht trügt der Schein und in Euch steckt eine große Fechterin? Man sollte niemanden nur nach seinem Äußeren bewerten, lehrte mich mein Schwertvater.” <br>
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“Manche mögen das Schwert im Kampfe führen …”, warf Linnart ein, “... andere führen eine ebenso scharfe Zunge, hoher Herr. Beide Talente sollten nicht unterschätzt werden.” Er lächelte Andesine zu. “Ich kann mir schon vorstellen, dass die hohe Dame von Wasserthal ein Schwert zu führen weiß.” Der Bannstrahler zwinkerte ihr zu und sein Blick hatte viel von jenen Blicken, die er ihr unter dem Sonnenschutz zugeworfen hatte. “Die hohe Dame Durinja wird ihre Kämpfe wohl nicht mit dem Schwert in ihrer Faust und Kette am Leib ausfechten, sondern mit ihrer ebenso spitzen Zunge, die ich bereits kennenlernen durfte.” Er ließ ein charmantes Schmunzeln folgen. “Zu respektieren gelernt habe ich beide Arten der … Kriegsführung.”<br>
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“Wem sagt Ihr das!”, pflichtete ihm Lares bei, “wo ich mich doch des Dilettantismus in beiden Sphären befleißige - die Unterweisung in der Wissenschaft der jurisprudentia an der Wehrhalle unter dem vorzüglichen Lehrmeister Ademar beinhaltete auch die Kunst der Konversation.”<br>
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“Dann seid Ihr ein, durch Eure Bildung sehr reich beschenkter Mann, hoher Herr …”, entgegnete der Bannstrahler ihm freundlich lächelnd. Seine Ausbildung im Kloster war eine gar harte Schule, geprägt durch Zucht, Ordnung und dem Rohrstock. Dennoch hatte auch Linnart fundierte Kenntnis in der Rechts- und Magiekunde, sowie an den Waffen.<br>
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Im Grunde waren sich die beiden Männer - jedenfalls hinsichtlich ihres Hintergrundes - sehr ähnlich. Und doch unterschieden sich die Gemüter der beiden fundamental. Ob das der Grund der unmittelbaren Reibungen gewesen war?<br>
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Der Ritter vom Orden des Bannstrahls neigte noch einmal höflich seinen Kopf, schmunzelte den Mersinger wissend an und wandte sich dann wieder den beiden Damen zu, die, so befand er, von ihnen beiden lange genug mit der Abwesenheit ihrer Aufmerksamkeit ´gestraft´ wurden.<br>
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Mit hochgezogener Augenbraue hatte Andesine das Gespräch der beiden Männer verfolgt. Als diese endlich zu einem Ende gekommen waren, begann sie zu sprechen. “Um deine Frage zu beantworten, ich bin in der zweiten Runde von Wallbrord von Löwenhaupt-Berg vom Pferd gestoßen worden. Wie gesagt, es war mein erstes Turnier, nur wenige Monde nach meinem Ritterschlag. Aber was muss ich von euch beiden hören? Nur der Schwertkampf und das Zungenspiel habt ihr zu respektieren gelernt. Dann versteht ihr euch also nicht auf den Tjost, das Stoßen mit der Lanze? Dabei ist es doch eine so schöne Disziplin, gerade wenn man zuvor den Gegner noch mit spitzer Zunge soweit gebracht hat, dass er alle Vorsicht fahren lässt und sich Hals über Kopf in den Kampf stürzt.” Der Schalk in ihren Augen war kaum zu verbergen, auch wenn sie einen neutralen Tonfall bewahrte.<br>
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“Andesine. Es hört sich ja fast so an, als ob ihr von ´Rahja´Dingen sprechen würdet. Ich bin mir sicher, dass die Herren hier nicht auf dem Feld des Dilettantismus wandern. Ihr habt einen richtigen Schalk im Nacken. Das hätte ich euch gar nicht zugetraut.” Durinja lachte und schaute den Männern verschwörerisch in die Augen. Sie war sich sicher, dass zumindest Linnart gut im Stoßen der Lanze und mit seiner spitzen Zunge war. <br>
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Lares lief knallrot an und hielt seiner Pagin eilig die Ohren zu. So direkt und noch dazu vor einem Kinde? Oh er würde die Frauen nie verstehen!<br>
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Linnart legte derweil seinen Kopf schief und musterte die Wasserthalerin mit einem schmalen Lächeln. Kurz fuhr er sich mit seiner Rechten durch seinen dunkelblonden Haarschopf. Es schien fast so als hätte ihm die Anspielung gefallen. Das hatte er ihr nämlich nicht zugetraut, dennoch empfand er es als erfrischend zu sehen, auch wenn es sich eines Mannes von seiner Position und Profession nicht ziemte, derlei obszöne Gedanken zu hegen.<br>
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Mit verwunderten Ausdruck auf dem Gesicht sah sie Durinja an. “Was meint Ihr damit? Einen Gegner im Vorfeld soweit zu bringen, dass er wütend auf Euch ist, kann im Tjost hilfreich sein. Denn dann wird er versuchen Euch mit aller Macht vom Pferd zu holen und dabei seine Deckung vernachlässigen.”, was Lares mit einem eiligen Nicken quittierte.<br>
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Der Bannstrahler versuchte die Situation für sich und sein Gewissen zu retten, rief sich selbst zur Ernsthaftigkeit auf und nickte Andesine ernst zu. Ja, das machte schon Sinn. Was diese mit einem nur für ihn sichtbaren Augenzwinkern quittierte.<br>
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´Ach herrje. Wie schon gedacht, die prüde Gans sprudelt gänzlich vor Langeweile.´ Durinja nickte ebenfalls. ”Genau das habe ich gemeint.” Sie zwinkerte Linnart zu, auf dessen Lippen sich nun doch wieder der Anflug eines Schmunzelns stahl. <br>
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Was sollte denn das? Dachte ihr Schwertvater sie hörte nichts, wenn seine Hände über ihren Ohren lagen? Und überhaupt… was machte er so ein Aufhebens um ein Gespräch übers Tjosten? Als er endlich die Hände von ihren Ohren genommen hatte, fragte sie ihn ehrlich erstaunt: “Warum soll ich denn nichts über Tjoste hören?” Sie dachte scharf nach: “Oder… habt ihr … “ Sie hatte ihn noch nie bei einem Turnier gesehen. Womöglich.. Aufmunternd sah sie ihn an und sagte leise zu ihm: “Wenn ihr das mit dem Lanzenreiten nicht gut könnt, wird der Herr Praios sicherlich Verständnis haben. Es muss euch nicht peinlich sein. Ans Lichte des Herrn wird es ohnehin kommen.” Sie lächelte ihn stolz an. Immerhin war die fast bedingungslose Ehrlichkeit sein beständiges Credo.<br>
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Lares bekam große Augen. Wie sollte er denn aus dieser Zwickmühle je wieder rauskommen? “Doch, doch. Ich habe den Umgang mit der Lanze gelernt. Auf dem Turnierplatz. Da, wo eine Lanze hingehört. Nur da.”, erwiderte der Mersinger mit rauer Stimme. Herr PRAios sei Dank hatte die Kleine das mit den Rahjadingen verpasst - oder einfach nicht verstanden.<br>
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Derweil waren die Augenbrauen des Bannstrahlers immer weiter nach oben gewandert und er musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck zu wahren.<br>
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Die Situation in die sie den Ritter gebracht hatte, tat Andesine leid und so bemühte sie sich Lares etwas zu helfen. “Basilissa, hast du gewusst, dass es verschiedene Arten des Tjosts gibt? Häufig geht es darum seinen Gegner mit der Lanze vom Pferd zu stoßen und sich selbst gleichzeitig im Sattel zu halten. Die dicke Rüstung hält viel ab, aber weh tut es trotzdem, wenn man zu Boden fällt. Und dann gibt es noch eine andere, neumodische Art, wo man mit angesägten Lanzen gegeneinander antritt. Hier geht es nicht darum den Gegner aus dem Sattel zu heben, stattdessen versucht man seine Lanze am Schild des Gegners zerbrechen zu lassen. Wer nach einer festgelegten Anzahl von Runden, meist drei, die meisten Lanzen gebrochen hat, gewinnt.”    <br>
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Linnart beobachtete Andesines Gespräch mit der kleinen Lissa. Ja, die Ritterin würde einmal eine großartige und liebevolle Mutter sein. Das war eine schöne und wertvolle Eigenschaft und es gefiel ihm. Er hoffte, dass sie auch in allen anderen Bereichen des Lebens harmonieren würden.<br>
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´Das arme Kind. Erst anzügliche Scherze machen und dann nicht ehrlich sein mit dem jungen Mädchen. Die Männer sollten vorsichtig mit der Ritterin sein. Auch diese war zum Lügen fähig.´ Ein leichtes Bedauern zeichnete sich in Durinjas Blick ab. ´Dem Kind war nicht geholfen, ihr die Wahrheiten von Erwachsen fernzuhalten. Je früher sie weiß, wie die Welt funktioniert, umso besser.´ Ihr Gedanke behielt sie aber für sich. <br>
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Wo sollte sie sich platzieren? Bisher hoffte sie noch, entweder einen interessanten Mann zu treffen, oder sich gut zu unterhalten. Eigentlich wollte sie zu Rahjas Tafel, da sah sie die Gruppe am Praiostisch. Das würde lustig werden, da war sie sich sicher. Außerdem… später konnte man ja immer noch mit den anderen plaudern. Sie zuckte mit den Schultern und gesellte sich still dazu, es war gerade ein reges Gespräch, welches nach zu viel Weiblichkeit auf einem Haufen klang. Sie grinste und überlegte für sich, welche der Damen wohl als erstes mit ihrer Stimme alle Maulwürfe verscheuchen würde. <br>
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Ein kleiner, aber weicher Stoß ließ Sina ein wenig die Balance verlieren. Noch bevor sie schauen konnte, woher dieser kam hörte sie eine weibliche Stimme, die ein “OH, verzeiht”, hervorbrachte. Eine korpulente Praiosgeweihte stand vor ihr und lächelte sie an. Sina war sofort klar das der Stoß von dem Bauch der Geweihten stammte. “Ihr habt aber ein schönes Kleid. Wer hat es für euch geschneidert?”, fragte diese und ließ ein glucksendes Lachen folgen.<br>
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“Oh, danke, Euer Gnaden, das ist von Rondrigo Cerutti. Meine Schwester hat es mir geschenkt.” Sie machte der freundlichen Geweihten mit einer Drehung etwas mehr Platz. Da fiel ihr ein Mann auf … dieser Aureus … der fast sehnsuchtsvoll zu ihrer Nachbarin sah. Entgegen der Etikette hob sie die Hand, bis er sie bemerkte. Einladend nickte sie ihm zu und gab ihm Zeichen, sich zu ihnen zu gesellen.<br>
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Der Altenweiner lächelte und trat näher:”Praios zum Gruße”,wandte er sich an die Unbekannte, “Ich bin Junker Aureus Praioslaus von Altenwein.” An beide Damen gewandt fragte er:”Ist es nicht herrlich, dass wir an diesem fröhlichen Festtage den Glanz des Herrn auf uns spüren dürfen?”<br>
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“Wohlgeboren, Sina Artigas ist mein Name. Vor kurzem kam ich mit meiner Familie - meiner Schwester - von unserem Junkergut im Ragathischen gezwungenermaßen nach Elenvina. Ich bin Hofdame beim Herzog, sie ist zu Zuchtmeisterin seines Gestüts.” Sie wollte Mutmassunge bezüglch ihres Aussehens und ihrer Stellung gleich klarstellen. Anscheinend hatte Aureus ihre Vorstellung verpasst, oder es sich bei den vielen anderen Werberinnen nicht gemerkt. Sie zwängte sich noch etwas mit Hilfe ihres Ellbogens etwas von Praiona, damit der Junker Platz hatte.<br>
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“Sehr erfreut”, den leicht skeptischen Blick bemerkend fügte er an, “ich war vorhin etwas abgelenkt und habe daher ein paar Vorstellungen verpasst, verzeiht Ihr mir?” <br>
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“Das ist aber ein Zufall, meine Schuhe sind auch von Cerutti!”, unterbrach Praiona die Beiden und schob sich zwischen ihnen. Sie zog ihre Robe etwas nach oben und zeigte ihre hellblauen, seidenen Tanzschuhe. Sie ließ es sich auch nicht nehmen, Aureus einen schmachtenen Blick zu zuwerfen.<br>
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Aureus lächelte und deutete eine Verbeugung an. “So schnell sieht man sich wieder.” <br>
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“Das könnt ihr laut sagen!”, mischte sich eine weitere, tiefe Stimme ein. Belfionn vom Schlund, der Geweihte des Ingerimm, gesellte sich zu Sina. <br>
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“Ingerimm zum Gruße”, antwortete der Junker und stellte sich vor,” und dies sind Ihre Gnaden Praiona Jaunava von Altenberg und die Hohe Dame Sina Artigas.”<br>
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Sina lachte erfreut. “Danke, Aureus, ich kenne Belfionn bereits. Freut mich, dass du auch an unseren Tisch gekommen bist.” Sie zwinkerte beiden Männern spielerisch zu. “Was erwartet man hier von uns? Sollen wir auf einen Auftrag warten oder und schon mal selbst Gedanken machen?”<br>
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Belfionn musterte den Junker Altenwein kurz. Tatsächlich war er hier nur am Tisch wegen Sina. “Ich habe keine Ahnung. Aber ich bin mir sicher, seiner Gnaden Ademar wird uns Licht ins Dunkel bringen.” <br>
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Praiona musterte den großen Mann. ´Zu Grob, nicht wie mein Prinz´, dachte sie bei sich und drängte sich näher an Aureus. “Nun ich denke unser aller Kenntnis über die Rechtskunde ist gefragt. Zumindest legt er gerade Gesetzesbücher aus.” Die Geweihte deutet auf den Tisch.<br>
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Sie schwieg nun, da so unerwartet Belfionn aufgetaucht war. Sina streckte sich, um ein Buch zu erreichen, das recht weit von ihr entfernt war. „Linnart, sei so gut und reich mir doch bitte das Buch dort drüben….“ Als er sie bemerkte, zwinkerte sie ihn kurz an. Er wusste schon, warum. <br>
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“Verzeiht, wenn ich mich einmische, aber ich glaube, wir sollten warten, bis Seine Ehrwürden bereit ist uns in die Regeln dieses Spiels einzuweihen?”<br>
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Der Bannstrahler nickte bestätigend. “Ja, Ihr werdet gleich Gelegenheit dazu bekommen Euch den Büchern zu widmen, Sina. Ich denke es geht gleich los.”<br>
