Während der Vorstellung

Hier geht es zum Vorkapitel und hier zur Kapitelübersicht

Im Pavillon des Hochadels

Während die Werber sich einzeln vorstellten, war es die Junkerin von Herzogenfurt die von ihrem Platz aufstand und einige Schritte die Stufen hinab ging. Sie hielt Ausschau nach einer ganze bestimmten jungen Frau. Als ihre Blicke sich trafen, winkte sie Sina Artigas zu sich.

Sina war einerseits geschmeichelt, andererseits irritiert. Kannte sie die Adlige ? Wohl aus dem Hof des Herzogs, doch war ihr der Name entfalle. Lasst mich durch, man verlangt nach mir.“ Entschlossen und ohne eine weitere Reaktion des Ordnungspersonals abzuwarten, schritt sie elegant zu der Junkerin. Sie senkte artig den Blick. „Wohlgeboren, ihr habt mich gerufen?“

Die grimme Junkerin und Vögtin versuchte sich in einem Lächeln. “So ist es. Ich möchte euch sagen: ihr habt eine gute Vorstellung geleistet. Ich bin die Junkerin Alrike von Henjasburg, Vögtin von Schweinsfold. Habt ihr Lust an unseren Tisch zu sitzen? Ich möchte euch gerne kennen lernen.” Der Blick ihrer blauen Augen verbargen sich unter Schlupflidern und im Zusammenspiel mit ihrer leicht gebogenen Nase musste Sina an einen Raubvogel denken.

Artig, wie sie es vom Hof gewohnt war, nahm Sina bei der Vögtin Platz. “Es ist mir eine Ehre Euch kennenzulernen und an dieser Tafel Platz nehmen zu dürfen, Euer Wohlgeboren.” Kokett betrachtete sie, was sich alles auf dem Tisch befand. “Es ist und wird sicher ein schönes Fest. Ich war nur etwas irritiert, dass die Einteilung der Klassen so streng sein wird.”

Alrike setzte ein zynisches Lächeln auf. “Das ist eine reine praktische Veranlassung. So sieht man gleich, wer aus welchen Stand interessant sind. Ihr dürft nicht vergessen, das es hier meistens nicht um Liebeshochzeiten geht.” Sie winkte den jungen und gutaussehenden Diener Servusian heran, der auch gleich die Kelche mit Wein füllte. “Ich muss gestehen, ich bin auch nicht an einer Vermählung unserer Familien interessiert. Aber ihr habt Interesse aufgeworfen. Ihr stammt aus Almada. Was genau macht ihr zur Zeit in Elenvina?”

Sina überlegte kurz, das Thema an sich war ihr etwas peinlich. “Nun ja. Ich bin Hofdame in Elenvina am herzoglichen Hof. So des Herzogs Gemahlin anwesend ist, freut sie sich, jemanden aus Almada um sich zu haben. Ansonsten verrichte ich dort die üblichen Dinge. Ich diene unter Haushofmeister Praiolf von Quakenbrück.” Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: “Wie gesagt, hat meine Schwester einen guten Posten im Gestüt und ist dabei, aus dem Rossmarkt eine große Schau mit Leistungsprüfungen zu machen, um die Qualität der Pferdezucht zu sichern.”

Alrike nickte verständig. “Die Schwester also. Sagt was habt ihr vor eurer Zeit in Elenvina getan? Seit ihr auch in der Pferdekunde bewandt oder auf was seit ihr bewandert? Ich hoffe es stört euch nicht, dass ich euch mit Fragen löchere. Ich möchte euch nur am besten einordnen können.”,sagte sie direkt heraus.

Sina trank genüsslich vom Wein. “Pferde hatten wir auch, aber die haben mich nie besonders interessiert. Ich war in Punin und habe bei dem berühmten Parcello Rabannero Mode und Stil gelernt. Immer häufiger berate ich die Angehörigen am Hof in Stilfragen, ihre Kleidung betreffend. Wohlgeboren, Ihr seid nicht hier, um für Eure Familie eine gute Partie zu suchen. Trotzdem würde es mich interessieren, wen von den bereits vorgestellten Männern Ihr für eine gute Wahl haltet. Die Familien der Nordmarken sind mir noch etwas fremd.”

“Interessant!” Die Vögtin wirkte jetzt wesentlich gelassener. “ Nun, das kommt darauf an, aus welchen Stand ihr kommt. Am interessantesten wären wohl die Kandidaten aus diesem Pavillion, wobei ihr euch hier den Blick sparen könnt.” Sie lachte kurz. “Soweit ich weiß, sucht hier keiner. Für euch wäre der Blick zum Pavillion der Niederadligen gut. Zum Beispiel der Junker von Liannon. Reiche Junkerei.” Nun wurde sie wieder ernster. “Könntet ihr euch vorstellen Elenvina zu verlassen und eine Stelle anzunehmen, der eurer Person und Fähigkeiten besser wertschätzt?”

„Da Habt Ihr Recht, Vögtin… dieser Pavillon scheint passend und interessant zu sein.“ Sina nippte erneut an dem Wein. „Ja, Wohlgeboren, wenn es passt, würde ich auch anderswo eine Stelle annehmen. Das wird aber schwer werden, da mein derzeitiger Platz sehr angesehen ist und finanziell keine Not herrscht. Hm… wahrscheinlich könnte mir der richtige Mann die Entscheidung erleichtern.“ Sie spielte noch etwas mit ihrem Becher, drehte ihn und roch an dem guten Wein. „Vorhin, als die Praiotin stürzte, kamen ihr zwei Männer zu Hilfe. Den einen, Linnart vom Traurigen Stein kenne ich bereits, wir werden bald durch eine Verbindung meiner Schwester mit seinem Onkel entfernt verschwägert sein. Den anderen kenne ich nur von seiner Vorstellung. Wisst ihr mehr über ihn? Ihr scheint jemand zu sein, der über Vieles Bescheid weiß …“

“Wie ich schon vermutet habe, Sina, ihr seid eine interessante Frau. Ich frage so neugierig, da wir hier in Schweinsfold einen neuen Hof aufbauen. Es ist der Wunsch der neuen Baronin die Baronie wieder zu ihrer alten Stärke und politischen Wichtigkeit zurückzuführen. Meine Mutter die vorherige Baronin, Boron möge ihrer Seele gnädig sein, legte Wert auf starre Fronten. Ihr wäret eine Bereicherung für uns. Glaubt mir, wenn ich sage, dass der Tag bald kommen wird, an dem man wieder von unserem Hof berichten wird. “ Sie hob den Kelch und prostete der rotblonden, jungen Frau zu, die Baronin dieses Landes. Diese prostete auch interessiert zurück. “Und gute Partien haben wir in Schweinsfold auch, zum Beispiel der Ritter Dorcas von Paggenfeld.” Sie deutete auf den großen, blonden Mann mit den Rössern als Wappen. “Er ist nun Haus-Ritter der Baronin. Eine große Zukunft liegt vor ihm.” Sie nahm nochmals einen Schluck. “Vielleicht kann frau euch heute noch überzeugen. Und ihr habt recht, ich kenne den ein oder anderen Adligen in den Nordmarken. Ihr redet von Rahjaman vom Traurigen Stein, den Winzer?”

“Ja genau, der Winzer..” Sina beäugte die Personen, auf die Alrike gewiesen hatte. “Dorcas habe ich schon gesehen, allerdings anderswo, im Bereich der Niederen. Er war mit einem Geweihten dort und schien von den dortigen Mägden recht angetan...” Sie lächelte zögerlich, aber nicht abgeneigt. “Ich konnte noch kein Wort mit ihm wechseln, aber das lässt sich vielleicht ändern.”

“Ich ermutige euch sogar, dass zu ändern. Ihr werdet sehen, eine gute Partie.” Sie strich sich nachdenklich über ihre Braue. “Der baldige Junker, dank eurer Schwester, ist intelligent und voller Charme, so viel kann ich sagen. Wir sind dabei Geschäfte mit ihm zu machen. Schweinsfold ist eine wohlhabende Baronie, aber Weinhänge besitzen wir nicht. Die Traube der Traurigsteins sind hervorragend. Aber ich nehme an, ihr habt den Wein schon gekostet. Habt ihr interesse die Baronin Selinde kennenzulernen?

Sinas Blick war noch skeptisch auf Dorcas gerichtet, aber sie nickte. “Gerne würde ich mit der Baronin reden. Und den Wein kann ich wirklich empfehlen. Und ich bin schon gespannt, was heute noch auf dem Programm steht.”

“Soweit ich weiß, kommen als nächstes die ´Götterspiele´. So sollen sich die Gäste unter dem Segen der Götter besser kennenlernen.” Ihr Blickt schwenkte kurz rüber zu der greisen Traviageweihten am Ende der Tafel. “Sobald ich die Aufmerksamkeit der Baronin bekomme, werde ich euch gerne vorstellen. Sie ist erst seit einigen Monden im Amt und ebenfalls ledig. Meint ihr dass es hier jemanden geben könnte für ihre Hochgeboren?” Listig schaute sie Sina an.

Selinde zwinkerte ihrer Vögtin zu. “Versucht ihr schon wieder, mich zu verkuppeln? Wer ist es denn diesesmal?” In der Öffentlichkeit wahrte sie die Form - mehr oder minder. Manchmal, wenn ihr danach war.

“”Wer ist denn Eure reizende Begleitung?” Neugierig lachte sie die Fremde und Alrike an. “Oder wollt ihr das Geheimnis für euch behalten?”

Alrike lachte kurz. Die Vertrautheit dieser zwei Frauen war für Sina offensichtlich. “ Darf ich vorstellen euer Hochgeboren: Sina Artigas vom Elenvina Hof. Ihre Schwester ist die Gestütsmeisterin dort und Junkerin. Ich habe gerade versucht, sie zu überzeugen, an euren Hof zu kommen. Und euren neuer Ritter Dorcas von Paggenfeld ihr schmackhaft zu machen.” Nun grinste sie.

Sina senkte brav das Haupt und ergriff das Wort. „Verzeiht meine Direktheit, Euer Angebot schmeichelt mir sehr, gerade, da es günstig für unsere Familien wäre. Rahjaman keltert die besten Weine, die ich kenne. Und das will etwas heißen, da ich Almadanerin bin.“ Dass Sina aus einem anderen Land kam, war alleine an ihrer Hautfarbe und den dunklen Augen schon leicht zu erkennen. Für eine Tulamidin aber war sie nicht sonderbar genug. „Dorcas sah ich bereits in unserem Pavillon ... er war leider zu … abgelenkt vom Personal … sonst hätte ich ihn angesprochen. Erzählt mir etwas über ihn. Neugier ist eines meiner Laster, wenn es um Männer geht. Wer will denn schon die Katze im Sack?“ Sina lachte ansteckend. „Das passt zwar gerade nicht, aber meine Schwester hat früher in unserer Heimat Cres einmal versucht, hübsche Katzen für Liebhaber zu züchten. Weiß mit rotem Schwanz. Leider musste sie aufgrund charakterlicher Probleme ihre Zucht einstellen. Mal sehen, was sie in Linnartstein so treiben wird.“

“Nun - sagt nichts gegen Katzen. Auch wenn ich euch zustimme, dass sie nicht in einen Sack gehören. Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen.” lachte die Baronin, offensichtlich angetan von der Lebendigkeit ihres Gastes.

“Alrike kann euch viel über unseren neuen Ritter erzählen - und so, wie ich ihn kenne, wird das meiste durchaus angenehm sein.”

Sie blickte Alrike an, wandte sich dann aber wieder der exotischen Südländerin zu. “Bei Katzen ist es wie bei Menschen - jede hat ihren eigenen Charakter. Eure Schwester hat einen durchaus eigenen Geschmack, was die Farbgebung anbelangt. Ich wünsche ihr, dass ihre Erfolge im Gestüt berechenbarer sind. Und Ihr, Sina? Was sind eure Steckenpferde?”

Sina lachte kurz. “Meine Katzen würde ich mit glattem, schwarzen Fell und grünen Augen züchten..doch liegt die tierliebe mehr bei meiner Schwester. Ich begeistere mit für Kleider, Schuhe und Schmuck. Frauen sollten das beste aus sich machen, so bequem wie möglich, ihre Vorteile betonen und Freude an ihrer Kleidung haben. Es gibt viele Möglichkeiten, je nach Geschmack, das Richtige zu finden. “ Sie legte den Kopf kokett schief. “Wer sagt, dass ein Hund oder eine Katze nicht ebenfalls passend zur Dame sein könnten ? Ich bin innovativ und nehme die Frauen ernst, anstatt sie in Kostüme zu zwängen, in denen sie wie Wuchtbrummen aussehen. Erzählt mir doch noch etwas von Dorcas.”

“Dorcas?” Selinde schmunzelte. “Ein Bild von einem Ritter, mit einem wahrlich prachtvollen Kaiser-Alrik-Bart. Jung und blond, hochgewachsen und breitschultrig - und er verehrt die Herrin Rahja als seine liebste Göttin. Ihr solltet ihn unbedingt einmal kennenlernen!”

Er würde ihr vermutlich gefallen - und sehr sicher auch umgekehrt. “Sagt, was ihr eure liebste Mode? Habt ihr einen eigenen Schneider?” Aufmerksam betrachtete sie ihren Gast. Schweinsfold war - leider - sehr abgelegen - sowohl von der Elenviner Hofmode als auch von den Einflüssen aus Almada oder gar dem Lieblichen Feld. Die biedere Kleidung der nahen Albernier jedenfalls entzückte Selinde wenig - und deren Vorliebe für grobe Stoffe teilte sie gleichfalls nicht.

Entzückt plapperte Sina. “Aber ja, ich liebe die Kollektionen von Rondrigo Cerutti, aber ich versuche mich auch selbst an eigenen Entwürfen.” Vorsichtig biss sie sich auf die Lippe … sie wusste ja nicht einmal genau, wo das Anwesen lag, von dem geredet wurde. “Sicher kann man auch einfachere und praktische Gewänder herstellen, aber mir sagt die Entwicklung der Kleidung doch aus ästhetischen Gründen zu. Äh... Wo genau liegt Euer Anwesen ? Und Dorcas, ich dachte, er würde zu uns an den Tisch kommen, wo ist er denn?”

“Hast Du ihn gesehen?” Wandte Selinde sich an ihre Vögtin. “Vorhin war er doch noch hier - ich glaubte zumindest, ihn gesehen zu haben.” Sie schüttelte ihre Locken und musterte Sina mit schiefgelegtem Kopf und aufmerksamen Augen. “Cerutti? Das sagt mir etwas - ein Liebfelder oder ein Almadaner Schneider?” Sie stutzte.

“Mein Anwesen? Meine Burg meint ihr? Hier in Herzogenfurt - das ist die Hauptstadt meines Lehens.”

Sina errötete. Die Namen und Lehen in den Nordmarken hätten ihr längst ein Begriff sein sollen. Normalerweise plapperte sie nicht so unbedacht wie Verema daher. „Entschuldigt, das war mir entfallen … Cerutti ... ja, er klingt nach dem Horasreich, doch er ist Almadaner. Oft wirken die Kleider eher schlicht, der Reiz entsteht durch einen langen Schlitz auf einer Seite, der das Bein zur Geltung bringt, freie Schultern oder einen tiefen Rückenausschnitt.“

“Nicht so schlimm.” Selinde schmunzelte. “Ach, seine Kreationen würde ich zu gerne einmal tragen. Was meint ihr - würde er wohl einer Einladung nach Schweinsfold folgen? Ansonsten müsste ich wohl oder übel einmal eine Reise nach Almada ins Auge fassen.” Sie zwinkerte Alrike zu, wohl wissen, dass diese eher wenig von einer solchen Reise hielte - vor allem mit Ausblick auf Sicherheit und Finanzen.

Dorcas, der im Pavillion sein Blick über dessen Besucher schweifen ließ, entdeckte eine kleine Gruppe mit Belfionns Angebeteten, Sina. Er schritt, bewaffnet mit seinem Trinkpokal, auf diese zu. Auf ihrer Höhe ertönt seine tiefe Stimme:” Rahja zum Gruße! Rahja meint es wohl gut mit mir. So viele Schönheiten an einem Fleck.” Dorcas nahm ein Schluck aus seinem Pokal.

Sina erkannte den selbstbewussten Adligen von vorhin sofort. Der Alkohol schien ihn in wunderbare Stimmung zu versetzen … in ihrem Gedächtnis schwirrten Bilder von Mägden … „Hochgeboren, was für eine Ehre…“ sie deutete auf Selinde und Alrike. „Seht Euch diesen Recken an, er hat eure Schönheit nicht nur sofort erkannt, nein, er ist Manns genug, es auszusprechen.“ Sachte beugte sie sich etwas zur Seite und versuchte, einen Blick auf Belfionn zu erhaschen. Aus irgendeinem Grund sollte er doch auf Dorcas aufpassen..

“ Werte Damen, wenn ich mich vorstellen darf….Dorcas von Paggenfeld. Und der Recke hinter mir ist Belfionn vom Schlund, seines Zeichens Ingerimmgeweihter und mein Vetter. Ich hoffe die Damen amüsieren sich und haben vielleicht auch schon ein Favoriten ausgesucht.! Dorcas läßt ein verschmitztes Lächeln aufblitzen.

“Danke der Nachfrage, Wohlgeboren. Ich bin dabei, mir die Herren anzusehen, alles braucht Zeit.” Kurz nickte sie Belfionn zu. “Wie sieht es bei Euch aus, Dorcas ? Noch kann viel passieren.”

“ Da habt ihr recht, Werteste. Ich werde mich Rahjas Willen beugen und dann abwarten welche von Euch hübschen Wesen Rahja für mich ausgesucht hat.” Dorcas grinst verschmitzt den Damen zu. Belfionn hingegen hält sich im Hintergrund. Den Blick von Sina hat er bemerkt, aber versucht desinteressiert zu wirken, da er doch sehr gekränkt von Sinas Entscheidung war und anscheinend schon verlobt sei. Doch versucht er immer wieder sie anzuschauen, denn das gebrochene Herz hat noch Hoffnung.


***

“Verzeiht, hohe Dame della Yaborim” Die angenehme Stimme des Jüngling Servusian zog Melisandes Aufmerksamkeit auf sich. Der Diener trug sein rotbraunes Haar kinnlang, seine strahlenden grünen Augen hoben sich von seiner leicht gebräunten Haut ab und seine Lippen waren voll und sinnlich. Er trug knielange grüne Hosen und ein Leinenhemd mit weiten Ausschnitt, das einen Einblick auf seine athletische Brust gab. Ein wilder und angenehmer Duft kam von ihm aus. “Ich hätte etwas für die Baronin von Rickenhausen zu überbringen” Er hielt ein Tablet mit einem Kästchen mit blauen Samtüberzug in seinen Händen.

“Hab dank, ich werde es ihr geben”, antwortete Melisande leicht verwundert und nahm das Tablett entgegen. Ihr Blick umfasste kurz und durchaus interessiert die Gestalt des Jünglings, aber sie ließ sich nichts weiter anmerken. “Damit die Baronin dieses - Geschenk? - richtig zu würdigen weiß, wäre natürlich von Vorteil, wenn sie den Namen des Schenkenden kennte?”

Thalissa war in die Betrachtung der Heiratskandidaten vertieft und nippte gelegentlich an ihrem Weinkelch. Sie hatte noch nichts mitbekommen von diesem kleinen Austausch.

Mit einem Lächeln zeigte er seine rein weißen Zähne. “Ein Geschenk des hohen Herrn Milian von Altenberg, hohe Dame” Er verneigte sich und zog sich zurück.

Melisande nahm das Tablett entgegen, nickte dem Diener zu und trug es dann zu ihrer Herrin. “Verzeiht, aber eben wurde ein Geschenk des hohen Herrn Milian von Altenberg für Euch abgegeben”, wiederholte die Zofe wortgetreu und präsentierte das Tablett.

Thalissa schreckte aus ihren Gedanken und sah Melisande an, dann das Kästchen, das nicht ganz billig gewesen sein durfte. Sie zog eine Augenbraue nach oben und nahm es vom Tablett herunter, um es nachdenklich in der Hand zu wiegen. “Ein Geschenk, soso …” murmelte sie. Sie fragte nicht weiter nach, hätte es noch etwas zu sagen gegeben, hätte es Melisande von sich aus erwähnt. “Na, da bin ich aber gespannt.” Mit spitzen Fingern öffnete sie den Verschluss.

Das erste was sie erreichte war der Duft von Rose. Auf einem blauen und seidenen Kissen lag eine Brosche. Eine filigrane Rose aus reinsten Silber.

Diesmal hob Thalissa beide Brauen. Da machte sich offenbar jemand Hoffnungen … abseits der offiziellen Kandidatinnen, wie es aussah. Aber ein Geschenk war ein Geschenk, und dieses zeigte zumindest Hingabe. Sie winkte Melisande zu sich, dann flüsterte sie ihr ins Ohr: “Such’ diesen Herrn Milian von Altenberg und sage ihm meinen Dank. Zudem habe er sich einen Tanz und ein Gespräch verdient, wobei es an ihm sei, dies zu passender Gelegenheit am heutigen Tage einzufordern. Ach, und finde heraus, wer er genau ist.” Thalissa hatte sich zwar vor ihrer Abreise grundsätzlich über die Altenberger informiert, es aber mangels eigener Ambitionen nicht für nötig befunden, sich mit ihren vielen Mitglieder im einzelnen zu befassen. Nun, zumindest bei einem musste sie nun wohl eine Ausnahme machen. Sie gab Melisande einen Wink, um ihrer Zofe zu bedeuten, dass dies alles wäre. Diese knickste leicht und machte sich auf den Weg.


Zunächst hielt Melisande Ausschau nach dem gutaussehenden DIener, der das Geschenk überbracht hatte. Der wusste wohl am ehesten, wo der Herr Milian von Altenberg zu finden war, und konnte ihr vielleicht gleich etwas über ihn erzählen. Aufmerksam sah sie sich um.

Den suchenden Blick erfassend, kam Servusian sofort herbei. “Was kann ich für euch tun, hohe Dame?”, fragte er und es schien eine Einladung in seiner Stimme mitzuschwingen.

“Ah, gut”, zeigte sich Melisande erfreut über das schnelle Auftauchen des Dieners. “Sag, wo finde ich den Herrn Milian von Altenberg? Wie sieht er aus? Und wer ist er überhaupt genau?” kam sie sofort zum Punkt, ohne sich anmerken zu lassen, ob es neben ihrer Aufgabe irgend etwas gab, das sie interessieren könnte.

“Der hohe Herr Milian ist der Sohn der Rektorin der Rechtsschule in Gratenfels, der gutaussehende Edelmann dort drüben. Wenn ihr möchtet könnte ich euch rüber bringen und vorstellen.” Ein laszives Schmunzeln zog sich über seine sinnlichen Lippen.

Melisande neigte den Kopf ein wenig. “Gut, dann tu das bitte”, antwortete sie knapp. Ganz kurz zeigte sich eine steile Falte zwischen ihren Augenbrauen, die aber sofort wieder verschwand. Dieser Diener war sich seines Aussehens wohl bewusst, aber er setzte es ein wenig zu … offensiv ein, wie eine Frau, die zuviel Parfüm auftrug.

“Wenn ihr mir bitte folgen würdet, hohe Dame della Yaborim.” Der junge Diener verbeugte sich und ging dann voran zum Pavillion der Altenberger.

Im Park außerhalb der Festwiese (Parallel zur Vorstellungsrunde)

Gespannt beobachtete Rahjel den dramatischen Auftritt des Junkers von Trollpforz und die kühle Abfuhr Sabeas von Altenberg. Amüsiert über die unerwartete Eröffnung der Brautschau, erkannt er sofort das die Gefühle des Junkers echt waren. Etwas, was er hier nicht erwartet hatte. Im war sofort klar, das der junge Mann Hilfe brauchte. So ungehobelt er auch wirken sollte, schätzten die meisten Leute ihn falsch ein. Besser gesagt: er machte ihnen Angst. Er mag erfahren sein im Kampf, aber auf dem Schlachtfeld der Liebe war er unerfahren. Rahjel kannte Sabea und wusste, das hier nichts verloren war. Mit schnellen Blick ließ er der Novizin der Rahja, Rahjalind, verstehen, hier weiter ein Auge auf das Fest zu haben, griff sich zwei Krüge mit Bier und folgte dem Junker, der säuerlich die Festwiese verließ.

Die Novizin nickte ihm wissend zu. Wenn nicht Rahjel dem Junker nachgegangen wäre, hätte sie es gemacht. Ja, auch Rahja prüfte die Menschen von Zeit zu Zeit in genau diesen Situationen. Alles was Rahjalind bisher über diese Sabea mitbekam, war das nun einmal ihre Art; fordernd ... aufbrausend ... anmaßend. Ihre Reaktion war wohl eine Art des Tests gewesen und es wäre schade, wenn der Werber seinen Mut verlieren würde.

Der Geweihte wartete bis sie außer Sichtweise der Festwiese waren, verschnellerte seinen Schritt und sprach den Junker an.

“Euer Wohlgeboren, Junker Thankred, entschuldigt die Störung.” Rahjel hoffte, dass seine Worte den enttäuschten Mann erreichten.

So angesprochen blieb der Trollpforzer stehen und drehte sich zu demjenigen, der ihm gefolgt war. Er seufzte. “Euer Gnaden, womit kann ich euch behilflich sein”, sprach Thankred, auch wenn er zumindest ahnte, in welche Richtung das Anliegen des Geweihten ging.

“Ach lassen wir das formale. Nennt mich Rahjel. Ich dachte wir könnten die Gunst der Stunde nutzen, um uns ein wenig zu unterhalten. Habt ihr ein wenig Zeit?” Er lächelte ihn versöhnlich an und hielt ihm ein Bier entgegen.

Thankred griff nach nur leichtem Zögern zu. “Ich habe heute keine weiteren Pläne.” Er stieß seinen Humpen gegen den des Geweihten und tat einen kräftigen Schluck. Danach sah er Rahjel mit verkniffener Miene auffordernd an, ergriff dann aber kurzerhand selbst das Wort, wie es seinem impulsiven Wesen, seiner vorlauten Art entsprach.

“Euch hat mein leicht erregter Abgang wohl nicht gefallen wie?” Selbstironie lag in seiner Stimme. “Nun ich habe nie gelernt mich zu verstellen, vielleicht fehlt mir aber auch schlicht das Talent dazu. Nichtsdestotrotz bin ich bisher ganz gut durchs Leben gekommen.”

Der Trollpforzer deutete vage mit der freien Hand in Richtung des Festplatzes. “Ich habe mich dort zu keinem Zeitpunkt wirklich wohl gefühlt. Mir liegt die ‘feine’ Gesellschaft nicht. Ich hätte den Isenhag nicht wegen dieser Narretei verlassen sollen. Aber immerhin habe ich heute eine Lektion erhalten, auch wenn sie mir nicht gefällt- ich nehme sie an.”

Der Geweihte schüttelte leicht verneinend den Kopf. “Ganz im Gegenteil Thankred. Ihr habt gehandelt, wie es euch beliebt. Viele mögen das vielleicht nicht zu verstehen. Aber den Impuls nach zu geben, wie ihr es tatet, ist auch eine Tugend der Lieblichen. Ich bin viel gereist bis ins schöne Aranien. Dort habe ich noch mehr Aspekte über meiner Göttin gelernt. Ihr seid ein Mann voller Leidenschaft, der sich dem Strom dieser hingibt. So wie man es im Tulamidenland tut.” Während die beiden Männer liefen, deutet er auf einen Pavillon mit einer Bank. “ Lasst uns kurz setzen. Es gibt etwas was ich euch über Sabea erzählen möchte.” Mit einem zuversichtlichen Blick schaute er den Junker an.

Thankred aber blieb stehen und blickte den Geweihten offen an. “Eure Worte ehren euch, doch muss ich vorwegnehmen, dass ihr mich nicht umstimmen werdet. Mein Wort gilt, ich werde es nicht brechen, auch nicht, wenn ihr mich darum bittet.

Ich werde noch einige Tage hier auf der Jagd verbringen. Vielleicht könnt ihr Sabea davon überzeugen mit mir einen Ausritt zu unternehmen, oder auch nur einen Spaziergang. An ‘Spielen’ werde ich mich nicht beteiligen.”

Der Trollpforzer wies in Richtung der Bank. “So ihr noch wollt, könnt ihr mir nun gerne von Sabea erzählen. Die Fronten sind ja nun geklärt.”

“Da muss ich euch enttäuschen, Thankred. Ich bin nicht gekommen, um euch an den ´Spielen´ zu beteiligen. Das steht jedem offen. Und es geht dabei einen ´Wink der Götter´ zu erhaschen.” Rahjel musste bei dieser Ausdrucksweise schmunzeln. “Aber ich muss dennoch sagen, das die Brautschau auch ein Fest unter dem Segen der schönen Göttin ist. Das heißt, ihr könnt auch feiern und euch ein wenig Spaß gönnen. Nun aber zu Sabea.” Er nahm einen Schluck aus seinem Bier. “Ich kenne sie schon von klein auf an. Ich gehöre auch dem Haus Altenberg an, aber ehe zu den ´Entfernteren´. Sie hat bis jetzt immer alle Regeln gebrochen, sehr zum Leidwesen ihrere Eltern. Eigentlich ist sie wir ihr, Thankred: sie hält nicht viel von höfischen Anstandssitten.” Nun wurde er ein wenig ernster. “Aber es gibt eine Sache die ihr wichtig ist. Und das sind die Zwölfgötter. Was glaubt ihr, welchen der Götte sie am meisten verehrt?”

