El Camino Diosa

Ort: Edlengut Linnartstein
Zeit: Rondra 1045 BF

Personen:

Eine kurze Briefspielgeschichte von Verema Artigas, Innozenz und StLinnart.



Auf dem Weg von Eisenhütt nach Kyndoch

Sie ritten durch den Wald, kein Lüftchen regte sich. Still und im Gänsemarsch. Die Pferde suchten sich geschickt ihren Weg über zersplitterte Teile von Ästen, die hier und da quer im Pfad lagen. Träge Vöglein zwitscherten hier und da, aufgeplustert wie fedrige Bälle. Hübsche Wolken schwammen durch die klare Luft. Die Ebene öffnet sich, im Felde arbeitete ein Bauer mit einem Ochsen am Pflug. Die Knappin lauert aus dem Augenwinkel. “Herr, Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit und wisst von Tapferkeit und Mut.”

Doch Thymon schenkte ihr ein Lächeln. “Bald sind wir zuhause”, meinte er erfreut. “Ich kann die Weinberge schon riechen.” Vergnügt lachte der lebenslustige Edle. Sie hatten einen Umweg über die Stadt Eisenhütt gemacht. Der Traurigsteiner holte dort etwas ab, das er schon vor einem Sommer hatte in Auftrag geben lassen. Nun, da war er sich sicher, würde die Zeit dafür reif sein.

Auch hoffte der Linnartsteiner Edle, dass alles vorbereitet sein würde, wenn sie das Gut erreichten. Den Geweihten der Rondra hatte er am Herzogenturnier im letzten Götterlauf kennengelernt und ihm vor Tagen eine Nachricht zukommen lassen. Hoffentlich hatte alles geklappt, doch war Thymon nie jemand, der sich durch solche Unsicherheiten aus der Ruhe bringen lassen würde. Er legte seinen Kopf in den Nacken und sog tief die Luft seiner Heimat ein - da störte es auch nicht, dass der pflügende Bauer gerade Mist einackerte und der allgegenwärtige Odor die Geruchsnerven beleidigte. “Und wie. Der Geruch drängt sich förmlich auf.” Meta spielte unbewusst mit ihrer Silberkette, an der ein Amethyst hing und erwärmte ihn in ihrer Hand. Eine Angewohnheit. Sie hatte wenig Schmuck und wahrscheinlich stammte dieser von ihrem Verehrer. “Wir sind schon lange Weg. Warum haben wir gleich wieder den Abstecher nach Eisenhütt gemacht?"

“Wie gesagt …”, wollte sich Thymon nicht in die Karten schauen lassen, “... es ist eine Überraschung. Du wirst es sehen wenn wir wieder zuhause sind.” Das Wort ´Zuhause´ schien der Ritter dabei besonders zu betonen. “Du weißt ja, dass du für uns schon fast zur Familie gehörst, Meta. Es wäre schön, wenn wir dich noch länger bei uns hätten.”

Es geschah etwas sehr seltenes. Als ihr Schwertvater so nett und fürsorglich mit ihr sprach, war er mehr, als ihr Vater im Herzen für sie gewesen war. Meta errötete und bekam kein Wort heraus, so trocken war ihr Mund. „Ihr seid so lieb. Es ist bei euch der Ort, den ich mein Zuhause nennen würde. Aber das ist vermessen. Obwohl Linnart weg ist und nur selten kommt, ihr wisst, dass wir uns nahe standen, bleibt es das Haus, zu dem ich gehe und mich zählen würde.“ Sie krächzte und war sichtlich gerührt. „Warum gerade jetzt?“

“Unsere Familie ist mehr als Linnart …”, meinte Thymon lächelnd, “... Rahjalind mag dich sehr gerne, für mich bist du wie eine Tochter und auch die anderen mögen dich sehr gerne. Du gehörst schon dazu.” Der Ritter wandte sich nach vorne und blickte in die weite Landschaft. “Wer weiß, vielleicht wirst du in naher Zukunft eine Entscheidung treffen müssen und ich möchte mich gerne auf deine Antwort vorbereiten.”

“Hoher Herr, mein Schwertvater. Eure Worte ehren und rühren mich, seid Ihr doch mehr Vater, als es meiner war und Eure Familie meine Heimat.” Ehrlich blickte sie ihn aus leicht geröteten, blauen Augen an. “Ach, alles ist so schwierig. Bei Euch bin ich vom Mädchen zur Frau geworden. Ihr wisst mehr, als viele glauben, was in der Familie vor sich geht.” Meta lächelte augenzwinkernd. “Was mich betrifft, ist Euch nicht entgangen, dass Euren Sohn Linnart und mich schon länger eine feste Freundschaft verbindet, die zumindest meinerseits, seit ich gereift bin, gerne hätte mehr sein sollen. Doch stamme ich weder aus angesehenem Haus, noch bin ich mit dieser Schönheit gesegnet und Ihr selbst kennt meine ähm Goschn. Ich war daran, ihn zu fragen, habe gemerkt, wie er versucht hat, mich abzulehnen, ohne mich zu sehr zu verletzen. Das ehrt ihn und Euch. Deshalb, das wisst Ihr, habe ich einen anderen Mann gefunden. Ich bin Rückschläge und Enttäuschungen im Leben gewohnt, das kann auch zu einer Stärke werden. Ich rechne es Euch hoch an, dass Ihr Gudekar akzeptiert habt. Dass ich niemals den Traviabund schließen werde - sowohl er als auch Linny haben das bereits - weiß meine Familie nicht. Das vertraue ich Euch an.” Sie nestelte an einer Locke ihres inzwischen schulterlangen Haares. “Nun ja, ich bin Knappin, also meinem Herren verpflichtet. Auch als Ritterin will ich das nicht ändern, aber, das versteht Ihr vielleicht besser, als jemand anderes, ich wünsche mir, danach etwas frei zu sein. Frei, Aventurien zu sehen, mit einen Mann, der mich liebt, dies ausspricht und von ganzem Herzen zu mir steht. Rahja ist in mir stärker geworden. Ich verspreche, bei … hm ähm ... das dürft Ihr Euch noch aussuchen, sollte es je soweit kommen und ich meinem Geliebten für ein Jahr folgen, dann werde ich zurückkehren, so Ihr mich dann noch wollt. Es sind Liebe und Neugier, die mich treiben. Es wird mich auf die Probe stellen, doch das ist es mir wert. Bei Eurem Sohn war es nicht möglich, er wählt seine Frauen anders aus, oder Ihr für ihn. Aber den Mann, den ich jetzt habe, der ist nur für mich. Ich weiß, dass ich nie den Status erreichen werde wie Verema oder Durinja. Ich bin ewige Knappin, dann werde ich ewige Junggesellin sein. Mir ist wichtig, dass wir ehrlich miteinander umgehen. Ich habe gesagt, was ich fühlte, immer noch fühle und was ich mir am Ende der Knappschaft wünsche. Aber ich werde, wie der Storch, stets zurückkehren. In der Hoffnung, dass Phex und Rahja es gut mit mir meinen.”

Thymon hatte seiner Knappin aufmerksam zugehört. Er durfte schon einige junge Männer und Frauen auf dem Weg in den Ritterstand begleiten, doch war Meta auf jeden Fall die Besonderste unter allen. Er hatte sie von seinem ehemaligen Waffengefährten übernommen - einen Elfenbaron aus Almada - und sofort große Defizite in der Ausbildung festgestellt. Der Edle hatte ihr den Ritterschlag nicht aus Missgunst vorenthalten, sondern weil sie die zwei Jahre eben noch gebraucht hatte. Eine unfertige Ritterin in seinen Stand zu entlassen hätte niemandem geholfen, soviel war klar. "Nana, Meta", meinte Thymon milde lächelnd. "Als ewige Knappin wirst du nicht enden, das kann ich dir versprechen. Aber sag an: dieses Jahr, welches du mit diesem Mann reisen willst … es hört sich ganz so an als hättet ihr beiden da schon Pläne?"