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Sie hielt in der Bewegung inne, bevor sie sich aber wieder auf ihren Platz von gerade eben stellte, hob sie beide Augenbrauen. „Ihr habt Recht. Und das kann an diesem Tisch nicht hoch genug geschätzt werden.“ Wahrscheinlich kannte in dieser Runde keiner ihre Schwester Verema. Sie waren zwar Geschwister, doch deutlich verschieden in Charakter und Vorlieben. Beide jedoch bestachen mehr durch ihre Art, denn durch ihr Aussehen. Sie waren hübsch, keine Frage, eher verspielt niedlich, aber nicht von jener herausragenden Schönheit, die manchen Frauen zu eigen war.<br>
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Linnart lächelte charmant, dann deutete er mit einem Kopfnicken auf Ehrwürden Ademar. Das Götterspiel begann.<br>
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Sehnsuchtsvoll sah Luzia zu den anderen Tischen hinüber, die nicht so dicht gedrängt voller Menschen waren. Sie hatte zu Vater zurückkehren wollen, aber der hatte ihr nur unmissverständlich gesagt, sie solle sich zu einem der Tische begeben. Und sie fort gescheucht als wäre sie ein Huhn. Aber bestimmt wollte sie nicht zu Travia -und Rondra war doch eher etwas für die anwesenden Ritter. Rahja hingegen- ja sie mochte diese Göttin. Das ganze heimatliche Schloss war voller Kunstschätze und Vater ein großer Förderer junger Künstler. Oder eher von Künstlerinnen- wenn diese kleine Präferenz ihres alten Herrn überhaupt einer Erwähnung bedurfte. Doch, sich an den Tisch eben jener Göttin zu stellen, das wollte sie auch nicht. Es könnte womöglich falsch verstanden werden. Und Praios war immerhin der Hauptgott ihres Hauses.
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Außerdem erspähte sie Lissas blonden Haarschopf und wenn Lares und Lissa da waren, war es zumindest nicht gänzlich langweilig.<br>
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“Praios zum Gruße” sprach sie eine männliche, doch junge Stimme an. “ Es erfreut mich euch endlich begrüßen zu dürfen, euer Wohlgeboren von Keyserring!” der neunzehnjährige Talfano von Altenberg, in seiner weiß-goldenen Gelehrtenrobe,  errötete ein wenig, lächelte sie aber ehrlich an.<br>
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Luzia wurde augenblicklich rot und sah zu Boden. Sie hatte nicht damit gerechnet angesprochen zu werden. “Praios… zum Gruße, hoher Herr von Altenberg.” sagte sie langsam. Ein Gelehrter. Innerlich seufzte sie. Jemand der Bücher mehr liebte als alles andere vermutlich. “Wie gefällt euch das Fest?” fragte sie recht unverbindlich. <br>
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“Talfano Selindian von Altenberg. ”Er verneigte sich. “Ich glaube, es hat noch gar nicht richtig angefangen. Aber ich freue mich auf das abschließende Fest später. Ich wollte euch ein Kompliment machen für eure Vorstellung. Ich war sofort von euch gebannt. Und bitte verzeiht meine holprige Vorstellung.” Immer noch lächelnd strahlte er sie aus seinen grünen, mandelförmigen Augen an.<br>
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“Meine Vorstellung?” sie konnte sich schon kaum mehr daran erinnern, so nervös war sie gewesen. “Ähm. Danke?” Was hatte sie gleich gesagt: “Was genau denn?” fragte sie und lächelte ihn fragend an. Ihre blauen Augen musterten ihn, während sie auf eine Antwort wartete. Jedenfalls war er mutig und sprach sie an. Machte ihr ein Kompliment. Sie selbst hätte sich das niemals getraut.<br>
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“Oh das ist leicht. Ich war sehr beeindruckt von all den Dingen die ihr könnt und gelernt habt. Aber es wurde mir warm ums Herz, als ihr meintet, dass ihr am liebsten reitet. Ich selbst bin mit Pferden groß geworden. Auch wenn ich die letzten Jahre nicht oft dazu gekommen bin. Meine Eltern haben mich nach Gratenfels auf die Rechtsschule geschickt. Ich muss zugeben, ich vermisse die Freiheit, die man nur außerhalb von Städten finden kann.” Eine Sehnsucht  war in seinem Blick zu erkennen.<br>
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“Schmerzt es euch denn nicht, eine Profession zu haben, der ihr vermutlich in einer Stadt nachgehen müsst? Rechtsgelehrte sind doch eher dort anzutreffen, oder etwa nicht?”<br>
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Talfano zog die Augenbrauen hoch. “Na das kommt darauf an, was ich nach dem Studium mache. Ich könnte für die Reichskanzlei in Elenvina arbeiten oder eine eigene führen. Oder ich wandere vom Adelshof zu Adelshof. Die Barone des Reiches brauchen ja auch Rechtsbeistand. Das letztere würde ich erst einmal bevorzugen. Oder Vielleicht nimmt mich auch ein Baron in seine Dienste. Auf jeden Fall wird von mir erwartet eines Tages der Rechtsschule in Gratenfels als Rektor vorzustehen, aber das wird noch lange dauern. Sagt, warum habt ihr euch für den Götterfürsten entschieden?” <br>
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“Firun stand nicht zur Verfügung.” sagte sie schlicht und lächelte ihn zwinkernd an. Dann fügte sie ernst hinzu: “Praios ist der Hauptgott meines Hauses. Rondra, die Göttin der Ritter- das war wenig passend. Und Rahja- nun ja. Auch sie steht mir natürlich nahe. Ich reite gerne, wie ihr. Und mein Vater unterhält eine sehr große Kunstsammlung und fördert Künstler, wann immer er kann. Aber es schien mir … dennoch unpassend” Eine kurze Pause folgte: “Und Travia… nun ja, ich wollte keinen falschen Eindruck erwecken. Ich… um ehrlich zu sein,  bin ich hier, weil mein Vater mich verheiraten möchte. Ich selber habe nichts dagegen noch einige Jahre zu warten bis ich jemanden eheliche.” sie seufzte: “Aber das wird mir wohl kaum vergönnt sein.” Sie sah den jungen Mann nachdenklich an: “Wisst ihr, wenn ihr in Bälde eine Anstellung sucht, dann sollte ich euch mit meinem Vater bekannt machen. Meine Tante hat den Praiostempel bei uns geleitet und auch für Vater rechtliche Angelegenheiten und einen Teil der Ausbildung für die Pagen, Knappen und uns Kinder übernommen. Aber sie ist vor einem Götterlauf….” kurz kamen die Erinnerung an die grauenhafte Hochzeit ihrer Schwester an die Oberfläche und sie schloss kurz die Augen. Ihre Tante zu sehen - niedergestreckt durch einen Bolzen, der direkt in ihre Stirn eingedrungen war und ihren Kopf durchbohrt hatte, war unerträglich gewesen. Mit geschlossenen Augen sammelte sie sich kurz: “gestorben. Und Vater sucht bis auf weiteres einen Rechtsbeistand für ihre Aufgaben. Und glaubt mir, bei uns gibt es Pferde und Wälder und man kann herrliche Ausritte machen. Mögt ihr denn auch die Jagd?”<br>
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Talfanos Anspannung löste sich sichtlich. ´Sie ist echt schön´, dachte er bei sich. “Nun, falls ich eine Braut finde”, er musste kurz schlucken,” dann ist es ja erstmal für eine Verlobung. Ich würde ihr soviel Zeit geben wie sie … wie wir brauchen. Und … gerne könnt ihr mir euren Vater vorstellen.” Der Altenberger spürte wie ihm wieder warm im Gesicht wurde. “Ja ich mag die Jagd, allerdings muss ich gestehen, dass ich damit nicht viel Erfahrung habe. Da sind meine Schwestern einiges voraus. So ihr steht dem Herrn Firun nahe?” fragte er neugierig.<br>
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"Eigentlich… nicht so sehr. Freilich gibt es bei uns in den Wäldern überall kleine Schreine, an denen wir natürlich auch Opfergaben lassen, wenn wir dort sind. Doch Praios ist mir schon näher. Wisst ihr, manchmal ist es eben nur schön, einem anderen der Zwölfe zu huldigen als dem Gotterfürsten selbst." Sie zögerte kurz, "Praios weist jedem seinen Platz in der göttlichen Ordnung zu. Firun hingegen ist dieser Platz egal. Er bewertet dich nur nach dem was du… in seinem Reich zu einer bestimmten Zeit vermagst." Ihr entfuhr ein leiser Laut. Verstand er, was sie meinte? Das bei all der Verpflichtung und dem bewertet werden- tagein tagaus- eine Flucht in ein Reich, wo es nur auf die eigenen Fähigkeiten in diesem Moment ankam, sich heilsam für die Seele anfühlte? Sie forschte in seinen Augen, ob er verstünde. Er nickte. Wie gut er sie verstehen konnte, nicht anders fühlte er sich. Bis jetzt haben immer andere für ihn entschieden. “Ja, aber ich denke der Tag wird kommen, wo wir unseren Platz finden. Zumindest haben wir hier frei entschieden und uns diesen Tisch ausgesucht. Ich muss es noch einmal sagen, ihr seid äußerst angenehm, euer Wohlgeboren.”<br>
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Sie nickte lächelnd, während ein sanfter Rotton ihre Züge umspielte und wandte sich dem Geweihten zu, der nun mit der Präsentation begann.<br>
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Der Altenweiner genoss die wärmenden Strahlen der Praiosscheibe, während er die Bücher betrachtete. Es waren sicherlich Gesetzestexte, doch fragte er sich kurz, ob es vielleicht so etwas wie ein Regelwerk für die Ehe gab, welche eventuell hier ausgebreitet wurden. Seine Ehrwürden schien gerade in ein Gebet vertieft, deshalb wartete er und schaute sich derweil um. Fünf Männer und fünf Frauen zählte er an diesem Tisch, die Knappin ließ er außen vor, war sie doch noch weit vom heiratsfähigen Alter entfernt und stellte somit keine Kandidatin dar. Luzia war ihm eigentlich noch etwas zu jung, doch stellte sie als Baroness eine, wenn nicht gar die Beste, Partie dar. Doch konnte er sich nicht vorstellen, dass man eine solche Verbindung billigen würde. Ihr Vater höchstwahrscheinlich nicht. Und war es überhaupt sinnvoll so zu denken? Im Gegensatz zu den meisten hier, hatte er niemanden, der ihm im Nacken saß und ihm eine Ehe diktierte. Rahjania jedenfalls hatte ihm geraten sich auf sein Bauchgefühl zu verlassen. Er schaute zu Praiona, die gerade mit einer Dame sprach, deren Wurzeln in Almada lagen. Praiona schien freundlich und gütig zu sein, Wesenszüge, die man bei Praioten kaum erwartete, die aber auch seine Schwester trug. Sie hatte vielleicht nicht den schönsten Körper, doch waren Jugend und Schönheit nicht vergänglich? Würde nicht auch er eines Tages alt, runzelig und vielleicht sogar fett werden? Praiona hatte vielleicht etwas mehr auf den Rippen, aber auch ein fröhliches Wesen und strahlende Augen, wenn sie lächelte. Durinja war schön und faszinierend, ja sogar geheimnisvoll. Aber sie schien Schmuck und edle Steine zu lieben. Konnte er sie sich leisten? Würde sie bei ihm bleiben, wenn er kaum mehr als ein Großbauer einbringen konnte? Die letzte hier am Tisch kannte er nicht. Er hatte vorhin ihren Namen vernommen und mutmaßte daher, dass sie mit dem Anwärter Palinor verwandt war. Er beschloss sich noch nicht festzulegen und erstmal die anderen Damen kennen zu lernen und hoffte, dass es der unsicheren Praiona nicht zu schmerzhaft werden würde. <br>
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Fast hätte Melisande die Ankunft Milians von Altenberg versäumt, ihn aber gerade noch erspäht und war ihm so an den Tisch des Götterfürsten gefolgt. Nicht der Tisch, den sie selbst bevorzugt hätte, hätte sie selbst aussuchen dürfen. Aber sie hatte ja einen Auftrag. So stellte sie sich unauffällig in die zweite Reihe, eine Kunst, die sie trotz ihres durchaus ansehnlichen Aussehens gut beherrschte, aber so, dass sie gegebenenfalls hören konnte, was Milian sagte. Doch sie musterte durchaus auch die anderen Anwesenden hier, war sie sich doch klar darüber, dass man spätestens mit dem Beginn der Spiele auf sie aufmerksam werden würde.<br>
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“Melisande! Ihr wollt also vor Praios Angesicht einen Gemahl finden? Ich muss gestehen, ich bin überrascht.” Milian winkte sie zu sich heran. Natürlich war ihm die Anwesenheit der Zofe nicht entgangen.<br>
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Melisande lächelte zurückhaltend. Schade, dass der Edle sie bereits entdeckt hatte, aber nicht zu ändern. “Ich bin hier, um mir unter Praios’ schöner Sonne ein Bild der Heiratswilligen zu machen. Ob mehr daraus wird, mag Praios fügen … oder ein anderer der Zwölf.” Dann wurde ihr Lächeln etwas strahlender. “Und Ihr? Was ist Eure Absicht, Euer Ziel hier an diesem Tisch?”<br>
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“Nun das Ziel das wir alle hier haben sollten. Im Angesicht des Herrn Praios zu bestehen, auf dass er uns seine Weisheit zuteil läßt, auf das wir eine richtige Wahl in diesen Belange treffen können. Es ist Schande das sich eure Herrin sich nicht getraut hat.” Er lächelte sie an.<br>
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Melisande kniff die Augen ein wenig zusammen bei dieser respektlosen Wortwahl des Edlen. “Eine Schande nennt Ihr es also, wenn jemand gar nicht die Absicht hat, sich hier zur Wahl zu stellen?” fragte sie mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. Dabei lächelte sie noch immer, aber vielleicht ein wenig kühler als gerade eben noch.<br>
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Er schaute sie verwundert an. “Da habt ihr mich falsch verstanden, meine Liebe. Ich sagte ´Schade´ nicht ´eine Schande´. Ich habe lediglich mein Bedauern ausgedrückt.” Milian ignorierte die Zofe, war aber jetzt gewarnt. Nun wusste er, dass sie ganz das Kaliber seiner Base Durinja war. Nichts, was ihm beunruhigen würde.<br>
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“Wenn ich mich … verhört haben sollte, dann tut es mir leid und ich entschuldige mich”, gab Melisande in einem Tonfall zurück, der nicht wirklich entschuldigend klang. Aber bevor Milian antworten konnte, rief der Praiosgeweihte sie mit einem Glöckchen zur Aufmerksamkeit.<br>
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[[Hinter dem Feentor|Hier geht es zur Nebengeschichte "Hinter dem Feentor"]] und [[Lustwandeln|hier weiter mit dem "Lustwandeln"]]
 