Thankred legte die Stirn kraus und schmunzelte, als er nur sehr kurz über diese Frage nachsann. “Vielleicht Rondra, Efferd, Ingerimm, ihrem Temperament entsprechend?”

Nach diesen Worten wurde auch er ernster und blickte Rahjel leicht irritiert an. “Irgendwas an dem wie ihr eure Frage gestellt habt, lässt mich vermuten ihr habt den Eindruck ich würde die Götter geringschätzen. Täuscht mich dieser Eindruck oder liege ich richtig?”

“Der Eindruck täuscht. Aber ich habe den Blick auf Sabeas Gesicht gesehen, als ihr erwähnt habt das ihr keine Geweihten hier sehen wollt. Ich glaube das hat sie missverstanden. “ Dann blickte Rahjel in die Ferne. “Schon immer war der Herr Ingerimm ihr nah am Herzen. Weniger die Sicht wie die Handwerker auf ihn haben, mehr wie die Angroschim, als Herr des Feuers. Und so zügellos und roh ist sie auch. Ich glaube, so wundervoll und lieblich eure gewählten Worte waren, war es genau dass, was sie eher nicht hören wollte. Um ihre interesse zu erwecken, würde ich euch diese Themen empfehlen. Sie ist außerdem eine leidenschaftliche Armbrustschützin.”

Thankred schüttelte sachte den Kopf. "Es ist doch eine Brautschau und keine Geweihtenschau oder? Man sollte das Wesentliche doch stets im Auge haben. Meine Worte waren nicht dazu bestimmt irgend jemanden zu kränken oder mangelnden Respekt auszudrücken." Er seufzte über sich selbst, darüber sich einmal mehr missverständlich ausgedrückt zu haben.

Ohne eine Erwiderung des Rahjapriesters abzuwarten fuhr der Junker dann sogleich fort, leicht aufgewühlt wie diesem schien. "Das es aber dann und wann nützlich seien kann mit einem Götterdiener zu sprechen ist mir wohl bewusst, speziell in diesem Moment wie ich gestehen muss.” Oh ja, Thankred erkannte nun die gute Absicht Rahjels.

“Ich vergesse manchmal, dass meine direkte, zum Teil sich auch ‘schroffe’ Art missverstanden werden kann.” Er zuckte mit den Schultern. “Bisweilen zumindest. Dabei meine ich es nur in den seltensten Fällen wirklich böse."

Der Junker seufzte abermals und sann kurz über das von Rahjel über Sabea vernommene nach, dann hellten sich seine Züge auf. Mit sanfter Stimme führte er an: "Ingerimm, wie auch Firun werden in meiner Familie seit jeher als Herren des Feuers und des Eises verehrt. In der Abgeschiedenheit, dort wo man den Elementen ausgesetzt ist und man mit ihnen um das Überleben ringen muss, besinnt man sich zwangsläufig auf das Wesentliche. In den Bergregionen des Isenhag sieht der Glaube der Menschen deswegen zum Teil anders, urtümlicher aus als hier unter und das schließt die Art der Anbetung mit ein. " Vielsagend war der Blick des Junkers bei den letzten Worten, da er wusste, dass so mancher Geweihte diese Arten der Anbetung mit Skepsis betrachtete.

"Ich fühle mich dem Weißen Mann vom Berg besonders verbunden. Wenn Sabea eine leidenschaftliche Schützin ist, so wäre diese eine gemeinsame Unternehmung wert, um sich kennenzulernen."

Eine polternde, weibliche Stimme riss beide aus ihrem Gespräch.


***

Mit strammen Schritt lief Sabea neben Rondradin. Die große Frau schien zu grübeln, ihre wilden Locken und der riesige Busen wippte im Takt ihres Laufes, untermalt vom knirschenden Geräusch des Kiesweges. “Soll ich ihn zum Duell fordern?” brach sie das Schweigen.

Rondradin musterte die ältere Schwester Geldas eindringlich. Meinte sie das ernst? “Nein, auf gar keinen Fall!” brach es aus Rondradin hervor. Er räusperte sich und fuhr ruhiger fort. “ Jedenfalls nicht sofort. Sprecht doch erst mal mit ihm.” Der Geweihte tätschelte beruhigend ihren Arm. “Klärt die Dinge die Euch nicht an seiner Rede gefallen haben. Das mit den Geweihten zum Beispiel und klärt Missverständnisse auf. Dann lernt ihn etwas besser kennen. Ich glaube er wird Euch gefallen. Und wenn nicht, dann könnt Ihr ihn immer noch zurechtstutzen oder über den Kosch jagen.” Die letzten Worte wurden von einem Augenzwinkern begleitet.

Sabea nickte verständig. Nach einer Weile des spazierens, entdeckte der Geweihte der Sturmgöttin den Junker Thankred, der mit dem Geweihten der Lieblichen bei einem Bier in einem Pavillon saß. Auch die Altenbergerin entdeckte die Beiden und blieb stehen. Ihr Gesicht nahm eine rötliche Färbung an und es schien, dass sie tief Luft holte. Dann sprach sie laut und polternd: “Ist euch die Hitze der Liebe schon so zu Kopf gestiegen, das ihr Schutz im Schatten sucht?”

Thankred erhob sich überrascht und straffte seinen Gehrock. "Mitnichten Edle Dame. Es war vielmehr so, dass seine Gnaden mich darüber aufgeklärt hat, dass die Wahl meiner Worte euch gegenüber missverständlich war. Dafür möchte ich mich hiermit ausdrücklich entschuldigen. Es lag mir fern respektlos oder geringschätzig gegenüber Götterdienern zu klingen.

Das was ich sagte sollte ausdrücken, dass mein Interesse allein bei euch liegt."

Der Junker wies kurz zu dem Geweihten neben sich. "Rahjel erzählte mir gerade, dass ihr eine vortreffliche Armbrustschützin seid und ich meinte daraufhin zu ihm, dass ich gern mit euch auf die Jagd gehen würde. Ich bin ganz passabel mit dem Bogen.

Ein solcher Ausflug wäre sicher eine passende Gelegenheit sich kennenzulernen.”

Sichtlich nahm der Juker ihr den Wind aus den Segeln. Hatte sie sich also doch getäuscht. Rondradin hatte also recht! Thankred erschien ihr jetzt in einem ganz anderen Licht. Sie ergriff die Hand des Geweihten und ging nun direkt zum Pavillon. Dann blieb sie vor den sitzenden Männern stehen, wobei ihr gewaltiger und wippender Busen verriet, das ihr Herz schnell am schlagen war. “Es sei euch verziehen, Thankred. Auch ich hatte einige Fehlschlüsse euch gegenüber, aber seiner Gnaden Rondradin war so freundlich, diese mir aufzuzeigen.“ Sabea ließ seine Hand los und stemmte nun beide in ihre Hüften. “Eine Jagd hört sich fantastisch an. Allerdings glaube ich nicht, dass wir das hier im Garten machen dürfen. Auch wenn meine Familie viel toleriert, aber wenn ich das Fest verlasse, wäre das ein wenig zu viel. Wir könnten uns aber im Armdrücken messen.” Sie grinste herausfordernd, bis ihr die Warnung vom Geweihten der Rondra wieder einfiel. Mit einem unsicheren Seitenblick schaute sie zu Rondradin.

Der war gerade bemüht ein breites Grinsen zu unterdrücken. Nach Sabeas Begrüßung hatte er schon das Schlimmste befürchtet, aber Thankred hatte glücklicherweise die rechten Worte gewählt um Sabea zu besänftigen und dabei Rondradins eigene Worte unwissentlich bestätigt. Das mit der Armbrust hatte er geflissentlich überhört. Solange es nur zur Jagd war, konnte er es tolerieren. Armdrücken war eine passende Idee für einen ‘Schlagabtausch’ zwischen den beiden, wie er fand. Deshalb nickte der Geweihte Sabea zustimmend zu.

Erst wusste Thankred offenbar nicht, was er auf diese unerwartete Frage erwidern sollte. Er war abseits des Turniers, ja der Tjostbahn noch von keiner Frau gefordert worden, die Situation fühlte sich schlicht befremdlich an... Doch vielleicht, so dachte der Trollpforzer bei sich, war eben genau das der beste Beweis dafür, dass SIE die Richtige war für ihn und er begann zu lachen- nicht über die Forderung, sondern über die gewonnene Erkenntnis. Und so war es ganz und gar kein spöttisches Lachen, sondern eines, das ansteckend war.

Lieber noch wäre Thankred gewesen, Sabea hätte ihn zu einem Ringkampf herausgefordert. Auch dieser Gedanke war nicht dazu geeignet sein Lachen abebben zu lassen. Zumal es keine ganz abwegige Idee war bei ihrer imposanten Statur. Auf jeden Fall hätte er in dieser Disziplin gerne unterlegen. Doch anstelle diese wenig schicklichen, mehr komischen Gedanken zu teilen, sagte der Junker: "Die Herausforderung nehme ich gerne an", und nickte Rondradin respektvoll zu, er wusste, dass er in seiner Schuld stand. Der Geweihte nickte ebenfalls.

Sabeas Gesicht erhellte sich und in ihren Augen war etwas … laszives? “Dann ist das jetzt fest!” sagte sie. Bevor noch irgendjemand etwas sagen konnte mischte sich der Geweihte der Rahja ein. “Rahja … und Rondra sei dank!” Er stand auf und legte seinen Arm um Rondradin. “Wir werden alles dafür vorbereiten, nicht war, Bruder Rondradin?” Rahjel schaute ihn erwartungsvoll an. “In der Zwischenzeit, nutzt doch die Gelegenheit hier etwas zu sprechen,”er drückte Sabea sein Bier in die Hand,” bei einem Bier. Wir kommen euch dann holen, was sagt ihr?”

Rondradin atmete erleichtert auf. Sein Blick wanderte von Sabea zu Thankred und zurück, bevor er Rahjel antwortete. “Gerne Bruder, lassen wir die beiden ein wenig allein.”, stimmte der Geweihte lächelnd seinem Bruder im Glauben zu. “Ist das für Euch in Ordnung, Sabea?” Der Wasserthaler war sich ihrer Antwort sehr sicher, aber sie hatte ihn um seine Begleitung gebeten, als sie sich hierher auf den Weg gemacht hatten.

Sabea nickte ihm zu und die beiden Geweihten zogen sich zurück. Mit einem Herzklopfen nahm sie neben dem Junker auf der Bank platz.

Auch Thankred war nervös und innerlich aufgewühlt. Es war eine Sache sich einen Moment herbeizuwünschen, ihn dann nicht einfach verstreichen zu lassen, sondern die Gelegenheit beim Schopfe zu greiten eine gänzlich andere. Was sollte er nur tun?

Einige Zeit lang sah der Trollpforzen den beiden Männern nach, die sich entfernten und überlegte hektisch, was er passendes, wohlklingendes sagen konnte, um Sabea von sich zu überzeugen. Ihm fiel nichts gescheites ein und so fasste er sich ein Herz und war schlicht er selbst, versuchte es mit ehrlichkeit.

“Ich habe mir lange gewünscht euch kennenzulernen. Es ist Monde her, dass ihr mit in Elenvina über den Weg gelaufen seid. Ich war von eurer Erscheinung verzückt und die Geschichten, die man sich über euch erzählt weckten mein Interesse nur noch mehr.”

Erst jetzt wandte Tankred den Kopf und sah Sabea in die Augen. “Doch nun, da ich neben euch sitze fehlen mir die rechten Worte. Ich verstehe mich nicht auf die geschliffene Konversation, hohe Minnekunst, oder gar Posie.”

Er lächelte. “Und meine Hoffnung war und ist, dass ihr eine Frau seid, die eben darauf weniger Wert legt, denn auf ein offenes, ehrliches Wort. Damit werde ich es versuchen.”

Thankred straffte sich noch einmal, dann begann er mit leicht rauer Stimme zu erzählen.

“Ich bin ein Bastard, der von der geprellten Ehefrau seines Vaters erst auf dem Sterbebett anerkannt wurde. Sie verpflichtete ihn sogar mich als ihren Nachfolger bestätigen zu lassen, warum wissen die Götter. Mein Halbbruder, ihr leiblicher Sohn starb in Mendena als Held beim Kampf gegen einen Vielgehörnten. Mein Vater verlor einen Arm im Orkensturm.”

Thankred seufzte und zuckte mit den Schultern. “Ich kenne meine wahre Mutter nicht, nur die Amme, die mich aufzog. Früh schon wurde ich Page, später Knappe bei Dragwin von Schleiffenröchte. Wer die Ausbildung bezahlte weiß ich ebenfalls nicht.

Den Ritterschlag jedenfalls erhielt ich vor zwei Jahren. Seit dieser Zeit bin ich Herr von Trollpforz.

Es ist kein reiches Gut, aber die Burg ist kolossal und gewaltig. Sie liegt wunderschön gelegen zwischen Ingrakuppen und dem Eisenwald, das gleichnamige Dorf liegt zu Füßen des Felsens in den sie hinein gebaut wurde von den Schraten.

Die Wälder sind reich an Wild und die Felder des Hochplateaus entlang der Opferschlucht erbringen ausreichende Ernten für die Menschen dort. Außerdem kommen viele Quanionspilger zur Burg. Der Praios- Heilige hat doch einen Schrein errichtet und geweiht.

Ich habe nicht mehr als fünf Dutzend Untertanen, aber sie sind ehrlich, treu und leben ebenso gerne wie ich im Isenhag.

Freier kann man nirgends sein Sabea und wenn ich eure Natur einschätzen sollte, dann würde ich vermuten, dass euch das mit das wichtigste ist im Leben- Freiheit. Wir würden jagen gehen, Holz schlagen für den Winter, Pilze und Kräuter suchen in den Bergen, Ernte einholen helfen bei unseren Untertanen und all das als Gleichgestellte. Ich will und ich brauche eine starke Frau an meiner Seite, denn ich werde auch einmal einige Monde zur Turniersaison in der Fremde weilen. Dann wärt ihr die Herrin von Trollpforz.”

Thankred atmete einmal tief ein und aus um sich zu fassen.

“Ich kann euch wenig mehr bieten als das und meine Liebe, die wachsen wird, davon bin ich überzeugt.”

Noch nie war Sabea so gerührt von jemanden, wie in diesem Moment. Ihre Hand wanderte zu ihren mächtigen Busen und blieb an der Stelle liegen, wo sie ihr Herz vermutete. Ja dieser Mann war aufrichtig und er meinte das ernst. All die Dinge die er sagte, trafen all ihren Vorstellungen. Aber dennoch. Sie kannte ihn gerade mal wenige Wasserläufe. Auch sie tendierte zu impulsiven Entscheidungen, doch hier wollte sie sich Zeit nehmen. Zumindest das Armdrücken wollte sie noch abwarten. “Ich kann euch nur bewundern, Thankred. Eine traurige Geschichte, aber wahrlich ein großes Erbe das ihr da angetreten seid. Eine Frau kann sich glücklich schätzen, an eurer Seite zu regieren. Und keine Angst. Ich glaube euch jedes Wort. Nun ihr habt mich bei der Arbeit beobachtet. Ich bringe wichtige Kunde von einem zum anderen Adligen. Aber ich muss ehrlich sein, erfüllen tut mich das nicht. Wie gerne wäre ich Ritterin oder Kriegerin geworden. Aber meine Familie war strikt dagegen. Immerhin haben sie mir die Armbrust erlaubt. Wißt ihr, meine Mutter ist eine Ritterin, doch hat sie aus Liebe zu meinem Vater das Schwert über den Kamin gehängt.” Ungläubig schüttelte sie den Kopf. “Elenvina ist wie ein Korsett. Und diese Dinger sind an mir eh viel zu eng und passen nicht. Ich glaube wir sind uns da sehr ähnlich.” Nun grinste sie. “Aber ich meines ehrlich, so schnell ist mein Herz nicht zu erobern, aber wir haben ja den ganzen Tag Zeit, das ihr mich überzeugen könnt. Und ich erwarte kein höfisches Aufgepluddere.” Dann erhob sie ihren Oberarm und spannte ihn an. “Bis jetzt hat mich noch kein Mann besiegt!” Sie lachte laut und polternd.

“Gern würde ich euch von diesem Korsett befreien.” Thankred lächelte, eine wohlgesetzte Doppeldeutigkeit. “In Trollpforz gibt es solche Zwänge nicht. Dort könnt ihr sein wer ihr seid. Als Herrin der Burg, der Ländereien wird von euch quasi verlangt, dass ihr eine Waffe an eurer Seite tragt, wenn ihr euch ins Dorf oder die Wälder begebt, da interessiert es nicht, ob ihr zur Ritterin geschlagen wurdet, oder einen Kriegerbrief euer eigen nennt. Was zählt ist der Wille wehrhaft zu sein und genau diesen Willen besitzt ihr.”

Der Junker zuckte gleichmütig mit den Schultern. “Ich selbst trage das Schwert nur als Standeswaffe. Meine Vorliebe liegt bei Streitkolben und Schild, zur Jagd bei Bogen und Stoßspeer. Mit der Lanze bin ich bestenfalls gerade über das Anfängerstadium hinaus.” Er lachte und erhob sich, nur um Sabea dann den Arm hinzuhalten, auf dass sie sich einhaken konnte. Das Bild, welches die beiden dabei abgeben würden amüsierte Thankred.

“Wenn ihr mir diese Freude bereiten wollt? Immerhin ist es gut möglich, dass mich unser Weg zu einer Niederlage führt. Eine, die für mich ganz und gar keine Demütigung wäre, wie ich betonen möchte. Und offen gesprochen würde es mich nur weiter darin bestätigen, in euch die Frau zu sehen, an deren Seite ich leben möchte.”

“Streitkolben. Wunderbar!” Ihr Gesicht strahlte weiter hin, während sie sich bei ihm einhakte.

“Als die schmierigen Thorwaler in Elenvina eingefallen waren, hatte ich kurz überlegt, ob ich das Schwert meiner Mutter vom Kamin hole. Aber der Stützbalken vom Dach der benachbarten Schmiede war mir dann doch lieber. So einen schweres Stück Holz zu schwingen fühlte sich einfach richtig an. Und die dämlichen Thorwaler haben auch ordentlich was auf den Schädel bekommen. In unser Viertel haben die sich dann nicht mehr gewagt. Meister Kerbholt war nicht ganz glücklich darüber, dass das halbe Dach der Schmiede eingestürzt war, aber bedankt hat er sich trotzdem.” Sie lachte laut auf. Dann kam ihr eine Idee. Sie ging zum nächsten Baum und brach ein schönes Stück Ast ab und drückte es dann Thankred in die Hand. “Ich weiß, es ist nicht ganz das gleiche, aber würdet ihr mir zeigen, wie ihr so mit dem Streitkolben umgehen würdet?” Neugierig schaute sie ihn an.

Der Junkter fiel in das Lachen mit ein. “Ich hätte nur zu gerne gesehen, wie ihr den gefürchteten Schildwall der Nordmänner zurückgedrängt habt. Das muss ein wahrhaft beeindruckendes Bild gewesen sein."

Thankred nahm den Ast und wog ihn in der rechten Hand. "Der Streitkolben ist eine stark unterschätzte Waffengattung, zumindest kommt sie in der Ritterschaft etwas außer Mode, zu Unrecht wie ich finde, denn sie mag schlicht sein, doch bietet sie viele Möglichkeiten und eignet sich auch im Kampf hoch zu Ross.

Bei einem Streitkolben ist die richtigen Balance von Kopf bezogen auf die Länge seines Stiels von enormer Bedeutung. Ich bevorzuge einen langes mit von Zwergenhand durch Eisendraht verstärktes Kernholzstück und einen eher leichten Kopf, denn nicht das Gewicht ist von vorrangiger Bedeutung, sondern die Geschwindigkeit beim Aufprall.

Je schneller der Kopf auf das Ziel trifft, desto mehr Wucht überträgt sie. Und da man eine schwere Waffe langsamer schwingt als eine leichte ist der Vorteil offenkundig.

Die gesteigerte Länge der Waffe jedoch hat die Bewandtnis, dass man damit nicht nur seine Reichweite vergrößert, sondern, dass die Geschwindigkeit des Kopfes steigt, je länger der Stiel ist. Und damit wären wir wieder bei mehr Geschwindigkeit, mehr Wucht."

Thankred führte ein paar demonstrative Schwinger aus und schlug sich dabei mit der freien, linken Hand auf das entsprechende Standbein und federte ein, zweimal in den Oberschenkeln, um zu demonstrieren, wo der entsprechend sichere Stand lag, bei dem auszuführendem Schlag und zeigte Sabea mit welchen Schwüngen die meiste Wucht auszuüben war.

"Die gewählte Technik im Kampf variiert stets mit der Bewaffnung des Gegners. Mein Streitkolben besitzt Dornen, wie bei den Varianten, die man im Süden des Kontinents findet. Diese können nicht nur als Panzerstecher für Plattenteile verwendet werden, sondern auch, um das gegnerische Schild gezielt herabzureißen."

Der Junker schüttelte amüsiert über sich selbst den Kopf. "Zu diesem Thema kann ich euch stundenlang etwas erzählen und demonstrieren. Gemeinsame Waffenübungen hätten auf mich jedenfalls mehr Reiz als Spaziergängen durch die vornehmen Viertel Elenvinas, wie ihr inzwischen sicher festgestellt habt." Thankred lachte abermals.

Mit großer Spannung hörte Sabea aufmerksam zu. So eine Streitkolben wollte sie auch ausprobieren. “Ich würde gerne mal euren Streitkolben in meinen Händen haben und damit hart zuschlagen!”, kam es begeistert aus sie heraus. Nun riss sie einen zweiten Ast ab und ahmte die Schläge des Junkers nach. “Mach ich das richtig so?” Ihre Zungenspitze berührte ihre Oberlippe, während sie sich breitbeinig aufstellte und ihn konzentriert anschaute.

Der umrundete Sabea, um in ihren Rücken zu kommen. Dann packte er sie, sich wenig um den Anstand kümmernd bei den Hüften und prüfte somit ihren Stand. “Gut”, kommentierte er ihn und stellte sich wieder an ihre Seite, um ihre Schwünge leicht zu korrigieren, indem er ihr zeigte, wie sie möglichst effektiv zuhieb.

"Wir können auch jederzeit zu meinem Zeltplatz gehen”, offerierte er währenddessen. “Dort könnte ich euch eine richtige Waffe in die Hand drücken, so dass ihr ihre Eignung für euch bewerten könntet. Von den reinen körperlichen Voraussetzungen dürfte mein Streitkolben für euch passend sein.”

“Das würde ich gerne machen … später” sagte sie. War da etwa ein zweideutiger Ton zu hören? Sabea schmiss den Ast auf die Wiese. “Ich denke es ist Zeit uns mal wieder zu zeigen. Und wer weiß… vielleicht bekommen wir beide ja noch Konkurrenten?” Sie lachte und hakte sich wieder bei Thankred ein.

***

Rahjel wartete bis sie ausser Sichtweite des Liebespaars war und drehte sich dann zu Rondradin. “Uff, das war … interessant. Wie habt ihr das geschafft Sabea umzustimmen? “ Neugierig betrachtete er den Rondrageweihten.

Der lächelte seinen Glaubensbruder an. “Mit der Wahrheit, etwas Einfühlungsvermögen und einem Hauch väterlicher Strenge.” Er lachte erleichtert. “Sabeas Ablehnung gründete auf Missverständnissen. Sie hielt den Junker - wie waren noch ihre Worte? - für einen eitlen Gockel und einen Lüstling, der zudem die Götter schmähte. Glücklicherweise hatte ich schon zuvor ein aufschlussreiches Gespräch mit seiner Wohlgeboren. Nach dem ich guten Gewissens alle Vorbehalte Sabeas zerstreuen konnte. Zudem habe ich dem Junker von Sabea erzählen können, wonach er noch mehr darauf brannte sie endlich kennenzulernen.” Der Geweihte schien außerordentlich zufrieden mit der gerade vorherrschenden Situation und sich selbst zu sein.

“Wir hatten noch keine Gelegenheit richtig zu sprechen, Bruder Rondradin. Ich bin froh dass ihr hier seid. Die Doctora hat mir von euch erzählt. Nun wegen den beiden. Es folgt nach dem Werben die sogenannten Götterspiele auf der Festwiese. Wir sollten einen Tisch aufstellen lassen für die beiden. Würdet ihr das übernehmen, die beiden dabei zu unterstützen? Ich denke das passt doch gut, es unter dem Segen Rondras zu nehmen. Was meint ihr?” Freundlich lächelte er Rondradin an.

Rondradin schmunzelte. “Ein arbeitsreicher Tag, für uns alle, will ich meinen. Ich helfe Euch gerne mit dem ‘Duell’ unserer beiden Schützlinge.” Augenzwinkernd fuhr er fort. “Was erzählt den die Doctora so über mich?”

Rahjel legte seinen Arm auf Rondradins Schulter. “Nur gutes. Es war ihr wichtig dass ihr die Familie nach Herzogenfurt begleitet. Und das ihr euch gut mit Gelda verstanden habt. Nicht nur einmal hatte sie erwähnt, dass sie euch gerne als Werber hier gesehen hätte. Doch von einer Verlobung in Nilsitz hat sie auch erzählt. Hierzu meinen Glückwunsch!”

Das Lächeln in Rondradins Gesicht starb einen grausamen, langsamen Tod. Zu oft hatte er diese Worte in ähnlicher Form am heutigen Tage vernommen und jedes Mal war es ein neuer blutender Stich in sein Herz. Die Versicherung, dass Gelda sich ihn als Werber gewünscht hätte, war so als ob man das Messer in der Wunde nochmal gedreht hätte. Ihm fehlte die Kraft noch länger die Maskerade aufrecht zu erhalten. “Verzeiht, ich brauche einen Moment für mich.” Ohne auf eine Antwort zu warten wandte er sich um und ging fort. Er war sich nun sicher, Rahja hasste ihn.

Wäre Rahjel noch ein junger Geweihter gewesen, hätte er Rondadins abruptes gehen dem Wesen der Geweihten der Rondra zugesprochen. Doch dem war nicht so. Den Stich in dem Herzen des Geweihten konnte er regelrecht spüren. Wer denken mag das Geweihte der Zwölfe sich untereinander nicht bräuchten, hätte fehl gedacht. “Nehmt euch eure Zeit, ich komme etwas später zu euch, um die Spiele vorzubereiten.” Er ließ ihn ziehen. Aber nur für den Moment. Wie es schien war die Verlobung nicht zu beglückwünschen. Die Erwähnung seiner entfernten Verwandten löste den Wandel aus. Wie es schien waren die Kinder von Hamar und Rondela in der Gunst der Liebesgöttin. Rahjel glaubte nicht an Zufälle. Seine Herrin hat ihn nicht umsonst auf den Geweihten der Rondra stoßen lassen. Er nahm die Aufgabe an.

Gäste im Park (Parallel zur Vorstellungsrunde)

Doratrava hatte noch ein wenig genascht und etwas getrunken und sich dann für den Moment von den Altenbergern verabschiedet, um ihrer Verabredung mit Rahjagoras nachzukommen. So erreichte sie nun das bunte Zelt der Gaukler und sie schaute sich suchend um, ob sie den Gärtner irgendwo sehen konnte.

Lange musste sie nicht warten, denn der Gartenmeister war nicht weit … und auch nicht alleine. Eine kleine Gruppe von Leuten schienen schon auf Doratrava zu warten.

Dem Gärtner angeschlossen hatte sich eine kleine Gruppe von Leuten, darunter auch Liobha von Leihenhof, ein junges Mädchen, sehnig, schlank, mit grünen Augen, ihr war die Verwandtschaft zu den Leihenhofs anzusehen, und Aureus von Moosgrund, Knappe bei Fedora von Firnholz. Von mittelgroßer Gestalt mit leicht korpulenten Ansätzen, seine Stärke sind Wuchtschläge und ein fester Sitz auf dem Pferderücken. Das dunkle Haar trägt Aureus recht kurz und versucht einen kleinen Kinnbart zu kultivieren.

Für einen kurzen Augenblick klaffte Folcrad die Kinnlade herunter. Das war doch die schöne Gauklerin, welche eben erst die Gäste erfreut hatte. Er bewunderte heimlich die körperlichen Höchstleistungen von Akrobaten, nicht, dass er ein Stubenhocker wäre, aber die Leibesertüchtigungen seines Schwertvaters hatten ganz andere Aufgaben und Ziele. Dennoch könnte es sicherlich nicht schaden im Kampf ebenso, beinahe unnatürlich, beweglich zu sein. Vielleicht sollten sie gemeinsam etwas einstudieren, um später den hohen Herrschaften zu gefallen? Nein, gewiss nicht. Das ziemt sich doch nicht, oder?