„Keine konkreten Pläne. Es kann alles ja noch dauern.“ Unsicher sah Meta ihren Schwertvater von unten an. Er konnte ihr jetzt noch alles verbieten und später, wenn sie Ritterin war, sie erbost von sich weisen. „Meine Zukunft ist ja noch ungewiss. Dachte ich auf der Schweinsfolder Hochzeit noch, ein Dämon wäre Prüfung genug, um in den Ritterstand erhoben zu werden und war zudem auf der Suche nach einem Mann, mit dem ich den Bund schließen werde, so einfach ist es nicht.“ Meta redete sehr offen und ruhig mit Thymon. Anfangs war das nicht so gewesen. „Die Männer, die für einen Bund noch frei sind, sind langweilige Lappen. Und ich muss noch viel lernen. Gerade unseren letzten Übungen im Schwertkampf haben mir sehr geholfen. Um nochmal auf die Pläne zurückzukommen. Wir wollten gerne, da es die Umstände erschweren, etwas Zeit zusammen haben. Ein Götterlauf, irgendwohin, wo ich mich für die Zeit anstellen lassen kann und er den Sprung von Albenhus weg schafft. Man braucht so lange von uns dorthin.“ Sie errötete. Es war der Wunsch, etwas Normalität, und wenn auch nur kurz, in ihrer Beziehung zu haben. „Ich will nicht von Euch weg.“ flüsterte sie. „Aber mein Partner kann wegen der Bannstrahler nicht zu uns. Andererseits genieße, oder besser … habe sie genossen, diese kleinen Aufträge mit Eurem Sohn. Würde es Euch sehr verärgern oder enttäuschen, wenn ich um ein Jahr bitte?“

“Ja, deshalb sollte man es den Eltern überlassen, einen passenden Partner zu suchen”, gab Thymon schmunzelnd zu bedenken. “Solche Entscheidungen sind nie leicht und manchmal kommen gar seltsame Ergebnisse dabei heraus. Schau dir zum Beispiel Linnart an …”, der Edle lächelte schief, “... aber gut, wir hätten damit rechnen müssen. Frauen betrachtet er in erster Linie als Schmuckstück an seiner Seite - je teurer und hübscher, desto besser. Wirkliche, ehrliche Freundschaft ist bei ihm selten, da kannst du dich wirklich glücklich schätzen. Wie ernst ist es dir denn mit diesem Mann? Er hat doch auch eine Frau und Kinder, oder?”

Düster, nahezu grantig blickte Meta ihren Schwertvater an. “Lassen wir das mit mir und Linnart. Ich weiß selbst, dass ich in seinen Augen billiger Schmuck bin, der ihn am besten als Knappin ziert. Dieser Mann, Gudekar. Ja, er hat Frau und Kinder. Alleine im Kreise der Barone könnte ich Euch ein paar aufzählen, bei denen die Situation genauso ist. So kam ich nach Linnartstein. Seine Frau weiß zumindest davon. Ich bin Rahja sehr verbunden.” Meta hob die Augenbrauen und lachte humorlos. “Aber bei den Göttern, Ihr kennt mich da fast besser, als ich. Als ich mit Verema unter Eure Dienste kam, da war ich ein verrücktes Mädchen. Jetzt bin ich eine besonnene Frau und brauche keinen Mann, der mich nach meiner Schönheit beurteilt wie ein Juwelier.” Leicht schmunzelnd hob sie das Kinn und linste zu Thymon.

“Jede Frau ist auf ihre Art und Weise schön”, meinte der Edle und machte eine abwinkende Handbewegung. “Geschmäcker sind verschieden und optische Schönheit vergänglich.” Der Traurigsteiner lachte leise. “Mach es so wie ich; wann immer eine dieser jungen Schnepfen dich ärgert, denk daran, dass auch sie einst ihre Schönheit an den Zahn der Zeit verlieren wird. Satinav macht vor niemandem halt.”

Aus Metas Blick war deutlich zu sehen, was sie von Linnarts Geschmack hielt. „Ich hatte damals gehofft, dass es ihm um mehr als bloße Schönheit gehen würde. Wir waren gut. Ich wusste, dass ich auf ihn zählen kann, und er, dass ich alles tun würde. Und privat hatten wir auch davor und danach Spaß.“ Sie hatte ebenfalls leise geredet. „Verzeiht, wenn ich so über euren Sohn spreche, aber da war mehr. Und Satinav wird auch mich finden. Gudekar ist meine Stütze, mein Mann. Er hat sich in mich verliebt, trotz allem. Seid so gut, gönnt mir dann das Jahr, ihm nahe zu sein. Ich werde wieder kommen. Ich werde gelernt haben. Vielleicht findet er eine Stelle in der Nähe? Tut es für Rahja. Und für mich.“ Sie lächelte leicht. Meta mochte Thymon, da er zwar streng, aber gerecht und menschlich war. „Ihr habt mich doch auch gerne, nur nicht als Schwiegertochter.“ Am Ende musste sie doch herzhaft kichern und alleine, manches ausgesprochen zu haben, machte den Tag schon besser.

“Ach mach dir keine Gedanken, Meta”, winkte der Edle ab. “Für mich bist du wie eine Tochter. Rahjaman hat dich auch sehr gerne um sich und mein Sohn natürlich auch … aber das weißt du ja.” Nun wandte er sich wieder seiner Knappin zu, die neben ihm ritt. “Ob du für ein Jahr gehst, oder nicht, wird bald deine eigene Entscheidung sein”, schmunzelte Thymon vor sich hin.

“Wir werden sehen. Noch ist es, wie es ist. Wenn ich wie eine Tochter bin, wäre ein Jahr kein Problem. Aber wollen wir heute und hier nicht noch weiterkommen? Seit wann reden wir so viel. Lasst uns losziehen.”

“Losziehen?”, schmunzelte der Ritter. “Wohin denn? Hast du es so eilig?”

Es war mehr als offensichtlich, dass die Knappin endlich das Thema wechseln wollte. Sie murmelte etwas unverständliches vor sich hin und lenkte ihr Pferd dann lebensfroh wieder zu ihrem Schwertvater. „Weit ist nicht mehr. Bis nach Eisenhütt. Schaffen wir es heute noch nach Hause.“ Sie spielte wieder mit der hübschen Kette und fuhr etwas zerknirscht fort. „Thymon, es tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe. Das ist Linny und so. Euer Sohn ist, also, war immer für mich da, er hat seine Sache bei meiner Ausbildung sehr gut gemacht, wenn er Euch vertreten hatte. Da sind wohl vorhin meine Gefühle mit mir durchgegangen.“ Sie sah angestrengt in die Ferne und errötete. „Ich bin wohl einfach eifersüchtig. Und wer weiß, das mit dem Jahr, um das ich gebeten habe, das ist jetzt doch noch gar nicht aktuell. Linnartstein ist mein zu Hause, dort gehöre ich hin. Ich würde erfahrener und besser zurückkehren. Ihr habt mein Wort. Und das mit Meister Gudekar, das ist nur wirklich ernst. Wir haben Piri, für Adda. Es muss doch möglich sein, irgendwo in relativer Nähe für ihn zu finden?“ So kamen sie, während Meta plauderte, ein gutes Stück weiter.

“Warum bist du denn eifersüchtig, wenn es einen Mann gibt, mit dem es dir ernst ist?”, fragte Thymon nicht wertend, sondern eher in väterlichem Ton. “Und was das andere angeht … da kannst du ja Piri einmal fragen, ob sie noch jemanden braucht. Soviel ich weiß ist dieser Gudekar doch auch Heilmagier, oder?”

Die Knappin beugte sich vor und kraulte ihr Pferd zwischen Ohren. „Hmm.. stimmt eigentlich. Es ist so schade, dass sie beide nie friedlich zusammen sein können.“ Nachdenklich betrachtete Meta ihren Schwertvater „Ach, das weiß ich doch selber nicht, warum ich eifersüchtig bin. Wahrscheinlich, weil Linny sowas wie… also wie ein Bruder und bester Freund für mich ist. Und ich hab Angst, dass diese Vertrautheit weniger wird.“ Sie seufzte und verdrehte die Augen. „Diese Männer. Ich hab sie beide so gerne, du weißt sicher, wie ich das meine. Aber einen Bannstrahler und einen Magier, auch, wenn er sich an alle Regeln hält, kommen nie zusammen.“ Meta räusperte sich dann sprach sie weiter und lachte ansteckend. „Aber Thymon, das ist so lieb und eine hervorragende Idee. Er ist ein wirklich guter Heilmagier. Und euer Haus, das Dorf, sie würden profitieren. Und ich hätte sie Beide bei mir.“ Alleine bei dem Gedanken daran lächelte sie glücklich und selig.

“Die beiden müssen ja keine Zeit miteinander verbringen”, ging der Edle auf die Diskrepanzen zwischen Linnart und Gudekar ein. “Es reicht, wenn sie Zeit mit dir verbringen, oder?” Thymon lächelte. “Und was die Sache mit dem Hospital im Dorf angeht, musst du aber wirklich mit Piri sprechen. Da kann ich dir nichts versprechen, aber es wäre eine Idee.”

„Das werde ich ihm vorschlagen, Piri und er können sicher voneinander lernen.“ Enthusiastisch und lebensfroh, wie Thymon sie kannte, plauderte sie aufgeregt weiter. „Du meinst, Linnart würde das tolerieren? Ich sehe ihn so selten und ich will ihn nicht missen. Wenn ich dann irgendwann mal Ritterin bin, dann besuche ich ihn in Elenvina.“ Tatsächlich war Meta kurz davor gewesen, den Kontakt zu ihm abzubrechen, da sie sich eingebildet hatte, sie wäre zu minder und hässlich. Aber Thymon gab ihr Sicherheit.

“Es ist nicht an Linnart hier seine Zustimmung zu geben”, tat Thymon die Frage seiner Knappin ab. “Noch ist er nicht der Edle und bis dahin wird auch noch einiges an Zeit vergehen.” Die restlichen Worte Metas bedachte der Ritter mit einem wissenden Lächeln.