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Version vom 29. Oktober 2022, 23:23 Uhr

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Die Wölkchen am Himmel waren verschwunden und zeigten einen klaren, blauen Himmel. Noch immer war es heiß, doch nicht zu vergleichen mit der vergangenen Mittagshitze. Von fernen sangen die Vögel und die Festwiese war nun hergerichtet. Drei zwei Schritt hohe Stäbe waren in den Boden gerammt worden, die in den Farben Goldgelb, Rot und Orange angestrichen und an deren Enden Wimpel angebracht waren. Klar sind darauf die heiligen Symbole für die Götter Praios, Rahja und Travia zu erkennen. Vor jedem Stab wurden ein Tisch aufgestellt, auf denen die drei Geweihten Dinge gestellt hatten. Vor kurzem kam auch ein vierter, weiß angestrichener, Stab dazu. Diesmal war es der Praiosgeweihte Ademar von Leihenhof der seine Stimme erhob:

“Liebe Gäste, ich bitte um Aufmerksamkeit und versammelt euch.”

Nach kurzen Warten, bis die Leute sich eingefunden hatte, sprach er weiter:

“Dem Wunsch der Familie von Altenberg zu Folge, stellen wir diese Brautschau unter den Segen der Götter. Wichtig ist es, einen Partner für den Bund der Ehe gut einzuschätzen und kennen zu lernen. Auch die Götter geben uns Hinweise in unseren Leben, doch nicht jeder Hinweis oder Zeichen ist für jeden klar und verständlich. Ich selbst war ein Auserwählter des Götterfürsten Praios, der durch mich die Verkündung durch hundert Zungen sprach. Erst seit diesem Tag an habe ich verstanden, dass die Götter auch ohne Worte und durch kleine Hinweise zu uns sprechen. Wir Diener der Götter sind heute hier, um euch dabei zu helfen, diese kleinen Zeichen zu verstehen, auf das ihr die Möglichkeit habt, den oder die Richtige heute zu finden. Ich bitte nun jeden die Gottheit auszuwählen, von der er denkt sie würde ihm am ehesten helfen in diesen Belangen oder folgt der Person für die ihr euch interessiert. Wir werden euch dann eine Aufgabe stellen, auf das ein jeder schaut wie diese gemeistert wird und möge euch dadurch mehr Antwort als Frage bleiben. Falls dann noch jemand Rat braucht, sind wir natürlich alle für euch da. Im Namen des Herrn Praios, der Mutter Travia und der Göttin Rahja heiße ich die Spiele als eröffnet!” Ein Räuspern Rahjels erinnerte ihn noch an etwas. “Oh … und der Herrin Rondra.” Er faltete die Hände zusammen und ging zu seinem Tisch.


Die Baronin von Rickenhausen hatte ihre Zofe damit beauftragt, ein Auge auf Milian von Altenberg zu haben. Also war Melisande zu den Tischen für die Götterspiele geschlendert, um sich nach dem edlen Herrn umzusehen, doch dieser war noch nicht aufgetaucht. So beobachtete sie das Treiben also betont unbeteiligt aus ein paar Schritt Entfernung und wartete, wobei sie die Eindrücke, die hier geboten wurden, durchaus neugierig zur Kenntnis nahm.

Am Tisch des Götterfürsten

Der Luminifer Ademar von Leihenhof stellte sich hinter einem Tisch, das mit einer Tischdecke, rot mit goldener Borte, bestückt war. Ein Stapel Bücher war darauf abgelegt ,dass er nun Buch für Buch vor sich ausbreitete. Mit abwesendem Blick sprach er mit sich selbst, während die Gäste sich vor dem Tisch versammelten.


Lares von Mersingen musste keinen Augenblick überlegen, welchem Tisch er den Vorzug geben würde. Nicht nur hatte Ademar ihm gut zugesprochen, schließlich war des Herren Licht der Erkenntnis das, was er am Meisten brauchen würde. Und seiner Pagin würde die ein oder andere Ermahnung in Sachen Ehrlichkeit nicht schaden. Mit ein wenig nagender Sorge dachte er an das Gespräch, das sie und er nach der Feierlichkeit würden führen müssen. Der Ritter trat an den Tisch heran und besah sich die dicken Wälzer - in denen er schon immer zuhause war. Auch Lissa sollte einen Blick auf die Werke werfen können. “Kannst du sehen?” fragte er sie leise.

Die Kleine nickte, stand aber auf ihren Zehenspitzen, um einen einigermassen ausreichenden Blick zu erhaschen. “Es geht schon.” Was waren das für Werke. Sie hatte den Unterricht bei ihrer Tante nie gemocht. All die Bücher und all die Worte. Ein Seufzen kam über ihre Lippen, dann flüsterte sie halblaut zu ihrem Schwertvater: “Muss mal all diese Bücher lesen, wenn man heiraten will?”

Lares konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. “Wollen wir Vater Ademar fragen? Ich bin mir sicher, er wird uns das sagen können. Habe ich dir eigentlich erzählt, dass wir uns kennen? Ich habe bei Vater Ademar Recht studiert. Er war ein wohlmeinender Lehrmeister.” Erneut hatte der Mersinger nicht gelogen, doch ob die Zuschreibung die ganze Wahrheit war? “Euer Gnaden, darf ich Euch meine Pagin Basilissa von Keyserring vorstellen? Sie wollte erfahren, wozu die ganzen Bücher dienen.”

Der Geweihte holte sich aus seinen Gedanken zurück. “Oh, sehr erfreut, parva Scintilla! Diese Bücher hier beinhalten die Weisheit des himmlischen Richters, dass sind alles Gesetzesbücher. Aber habt Geduld. Ich werde gleich alles erklären.” Er lächelte, wirkte aber ein wenig … entrückt.

“Jaja. Geduld war auch eine Tugend, die Vater Ademar versuchte, mir zu lehren. Ich fürchte, da trugen seine Unterweisungen nicht reifliche Früchte.”

Ein leicht verzogenes Schnütchen zeigte sich auf den Zügen des Kindes. “Gesetzesbücher?” Sie verstand nun wirklich nicht, was ausgerechnet die mit der Ehe zu tun hatten. Womöglich weil beides genauso langweilig wie das jeweils andere war? Hm. Vermutlich nicht. Offensichtlich wenig beeindruckt von dem Aufruf nach Geduld fragte sie Lares leise: “Ist es, weil beide so schwierig zu verstehen sind? Die Ehe und die Gesetzesbücher?”

Da musste der junge Mersinger aus tiefster Seele lachen. Es war ein kehliges, herzliches Lachen, das nicht etwa die Kleine auslachte, sondern ansteckte. Als er sich wieder einigermaßen gefangen hatte, prustete er heraus: “Also ich für meinen Teil finde Gesetzbücher wunderbar verständlich. Was das andere betrifft… wenn mir der Herr PRAios die gleichen Einsichten in die Herzen der Frauen schenken würde, dann schwöre ich feierlich, ziehen wir beide auf eine Pilgerreise nach Drol oder wohin immer der Höchste es wünscht!”

“Ist Drol weit weg?” fragte das Kind neugierig. “Hmm”, nickte er im Gegenzug. Machte dann aber eine kleine Pause: “Warum wollt ihr denn eine Einsicht in ihre Herzen? Gebt ihr ihnen denn eine in eures?” Es folgte wieder eine Pause: “Sollte man das tun? Ich meine…immer? Und der Herr Praios… verlangt er, dass wir immer alles offenbaren, was wir hier.” Und sie tippte auf ihr Herz, wie es Andesine im Küchenzelt gemacht hatte. “Spüren?”