Erst war Doratrava überrascht, nicht nur Rahjagoras vorzufinden. Andererseits - warum sollte er nur sie und Rondradin eingeladen haben? Also winkte sie fröhlich beim Näherkommen und erkannte, dass die anderen Eingeladenen alle sehr jung waren. Was wollte der Gärtner ihnen denn zeigen?

Als Doratrava bemerkte, dass Folcrad sie offen anstarrte, entfuhr ihr impulsiv "Na, ist mir in letzter Zeit ein Horn gewachsen?" Aber sie zwinkerte dem Jungen dabei zu, es war nicht böse oder spöttisch gemeint.

Der Knappe lief rot an und konnte nicht verhindern, dass er einen Blick zwischen seine Beine warf, wo sich zum Glück alles wieder beruhigt hatte. “Nein, ich glaube nicht”, brachte er kleinlaut hervor, nur um dann ein wenig frech fortzufahren:”Aber Du bist so schön, wie der erste Schnee im Morgengrauen, kurz bevor die Sonne aufgeht.”

“Da habe ich aber Glück gehabt”, erwiderte Doratrava und fasste sich mit einer übertriebenen Geste tastend an den Kopf, auch, um Zeit zu gewinnen. Komplimente, die ehrlich gemeint waren, machten sie verlegen, zumal, wenn sie von halben Kindern kamen, die gerade dabei waren, ihre Kindheit abzustreifen. Dann hob sie mahnend den Zeigefinger und blitzte Folcrad mit ihren grasgrünen Augen an. “Aber der erste Schnee im Morgengrauen kann beißend kalt sein”, gab sie mit unschuldiger Miene den ersten Gedanken zurück, der ihr spontan in den Sinn kam.

Boah! Der saß! Aber Folcrad ließ sich darauf ein und erwiderte mit einem schelmischen Grinsen:”Vielleicht mag ich es ja gebissen zu werden. Außerdem, hat nicht alles, was einem gefällt auch einen Preis, den man dafür zu zahlen hat. Wer sich gern den frischen Schnee im Morgengrauen anguckt, um zu sehen, wie die Sonne ihn zum funkeln bringt, der muss halt mit Erfrierungen rechnen.”

"Solange man nur guckt, mögen sich die Erfrierungen in Grenzen halten", erwiderte Doratrava nicht weniger schelmisch. Dann streckte sie ihren linken Arm mit der Handfläche nach vorne aus und sah den Jungen herausfordernd an. Gedanken daran, was sie da tat und wohin das führen mochte, schob sie geflissentlich zur Seite, denn das war doch nur ein Spiel.

Der Knappe reagierte, indem er seine Hand an ihre legte und die erste Position eines der Hoftänze einnahm, die ihm sein Schwertvater beibringen ließ. Für Kenner wirkte es etwas unbeholfen und er vergaß bei der dazugehörigen Verneigung den Kratzfuß. Dann blickte er ihr in die Augen und lächelte.

Erst hatte Doratrava die Hand schnell wegziehen wollen, um den Knappen mit einer schnippischen Bemerkung ins Leere laufen zu lassen, doch sein ernsthaft-bemühter Gesichtsausdruck hielt sie davon ab. Nicht jeder Schabernack war es wert, getrieben zu werden. Statt dessen übte sie Druck auf seine Hand aus und tanzte elegant einmal im Kreis um ihn herum, was ihn dazu zwang, sich mitzudrehen, wollte er den Kontakt zu ihrer Hand nicht verlieren. "Mit Musik wäre es schöner", bemerkte die Gauklerin mit hintergründigem Lächeln, nachdem sie die Drehung vollendet hatte. Ihre Hand lag noch immer an der seinen. "Schon Erfrierungen?"

“Da habt ihr Recht”, grinste er und rief den Außenstehenden zu:”Musik bitte!” Er machte die nächsten Schritte und war froh darüber, dass zumindest sein Körper noch wusste, wie es weiterging. `Bloß nicht nachdenken!`ermahnte er sich selbst. “Nein, holde Schönheit, bisher nicht. Und Ihr? Seid Ihr meiner schon Überdrüssig” Er lachte, denn es machte ihm Spaß, ganz ohne Regeln sich frei auf diesem Fest dem Tanz hinzugeben. Es fiel ihm wesentlich leichter mit Doratrava zu tanzen, als mit dem verknöcherten alten Tanzlehrer, der es liebte seinen Rohrstock möglichst häufig zu benutzen.

Die alte Gerta und die junge Malvada schauten sich an und grinsten. Sogleich begann die Ältere ein fröhliches Lied auf der Flöte zu spielen, während die Jüngere dazu sang.

Doratrava hob eine Augenbraue. Der Kleine wurde mutig. Andererseits konnte sie eine Gelegenheit zum Tanz einfach nicht ausschlagen, außerdem freute sich der Junge auf so natürliche Weise, da wollte sie ihn nicht vor den Kopf stoßen.

Sie hatte nur eingeschränkt Ahnung von höfischen Tänzen, denn wenn sie Folcrads Schritte richtig deutete, versuchte er etwas in dieser Art. Aber sie hatte ein unglaubliches Talent, sich intuitiv auf die Musik und die Umgebung einzustimmen, so bereitete es ihr keine Schwierigkeiten, passende, wenn auch nicht formal richtige Schritte zu erfinden und in einen harmonischen Fluss münden zu lassen.

Die Gauklerin gab keine Antwort auf die letzte Frage und lächelte nur mit schalkhaft blitzenden Augen. Zu den Takten des fröhlichen Liedes wirbelte sie um Folcrad herum, aber nicht, ohne ihm durch Zug und Druck seiner Hand Teilhabe an diesem für ihn sicherlich ungewöhnlichen Tanz zu ermöglichen. Dabei kam er ihr teilweise sehr nahe, obwohl sie darauf bedacht war, nur seine Hand zu berühren, und konnte feststellen, dass das dünne, freizügige rote Kleid, dass Doratrava trug, ihren schlanken Körper mit den nicht allzu ausgeprägten Brüsten sehr ... aufschlussreich nachzeichnete.

Doch als die Gauklerin sich an den Umstehenden vorbeidrehte, winkte sie diesen zu. "Los, macht mit, wir sind auf einem Fest!"

Mit einem lauten Lachen und Klatschen unterbrach Rahjagoras die beiden Tanzenden. “So Lob ich das mir, Rahja ist ganz bei uns. Und glaubt mir, für das Tanzen haben wir später noch genug Zeit. Da wir alle versammelt sind würde ich euch jetzt bitte mir in den Park zu folgen, die Werber wollen wohl nun eine Zeit für sich haben”. Bestimment, aber immer noch fröhlich winkte er alle zusammen und lief voran.

“Ooch…” schmollte Doratrava ein wenig, folgte dann aber brav Rahjagoras. Zu den anderen machte sie eine entschuldigende Geste und meinte: “Dann halt später, er hat es versprochen.” Sie grinste ein wenig übermütig.

“Schade, es hat gerade richtig Spaß gemacht, auch wenn ich glaube, dass Ihr einen neuen Tanz erfunden habt,” sagte er augenzwinkernd und mit einem breiten Lächeln im Gesicht. “Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.”

“Habe ich das?” grinste Doratrava zurück, aber ohne weiter darauf einzugehen. Dann sprang sie leichtfüßig hinter Rahjagoras her.


Cupida vom Lilienhain strahlte übers ganze Gesicht. Die Arbeit im Park und vor allem nahe des Schreins der lieblichen Göttin machte ihr immer noch soviel Freude wie am ersten Tag. Sie summte ihre liebste Melodie, drehte sich mit ausgebreiteten Armen im Kreis, als wolle sie das Dererund umarmen und ließ sich dann mit dem Rücken in die Wiese fallen. Unweit von ihr saß ein kleines Zaunkönig-Weibchen, das sie interessiert und mit schräg gelegtem Kopf musterte. "Was für ein schöner Tag ...", jauchzte Cupida dem Vögelchen entgegen, das als Antwort meckernd zwitscherte. Sie hatte Zeit ihres Lebens - seit ihr Ziehvater Rahjagoras sie vor 22 Götterläufen als Neugeborenes zu Füßen der Statue der Lilienprinzessin gefunden hatte - eine enge Verbindung zum Park und seinen Bewohnern gefühlt, ganz so, als wäre sie selbst eine von ihnen. Die junge Akoluthin der Rahja schloss ihre Augen und ließ die Umgebung auf sich wirken. Die Geräusche des nahen Festes drangen nur gedämpft an sie heran, dennoch war sie jetzt schon voll der Vorfreude was für Menschen sie heute wohl noch kennenlernen würde. Erst die nahe Stimme ihres Vaters und das knirschende Geräusch von Stiefeln auf kiesigem Untergrund ließ sie hochschrecken und beförderte ihre abschweifenden Gedanken wieder zurück ins Hier und Jetzt.


Sein erster Gang ging über den weißen Kiesweg an weiten Feldern von Lilien vorbei, die herrlich in verschiedenen Farben blühten. Nach einer Weile eröffnete sich ein Hügel der umgeben war mit Rosenbüschen und dessen Mitte ein viereckigen Pavillon zierte. Das Dach war rot gestrichen, die Wände in weiss und der Eingang war offen mit einem halbrunden Durchgang. Mit gemächlichen Gang führte der Gartenmeister die Gruppe direkt darauf zu. “Und hier meine verehrten Gäste: der Schrein der holden Göttin Rahja!”

"V ... Vater ...", die junge Frau sprang überrascht auf und sah sich sofort mit einer kleinen Gruppe an Gästen konfrontiert, die Rahjagoras im Schlepptau hatte, "... du ... schon hier." Sie war doch noch gar nicht fertig. Kurz sah Cupida an sich selbst herab. Wie immer im Park war sie barfuß unterwegs, was ihre schmutzigen Füße eindrucksvoll belegten. Auch ihre schlanken Hände waren von ihrer Arbeit an den Rosenstöcken etwas verdreckt gewesen. Die junge Frau hatte ihre langen, roten Haare zu einem dicken Zopf geflochten und musterte die Gäste neugierig. Besonders lang lag ihr sehnsüchtiger Blick dabei auf Doratrava, dann stahl sich ein verträumtes Lächeln auf ihr, von zahlreichen Feenküsschen gezeichnetes Antlitz. "Cupida vom Lilienhain ...", erinnerte sie sich einige Herzschläge später doch noch ihrer guten Erziehung und deutete einen ehrerbietenden Knicks an, "... die Liebliche zum Gruße."

Etwas verwundert registrierte Doratrava den langen Blick der jungen Frau, die so etwa in ihrem Alter sein dürfte. Darin lag etwas, das ihr eine sanfte rosafarbene Note auf die Wangen zauberte. Für den Moment ging sie aber darüber hinweg und erwiderte den Knicks, sich selbst mit einem herzlichen Lächeln vorstellend: “Doratrava, Gauklerin, Tänzerin, Akrobatin”.

“Folcrad von Baldurstolz, Knappe des Edlen zu Hinterwald, Ritter Vitold von Baldurstolz”, stellte er sich vor und verneigte sich dabei. Seinem Gesicht ließ sich gerade die pure Lebensfreude ansehen. Als er in die Runde blickte und Fecundaque gewahr wurde, röteten sich seine Wangen und er blickte kurz zu Boden. Cupida bedachte die beiden noch einmal mit einem freundlichen Lächeln, wiewohl es unschwer zu erkennen war, dass vor allem die Gauklerin gegenwärtig ihre Aufmerksamkeit vereinnahmte. "So früh hatte ich noch nicht mit Besuch gerechnet", der Blick der jungen Frau ging an sich selbst hinab, dann streifte er ihren Vater und die restlichen Anwesenden - in beinahe entschuldigender Intensität. Die Lilienhainerin war in ein einfaches weißes Kleid gekleidet und bar jeglichen Zierrat oder Schuhwerk. "Soll ich ähm ... den Gästen den Schrein zeigen?", fragte sie ihren Ziehvater.

“Das wäre eine gute Idee, ich befürchte dass Bruder Rahjel meine Hilfe benötigt. Ersten den Schrein, dann den Teich mit Statue und gerne das Amphitheater.” Dann drehte er sich zu den Gästen. “Cupida wird euch alles zeigen. Wir sehen uns später!” Mit einer kleinen Verbeugung verabschiedete er sich und ging zurück zu Festwiese. "Ja, Vater ...", bestätigte diese und deutete mit einer einladenden Handbewegung auf den Schrein, "... wenn mir die hohen Damen und Herren folgen wollen."

Doratrava legte den Kopf etwas schief, als Cupida sie erneut musterte. Flüchtig und etwas abwesend winkte sie Rahjagoras hinterher, während sie weiterhin das Interesse der jungen Frau einzuordnen versuchte. Irgendwie erinnerte sie der Blick daran, wie Jel sie zum ersten Mal … richtig angesehen hatte. Und rote Haare hatte sie auch. Wie Gelda. Wie Jel. Sie schluckte bei diesem Gedanken und sah unwillkürlich zu Boden, brach den Kontakt. Die junge Lilienhainerin konnte den Blick der Gauklerin förmlich fühlen, doch als sie ihn erwidern wollte, fiel ihr auf, dass Doratrava bereits den Boden musterte. Dennoch schenkte sie ihr noch einmal ein Lächeln, begleitet von einem Augenzwinkern - auch wenn die Künstlerin dies nicht mehr wahrnehmen konnte.

Als Doratrava nach einem kurzen Augenblick wieder aufsah, erkannte sie noch den Schatten eines Lächelns auf Cupidas Gesicht, dessen Natur nicht mehr zu ergründen war, da die junge Akoluthin sich gerade den anderen Gästen zuwandte. War es verheißungsvoll gewesen? Wissend? Verlegen? Vielleicht bildete sie sich das alles auch nur ein, weil die Sache mit Jel noch immer schmerzte, wenn sie daran erinnert wurde. Sie schüttelte den Kopf und widmete sich lieber wieder der Umgebung, bevor noch jemand fragte, ob mit ihr alles in Ordnung sei.


Plötzlich versperrte ein mit einer roten Rose geschmückter rotbrauner Haarschopf Folcrads Sichtfeld. Große, ausdrucksstarke Augen blitzen unternehmungslustig. “Ihr habt Euch also auch zu der Runde durch den Park überreden lassen?” Fröhlich lachte Fecundaque dem Knappen ins Gesicht.

“Warum denn auch nicht,” lachte dieser sie an”bei diesem schönen Wetter hatte ich gehofft die schönste Rose finden zu können. Und siehe da, hier ist sie.” Er deutete dabei auf Fecundaque. Fing bei ihrer Stirn an und hörte bei ihren Knöcheln auf, während er sich in einer fleißenden Bewegung verbeugte. Er verharrte dann in dieser Stellung und bot ihr seine Hand an.

Doratrava war erleichtert, dass der Junge sich offensichtlich nicht auf sie ‘eingeschossen’ hatte, denn sie hätte nicht so genau gewusst, wie sie damit umgehen sollte. Andererseits verspürte sie einen winzigen Stich, ein sehr ungewohntes Gefühl, von Eifersucht. Aber gleich schalt sie sich eine Närrin und schob diese Regung energisch zur Seite, um statt dessen interessiert dem Austausch zu lauschen. Eifersucht kannte sie eigentlich gar nicht, Neugier dagegen umso besser.

Fecundaque kicherte während ihre zarten Finger sich in seine Handfläche schmiegten. Ihre Wangen hatten einen leichten Rotton angenommen. “Ihr schmeichelt mir.” Dann etwas leiser fügte sie hinzu. “Bitte steht wieder auf, die Leute gucken schon.”

Folcrad richtete sich wieder auf, schloss den Griff seiner Hand sanft um ihre und schaute ihr dann tief in die Augen:”Ihr seid es, die schmeichelt, nämlich der Herrin Rahja, allein durch Eure Anwesenheit.”

Verlegen schlug Fecundaque die Augen nieder. “Ich… aber… was sagt Ihr denn da?” Inzwischen war sie hochrot angelaufen, trotzdem umspielte ein Lächeln ihre Lippen. Sie drückte seine Hand und befeuchtete mit der Zungenspitze ihre Lippen. Langsam wanderte ihr Blick an Folcrad hinauf, knapp unterhalb des Saums seines Wams verharrte er einen Moment und ihr Lächeln wurde breiter. Schließlich sah sie ihm direkt in die Augen. “Wie ich sehe, ist der Fleck so gut wie gar nicht mehr zu erkennen.”

“Fleck…? Was denn für ein Fleck?”, Folcrad war einen kurzen Augenblick irritiert. Dann schoß ihm das Blut in die Wangen, als er sich an die unrühmliche Szene erinnerte. Nun gut, wenn sie spielen will… “War es denn wirklich der Fleck, der Deine Aufmerksamkeit erregt hat?”, flüsterte er leise, aber mit schelmischem Grinsen, in ihr Ohr.

Schalk blitzte Folcrad aus rehbraunen Augen entgegen. “Natürlich, schließlich habe ich ihn verursacht. Hat Euch die Wurst eigentlich gemundet? Soll Ich Euch noch eine holen, oder vielleicht eine Pflaume?”, fragte sie unschuldig lächelnd in einem zuckersüßen Tonfall.

“Nun, ich hätte schon Lust auf eine saftige Pflaume”, grinste er ebenso unschuldig, “und vielleicht noch ein paar knackige Äpfel dazu?”

Ein glockenhelles Lachen war ihre Antwort darauf. “Ihr seid frech.” Sie zog sich einen halben Schritt zurück, hielt aber auch weiterhin Folcrads Hand. “Vielleicht gebe ich Euch später eine kleine Kostprobe der … örtlichen Spezialitäten. Aber vorerst halten wir uns besser zurück, ansonsten kleckert Ihr vielleicht und es gibt weitere Flecken auf eurem Beinkleid.”

“An Frechheit mangelt es Euch aber ebenso wenig”, lachte der Knappe. “Wir können ja erstmal durch den Park schlendern, oder wollt Ihr hier bei den anderen bleiben? Wir wollen ja nicht, dass man etwas Böses denkt, wenn Ihr allein mit einem fremden und frechen Burschen durch die Lande zieht.”

Die anderen waren schon ein kleines Stück weitergelaufen. Fecundaque beugte sich vor und hauchte Folcrad einen Kuss auf die Wange. “Lasst uns den Schrein ansehen. Ich verspreche, er ist einen Besuch wert.” Damit zog sie Folcrad lachend in Richtung des kleinen Gebäudes.

“Alles, was Ihr wollt”, lachte der junge Baldurstolzer und ließ sich bereitwillig von ihr führen. Ein wohliges Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus und ließ ihn strahlen.

Das Geplänkel der beiden war ja nicht zu überhören, und sie hatte es ja auch höre wollen, aber jetzt musste Doratrava schwer damit kämpfen, nicht selbst dunkelrosa anzulaufen. Zu so offener … Werbung? - wäre sie kaum fähig gewesen, das verbot ihr ihr ungeliebtes travianisches Erbe.

Gelangweilt lief Liobha mit den anderen mit, bisher hatte sie noch nichts interessantes entdeckt. Was sollte so interessant an dem Garten sein? Gab es hier noch was anderes als Blumen, ein Rahjaschrein und die Mittagshitze? Sie hatte nicht übel Lust zurück zur Feier zu gehen, dahin wo es gerade interessant wurde und sich die ganzen Werber vorstellten.

Ähnliche Gedanken gingen auch bei Aureus im Kopf umher, hätte er sich vielleicht doch auch zur Werbung stellen sollen?


Hinter dem Rosenbusch, der den Rahjaschrein vor allzu neugierigen Blicken verbarg, hatte sich ein großer, dicklicher Mann verborgen, der schüchtern über die Hecke lugte. Die braunen, etwas ungebändigt abstehenden Haare schienen mit dem Astwerk der Rosen zu verschmelzen. Von weitem sah der Kopf wie ein verirrtes Geäst aus. Die runden Äuglein, die aus dem pausbäckigen Gesicht lugten, blickten sehnsuchtsvoll den Gästen der Feier nach, die leichtfüßig und ausgelassen durch den Park schlenderten, den Erläuterungen Rahjagoras lauschten oder es wie der Knappe Folcrad nicht mehr erwarten konnten, ein ungestörtes Fleckchen für sich und das “Naschwerk” zu finden. Doch wenn ein Blick ihn seinerseits zu streifen drohte, dann zog der Kerl den Kopf ein und verbarg sich angstvoll hinter den wohlriechenden Blumen, die bald in voller Blüte stehen würden. Nichts hätte auffälliger sein können als dieser penetrante Versuch, ja nicht aufzufallen.


Das Innere des Schreins wurde dominiert von dem ovalen Holzschnitt der an der Wand gegenüber des Einganges angebracht war. Meisterhaft war die Holde bar jeder Kleidung dargestellt, wie sie durch eine Feld von Lilien wanderte und dabei frei ihre Arme in den Himmel hob. Ihr Haar war mit roter Farbe bemalt und gaben ihr etwas leidenschaftliches. Vor dem Schnitt war eine Schale, gefüllt mit Rosenwasser. Links und rechts davon gab es Bänke, die Paare zum Kurzweil einluden. Zu Füßen der Schale war eine rosafarbene Marmorplatte eingelassen, auf dem Gläubige Opfergaben hinterließen und so lagen dort Blumen, Flakons mit Parfum, kleine Schmuckstücke und ein hölzerner Kunstgegenstand der einem Phallus nachgestellt wurde.

“Sieh mal”, Folcrad schaute sich staunend um und zeigte mal hierhin, mal dorthin. “Ich habe leider keine Opfergabe dabei, was machen wir denn da?”, fragte er und zog einen gespielten Schmollmund, auf den er seinen Finger legte. Seine Augen allerdings funkelten dabei frech.

“Hm, Ihr könntet draußen eine Blumenstrauß pflücken, oder vielleicht auch nur eine einzelne?” Sie lächelte ihn voller Unschuld an, die bei ihren Augen endete. Dort blitzte der Schalk. “Oh, ich habe eine ganz wundervolle Idee.” Sie kam näher und ergriff den Knappen bei den Händen. Dicht standen sie beieinander und Fecundaque suchte den Blick Folcrads, tauchte darin ein. Ihre Lippen näherten sich den seinen, gerade ein Federkiel hätte noch dazwischen gepasst. “Ihr Folcrad,” flüstere sie, “könntet ein Liebesgedicht vortragen.” Sie zwinkerte ihm zu und trat einen Schritt zurück, ihn frech angrinsend.

“W...Was? Ein … Gedicht?”, Folcrad wirkte, als wäre er gerade aus einem Traum erwacht. Welcher Art, ließ sich schon wieder an seiner Hose ablesen, aber das war an diesem Ort nichts ungewöhnliches oder gar ungewolltes. Dennoch schaute er Fecundaque verdutzt an, als es nicht zu dem ersehnten Kuss kam. “Ich… äh...also.” Er überlegte, ob er eins kannte, doch dann dachte er, es wäre wohl nicht richtig etwas auswendig gelerntes runterzuleiern. “Also gut, ich will es probieren: Es strahlte Herr Praios am Himmelszelt, da führte mich Rahja in eine neue Welt. In ihrem Garten eine stolze Rose stand, trug keinen Ring an ihrer Hand. Ihre Augen funkelten wie die edelsten Steine, die Farbe der Lippen wie von edelstem Weine. Ihr Lächeln war so wundervoll, es machte mich ganz liebestoll. Ich wollt´,ich dürfte sie berühren, möchte sie doch auch verführen. Sie mit Küssen überdecken, nicht jedoch mit ecklen Flecken.” Hier musste er grinsen. “So holde Rahja schenke mir, doch diesen einen Tag mit ihr.”

Die junge Dame wirkte offenkundig überrascht, als der Knappe kurzerhand diese Verse vortrug. “Ihr überrascht mich von Neuem, Folcrad. Ihr reimt aus dem Stegreif Verse über unsere Begegnung?” Ein besonderer Glanz lag in ihrem Blick als Fecundaque erneut dem Knappen näher kam. “Wobei das Gedicht gegen Ende eher einem Stoßgebet an die Liebliche glich. Trotzdem, ich glaube es war eine würdige Opfergabe an die Berauschende.” Sie trat noch näher an Folcrad heran, so dass sich ihre Körper berührten und er die von ihr ausgehende Wärme spüren konnte. Wie schon zuvor, waren sich ihre Gesichter so nahe, aber dieses Mal zog sie sich nicht zurück. “Dafür habt Ihr eine Belohnung verdient.” Damit überwand sie den minimalen Abstand zwischen ihren Lippen und küsste ihn. Nicht kurz und flüchtig, sondern voller Leidenschaft und Verlangen, doch gleichzeitig auch unglaublich sanft und zärtlich. Als Fecundaque sich schließlich wieder zurückzog und etwas Abstand zwischen ihnen schaffte, lächelte sie. “Rahja wird Euch diesen letzten Wunsch gewiss gewähren, den Tag mit mir verbringen zu dürfen. Schade, dass Ihr nur den Tag gewählt habt.” Da war er wieder, der schelmische Ausdruck in ihren Augen, der sich auch in einem ebensolchen Lächeln zeigte.

Er erwiderte den Kuss ebenso leidenschaftlich. “Nun, von Rahja habe ich mir den Tag erbeten. Doch über die Nacht bestimmt allein Ihr.” Allerdings entsprach das nicht ganz der Wahrheit, denn Folcrad hatte Verpflichtungen, doch waren ihm diese, seit er ihr begegnet war, komplett entfallen, so dass diese Worte aufrichtig aus tiefstem Herzen kamen.

Bis zu dem Kuss hatte Fecundaque mit dem gleichaltrigen Knappen gespielt. Ein wenig Tändelei war ja schön und gut, aber das hier entwickelte sich gerade in eine andere Richtung. Eine Richtung, die sie in Gedanken schon öfter durchlebt hatte, aber noch nie wirklich eingeschlagen hatte. Sie musterte Folcrad ausgiebig und ihr Blick blieb an der Beule hängen. Sie fuhr sich über die Lippen. Vielleicht. Sie sah auf, suchte seinen Blick und bemerkte den Hunger darin. Ja, er war unbedingt eine Überlegung wert. “Wir werden sehen.”

Folcrad lächelte und gab ihr einen Handkuss:”Ganz, wie Ihr wünscht, meine Rose.” Er schwelgte gerade in Glückseligkeit und betrachtete Fecundaque. Die Welt verschwand und es gab nur sie und ihn, hier in diesem Schrein.

Von draussen ergoss sich das Licht der Praiosscheibe in den Schrein und badete Fecundaque in deren Schein. Für Folcrad musste es wirken als umgebe sie eine goldene Aureole. Ihr Haar strahlte in einem kräftigen Rot und auch ihre Silhouette wirkte verändert. Für einen winzigen Augenblick glich das Mädchen der Darstellung Rahjas auf dem Holzschnitt.

Dann war der Zauber vorbei, als sie aus dem Licht trat und Folcrad besorgt ansah. “Geht es Euch gut? Ich habe gefragt, ob wir uns nicht einen Moment setzen wollen.”

“Für einen Augenblick hast Du ausgesehen, wie die leibhaftige Rahja”, hauchte er ehrfurchtsvoll und blinzelte sich in die Wirklichkeit zurück. “Ja, bitte, lass uns einfach hier sitzen und die friedliche Schönheit dieses Schreins genießen.” Hand in Hand führte er sie zu einer der Bänke und setzte sich neben sie, nachdem sie Platz gefunden hatte. Noch ganz benommen, von der Vision neigte er den Kopf und legte ihn, mit einem leisen Seufzer, auf ihrer Schulter ab. Was die anderen Gäste von dieser Geste halten mochten war ihm völlig egal. Er wollte ihre Nähe spüren, ihren Herzschlag hören und ihren Duft einatmen und einfach nur sein.

Bereitwillig hatte sich Fecundaque zur Bank führen lassen. Sie errötete als er seinen Kopf an ihre Schulter schmiegte. Trotzdem konnte sie nicht anders als den Arm um ihn zu legen. Liebevoll betrachtete sie Folcrads Gesicht, nahm jede Einzelheit in sich auf, während ihre Finger zärtlich durch seine Haare strichen. Gleichzeitig suchte nach einer passenden Antwort auf seine Worte. Ihr Herz galoppierte in ihrer Brust, wollte sich nicht mehr beruhigen und auch ihr Atem ging schneller. Zu sehr war sie von der Nähe des jungen Galans eingenommen. Anders als dieser nahm sie aber immer noch ihre Umwelt wahr. Beinahe entschuldigend lächelte sie die anderen Gäste des Schreins an, bevor sie sich wieder ihrem Knappe zuwandte. Schließlich gab es die junge Frau auf eine passende Antwort zu finden. Jetzt, in diesem Moment war sie einfach nur glücklich.