Nachdenklich spielte Meta mit ihrer Kette und verfiel in Schweigen. „Möge es noch lange dauern, Thymon, mit euch ist es schöner. Sie werden sich zusammenraufen müssen. Linnart ist beschäftigt und hat Familie. Gudekar kann bei mir sein oder seine Frau haben. Und wenn er sie mir vorzieht taugt er eh nichts.“ Dass der Sohn ihres Schwertvaters sich auch nie für sie entscheiden hätte war ihr mittlerweile gleich. Sie kaute auf ihrer Unterlippe. Um ehrlich zu sein, wäre sie einem Bund mit ihm nicht gerecht geworden. „Thymon, ich hab’s glaub ich schon gesagt, dass ich keinen Bund schließen werde. Ähm, du bist der erste, dem ich es sage. Damals, vor der Hochzeit hatte ich Probleme, Frauenprobleme. Ich bin zu Piri und wir wissen, dass ich kein Kind bekommen werden kann. Ich kann niemandem einen Erben schenken.“

Thymon war ehrlich überrascht gewesen. Nicht nur über den Inhalt des Geständnisses, sondern auch über den Umstand, dass Meta sich ihm anvertraut hatte. “Aber … äh … es gibt doch vielleicht Möglichkeiten, oder?” Man merkte deutlich, dass diese Themen nicht unbedingt sein Steckenpferd waren. “Also … hast du schon einmal mit Tsageweihten gesprochen?”

Seine Knappin wirkte verschlossen und unsicher. Sie hatte einen Makel Preis gegeben. Was war Thymon wohl froh, Durinja als Schwiegertochter zu haben. Nicht mal Linnart wusste davon aber es war ihr ein Bedürfnis gewesen, geweckt, als er sie so lieb aufgenommen hatte. „Noch nicht. Es sieht… anatomisch wohl unmöglich aus und auch mit normaler Magie nicht zu korrigieren.“ Sie räusperte sich verlegen. Wenn man keine Kinder will, da niemand Nachkommen von mir für sein Haus braucht, erleichtert es auch. Wäre die Situation anders..“ Energisch drehte sie sich zu Thymon „Also hätte ich jemanden, der nicht schon gebunden ist und ein Kind hat. Jemand frischen. Aber in meinem Alter ist da die Kutsche abgefahren, dann wäre es anders. Ich würde bei Tsa um ein Wunder beten oder pilgern. In den Geschichten für Mädchen hätte ich einen reichen Mann, der mir Schmuck und Kleider kauft, ein hübsches Lehen, oder eine Residenz, ein Haus in einer großen Stadt wie Punin hat und mich noch dazu gern hat. Aber so ist es nicht. Deshalb warte ich ab. Leider habe ich Gudekar so lieb.“ Sie zuckte resigniert mit den Schultern und zwinkerte. „Wenn sich unsere Wege wirklich trennen sollten, dann, ja dann … ich weiß auch nicht. Als mein erwählter Vater helft ihr mir sicher bei der Suche. Männer sind so kurzsichtig. Sie hätten mehr mit mir, als mit ihren wundervollen Damen. Aber! Eines nach dem anderen. Gudi ist der liebste Mann, den man sich vorstellen kann. Bei mir jedenfalls.“

“Ach Meta …”, seufzte Thymon, doch tat er das nicht etwa genervt oder höhnisch, sondern mitfühlend, “... du bist doch noch so jung und hast dein ganzes Leben vor dir. Du sprichst, als wärst du eine vertrocknete Vettel. Ja, Liebe tut immer weh … vor allem, wenn sie nicht im gleichen Maß erwidert werden kann. Aus welchen Gründen auch immer.” Nun lächelte der Edle schmal. “Du findest bestimmt jemanden, wenn du einmal die Möglichkeit hast in die Welt hinaus zu gehen. Weg von meinem Sohn und dem Magier, der dir das nicht geben kann, nach dem du dich wohl sehnst. Auch wenn du es selbst abtust.”

„Wir werden sehen.“ Meta blickte gerade zwischen die Ohren ihres Pferdes hindurch und lächelte verschmitzt. „Die Schwiegertochter ist in meinem Alter? Aber ich hab ja noch Zeit. Gut. Wenn es irgendwann soweit ist, werde ich mich umsehen. Habe ich immer, doch bevorzugen die adeligen Herrschaften andere Frauen. Ich bleibe für alles offen.“

“Du wirst sehen … es wird sich fügen”, der Edle lächelte still vor sich hin. Nun war es nicht mehr weit bis Linnartstein gewesen.


Edlengut Linnartstein, Mitte Rondra 1045 BF

Adda von Halberg seufzte. Es war heiß und sie intensivierte die Bewegung der Hand mit dem großen tulamidischen Fächer. Am Liebsten hätte sie sich ins Bad zurückgezogen … oder die Kühle der Weinkeller, doch hatte ihr Gemahl die wahnwitzige Idee gehabt, hier innerhalb von ein paar Tagen ein Fest vorzubereiten. Und Adda wäre nicht Adda, wenn sie diese Aufgabe nicht als Herausforderung annehmen würde - ein Umstand, der sicher auch ihrem Gemahl bewusst gewesen war.

Die Hausherrin ging über den gekiesten Weg auf einem der Terrassengärten der Villa. Lediglich das knirschende Geräusch unter den Sohlen ihrer Sandalen waren zu hören - allem Anschein nach war das Wetter auch der hiesigen Fauna zuviel des Guten gewesen. “Herrin … Herrin …”, zerriss die aufgeregte Stimme einer Magd die angenehme Ruhe. Abermals entfleuchte der Halbergerin ein Seufzer. “Ja …”, meinte sie unwirsch der jungen Frau entgegen, “... was?”

“Herrin, ich glaube der Geweihte ist da!”, immer noch aufgeregt, fuhr die Bedienstete fort.

“Göttin … schon?”, der Tag wurde immer schlimmer. Was würde als nächstes passieren? Standen auch Thymon und Meta vor der Tür? “Ja, sag ihm dass ich komme.” Sie musste sich frisch machen … ach, wie sehr sie dieses Wetter hasste.



“...und rahjawärts liegt das Junkergut Ostendorf”, dozierte der Geweihte von seinem Schlachtross aus dem neben ihm reitenden Knappen, “da gibt es einen Ritterbund, einen Schutzbund, die Hainritter.” “Du musst mir das nicht erzählen”, entgegnete der Knappe genervt, “ich bin hier in der Nachbarschaft aufgewachsen. Breewald grenzt fast an die Baronie Kyndoch. Und meine Cousine Isotta ist Dienstritterin in Tannwald. Das ist hier auch um die Ecke.”

“Ich dachte, du wärst froh, dass du mal raus kommst”, verzog sein Schwertvater beleidigt das Gesicht. “Beklagst du dich nicht ständig, dass es dir zu langweilig ist in Eisenstein? Deinem heimatlichen Eisenstein?” Gelon blickte Mihoal herausfordernd an.

“Schau, wir sind fast da. Da vorne scheint die Villa zu sein. Ist schon beindruckend hier”, befand Mihaol anerkennend. “Hoffentlich ist der Wein hier besser als der in Rickenbach.” Dabei grinste er. Der Weg vom Dorf Linnartstein zum Anwesen der verrufenen Familie vom Traurigen Stein war kein weiter gewesen. Die sogenannte Weinstraße ging vom Dorfplatz hoch in Richtung Firun, vorbei an ein paar kleineren Höfen und mitten durch die beschaulichen Weinberge, deren Rebstöcke ihr satt-grünes Kleid des Sommers trugen. Auf jeden Fall dauerte es nicht lange, bis ein beeindruckendes Anwesen in Sicht kam. Das Haupthaus schien dabei einem schmucken horasischen Palazzo nachempfunden. Das Gebäude stand in einem wunderschön angelegten Park und war gesäumt von einigen Nebengebäuden.

Es dauerte nicht lang, bis ihre Ankunft registriert wurde. Eine junge Stallmagd half den beiden Männern mit ihren Pferden und eine zweite, etwas gehetzt wirkende Frau nahm sie derweil in Empfang. “Die Götter zum …”, sie brach ab und setzt noch einmal an, “... Rondra zum Gruße, Euer Gnaden. Willkommen im Namen der Edlen von Linnartstein …”, wieder folgte ein Räuspern, die Wangen der Frau nahmen einen leichten Rotton an, “... ich habe ihre Wohlgeboren schon über Eure Ankunft in Kenntnis gesetzt. Leider benötigt sie noch ein paar Momente. Darf ich Euch derweil in den Pavillon führen?”

“Die Zwölfe zum Gruße”, grüßte Gelon zurück, “möge Rondra Euch stets behüten. Danke für die freundliche Aufnahme, werte Frau. Ich sehe, Ihr wisst bereits, wer wir sind. Darf ich Euren werten Namen wissen? Gerne folgen wir Euch zum Pavillon.”