“Habe ich dir eigentlich schon mal gesagt, dass du ein Talent dafür hast, die richtigen Fragen zu stellen?” Das meinte Lares genauso, wie er es sagte. Seine Pagin würde sicherlich eine tolle Ermittlerin oder Inquisitorin werden. Vielleicht sollte er irgendwann ihren Vater darum bitten, sie in der Knappschaft doch nicht in seine, sondern in Obhut des Ordens vom Bannstrahl zu geben. Aber bis dahin müsste er noch ihre Begeisterung für Gesetzestexte wecken. “Nein, nicht immer. Er verlangt von uns, aufrichtig und aufrecht zu sein, doch nicht, uns vor allen nackt zu machen und jeden Gedanken zu entblößen. Zu Ordnung und Anstand gehört nämlich auch ein wenig Privatheit. Und doch, manchmal wünschte ich mir, ich wüsste, was andere Menschen fühlen. Dadurch würde mancher Streit vermieden, manche Schlacht nicht geschlagen und manche Freundschaft begründet. Und bei den Frauen natürlich, da muss ich gestehen, da habe ich es einfach etwas schwerer, sie zu verstehen. Ich will ja niemanden verletzen, der es nicht verdient hat, verstehst du. Das wäre ja ungerecht! Verstehst du mein Problem?”

Das Kind dachte kurz nach: “Also…. wenn ich mich kurz über Luzi ärgere… und ich es nicht sage, verraucht meine Wut auf sie wieder, ohne dass es ihr wehtut… Aber … wenn ich mich wirklich sehr über Luzi ärgere… und sie es nicht merkt und meine Wut bleibt… dann soll ich es ihr lieber sagen, damit wir uns vertragen können?” irritiert sah sie Lares an: “Wie kann ich das denn unterscheiden? Wenn ich wütend auf jemanden bin, weiss ich doch zuerst noch nicht wie lange?”

“Ich finde, du hast das schon sehr gut auf den Punkt gebracht. Es ist manchmal schwer, den Unterschied zu erkennen. Wenn du dir denkst, jetzt bin ich wütend, dann ist es gut, erst einmal abzuwarten. Wenn der Zorn nicht vergeht, dann solltest du mit Luzia sprechen. Ich hoffe nur, dass du nicht nur böse auf deine Schwester bist - die hat das nämlich nicht verdient. Sie ist ein guter Mensch, glaube ich”, sagte der Mersinger und war zufrieden, wie schnell seine Pagin seinen Gedanken folgte.

“Ich bin ja gerade gar nicht wütend auf sie. Aber ich war schon mal wütend auf sie.” sagte die Kleine. Und schaute zu Boden. “Es war nur ein Beispiel.”

“Das habe ich verstanden. Du hast ein sehr treffendes Beispiel gemacht. Du hast einen wachen Geist. Schauen wir mal, was Vater Ademar für uns vorbereitet hat. Vielleicht bringt dich das auch auf so kluge Ideen!” Das Lob kam von Herzen. Lares hatte den Eindruck, seine Pagin zu häufig zu ermahnen. Dabei war sie schon auf einem guten Weg.


Linnart vom Traurigen Stein blickte kurz etwas wehmütig hinüber zum Traviatisch. Für einen Moment hätte er sich gewünscht, dass Andesine sich auch hier auf dem Tisch des Götterfürsten einfinden würde, doch standen in diesem Moment die Götter und deren Diener an oberster Stelle. Der Bannstrahler grüßte alle Anwesenden lächelnd, wobei sein Blick besonders lang auf Durinja von Altenberg zu liegen schien. Auch der junge Herr von Mersingen war anwesend, was ihn freute und vielleicht die Möglichkeit zu einem Gespräch eröffnete.

Unsicher wo sie sich eigentlich hinbegeben sollte, hatte Andesine von Wasserthal Travia gewählt. Natürlich wäre auch Rondra eine Möglichkeit gewesen, aber unter den Augen ihres Bruders? Auf gar keinen Fall! Aber dann suchte sie in der Menge eine ganz bestimmte Person. Sie vermisste ihn, dabei war es ihr Vorschlag gewesen bis zum Spaziergang getrennte Wege zu gehen. Aber da war er, Linnart und sie konnte gerade sehen wie er sich wehmütig wieder abwandte. Kurzentschlossen verließ sie den Travia-Tisch und kam herüber. Andesine stellte sich neben Linnart und betrachtete die Bücher. “Was es wohl damit auf sich hat? Was meint Ihr, mein Hoher Herr vom Traurigen Stein?”

Den Bannstrahler traf die Anrede der Wasserthalerin unvorbereitet, dennoch fing er sich schnell. "Hmm ...", brummte er säuselnd, "... das ist eine gute Frage, hohe Dame. Wollt Ihr Euch nicht zu uns gesellen, damit wir es gemeinsam herausfinden?"

“Es wäre mir eine Freude.” Mit einem breiten Lächeln rückte sie näher an Linnart heran. Dabei entdeckte sie Lares und Lissa. “So sieht man sich wieder. Das neue Kleid steht dir sehr gut, Basilissa.”

“Danke.” Verschämt sah sie zu Boden. Dann knickste sie in Richtung des Bannstrahlers: “Praios zum Gruße, hoher Herr, mein Name ist Basilissa von Keyserring. Und dies ist mein Schwertvater, der hohe Herr Lares von Mersingen.” plapperte sie Linnart entgegen, um zu verhindern, dass Andesine ihr unangenehme Fragen stellen würde. Sie schielte zu Lares, ob sie die Vorstellung dieses Mal richtig gemacht hatte. Der drückte kurz ihre Hand und nickte freundlich. Das hatte wohl Früchte getragen.

Der Ritter nickte der Pagin freundlich zu. ´Was für ein wohlerzogenes Mädchen ...´, dachte er bei sich. "Praios zum Gruße, junge Dame ...", erwiderte Linnart ihren Gruß, "... der Herr von Mersingen und ich sind uns schon bekannt. Auch wenn wir es zuvor verabsäumt hatten uns namentlich vorzustellen." Kurz schien es als würde ein Schmunzeln über die Lippen des Bannstrahlers huschen. Dann streckte er ihm die Hand zum Gruß hin. "Linnart vom Traurigen Stein. Es ist mir eine Freude, hoher Herr."

Einen kurzen Moment musterte Lares die dargebotene Hand und blickte dem Bannstrahler in die Augen. Dann warf er einen Blick auf Andesine, die sich in Gegenwart des Rüpels nicht unwohl zu fühlen schien. “Die Freude ist ganz meinerseits. PRAios zum Gruße, Herr vom Traurigen Stein. Ich hoffte, wir hätten uns auf anderem Wege kennen gelernt. Aber wie ich sehe sind alle ‘Missverständnisse’ ausgeräumt. Etwas anderes hätte ich einem treuen Ritter vom Bannstrahl auch nicht zugetraut. Dass Ihr an den Tisch kommen würdet, damit hatte ich fest gerechnet, aber ich freue mich, auch dich hier wiederzusehen Andesine. Das mit dem Kleid haben wir schon ganz gut hingekriegt, wir zwei, aber dir habe ich es zu verdanken, dass Basilissa guten Gewissens unter die Augen unseres strahlenden Herrn treten kann und das kann ich wohl kaum wiedergutmachen.” Mit gut verborgener Spannung erwartete der junge Mersinger die Reaktion Linnarts auf seinen vertraulichen Ton. Vielleicht konnte er ihn etwas eifersüchtig machen? Geschähe ihm Recht.

Doch schien dem nicht zu sein. Der Ritter vom Orden des Bannstrahls nickte dem Mersinger lächelnd zu, dann war seine Aufmerksamkeit vom Gespräch zwischen Andesine und Lissa eingenommen.

Lissa verstand nicht recht, was ihr Schwertvater meinte. Daher runzelte sie die glatte Kinderstirn und sah mit zusammengekniffenen Augen zwischen Linnart und Andesine hin und her.

Bei den Worten begann die Ritterin zu strahlen. “Das habe ich gerne gemacht, Lares. Wenn es Basilissa gut geht, ist mir das Lohn genug.” Sie trat näher an Lissa heran und kniete sich vor ihr hin. “Siehst du da drüben den Rondra-Geweihten stehen? Das ist mein Bruder von dem ich dir erzählt habe. Wenn du willst, kann ich dich ihm später vorstellen.” Sie sah zu Lares auf. “Wenn dein Schwertvater dem zustimmt, natürlich.” Es freute sie, dass Basilissa ihrem Rat gefolgt war und Lares davon erzählt hatte.

Sie zuckte mit den Achseln. Sie wusste nicht recht, was sie mit dem Rondrageweihten besprechen sollte. Er würde ihr sicher nur raten, sich zusammen zu reissen. Das … wollte sie ja. Doch es war schwierig. Die dunklen Kinderaugen sahen zu Lares hinauf- interessiert, was er von der Idee hielt.

Scheinbar hatte Lissa nicht ganz verstanden, was sie gemeint hatte. Unauffällig tippte sie sich mit zwei Fingern auf die Brust, etwa in Höhe des Herzens.

Die Kleine nickte. Sie hatte zwar verstanden, war aber immer noch unsicher, ob ein Rondrageweihter ihr helfen konnte. Aber immerhin war Andesine eine echte Ritterin. Und daher musste sie wohl die Welt besser kennen als sie selbst: “Hoher Herr, ähm, die hohe Dame dachte, es könne helfen, wenn ich mich… mit ihrem Herrn Bruder unterhielte.” fragend sah sie Lares an.

“Und ich bin der letzte, der dich daran hindern wird”, sagte der Mersinger nonchalant. “Natürlich. Andesines Rat ist wertvoll. Da kann der Rat ihres Bruders im Namen der Sturmleuin sicherlich nicht zurückstehen. Ich muss gestehen, dass auch ich gerne Bekanntschaft mit deinem Bruder machen würde, Andesine.”

"Ich stelle ihn euch gerne vor." Sie sah hinüber zu ihrem Bruder, der gerade in ein Gespräch mit Thankred von Trollpforz und Sabea von Altenberg vertieft war. Es war der Geweihte, mit dem Lares schon früher am Tag zu tun hatte.

Linnart verfolgte die Konversation Andesines mit der jungen Pagin schmal lächelnd. Er mochte ihren liebevollen Umgang mit der jungen Dame. Die Wasserthalerin war ein guter und frommer Mensch. Dann wandte er sich wieder dem Mersinger zu. Eifersucht, dass Lares und die Ritterin sich allem Anschein nach schon besser kennen gelernt hatten, empfand er nicht. Es war nie seine Art gewesen eifersüchtig zu sein. Sein Vater meinte immer, dass Eifersucht bloß eine Manifestation von Angst sei, dass ein anderer Partner besser für seine Geliebte geeignet wäre als er selbst - ein Gedanke, der sowieso nicht in sein selbstbewusstes Wesen passte. “Eure Pagin macht Euch alle Ehre, hoher Herr. Ich habe selten eine so wohlerzogene junge Dame treffen dürfen.”

Wohlerzogen? So hatte sie noch nie jemand genannt. Lissa zog ein breites Grinsen und sah zu Lares hoch.

Der wiederum lächelte stolz zurück und tätschelte anerkennend ihre Schulter. Heute benahm sie sich wirklich (weitestgehend) vorbildlich und mit jeder Stunde machte sie Fortschritte. Vergessen war das kleine Missgeschick mit dem Bierfass. Tatsächlich rührte das Kompliment des Ritters den jungen Mersinger ein wenig - was seine Meinung von dem Bannstrahler unerwartet hob. “Ich danke Euch, aber das Kompliment gebührt nicht mir, sondern ihr. Sie beträgt sich heute erfreulich, sodass ich stolz auf sie sein kann - und ihr Vater sicherlich auch. Aber ich danke Euch. Ein Kompliment sagt immer auch etwas über denjenigen aus, der komplementiert. Sagt, wie ist es beim Orden vom Bannstrahl? Nehmt ihr Pagen in Euren Reihen auf? Dass die Knappschaft auch im Lichte des Herrn abgeleistet werden kann, das ist mir bewusst, aber ich kann mich nicht entsinnen, bereits einen Pagen des Bannstrahls angetroffen zu haben. Habt Ihr auch schon einen jungen Herrn oder eine junge Dame ausgebildet?”