Auch Doratrava bewunderte das Innere des Schreins, bückte sich zu der Schale mit Rosenwasser, um einen tiefen Atemzug zu nehmen, betrachtete die Rahja auf dem Bild aus der Nähe. Auch sie hatte keine Opfergabe dabei, auch wenn sie kurz überlegte, ihre Tanzschuhe hierzulassen. Aber die würde sie ja vielleicht, nein, eher wahrscheinlich heute noch brauchen. Bei diesem Gedanken wirbelte sie unwillkürlich einmal durch den Schrein, natürlich darauf achtend, auf keine Opfergaben zu treten. Als aber Folcrad mit dem Dichten anfing, hielt sie verblüfft inne. Das war ja richtig gut … um sich abzulenken, stellte sie sich neben Cupida und flüsterte: “Wer war denn der junge Mann im Busch da draußen? Der so tat, als verstecke er sich?” Nicht, dass sie das wirklich interessierte, aber das Schauspiel vor ihren Augen wühlte allerlei Gefühle und Erinnerungen auf, die sie ganz durcheinander brachten. Ob das an der Nähe Rahjas hier im Schrein lag? Cupidas Blick folgte jenem der Gauklerin, doch konnte diese nichts erkennen. "Welcher junge Mann, hohe Dame?" Sie ließ ihrem fragenden Blick ein breites Lächeln folgen. "Der Schrein ist sehr beliebt bei den Menschen. Vor allem junge, verliebte Paare kommen gerne hierher." Ihr Blick ging für einen Augenblick hinüber zu ihrer ´Schwester´ Fecundaque und dem jungen Knappen, fokussierte sich dann jedoch sogleich wieder auf Doratrava. "Heute sollte der Park eigentlich geschlossen bleiben, aber Ihr wisst doch wie die jungen Leute sind wenn sie den Ruf der Lieblichen vernehmen."

“Na, draußen vor dem Schrein, im Rosenbusch. Der Gute war auch nicht wirklich zu übersehen.” Grinsend, allerding fröhlich, nicht abwertend, machte Doratrava mit beiden Armen eine Geste, als würde sie einen mächtigen Baum umarmen. “Na ja, nicht so wichtig, ich bin eben neugierig.” Dann wurde ihre Miene wieder ein wenig unsicher und der leichte Rosaton kehrte auf ihre Wangen zurück. “Ähm … weiß ich das?” Tatsächlich hatte sie Ruf der Lieblichen bisher erst ein einziges Mal erreicht, und das war bei Jel gewesen und aus heiterem Himmel noch dazu. Insofern konnte sie sich zwar vieles denken, aber nur wenig aus eigener Erfahrung heraus vorstellen.

Diese stillen Überlegungen führten zu einer längeren Pause, während der sie Cupida eindringlich musterte, ohne es selbst zu bemerken. Als sie es dann doch bemerkte, wurde der Rosaton ihres Gesichts intensiver und sie sah schon wieder zu Boden. “Verzeih …”, Doratrava schluckte im Bemühen, die Fassung zu behalten, und startete ein Ablenkungsmanöver: “Ich bin übrigens keine ‘hohe Dame’, du kannst ruhig ‘du’ zu mir sagen.” Das Manöver misslang allerdings grandios, stünde ihr Lächeln doch nun eher einem verlegenen Kind an, das mit der Hand in der Süßigkeitenschale erwischt worden war, und die rosa Farbe ihrer Wangen gemahnte nun fast schon an einen Sonnenbrand.

Die junge Frau lächelte Doratrava dankbar zu. "Das nehme ich sehr gerne an. Nenn mich doch einfach Cupida ...", sie dämpfte ihre Stimme, "... Vater hat mich noch dazu angehalten, dass ich höflich zu sein habe, bei soviel hoher Gesellschaft." Die Akoluthin zwinkerte ihrem Gegenüber verschwörerisch zu. Gut, er hatte ihr auch gesagt, dass sie doch bitte auf ihr Äußeres acht geben und einen möglichst adretten Eindruck hinterlassen sollte. Noch einmal sah sie auf ihre schmutzigen Hände. Das ging wohl in die Hose. "Kann es sein, dass du dich hier im Angesicht der Schönen nicht sehr wohl fühlst?", fiel Cupida dann mit der Tür ins Haus, während sie mit ihrem sanften Blick die samtbraunen Augen der Gauklerin suchte.

Die Worte Cupidas waren nicht dazu geeignet, den Sonnenbrand aus Doratravas Gesicht zu verbannen. Überrumpelt kam die Gauklerin ins Stottern. “Ich … äh … also … eigentlich … ist es sehr schön hier, aber … äh …” Als ihre Zunge zu verknoten drohte, hielt sie gezwungenermaßen inne und sah Cupida hilflos an. Sie warf einen Seitenblick zu Fecundaque und Folcrad hinüber und der Sonnenbrand nahm womöglich noch an Intensität zu und erreichte jetzt auch ihre Ohrenspitzen, die keck aus ihren Haaren herausschauten. Sie zwang sich mühsam, weiterzusprechen. “Also ich … Travia … ich bin sehr streng erzogen worden, und da kann ich nicht einfach …” SIe brach erneut ab und hatte das Gefühl, jetzt am liebsten im Boden versinken zu wollen, weil sie sich hier zum Hofnarren machte, eine Profession, die ihr gauklerisches Repertoire normalerweise nicht umfasste. Aber man lernte eben nie aus ...

Die junge Frau nickte wissend und streichelte über Doratravas Oberarm. Dabei vergaß sie jedoch die Rückstände an Erde auf ihren Fingern und der Handfläche. "Du bist wahrscheinlich die erste Gauklerin, die von sich behaupten kann, dass sie eine strenge ...", ihr Blick wurde fragend, verlor dabei jedoch nichts an Freundlichkeit, "... traviagefällige Erziehung genossen hat." Cupida lächelte vielsagend. "Ich bin mir sicher, dass sich dahinter eine sehr interessante Geschichte verbirgt." Kurz schien sie dann in Gedanken versunken, während ihre braunen Augen einen seltsamen Glanz annahmen. "Doch auch traviagefällige Menschen tragen Rahja in sich. Liebe gibt es ... soll es doch in jeder Familie geben ... es kann natürlich auch sein, dass ... wurde dir vor kurzer Zeit weh getan?" Die Stimme der Akoluthin wurde während ihrer Worte leiser und leiser. Die letzte Frage kam nur noch als Flüstern.

Als Cupidas Finger ihren Oberarm berührten, bekam Doratrava eine Gänsehaut. Dass die Finger gleichzeitig eine braune Spur auf ihrer weißen Haut hinterließen, bemerkte sie im ersten Moment gar nicht. Und wieder wusste sie nicht genau, was sie antworten sollte. Sie erahnte, auf was Cupida hinauswollte, was diese befürchtete, ihre Anteilnahme rührte sie und machte sie gleichzeitig verlegen - nicht, dass ihr Zustand der Verlegenheit nicht schon kaum mehr steigerbare Ausmaße angenommen hätte.

“Ich … nein … doch … also, ich weiß nicht, darüber will ich nicht hier vor allen Leuten sprechen”, flüsterte Doratrava heiser und sah die andere Frau flehend-fragend an...

...deren haselnussbraunen Augen sie in diesem Moment zu beruhigen versuchten. "Natürlich ... möchtest du vielleicht meine Rosenstöcke sehen?", fragte Cupida in sanftem Ton. "Ich denke wir können den anderen noch etwas Zeit hier im Schrein geben, bevor wir weitergehen." Ihr Blick ging an der Gauklerin vorbei. "Vielleicht treffen wir draußen auch den jungen Herrn, von dem du zuvor gesprochen hast."

Der ungelenke, dickliche Mann, der seinem Äußerlichen nach Anfang Zwanzig Götterläufe zählen mochte, womöglich jedoch wegen seiner strubbeligen Haare und seinem rundlichen Gesicht etwas jünger wirkte, als er tatsächlich war, hatte sich in der Zwischenzeit von seiner Hecke losgeeist und war auf vermeintlich leisen Sohlen an den Schrein der schönen Göttin herangeschlichen. Er wusste genau, dass er im Park nichts verloren hatte. Die Anweisung seiner Herrin Durinja waren eindeutig und unmissverständlich gewesen: “Bleib in deiner Kammer, rühr dich nicht vom Fleck bis ich dich rufen lasse. Dann befolge diejenigen Anweisungen, die ich dir ausrichten lasse. Und wenn nicht, dann jage ich dich vom Hof. Hast du mich verstanden, du Tölpel?” Er hatte fleißig und gehorsam genickt. Und sich wie immer nicht daran gehalten. Zu schön waren die langen, beeindruckend geschmückten Kleider, die hoch aufgetürmten Frisuren der Damen, die kampfgestählten Körper der Männer und all der funkelnde Zierrat. Er wollte doch nur einen Blick erhaschen. Oder zwei. Oder drei. Und dann war er plötzlich im Park und dann an der Hecke und dann hatte er gedacht, dass er einen guten Platz gefunden hätte, um nicht erwischt zu werden und dann konnte er von da nichts mehr sehen und dann hatte er sich gedacht, dass er einfach etwas näher rangehen müsste und dann stand er plötzlich neben dem Schrein und dann… Er hatte seinen feisten Körper an die Wand des Heiligtums gepresst, sein kastanienbrauner Wuschelkopf lugte um die Ecke in den Eingang des für den heutigen Anlass prachtvoll geschmückten Tempels und so beobachtete er Folcrad und die dralle Tochter des Gärtners Fecundaque bei ihrem unzüchtigen Treiben. Er lief knallrot an, starrte zuerst aus kleinen Glubschaugen und verbarg seinen Kopf dann schnell wieder, als er merkte, dass die Beiden ihre innige Umarmung lösten. Doch nur kurz konnte er seine Neugier zügeln und so lugte er erneut in das Tempelinnere hinein. Was Cupida und Doratrava sprachen, konnte er nicht hören und wähnte sich so noch immer unentdeckt.

“Ja … gerne”, antwortete Doratrava, obwohl sie noch nicht wusste, ob sie wirklich vor der jungen Frau, die sie gar nicht kannte, jetzt ihre Lebensgeschichte ausbreiten wollte.

An den dicken Jüngling hatte sie gar nicht mehr gedacht in ihrer emotionalen Verwirrung. Daran erinnert, sah sich die Gauklerin um, kaum dass sie den Schrein verließen - und sah sich plötzlich nahe Nase an Nase mit einem ziemlich runden, ziemlich roten Gesicht. Erschrocken zuckte sie unwillkürlich zurück und fasste Cupida am Arm.

Der Mann stieß einen spitzen Schrei aus, der an eine abgestochene Sau erinnerte und machte einen gewaltigen Satz rückwärts. Hätte er etwas in der Hand gehabt, dann wäre es runtergefallen - der Dicke hatte instinktiv seine Hände geöffnet und schützend vor die Brust gestreckt. Dort, wo er landete, lag ein größerer Stein, der ihn zu Straucheln brachte. Gerade so konnte er vermeiden, auf den Allerwertesten zu fliegen. “Ihr, ihr… ihr habt mich nicht gesehen”, quietschte er mit heller, kreischender Stimme, die man einem Mädchen, aber nicht einem großen, stämmigen Mann zugetraut hätte und erstarrte in der Bewegung.

Nach einer Weile löste sich Folcrad langsam von Fecundaque und sie konnte ein leises Grummeln aus seinem Bauch hören. “Entschuldige”, sagte er etwas verlegen,”aber die Wurst vorhin war seit dem Frühstück meine erste Mahlzeit…”, weiter kam er nicht, denn von draußen war ein lautes Quietschen zu hören, wie von einem Schwein. Folcrad sprang von der Bank auf und stellte sich beschützend vor Fecundaque, während er instinktiv an seine Seite griff, wo im Normalfall sein Schwert gewesen wäre. Doch auf dieser Feier war er natürlich unbewaffnet. “Bleib hinter mir”, sagte er dennoch und versuchte sich einen Überblick zu verschaffen.

Cupida schüttelte sanft ihren Kopf und ließ sich von der Panik des Knappen nicht anstecken. “Nein, nein …”, sagte sie leise und streckte dem quickenden Mann helfend ihre Hand entgegen, “... du brauchst keine Angst zu haben. Der Schrein der Lieblichen ist für jeden da, der Rahjas Ruf vernimmt.” Sie sah sich trotzig unter den Umstehenden um. “Auch wenn der Adel den Park verschließen mag … wie ist dein Name? Wir werden niemandem sagen, dass du dich hier her geschlichen hast.”

Doratrava zuckte beim Quieken des Mannes heftig zusammen und fragte ihn unwillkürlich “Habe ich nicht? Was sehe ich dann?” mit deutlicher Verwirrung in der Stimme. Beiläufig nahm sie wahr, dass Cupida den dicken Jüngling auch nicht zu kennen schien, also gehörte er vielleicht zu irgendeinem der anderen Gäste. EIn Knecht vielleicht?

Erschrocken war Fecundaque aufgesprungen und hatte sich an Folcrads Rücken festgeklammert. Erst als sie mehr erkennen konnte, entspannte sie sich ein wenig und löste die Umklammerung. Stattdessen legte sie eine Hand auf die Schulter Folcrads. “Tante Cupida hat recht, Folcrad. Der Schrein steht jedem offen und dieser Mann scheint keine Gefahr zu sein.” Ein Kuss auf die Wange des Knappen folgte. “Dafür, dass du mich schützen wolltest.” Raunte sie ihm ins Ohr.

Folcrad entspannte sich augenblicklich. Die Schule seines Schwertvaters hatte ihn gelehrt schnell zu reagieren. Offenbar zu schnell. Doch das war jetzt nicht wichtig. Er fühlte immer noch den Kuss auf seiner Wange. Er griff nach der Hand, die sie auf seiner Schulter platziert hatte und küsste ihre Finger:” Was wäre die Welt denn ohne Dich?”, flüsterte er.

“Ich...ähm...ich”, stammelte der verschrobene Mann und begann dann plötzlich, Folcrad anzustarren. “Also dafür, dass Ihr Euch bis gerade noch ziemlich erschreckt habt, seid Ihr jetzt ziemlich ausgelassen und schon gar nicht mehr bei der Sache, was?”, fabulierte er in einem Ton, den man fast schnippisch nennen konnte. Die Fragen schien er geflissentlich zu ignorieren, obschon sie eigentlich seiner gerade noch vordringlichen Sorge galten.

Der Knappe ballte die Fäuste ob dieser verbalen Ohrfeige, doch kam er nicht dazu eine entsprechende Antwort zu geben, da ihm jemand anderes zuvor kam.

Die junge Akoluthin Cupida rümpfte ihre Nase. “Hallo? Junger Herr?” Sie wedelte nicht gerade damenhaft mit ihrer Rechten und versuchte die Aufmerksamkeit des Neuankömmlings von Folcrad auf sich selbst zu lenken. “Hast du mich nicht gehört? Dein Name?” Die Stimme der jungen Frau war immer noch ruhig, doch nahm sie nach und nach Züge von Ungeduld an.

“Aldec, also wir zwei kennen uns.” Diese Aussage traf der Mann so nüchtern, so völlig unverblümt, als ob sie mit zwei verschiedenen Menschen reden würden. “Wir haben uns vor einigen Monden kurz gesehen, als Herrin Durinja den Garten besucht und Ihr noch nicht aufgeräumt hattet.” Er betrachtete sie einen Augenblick von oben bis unten. “So wie heute scheinbar.”

Erst wirkte die junge Rahjadienerin überrascht, dann schoben sich, in einem ersten Anflug von Zorn, ihre Augenbrauen zusammen. “Aha …”, meinte sie, immer noch um einen nüchternen Ton bemüht, “... ich kann mich nicht an dich erinnern. Soll mir aber auch gleich sein. Was möchtest du hier?” Ein Seitenblick Cupidas streifte Folcrad und ihre ´Nichte´ Fecundaque. “Den Schrein besuchen, oder den jungen Herrn von Bardurstolz beleidigen?”

“Oh, habe ich was Falsches gesagt?” Die Körpersprache des jungen Mannes änderte sich von einer Sekunde auf die andere erneut. Da war sie wieder, diese gekrümmte, schwer und träge wirkende Statur, die Verunsicherung im Blick und Cupida, Folcrad und Fecundaque waren sich nicht sicher, aber alle drei hatten den vagen Eindruck, dass auch die Stimmlage des stämmigen Braunhaarigen eine Oktave höher wurde. “Tut mir Leid! Das wollte ich, ähm, nicht.” Dann trat plötzlich eine lange, verlegene Pause ein. “Was ich hier will. Hmm, uhm...naja, meine Herrin Durinja, hmm…”

Doratrava hatte sich inzwischen wieder gefangen und macht eine beschwichtigende Handbewegung. “Beruhigt euch, alle”, rief sie. “Wir sind doch hier in oder vor einem Schrein der Rahja, da will bestimmt niemand irgend jemand anderes beleidigen. Das ist sicher nur ein Missverständnis.” Sagte sie das gerade? Leicht verblüfft hielt sie kurz inne. Allerdings war sie wohl mit die Älteste hier, so seltsam das klang. “Vielleicht gehen wir wieder rein und setzen uns, dann können wir das klären? - Wer ist übrigens Durinja?” Sie sah sich fragend um, ob ihre Begleiter etwas mit diesem Namen anfangen konnten.

Cupida wirkte nun selbst etwas verwirrt. War sie zu hart mit ihm rumgesprungen? Sie kannte diese Durinja. Eine wunderschöne Frau, aber eben auch eine blasierte Schnepfe. Die Akoluthin mochte sie nicht. “Nun denn … Aldec … was will denn deine Herrin, dass du hier machst? Möchtest du mit reinkommen, wie Doratrava meinte? Oder soll ich dir den Schrein und die Rosen zeigen?”, versuchte es die Lilienhainerin wieder mit einem etwas versöhnlicherem Ton. Der Knappe hingegen fixierte den Eindringling und frage in scharfem Tonfall, von dem er selbst nicht wusste, dass er ihn besaß: ”Wohlan Aldec, was will er denn von mir? Oder verteilt er einfach nur so aus Spaß Beleidigungen?”

“Heh, hört mir jemand zu?”, fiel Doratrava ein. “Beruhigt euch doch endlich!” Sie warf Folcrad einen strengen Blick aus tiefschwarzen Augen (was ihr natürlich nicht bewusst war) zu, welcher eine hoffentlich abkühlende Wirkung hatte. Der junge Mann konnte nicht nur gut dichten, er war offensichtlich auch ein wenig hitzköpfig. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Aldec zu und musterte ihn. Mit dem Gebaren des dicken Mannes konnte sie irgendwie nicht viel anfangen. Und wer Durinja war, wusste sie immer noch nicht. Oder halt - trug nicht eine der Altenberger diesen Namen?

Aldec blickte derweilen verschüchtert zwischen den schönen Frauen und dem Knappen hin und her. Kaum, dass seine Augen den Blick der anderen trafen, wandte er sie ab. “Ich, ähm, ich…” Dann spannte sich sein Rücken und er sah die Tänzerin an, als ob nichts gewesen wäre: “Durinja Elva von Altenberg ist die Tochter des Tassilo von Altenberg und, das kann ich ohne Übertreibung sagen, die Schönste der Familie. Sie ist Zofe der Baroness Caltesa von Immergrün und dient der hohen Dame am Hofe in Elenvina. Ich habe die Ehre, ihr als Leibdiener zur Seite zu stehen. Ihr habt Recht. Es wäre mehr als ratsam, sich zu fassen. Lasst uns im Schrein der Herrin der Freuden einen Moment ruhen. Nach Euch.” Der große Mann verbeugte sich leicht und reckte seine offene, speckige Pranke in das Innere des Tempels als ob er Einlass gewähren würde. Diesmal war es der Knappe, den er überging.

Nun war Doratrava erst recht verwirrt. Der … Leibdiener? - sprang von einer Verhaltensweise in eine andere, als wäre er nicht ein einzelner Mensch, sondern zwei verschiedene in einem Körper, die abwechselnd die Führung übernahmen. “Äh, ja, genau …” stotterte sie, besaß aber die Geistesgegenwart, erst nach den Reaktionen der anderen zu schauen, bevor sie der ‘Einladung’ folgte. Soviel zum Besichtigen des Rosenhains. Aber das konnten sie und Cupida vielleicht noch nachholen.

Der junge Baldurstolzer kochte innerlich vor Wut. Für wen hält er sich? Aber Doratravas Ermahnung erinnerte ihn auch daran, wo er sich gerade befand. Die Fäuste lösten sich, doch streckte er den Rücken durch und sprach nun mit etwas ruhigerer Stimme:” Wenn er mich ignorieren möchte, soll er wissen, dass ich mir die Antwort von seiner Herrin holen werde.”

“Oh nein, ignorieren will ich Euch nicht”, meinte Aldec freundlich und höflich. “Von Euch will ich auch nichts, Herr. Wir kennen uns nicht, auch wenn ich gerne Eure Bekanntschaft machen möchte. Ich sagte ja schon, mein Name ist Aldec.” Aldec blickte in das Tempelinnere und sah Fecundaque. “Ach hallo Fecundaque, schön dich auch hier zu sehen. Ich sehe, du hast eine beeindruckende Begleitung gefunden.” Noch einmal an den den Baldurstolzer gewandt sagte Aldec: “Wollt Ihr nicht den Tempel betrachten? Die Pracht des Tempels ist einmalig.”

Nun war der Knappe verwirrt. Was trieb dieser Kerl denn für ein Spiel? Er drehte sich zu Fecundaque um: ”Kennt Ihr diesen Burschen und könnt Ihr mir sagen, was hier vor sich geht?”

Diese kniff die Augen zusammen und musterte den seltsamen Gesellen vor ihr sehr genau. “Bist du Aldec aus dem Waisenhaus?” Fragte sie dann. An Folcrad gewandt redete sie weiter. “Vor ein paar Götterläufen gab es einen Aldec im örtlichen Waisenhaus und vielleicht ist er das. Das würde erklären warum er mich kennt, als ich klein war habe ich öfter dort mit den Waisenkindern gespielt.”

“Soso”, sagte er Richtung Aldec und dachte dabei `auweia, jetzt klinge ich schon wie Vitold`, “Mein Name ist Folcrad von Baldurstolz, warum also bist Du hier?”

“Ja, genau der bin ich. Wir haben uns lang nicht mehr getroffen. Durinja war ja leider noch nicht hier, seitdem ich in ihren Diensten stehe - bis auf das eine Mal vor einem Jahr, als ich die nette Dame von gerade eben getroffen hatte.” Folcrad zugewandt sagte er: “Meine Herrin ist ja auch hier zu Gast. Ich muss ihr aufwarten. Dazu bat sie mich, in ihren Gemächern auf ihre Anweisung zu warten.”

“Hmm”, machte Folcrad und sah sich um,”das sieht mir hier nicht nach den Gemächern deiner Herrin aus.” Ihm war immer noch nicht klar, was der Junge hier wollte, aber er schien wirklich harmlos zu sein.

“Da hat Folcrad schon recht, Aldec. Aber du warst schon immer so neugierig.” inzwischen hatte sich Fecundaque hinter ihrem Galan hervorgetraut und stand nun neben Folcrad, die Arme vor der Brust verschränkt, was ihr Dekolleté noch mehr betonte. “Trotzdem solltest du doch den Anweisungen deiner Herrin Folge leisten. Was wirft den das für ein Bild auf das Waisenhaus? Es sieht doch dann so aus, als ob es mit der Erziehung dort nicht allzu gut bestellt ist.”

Aldec lief knallrot an und sah sich hektisch um. “Ja, natürlich, ich… Das ist unverzeihlich. Meine Herrin wird mich davonjagen, ganz sicher. Aber ihr werdet mich doch nicht verraten? Werdet Ihr?” Der junge Mann hatte die Augen weit aufgerissen und sah aus, als ob er den Tränen nahe wäre. Er befürchtete insbesondere, dass Folcrad ihn verpfeifen würde. Offenbar hatte er ja etwas gemacht, das ihn gekränkt hatte. Aber nur was? “Ich wollte doch nur zu gerne sehen, ob das Kleid, das ich für die Hohe Dame ausgewählt habe, seine Wirkung nicht verfehlt”, log er schlecht und sah verschämt weg.

Mit einem strengen Blick musterte die junge Frau den älteren Burschen vor ihr. Ihr Fuß trommelte im schnellen Takt auf den Boden. “Wirklich? Aldec, deine Ohren sind feuerrot!” Dann wurden ihre Züge weicher und mit beiden Händen ergriff sie Aldec und zog ihn nun vollends in den Schrein. “Jetzt wo du da bist, schau dir den Schrein an und sprich ein Gebet an die Liebliche. Oder besser, sprich gleich noch ein zweites Gebet für deine Herrin, damit ihr Rahja heute hold ist.” Ein strahlendes Lächeln untermalte ihre Worte. “Aber danach musst du wieder zurück und den Anweisungen deiner Herrin folgen.” “Ja, ja sicher! Ich mache, was du sagst!”, murmelte der große Mann. Dabei blickte er wieder furchtsam um sich.

Beruhigend legte Fecundaque ihre Hand auf Aldces Arm. “Hier bist du in Sicherheit. Dies ist ein Schrein der Heiteren Göttin.”

“Ja, natürlich, wie kommst du auch auf etwas anderes?”, fragte Aldec mit entspannter Resolutheit. “Ich werde beten. Du solltest auch der Herrin der Schönheit huldigen. Sie hat dich reich beschenkt. Oder hast du etwa vor, ihr heute anders deinen Glauben zu erweisen?” Aldec kniete sich hin und murmelte leise.

‘Was war das gerade gewesen?’ Diese sprunghafte Veränderung im Wesen Aldecs war Fecundaque unheimlich. Vielleicht war es besser ihn vorläufig in Ruhe zu lassen, aber nachher würde sie Mutter Elva davon berichten. Vielleicht wusste sie was zu tun war. Trotz allem war ihr aufgrund der Worte Aldecs die Röte ins Gesicht geschossen. “Also, ich…” Kurz entschlossen griff sie nach der Hand Folcrads und zog ihn in Richtung Ausgang. “Wir besorgen Euch jetzt erstmal was gegen den Hunger. Dieses Bauchgrummeln ist ja furchterregend.” Draußen angekommen hauchte sie leise in dessen Ohr. “Ihr müsst schließlich bei Kräften bleiben, nicht wahr?”

“Das ist wohl war”, grinste er und warf noch mal einen Blick zurück. Dann fragte er unvermittelt: ”Kann es sein, dass dieser Aldec von Hesinde nicht so reich beschenkt wurde, wie andere? Er scheint mir ein sehr merkwürdiger Geselle zu sein.”

Die junge Magd wirkte nachdenklich als sie antwortete. “Ich kann mich nicht erinnern, dass er damals genauso war. Am besten frage ich später Mutter Elva, die Vorsteherin des Waisenhauses. Sie ist auch auf dem Fest.” Doch dann lächelte sie Folcrad wieder breit an und zog ihn in eine bestimmte Richtung. “Nach was steht Euch der Sinn? Würstchen oder Pfläumchen?”

“Essen möchte ich gerne ein Würstchen, vernaschen hingen…”, grinste er frech und stupste Fecundaque freundschaftlich an. Offenbar, war er über Aldec und sein freches Auftreten hinweg.

Sie lachte auf und ging weiter, ihn weiterhin an der Hand haltend. Ein wenig rechts von ihnen waren Bäume und ein Pavillon zu erkennen, während es linker Hand zum Festplatz und dem Küchenzelt ging. Fecundaque blieb stehen und kaute auf ihrer Unterlippe, bevor sie den Pavillon ansteuerte. Das Herz hämmerte in ihrer Brust als sie Folcrad zur Rückseite des Pavillons führte und sich mit ihrem Rücken dagegen lehnte. “Vielleicht möchte der Herr kosten? Aber kein Würstchen! Das gibt es erst heute Abend.” Das schnelle Heben ihrer Brust und die roten Wangen verrieten ihre Aufregung, während ihre Augen Neugier und Angst ausstrahlten.

Seine linke Hand platzierte er neben Fecundaques Kopf an der Wand des Pavilions und lehnte sich sacht an sie. Auch seine Brust hob und senkte sich in kurzem, schnellem Rhythmus. Sein Blick enthielt eine Mischung aus Furcht, Neugierde und Forscherdrang. Er küsste sie sanft auf die Lippen, wartete auf ihr Entgegenkommen und wurde leidenschaftlicher. Mit seiner rechten Hand strich er von ihrer Schulter über ihren Arm und seine Finger schlangen sich um die ihren. Er verlagerte sein Gewicht, so dass sich beider Körper nun vollends berührten.

Dieser Kuss war sogar noch besser als jener erste vorhin. Die junge Lilienhainerin wurde mutiger und ließ versuchsweise ihre Zungenspitze in Folcrads Mund gleiten. Als er seine Hand über ihre Schulter hinab gleiten ließ überrollten sie wohlige Schauer und sie wünschte sich, dass seine Finger etwas anderes umschlangen als ihre Hand. Mit ihrem freien Arm umfing sie Folcrads Taille und zog ihn näher an sich heran.

Folcrad kostete das gemeinsame Zungenspiel eine Weile aus. Als sie ihn näher heran zog, stöhnte er kurz auf, denn seine Hose spannte sich erneut fast schmerzhaft. Er begann nun ihren Hals zu küssen, während er an der Schamkapsel herumnestelte. Wozu bloß diesen vielen Schnüre? Ziemlich unpraktisch. Als er endlich die Hose geöffnet hatte, küsste er wieder ihren Mund, berührte die Brust und streichelte einen ihrer Nippel. Mit der anderen Hand, ergriff er ihre und führte sie zu seinem erregten Glied. Lust wallte in ihm auf, Erregung, Leidenschaft.