Der Knappe schaute noch den Pferden nach und überlegte, ob er sich kümmern sollte. Mit einem halben, spitzen Ohr verfolgte das kurze Gespräch, wandte sich zu der Frau, die sie begrüßt hatte, machte eine kurze Verneigung und erwiderte: “Rondra mit Euch.” Dann wartete er ab, wohin die Frau sie führen würde.

“Ja, die Herrin meinte, dass ein Geweihter Rondras erwartet wird. Mein Name ist Theodara”, nickte die junge Frau eifrig. “Bitte folgt mir.”

Die Gärten des Anwesens waren sehr ansehnlich angelegt gewesen. Gelon konnte Beete voll Blumen, neben kunstvollen Statuen, erspähen. Der Park war terrassenartig angelegt, was ob des abschüssigen Geländes in den Weinbergen von Vorteil gewesen war, und hatte insgesamt drei Ebenen. Ein Pfau musterte die kleine Gruppe, als sie sich einem kleinen, von wildem Wein umrankten Pavillon näherten, unter welchem sich ein kleiner Tisch mit vier Stühlen befand.

“Die Herrin wird gleich kommen”, bedeutete Theodara den beiden Männern sich zu setzen. “Darf ich Euch etwas zur Erfrischung bringen?”

“Ich danke Euch herzlich, Theodara”, erwidert der Geweihte und nahm Platz. “Wir wären Euch sehr verbunden, wenn Ihr uns eine Karaffe Wasser und zwei Becher bringen würdet. Die Reise durch den spätsommerlichen Isenhag hat uns doch durstig gemacht.”

Der Knappe blieb derweil am Rande stehen.

Das Wasser war schnell herbei gebracht, doch ließ die Hausherrin etwas länger auf sich warten.

Gelon wog den Wasserbecher in seiner Hand und sagte leise zu seinem Knappen: „Was ist das für ein Anhänger, den du neuerdings um deinen Hals trägst?“

Mihoal blickte seinen Schwertvater prüfend an. Was wollte er nun von ihm? „Den habe ich mir von Xallinosch, dem Schmied von Breewald, fertigen lassen“, antwortete der junge Rechklamm lapidar. „Die Frau, die darauf abgebildet ist, kommt mir irgendwie bekannt vor.“ Dem Ritter war keine Regung vom Gesicht abzulesen. Er nahm einen Schluck Wasser.

„Das ist die Heilige Koarmin von Rickenbach.“ In der Stimme des Knappen lag ein Anflug von Verteidigung.

„Die `heilige´ Koarmin?“, fragte der Geweihte verwundert und auch sichtlich skeptisch nach.

„Ja“, antwortete der Knappe in einem Brustton der Überzeugung, „sie wird von den Menschen hier als Heilige der Leuin verehrt.“

„Ich habe dich gesehen...“ Der Ardaritenritter musterte seinen Knappen. „Ich habe dich gesehen, wie du im Tempelgarten vor der Statue Koarmins meditierst und deine Schwertübungen machst.“

„Das ist der einzige Ort auf dem ganzen Tempelgelände, der der Herrin Rondra heilig ist.“ In der Stimme des Knappen schwang leichte Entrüstung. Er meinte den Tempel der Rahja in der Baronie Eisenstein, wo er mit seinem Schwertvater eingesetzt war. „Es gibt dort einen Schrein der Peraine, der Travia und der Tsa – weil Hochwürden Rahjan Bader dem Vierschwesternorden angehört – aber für einen heiligen Ort der Rondra müsste ich zur Hyndanburg aufbrechen.“

„Ich mache mir Sorgen, Mihoal“, sagte sein Schwertvater in ruhigem, ernsten Ton, „dass du derselben Krankheit des Geistes erliegen könntest, wie dein Vater.“

Der Knappe schaute Gelon verärgert an. „Die Obsession meines Vaters an Koarmin ist ja wohl eher durch Rahja bestimmt. Ich verehre Koarmin von Rickenbach aufgrund ihrer rondra-gefälligen Taten.“

Nun blickte Gelon von seinem Wasserbecher auf und schaute seinen Knappen streng an. „Ich ehre Koarmin auch sehr. Sie war eine Heldin. Sie war die Knappin meines Vaters. Wir sind zusammen aufgewachsen. Als ich geboren wurde, war sie Pagin auf unserer Burg. Koarmin hat mich quasi mit aufgezogen. Wir waren wie Geschwister. Wie gesagt: ich ehre sie auch. Aber ich mache sie nicht zu einer Heiligen, Mihoal.“



Ein Viertel Stundenglas nach der Karaffe erschien die Hausherrin dann doch: Adda war eine wohlgeformte Frau mit honigblondem Haar und einem extravagantem Kleidergeschmack. Ihr getragenes dunkelblaues Kleid zeigte einen freizügigen Ausschnitt und hatte einen hohen Al'Anfaner Schlitz, der ihr rechtes Bein entblößte.

"Adda Praiosmin von Halberg", stellte sie sich sogleich vor und hielt dem Geweihten ihren Handrücken hin. "Rondra zum Gruße, Euer Ehrwürden. Der Göttin sei Dank seid Ihr rechtzeitig gekommen. Bitte entschuldigt die Kurzfristigkeit unseres Anliegens."

Der Geweihte war sofort aufgestanden, als sich die Hausherrin näherte. Mihoal stand immer noch an der Seite seines Schwertvaters und hatte ihm nachgeschenkt. Als die Dame heran schritt, nahm er Haltung an und verneigte sich. Ebenso verneigte Gelon sich höflich, ergriff sanft die Hand Addas und deutete einen Handkuss an. “Es ist mir eine Freude, hochgeschätzte Dame, Wohlgeboren. Ich grüße Euch und wünsche Euch den Segen der Zwölfe. Möge die Leuin Euch beschirmen.” Er hatte sich wieder aufgerichtet und schaute ihr in die Augen. “Macht Euch keine Sorgen, es war kein weiter Weg, sodass wir zügig hier sein konnten. Und auch die Situation in unserem Dienst zum Schutze des Tempels der Schönen Göttin hat uns gerade gut die Zeit geboten.” Bei dieser euphemistischen Umschreibung des keineswegs hektischen oder aufregenden Leben am Eisensteiner Rahja-Tempel rollte der Knappe mit den Augen. Doch er hatte sich schnell wieder im Griff. “Wir sind sehr gerne Eurer Anfrage gefolgt”, ergänzte der Ardaritenritter. “Wie und wann gedenkt ihr denn den Gottesdienst mit dem Ritterschlag zu feiern?”

“Wir haben im Park einen Schrein der Rahja”, gab Adda bekannt. “Wenn mein Gemahl mit seiner Knappin aus Elenvina zurück ist soll es los gehen. Wir erwarten sie bald zurück und Ihr seid uns natürlich so lange Gast, wie Euch das beliebt.” Der Blick der Edlen ging von der Karaffe auf die beiden Trinkgefäße der Männer. “Wenn Ihr möchtet zeige ich Euch die Örtlichkeit.”

Ein Ritterschlag im Rahjaschrein? Der junge Rechklamm nahm sich vor, sich über nichts mehr zu wundern.

“Oh”, erwiderte der Ardaritenritter der Dame, “ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr uns die Örtlichkeit zeigen würdet, Wohlgeboren. Schon der erste Eindruck von Eurem wundervollen Gut hat mich staunen lassen.”

“Sehr gerne”, Adda hakte sich bei ihm unter. Die vollendete Edeldame lotste den Ritter der Göttin die prächtigen Terrassen des Parks hinab auf die unterste Ebene. Dort fand sich, am Ende des Weges ein geschlossener, pavillionähnlicher Bau aus, verkleidet mit Rosenmarmor.

“Ihr werdet Euch vielleicht fragen, warum es ein Schrein der Ewigschönen sein soll? Was das mit Rondra zu tun hat?” Die Halbergerin schmunzelte, wartete jedoch keine Antwort ab. “Nun, es ist unsere Hausgöttin und es hat Tradition, den Schwur vor Rondra im Angesicht Rahjas zu leisten. Meta würde es bestimmt auch so wollen - sie steht der Göttin ebenfalls nahe.”

Konnte die Hausherrin Gedanken lesen? Mihoal war den beiden vorsichtig gefolgt. Da war er mit seinem Schwertvater - einem Rondra-Geweihten - von einem Rahja-Tempel zu einem Ritterschlag angereist, der in einem Rahja-Schrein stattfinden würde. Ganz offensichtlich war in seiner Heimat Isenhag die Schöne Göttin in den zurückliegenden Jahren zu der meist verehrtesten der Zwölfe aufgestiegen, während sie im Osten sich den Widersachern der Götter stellten. Was war aus dieser Welt geworden? Nun musste er diesen langweiligen Dienst zum Schutze eine Rahja-Tempels tun und durfte in einem Rahja-Schrein der Leuin dienen? Mihoal verzog sein Gesicht zu einem missmutigen Grinsen - wohl bewahrend, dass weder sein Schwertvater noch die Herrin Adda dies wahrnahm.