Der Angesprochene schüttelte seinen Kopf. "Grundsätzlich steht es einem jeden Mitglied des Ordens vom Bannstrahl ab dem Rang eines Ritters zu, neue Mitglieder anzuwerben und auszubilden, doch wird das Prozedere von Niederlassung zu Niederlassung unterschiedlich gehandelt. Im Kloster St. Aldec ist der Knappenmeister, Bruder Praioswulfus von Altzack, für die Ausbildung der jungen Zöglinge verantwortlich. Dennoch wurde ich schon das eine oder andere Mal von einem unserer jungen Mitglieder begleitet. So auch vor wenigen Monden, als es mich und meine Lanze für längere Zeit in Nordgratenfels hielt." Linnart dachte kurz an die junge Hexe Vea, die den Zorn eines ganzen Dorfes auf sich lud, der sich dann soweit steigerte, dass ein örtlicher Tempel des Gleißenden nach den Ordensrittern geschickt hatte. "Aber um auf Eure Frage zurückzukommen. Ja, die Ausbildung in unserem Orden kann man schon im Paginnenalter beginnen. Meist indem man niedere Dienste innerhalb der Ordenseinrichtung übernimmt und, neben den theologischen Studien, im Lesen und Schreiben, Bosparano, sowie der Rechts- und Magiekunde unterwiesen wird. Dennoch würde ich meinen, dass der Begriff ´Page´ in unserem Fall nicht ganz passend ist." Der Ritter blickte kurz auf Basilissa. "Den Knappenrang hat man im übrigen so lange inne, bis man eine große Tat im Sinne der Ordensregeln verbringt. Bei mir war es damals ein sechs Monde langer Dienst in Beilunk, wo mir die Ehre zu Teil wurde unter der Fürst-Illuminierten Gwidûhenna von Faldahon dienen zu dürfen, die ja selbst einmal Angehörige unseres Ordens war." Linnart lächelte. Es war offensichtlich, dass er sich gerne an jene Zeit zurückerinnerte. "Ihr seid ein frommer Mann wie ich meine. Vielleicht stellt sich für Euch ja ebenfalls einmal die Frage eines Eurer Kinder unserer Gemeinschaft zu überantworten?" Lares wog den Kopf hin und her. “Ihr wisst, dass in unserer alten Familie wichtige Entscheidungen, besonders hinsichtlich des Schicksals unserer Kinder, selten allein getroffen werden. Ich kann mir das allerdings sehr wohl vorstellen - was sollte auch ehrenvoller sein, als dem Herrn des Lichts im Kampf an vorderster Front zu dienen?” Das Lächeln des Bannstrahlers wurde charmanter. "Wie gefällt Euch die Feier hier? Habt Ihr schon eine Favoritin gefunden?", wechselte er dann das Thema. "Ich hoffe ja doch, dass ich Euch nicht als Rivalen betrachten muss?"

“Das kommt ganz darauf an, welche Dame Eure Favoritin ist. Wenn mich meine Beobachtungsgabe nicht täuscht, dann …” Er machte eine wohlgesetzte, leicht süffisante Pause und blickte demonstrativ von Andesine zu Durinja “...kann das schon sein. Wir wollen den Tag ja schließlich nicht vor dem Abend loben. Gönnen wir der PRAiosscheibe doch noch, etwas über das Firmament zu wandern. Bekanntlich hat der Herr PHex auch noch ein Wörtchen mitzureden, wo das Licht des Herrn hinscheint.” Lares von Mersingen zuckte demonstrativ mit den Schultern und ließ sich nach Kräften nicht in die Karten schauen. Es wäre ja unlauter, sich vor den Damen bereits so festgelegt zu zeigen. Schließlich sollte man sich ja...umgucken. Doch insgeheim hatte er ein kleines Bisschen gelogen.

Der Bannstrahler nickte Lares knapp zu. "Wohl gesprochen, hoher Herr." Innerlich hoffte er, dass Andesine den Blick des Mersingers hin zu Durinja nicht vernommen hatte, als dieser über Linnarts angebliche Favoritinnen sprach. Nein, er hatte nur eine Favoritin ... eine … seine Wahl ... und die war blauäugig und hatte schwarzes Haar. Durinja daneben war eine Versuchung, von der er überzeugt war, ihr standhalten zu können. Das Wesen der Zofe mochte viele der jungen Männer abstoßen ... ihn jedoch zog es an. Starke, ehrgeizige, herausfordernde Frauen waren stets seine Schwäche gewesen. "Dann mögen der Gleißende und seine Geschwister Rahja und Phex heute mit uns sein, hoher Herr. Ich wünsche Euch viel Glück."

Andesine war erleichtert, dass der kleine Streit, den es ihretwegen gegeben hatte hier keine Fortsetzung fand, sondern sich die beiden Männer scheinbar sogar ganz gut verstanden. Aufmerksam verfolgte sie das Gespräch der beiden, wobei sie augenscheinlich die Bücher auf dem Tisch näher betrachtete. Nachdem Lares allerdings verkündete, dass er eventuell als Konkurrent zu Linnart auftreten würde, sah Andesine allerdings auf. Überrascht blickte sie Lares direkt an, der den Blick offen erwiderte und schwieg. Ehrlichkeit hieß nicht, sich immer und überall in die Karten schauen zu lassen. Das hatte er gerade erst seiner Pagin erklärt. Naja und Andesine war eine liebevolle Person, ging vorbildlich mit Lissa um, war streitbar und wirklich schön. Wenn Lares nicht wüsste, dass sie eigentlich schon ‘verloren’ war, dann hätte er in Erwägung gezogen, sie zu freien. Aber da war ja immer noch eine gewisse große Schwester, die in seinem Hinterkopf herumgeisterte.

Interessiert hatte auch Linnart die Blicke zwischen Andesine und dem Mersinger verfolgt, doch tat er das ohne Missgunst oder Eifersucht. Es war ihm immer klar gewesen, dass er, die Wasserthalerin betreffend, Konkurrenz bekommen würde. Sie war wunderbar. Bildhübsch, ruhig, bedacht und verantwortungsbewusst. Ja, sie stammte aus einem politisch noch unbedeutenden Haus und würde auch keine Reichtümer oder Ländereien erben, aber das taten viele der Anwesenden anderen Werberinnen und Werber hier auch nicht. Der Bannstrahler würde sogar so weit gehen und an der Zurechnungsfähigkeit eines jeden einzelnen Mannes zweifeln, der die Ritterin nicht wenigstens in Betracht zog. Dem Mersinger, als gebildeten, frommen Mann, war das Wesen seiner Angebeteten allem Anschein nach nicht entgangen, was Linnart noch zusätzlich bestärkte. Dennoch fürchtete er seine Konkurrenz nicht. Er wusste was er wert war - was er geben konnte und zu geben bereit war. Das mochte zwar noch kein klingender Name oder politische Macht sein und sollte darüber hinaus gehen seine Frau in teure Kleider zu stecken, oder mit edlem Geschmeide zu behängen, doch war er selbst ein ehrgeiziger und zielstrebiger Mann. Er war nicht nur der Erbe eines wohlhabenden Guts, sondern auch dabei sich in der mächtigen Institution der Gemeinschaft des Lichts einen Namen zu machen und darauf bestrebt seine Sippschaft, die derzeit stets etwas belächelt wurde, zu neuem Glanz zu verhelfen. Und auch zwischenmenschlich war der Bannstrahler eine gute Partie gewesen, dem war er sich sicher. Nein, er fürchtete die Konkurrenz der anderen nicht und lächelte seinen Gesprächspartnern selbstsicher zu.

Linnart fasste verdeckt nach Andesines Hand und drückte sie kurz. Wie gern er sie jetzt berühren, sie in die Arme schließen und küssen würde. Der Ritter war ein leidenschaftlicher Mann, mit körperlicher Distanz konnte er nur sehr schwer umgehen. Sein Blick streifte den der Altenbergerin. Sie wusste, was ihn mit der Ritterin verband und dennoch hatte sie ihm ein Angebot unterbreitet. Sah sie vielleicht gar seine Gefühle für Andesine als Ansporn - würde sie um ihn ... spielen? Und wenn ja, mit welchen Mitteln? Oder war Durinja der Meinung, dass ein Mann sich um sie zu bemühen habe und nicht umgekehrt. Der Linnartsteiner schob diese Gedanken beiseite, bevor sein intensiver Blick hin zur Zofe jemandem auffiel.

Hatte er gerade zu dieser Frau hinüber geschielt? Andesine musterte diese - wie war noch ihr Name? - ach ja, Durinja von Altenberg, die Hofdame. Schnepfen wie sie kannte sie zu Genüge. An beinahe jedem Adelshof, den sie in ihrer Zeit als fahrende Ritterin besucht hatte, gab es mindestens eine solche, welche die Nase über sie gerümpft hatte. Nur weil sie damals eine stabile Rüstung einem feinen Kleid vorgezogen hatte und sie sich eher auf den Schwertkampf als auf Stickereien verstanden hatte. ‘Inzwischen kann ich auch sticken! Vielen Dank!’ In ihren Augen begannen Flammen aufzulodern.

Auch dies entging dem Mersinger nicht, der seine Umgebung mit Argusaugen beobachtete. Na das konnte heiter werden. Wenn nur einfach alle den Geboten des Herrn folgen und wahr sprechen würden, dann würde nicht gar so viel Neid und Missgunst herrschen.

Die Blicke der Anderen waren Durinja natürlich nicht entgangen. Auch wenn Praios der letzte Gott wäre, bei der sie sich Rat holen würde, konnte sie nicht anders als den interessanten Leuten zu folgen. “Wie schön, das wir alle dem Götterfürsten gewählt haben. Schön dass wir die Gelegenheit haben uns kennenzulernen, hohe Dame von Wasserthal.”Sie deutet eine Knicks an.

Andesine knickste ebenfalls. “So lernen wir uns also endlich kennen.” “Der Herr von Traurigen Stein hat ja schon seine Aufwartung gemacht. Und ihr seid der Junker von Mersingen?” stellte sie die Frage in die Richtung von Lares.

“Sehr wohl, die Zwölfe zum Gruße. Und Ihr seid? Entschuldigt, die Vorstellung der Brautwerber musste ich leider zum Teil versäumen.” Lares blieb kurz an den divergierenden Augenfarben hängen. Der Blick irritierte ihn unverständlicherweise.

“Durinja Elva von Altenberg, angenehm.” Sie hielt ihm ihren rechten Handrücken entgegen.

Der Mersinger versuchte, sich von diesen Augen loszueisen. War sie eine Hexe? Oder mit dem Namenlosen im Bunde? Diese Augen… Und in ihrem Anblick nicht zu verachten, aber alles an dieser Frau ließ die Alarmglocken des Ritters schrillen. Er hörte immer auf sein Misstrauen. Er ergriff ihre Hand und hauchte einen standesgemäßen Kuss auf die Rückseite, dann sah er auf und ließ die Hand los. Dann blickte er zu Linnart hinüber und wandte sich dann Andesine zu, der er mit einer feinen Geste der Augenbraue bedeutete, was sie von dieser schönen Frau hielte.

Gerade als Durinja ansetzte weiter zu sprechen, spürte Lares Lissas Hand an seiner Hose und ein unauffälliges, aber energisches Zupfen an ebendieser.

Ein ganz leises “oha” entfuhr Lares und er schielte nach unten. Konnte er den Blick der kleinen Dame deuten? Lissa schaute zu Durinja hoch und zuckte kurz mit ihrem Kinn. Oh ja diese Dame hatte geguckt, als die Vorstellung ihres Schwertvaters stattgefunden hatte. Die Augen waren ihr fast herausgefallen. Das wirkte ja nicht sonderlich begeistert. Der Mersinger legte, jedenfalls unbewusst, einigen Wert auf den Eindruck seiner Pagin. Schließlich war sie ihm teuer und er wollte nicht, dass sie unglücklich war. Aber die Botschaft war eindeutig: Lissa war der Ansicht, Durinja sei interessiert. Er würde diese Frau also mit Vorsicht und Interesse beäugen müssen.