Den Kopf in den Nacken gelegt stöhnte Fecundaque lustvoll auf als der Knappe ihren Hals liebkoste. Sie genoss jeden Augenblick davon und so entging ihr völlig das Nesteln an der Hose. Ein neuer Schauer durchlief sie als er begann ihre Brust mit Aufmerksamkeit zu bedenken. Nur am Rande bekam sie mit, dass er ihre Hand nach unten führte. Es dauerte einen Moment bis sie begriff, was sie da ertastete und schlug erschrocken die Augen auf. “Was machst du da? Ich sagte doch ‘nur kosten’!” Erschrocken starrte sie ihn an, seine Männlichkeit immer noch in der Hand haltend.

“Ich...ich dachte”, stammelte er und war plötzlich wie vor den Kopf gestoßen. Tausend Gefühle schienen gerade auf ihn einzuprasseln, nicht zuletzt, da ihre Hand ihn immer noch festhielt. Er versuchte sich zu konzentrieren und brachte dann mit Mühe ein:”Wir müssen das nicht tun, wenn Du nicht willst.” hervor. Eigentlich hoffte er ja, dass sie zustimmen würde, aber langsam verließ ihn auch die Lust schon wieder, wie sie an seinen Augen sehen konnte.

Sie löste die ineinander verschlungenen Finger um Folcrad über die Wange und das Kinn zu streicheln, ihre andere Hand hielt ihre Beute aber auch weiterhin sanft umschlungen. “Folcrad… Ein Mädchen hat Träume und genaue Vorstellungen davon, wie ihr erstes Zusammensein mit einem Mann sein soll. Jedenfalls habe ich diese und es soll perfekt sein.” Eine gewisse Strenge hatte sich in ihre Ton und Haltung geschlichen, auch wenn sie einen sanften Tonfall angeschlagen hatte. “Ich möchte mit dir zusammen sein und dir … “ sie wurde puderrot und verstummte kurz. “Aber nicht so. Hier wollte ich dir nur einen Vorgeschmack auf heute Abend geben.” Ihre Finger strichen nun zärtlich über seine noch immer vorhandene Erregung. “Verstehst du?”

“Ja”, stöhnte er, da er nicht damit gerechnet hatte. Er schluckte, sein Verstand wollte bei ihr bleiben, doch die ungewohnte Berührung löste eine Welle der Lust aus, die immer mehr die Oberhand gewann. “Ich wollte...nnngh… Dir Deinen ….oooh….Traum nicht….uuuuhhh...zerstören.”

Fecundaque bemerkte was sie da gerade tat und wurde noch röter. Allerdings wusste sie auch, dass sie nun beenden musste was sie begonnen hatte. Zudem war es etwas, das sie noch nie gemacht hatte, auch wenn sie schon Geschichten darüber gehört und gelesen hatte. Ohne ihn loszulassen oder ihr Tun zu unterbrechen schlüpfte sie hinter Folcrad und studierte sein Anlitz, während ihre Hand ihn liebkoste. “Noch eine Opfergabe für die Berauschende.” Hauchte sie in sein Ohr und verstärkte ihre Anstrengungen.

“Jaaaa, bitte….hör nicht auf”, keuchte er zur Antwort. Mit einer Hand korrigierte er ein wenig ihre Haltung, mit der anderen suchte er ihre zweite und legte sie auf seine Brust, wo sie unter der Tunika eine, kleine harte Erhebung spürte. Zusätzlich begann er nun seine Hüften rhythmisch vor und zurück zu stoßen. “Greif fester”, stöhnte er und sie fühlte ein Zucken in seiner Männlichkeit. Nun griff er nach ihrem Kopf und wandte den seinen, um sie zu küssen, sein Atem ging stoßweise und plötzlich löste er den Kuss. “Ahhh!”, stöhnte er laut und sie sah, wie sich ein Schwall weißer Flüssigkeit aus ihm ergoss und in den Rosen neben dem Pavilion landete. Ein paar mal stieß er noch, dann schien es vorbei zu sein. Er strahlte überglücklich und versuchte wieder sie zu küssen, bevor er alles wieder einpackte.

Während sich sein Atem beruhigt hatte, ging der Atem von Fecundaque immer noch stoßweise. Ein ungeheueres Verlangen tobte in ihrem Körper. Noch immer starrte sie auf ihre Hand, die auch etwas Levthansmilch abbekommen hatte. Ihr Knospen traten deutlich durch den dünnen SToff ihres Kleides hervor und sie vermeinte, dass etwas an der Innenseite ihrer Schenkel herab lief. Versonnen betrachtete sie die milchige Flüssigkeit auf ihren Fingern, suchte seinen Blick und…

Der Knappe konnte ihr Verlangen förmlich riechen, er kam näher, küsste sie und streichelte wieder ihre Brust. Gleichzeitig hoffte er in einer seiner Taschen das Tuch zu finden, dass er zur Waffenpflege nutzte. Manchmal steckte er es ein und nicht zu den anderen Sachen, wo es eigentlich hingehörte. Doch er hatte Glück, zog es heraus und reichte es ihr.

‘Oh Rahja, hast du ihn mir gesandt?’ dachte das Mädchen bei sich als Folcrad sie immer näher zur Erfüllung trieb. ‘Gleich, gleich ‘ Lustvoll stöhnte sie. Unfähig zu sprechen reckte sie ihm ihre Rahjasäpfel entgegen. Und dann reichte er ihr das Tuch. Ungläubig starrte Fecundaque das Tüchlein an. Weshalb? Sichtlich ernüchtert löste sie sich von ihm. Die Magd rieb sich die Hände mit seinem Tuch ab und warf es ihm zu. Dann richtete sie ihr Kleid. “Lasst uns zum Küchenzelt gehen.” Kam es kühl, dann wandte sie sich um und marschierte los.

Der junge Baldurstolzer verstand die Welt nicht mehr. Erst wollte sie, dann nicht, dann wieder doch und plötzlich wurde sie eisig. Was war denn geschehen? War das vielleicht der Grund warum Vitold Frauen mied? Er steckte das Tuch wieder ein, sah Fecundaque einen Moment nach, bevor er zu ihr eilte. Sollte er was sagen oder lieber nicht? Und wenn ja, was? Gab es überhaupt passende Worte, oder wären alle falsch? Er wusste es nicht. “Fecundaque, warte!”, entschloss er sich dann doch zu sagen: ”Sag mir, was ich falsch gemacht habe. Es ist für mich doch auch das erste Mal. Was es auch war, bitte verzeih mir.”

Sie stoppte und drehte sich zu ihm um. Wie schon zuvor bei Aldec waren ihre Arme vor der Brust verschränkt. Verletzt sah sie aus, und wütend. “Was los ist? Erst liebkost du meinen Leib, treibst mich fast bis zur Extase und dann …. Dann.. hörst du auf und reichst mir ein Tuch? Was soll ich davon halten?” warf sie ihm an den Kopf, wobei ihre Unterlippe verdächtig zitterte.

Bestürzt stellte er fest, wie ihre Augen feucht wurden und kam langsam auf sie zu. “Ich… ich dachte, Du wolltest Dir die Hände abwischen, bevor ich weitermache”, sagte er sanft und öffnete seine Arme. “Ich dachte ich tu Dir was Gutes, indem ich Dir ein Tuch dafür reiche. Ich wollte Dir nicht wehtun… oder aufhören.” Er blickte sie liebevoll an und wartete, ob sie seine Umarmung annehmen würde.

Unbeweglich starrte Fecundaque ihr Gegenüber an. Schließlich ließ sie die Arme sinken und schniefte vernehmbar, drehte sich um und tat zwei Schritte, bevor sie stehenblieb und sich zu Folcrad umsah. “Kommt Ihr? Suchen wir Euch was zu essen.” Begleitet wurden diese Worte durch ein zaghaftes Lächeln.

Der Knappe lächelte ebenfalls zaghaft und schloss zu ihr auf. Nach ein paar Schritten griff er stumm nach ihrer Hand. Vielleicht würde sie zumindest diese harmlose Berührung zulassen. Irgendwie fühlte er sich schuldig. Das hatte er nicht gewollt. Vielleicht konnte er später einen der Rahjageweihten fragen, was er hätte besser machen können.

Den Blick stur nach vorne gerichtet,würdigte die Lilienhainerin den Jungen an ihrer Seite keines Blickes. Zuerst duldete sie die Berührung ihrer Hände, erwiderte aber nicht den Griff. Erst als sie schon ein kleines Stück gegangen waren, schlangen sich ihre Finger zwischen die seinen. Ihr Blick war auch weiterhin starr nach vorne gerichtet.

Als er den Griff ihrer Finger spürte, sah er sie vorsichtig von der Seite an. Sie wirkte so stolz und stur, wie eine Königin. Die Träne auf ihrer Wange glitzerte in der Sonne und versetzte ihm einen Stich tief ins Herz. Was hatte er da bloß angerichtet. Sie beklagte sich jedoch nicht. Vielleicht war das sogar das Schlimmste daran. Schöne Fecundaque, Königin seines Herzens. Er blieb stehen und drehte sie zu sich herum. “Es tut mir wirklich leid”, sagte er noch einmal und wischte die Träne weg. “Gibt es etwas, das ich tun kann?”

"Folcrad, gebt … ich meine … gib mir Zeit. Ich mag dich und wenn ich heute … " Sie schluckte, "...mit jemanden …. dann mit dir." Tiefrot war sie angelaufen, trotzdem suchte sie den Blick des Knappen und hielt ihm stand. "Aber du hast mich gerade eben enttäuscht. Deshalb brauche ich Zeit." Sie lächelte traurig.

“Ich verstehe.”, sagte er leise und blickte zu Boden. Dann sah er sie wieder an, ebenfalls mit einem traurigen Lächeln, “Es wird mir schwer fallen einfach abzuwarten, denn so bin ich nunmal nicht, aber, wenn es Dir hilft… Sag mir einfach, wann Du soweit bist.” Nach einer kleinen Pause meinte er:”Und bis dahin essen wir erstmal was. Worauf hast Du Lust?”

Ein strahlendes Lächeln war ihre Antwort. “Ich danke dir.” Als sie ihren Weg zum Küchenzelt wieder aufnahmen, lief Fecundaque wieder ganz nah neben Folcrad und hin und wieder konnte er aus den Augenwinkeln erkennen, wie sie ihn ansah, wenn sie glaubte unbeobachtet zu sein. “Wenn noch etwas davon da ist würde ich gerne den Weichkäse mit Beerensoße probieren. Ansonsten gibt es nur die Tannwalder im gelben Rock, die du schon kennst oder eben Pflaumen im Speckmantel.”

Der junge Baldurstolzer strahlte ebenfalls. “Am liebsten etwas von allem”, war sein lachender Kommentar. Er war erleichtert, dass sie wieder lachen konnte. Aber er wusste auch, dass er sich was Besonderes überlegen musste, um seinen Fehler wieder gut zu machen.

Nachdem Aureus und Liobha die Gartenführung ebenfalls mitgemacht hatten, kehrten sie ebenfalls zur Feier zurück. Aureus besorgte sich und der jüngeren Knappin erstmal erfrischende Weinschorlen, sie stießen an, und erkannten, dass auf der Festwiese die nächsten Vorbereitungen getroffen wurden.


Kaum waren Folcrad und Fecundaque auf der Festwiese zurück, traf sie der verwunderte Blick Rahjagoras. “Schon zurück? Hat deine Tante den Gästen auch alles gezeigt?” ,fragte er misstrauisch.

“Ähm … Nein noch nicht, aber der Herr von Baldurstolz hat plötzlich Hunger bekommen und ich wollte ihm was holen.” Fecundaque sah ihren Anverwandten unschuldig an. Noch immer hielt sie Folcrads Hand und war scheinbar nicht gewillt diese loszulassen.

“So, so. Nun, dann bring dem hohen Herr mehr Tannwalder, Herzogenfurter Käse müsste auch noch da sein. Nicht das ihr noch den Schrein der Fee verpasst, das Herzstück unseres Parks.” Der Alte ging seines Weges.

“Puh, das war knapp. Ich dachte schon es würde jetzt Ärger geben. Meinst Du er hat was gemerkt?” Folcrad war einen Augenblick lang richtig angespannt gewesen, doch das ließ nun nach.

“Vielleicht, bei ihm kann man nie wissen.” Ein freches Grinsen huschte über Fecundaques Gesicht. “Aber selbst wenn, er würde sich für mich freuen. Aber lass uns jetzt weitergehen. Er hat recht, den Schrein der Fee sollten wir wirklich nicht verpassen. Er ist wunderschön und Cupida erzählt vielleicht sogar die Geschichte dazu.”

“Na, dann los. Den Schrein will ich mir nicht entgehen lassen.”


Cupida blickte dem Dicken kurz nach, hielt dann jedoch Doratrava zurück, als diese sich zum Schrein aufmachen wollte. Sanft legte sie ihre Hand in die der Gauklerin und zog sie mit sich. “Seltsamer Kauz …”, raunte die Alkoluthin der Künstlerin ins Ohr, “... aber ich denke, dass Fecundaque und ihr Beschützer Folcrad den alleine unterhalten können.” Sie ließ ein liebliches Lächeln folgen. “Ich wollte dir doch meine Rosen zeigen”, meinte die Lilienhainerin stolz. Allem Anschein nach beunruhigte sie Aldec nicht.

Doratrava blickte zwischen dem dicken Mann und Cupida hin und her und lächelte dann schief. “Ja, du hast wohl recht, die anderen kommen jetzt wohl allein zurecht. Folcrad scheint sich ja auch beruhigt zu haben.” Sie ließ sich mitziehen, wobei ihr ein wenig anders wurde, da die Sicherheit der zwar verwirrenden, aber handfesten Situation nun der Unsicherheit wich, was sie nun erwartete. Die Gauklerin fühlte ein seltsames Flattern im Bauch, eine Mischung aus Vorfreude und Befürchtung. Aber das würde sich sicher gleich klären. DIe Aufregung vor ihrem ersten eigenen Auftritt hatte sich ganz ähnlich angefühlt, diesen Moment würde sie nie vergessen, das Gefühl, gleich zum ersten Mal allein vor einer Menschenmenge zu stehen, die ihrer erwartungsvoll harrte. Das hier war ja wohl kaum damit zu vergleichen … oder?

"Sieh nur ...", als die beiden jungen Frauen vor den Rosenstöcken standen, schien sich Cupidas sonst schon fröhliches Antlitz noch weiter aufzuhellen, "... die Rosa Nobile ... die Königin der Rosen." Die junge Frau streichelte liebevoll über einen der großen roten Kelche der beeindruckenden Pflanzen. "Wunderschön, nicht? Sie sind aber auch die, die am meisten Pflege brauchen und am anfälligsten für Krankheiten sind." Die Lilienhainerin löste ihren Blick von den Blumen und sah Doratrava tief in ihre Augen. "Wenn du mit jemandem reden möchtest ... hier wären wir alleine. Reden hilft und es war offensichtlich, dass dir danach zumute ist. Menschen, die vor kurzer Zeit verletzt wurden halten die Nähe von verliebten Paaren oder Orte der Lieblichen nur sehr schwer aus - man sah es dir an."

“Ja, wunderschön, du hast recht”, stimmte Doratrava zu und strich ihrerseits sanft über eine Rosenblüte. Sie erwiderte den Blick Cupidas, dann sah sie zu Boden, um gleich darauf den Blick erneut zu heben. “Ich … kenne dich doch gar nicht …” begann sie zögerlich. Aber dann fasste die Gauklerin sich ein Herz. “Ja, ich bin verletzt worden, körperlich …” Sie vergewisserte sich, dass sie wirklich allein und unbeobachtet waren zwischen den Rosenstöcken, dann zog sie ihr dünnes Kleid nach oben, unter dem sie nur ein Lendentuch trug, bis Cupida die feine Narbe sehen konnte, die auf fast zwei Spann Länge quer über ihre Brust lief. Sie drehte sich um, da war noch eine zweite Narbe, nicht so lang und nicht so fein, quer über ihren Rücken. “Und seelisch … aber das habe ich wohl eher mir selbst zuzuschreiben.” Doratrava hielt überlegend inne, um dann fortzufahren, während sie das Kleid wieder fallen ließ und sich zu Cupida zurückdrehte. “Bei der Gelegenheit, bei der ich mir diese Verletzungen eingefangen habe, habe ich aber auch lieben gelernt, zum ersten Mal … eine andere Frau. Es … war wunderschön, aber … aber ich bin Gauklerin, ich reise durch die Welt, ich kann nirgends länger verweilen, ich konnte dort nicht bleiben, in einem winzigen Dorf mitten in den Wäldern abseits jeder größeren Straße. Es hat mir … und meiner Geliebten … fast das Herz gebrochen, aber es war vermutlich besser so … sagt mein Verstand, nicht aber mein Herz.” Doratrava hielt inne und presste die Lippen zusammen, um nicht vor Cupida in Tränen auszubrechen.

Die junge Akoluthin hatte ihr aufmerksam zugehört und als Doratrava geendet hatte, schloss sie die Gauklerin in ihre Arme. Dabei konnte diese nicht sagen wie lange eben jene zärtliche Geste wirklich gedauert hatte. Waren es einige Herzschläge? Oder gar ein halbes Stundenglas? Cupidas freundliche Augen schienen zu erkennen, dass die Künstlerin mit ihrer Fassung rang. "Es ist in Ordnung. Du kannst deine Gefühle und Emotionen raus lassen. Du musst dich nicht quälen ...", abermals streichelte sie sanft über den weißen Oberarm Doratravas, "... hier sind wir unter uns." Die Lilienhainerin wandte sich ihren Rosen zu und legte ihren Zeigefinger auf einen Dorn. Kurz verzog Cupida ihr Gesicht, dann wandte sie sich wieder der Gauklerin zu. Ihren Finger zierte ein Blutstropfen. "Die Liebe ...", begann die junge Rahjadienerin kryptisch, "... sie kann so wunderschön sein, wie diese Rosen ... ach was sag ich ...", sie schüttelte kurz ihren Kopf, "... sie ist noch viel schöner. Berauschend und sie lässt uns alles um uns herum vergessen. Eben auch den Gedanken daran, dass es manchmal weh tun kann." Als wäre es Lippenrot, benetzte Cupida ihre Lippen mit dem Blut ihres Fingers. "Ich verstehe deinen Schmerz. Ja, ich kann ihn sogar fühlen ... diese Frau ... erzähl mir von ihr. Was hast du an ihr geliebt?"

Erst war Doratrava steif wie ein Brett geworden, als Cupida sie in die Arme genommen hatte, doch je länger diese Geste gedauert hatte, desto mehr hatte sie sich entspannt, hatte sie sich in die stille Umarmung geschmiegt und ein wenig Trost und Erleichterung daraus gezogen. Ein seltsames Kribbeln hatte sich langsam in ihrem Bauch breitgemacht, ein sehr angenehmes Gefühl. Fast bedauerte sie es, als Cupida ihre Arme löste.

Als die Gärtnerin sich absichtlich in den Finger stach, zuckte Doratrava unwillkürlich zusammen, als hätte sie selbst dem Schmerz empfangen. Als Cupida sich dagegen die Lippen mit dem Blut benetzte, fand die Gauklerin das ein wenig befremdlich.

“Ja … vergessen …”, murmelte Doratrava. “Jel … also Jelride, so heißt sie, hat rote Haare wie du. Sie ist ein wenig älter als ich und hat einen vorlauten kleinen Sohn.” Die Gauklerin lächelte versonnen, als sie daran dachte, wie sie dem kleinen Wirbelwind ein paar Tanzschritte beigebracht hatte. “Ich weiß gar nicht, was genau mich so zu ihr hingezogen hat. Sie ist einfach nett zu mir gewesen, nachdem sie zuerst ihren Sohn, der mich eine Hexe nannte, gegen mich verteidigen wollte.” Wieder schmunzelte die Gauklerin. “Als ich dann von Kopfgeldjägern verletzt wurde, hat sie meine Wunden behandelt, ohne Wenn und Aber, obwohl ich doch sie und ihren Sohn und die Leute im Dorf in Gefahr gebracht hatte, ohne es zu wissen, natürlich. Sie war so bestimmend, aber auch so herzlich, so … natürlich, selbstlos, mitfühlend … es ist dann einfach passiert, ganz plötzlich, wie von selbst, als hätten wir beide nur darauf gewartet. Dabei hat sie vorher auch noch nie mit einer Frau … also …” Doratrava wurde schon wieder rosa im Gesicht, obwohl nun, da sie doch alles erzählt hatte, überhaupt kein Grund mehr dazu bestand, verlegen zu sein.

Doratrava stockte plötzlich und sah Cupida in die Augen. “Warum willst du das eigentlich alles wissen?” Ihre Frage klang ein klein wenig alarmiert, aber nicht vorwurfsvoll, eher verwundert. Die Angesprochene überging ihre Frage vorerst. "Kopfgeldjäger ...", wiederholte sie mit verwunderter Stimme, "... du hast einen sehr beeindruckenden Lebensstil als Gauklerin." Cupida leckte sich ihr Blut von den Lippen, dann bedachte sie die Gauklerin mit einem liebevollen Lächeln. "Reden ...", meinte sie auf die Frage Doratravas hin, "... nichts hilft besser gegen Kummer. Ich weiß selbst, dass es nicht vieles gibt, das schmerzhafter ist, als eine Liebe zu verlieren ... aus welchen Gründen auch immer." Ihre Hand ging wieder zu einer der Rosen, doch verletzte sich die Akoluthin dieses Mal nicht selbst, sondern brach eine der wunderschönen Blüten ab. "Doch selbst Rahja kann uns diesen Schmerz nicht nehmen. Trauere um Jelride ... so lange du möchtest und wenn du für dich empfindest, dass die Zeit reif ist, dann lache, erfreue dich deiner Jugend und den Gaben der Göttin." Cupida reichte der Gauklerin die Rosenblüte, dann wurde sie plötzlich verlegen. "Hättest du vielleicht Zeit mir ein paar Tanzschritte zu zeigen?"

Tatsächlich fühlte sich Doratrava irgendwie erleichtert, freier, als vor ihren Bekenntnissen. Sie hatte bisher gar keine Gelegenheit gehabt, mit irgend jemandem darüber zu sprechen, war doch das alles kurz vor der Jagd in Nilsitz auf dem Weg dorthin geschehen. Und seitdem war sie ständig unter Zeitdruck unterwegs gewesen, mit den Altenbergern nach Elenvina, dann eine völlig unerwartete Aufgabe für die Tsa-Kirche, bis sie später wieder zu den Altenbergern gestoßen war, und jetzt war sie hier. Zudem hätte sie gar nicht gewusst, mit wem sie darüber hätte reden sollen. Die Sache mit den Kopfgeldjägern, ja, das war nun geklärt, dank Rondradin und Nivard und sogar Sabea. SIe lächelte bei dem Gedanken an die handfeste Frau, die einer Thorwalerin alle Ehre machte. Aber sie hätte - und hatte - sich nicht getraut, mit einem ihrer Freunde über Jel zu sprechen. Das war alles zu neu, zu schmerzhaft, zu … intim gewesen, um es jemandem anzuvertrauen. Da musste schon eine ihr völlig unbekannte Gärtnerin in einem Rahja-Schrein kommen … und die hatte dann auch noch rote Haare … Doratrava wollte diesen Gedanken jetzt nicht weiterverfolgen.

Die Gauklerin nahm die Blüte entgegen und roch daran, dann steckte sie diese in ihr Haar und lächelte Cupida herzlich an, ohne auf die Bemerkung mit den Kopfgeldjägern weiter einzugehen. “Danke … und ja, natürlich. Solange die Gartenführung hier andauert, habe ich mindestens Zeit, ich gehe davon aus, Nordrun wird mich schon rufen, wenn sie mich wieder braucht. - Kannst du denn schon etwas tanzen, und wenn ja, was?”

Nun nahmen auch die Wangen der jungen Akoluthin einen leichten Rotton an. "Ach weißt du, ich habe leider nie Tanzstunden bekommen." Sie drehte sich mit ausgebreitete Armen einmal im Kreis. "Aber ich liebe es mich zu bewegen. Manchmal singen mir Vögel des Parks sogar ein Lied und ich ... tanze ... dazu." Cupida drehte sich noch einmal im Kreis. Sie strahlte, obwohl ihre Bewegungen nicht wirklich koordiniert oder ästhetisch wirkten. "Hihihi ...", kicherte sie dann und ließ sich in die Wiese fallen. "Ich würde so gerne ein paar richtige Schritte können, dass ich vielleicht auch einmal mit einem Mann oder einer Frau tanzen kann."

Doratrava lächelte aufmunternd, berührt von der naiven Natürlichkeit Cupidas. Sie streckte ihr eine Hand hin, um ihr wieder hochzuhelfen. “Na, dann komm, wenn man noch nicht viel kann, sieht man seine Fortschritte umso schneller. - Ich weiß zwar nicht, was ihr hier so tanzt, aber ein paar einfache Grundschritte passen bei vielen Musikstücken.” Sie stellte die Akoluthin mit ein paar Griffen gerade vor sich hin in die Grundstellung, wie sie bei einfachen Dorftänzen üblich war. “Oder soll es etwas höfisches sein?” fragte die Gauklerin mit einem Augenzwinkern. Dann überkam sie ein plötzlicher Impuls, dem sie wie so oft nicht widerstehen konnte, da er sich ihrem bewussten Denken entzog. Sie nahm die rechte Hand Cupidas in ihre linke, legte ihren rechten Arm um deren Hüfte und zog sie eng zu sich heran, so dass sich fast ihre Nasenspitzen berührten. “Oder soll es etwas Leidenschaftliches für zwei sein, wie es mancherorts im Horasreich oder bei den Zahori gepflegt wird?” Doratravas Augen blitzten schalkhaft auf.

"Etwas enges, leidenschaftliches wäre schön ...", meinte sie sogleich und auch etwas aufgeregter, als gewollt, "... ich bin keine Hofdame und werde wohl zu solchen Anlässen erst gar nicht eingeladen." Die Berührung der Gauklerin rief in ihr einen wohligen Schauer hervor.

Doratrava spürte das Schaudern Cupidas unter ihren Fingern, die auf dem Rücken der jungen Frau lagen. Sie spürte eine Saite in sich selbst die Schwingung aufnehmen und wiederholen, ganz leise, aber wahrnehmbar. Ein sanftes Prickeln entstand in ihrem Bauch und drang in Richtung Herzen. Sie wollte das Gefühl unterdrücken, um ... nein, wollte sie nicht. Schnell begann sie zu sprechen, bevor ihr Mund trocken wurde. "Ja dann ... entspanne dich, halte mich locker fest, so, wie ich dich", begann die Gauklerin Anweisungen zu geben, während erneut eine leise Röte in ihre Wangen stieg. "Ich mache jetzt ein paar Schritte und führe dich. Je enger wir dabei stehen, desto besser, denn ich zeige dir durch Druck mit meiner Hand, meinen Beinen oder sogar meinem Bauch an, wie du dich bewegen sollst. Keine Angst, ich mache langsam." Doratrava war keine ausgebildete Lehrerin, sie lehrte Tanzen so, wie sie auch tanzte: intuitiv, wie es ihr gerade einfiel. So kam sie auch gar nicht auf die Idee, Cupida erst einmal trocken formale Schritte zu zeigen. Statt dessen begann sie sich mit ihrer 'Schülerin' gemeinsam in sanften, langsamen Drehungen durch den Rosenhain zu bewegen, damit diese ein Gefühl für den Tanz bekam. Jedes Mal, wenn sich ihre nackten Beine berührten oder sie besonders enge Drehungen mit dem Bauch unterstütze, durchlief sie ein wohliges Kribbeln, das an Intensität zuzunehmen schien, je länger der Tanz währte. Ihr bewusstes Gesichtsfeld schränkte sich auf Cupidas braune Augen, den Ansatz ihrer roten Haare, ihre Nase und die Feenküsschen links und rechts davon und mitten darauf ein. 'Sie hat ein sehr hübsches Gesicht', dachte Doratrava versonnen, während sie langsam den Bezug zu Raum und Zeit verlor …

Cupida lächelte und kicherte vergnügt. Ihre Bewegungen waren nicht sicher, ja es wirkte gar so, dass die schnelle Abfolge von koordinierten Tanzschritten sie leicht überforderte, doch machte es ihr dennoch sichtlich Freude. Schwer atmend kamen die beiden jungen Frauen nach ihrem gemeinsamen Tanz zur Ruhe. Die Rosenstöcke um sie herum schienen sich zu drehen und die Akoluthin vergaß für einen kurzen Moment ihre Manieren. Sanft küsste sie die Lippen der Gauklerin, doch schreckte sie im nächsten Moment auf und wich etwas zurück. "Oh ... entschuldige ...", stammelte sie, dann wandte sie sich mit roten Wangen dem Schrein zu, "... ich ... äh glaube wir sollten zu den anderen zurück."