“Die zwölfgöttlichen Geschwister sind einander nah und ergänzen sich”, erwiderte der Geweihte. “Und man kann beiden dienen und beide verehren, nicht wahr, Wohlgeboren? So gehört doch die Minne schließlich auch zu den Rittertugenden.” Dabei wandte er sich kurz zu seinem Knappen zu, blickte ihn an und hob eine Augenbraue, damit dieser verstand, dass es sich gerade um eine Unterweisung handelte.

Adda selbst war keine Ritterin und der Glaube an die Himmelslöwin war ihr fremd gewesen. Dennoch nickte sie. “Es ist meinem Mann jedoch immer ein Anliegen gewesen, den Eid seiner Schwertsöhne und -Töchter von einem Rondrianer segnen zu lassen”, verspürte sie den leichten Drang dazu, sich dafür zu rechtfertigen. “Und angeblich wurde Rahja von den Tulamiden einst als kriegerische Göttin verehrt. Ich habe eine Darstellung von ihr gesehen, die sie mit einem Speer zeigt”, versuchte sich die Hausherrin darin, ihre Bildung zur Schau zu stellen.

“Die `Rote Schwester´?” Der Geweihte hatte aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Tressler viele Kontakte und verstand sich durchaus auf das gebildete Gespräch. So hatte er auch bereits das ein oder andere Mal mit Tulamiden gesprochen. “Ich bin mir nicht sicher, Wohlgeboren, ob hier nicht eine Täuschung vorliegt und diese Entität nicht ungewöhnlich und gefährlich nahe der Widersacherin der Schönen Göttin zu sein scheint.” Der Halbelf hob eine Augenbraue. “Wisst ihr, die lange Zeit im Osten hat mich gelehrt, solchen Geschichten mit großer Vorsicht zu begegnen. Wir haben übles erlebt, nicht wahr, Mihoal?”

Der Angesprochene nickte nur. Der Knappe wusste bei Weitem nicht, über was sein Schwertvater gerade gesprochen hatte.

“So, meint Ihr?”, Addas Augen blitzten forschend. “Meint Ihr nicht, dass der Kampf auch ein Ausdruck von Leidenschaft sein kann?” Der Blick der Edlen ging weiter und lag nun auf dem Knappen. “Und zu Blut haben und hatten die Tulamiden ja immer schon einen … offeneren Zugang. Aber das muss ich Euch, da Ihr dem Schwertbund angehört, bestimmt nicht sagen.”

“Leidenschaft schon”, erwiderte der Geweihte mit einem höflichen Lächeln, “aber das würde ein Hesinde-Geweihter auch von seinen Studien behaupten. Darum habe ich aber noch keine Darstellung der Rahja mit einem Buch unter dem Arm gesehen.” Dann wandelte sich sein Lächeln kurze Zeit in ein Grinsen. “Und Blut und Schmerz, Wohlgeboren, da verschwimmen die Grenzen, was die Rahja-Kirche noch für statthaft halten würde.”

Der angeblickte Knappe hatte keine Ahnung, worüber die Erwachsenen sich unterhielten. Er lächelte, den Blick Addas standhalten. Allerdings ein wenig verlegen.

“Leidenschaft und Schönheit …”, konkretisierte Adda. “Sogar ich kann einem trainierten, kämpfenden Körper rahjagefällige Schönheit abgewinnen.” Die Edle schmunzelte. “Das Muskelspiel, die koordinierten Bewegungen. Verzeiht mir meinen naiven Blick darauf, ich bin keine Frau des Schwerts.”

“Ich bin der Überzeugung”, gab Gelon zurück, “dass sich die Zwölfe einander ergänzen. Und dass ein trainierter Körper auch rahjagefällig schön sein kann, darin liegt kein Widerspruch, selbst wenn der Körper für den Kampf trainiert ist.” Er lächelte erneut. Dann versuchte er das Thema zu wechseln. “Ich bin gespannt, die Knappin und ihren Schwertvater kennenzulernen. Sind sie bereits da? Oder wann werden sie erwartet?”

“Wir erwarten sie recht bald zurück”, beantwortete Adda die Frage mit einem leichten Anflug an Unsicherheit. Sie kannte ihren Mann, er blieb gerne wo hängen; in einer Taverne, bei einem Händler oder in einem Weiberschoß. Wobei letzteres im Beisein seiner Knappin eher unwahrscheinlich war. “Ihr müsst wissen, seine Knappin ist ja eigentlich schon zwei Götterläufe überfällig. Thymon hat sie von einem anderen Schwertvater übernommen … einem Elfen.” Was für ein seltsamer Zufall, dass auch Gelon offensichtlich Vorfahren aus dem alten Volk hatte.

“Einem Elfen?” Der Halbelf merkte erstaunt auf. “Wer war denn zuvor der Schwertvater?”

“Beim Baron Danilo von Cres”, antwortete Adda. “Ein alter Freund meines Mannes.”

“Oh, der Almadaner”, sagte er anerkennend. “Naja, nicht jeder große Held ist gleichzeitig ein guter Lehrmeister, nicht wahr?”

Der Knappe verkniff sich ein Grinsen. Sein Onkel war manchmal zu sehr von sich überzeugt, so dass er mit dieser Feststellung durchaus auch sich selbst gemeint haben könnte.

“Er legte keinen wirklichen Wert auf …”, Adda suchte nach den richtigen Worten, “... auf Dinge, die eine Ritterin lernen sollte. Meta musste … balancieren lernen … und Akrobatik.” Die Edle räusperte sich. “Es brauchte ein paar Götterläufe bis mein Mann … diese Versäumnisse gerade gebogen hat.”

“Wer weiß”, sinnierte der Geweihte, “vielleicht hat sie beim Caerdonnati etwas gelernt, was ihr im Leben noch zum Nutzen gereichen wird.” Er dachte an seine Mutter Lúthien U´njama, die ihm auch vieles mitgegeben hatte, was ihm oft geholfen hatte in den Gefahren, die ihm begegnet waren. “Aber es scheint so, dass Meta es hier gut angetroffen hat. Ich freue mich, an der Feier ihrer Schwertleite teilhaben zu dürfen.” Er schaute sich den mit Rosenmarmor verkleideten Bau näher an. “Es scheint mir ein guter Ort für die Feier.”

“Oh, das wird er bestimmt”, entgegnete die Edle lächelnd. “Wir verstehen es hier zu feiern. Wenn Ihr möchtet, lasse ich Euch fürs nächste Mal auf die Gästeliste setzen.”

“Ah, das wäre nett, Wohlgeboren”, sagte der Geweihte mit einem Grinsen, “wir sind dankbar für jede Abwechslung.” Bei diesen Worten stupste er mit seiner Faust dem Knappen in die Seite. Natürlich verstand Mihoal die Spitze sofort. Er hatte sich bereits wiederholt beklagt, dass der Dienst zum Schutze des Rahja-Tempels in Eisenstein sehr ereignislos und langweilig war. Als junger Knappe hatte der Isenhager mit seinem Schwertvater im Osten manches Abenteuer erlebt, als sie noch auf der Ardaritenburg in Vallusa eingesetzt waren. Diese Zeit vermisste der junge Rechklamm sehr. Allerdings Abwechslungen, wie irgendwelche gesellschaftlicher Verpflichtungen und Feiern suchte der Knappe nicht. Das waren nicht die Art Abenteuer, nach denen er sich sehnte. Kurz verzog er sein Gesicht bei der Anmerkung seines Schwertvaters, fand aber schnell die Fassung zurück, um sich seinen Unmut nicht anmerken zu lassen.

“Ihr dient im Rahjatempel in Eisenstein, oder?”, fragte Adda lächelnd. “Ich kenne Hochwürden Bader, aber als langweilig hätte ich das von ihm geführte Göttinnenhaus nicht empfunden.”

“Das ist sicher so, Wohlgeboren”, stimmte Gelon der Hausherrin zu, “für jeden, der die Gnaden der Schönen Göttin sucht. Er wird dort Kurzweil finden. Doch manch einer sucht auch die Gnaden der Leuin. Und da kann es eine Geduldsprobe sein, lange Zeit im Rahja-Tempel verbringen zu dürfen. Aber auch Geduld ist eine Tugend.” Auch dies war erneut eine Spitze an seinen Knappen gerichtet. Doch dieses Mal hatte Mihoal seine Züge im Griff und man konnte ihm nichts anmerken.

“Wie kann ich mir denn Euren Dienst dort vorstellen?”, meinte Adda amüsiert und stellte sich vor, wie die beiden Männer den ganzen Tag auf hübsche Hintern zu starren hatten. “Habt Ihr denn keine Möglichkeit in einem Rondratempel zu dienen?”

“Es gibt seit ein paar Götterläufen die Vereinbarung zwischen dem Ardaritenorden und der Rahja-Kirche, dass der Orden die Tempel der Schönen Göttin schützen soll”, erklärte Gelon. Nur ist hier im Isenhag nicht ganz ersichtlich, wovor, ergänzte Mihoal in Gedanken sarkastisch.