“Gratulation zu euren Ritterschlag. Seiner Exzellenz Gorfang vom Großen Fluß und von Brüllenfels hat bei seinem letzten Besuch ausführlich über euch erzählt.” Wissend lächelte sie Lares an. Lares runzelte kurz die Stirn. Wann genau war sein Schwertvater das letzte Mal fern von der Eilenwid über den Wassern gewesen? Solange er bei ihm diente, oblag es vorwiegend ihm, auswärtige Termine wahrzunehmen. Hatte sie ihm etwa schamlos ins Gesicht gelogen? Drehte sich dann wieder Andesine zu. “Ich muss gestehen, ihr seit ein unbeschriebenes Blatt für mich, zumindest habe ich nur von euren Bruder in Elenvina vernommen. Umso mehr bin ich jetzt erfreut, dass hier nachzuholen.”

“Sehr gerne, vielleicht kann ich so auch etwas mehr über Euch erfahren. Aber sagt, was habt Ihr über meinen Bruder gehört? Es interessiert mich, was man sich über ihn erzählt.” Erwiderte Andesine scheinbar ungerührt ob dieses kleinen Seitenhiebs.

Der Bannstrahler hatte die Szenerie währenddessen mit stoischer Gelassenheit verfolgt und war im ersten Moment froh darüber, dass Durinja ihre Aufmerksamkeit dem Mersinger und Andesine schenkte. Kurz dachte er dennoch an den kleinen Mondstein in seiner Tasche, griff unterbewusst danach und beschränkte sich dann darauf der Konversation der beiden Damen charmant lächelnd zu folgen.

“Die Verlobung eures Hauses mit dem Haus Rabenstein, war das letzte was ich gehört habe. Gratulation dazu.” Sie positionierte sich neben dem Bannstrahler. “Ich bin sehr gespannt, ob der Herr Praios uns ein Zeichen sendet.” sagte sie zu allen …. Oder doch mehr zu Linnart?

Der Ritter bedachte Durinja seinerseits mit einem vielsagenden Blick und einem Lächeln. "Es freut mich übrigens Euch hier am Tisch des Götterfürsten anzutreffen, meine Dame", nahm er die sich ihm bietende Gelegenheit wahr, sie am Tisch zu begrüßen. Er war gelinde gesagt überrascht gewesen, dass die Altenbergerin den Tisch des Gleißenden wählte. "Ich hoffe es doch, dass der Herr uns erleuchten möge."

“Es sei”, bekräftigte Lares unmittelbar.

“Es sei”, war auch ihre Antwort.

Ein weiterer Besucher am Tisch des Götterfürsten gesellte sich zu ihnen. Der Edelmann Milian von Altenberg, Vetter von Praiona, Durinja und Talfano gesellte sich zu ihnen und machte Andesine seine Aufwartung, den Herren nickte er kurz zu. Lares erwiderte den Gruß knapp. Die Geschichte mit dem Rabensteiner interessierte ihn viel mehr. Er hatte mit dem alten Lucrann noch ein Hühnchen zu rupfen. “Rabenstein? Ich bin neugierig. Erzählt mir, wer die Ehe mit wem schließen soll”, bat er Andesine - oder Durinja?

Durinja lächelte nur und gab das Antworten an die Wasserthalerin ab.

Andesine gönnte sich einen Augenblick um den Neuankömmling zu mustern und mit einem Knicks zu begrüßen, bevor sie sich daran machte, die Frage von Lares zu beantworten. “Mein Bruder, der Geweihte der Alveransleuin dort drüben”, sie deutete auf Rondradin, der gerade mit dem Rücken zu ihr stand. “Er ist bei der Jagd von Nilsitz eine Verlobung mit der Erstgeborenen des Barons, Ravena von Rabenstein, eingegangen.” Allerdings wirkte ihr Bruder immer ein wenig angeschlagen, wenn das Thema auf den Tisch kam und Palinor wird rot und schaut nur betroffen zu Boden. Das würde sie aber dieser Durinja nicht auf die Nase binden. Sie wandte sich nochmals Durinja zu. “Ist das alles was man sich über ihn erzählt?”

“Natürlich gibt es mehr. Ich kann mich noch an das Hochzeitsturnier von Herzog Hagrobald erinnern. Die anderen Geschichten würde ich eher zum Hofklatsch zählen, wo sich viele Unwahrheiten und Gerüchte auftun. Aber ihr kennt sicherlich die wahren Taten eures Bruders.”

“Der Erstgeborenen des Barons? Das heißt dein Bruder wird der Baron von Rabenstein? Na dafür muss man ihn beglückwünschen.” Andererseits: Lucrann als Schwiegervater war sicherlich die Höchststrafe. Hofklatsch schien Durinjas Spezialität zu sein. Das war Lares nicht entgangen.

“Aber meine Liebe, dann habt Ihr mich doch schon gesehen. Auch ich nahm an besagtem Turnier teil. Natürlich weiß ich um die Taten meines Bruders, aber darum ging es ja nicht.” Andesine strahlte Durinja geradezu an, bevor sie sich Lares zuwandte und fast unmerklich den Kopf schüttelte. ‘Besser nicht’, schien es zu bedeuten. “Er wird nur der Baronsgemahl. Schließlich heiratet er nur die zukünftige Baronin und ist zudem noch immer ein Geweihter Rondras.” “Ja, selbstverständlich.” Ein sehr schlechter Handel. Wirklich sehr schlechter Handel. Sie musterte Lares. “Aber es scheint, als ob du den Baron kennen würdest.” “Allerdings.” Mehr brauchte er nicht zu sagen. Schweigen sagte manchmal mehr als tausend Worte.

“Oh, ihr seid mir gar nicht aufgefallen. Nun, wichtig ist, dass wir uns heute bekannt wurden.” Sie drehte sich zu Linnart und schenkte ihn einen wissenden Blick. ´Wie gesagt, unauffällig´ schien dieser zu bedeuten.

Ja, so wie Linnart Durinja einschätzte, lag ihre Aufmerksamkeit beim Turnier wohl eher auf den stattlichen Kämpen und nicht auf den Damen in Rüstung. “Es kann schon mal vorkommen, dass man sich auf einer Turnei übersieht …”, warf er knapp, aber charmant ein.

Die Ritterin legte lachend ihre Hand auf Linnarts Unterarm. “Da habt Ihr recht. Damals hatte ich auch anderes im Kopf, als mir die Hofdamen auf der Tribüne anzusehen. Ach ja, das erste Turnier ist schon etwas besonderes. Man ist da so ...voller Tatendrang und Leidenschaft dabei und aufregend ist es zudem auch.”

Der Traurigsteiner nickte ihr knapp zu, die Spitze gegen Durinja ignorierend. Leider hatte sich für ihn noch nie die Möglichkeit ergeben an einem ritterlichen Turnier teilzunehmen. Seine Aufgaben im Orden hatten es bisher einfach nicht zugelassen. Auch war er im Tjosten nie ausgebildet worden. Dennoch mochte er es, wenn Andesine über etwas sprach, an das sie sich gerne erinnerte. Ihre blauen Augen schienen dabei nur noch schöner zu strahlen.

“Manche suchen eine Turney nur auf, um die schönen Hofdamen auf der Tribüne zu betrachten”, beinahe wäre ihm unschicklich das Wort ‘begaffen’ herausgerutscht, “doch ich denke, dass du, Andesine, wohl eher beäugt wirst, als andere zu bestaunen. Eine ritterliche Dame wie du kann die Blicke nicht nur mit ihrem Äußeren, sondern auch mit Tapferkeit, Wildheit und Kühne auf sich ziehen.” Lares zuckte die Schultern. “Wie hast du abgeschnitten?” Er maß sie mit einem keinesfalls lasziven, sondern vielmehr taxierenden Blick, wie ihn sich Ritter zuwerfen, bevor sie einander in der Schlacht begegnen. “Ich bin mir sicher, dass eine Runde in den Sparren mit dir kein Zuckerschlecken ist - meint Ihr nicht auch, hoher Herr vom Traurigen Stein?”

“Ha! Als hätten sich zwei schon gefunden.” Durinja legte ihre Hände zusammen und lächelte wissend Andesine und Lares an.

“Oder wollt Ihr Euch mit dem Schwerte messen, hohe Dame Durinja? Ich weiß noch nicht, was für Talente in Euch stecken. Vielleicht trügt der Schein und in Euch steckt eine große Fechterin? Man sollte niemanden nur nach seinem Äußeren bewerten, lehrte mich mein Schwertvater.”

“Manche mögen das Schwert im Kampfe führen …”, warf Linnart ein, “... andere führen eine ebenso scharfe Zunge, hoher Herr. Beide Talente sollten nicht unterschätzt werden.” Er lächelte Andesine zu. “Ich kann mir schon vorstellen, dass die hohe Dame von Wasserthal ein Schwert zu führen weiß.” Der Bannstrahler zwinkerte ihr zu und sein Blick hatte viel von jenen Blicken, die er ihr unter dem Sonnenschutz zugeworfen hatte. “Die hohe Dame Durinja wird ihre Kämpfe wohl nicht mit dem Schwert in ihrer Faust und Kette am Leib ausfechten, sondern mit ihrer ebenso spitzen Zunge, die ich bereits kennenlernen durfte.” Er ließ ein charmantes Schmunzeln folgen. “Zu respektieren gelernt habe ich beide Arten der … Kriegsführung.”

“Wem sagt Ihr das!”, pflichtete ihm Lares bei, “wo ich mich doch des Dilettantismus in beiden Sphären befleißige - die Unterweisung in der Wissenschaft der jurisprudentia an der Wehrhalle unter dem vorzüglichen Lehrmeister Ademar beinhaltete auch die Kunst der Konversation.”

“Dann seid Ihr ein, durch Eure Bildung sehr reich beschenkter Mann, hoher Herr …”, entgegnete der Bannstrahler ihm freundlich lächelnd. Seine Ausbildung im Kloster war eine gar harte Schule, geprägt durch Zucht, Ordnung und dem Rohrstock. Dennoch hatte auch Linnart fundierte Kenntnis in der Rechts- und Magiekunde, sowie an den Waffen.

Im Grunde waren sich die beiden Männer - jedenfalls hinsichtlich ihres Hintergrundes - sehr ähnlich. Und doch unterschieden sich die Gemüter der beiden fundamental. Ob das der Grund der unmittelbaren Reibungen gewesen war?

Der Ritter vom Orden des Bannstrahls neigte noch einmal höflich seinen Kopf, schmunzelte den Mersinger wissend an und wandte sich dann wieder den beiden Damen zu, die, so befand er, von ihnen beiden lange genug mit der Abwesenheit ihrer Aufmerksamkeit ´gestraft´ wurden.

Mit hochgezogener Augenbraue hatte Andesine das Gespräch der beiden Männer verfolgt. Als diese endlich zu einem Ende gekommen waren, begann sie zu sprechen. “Um deine Frage zu beantworten, ich bin in der zweiten Runde von Wallbrord von Löwenhaupt-Berg vom Pferd gestoßen worden. Wie gesagt, es war mein erstes Turnier, nur wenige Monde nach meinem Ritterschlag. Aber was muss ich von euch beiden hören? Nur der Schwertkampf und das Zungenspiel habt ihr zu respektieren gelernt. Dann versteht ihr euch also nicht auf den Tjost, das Stoßen mit der Lanze? Dabei ist es doch eine so schöne Disziplin, gerade wenn man zuvor den Gegner noch mit spitzer Zunge soweit gebracht hat, dass er alle Vorsicht fahren lässt und sich Hals über Kopf in den Kampf stürzt.” Der Schalk in ihren Augen war kaum zu verbergen, auch wenn sie einen neutralen Tonfall bewahrte.

“Andesine. Es hört sich ja fast so an, als ob ihr von ´Rahja´Dingen sprechen würdet. Ich bin mir sicher, dass die Herren hier nicht auf dem Feld des Dilettantismus wandern. Ihr habt einen richtigen Schalk im Nacken. Das hätte ich euch gar nicht zugetraut.” Durinja lachte und schaute den Männern verschwörerisch in die Augen. Sie war sich sicher, dass zumindest Linnart gut im Stoßen der Lanze und mit seiner spitzen Zunge war.

Lares lief knallrot an und hielt seiner Pagin eilig die Ohren zu. So direkt und noch dazu vor einem Kinde? Oh er würde die Frauen nie verstehen!