Der Kuss riss Doratrava endgültig zurück in die Wirklichkeit, und sie wurde sich ihrer Umgebung wieder bewusst - und der Nähe der jungen Frau, die sie noch nicht losgelassen hatte. Der Kuss brannte auf ihren Lippen, sandte einen wohligen Schauer durch ihren ganzen Körper. Konnte … durfte sie das tun? War das nicht Verrat an Jel? Doch während sie das dachte, bewegten sich ihre Hände schon wie von selbst und nahmen das Gesicht Cupidas sanft in beide Hände, um es nochmals zu ihr heranzuziehen, und sie erwiderte den Kuss in gleicher Weise, bevor sie die Gärtnerin bedauern losließ, als deren Worte in ihren Verstand sickerten. “Ja … die anderen … dann müssen wir wohl …”, murmelte die Gauklerin bedauernd. “Dabei konnte ich dir noch gar nicht viel zeigen”, setzte sie mit schiefem Lächeln hinzu.

Die Akoluthin fasste sich mit Zeige- und Mittelfinger ihrer Rechten an ihre Lippen. Ihre Wangen brannten und waren in ihrem Farbton der Haarpracht Cupidas bereits sehr nahe gekommen. “Ja …”, murmelte sie emotional immer noch etwas durch den Wind, “... ihr alle müsst doch noch den Rest vom Park sehen.” Als die Rahjadienerin sich auf dem Weg zurück zum Schrein wieder etwas gefangen hatte, raunte sie Doratrava noch ein Angebot zu. “Wenn du heute frei bist … ich würde mich freuen wenn du mich beim Schrein besuchen kommst. Ich werde dort auf dich warten.” Sie löste sich lächelnd von ihrer neuen Bekanntschaft und schritt freudestrahlend in den Schrein...


***

… wo sie jedoch außer einem knieenden Aldec niemanden vorfand. “Wo … wo sind die anderen?”, fragte Cupida verwundert.

Auch Doratrava hatte Mühe gehabt, ihre Gefühle, über deren genaue Natur sie sich noch nicht klar war, wieder unter Kontrolle zu bekommen. Aber das Angebot Cupidas hatte sie dennoch angenommen, auch wenn sich das anfühlte wie ein Spiel mit dem Feuer. Auch eine gauklerische Profession, welche normalerweise nicht die ihre war. Jetzt hoffte sie nur noch, dass sie auch wirklich irgendwann die Zeit haben würde, der EInladung zu folgen, denn sie wusste ja nicht, was heute noch alles im EInzelnen auf sie wartete an Aufgaben. Aber wie immer ließ sie das jetzt einfach auf sich zukommen, es würde sich schon weisen.

Im Schrein angekommen, sah sich die Gauklerin nun genauso verwundert um wie ihre neue … Freundin? Auch das würde sich zeigen, normalerweise war Doratrava nicht so schnell im Schließen von Freundschaften, aber bei rothaarigen Frauen schien es da eine Ausnahme zu geben, von der sie nichts gewusst hatte, bis sie auf Jel getroffen war. Sie lächelte ein wenig schmerzlich-ironisch beim Gedanken an die resolute Wirtin.

Sie schob diese Gedanken beiseite und rief unterdrückt “Aldec? Kannst du uns sagen, wo alle hin sind?” Erst dann kam ihr zu Bewusstsein, dass es vielleicht ungehörig war, jemanden beim Beten zu stören, und sie schlug sich unwillkürlich die Hand vor den Mund.

Aldec drehte sich um, blieb jedoch auf dem kleinen Schemel knien, auf dem er nun seit einiger Zeit kniete. Er machte den Eindruck, irgendwie müde und erschöpft zu sein, doch sein Mund grinste schief. “Ihr meint die beiden Turteltäubchen? Die haben mich hier zurückgelassen. Ich habe gebetet. Was die gemacht haben? Wer weiß?” Der Tonfall klang süffisant, sogar ein wenig frivol. “Schön hier, nicht wahr? Der Schrein ist atemberaubend. Die Herrin Rahja berührt einen hier spürbar. Ach ja, was habt ihr eigentlich gemacht?”

“Wir waren bei den Rosenstöcken …”, gab Cupida knapp zurück, “... die auch du hättest sehen können, wenn du wolltest.” Ihr Blick ging am Leibdiener vorbei beim Schrein hinaus. “Haben die beiden gesagt ob sie noch einmal hierher zurückkommen, oder soll ich den Rundgang mit euch beiden alleine fortführen? Wir müssen doch noch zur Statue der Lilienprinzessin … und zum Amphitheater.”

Etwas abgehetzt kam Fecundaque mit Folcrad im Schlepptau zurück. Ihre Gesichter waren gerötet und sie atmeten schnell, so als ob sie sich beeilt hätten. “Bitte entschuldigt.”Keuchte die Nichte von Cupida. “Wir waren kurz beim Küchenzelt. Der Herr von Baldurstolz hatte Hunger und wollte unbedingt ein Pfläumchen probieren, aber es gab nur noch Würstchen und Käse.” Unschuldig sah sie in die Runde, dabei klebte noch etwas Beerensoße an der Wange der jungen Magd. Der Blick den sie allerdings Folcrad zuwarf, war alles andere als unschuldig.

Auch der Knappe grinste anzüglich und formte mit seinen Lippen Fecundaques Namen, dann tippe er sich mit seinem Finger an die Stelle, wo bei ihr die Sauce klebte.

“Huch! Die Beeren müssen besonders lecker gewesen sein”, scherzte der dicke Mann und wuchtete sich von seinem Schemel hoch. “Ich hätte auch so gerne Beeren und Pflaume und Würstchen und Käse und…” Aldec rieb sich den bereits recht prächtigen Wanst. “Aber Rundgang klingt auch ganz nett.” Das war ersichtlich gelogen. Aldec klang eher tief enttäuscht.

“Ja dann, warten wir noch auf jemanden?” wandte Doratrava sich an Cupida. Dieser Aldec war ihr schon irgendwie unheimlich, und wenn sie das alles richtig verstanden hatte, sollte er auch gar nicht hier sein. Sonst hätte sie vielleicht angeboten, ihm nachher ein paar Leckereien zu verschaffen, aber sie fürchtete, dann ungewollte Begehrlichkeiten zu wecken. Also beschloss sie, den Dicken jetzt einfach zu ignorieren … nein, eher hinzunehmen. Zudem sie sich auf die weitere Führung durch Cupida freute. Ihr Blick fiel auf das Profil der jungen Frau, schon wieder spürte sie ein sanftes Kribbeln im Bauch, über das sie jetzt gerade aber nicht näher nachdenken mochte.

“Nein?” Aldec sah sich irritiert um. “Auf wen wolltet Ihr warten?” Aldec legte den Kopf schief.

Mit einer raschen Handbewegung entfernte die Magd die letzten Spuren der Beerensoße aus ihrem Gesicht. Dann sah sie Aldec scharf an. “Sag mal Aldec, solltest du nicht auf dem Weg zum Gemach deiner Herrin sein um dort auf sie zu warten? So wie es dir von ihr aufgetragen wurde?”

Cupida schürzte ihre Lippen. "Wenn er bei uns sein möchte und den Park sehen mag, dann darf er das auch ...", meinte sie etwas trotzig an ihre Nichte gewandt, "... ich bin mir sicher, dass es seiner Herrin auf dem Fest an nichts fehlt." Der Leibdiener nickte darauf eilig. Die Akoluthin blickte in die Runde, beim Gedanken an Durinja bekam sie eine Gänsehaut. "Dann können wir ja jetzt zum Schrein der Lilienprinzessin aufbrechen. Mein liebster Ort hier im Stadtpark."

Fecundaque zog einen Schmollmund, als Cupida ihre “Autorität” untergrub, konnte aber nichts dagegen tun. “Wie du meinst, Tante.” Antwortete sie leicht patzig, das letzte Wort genüsslich betonend um hervorzuheben, dass Cupida schon viel älter war als sie. Dann schaute sie die anderen betont fröhlich an. “Na kommt schon, das ist schön dort und Tante Cupida wird auch bestimmt die Geschichte dazu erzählen!” Aldec machte daraufhin große Augen und erwartete voll naiver Neugier die ausschweifende Geschichte der Gärtnerin.

Im ersten Moment zuckte Doratrava unwillkürlich zusammen, als Fecundaque Cupida ‘Tante’ nannte … das hörte sich so alt an. Aber dann musste sie schmunzeln. Cupida dürfte ungefähr in ihrem eigenen Alter sein und damit vermutlich nur ein paar Jährchen älter als ihre Nichte … und sie war jünger als Jel. Seltsame Gedanken, die sie da hatte, während sie der Gärtnerin zur nächsten Sehenswürdigkeit folgte.

Die kleine, von Cupida geführte Gruppe, erreichte, nach einem kleinen Abstecher zum Amphitheater, wo - so führte die Akoluthin aus - für gewöhnlich allerlei Barden, Bänkelsänger und verliebte Paare, die diesen lauschten, anzutreffen waren, den schönen Teich mit dem Pavillon der Lilienprinzessin. Warum der Stadtpark in Herzogenfurt von den Menschen auch gerne als ´Lilienpark´ bezeichnet wurde, erschloss sich der Gruppe schon recht bald. Ganze Felder der wunderschönen Pflanzen mit ihrem betörenden Duft waren hier vorzufinden. Der Teich mit der Statue der Lilienprinzessin und ihres menschlichen Geliebten war hierbei das Herzstück gewesen. Cupida fühlte stets eine enge Bindung zu diesem Ort, war es doch auch genau jener Platz, wo sie damals als Findelkind gefunden wurde. Sie erzählte den Anwesenden die Geschichte von der Lilienprinzessin, einer Fee, die ihre Unsterblichkeit für ihren menschlichen Geliebten aufgab, mit dem sie hier inmitten der Lilienfelder gelebt haben soll. Als sie ihre Ausführungen beendet hatte, blickte sie erwartungsvoll in die Augen der Umstehenden.

Aldec hatte im Laufe der romantischen Erzählung begonnen, kleine Tränen zu vergießen. Unbemerkt von den anderen weinte er still und für sich. Die Tränen schienen auch nicht zu versiegen, als die Geschichte zu Ende war. Der massige Mann unterdrückte ein Schluchzen, während sich sein weißes Leinenhemd auf Höhe seines vorgewölbten Bauchansatzes langsam dunkel färbte.

Folcrad hatte der Geschichte über die Wahre Liebe über alle Grenzen hinweg andächtig gelauscht und genoss den abschließenden Moment der Stille, in welchem die Geschichte in ihren Herzen Fuß fassen sollte, als er von schräg hinter sich ein leises Schniefen vernahm. Als er sich umschaute, sah er den tränenüberströmten Leibdiener. Aldec mochte wohl eine Nervensäge sein, aber dieser Anblick war einfach herzzerreißend. Er trat einen Schritt zurück, so dass er neben dem Jungen stand und flüsterte: ”Was ist denn los? Alles in Ordnung bei dir?”

Auch Cupidas Aufmerksamkeit lag nun am Leibdiener. Sie ging zu ihm hin und streichelte sanft seinen Rücken. “Es ist eine schöne Geschichte, ich weiß. Kannst du dir vorstellen einen Menschen so sehr zu lieben, dass du deine Unsterblichkeit für ihn aufgeben würdest.” Die Akoluthin seufzte verträumt.

Die Zärtlichkeit tat dem jungen Mann ersichtlich gut, auch wenn sich sein Rücken unter der federleichten Berührungen krümmte, als wäre Cupidas Hände tonnenschwer. “Die Geschichte…” Er schluchzte. Seine helle Stimme quietschte und überschlug sich vor laute Tränen. “Ach, sie ist so schön!”, japste er zwischen den Tränen hindurch. “Ich würde so gerne jemanden wieder so lieben können.” Noch immer waren seine Backen nass, rot und glänzend.

Wieder? Hatte er gerade wieder gesagt? Folcrad wurde gerade klar, dass er dem armen Kerl sämtliche Liebesgefühle abgesprochen hatte und schämte sich dafür. “Erzähl uns doch von Deiner Liebe und erinnere Dich an die guten Seiten”, forderte er ihn freundlich auf. Vielleicht würde es ihn ja wieder auf gute Gedanken bringen.

Nun trat auch Fecundaque an Aldec heran und nahm ihn in den Arm. “Psst, beruhige dich wieder. Rahja wird dir deinen Wunsch sicherlich erfüllen.” Mit sanfter Stimme redete sie auf Aldec ein. “Weisst du, sowas passiert schneller als man denkt.” Dabei sah sie Folcrad direkt an.

“Ich hab...ich weiß..wie es...ach”, schnappte der dicke Mann, dessen Stimme zu versiegen drohte. “Meine Mutter...sie...verstorben...sehr lieb...ich…” Da fiel er plötzlich Folcrad um den Hals und umarmte ihn fest. Der massige, große Mann hing plötzlich mit seinem ganzen Gewicht an dem Knappen. Folcrad hatte nicht erwartet, wie viel Kraft in den speckigen Armen steckte, die jetzt die Luft aus seinen Lungen pressten.

Der Knappe riss überrascht die Augen auf und machte dicke Backen. Er fühlte Panik in sich aufsteigen. War das ein Angriff? Ruhig bleiben. Er klopfte dem Dicken auf den Rücken:”Ummpfh...Ganz ruhig...uff...Aldec. Alles wird...nnngh...wieder...gut.” Folcrad lief rot an und er versuchte Luft zu holen:”Aber bitte...pfffff...lass mich los...ufff...ich krieg...keine...nnnngh Luft.”

Auch Cupida erschrak sich. Gerade wollte sie Aldec wegen des Verlusts seiner Mutter trösten, da griff der korpulente Mann nach dem Knappen Folcrad und umarmte ihn anscheinend so fest, dass letzterer nach Luft ringen musste. “Ssssh …”, zischte die Akoluthin und streichelte noch einmal über den Rücken des massigen Leibdieners, “... es ist alles gut. Lass ihn jetzt besser wieder los, bevor du ihn verletzt.” Die junge Frau schaffte es dabei diese Forderung ohne eine Spur von vorwurfsvollen oder zurecht weisenden Tönen auszusprechen.


***

Neben dem Pavillon war ein großer Teich angelegt in dem Seerosen und einige Enten schwammen. Ein laues Lüftchen wehte an diesem Ort und lud zum Verweilen ein. Zwei alte und kräftige Weiden standen am Ufer und wiegten ihre Äste im Wind. Als Doratrava über den Teich blickte und bei den Weiden angelangt, war es ihr als hörte sie einen schönen Gesang. Fern und ätherisch klang die männliche Stimme die eine Sehnsucht hervor rief. Sie könnte schwören, dass der Gesang von einem der Bäume ausging. Niemand anderes hörte etwas.

Doratrava hatte dem Vortrag Cupidas zur Lilienprinzessin aufmerksam und zunehmend interessiert gelauscht und sich dabei ein wenig … umgesehen. Da drang plötzlich noch etwas anderes an ihre Ohren … sie folgte etwas verstohlen diesem Gesang, nachdem sie festgestellt hatte, dass wohl nur sie selbst diesen hören konnte, wie die Gesichter der anderen zeigten - nur bei Aldec war sie sich nicht ganz sicher. Irgendwie war sie gerührt wegen seiner Reaktion auf die Erzählung Cupidas, und irgendwie war sie … beunruhigt? - als er nicht aufhörte zu weinen, obwohl Cupida nun schwieg, denn dieser Gesang löste auch in ihr selbst eine gewisse Traurigkeit aus, die sie nicht recht greifen konnte. War es denn möglich, dass Aldec auch … ?

Mittlerweile hatte sie die Bäume erreicht und legte vorsichtig die Hand an denjenigen, von dem der Gesang zu kommen schien …

Und der Gesang hörte auf. Eine kurze Brise belebte den Baum, der mit einem Rascheln der Blätter antwortete. Ein verführerischer Duft nach Lilien stieg ihr in ihre Nase und plötzlich stand ein gutaussehender, junger Mann neben dem Baum.

Im ersten Moment bedauerte Doratrava das Verklingen des Gesangs, wie sie den Geruch der Lilien genoss, dann zuckte sie überrascht und ein wenig erschreckt zurück, als plötzlich der Mann vor ihr stand. Instinktiv sah sie sich um, ob sie aus Versehen … ob Cupida und die anderen noch da waren.

Der groß gewachsene, schlanke Mann lehnte lässig an seinem Baum und grinste Doratrava an. Man könnte ihn seinem Aussehen nach für einen Halbelfen halten; leicht spitze Ohren, die etwas größeren, in tiefem braun mit einzelnen goldsprenkeln Augen lagen leicht schräg im Gesicht. Insgesamt war sein Haupt wunderschön symmetrisch. Das wohl schulterlange Haar hatte er hochgebunden und er trug einen kecken Spitzhut aus Bausch darüber. Es schien dunkelbraun zu sein und der Farbe des Stammes der Weide zu gleichen, doch genau sah man das nicht. Gekleidet war er wie ein elfischer Jäger, doch fehlten Köcher und Bogen. Hemd, Hose und Stiefel waren in erdigen Farbtönen gehalten, die in ihrer Optik dem Farbenspiel der Bäume glichen und wohl aus Bausch und Leder geschnitten waren. Als er Doratravas Unsicherheit bemerkte, beruhigte er sie. „Keine Angst, schöne Frau. Ich tue nichts. Salgar ist mein Name. Verratet ihr mir den Euren?“ Er lehnte weiterhin lässig am Baum und zwinkerte ihr zu. „Es ist wunderschön hier, nicht wahr?“

Doratrava blinzelte. Wo waren die anderen nochmal genau? Sie kniff die Augen zusammen und musterte den Mann, den … Halbelfen? - ausführlicher, ohne ihre Neugier damit wirklich befriedigen zu können. “Ich heiße Doratrava”, antwortete sie dann vorsichtig. “Wo … wo kommst du her … Salgar?” fragte sie zurück, mit vorsichtigem Misstrauen in der Stimme. Nochmals versuchte sie sich umzusehen.

"Doratrava..." Salgar wiederholte ihren Namen ein paar mal, bis er eine Intonation gefunden hatte, die ihn fast wie ein Gedicht klingen lies. "Was für ein außergewöhnlicher Name für eine außergewöhnliche Frau. Der Klang ist harmonisch, wie das Rauschen des Windes in den Blättern der Weiden, auch wenn die darin verborgene Göttin nicht recht zu dir passen mag." Er verbeugte sich leicht. "Verzeih, ich bin kein Mann, der viel Wert auf die Etikette der Menschen legt. Ich hoffe es ist in Ordnung, wenn ich dich so anspreche?" Salgar war auffallend ruhig oder hatte seinen Körper gut im Griff. Noch kein einziges Mal hatte er mit seinen Händen oder Haaren gespielt. Er stand locker neben der Weide und ein faszinierendes Lächeln umspielte seinen Mund, als er Doratrava betrachtete. "Aber um zu deiner Frage zurückzukommen... Ich wohne hier. Es ist ein schöner Garten und so oft voller schöner Menschen. So auch heute..." Er zwinkerte ihr neckisch zu. "Ich bin neugierig und mag Abenteuer ... mit der rechten Dame an meiner Seite könnte ich etwas von der Freude und Ausgelassenheit teilen, die ihr Menschen heute in meinen Park gebracht habt." Er trat einen Schritt auf sie zu und stupste mit seinen schlanken Fingern sein Hütchen an. "Was für bemerkenswerte Augen, Doratrava ... habe ich noch nie gesehen."

“Ähm … den Namen haben mir meine Zieheltern gegeben, das waren Geweihte der Travia … und nein, es macht mir nichts aus, so angesprochen zu werden”, antwortete Doratrava recht knapp und immer noch etwas unsicher. “Meine Augen … du wohnst hier? Kennst du denn Cupida? Kennt Cupida dich?” entfuhr es ihr impulsiv, ohne weiter auf Salgars Bemerkung zu ihren Augen einzugehen, die in tiefem Blau strahlten. Sie hatte so langsam einen Verdacht. Sie wollte aber erst die Antwort auf ihre Fragen hören, bevor sie diesem nachging.

Als Doratrava sich nochmals nach ihren Freunden umsah, sah sie sie erstmal nicht, doch dann ging ein Flimmern durch die Luft und sie sah die Gruppe um Cupida wieder am Rande des Teiches stehen. Wie es schien, war ihre neue Entdeckung noch nicht aufgefallen.

Erleichtert wandte sich Doratrava wieder Salgar zu und sah ihn fragend an.

„Ja, ich kenne Cupida, aber sie kennt mich nicht ... ich zeige mich nicht oft ... aus Vorsicht.“ Seine hübschen Augen waren auf Doratrava gerichtet. „Du weißt bestimmt, wie die Menschen auf uns reagieren ... Wesen, die sie nicht einordnen können ...", er musterte Doratrava noch einmal eingehend. Anscheinend nahm er an, dass die ihn verstehen würde. "Wir sind ihnen suspekt.“ Etwas verlegen sah er zu Boden. „Würdest du mich ein Stück mitnehmen und deinen Freunden dort hinten vorstellen?" Salgar wies auf die kleine Gruppe junger Menschen am Teich. "Nur zur Wiese. Weiter nicht. Ich würde gerne dem Treiben der Menschen zusehen, mich faszinieren deren Freude und Ausgelassenheit ... und deren Kleider.“

Damit musste Doratrava ihrem Verdacht gar nicht weiter nachgehen, da er soeben bestätigt worden war. Dennoch fragte sie: “Ähm … du wohnst in einem der Bäume, oder? Äh … wie nennt man eine männliche Dryade?” Sie wurde ein wenig rosa im Gesicht, da sie nicht wusste, wie ihr Gegenüber so eine Frage empfand. Dann setzte sie erklärend hinzu: “Also … gerne stelle ich dich den anderen vor, aber sie werden sicher fragen, wo du so plötzlich herkommst, da muss ich ja wissen, was ich ihnen sagen soll …”

Kam es Doratrava so vor, oder wurden Salgars Gesicht gerade etwas grüner? Ein Mensch wäre wohl errötet. Auch wich er wieder etwas zurück und berührte seine Weide. "Ja ... Dryade, das trifft es fast. Eigentlich bin ich ein Halbdryade. Mein Vater war ein Mensch, doch gehöre ich nicht in Eure Welt, sie fasziniert mich aber." Er löste sich wieder von dem Baum und ging zu Doratrava. "Die Menschen haben so viele Vorurteile und erschrecken vor Meinesgleichen ... du bist jedoch anders, ich fühle mich dir nah." Einen letzten Blick warf Salgar noch zu seiner Weide. "Ich wohne übrigens nicht im Baum, ich beschütze ihn und das was er hütet. Aber das ist etwas kompliziert zu erklären." Er streckte die seine Hand Doratrava entgegen. "Ich bin mir sicher dir fällt eine Vorstellung für mich ein, du kennst deine Freunde ja schließlich besser als ich."

“Eigentlich kenne ich sie gar nicht”, murmelte Doratrava kaum hörbar, nahm aber Selgars Hand und führte ihn auf Cupida und die anderen Gäste zu. Doch als sie auf ein paar Schritt heran waren, fiel ihr auf, dass es irgend ein Problem mit diesem Aldec gab, der offenbar aus einem ihr nicht ersichtlichen Grund in hemmungsloses Schluchzen verfallen war. Sie hielt an und bedeutete Salgar mit einem Händedruck, es ihr gleich zu tun.

***


Aldec ließ verblüfft den Knappen los, es hatte sogar den Anschein, als würde er einen Augenblick aufhören zu weinen. Verdattert betrachtete er den im Gesicht fast blauen Folcrad. Er stotterte:” Ich...es...hab ich...ach es tut mir so Leid!” und brach erneut in Tränen aus, diesmal noch heftiger als zuvor. Seine Knie wurden weich, sodass er sich plötzlich auf den Hosenboden setzte. “Ich wollte Euch nicht wehtun. Ich will niemandem wehtun. Ich… will doch niemandem etwas böses.”

Der junge Baldurstolzer holte erstmal tief Luft, dann lächelte er Aldec unsicher an. “Schon gut, es ist ja nichts passiert”, sagte er, war sich aber nicht sicher, ob nicht eine Rippe gestaucht war. Er richtete sich auf und reichte Aldec die Hand: “Da kannst Du doch nicht sitzen bleiben.” Er bereitete sich allerdings auf eine enorme Kraftanstrengung vor.

Aldec beruhigte sich ein wenig und ergriff die Hand des Knappen. Widerwillig ließ er sich aufhelfen. Der kräftige Bardurstolzer musste mit aller Kraft ziehen - wobei sich in seiner Flanke ein unangenehmes Ziehen bemerkbar machte. Doch mit aller Kraft schaffte er es, den Leibdiener hochzuhiefen. Der schnaubte kräftig, als er wieder auf den Beinen war - so, als ob er derjenige war, der die Kraftanstrengung erbringen musste.

“Na komm, ich glaube wir besorgen Dir erstmal was zu essen. Was hälst Du davon?”, lachte der Knappe und klopfte Aldec auf die Schulter. Er drehte sich dabei so, dass Aldec nicht sehen konnte, dass er sich die Flanke hielt, an der er sich wohl gezerrt hatte. Er wollte nicht, dass sich der gutmütige Kerl wieder Selbstvorwürfe machte.

Fecundaque sah das allerdings sehr wohl. Mit besorgter Miene kam sie zu Folcrad. “Hast du dir weh getan?” fragte sie leise.

“Schon”, antwortete er ebenso leise, “aber es wird schon gehen.” Er lächelte sie an und zwinkerte.

Skeptisch sah sie ihn an, doch war sein Lächeln durchaus ansteckend und so erwiderte sie es schließlich. “Dann lasst uns doch etwas zu essen holen. Aldec, möchtest du mitkommen?” Er nickte und hatte dabei ganz vergessen, dass seine Herrin ihn auf dem Fest sehen könnte.

Noch bevor Aldec antworten konnte, tupfte Cupida ihre nur geringfügig jüngere Nichte am Oberarm und wies dann auf Doratrava und den geheimnisvollen Mann an ihrer Seite. “Nur ein-zwei Herzschläge weg und schon hast du einen charmanten Begleiter gefunden …”, die Akoluthin lächelte der Gauklerin breit zu, “... willst du uns vorstellen?”

Doratrava blinzelte etwas überrascht, als die anderen zunächst so gar keine Notiz von ihr und vor allem von Salgar nahmen, doch dann lächelte sie, als wenigstens Cupida auf sie aufmerksam wurde. Sie warf einen kurzen Seitenblick auf ihren Begleiter. Ob der wohl für ihre ungewöhnliche Unauffälligkeit sorgte? Nun, zumindest die Gärtnerin hatte ihn bemerkt. “Ähm, ja, also das ist Salgar. Ich … habe ihn dort am Teich zwischen den Bäumen entdeckt. Er … ist ein wenig schüchtern und hat mich gefragt, ob er dem Fest zusehen darf. Das kann ich natürlich nicht entscheiden, aber warum nicht?” Fragend sah sie Cupida, aber auch Fecundaque an.

Die sie ihrerseits irritiert anblinzelten. “Zwischen den Bäumen?”, fragte die Akoluthin verwirrt. “Ich habe dich dort gar nicht stehen sehen.” Kurz war sich die Gauklerin unschlüssig darüber, wem dieser Satz galt, doch fixierte Cupida dabei eindeutig sie an und nicht den Mann an ihrer Seite. “Sei mir gegrüßt, Salgar …”, grüßte die Lilienhainerin den Neuankömmling freundlich. Dafür, dass der Park heute eigentlich für die hohe Herrschaft geschlossen war, trieben sich erstaunlich viele Personen herum. Cupida störte sich daran jedoch nicht wirklich, sie war von Anfang an dagegen gewesen den Park zu schließen - aber wer würde schon einen Deut darauf geben was sie sagte? “Kommst du aus Herzogenfurt?”

Solange die anderen noch keine rechte Notiz von Salgar nahmen, trat Doratrava auf Cupida zu, der sie trotz der kurzen Bekanntschaft vertraute - oder es waren ihre roten Haare, die sie jede Vorsicht vergessen ließen. Wie auch immer, sie beugte den Kopf vertraulich zu Cupidas Ohr und raunte: “Er … wohnt hier, am Teich. Er ist ein Feenwesen, so etwas wie eine Dryade … oder die Lilienprinzessin?” Das letzte war ihr gerade ganz spontan durch den Kopf gegangen, wie so oft hatte ihr vorschnelles Mundwerk den Gedanken ausgesprochen, bevor sie bewusst darüber nachdenken konnte. Schnell flüsterte sie weiter: “Ich glaube, das sollten jetzt aber nicht alle hier wissen.” Dann trat die Gauklerin wieder einen halben Schritt zurück, bevor es auffiel.

“Die Lilienprinzessin …”, die junge Cupida lachte glockenhell auf, “... ach Dora. Die Lilienprinzessin war doch eine Frau … sieh nur …”, energisch deutete sie auf die Statue unter dem Pavillon, “... wenn dann wäre Salgar der Lilienprinz.” Die Akoluthin sprach in einer Lautstärke, die alle umstehenden ohne Probleme vernehmen konnten. “Du hast wirklich eine blühende Fantasie …”, sie nahm Doratrava in die Arme und küsste ihre Wange - es war in diesem Moment klar, dass sie dem Gedankengang ihrer neuen Freundin nicht folgen konnte. “Also Salgar, kommst du von hier?”, setzte sie an den ´Dryaden´ gewandt hinzu.