“Tatsächlich?”, wunderte sich Adda und zog eine Augenbraue hoch. “Also wir haben im Dorf auch einen Rahjatempel, aber keinen Ardariten.” Nun zuckte einer ihrer Mundwinkel nach oben. “Schade eigentlich … nun ja …”

“Herrin”, noch bevor die Edle in ihren Worten fortfahren konnte, trat die junge Magd an die Gruppe heran. “Sie sind da.”



Thymon und Meta kamen am frühen Nachmittag beim Anwesen der Familie an. Sie ließen ihre Pferde versorgen und der Edle gab jenes Paket, das sie am Vortag in Eisenhütt abgeholt hatten, einem Stallknecht in die Hand. Dabei wechselte Thymon ein paar Worte mit dem Burschen, die Meta jedoch nicht verstehen konnte.

“Ich würde sagen, dass wir uns einmal frisch machen und uns dann im blauen Salon treffen”, hob er dann lächelnd in die Richtung seiner Knappin an. “Soweit ich weiß, haben wir Besuch.”

Besuch war hier nichts Ungewöhnliches, weshalb Meta dem Umstand auch keine Beachtung schenkte außer den zur Routine gewordenen Fragen. „In Ordnung. Förmlich, Also ab jetzt ‚Hoher Herr‘ und in feinem Knappengewand oder leger?“

Sanft schüttelte der Edle seinen Kopf. "Nein, es würde dir etwas hergerichtet … hoffe ich." Nun lächelte er.

Heute war er irgendwie seltsam. „In Ordnung, Hoher Herr.“ Sie zwinkerte und lächelte neckisch. „Dann gehe ich in meinen Raum und wir treffen uns im Speisesaal.“

"Sehr schön", meinte Thymon. "Bis gleich."



Als Meta ihr Zimmer betrat, wunderte sie sich über die Garderobe, die ihr zurecht gelegt wurde. Die Knappin des Edlen von Linnartstein, sah auf ihrem Bett ausgebreitet einen rot-weißen Wappenrock in den Farben ihrer Familie. Als die junge Frau ihre Finger über das feine Gewebe streichen ließ, konnte sie deutlich ausmachen, dass dieser aus Samt zu sein schien.

An der Seite des Rocks lag ein dunkelbrauner Schwertgürtel, in dessen Leder ebenfalls das Wappen von Metas Familie eingestanzt schien.

Ihrem ersten Impuls nach wollte Meta sich auf ihr Bett fallen lassen. Das dort ausgebreitete Gewand ließ sie skeptisch den Kopf neigen. Was war das schon wieder? Entweder erwartete sie eine seltsame Feier oder hoher Besuch. Sie war alt und groß genug, um als Ritterin durchzugehen, allerdings war eine Charade in ernster Gesellschaft nichts, was Thymon tun würde. Es blieb rätselhaft. Sie zog sich aus, wusch sich und nahm - noch nackt - ihre Kette ab. Meta hielt den Amethysten fest umschlossen und schien Zwiesprache mit dem Stein Rahjas zu halten. Dann legte sie sich sorgsam die Kette wieder an und kleidete sich. Sie hatte sich nicht sonderlich beeilt, aber darauf geachtet, vorsichtshalber gepflegt und standesgemäß aufzutreten.



Nachdem Adda von der Ankunft ihres Mannes und der Knappin berichtet wurde, führte sie die beiden Rondrianer zurück zum Haupthaus. Dort, so war es vereinbart gewesen, würden sie und der Rest der Gäste einmal zusammentreffen. Der Palazzo der Familie vom Traurigen Stein erwies sich dabei als regelrechtes Schmuckstück. Böden aus Rosenmarmor, kunstvolle Gemälde und Statuen … und als besonderer Blickfang die kunstvollen Fresken im quadratischen Arkadenhof, die vor allem der Göttin Rahja und ihrer Alveraniare und Heiligen huldigten.

Der Weg führte die kleine Gruppe in den sogenannten roten Salon, der - gemäß seinem Namen - in rot gehalten war; Polstermöbel, Wände und Boden waren in verschiedenen, aber stilvoll aufeinander abgestimmten Rottönen gehalten.

Als Adda, Gelon und Mihoal den Raum betraten, befanden sich hier schon zwei Männer im Gespräch. Einer davon in Kettenrüstung, verstärkt mit Plattenteilen und einem Langschwert an der Seite, der ob des dunkelblauen Wappenrocks, als Edler Thymon vom Traurigen Stein erkannt werden konnte. Der andere, ebenfalls in eine edle Rüstung gewandet, die zum Teil mit goldenen Einlegearbeiten ziseliert schien, und einem weißen Wappenrock und Umhang. Der Jüngere hatte in etwa dieselbe Größe wie der Ältere, auch wenn er deutlich helleres Haar hatte.

“Ich darf Euch meinen Sohn vorstellen”, meinte Adda an die beiden Rondrianer gewandt. “Linnart vom Traurigen Stein, er ist Ritter und Cellerar im Orden vom Bannstrahl Praios.” Der junge Mann nickte den beiden Neuankömmlingen knapp und reserviert zu. “Meinen Gemahl Thymon vom Traurigen Stein kennt Ihr ja bereits, Ehrwürden.”

Der vorgestellte Edle lächelte und grüßte die beiden Rondradiener mit der Schwertfaust zum Herzen. “Rondra zum Gruße. Es beruhigt mich, dass Ihr meiner Einladung Folge leisten konntet, Ehrwürden Adlerkralle.”

Gelon erwiderte den Gruß mit der Schwertfaust zum Herzen und nickte dabei kurz dem Ritter zu. “Es freut mich, Euch wiederzusehen, Wohlgeboren. Die Leuin sei mit Euch.” Dann blickte der Geweihte zum Bannstrahler. “Euer Ehren, es ist mir eine Ehre. Die Zwölfe mögen Euch stets schirmen.” Auch dem jungen Herrn vom Traurigen Stein grüßte der Bornländer mit einer knappen Verneigung. “Darf ich Euch meinen Knappen vorstellen: Mihoal Adlerkralle von Rechklamm. Seine Familie stammt aus Eurer Nachbarschaft, Ihr werdet die Ritterin Noitburg von Rechklamm sicher kennen.” Auch der Knappe, der etwas hinter Gelon geblieben war, verneigte sich höflich, tiefer als sein Schwertvater, vor den beiden Herren. Er sagte aber nichts.

“Es freut mich sehr, Euch kennen zu lernen, junger Herr”, begrüßte der Hausherr nun auch den Novizen.

Als Antwort nickte Mihoal erneut, hielt sich aber weiterhin schweigend im Hintergrund. Vielleicht wollte er erst einmal die Situation einschätzen können. Auch wollte er wohl den Herrschaften Respekt erweisen.

“Ich danke Euch sehr, für Euren freundlichen Empfang, Wohlgeboren”, sprach stattdessen sein Schwertvater. “Die Herrin Adda hat uns bereits sehr traviagefällig aufgenommen.” Der Geweihte schenkte Thymon ein zufriedenes Lächeln. “Wo ist denn die junge Dame, für die wir die Göttin um ihren Segen bitten möchten?”

“Sie macht sich noch fertig”, nun schmunzelte der Edle. “Wie Ihr Euch denken könnt, kann das bei den jungen Damen manchmal etwas länger dauern.”

Auf diese Worte hin schien nun auch Linnart erstmals zu schmunzeln, während Adda kaum vernehmlich mit ihren Augen rollte.

“Sie weiß auch noch nichts von ihrem Glück, heute in den Stand der Ritterschaft überzutreten. Es soll eine Überraschung werden. Der Ritterschlag und das Schwert, das ich ihr heute schenken werde.”

“So?” Gelon wusste bislang nichts davon, dass es eine Überraschung werden sollte. “Na, dann halte ich mich mal zurück. Ihr habt bestimmt schon geplant, wie Ihr es Eurer Knappin offenbaren werdet, Wohlgeboren.” Dann grinste er und ergänzte: “Ich schau mir das mal an. Vielleicht kann ich meinen Knappen auch einmal überraschend zum Ritter schlagen.” Während sein Schwertvater flachste, verzog Mihoal kaum vernehmlich das Gesicht.

Thymon verstand, dass der Rondrianer über sein Vorgehen scherzte. “Ihr müsst wissen, ich habe Meta die Schwertleite vor zwei Sommern versagen müssen, da sie noch nicht bereit dazu war. Ich denke, sie meint, dass sie diese Würde gar nicht mehr zugesprochen bekommt.”

Meta hatte sich in das Gewand gekleidet und wunderte sich, seit sie hier Knappin war, schon lange über nichts mehr. Devot betrat sie den hübschen Raum und erfasste sofort, wer anwesend war. Adda und Thymon natürlich. Ah und Linny. Metas Blick wurde keck und ihm musste auffallen, dass sie leicht schmunzelte. Dann standen da noch zwei Diener der Rondra. Einer zumindest war einer, der andere wohl ein Novize. Meta war er sofort unsympathisch. „Rondra zum Gruße, Ehrwürden, Meta von Croy, Knappin des edlen Herrn Thymon vom traurigen Stein.“ grüßte sie den unerwartet freundlich wirkenden älteren der Beiden, während sie den jungen Griesgram zunächst ignorierte. Das war garantiert ein eingebildeter Knappe, der meinte, sowieso alles besser zu wissen und gerne überall wäre nur nicht hier. Meta pflegte, schnell zu urteilen.