Linnart legte derweil seinen Kopf schief und musterte die Wasserthalerin mit einem schmalen Lächeln. Kurz fuhr er sich mit seiner Rechten durch seinen dunkelblonden Haarschopf. Es schien fast so als hätte ihm die Anspielung gefallen. Das hatte er ihr nämlich nicht zugetraut, dennoch empfand er es als erfrischend zu sehen, auch wenn es sich eines Mannes von seiner Position und Profession nicht ziemte, derlei obszöne Gedanken zu hegen.

Mit verwunderten Ausdruck auf dem Gesicht sah sie Durinja an. “Was meint Ihr damit? Einen Gegner im Vorfeld soweit zu bringen, dass er wütend auf Euch ist, kann im Tjost hilfreich sein. Denn dann wird er versuchen Euch mit aller Macht vom Pferd zu holen und dabei seine Deckung vernachlässigen.”, was Lares mit einem eiligen Nicken quittierte.

Der Bannstrahler versuchte die Situation für sich und sein Gewissen zu retten, rief sich selbst zur Ernsthaftigkeit auf und nickte Andesine ernst zu. Ja, das machte schon Sinn. Was diese mit einem nur für ihn sichtbaren Augenzwinkern quittierte.

´Ach herrje. Wie schon gedacht, die prüde Gans sprudelt gänzlich vor Langeweile.´ Durinja nickte ebenfalls. ”Genau das habe ich gemeint.” Sie zwinkerte Linnart zu, auf dessen Lippen sich nun doch wieder der Anflug eines Schmunzelns stahl.

Was sollte denn das? Dachte ihr Schwertvater sie hörte nichts, wenn seine Hände über ihren Ohren lagen? Und überhaupt… was machte er so ein Aufhebens um ein Gespräch übers Tjosten? Als er endlich die Hände von ihren Ohren genommen hatte, fragte sie ihn ehrlich erstaunt: “Warum soll ich denn nichts über Tjoste hören?” Sie dachte scharf nach: “Oder… habt ihr … “ Sie hatte ihn noch nie bei einem Turnier gesehen. Womöglich.. Aufmunternd sah sie ihn an und sagte leise zu ihm: “Wenn ihr das mit dem Lanzenreiten nicht gut könnt, wird der Herr Praios sicherlich Verständnis haben. Es muss euch nicht peinlich sein. Ans Lichte des Herrn wird es ohnehin kommen.” Sie lächelte ihn stolz an. Immerhin war die fast bedingungslose Ehrlichkeit sein beständiges Credo.

Lares bekam große Augen. Wie sollte er denn aus dieser Zwickmühle je wieder rauskommen? “Doch, doch. Ich habe den Umgang mit der Lanze gelernt. Auf dem Turnierplatz. Da, wo eine Lanze hingehört. Nur da.”, erwiderte der Mersinger mit rauer Stimme. Herr PRAios sei Dank hatte die Kleine das mit den Rahjadingen verpasst - oder einfach nicht verstanden.

Derweil waren die Augenbrauen des Bannstrahlers immer weiter nach oben gewandert und er musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck zu wahren.

Die Situation in die sie den Ritter gebracht hatte, tat Andesine leid und so bemühte sie sich Lares etwas zu helfen. “Basilissa, hast du gewusst, dass es verschiedene Arten des Tjosts gibt? Häufig geht es darum seinen Gegner mit der Lanze vom Pferd zu stoßen und sich selbst gleichzeitig im Sattel zu halten. Die dicke Rüstung hält viel ab, aber weh tut es trotzdem, wenn man zu Boden fällt. Und dann gibt es noch eine andere, neumodische Art, wo man mit angesägten Lanzen gegeneinander antritt. Hier geht es nicht darum den Gegner aus dem Sattel zu heben, stattdessen versucht man seine Lanze am Schild des Gegners zerbrechen zu lassen. Wer nach einer festgelegten Anzahl von Runden, meist drei, die meisten Lanzen gebrochen hat, gewinnt.”

Linnart beobachtete Andesines Gespräch mit der kleinen Lissa. Ja, die Ritterin würde einmal eine großartige und liebevolle Mutter sein. Das war eine schöne und wertvolle Eigenschaft und es gefiel ihm. Er hoffte, dass sie auch in allen anderen Bereichen des Lebens harmonieren würden.

´Das arme Kind. Erst anzügliche Scherze machen und dann nicht ehrlich sein mit dem jungen Mädchen. Die Männer sollten vorsichtig mit der Ritterin sein. Auch diese war zum Lügen fähig.´ Ein leichtes Bedauern zeichnete sich in Durinjas Blick ab. ´Dem Kind war nicht geholfen, ihr die Wahrheiten von Erwachsen fernzuhalten. Je früher sie weiß, wie die Welt funktioniert, umso besser.´ Ihr Gedanke behielt sie aber für sich.


***

Wo sollte sie sich platzieren? Bisher hoffte sie noch, entweder einen interessanten Mann zu treffen, oder sich gut zu unterhalten. Eigentlich wollte sie zu Rahjas Tafel, da sah sie die Gruppe am Praiostisch. Das würde lustig werden, da war sie sich sicher. Außerdem… später konnte man ja immer noch mit den anderen plaudern. Sie zuckte mit den Schultern und gesellte sich still dazu, es war gerade ein reges Gespräch, welches nach zu viel Weiblichkeit auf einem Haufen klang. Sie grinste und überlegte für sich, welche der Damen wohl als erstes mit ihrer Stimme alle Maulwürfe verscheuchen würde.

Ein kleiner, aber weicher Stoß ließ Sina ein wenig die Balance verlieren. Noch bevor sie schauen konnte, woher dieser kam hörte sie eine weibliche Stimme, die ein “OH, verzeiht”, hervorbrachte. Eine korpulente Praiosgeweihte stand vor ihr und lächelte sie an. Sina war sofort klar das der Stoß von dem Bauch der Geweihten stammte. “Ihr habt aber ein schönes Kleid. Wer hat es für euch geschneidert?”, fragte diese und ließ ein glucksendes Lachen folgen.

“Oh, danke, Euer Gnaden, das ist von Rondrigo Cerutti. Meine Schwester hat es mir geschenkt.” Sie machte der freundlichen Geweihten mit einer Drehung etwas mehr Platz. Da fiel ihr ein Mann auf … dieser Aureus … der fast sehnsuchtsvoll zu ihrer Nachbarin sah. Entgegen der Etikette hob sie die Hand, bis er sie bemerkte. Einladend nickte sie ihm zu und gab ihm Zeichen, sich zu ihnen zu gesellen.

Der Altenweiner lächelte und trat näher:”Praios zum Gruße”,wandte er sich an die Unbekannte, “Ich bin Junker Aureus Praioslaus von Altenwein.” An beide Damen gewandt fragte er:”Ist es nicht herrlich, dass wir an diesem fröhlichen Festtage den Glanz des Herrn auf uns spüren dürfen?”

“Wohlgeboren, Sina Artigas ist mein Name. Vor kurzem kam ich mit meiner Familie - meiner Schwester - von unserem Junkergut im Ragathischen gezwungenermaßen nach Elenvina. Ich bin Hofdame beim Herzog, sie ist zu Zuchtmeisterin seines Gestüts.” Sie wollte Mutmassunge bezüglch ihres Aussehens und ihrer Stellung gleich klarstellen. Anscheinend hatte Aureus ihre Vorstellung verpasst, oder es sich bei den vielen anderen Werberinnen nicht gemerkt. Sie zwängte sich noch etwas mit Hilfe ihres Ellbogens etwas von Praiona, damit der Junker Platz hatte.

“Sehr erfreut”, den leicht skeptischen Blick bemerkend fügte er an, “ich war vorhin etwas abgelenkt und habe daher ein paar Vorstellungen verpasst, verzeiht Ihr mir?”

“Das ist aber ein Zufall, meine Schuhe sind auch von Cerutti!”, unterbrach Praiona die Beiden und schob sich zwischen ihnen. Sie zog ihre Robe etwas nach oben und zeigte ihre hellblauen, seidenen Tanzschuhe. Sie ließ es sich auch nicht nehmen, Aureus einen schmachtenen Blick zu zuwerfen.

Aureus lächelte und deutete eine Verbeugung an. “So schnell sieht man sich wieder.”

“Das könnt ihr laut sagen!”, mischte sich eine weitere, tiefe Stimme ein. Belfionn vom Schlund, der Geweihte des Ingerimm, gesellte sich zu Sina.

“Ingerimm zum Gruße”, antwortete der Junker und stellte sich vor,” und dies sind Ihre Gnaden Praiona Jaunava von Altenberg und die Hohe Dame Sina Artigas.”

Sina lachte erfreut. “Danke, Aureus, ich kenne Belfionn bereits. Freut mich, dass du auch an unseren Tisch gekommen bist.” Sie zwinkerte beiden Männern spielerisch zu. “Was erwartet man hier von uns? Sollen wir auf einen Auftrag warten oder und schon mal selbst Gedanken machen?”

Belfionn musterte den Junker Altenwein kurz. Tatsächlich war er hier nur am Tisch wegen Sina. “Ich habe keine Ahnung. Aber ich bin mir sicher, seiner Gnaden Ademar wird uns Licht ins Dunkel bringen.”

Praiona musterte den großen Mann. ´Zu Grob, nicht wie mein Prinz´, dachte sie bei sich und drängte sich näher an Aureus. “Nun ich denke unser aller Kenntnis über die Rechtskunde ist gefragt. Zumindest legt er gerade Gesetzesbücher aus.” Die Geweihte deutet auf den Tisch.

Sie schwieg nun, da so unerwartet Belfionn aufgetaucht war. Sina streckte sich, um ein Buch zu erreichen, das recht weit von ihr entfernt war. „Linnart, sei so gut und reich mir doch bitte das Buch dort drüben….“ Als er sie bemerkte, zwinkerte sie ihn kurz an. Er wusste schon, warum.

“Verzeiht, wenn ich mich einmische, aber ich glaube, wir sollten warten, bis Seine Ehrwürden bereit ist uns in die Regeln dieses Spiels einzuweihen?”

Der Bannstrahler nickte bestätigend. “Ja, Ihr werdet gleich Gelegenheit dazu bekommen Euch den Büchern zu widmen, Sina. Ich denke es geht gleich los.”

Sie hielt in der Bewegung inne, bevor sie sich aber wieder auf ihren Platz von gerade eben stellte, hob sie beide Augenbrauen. „Ihr habt Recht. Und das kann an diesem Tisch nicht hoch genug geschätzt werden.“ Wahrscheinlich kannte in dieser Runde keiner ihre Schwester Verema. Sie waren zwar Geschwister, doch deutlich verschieden in Charakter und Vorlieben. Beide jedoch bestachen mehr durch ihre Art, denn durch ihr Aussehen. Sie waren hübsch, keine Frage, eher verspielt niedlich, aber nicht von jener herausragenden Schönheit, die manchen Frauen zu eigen war.

Linnart lächelte charmant, dann deutete er mit einem Kopfnicken auf Ehrwürden Ademar. Das Götterspiel begann.


***

Sehnsuchtsvoll sah Luzia zu den anderen Tischen hinüber, die nicht so dicht gedrängt voller Menschen waren. Sie hatte zu Vater zurückkehren wollen, aber der hatte ihr nur unmissverständlich gesagt, sie solle sich zu einem der Tische begeben. Und sie fort gescheucht als wäre sie ein Huhn. Aber bestimmt wollte sie nicht zu Travia -und Rondra war doch eher etwas für die anwesenden Ritter. Rahja hingegen- ja sie mochte diese Göttin. Das ganze heimatliche Schloss war voller Kunstschätze und Vater ein großer Förderer junger Künstler. Oder eher von Künstlerinnen- wenn diese kleine Präferenz ihres alten Herrn überhaupt einer Erwähnung bedurfte. Doch, sich an den Tisch eben jener Göttin zu stellen, das wollte sie auch nicht. Es könnte womöglich falsch verstanden werden. Und Praios war immerhin der Hauptgott ihres Hauses.
Außerdem erspähte sie Lissas blonden Haarschopf und wenn Lares und Lissa da waren, war es zumindest nicht gänzlich langweilig.

“Praios zum Gruße” sprach sie eine männliche, doch junge Stimme an. “ Es erfreut mich euch endlich begrüßen zu dürfen, euer Wohlgeboren von Keyserring!” der neunzehnjährige Talfano von Altenberg, in seiner weiß-goldenen Gelehrtenrobe, errötete ein wenig, lächelte sie aber ehrlich an.