Doratrava zuckte zusammen, als Cupida ihre ‘Erkenntnisse’ so laut hinausposaunte, aber jetzt war es schon zu spät. Außerdem hatte sie ja gesagt ‘wie die Lilienprinzessin’ und nicht, dass sie Salgar für diese hielt, aber wie auch immer. Wenn die anderen sie für ein wenig wirr im Kopf hielten, mochte das Salgar auch schützen - wenn er denn ihres Schutzes überhaupt bedurfte. Verstohlen versuchte sie, die Reaktion der anderen einzuschätzen.

Hä? Lilienprinzessin oder -prinz? Folcrad sah sich verwundert um.Wovon sprachen die beiden denn da? War das nicht bloß nur ne Geschichte?

Aldec dagegen hatte auf einen Schlag aufgehört zu weinen und starrte mit offenem Mund Salgar an.

Der jungen Frau erschloss sich noch nicht so ganz was hier vorging, aber die Situation war ihr suspekt. Also klammerte sie sich an Folcrads Schulter, während sie über dessen Schulter den ‘Lilienprinz?’ musterte.

Folcrad griff nach der Hand auf seiner Schulter und drückte sie. Auch er betrachtete den merkwürdigen Neuankömmling an Doratravas Seite.

Der ‚Mann‘, den nun alle sehen konnten, hielt Doratrava fest bei der Hand. Sie gab ihm Sicherheit und er konnte eine seltsame Verbundenheit zwischen ihnen fühlen. Warm, angenehm weich, doch auch kraftvoll und sicher fühlte sich sein Griff an. Etwas nervös zupfte er mit den Fingern seiner anderen Hand an seinem Hut, worauf eine Strähne seines braunen Haares zum Vorschein kam, das im Licht des Praiosmales im Grün der nahen Bäume zu schimmern schien. Er betrachtete neugierig die jungen Menschen um ihn. Wie hübsch und charismatisch er doch war. Nicht den kleinsten Makel konnte man an seinem fremdartigen Antlitz erkennen. Cupida übermannte der Drang, ihn berühren zu wollen ... Salgars Augen glänzten dabei und neugierig richtete er das Wort an die ihm Unbekannten. „Ich bin nicht von hier. Können wir etwas weiter? Ich würde gerne schauen, was hier in meinem Park heute alles los ist.“ Dass er gerade noch meinte er sei nicht von hier, nur um im nächsten Moment von ´seinem Park´ zu sprechen, bedachte Salgar nicht.

Cupida kaute an ihrer Unterlippe. Sie wusste nicht ob es intelligent war, Salgar hier im Park herum zu führen. Der Adel des Herzogtums war Praiostreu - ja sogar einen Bannstrahler und mehrere Geweihte des Götterfürsten hatte sie heute schon ausmachen können - und Doratravas Begleiter war ... nun ... es war offensichtlich, dass etwas an ihm anders war. Sie wollte nicht riskieren, dass es am Ende des Tages nicht nur Freudenfeuer gab, sondern auch ein anderes, mit einem magischen Wesen darauf ... "Nun gut ...", wandte sie sich Salgar dann zu, "... aber sei vorsichtig und halte dich zurück. Dann können wir dir zumindest die Pavillons und Zelte aus der Ferne zeigen. Ich denke, dass die Götterspiele gleich losgehen. Das heißt die anderen Gäste sollten abgelenkt sein."

“Sicher. Ich bleibe bei Doratrava.” Er drückte sachte ihre Hand und ein warmer Schauer durchfuhr sie.

Vorbereitungen auf der Festwiese

Nachdem alle Werber sich vorgestellt hatten und sich zurück zu ihren Tischen begaben, begannen die Mägde und

Knechte unter Anleitung der Geweihten die Festwiese für das nächste Programm vorzubereiten. Tische wurden herangeschafft, Karren mit abgedeckten Körben und immer mal wieder ein Kelch der Gäste nachgefüllt.


Rahjel und die Novizin Rahjalind machten sich auf dem Weg den Geweihten der Rondra zu finden. Abgekämpft, müde und von einer düsteren Aura umgeben bot er ein schreckliches Bild. Als ob jemand zur Aufhellung seiner Stimmung voran geschickt wurde, hüpfte ein Kater mit wuschigen Fell und gold-grünen Augen herbei und schmiegte sich schnurrend an das Bein von Rondradin. Die Diener der Liebesgöttin lächelten, Rahjel hielt einen Weiß gestrichenen Stab mit angespitzten Ende in der Hand, während Rahjalind einen Korb trug. Hinter den Beiden schleppten zwei Knechte einen Tisch herbei. “Da seit ihr ja, Bruder Rondradin! Ich habe mit Schwester Rahjalind besprochen, dass sie euch bei dem Armdrücken mit den beiden Turteltauben unterstützen wird.” Bei den letzten Worten rammte er den Stab in den Boden. “Da jede Gottheit eine bekommt, konnte ich diesen für Rondra beschaffen.” Rahjel grinste die Beiden an.

Blass beinahe schon grau wirkte seine Haut, dunkle Augenringe untermalten noch diesen Eindruck. “Könntet Ihr das ohne mich machen?” fragte er mit tonloser Stimme. “Ich muss …” Mitten im Satz verstummte der Geweihte und schüttelte den Kopf. Die Katze zu seinen Füßen schien er gar nicht bemerkt zu haben.

Rahjalind hatte sich im ersten Moment erschrocken, als sie des Rondrianers ansichtig wurde. Noch vor einem Stundenglas, als sie ihm das letzte Mal gegenüber gestanden war, wirkte er zwar grüblerisch, aber dennoch zuversichtlich. Nun bot sich ein ganz anderes Bild. Kurz schenkte die Novizin Rahjel einen Seitenblick und nickte ihm dabei knapp zu. "Ich bin mir sicher, dass das was Ihr ... müsst ... auch später noch Zeit haben wird." Die junge Linnartsteinerin näherte sich Rondradin lächelnd und strich ihm sanft über seine Oberarme. "Bruder Rahjel hat mir eben erst erzählt wie Ihr Euch für den Junker Thankred und seine Sabea eingesetzt habt ...", freudig küsste sie die Wange des Wasserthalers, "... das war schön und edel von Euch. Ihr möchtet die beiden Turteltauben doch nun nicht im Stich lassen, oder?"

Rahjel nickte der Novizin zustimmend zu. “Ich selbst werde am Tisch der Rahja gebraucht. Das hier ist wirklich eine Angelegenheit von Rondra … und Rahja.”

"Findet Ihr? Was, wenn ihre Familien der Verbindung nicht zustimmen? Habe ich ihnen dann immer noch einen Dienst erwiesen oder nicht vielmehr verdammt?" Seine Augen, welche nun erst Rahjalind, dann Rahjel anblickten, hatten ihr inneres Feuer verloren, stattdessen wirkten sie seltsam stumpf und tot, einzig grenzenloser Schmerz ließ sich darin erkennen. "Wollt ihr mich wirklich in dieser Verfassung auf die Anwesenden loslassen? Lasst mich gehen."

Rahjalind hoffte, dass man ihr die Betroffenheit in diesem Moment nicht zu sehr anmerkte. Sie lächelte. "Verfassung ...", die Novizin winkte ab, "... ich denke ein bisschen Ablenkung ist genau das was Ihr jetzt braucht, Rondradin." Abermals blickte sie hinüber zu Rahjel, der jedoch bereits dabei war sich zu entfernen. "Und was Sabea und Thankred angeht, Ihr habt die beiden zueinander geführt ... Ihr kennt die beiden nun schon, denkt Ihr wirklich, dass sie sich irgendetwas von ihren Familien reinreden lassen würden?" Sie kicherte vergnügt. "Nein, was Rahja fügt, das wird in diesem Fall keine Familienräson trennen." ´...sollte es eigentlich nie ...´, setzte sie in Gedanken hinzu. "Liebe ist kein böser, grausamer Scherz, Rondradin. Ich hoffe Ihr seid Euch dessen bewusst. Liebe ist es immer wert, dass man um sie kämpft ...", der Rondrianer erkannte schnell, dass nun nicht mehr der Junker von Trollpforz und seine Angebetete das Thema waren, "... egal wie aussichtslos es scheint. Ihr selbst habt es erst vorhin bewiesen. Wie ein Alveraniar der Lieblichen habt Ihr Euch für zwei Menschen eingesetzt. Nun lasst mich Euch helfen."

Bei ihren Worte versteifte sich ihr Gegenüber zusehends. In seinen Ohren klangen ihre Worte wie blanker Hohn. ‘Liebe ist kein böser, grausamer Scherz?’ Da hatte er eine andere Erfahrung gemacht. Seine Hände ergriffen Rahjalinds Schultern und schob sie von sich weg. “Liebe ist es immer wert, dass man um sie kämpft? Sie ist niemals grausam? Habt Ihr meiner Geschichte vorhin nicht zugehört? Ich darf niemals der Frau, der ich mein Herz geschenkt habe, nahe sein. Versteht Ihr was das bedeutet? Wie es für mich ist, sie heute hier zu sehen, in der Gewissheit, dass einer der Anwesenden sie zum Altar führen wird und nicht ich dieser Mann sein darf?” Er ließ die Rahjani los. “Wie wollt Ihr mir helfen? Könnt Ihr mein Herz herausschneiden und durch einen Stein ersetzen, damit ich nie wieder diesen Schmerz spüren muss oder mir die Erinnerung an Gelda von Altenberg nehmen, damit ich nicht jeden Augenblick an sie denken muss? Seht Ihr, das könnt Ihr nicht. Was habe ich Rahja getan, dass sie mich dermaßen straft?” Mit diesen letzten Worten ließ er Rahjalind stehen und stapfte in Richtung des Ausgangs los.

´Aha, da war es also.´ Rahjel war schon ein Stückchen weg, aber die Worte des Geweihten waren deutlich bis an sein Ohr gelangt. Er wusste, dass er sich auf Rahjalind verlassen konnte. Der erste Schritt war getan. Der Geweihte war zufrieden. Dennoch schaute er sich um. Wo war Gelda von Altenberg?

Die Novizin war an Menschen mit Liebeskummer gewohnt. Es war sogar eine der Hauptaufgaben der Dienerinnen der Lieblichen sich um diese leidenden Seelen zu kümmern. Dabei gab es verschiedene Typen; Menschen, die weinend in ihre Arme sanken, Menschen die aggressiv wurden und auf das Dererund, die Götter und alle anderen Liebenden schimpfen und Menschen, die den Schmerz in sich hineinfressen. Sie ließ den Rondrianer ein paar Schritte weg stapfen, dann ging sie ihm nach. In gemächlichem Tempo, denn sie wusste, dass eine Szene hier niemandem half. Beim Ausgang, wo sie ungestört schienen, hatte sie zu Rondradin aufgeschlossen. "Vor dem Schmerz zu fliehen, macht es nicht besser, Rondradin ...", sprach sie in sanftem, verständnisvollen Ton, "... das hilft Euch nicht und Eurer Geliebten, der es wahrscheinlich ganz genauso geht wie Euch, auch nicht." Hatte er sich Gedanken darüber gemacht, dass auch Gelda leidete? "Ich stehe zu dem was ich Euch gesagt habe. Die Liebe ist nicht grausam. Die Grausamkeit, die sie umgibt, ist einzig und allein vom Menschen gemacht. Von Familienräson ... vom unbedingten Willen dazu Macht zu erhalten oder zu vergrößern. Von Ständen und einer Ordnung, über die sich die Liebe jedoch stets hinweg setzt, weil sie eben keine Grenzen kennt." Rahjalind fixierte ihn. "Ihr habt für Euch entschieden, ein Angebot anzunehmen. Ein Lippenbekenntnis, weil Ihr um das Leben eines Knappen gefürchtet habt. Ein Umstand, für dem ihr meiner Herrin jetzt die Schuld gebt, anstatt für Euch und Eure Liebe zu kämpfen ... oder Euch zumindest das Herz zu erleichtern." Sie schüttelte ihren Kopf. "Ihr zieht es anscheinend vor davonzulaufen und auf die Herrin zu schimpfen."

Der Kater Asiriel, das Schoßtier der Baronin von Schweinsfold, folgte den beiden. Er spürte die starken Emotionen die von den Beiden ausging und seine Neugierde war geweckt. Er war sich sicher, dass seine Herrin ebenfalls von den beiden Menschen fasziniert gewesen wäre. Im hüpfenden Gang schlenderte er zwischen ihnen.

Abrupt blieb der Wasserthaler stehen und wandte sich Rahjalind zu. Zorn blitzte in seinen Augen und seine Stimme glich einem Grollen. “Reibt es mir nur weiter unter die Nase! Ja, ich habe eine dumme Entscheidung getroffen und dem Baron mein Wort gegeben, aber zu dem Zeitpunkt dachte ich auch noch, dass Gelda mich verachten würde. Wie hätte ich wissen sollen, dass sie genauso für mich empfindet wie ich für sie?” Da war er wieder, der Schmerz. “Ich habe mir geschworen sie freizugeben, ihre keine Steine in den Weg zu legen, wenn sie heute jemanden erwählt um sie zu heiraten. Und ich habe ihren Blick gesehen als Nivard von Tannenfels sich vorstellte und ihr Lächeln. Ich freue mich für sie, aber gleichzeitig hat es mir endgültig das Herz gebrochen.” Rondradin schluckte und rang sichtlich um seine Selbstbeherrschung. “Und jetzt lasst mich in Ruhe und bereitet die Spiele vor.”

Damit setzte er schnellen Schrittes seinen Weg zum Hotel fort.

Rahjalind begegnete dem Zorn des Rondrianers ruhig und unaufgewühlt. Zu oft schon wurde sie von einem enttäuschten Liebenden angeschrien. Einzig ein knappes Nicken ließ sie sich entlocken. Erst als der Rondrianer einige Schritt entfernt war, zeigte sich auf ihren Lippen ein Lächeln. Der Ausbruch von eben stimmte sie zufrieden. Endlich einmal eine leidenschaftliche Emotion und ein Ende des Davonlaufens ... auch den Grund für seinen plötzlichen Verfall hatte er ihr artikuliert. Sie müsse noch einmal mit Rahjel sprechen, doch verloren war hier noch nichts. Erst jetzt bemerkte Rahjalind die hübsche Katze, die sie begleitet hatte. Die tierliebe Novizin hockte sich ein paar Momente hin und kraulte das Fell des Tieres liebevoll.

Der Kater genoss die Streicheleinheiten der Novizin. Doch dann schlug er kurz nach ihr und hüpfte Rondradin hinterher.


***

Das Knirschen des Kies unter seinen Füßen begleitete Rondradin … oder war es sein Herz, das zu zerspringen drohte? Selbst die Lilien die sich im Winde neigten, schienen ihn zu verhöhnen. War es ihr Lachen oder das Summen der Bienen? Ein erheitertes Lachen aus der Ferne ließ ihn kurz aufschauen. Sabea und Thankred, Arm in Arm, schlenderten zurück zur Festwiese. Lachten sie ihn aus oder waren sie nur glücklich? Der Geweihte lief weiter zum großen Tor des Gartens das geschlossen war. Noch wenige Schritte und er hatte es erreicht. Fort von diesem Ort der Hohn. Doch dann drang eine Stimme an seinen Ohren. Eine Stimme die direkt zu seinem Herzen sprach. “Rondradin!” erklang die Stimme Geldas hinter ihm.

Ein Schritt trennte ihn noch vom Tor als er mit dem Rücken zu Gelda stehenblieb. Seine Schultern waren nach vorne gesackt, sein Kopf war starr nach vorne gerichtet. Die Augen hatte er geschlossen, in dem verzweifelten Versuch sich soweit zu fangen, dass er mit Gelda sprechen konnte. Reglos stand Rondradin da, unfähig ein Wort zu sprechen.

Die Schritte die vorsichtig auf ihn zukamen, wurden mit einem zarten Knirschen des Kiesweges begleitet. Eine sanfte Berührung am Arm drehte ihn vorsichtig um. Und da stand sie. Gehüllt in einem weiß-blauen seidenen Kleid, der Kopf umhüllt von einer Kopfbedeckung die nur das Gesicht und einige Strähnen ihres roten Haares freigaben. Ihre Haut war so hell wie feinstes Porzellan, edle aber noch junge Gesichtszüge zeugten von einem starken Willen, der Mund kirschrot bemalt. Doch in ihren grünen, mandelförmigen Augen schimmerte es feucht. “Oh Rondradin. Was ist passiert?” Der Blick war fragend, aber auch sie schien Kummer zu haben.

Für einen kleinen Moment vergass Rondradin seinen Schmerz als er den Kummer in Geldas Blick wahrnahm. Seine Augen schienen wieder etwas des alten Glanzes zurückzugewinnen, auch wenn nun Sorge aus ihnen sprach. “Gelda, was machst du hier? Warum bist du nicht auf dem Fest?” Fragte er sanft, auch wenn seine Stimme noch immer etwas rau klang. “Warum siehst du so traurig aus, was bedrückt dich?”

Das er ihr antwortete erfüllte Gelda mit Freude und … Hoffnung. “Bruder Rahjel hat mir erzählt, dass ich dich hier finde und dass es dir nicht gut ginge.” So griff nach seiner Hand. “Ist es … ist es wegen uns?” Geldas Augen waren weit geöffnet, in der Hoffnung in den seinen die Gefühle zu lesen.

Angeblich sollen Augen die Spiegel der Seele sein und so konnte Gelda Rondradins Gefühle für sie klar erkennen als er ihren Blick erwiderte. Die grenzenlose Liebe die er für sie empfand ebenso wie der Schmerz ihr nie nah sein zu dürfen. “Ich halte es hier nicht mehr aus. Jedes mal wenn mir jemand zu meiner Verlobung gratuliert hat, war es als ob jemand einen Dolch in mein Herz gebohrt hätte und als Nivard seine Rede hielt und du zurückgelächelt hast,..” Er schluckte und schlug die Augen nieder. “Das war zuviel für mich. Ich schäme mich dafür, eigentlich sollte ich mich für dich freuen, denn mit Nivard hast du einen guten Mann. Aber mir brach es in diesem Moment das Herz. Denn Gelda von Altenberg, ich liebe dich noch immer und noch viel mehr als damals in Nilsitz.”

Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie versuchte mit trockenen Verstand die Situation zu verstehen, würgte ihre Gefühle. Doch nach Rondradins Worte war auch ihr klar, dass sie ihre Gefühle nicht abstellen konnte. Nicht wollte. Eine Träne lief ihr die Wange runter, dennoch lächelte sie. “Natürlich habe ich ihm zugelächelt, er ist mir doch ein Freund geworden. Aber wer sagt denn, dass ich ihn als Gemahl erwähle? Mein Herz fühlt wie deines, die Liebe zu dir ist so stark.” Zwei weitere Tränen folgten der ersten. “Was würde sich ändern, wenn ich dir sage, dass ich nur dich will?”

Zögerlich hob er die Hand um ihr dann zärtlich die Tränen wegzuwischen. “Könnte sich denn was ändern? Deine Familie wird verlangen, dass du jemanden ehelichst und ich bin immer noch mit einer Frau verlobt die ich nur einmal kurz sah und deren Vater dieses Verlöbnis niemals auflösen wird.” Erneut sackten seine Schultern nach unten. “Ich kann es verstehen, wenn du mich dafür verachtest, dass ich diese Verlobung eingegangen bin. Ich selbst verfluche mich jeden Tag dafür.” Nun rollte auch bei ihm eine Träne die Wange herab.

Sie nickte und schaute kurz zu Boden. So einfach konnte sie ihn nicht gehen lassen. Jetzt nicht mehr. Dann blickte sie ihn mit festen Blick an. “Ich habe mir viele Gedanken gemacht, Rondradin. Diese Verlobung. Hast du einen Eid vor den Göttern gesprochen oder war das ein Lippenbekenntnis? Folgst du seinen Worten, weil er ein Baron ist und über dir steht? Ist es denn nicht so, da dieser Rabensteiner jetzt ein Geweihter ist, gar kein Adelsamt mehr innehaben darf? Du und er als Geweihte doch eigentlich auf Augenhöhe sind? Warum zählt dem Diener der Leuin das Verlangen des Dieners des Raben so viel?” Mehr Tränen flossen. “Was wäre, wenn ich meinem Oheim Vater Winrich erzählen würde, wem ich meine Unschuld geschenkt habe? Würde das Wort eines hohen Traviageweihten zählen?” Hilfesuchend schaute Gelda den Geweihten an.
“Ich gab ihm mein Ehrenwort.” kam die leise Erwiderung. “Da ist es egal ob ich es einem Fürsten oder Bauern gegeben habe, einmal gegeben bin ich daran gebunden.” Der Geweihte sackte auf die Knie.

Sie legte ihre Hand unter sein Kinn. “Aber was zählt ein Ehrenwort, dass unter Erpressung gegeben wurde? Zählen denn unsere Worte, unsere Versprechen der Liebe nichts?” Nun ging sie auf die Knie, ohne auf ihr Kleid zu achten. Dann nahm sie seine Hände in die ihre. ”Was ist, wenn wir hier und heute den Bund vor den Göttern besiegeln? Niemand kann solch einen brechen, auch ein Baron von Rabenstein nicht.”

“Dir ist klar, dass ich mir damit den Baron zum Feind machen würde und ich meiner Göttin nicht mehr unter die Augen treten könnte, wenn ich zustimme?” Mit tränennassem Gesicht sah er zu ihr auf und traf einen Entschluss. “Für dich werde ich das alles in Kauf nehmen, denn du bist alles für mich. Also, ja. Ja, ich will dich heiraten, hier und heute!”

Gelda sank auf seine Brust, doch schaute wieder auf. “Ob der Baron ein Feind wird, interessiert mich nicht. Du bist der mutigste Mann den ich kenne und sogar ich würde mich ihm in den Weg stellen. Aber warum glaubst du, du verschmähst damit deine Göttin? Interessiert es Rondra, dass du ein Lippenbekenntnis brichst, dass dich zu einer Ehe zwingt? Es war kein Treueschwur gegenüber einem Schwachen oder Hilfebedürftigen. Nichts davon stellt Mut, Tapferkeit oder Kampf in Frage. Ist es aber nicht die Herausforderung die zählt ...etwas, was du mich gelehrt hast? Steht nicht Mut und Tapferkeit dahinter, diesem eigenwilligen Baron die Stirn zu bieten? Ist nicht ein Kampf zwischen euch, etwas das der Göttin gefallen sollte? Ach was rede ich da, Rondradin. Wenn du denkst, dass unser Bund gegen die Gebote deiner Göttin steht, dann kann ich dich nicht heiraten. Das könnte ich mir nie verzeihen. Denn ich bin kein Baron der dich zu etwas zwingen mag.” Nun senkte sie das Haupt und weinte hemmungslos.

Der Geweihte nahm Gelda in den Arm und küsste ihr die Tränen vom Gesicht. “Bitte hör auf zu weinen, Liebste. Du zwingst mich zu nichts. Es ist mein Wille. Du hast ja recht.” versuchte er sie zu beruhigen. “Und falls mich Rondra trotzdem nicht mehr will, vielleicht nimmt mich Rahja auf.” Gelda schaute ihn an. “Bist du dir sicher? Wenn es so ist, dann sage ich ja zu dir!” Ein Lächeln machte sich auf dem feuchten Gesicht breit. Er wollte noch etwas sagen, aber da…

...hörten sie im Hintergrund knirschende Schritte nahen, jäh anhalten. Mit großen Augen betrachtete Nivard das Geschehen, im Antlitz wie am gesamten Körper zu einer Geste des Schreckens und des Unglaubens erstarrt.

Was geschah hier gerade? Hatte Gelda ihn nicht eben noch lächelnd ermuntert, um sie zu werben, hatte er nicht ihre Freude gespürt? Er war ihr gefolgt, als sie gerade rasch aufgebrochen war, darauf hoffend, sie alleine sprechen zu können, davon ausgehend, dass sie genau dies bezwecke. Hatte er all ihre Zeichen und Handlungen die ganze Zeit so falsch verstanden?

Rondradin! Er hätte es wissen müssen. Wie konnte er seit Nilsitz so blind sein?

“Was… was hat das… was hat das zu bedeuten?” konnte er nur mit belegter, fast tonloser Stimme stammeln, jede Silbe ein Fanal der Erschütterung. Nivards Welt war gerade im Einsturz begriffen.

Rondradin konnte mitfühlen was Nivard gerade durchmachen musste. Vor gar nicht so langer Zeit hatte er ähnliches durchlitten, ironischerweise beim Anblick Nivards und Geldas. Das Gesicht des Geweihten war tränenfeucht als er aufstand, um sich dem Krieger zu stellen. “Nivard, bitte verzeiht. Ich kann verstehen wie Ihr euch fühlt. Mir ging es vorhin nicht anders als ich Euch zusammen mit Gelda sah. Hasst mich, wenn Ihr es müsst, aber vergebt Gelda, dass sie ihrem Herzen folgt, wie auch ich es tue.”

Gelda ließ sich von Rondradin hochhelfen und schaute verzweifelt Nivard an. “Es … es tut mir so leid … aber.”, stammelte sie. “Aber Rahja hat entschieden … Nivard.”, sagte sie mit leiser Stimme. Im Augenblick des Schreckens wirkte alles surreal. Vor allem die Katze die an einem Busch saß und Nivard mit ihren goldenen Augen neugierig betrachtete. Und nicht nur das. In seinen tränenverschleierten Blick erkannte Rondradin die Gestalt einer schlanken Frau. Sie trug ein rotes Kleid und ihr Haar war so gülden wie Honig. War das die Holde, die Göttin der Liebe? Er blinzelte den Schleier davon und erkannte … Rahjalind.

Rahjalind gab ihrem ersten Impuls nach, als ihr der junge Tannenfelser auf dem Weg zurück zur Festwiese begegnete. Wie von einer unsichtbaren Hand geführt, folgte sie dem Krieger mit etwas Abstand. Als sie auf Rondradin und Gelda stießen, lag ihr freundlicher Blick auf dem Rondrianer und der jungen Altenbergerin. Sie lächelte. Es sollte ein paar Herzschläge lang dauern bis die Novizin sich dessen gewahr wurde, was genau hier gerade passiert war und auch was genau die Konsequenzen für Nivard sein würden. Sie konnte sich noch gut an seine offene Vorstellung, die ja eigentlich ein Liebesgeständnis an Gelda war, erinnern. Rahjalind konnte seinen Schmerz fühlen. Etwas zögerlicher als gewollt näherte sie sich der kleinen Gruppe.

Nivard hatte gerade weder Augen für die neugierig blickende Katze noch nahm er von Rahjalind oder irgendetwas oder -jemand anderes aus seiner Umgebung Notiz. Seine Augen waren noch immer starr auf Gelda gerichtet, während die Worte in schier unendlicher und umso quälenderer Langsamkeit in seinen Geist sickerten. ‘Rahja... hat... entschieden…’ ‘Rahja hat entschieden.’ Rahja hat entschieden! Und Rahja hasste ihn, jetzt hatte er die endgültige Bestätigung. Mit dieser Erkenntnis begann der Moment völliger Betäubung einem Sturm der Gefühle zu weichen - Schmerz und Wut waren die präsentesten davon und drohten, seine Beherrschung hinfortzureißen. In einem inneren Kraftakt unterdrückte er den Impuls, seiner Wut zu folgen und mit Fäusten oder dem Schwert auf den Geweihten einzudringen. Die entgleitende Macht der Wut gab dafür umso mehr seinem Schmerz freie Bahn. Nivard spürte kaum das Zucken in seinen Augenlidern, sehr wohl aber das heraufdrängende Brennen in selbigen. Gelda konnte das Schimmern darin erkennen, und spürte, das etwas in dem jungen Krieger zerbrochen war.

‘Nein, Tränen würde er ihnen nicht auch noch zeigen.’ Er taumelte zunächst einige Schritt auf die beiden zu, Gelda, seine Liebe, noch immer fest im Auge, bevor er sich in einem weiteren Kraftakt abwandte und wortlos an dieser und Rondradin vorbei durch das Tor davon schritt, zunächst langsam und wankend, doch rasch immer schneller, möglichst weit weg von diesem Park, dem Ort seiner Pein, dem Ort, an dem seine Träume zerbrachen.

Rahjalind blickte Nivard grübelnd nach. Sie konnte, neben dem Krieger stehend, den Nachhall des Brechens seines Herzens förmlich fühlen. Doch die Liebe war nicht grausam und Rahja war keine grausame Göttin. Zur Liebe jedoch gehörten immer zwei und nicht erwiderte Zuneigung schlug des Öfteren in Zorn auf die liebliche Göttin um. Enttäuschte Seelen tendieren dazu das Wesen ihrer Herrin zu verkennen - Rahja schenkte den Menschen die Fähigkeit zu lieben. Die Freuden, die damit einher gingen, doch auch den Schmerz. Überall wo intensive Gefühle am Werk waren, war der Grat zwischen Freude und Trauer ein sehr schmaler. Sie blickte zu Rondradin und Gelda ... Rahjalinds Augen wirkten glasig ... sie freute sich für die beiden, genauso wie ihr Nivards Schicksal dauerte. "Ich werde ihm folgen ...", flüsterte sie dann an die anderen gewandt, "... ich werde ihm jedoch noch etwas Ruhe lassen." Mit diesen Worten, schritt auch die Novizin aus dem Tor hinaus, einen großen Abstand zum Tannenfelser haltend.