“Es freut mich, Euch kennenlernen zu dürfen, junge Dame”, erwiderte der Geweihte den Gruß der Knappin mit einem Lächeln. “Die Leuin sei stets mit Euch. Mein Name ist Gelon Adlerkralle von Adlerstein.” Leicht erinnerte sein Gesicht Meta an das jenes Magiers, dem sie im Elsternschloss begegnet war. Hieß der nicht auch `Adlerkralle´ oder so? “Und dies ist mein Knappe Mihoal”, stellte Gelon den jüngeren der beiden um. Mihoal nickte Meta nur zu, sagte aber nichts. Auch ließ er im Gegensatz zu seinem Schwertvater kaum eine Regung in seinem Gesicht erkennen, geschweige denn ein Lächeln. Vermutlich hatte Meta Recht: er war wohl ein junger Griesgram. Dabei musterte der Neunzehnjährige die Knappin durchaus neugierig.

“Du hast den Bruder von seiner Ehrwürden wahrscheinlich im Elsternschloss gesehen”, warf Thymon in die Gedanken seiner Knappin hinein ein.

“Vielleicht möchtest du Meta den Grund für unser Zusammenkommen erzählen”, hob Linnart dann an, noch bevor die junge Frau auf die Aussage ihres Schwertvaters reagieren konnte. Der junge Bannstrahler lehnte entspannt an einem Möbelstück, hatte seine Arme vor der Brust verschränkt und lächelte.

“Du hast recht”, der Edle wandte sich seiner Knappin zu. “Meta, du hast dich wahrscheinlich gefragt was der Wappenrock und der Schwertgürtel soll … und auch warum es die Farben deiner Familie sind und nicht jene von mir, deinem Schwertvater.” Er lächelte. “Nun, sieh es als zwei jener drei Geschenke an, die ich dich heute, am Tag deiner Schwertleite, machen werde.”

Gelon und Mihoal beobachteten neugierig, wie Meta reagieren würde.

Sprach- und ausdruckslos hörte die Knappin zu. Warum diese Vorführung? Egal, Thymon war lieb und mit dem Geweihten hatte Linny sicher etwas zu besprechen. Ihre Augen verengten sich kurz, als sie ihm einen gar nicht netten Blick zuwarf. Zu ihrem Schwertvater und seiner Frau sprang sie lieb und gerührt. „Habt Dankt für diesen schönen Wappenrock. Irgendwann werde ich ihn mit Stolz tragen, sollte der Tag...“ Sie verstummte plötzlich und wurde bleich, was zu einem interessanten Kontrast zur roten Wand hinter sich führte. Metas Mund fühlte sich staubtrocken an und das Herz pochte ihr bis zum Hals, jeder konnte das hören, da war sie sicher. Ihr Griff ging zu der Kette mit dem Halbedelstein, dann krächzte sie. „Heute? Linny… heute? Aber warum? Was?“ Meta atmete flach und schnell, die Knie wurden ihr weich, aber vor den Rondrianen, grad vor dem Bürscherl, wollte sie sich etwas Würde bewahren.

“Weil du mir im Elsternschloss gezeigt hast, dass du bereit bist”, antwortete Thymon mit ruhiger, beinahe väterlicher Stimme. “Dein Mundwerk wird dich zwar einige Male in Schwierigkeiten bringen, aber immerhin bist du dann ja satisfaktionsfähig.” Der Edle lachte. “Linnart wollte dabei sein, er hat sich für heute extra freigenommen und seine Ehrwürden wird dir den Eid abnehmen.”

„Hab ich, jawohl, Hochwürden.“ piepste die Knappin zu den Rondrianern. In Gedanken ging sie die Ereignisse vom Elsternschloss noch einmal durch. Langsam bekam Meta wieder Farbe ins Gesicht. Lange sah sie liebevoll Thymon an, dann blieb ihr Blick an Linnart hängen. Sie zuckte kurz mit den Mundwinkeln und wartete.

Der Rondra-Geweihte nickte der Knappin nur wohlwollend zu, als sie bestätigte, dass sie bereit sei für die Schwertleite. Gelon sagte aber nichts, weil er erwartete, dass Thymon und Linnart noch weiteres verkünden wollten. Er wollte den dreien ihren Moment lassen.

Der junge Recklamm runzelte derweil die Stirn. Er überlegte, wie alt wohl die Knappin sein mochte. Vielleicht zwei oder drei Jahre älter als er? Oder noch mehr? Sie schien schon sehr alt zu sein für eine Knappin, dachte Mihoal.

Zufrieden nickte Thymon. “Wie du weißt, haben wir für Zeremonien in diesem Haus einen besonderen Ort.” Der Edle nickte in die Richtung des Gartens. “Ich weiß auch, dass der Schrein dir was bedeutet Meta.” Der Hausherr machte sich daran die Gruppe nach draußen zu bitten, da trat Linnart an seine Freundin heran: “Jetzt hast du es geschafft”, er lächelte und drückte die Knappin kurz.

Meta hatte inzwischen wieder gesunde Farbe im Gesicht, die Backen sogar gerötet und ihr Herz pochte bis zum Hals. Ganz deutlich nahm sie die Personen war, alles andere schien wie im Traum leicht verschwommen. „Wirklich Linny? Ich hab’s endlich geschafft?“ Sie war zu ihren Freund und zeitweiligen Ersatzschwertvater getreten, ungläubig, verwirrt aber glücklich. „Und du wusstest das und bist extra gekommen.“ Sie lächelte so sehr, dass er ihre Grübchen sah, was in letzter Zeit selten der Fall gewesen war. „Hilf mir, ich will nichts falsch machen.“ Meta wandte sich um und sah Gelon ehrfürchtig an, den Lappen daneben ignorierte sie. Thymon und Adda strahlte die Knappin dankbar an.

Erneut nickte der Rondra-Geweihte der Knappin zu, dieses Mal mit einem Lächeln. Die Freude aller Anwesenden war doch ansteckend und so konnte auch Gelon sich nicht erwehren, dankbar an diesen Momenten und an der geplanten Feier teilhaben zu dürfen. Sein Knappe Mihoal hingegen verzog keine Miene. Er beobachtete die Gesellschaft lediglich, scheinbar ungerührt.

"Natürlich", nickte Linnart seiner Freundin zu. "Ich lasse mir doch deinen großen Tag nicht entgehen. Vor allem, weil ich ja auch schon einmal dein Ersatzschwertvater sein durfte." Er lachte. "Komm, du schaffst das schon. Und wenn du das nächste Mal in diesen Raum hier trittst, wirst du das schon als Ritterin tun."

„Lieb, dass du da bist. Ich bin so aufgeregt. Hoffentlich mache ich nichts falsch. Ich halte am besten den Mund.“



Der Weg führte die kleine Gruppe, gleich einer Prozession, die Terrassen des Gartens hinunter zum kleinen Schrein der Rahja. Dieser glich einen Pavillon und in seinem Inneren, auf einem Altar aus weißem Marmor, lag ein hübsches Schwert auf einem roten Tuch. Daneben fanden sich aufpolierte Sporen.

"Oft ist es üblich …", hob Thymon feierlich an, "... dass Knappinnen und Knappen die letzte Nacht vor ihrer Schwertleite im Gebet verbringen, oder dass sie sich auf irgendeine Art und Weise erniedrigen sollen, damit sie noch einmal einen Sinn für Bescheidenheit und Demut mitbekommen." Der Edle nickte Meta zu. "Letzteres empfinde ich in deinem Fall als nicht nötig. Du bist einen weiten Weg bis zu diesem Tag gegangen … ein Weg, der deutlich länger war als bei den allermeisten deiner Standesgenossen und der dich manch ein Tal durchschreiten ließ." Nun wandte er sich den beiden Rondradienern zu. "Was ersteres angeht, das Gebet, so habe ich es immer so gehalten, dass wir den Anlass der Schwertleite mit einem gemeinsamen Gebet an die himmlische Löwin beginnen."

Die Knappin hielt sich in der Nähe ihres Freundes Linnart. Ein großes Durcheinander von Gefühl durchströmten sie und als sie das Schwert sah, entfuhr ihr ein Schrei der Freude. „Das ist ja so schön! Linny, schau. Thymon, Adda, das ist wurdervoll.“ Meta lachte nun einfach nur glücklich. „Ich werde bei euch bleiben, also nach dem Götterlauf, wie wir es vorhin besprochen hatten, ah, ähm egal. Hier ist meine Familie.“ Sie wandte sich zu den Rondrianern. „Ich wäre auch bereit, mich völlig den Gebräuchen zu unterwerfen. Linny, wie musstest du dich erniedrigen?“

Bei den Worten `sich erniedrigen´ hob der Rondra-Geweihte eine Augenbraue und schmunzelte leicht. Doch er wartete die Worte des Bannstrahlers ab, um zu erfassen, was in diesem Hause die Tradition war. Seinem Knappen Mihoal war allerdings deutlich die Skepsis und das Missfallen anzusehen, dass die Knappin nicht wenigstens eine Nacht vor ihrer Schwertleite im Gebet verweilte. Sonst versuchte er immer, sich wenig anmerken zu lassen. Doch gerade entglitten ihm seine Gesichtszüge. Würde sein Schwertvater das so dulden?