Luzia wurde augenblicklich rot und sah zu Boden. Sie hatte nicht damit gerechnet angesprochen zu werden. “Praios… zum Gruße, hoher Herr von Altenberg.” sagte sie langsam. Ein Gelehrter. Innerlich seufzte sie. Jemand der Bücher mehr liebte als alles andere vermutlich. “Wie gefällt euch das Fest?” fragte sie recht unverbindlich.

“Talfano Selindian von Altenberg. ”Er verneigte sich. “Ich glaube, es hat noch gar nicht richtig angefangen. Aber ich freue mich auf das abschließende Fest später. Ich wollte euch ein Kompliment machen für eure Vorstellung. Ich war sofort von euch gebannt. Und bitte verzeiht meine holprige Vorstellung.” Immer noch lächelnd strahlte er sie aus seinen grünen, mandelförmigen Augen an.

“Meine Vorstellung?” sie konnte sich schon kaum mehr daran erinnern, so nervös war sie gewesen. “Ähm. Danke?” Was hatte sie gleich gesagt: “Was genau denn?” fragte sie und lächelte ihn fragend an. Ihre blauen Augen musterten ihn, während sie auf eine Antwort wartete. Jedenfalls war er mutig und sprach sie an. Machte ihr ein Kompliment. Sie selbst hätte sich das niemals getraut.

“Oh das ist leicht. Ich war sehr beeindruckt von all den Dingen die ihr könnt und gelernt habt. Aber es wurde mir warm ums Herz, als ihr meintet, dass ihr am liebsten reitet. Ich selbst bin mit Pferden groß geworden. Auch wenn ich die letzten Jahre nicht oft dazu gekommen bin. Meine Eltern haben mich nach Gratenfels auf die Rechtsschule geschickt. Ich muss zugeben, ich vermisse die Freiheit, die man nur außerhalb von Städten finden kann.” Eine Sehnsucht war in seinem Blick zu erkennen.

“Schmerzt es euch denn nicht, eine Profession zu haben, der ihr vermutlich in einer Stadt nachgehen müsst? Rechtsgelehrte sind doch eher dort anzutreffen, oder etwa nicht?”

Talfano zog die Augenbrauen hoch. “Na das kommt darauf an, was ich nach dem Studium mache. Ich könnte für die Reichskanzlei in Elenvina arbeiten oder eine eigene führen. Oder ich wandere vom Adelshof zu Adelshof. Die Barone des Reiches brauchen ja auch Rechtsbeistand. Das letztere würde ich erst einmal bevorzugen. Oder Vielleicht nimmt mich auch ein Baron in seine Dienste. Auf jeden Fall wird von mir erwartet eines Tages der Rechtsschule in Gratenfels als Rektor vorzustehen, aber das wird noch lange dauern. Sagt, warum habt ihr euch für den Götterfürsten entschieden?”

“Firun stand nicht zur Verfügung.” sagte sie schlicht und lächelte ihn zwinkernd an. Dann fügte sie ernst hinzu: “Praios ist der Hauptgott meines Hauses. Rondra, die Göttin der Ritter- das war wenig passend. Und Rahja- nun ja. Auch sie steht mir natürlich nahe. Ich reite gerne, wie ihr. Und mein Vater unterhält eine sehr große Kunstsammlung und fördert Künstler, wann immer er kann. Aber es schien mir … dennoch unpassend” Eine kurze Pause folgte: “Und Travia… nun ja, ich wollte keinen falschen Eindruck erwecken. Ich… um ehrlich zu sein, bin ich hier, weil mein Vater mich verheiraten möchte. Ich selber habe nichts dagegen noch einige Jahre zu warten bis ich jemanden eheliche.” sie seufzte: “Aber das wird mir wohl kaum vergönnt sein.” Sie sah den jungen Mann nachdenklich an: “Wisst ihr, wenn ihr in Bälde eine Anstellung sucht, dann sollte ich euch mit meinem Vater bekannt machen. Meine Tante hat den Praiostempel bei uns geleitet und auch für Vater rechtliche Angelegenheiten und einen Teil der Ausbildung für die Pagen, Knappen und uns Kinder übernommen. Aber sie ist vor einem Götterlauf….” kurz kamen die Erinnerung an die grauenhafte Hochzeit ihrer Schwester an die Oberfläche und sie schloss kurz die Augen. Ihre Tante zu sehen - niedergestreckt durch einen Bolzen, der direkt in ihre Stirn eingedrungen war und ihren Kopf durchbohrt hatte, war unerträglich gewesen. Mit geschlossenen Augen sammelte sie sich kurz: “gestorben. Und Vater sucht bis auf weiteres einen Rechtsbeistand für ihre Aufgaben. Und glaubt mir, bei uns gibt es Pferde und Wälder und man kann herrliche Ausritte machen. Mögt ihr denn auch die Jagd?”

Talfanos Anspannung löste sich sichtlich. ´Sie ist echt schön´, dachte er bei sich. “Nun, falls ich eine Braut finde”, er musste kurz schlucken,” dann ist es ja erstmal für eine Verlobung. Ich würde ihr soviel Zeit geben wie sie … wie wir brauchen. Und … gerne könnt ihr mir euren Vater vorstellen.” Der Altenberger spürte wie ihm wieder warm im Gesicht wurde. “Ja ich mag die Jagd, allerdings muss ich gestehen, dass ich damit nicht viel Erfahrung habe. Da sind meine Schwestern einiges voraus. So ihr steht dem Herrn Firun nahe?” fragte er neugierig.

"Eigentlich… nicht so sehr. Freilich gibt es bei uns in den Wäldern überall kleine Schreine, an denen wir natürlich auch Opfergaben lassen, wenn wir dort sind. Doch Praios ist mir schon näher. Wisst ihr, manchmal ist es eben nur schön, einem anderen der Zwölfe zu huldigen als dem Gotterfürsten selbst." Sie zögerte kurz, "Praios weist jedem seinen Platz in der göttlichen Ordnung zu. Firun hingegen ist dieser Platz egal. Er bewertet dich nur nach dem was du… in seinem Reich zu einer bestimmten Zeit vermagst." Ihr entfuhr ein leiser Laut. Verstand er, was sie meinte? Das bei all der Verpflichtung und dem bewertet werden- tagein tagaus- eine Flucht in ein Reich, wo es nur auf die eigenen Fähigkeiten in diesem Moment ankam, sich heilsam für die Seele anfühlte? Sie forschte in seinen Augen, ob er verstünde. Er nickte. Wie gut er sie verstehen konnte, nicht anders fühlte er sich. Bis jetzt haben immer andere für ihn entschieden. “Ja, aber ich denke der Tag wird kommen, wo wir unseren Platz finden. Zumindest haben wir hier frei entschieden und uns diesen Tisch ausgesucht. Ich muss es noch einmal sagen, ihr seid äußerst angenehm, euer Wohlgeboren.”

Sie nickte lächelnd, während ein sanfter Rotton ihre Züge umspielte und wandte sich dem Geweihten zu, der nun mit der Präsentation begann.


***

Der Altenweiner genoss die wärmenden Strahlen der Praiosscheibe, während er die Bücher betrachtete. Es waren sicherlich Gesetzestexte, doch fragte er sich kurz, ob es vielleicht so etwas wie ein Regelwerk für die Ehe gab, welche eventuell hier ausgebreitet wurden. Seine Ehrwürden schien gerade in ein Gebet vertieft, deshalb wartete er und schaute sich derweil um. Fünf Männer und fünf Frauen zählte er an diesem Tisch, die Knappin ließ er außen vor, war sie doch noch weit vom heiratsfähigen Alter entfernt und stellte somit keine Kandidatin dar. Luzia war ihm eigentlich noch etwas zu jung, doch stellte sie als Baroness eine, wenn nicht gar die Beste, Partie dar. Doch konnte er sich nicht vorstellen, dass man eine solche Verbindung billigen würde. Ihr Vater höchstwahrscheinlich nicht. Und war es überhaupt sinnvoll so zu denken? Im Gegensatz zu den meisten hier, hatte er niemanden, der ihm im Nacken saß und ihm eine Ehe diktierte. Rahjania jedenfalls hatte ihm geraten sich auf sein Bauchgefühl zu verlassen. Er schaute zu Praiona, die gerade mit einer Dame sprach, deren Wurzeln in Almada lagen. Praiona schien freundlich und gütig zu sein, Wesenszüge, die man bei Praioten kaum erwartete, die aber auch seine Schwester trug. Sie hatte vielleicht nicht den schönsten Körper, doch waren Jugend und Schönheit nicht vergänglich? Würde nicht auch er eines Tages alt, runzelig und vielleicht sogar fett werden? Praiona hatte vielleicht etwas mehr auf den Rippen, aber auch ein fröhliches Wesen und strahlende Augen, wenn sie lächelte. Durinja war schön und faszinierend, ja sogar geheimnisvoll. Aber sie schien Schmuck und edle Steine zu lieben. Konnte er sie sich leisten? Würde sie bei ihm bleiben, wenn er kaum mehr als ein Großbauer einbringen konnte? Die letzte hier am Tisch kannte er nicht. Er hatte vorhin ihren Namen vernommen und mutmaßte daher, dass sie mit dem Anwärter Palinor verwandt war. Er beschloss sich noch nicht festzulegen und erstmal die anderen Damen kennen zu lernen und hoffte, dass es der unsicheren Praiona nicht zu schmerzhaft werden würde.


***

Fast hätte Melisande die Ankunft Milians von Altenberg versäumt, ihn aber gerade noch erspäht und war ihm so an den Tisch des Götterfürsten gefolgt. Nicht der Tisch, den sie selbst bevorzugt hätte, hätte sie selbst aussuchen dürfen. Aber sie hatte ja einen Auftrag. So stellte sie sich unauffällig in die zweite Reihe, eine Kunst, die sie trotz ihres durchaus ansehnlichen Aussehens gut beherrschte, aber so, dass sie gegebenenfalls hören konnte, was Milian sagte. Doch sie musterte durchaus auch die anderen Anwesenden hier, war sie sich doch klar darüber, dass man spätestens mit dem Beginn der Spiele auf sie aufmerksam werden würde.

“Melisande! Ihr wollt also vor Praios Angesicht einen Gemahl finden? Ich muss gestehen, ich bin überrascht.” Milian winkte sie zu sich heran. Natürlich war ihm die Anwesenheit der Zofe nicht entgangen.

Melisande lächelte zurückhaltend. Schade, dass der Edle sie bereits entdeckt hatte, aber nicht zu ändern. “Ich bin hier, um mir unter Praios’ schöner Sonne ein Bild der Heiratswilligen zu machen. Ob mehr daraus wird, mag Praios fügen … oder ein anderer der Zwölf.” Dann wurde ihr Lächeln etwas strahlender. “Und Ihr? Was ist Eure Absicht, Euer Ziel hier an diesem Tisch?”

“Nun das Ziel das wir alle hier haben sollten. Im Angesicht des Herrn Praios zu bestehen, auf dass er uns seine Weisheit zuteil läßt, auf das wir eine richtige Wahl in diesen Belange treffen können. Es ist Schande das sich eure Herrin sich nicht getraut hat.” Er lächelte sie an.

Melisande kniff die Augen ein wenig zusammen bei dieser respektlosen Wortwahl des Edlen. “Eine Schande nennt Ihr es also, wenn jemand gar nicht die Absicht hat, sich hier zur Wahl zu stellen?” fragte sie mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. Dabei lächelte sie noch immer, aber vielleicht ein wenig kühler als gerade eben noch.

Er schaute sie verwundert an. “Da habt ihr mich falsch verstanden, meine Liebe. Ich sagte ´Schade´ nicht ´eine Schande´. Ich habe lediglich mein Bedauern ausgedrückt.” Milian ignorierte die Zofe, war aber jetzt gewarnt. Nun wusste er, dass sie ganz das Kaliber seiner Base Durinja war. Nichts, was ihm beunruhigen würde.

“Wenn ich mich … verhört haben sollte, dann tut es mir leid und ich entschuldige mich”, gab Melisande in einem Tonfall zurück, der nicht wirklich entschuldigend klang. Aber bevor Milian antworten konnte, rief der Praiosgeweihte sie mit einem Glöckchen zur Aufmerksamkeit.


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