Dankbar nickte Gelda der Novizin zu. Dann packte sie Rondradin an die Hand und zog ihn von hier weg, weiter in den Park hinein.

Der Geweihte widerstand dem Zug Geldas für einen Moment, um sich an Rahjalind zu wenden. "Bitte kümmert Euch gut um ihn. Ich... Ich weiss genau wie er sich gerade fühlt." Bedauern lag in seinen Augen. Er wollte sich schon abwenden und weiterlaufen, aber dann richtete doch noch mal das Wort an Rahjalind. "Und... Danke Rahjalind." Dann ließ er sich bereitwillig von Gelda fortführen.

Asiriel, der Kater, hatte genug gesehen. Mit gesättigter Neugier schlenderte er zurück zu seiner Herrin, die Baronin.


Nivard hoffte inständig, dass ihn keiner sah, wie er sich, so innerlich zerstört er war, auf kürzestem Weg zu den Stallungen des Hotels 'Zum Herzog' schleppte.

Auch in dem Anbau begegnete ihm, den Göttern sei Dank, keine Menschenseele.

"Ich Narr, du warst die Liebste für mich, doch jetzt bist Du ein Licht,
an fremdem Firmament, warum nur, warum nur, nur nicht für mich?"

Mit bebender Brust und tränengetrübtem Blick holte er in aller Eile Sattel und Zaumzeug und warf diese über sein Pferd. Er musste schnellstens raus aus Herzogenfurt, wenigstens für heute. Es war schlimm genug, ja eine anstehende Tortur, dass er nach alldem die Altenberger nach der Brautschau wieder gen Elenvina zurückbegleiten musste. Aber heute wollte er keinen mehr von diesen zu Gesicht bekommen. Auch nicht seine Mutter, seine Schwester oder seine Kameraden. Und er konnte diesen vermaledeiten, ach so rahjagefälligen Ort nicht mehr ertragen. Er wollte nur noch allein sein, mit sich und seinem Schmerz.

Als endlich alles verzurrt war, wollte er gerade sein Ross nach draußen führen...

... als ihm gewahr wurde, dass er doch nicht alleine war. Es war die junge Novizin von vorhin, die an der Pforte der Stallbox lehnte und ihn mit ausdruckslosem Gesicht musterte. Ja, ihr war bewusst, dass diese Situation eine gänzlich andere war, als zuvor bei Rondradin. Der Geweihte lief vor sich selbst davon, Nivard hatte gerade einen Verlust erlitten - fühlte sich in seinem gegenwärtigen Zustand seiner Zukunft beraubt. "Die Liebe ist ein Rausch ...", begann Rahjalind kryptisch, "... doch wenn sie einseitig ist, wandelt sich dieser rasch in seelisches Leiden und Selbstzweifel." Noch bevor er irgendetwas erwidern konnte, hob sie beschwichtigend ihre Hand und fuhr fort. "Glaubt mir ... mir ist bewusst, dass nichts was ich nun sagen kann, Euch hier und jetzt helfen wird. Mir ist bewusst, dass Ihr Zeit braucht ... um zu trauern." Die Novizin legte ihren Kopf schief. "Doch dennoch möchte ich Euch anbieten zu reden. Männer tendieren oft dazu ihre Gefühle beiseite zu schieben, damit sie stark wirken. Dabei sind Trauer und Zorn in diesem Fall etwas ganz natürliches. Wenn Ihr möchtet, höre ich Euch zu ... wenn Ihr jedoch allein sein wollt und abreisen wollt, dann werde ich Euch auch nicht aufhalten."

Welch Ironie - das Geschenk erwiderter Liebe hatte Rahja nie für ihn übrig, dafür stand aber immer gleich eine ihrer Dienerinnen gesprächsbereit zur Stelle. Hatte Rahja etwa Freude daran, ihn zu demütigen und zu quälen und dann ihren Geweihten als Anschauungsobjekt vorzuführen? Seht her, ich bin die Göttin der Schönheit und der Liebe. Und für die, die nicht in rauschhafter Schönheit durchs Leben schweben, sondern sich durch dieses zu kämpfen haben, ist meine Gunst nimmermehr...

Nivard wandte sich für einen Moment unwirsch ab und versuchte, sich unauffällig die Augen zu wischen. Doch noch immer glitzerten seine Wangen verräterisch. Er versuchte sich auf seinen Zorn zu konzentrieren, von dem er hoffte, dass er ihn, anders als sein Schmerz, nicht vor den Augen der Novizin zusammenbrechen ließ. Diesen Triumph wollte er Rahja und den ihren nicht auch noch schenken. Sarkastisch schnaubte er aus. "Was will ich denn? Rahja hat entschieden. Wie sie sich immer entschieden hat. Und sich immer wieder entscheiden wird. Ich war ein Narr, zu glauben, es könnte jemals anders sein. Ich hätte es von Anfang an sehen müssen. Schon in Nilsitz, wo sie erst meine Gefühle weckte, um sie dann in die Arme dieses, dieses... zu treiben. Ich wollte es nicht wahrnehmen. Sie hat seither nur ihn geliebt. Immer nur ihn. Und ich habe ihr gesungen. Gedichtet. Und mich vor aller Augen zum Narren gemacht!" Immer heftiger brach es auch ihm heraus:

"Soll ich Euch sagen, was mein Fehler war? Dass ich habe meine Gefühle gerade nicht zur Seite geschoben habe! Verse geschmiedet, um ihnen Ausdruck zu verleihen! Aber das soll mir eine Lehre sein. Zweimal habe ich den Fehler gemacht, obgleich ich schon beim ersten Mal hätte verstanden haben sollen! Ein drittes Mal wird er mir nicht geschehen. Ich bin Krieger, kein Poet. Ein Mann des Schwerts, und nicht der Worte und Lieder. Und die Liebe, die Rahja schenkt, ist nicht für Menschen wie mich gemacht!"

Erst hatte ihn der Wein zur Latrine getrieben, die allerdings schon eine Weile besetzt war. Sein nächster Gedanke war der Park, doch war das für heute nicht ganz schicklich. Dann blieb nur noch die Herberge, zu der sich Dorcas dann auch aufmachte. Kaum war er aus dieser heraus, sah er die schöne Novizin Rahjalind vor dem Stall stehen. ´Das wäre doch eine Gelegenheit ´Hallo´ zu sagen´, dachte der große Ritter bei sich. Doch dann vernahm er die Worte seines Freundes Nivards. Und diese klangen nicht glücklich. Also gesellte er sich dazu und stellte sich neben die junge Frau im roten Kleid. “Ich muss dir widersprechen mein Freund. Ich kenne keinen Krieger der Schwert und Lieder so führen kann wie du. Dein Herz ist groß und schlägt an der richtigen Stelle. Es war nur nicht die richtige Frau.” Sagte er mit tiefer Stimme und kam langsam auf ihn zu, die Arme weit geöffnet.

Rahjalind hatte indessen den Ausbruch des Kriegers stoisch verfolgt. Als er geendet hatte, schnalzte sie mit ihrer Zunge und schüttelte leicht den Kopf. Dann bemerkte sie den großen Paggenfelder, der sich neben sie hingestellt hatte. Sie grüßte ihn freundlich nickend, dann lag ihre gesamte Aufmerksamkeit wieder am Tannenfelser. "Ihr seid das Gegenteil von dem was Ihr behauptet, junger Herr ...", hob sie dann in ruhigem Ton an, "... Rahja hat Euch auf jeden Fall berührt. Ihr liebt leidenschaftlich und mit ganzem Herzen. Ich hab es bei Eurer Vorstellung gesehen." Sie bewegte sich langsam auf ihn zu. "Rahja ist die Liebe, junger Herr. Wir wissen nicht was sie für einen jeden von uns bereit hält. Vielleicht ist es auch eine Prüfung ... denn diejenigen, die die Herrin besonders innig liebt, prüft sie hart. Heute mag es Euch weh tun ... das verstehe ich. Es ist ein Gefühl, als würde Euch das Herz aus der Brust gerissen. Ihr fühlt Euch verraten und gedemütigt, doch verliert nicht den Glauben an die Liebe." Sie versuchte sich mit einem Lächeln. "Ihr tragt so viel davon in Euch und wenn Ihr den Schmerz überwunden habt, werdet Ihr vielleicht sogar sehen, dass hinter allem ein Sinn steht. Auch hinter diesem betäubenden Schmerz." Der Novizin war bewusst, dass ihn ihre Worte hier und heute nicht überzeugen würden, doch hoffte sie inständig, dass er etwas daraus mitnahm und sich daran erinnerte, wenn seine Trauer sich gebessert hatte. "Verliert nichts von dem, was Ihr seid, Nivard." Abermals ging ihr Blick hinüber zu Dorcas, der immer noch mit ausgebreiteten Armen neben ihr stand. Vielleicht vermochte die Freundschaft des Hünen mehr Gutes zu tun als es Worte jemals konnten.

Der Anblick der ausgebreiteten Arme seines Freundes und dessen und Rahjalinds warmherzige Worte (wenigstens musste er nicht wieder vernehmen, ein Mann und kein Lappen sein zu sollen) ließen den aus Nivard herausbrechenden Zorn nach und nach versiegen. An dessen Stelle in seinem Inneren trat eine Leere, die dem Schmerz wieder Raum gab - und ihn sich schwach fühlen ließ, schwach wie nie in seinem Leben.

Widerstandslos ließ er zunächst die rückenklopfende Umarmung des hünenhaften Dorcas nur geschehen, um sie nach einigen Augenblicken schließlich doch dankbar zu erwidern.

Immer noch musste er seine verbleibende Willenskraft aufbieten, um die wieder emporstrebenden Tränen niederzuhalten.

"Vielleicht habt Ihr Recht. Ihr beide." erwiderte er nahezu tonlos. Mühsam musste er den Kloß in seinem Halse, der ihm die Stimme zu rauben drohte, herunterschlucken, dann setzte er hinzu. "Wenn es wirklich so ist, weiß ich nur nicht, wieviel von Rahjas inniger Liebe und ihren Prüfungen ich noch ertragen kann. Und was von mir nach dieser Prüfung übrig bleibt. Wenn diese irgendwann vorbei ist."

Denn die Zumutungen seinem Herzen gegenüber waren noch lange nicht ausgestanden - heute nicht und erst recht nicht die nächsten Tage, in denen er Gelda und Rondradin noch oft begegnen würde. Und zugleich so vielen Augen ausgesetzt war. Noch immer verspürte er die Sehnsucht, sich dem allen hier zu entziehen, auch wenn ihm der vorhin noch so starke Impuls zur unmittelbaren Flucht gerade abhanden gekommen war. Fluchtgedanken... Schwäche... jetzt musste er sich selbst Rondra gegenüber schämen.

“So ist das richtig, ich wußte doch, dass da ein richtiger Kerl drinne steckt” Er legte sein kräftigen Arm um Nivards Schulter. “Und nun entschuldigst du dich bei der jungen Dame Rahjalind für deine harschen Worte und wir gehen zurück zum Fest. Ein Kriegerherz gibt sich jetzt nicht die Blöße in der Flucht. Wer weiß für was dass alles gut ist. Die Göttin hat bestimmt einen besseren Plan für dich. Was meint ihr, Rahjalind?” mit seinen samtbraunen Augen schaute er die Novizin an.

Die junge Novizin blickte lächelnd auf die Umarmung der beiden Männer. Beinahe rührte sie das Bild, das sich ihr bot zu Tränen, dann beförderten Dorcas´ Worte sie wieder zurück ins Hier und Jetzt. “Der hohe Herr muss sich nicht bei mir entschuldigen …”, sie zeigte den beiden ein wunderschönes Lächeln, “... Liebe ist immer mit intensiven Gefühlen verbunden und er muss sich dafür auch nicht schämen.” An Nivard gewandt griff sie die Fragen der beiden Krieger auf. "Ich kann es Euch leider nicht sagen wie lange es dauern wird und wann Ihr Euer Glück finden werdet ...", Rahjalind bewegte sich auf die beiden Männer zu, "... denn, dass Ihr es finden werdet, steht für mich außer Frage. Rahja liebt Euch, Nivard. Und auch Euren Freunden würde es viel bedeuten wenn Ihr diesem Fest nicht den Rücken zukehrt." Sie lächelte den beiden noch einmal zu. "Wenn Ihr jemanden zum Reden braucht, werde ich mir stets Zeit für Euch nehmen. Und wenn Ihr einmal in Kyndoch seid, würde ich mich darüber freuen, Euch in unserem bescheidenen Tempel begrüßen zu dürfen. Wir freuen uns immer darüber junge, künstlerische Seelen bei uns zu haben." Die Novizin zwinkerte ihm zu, dann knickste sie zum Gruß und wand sich zum Gehen.

Dorcas und Rahjalind hatten Recht! Beim Gedanken an seine Freunde, Dorcas und Elvan vor allem, für die diese Feierlichkeit mit dem Segen der Götter vielleicht noch eine hohe Bedeutung haben würde, aber auch Doratrava - an die Frage, ob die Freundschaft zu Gelda nach alldem eine Zukunft hatte, wagte Nivard gerade keinen Gedanken zu verschwenden - und natürlich an seine Schwester Ringard bekam der junge Tannenfelser in seiner Treue zu diesen wenigstens eine noch immer tragfähige Säule aus den Trümmern seines Herzens geborgen. Eine Säule, die seine Seele derzeit zwar nicht wieder aufrichten würde, aber wenigstens die Fassade seiner selbst soweit stützen würde, dass er den Menschen hier, die ihm etwas bedeuteten, nicht den hoffentlich schönen Tag verderben würde, in dem er mit seinem Abgang den Blick auf sein Leid zöge.

"Habt Dank für Eure guten Worte, Rahjalind!" wandte Nivard sich mit leiser Stimme an die im Gehen begriffene Novizin. "Ich hoffe, ich werde ihre Bedeutung irgendwann voll ermessen können. Und den Trost in ihnen finden, den diese versprechen." Er senkte sein Haupt und fügte nach kurzer Pause hinzu: "Und auch wenn Ihr mir bereits die Absolution dafür zuspracht, so möchte ich Euch dennoch um Verzeihung bitten für meinen unritterlichen Ausbruch in Eurer Gegenwart."

Sich straffend versuchte er Dorcas zuzulächeln: “Lass mir ein wenig Zeit - ich will rasch mein Pferd absatteln... und noch etwas zur Ruhe kommen. Dann stoße ich wieder zu euch.”

Die Novizin wandte sich dem Tannenfelser noch einmal zu. Sie wirkte glücklich und erleichtert über seine Worte. "Das freut mich, hoher Herr. Wir sehen uns dann später am Fest", ja, wer weiß schon was die Liebliche für den jungen Krieger heute noch so alles bereit hielt. Rahjalind schloss ihn in ihre Arme und küsste seine Wange, dann winkte sie dem Paggenfelder zu und verließ den Stall. Die Götterspiele warteten.

Dorcas wartet kurz. “Nivard, ich weiß das es eine ´blöde´ Situation ist. Aber versuch für heute darüber zu stehen. Irgendwelche ´Spiele´ fangen jetzt an. Und vergiß nicht, das sind eine Menge Barone versammelt die zu schauen. Diese Brautschau ist ja mehr als nur nach einer guten Partie zu suchen. Schau auf welchen Posten ich jetzt bin, damit hätte ich vor der Jungfernfahrt der Concabella mir nie erträumt.” Er drehte sich um zum gehen. “Wir sehen uns dann gleich.”

“Bis gleich.” bekräftigte Nivard leise. ‘Spiele… auch das noch. Aber schlimmer als zuletzt konnte es eigentlich nicht mehr werden.’ Oder doch?


***

Bei einem Pavillon, inmitten eines Lilienfeldes hielt Gelda an. Beide waren sie stumm ein Stück gelaufen. Hier war ein Ort der Ruhe. Mit zittrigen Händen schaute sie Rondradin an. Diese Aufregung, der Schmerz, die Enttäuschung, das Glück. Alles ging so schnell. Bevor er etwas sagen konnte küsste sie ihn. Zu lange hatte sie darauf gewartet.

Als sich ihre Lippen berührten kam es Rondradin so vor als ob man die Tore Alverans für ihn geöffnet hätte. Er hatte davon geträumt diese Lippen noch einmal küssen zu dürfen, aber ihm war klar gewesen, dass dies nie mehr passieren würde, passieren durfte. Und doch geschah es. Zärtlich und sanft erwiderte er ihren Kuss und doch lag gleichzeitig eine Leidenschaft und ein Hunger darin die ihn selbst überraschten. Wie lang dieser Kuss dauerte? Rondradin wusste es nicht, er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Als ihre Lippen sich trennten, lächelte Rondradin seine Gelda glücklich an. Zärtlich nahm er sie auf den Arm, so wie er es damals schon in seinem Zelt gemacht hatte und trug sie zum Pavillon um sich dort auf eine Bank zu setzen. Seine Finger strichen eine ihren roten Strähnen aus dem Gesicht. “Du bist so wunderschön.” Ihre bloße Nähe, ihre Wärme, ihr Duft, all das versetzte Rondradin in einen Zustand perfekten Glücks.

Sie schmiegte sich an seine Brust. “Es gibt jetzt kein zurück mehr …”, sagte sie mehr zu sich selbst. Dann straffte sie sich. “Ich werde mit Rahjel sprechen … oder ist dir Vater Winrich lieber?” Ein ängstlicher Blick schlich sich in ihre Augen. “Und du … du musst zurück zum Fest. Ich weiß das meine Schwester auf dich wartet. Fühlst du dich dafür stark genug?”

Zur Antwort küsste er sie auf die Stirn. “Natürlich, mein Herz. Lass mich nur noch einen Moment deine Nähe spüren.” Er lächelte versonnen, doch da war noch diese andere Frage von Gelda. “Ich bin mir nicht sicher mit wem wir zuerst sprechen sollen, aber letztendlich werden wir mit seiner Hochwürden sprechen müssen. Und mit deinen Eltern werde ich auch sprechen müssen. Schließlich will ich bei ihnen um deine Hand anhalten. Glaubst du sie werden mich akzeptieren?” Fragend sah er Gelda an.

“Natürlich werden sie das, Du hast doch selbst mit meiner Mutter gesprochen. Allerdings”, sie stockte kurz,”hast du von deiner Verlobung gesprochen. Ich bin nicht sicher wie … mein Oheim dazu steht.” Unsicher schaute sie ihn an, hielt ihn noch etwas fester.

Beruhigend streichelte er über ihren Arm. "Dann lass uns gleich Bruder Rahjel aufsuchen. Vielleicht hat er einen Vorschlag, wie wir das Wohlwollen deines Oheims erhalten." Rondradin griff unter Geldas Kinn und hob es sanft um ihr dann in die Augen zu blicken. "Wir sind jetzt soweit gekommen, dann schaffen wir auch den Rest." Versicherte Rondradin seiner Liebsten und lächelte sie dabei aufmunternd an.

Gelda löste sich von ihm. “Ich werde ihn aufsuchen und du kümmere dich um Sabea, Je weniger wir für Aufregung sorgen, um so besser.” Glücklich liefen die Beiden Hand in Hand in Richtung der Festwiese. Nur kurz davor löste sie sich. “Bis gleich … Rondradin.”

Der Geweihte ergriff ihre Hand und wirbelte sie zu ihm herum. Noch einmal suchten seine Lippen die ihren. Erst dann entließ er sie. “Bis gleich… Gelda.”


***

Als Elvan von Altenberg den Junker von Altenwein , der endlich von der Tafel seiner Familie sich erhob und auf ihn zukommen sah , erfüllte es ihn mit Freude. Er selbst ging ein paar schritte voran in die Richtung des Küchenzeltes, den die Umbauten auf der Festwiese waren dabei seinen Lauf zu nehmen. “Aureus! Ich hoffe meine Schwester war zu viel des guten für euch!”

“Welche genau meint Ihr”, lachte er und wurde gleich wieder ernst:”Elvan, ich muss mit Euch sprechen.” Er seufzte schwer. “Wie Ihr wisst, war ich mit einer Rahjageweihten unterwegs und ich habe mit ihr über einige ...Dinge gesprochen.” Er sah Elvan besorgt an und wartete auf eine Reaktion des Kalligraphen.

“Oh … wie gut für euch. Wie es scheint habt ihr etwas auf der Seele. Ich höre euch gerne zu, Aureus.” erwartungsvoll schaute er den Junker an.

Der Junker blieb nun stehen und schaute Elvan direkt an. “Elvan ich...ich glaube Ihr habt Gefühle für mich, habe ich recht?”, fragte er nun unumwunden. Dennoch hielt er den Atem an.

Überrumpelt über seine Worte, brauchte der Schreiber eine Moment zum antworten. “Aber natürlich habe ich das Aureus. Ihr seid in kurzer Zeit ein Freund geworden. Es wäre ja schlimm wenn ich da keine hätte. Also macht euch keine Sorgen.” Versöhnlich strich er über seine Schulter. Elvan wußte schon das Aureus nicht wie er fühlte und würde sich auch nicht die Blöße geben.

Aureus schluckte. “Ich meine rahjagefällige Gefühle.” Es fiel ihm deutlich schwer weiter zu sprechen:”Ich, also… ich.” Er schloss die Augen und holte tief Luft:”Rahjania meinte, es wäre besser Euch zu sagen, dass ich nicht so empfinde. Es tut mir leid.”

Elvan blinzelte zweimal hinter einander, fasste sich dann aber wieder schnell. “Das … das ist schon gut so. Ich habe ja auch solche Gefühle für euch nicht. Aber Missverständnis passieren. Und Wein.”, log er. Er lächelte jetzt wieder frei. “Nun da wir das geklärt haben, können wir wieder Freunde sein, nicht wahr?” Etwas was er schon kannte, denn er ist noch nie einem Mann begegnet der seine Gefühle teilte. “Geht es euch jetzt besser, Aureus?”, lenkte er ab.

In der Tat wirkte der Junker nun erleichtert. “Bin ich froh, dass ich mich geirrt habe.” Er lächelte. “Und das wir weiter Freunde bleiben können. Aber als Freund sollte ich Euch vielleicht warnen.”, sagte er etwas zögerlicher. Dann sah er sich um und flüsterte ihm zu:” Dieser Vitold, nach dem Ihr Euch vorhin erkundigt habt…”, er zögerte, sollte er das wirklich sagen? Es war ihm auch irgendwie peinlich. “Also, er… er wollte Rahja huldigen mit ...mir.” Jetzt war es raus. “Aber bitte, sagt es keinem. Ich habe ihn abgewiesen, aber es… ist mir dennoch sehr peinlich.”

Elvans Herz begann an zu klopfen. ´Sollte es denn etwa sein …?´ “Was ihr nicht sagt, Aureus. Ich nehme an, ihr habt ihn auch so zur Seite genommen wie mich. Macht euch aber keine Sorgen. Ich behalte das für mich.” Zuversichtlich lächelte er ihn an. Und schaute sich nach Vitold um.

Nein, dass hatte er nicht, aber das wollte er nicht erzählen. “Soll ich euch dennoch bekannt machen?”, fragte er vorsichtig. Offenbar entgingen ihm Elvans neugierige Blicke.

“Natürlich könnt ihr das machen. Ich habe eure Warnung ja vernommen.” Er zwinkerte Aureus verschwörerisch zu. “Und habt ihr schon eine Dame in Aussicht? Ich würde mich freuen euch in meiner Familie willkommen zu heißen.”

“Ihr habt wirklich schöne Kandidatinnen in Eurer Familie. Ich fürchte, dass ich Durinja nicht das Leben bieten kann, dass sie gerne hätte. Ich bräuchte schon eine eigene Mine, um ihr auch nur annähernd die Schmuckstücke kaufen zu können, die sie bereits trägt. Praiona scheint nett zu sein. Sie erinnert mich auch an mich, bevor ich vom Haffax - Feldzug wiederkam. Sie hätte auch kein Problem damit, wenn ich ein armes Junkergut mein Eigen nennen würde. Mit den anderen habe ich noch nicht gesprochen.” Während er sprach führte er Elvan durch die Menschenmenge und steuerte den Baldurstolzer an. Dieser stand in seiner schwarz-silbernen Brokat Weste, der kurzen Pluderhose mit aufrechter Schamkapsel und den hautengen Beinkleidern am Rande der Gesellschaft, nippte an seinem Weinkelch und begutachtete das rege Treiben. “Ritter Vitold, darf ich Euch Elvan Winrich von Altenberg vorstellen? Edler Herr Elvan, dies ist Ritter Vitold von Baldurstolz, Edler zu Hinterwald.” Vitold musterte die beiden, wobei sein Blick länger auf Elvan ruhte. Ihm gefiel, was er sah, ließ es sich aber nicht anmerken:”Sehr erfreut.” Er hob den Becher und sah, das Elvan `unbewaffnet` war. “He, Bursche, gebt den beiden einen Becher Wein.”, rief er einem der vorbeilaufenden Diener zu. “Oder gelüstet es Euch nach etwas anderem?”, fragte er Elvan.

“Wein ist jetzt genau das richtige, ich bin sehr erfreut, eure Bekanntschaft zu machen”, wobei er den Ritter einige Momente länger in die Augen schaute, als es üblich wäre.

Vitolds Augen waren von einem tiefen, dunklen Blau und offenbar schaute er auch Elvan in seine. Der Ritter lächelte, ohne es zu merken, und offenbarte zwei Reihen gleichmäßiger und gepflegter Zähne. “Ganz meinerseits.” Aureus stand daneben und beobachtete die Szenerie. Ein wenig ärgerte er sich, da Elvan ihn und ihr Gespräch offenbar vergessen hatte. Auf der anderen Seite aber hatte er das unbestimmte Gefühl einem wichtigen Augenblick innewohnen zu können. Der angesprochene Diener kam mit einem Tablett auf dem zwei volle Pokale standen und reichte erst Aureus, dann Elvan je einen. “Auf die Liebe”, sagte Vitold,”und dass jeder heute sein Glück finden möge.” Bei den letzten Worten schaute er wieder Elvan tief in die Augen und zwinkerte ihm zu. “Auf die Liebe”, prostete nun der Altenweiner.

Etwas peinlich berührt von diesen kurzen ,aber intimen Moment ,nahm er schnell eine Schluck und versteckte sich hinter dem Kelch. “Ich bin mir sicher, dass die Herren hier keine Schwierigkeiten haben werden, jemanden zu finden. Vorausgesetzt ihr wollt jemanden finden.” Herausfordernd grinste er in die Runde.

“Ich glaube ich habe schon jemanden gefunden”, meinte Vitold keck und sah Elvan über den Rand seines Kelches an, während er einen Schluck nahm, und Ihr?” Aureus verdrehte die Augen, genau davor hatte er Elvan warnen wollen. Aber der hatte seine Warnung ja in den Wind geschlagen. Plötzlich riss er die Augen auf:`Ich hab es doch gewusst!`, dachte er bei sich. “Ich werde mich noch etwas umsehen, schließlich sollen doch alle die gleiche Chance haben, nicht wahr? Ihr entschuldigt mich?”, fragte der Junker. “Ja, ja, geht ruhig. Wir sehen uns ja später wieder.”, antwortete der Ritter beiläufig.

“Oh … ihr habt wahrscheinlich recht. Travia mit euch, Aureus!” sagte Elvan recht verwundert. ´Jetzt hatte der Junker es aber eilig.´ “So, welche Dame habt ihr den im Auge? Ich könnte für euch ein gutes Wort einlegen, falls sie aus meiner Familie stammt.”, bot er an.

“Vielleicht könnt Ihr ja erraten, wer es ist”, grinste Vitold frech,” die Person, die ich meine hat wunderschöne blaue Augen, ein bezauberndes Lächeln, ist ein klein wenig größer als ich, aber nicht viel, hat dunkelbraunes Haar und hält gerade einen Weinpokal in Händen. Na, könnt Ihr mir jemanden nennen, auf den das zutrifft?”

´Bei allen Göttern, Aureus hatte recht, dieser Vitold ist echt forsch´. Fast hätte Elvan sich verschluckt und lief etwas rot an. “Oh … ich verstehe.” Er schaute sich um. “Ich muß leider weg, meine Familie schaut schon sicher nach mir.” Dann lief er davon, blieb aber nochmals kurz stehen. “Vielleicht sehen wir uns ja beim Lustwandeln … oder heute Abend beim Fest.” Nun beschleunigte er den Schritt. Aufgeregt , verwirrt und atemlos strebte er den Altenberger Pavillion an.

“Das will ich doch hoffen, junger Altenberg”, lächelte Vitold. “So Rahja es will”, fügte er mehr zu sich selbst hinzu und sah dem Schreiber noch ne Weile nach. `Ich will Dich und Du willst mich und wir beide wissen das`dachte er bei sich und nahm noch einen weiteren Schluck aus seinem Kelch.

Hier geht es weiter