"Im heiligen Orden vom Bannstrahl ist es ein bisschen anders", erklärte Linnart mit ruhiger Stimme. "Die Ritterwürde erhalten wir erst, wenn wir uns um den Orden verdient gemacht haben. Bei mir war es ein Jahr Dienst in der Sonnenmark", sein Blick ging von Meta zu seinem Vater und lag dann auf Mihoal, den er auf irgendeine Art und Weise zu lesen schien. "Demut ist jedoch nie eine schlechte Sache, auch ich musste einst im Schweinestall arbeiten … es hilft den Blick aufs Wesentliche zu richten und sich seines Platzes auf dem Dererund gewahr zu werden. Angehende Ritter durch Elenvina laufen zu lassen um Schweine zu jagen …", Linnarts Blick ging wieder zu seinem Vater zurück, der ihm knapp zunickte, "... worauf Vater wohl auch ansprach, ist eine Tradition, der ich selbst auch nicht viel abgewinnen kann. Demut kann man auch lehren, ohne dass sich von Praios selbst erhöhte Adelige vor dem Pöbel zum Deppen machen."

Thymon nickte noch einmal und wandte sich dann Gelon zu. "Ich hoffe Ihr verzeiht mir meinen etwas unkonventionellen Zugang. Es würde mir viel bedeuten, wenn wir gemeinsam zur Herrin beten. Gerne auch im Rahmen eines rituellen Zweikampfes."

Mit einem Lächeln erwiderte der Rondra-Geweihte: “Nun: eine Nacht im Gebet werden wir wohl nicht verbringen wollen, so scheint es mir. Und dennoch soll die Leuin gebührend gewürdigt werden und wir wollen sie und ihre göttlichen Geschwister um die gnadenvollen Zuwendung zu der jungen Dame und baldigen Ritterin Meta Croy bitten. Ein ritueller Kampf würde der Herrin Rondra sicher gefallen. Wer möchte diesen denn für die Anwärterin auf die Ritterwürde führen wollen?” Er blickte in die Runde.

Meta war froh, dass kein solches Ritual wie eine Sauhatz verlangt wurde. Rahjamann hatte einmal an einer teilgenommen, auf einer Hochzeit, als Stellvertretung für die Braut. Aber sollte sie nicht selber kämpfen? Das wäre gegen erfahrene Rondrianer natürlich ein erbärmliches Bild. “Wie muss ich das verstehen? Wir ehren Rondra, indem andere für mich kämpfen?”

Der Geweihte schenkte Meta ein freundliches Lächeln und erläuterte: “Rein formell seid Ihr noch keine Ritterin. Darum darf jemand für Euch eintreten. Nach dem Ritterschlag seid Ihr natürlich jederzeit würdig in einem Gottinnendienst der Leuin das Schwert zu führen.”

Da Thymon wusste, dass sein Sohn sich weigern würde während eines Rondradienstes zu fechten, war es am Edlen und Schwertvater selbst für seine Knappin einzutreten. "Ich werde selbstverständlich für Meta das Schwert führen und hoffe, dass sie nach der Schwertleite die Ehre des ersten Duells mit ihrem alten Ausbilder begeht."

Seine Knappin strahlte Thymon dankbar und vertrauensvoll an. “Habt Dank, Thymon. Das bedeutet mir viel." Sie sah Linny direkt an, da es sie etwas enttäuschte, dass nicht er für sie kämpfen wollte. Sicher verstand sie Vieles was die Bannstrahler betraf nicht. Aber er war bereit gewesen für die ihm damals völlig unbekannte Durinja zu kämpfen. Die Frage konnte er genau in ihren Augen sehen. Sie kannten sich wohl besser, als er seine Frau kannte. Wollte er sich extra weiter distanzieren?

“So soll es dann sein, Herr Thymon, Wohlgeboren”, erwiderte der Rondra-Geweihte und nickte Metas Schwertvater freundlich und zustimmend zu, dann auch Meta. “Gibt es noch etwas, was wir in der Zeremonie beachten oder berücksichtigen sollen?” Gelon blickte in die Runde.

Wieder war es Thymon, der sein Wort erhob. "Ich würde Euch bitten, dass Ihr Meta einen Eid abnehmt, nachdem wir die Göttin angerufen haben. Ich werde sie dann in den Ritterstand entlassen und mit ihr ein abschließendes Duell fechten. Ihrem ersten als Ritterin. Ich werde ihr dabei eine rituelle Wunde schlagen … und sie mir genauso. So habe ich es immer gehalten. Male, die uns an den Eid uns die Verantwortung erinnern."

Was für seltsame Sitten. Danilo hatte ihr nie von sowas erzählt. Gut, der hatte auch viel geschimpft und wollte sie schon bei einem Krämer in die Lehre geben. Und das nur, weil sie etwas geschäftstüchtig war. „Moment, Thymon. Was ist, wenn ich nicht treffe? Und wohin schlagen wir uns die Wunde? Kämpfen wir leicht bekleidet?“

Der Edle lachte. "Keine Angst, Meta. Es ist rein symbolisch und soll nicht mehr sein als ein Kratzer. Mein letzter Knappe hat meinen Schwertarm gewählt, für das Versprechen, einander auch zukünftig wehrhaft zur Seite zu stehen und ich seine Brust über dem Herzen, auf dass er die heiligen Tugenden der Ritterschaft genau dort verinnerlicht." Es mochte für die Nordmarken etwas archaisch anmuten, das war Thymon bewusst, von Weiden kannte man diese Symbolik auch aus Rondrabünden zwischen zweier Eheleuten.

Meta grübelte, da sie es immer noch nicht richtig verstand. Wenigstens mussten sie nicht völlig nackt kämpfen. Das hätte sie ihrem Schwertvater gegenüber so sehr verwirrt und fasziniert, dass sie zu keinem Schlag fähig gewesen wäre. „Also… gut. Wenn man es sich aussuchen kann, dann schaut, dass ihr mir einen Schmiss auf meinem Bauch unterhalb des Nabels verpasst. Es ist nicht einfach, aber nach dem, was ich erzählt habe, soll es mich daran erinnern, dass ich hier immer Tochter sein werde.“

Milde lächelte Thymon. "Alles zu seiner Zeit, Meta." Dann blickte er zum Rondrageweihten.

“Gut, so soll es sein”, bestätigte der Geweihte den Vorschlag es Traurigensteiners. “Ich werde aber auch das Schwert segnen, das Ihr der jungen Dame schenkt. Wir wollen aber zuerst die himmlische Leuin und ihre Alveranischen Heerscharen um ihre Gnade und Geleit bitten.”

Der Edle nickte ehrerbietig.

Das schien ein Zeichen für Gelons Knappe zu sein. Ohne Worte zog er sein Knappenschwert, kniete sich hin, stützte seine Hände auf den Schwertknauf, das Schwert vor sich mit der Spitze auf den Boden gestellt, und senkte seinen Kopf.

Gelon schien für einen kurzen Moment verärgert über das eigenwillige Handeln seines Knappen. Doch dann nahm er seinen Rondrakamm vom Rücken, zog die Waffe und machte es seinem Knappen nach. Knieend verweilte er einige Momente in Stille.

Meta musste sich tief ducken, als sie es den anderen mit ihren Kurzschwert gleichtat. Keine Ahnung, wie lange man so beten musste. Sie würde einfach warten bis die anderen fertig waren. Meta schloss die Augen und versuchte, so rondragefällig, wie möglich zu denken. Adda und Linnart blieben aufrecht, strafften jedoch ihre Haltung.

Thymon tat es den Rondradienern gleich. Er zog sein edles Schwert, dessen Parierstange verspielt Weinreben nachempfunden war und kniete sich nieder. Auf seinen Lippen formte sich ein stummes Gebet. Nach einigen für manche vielleicht lange wirkenden Momenten der Stille stimmte der Rondra-Geweihte zunächst leise summend, dann aber deutlich singend einen Choral an und sofort stimmte sein Knappe voller Inbrunst ein:

“Dir zu Ehren kämpfe und streite ich.
Dir zu Ehren, nur in deinem Namen.
Dir zu Ehren ich leb’,
dir zu Ehren ich sterb’,
dir zu Ehren bis in Ewigkeit!”

Dann verstummte der Gesang und Gelon sprach den zweiten Teil des Chorals mit feierlicher Stimme:

“Deinem Wort zu gehorchen nur leb’ ich.
Deiner Ehre widme ich mein Streben.
Deinem Willen geweiht,
dir zu dienen bereit,
Herrin Rondra, bis in Ewigkeit!”

Die Worte verklangen und nach einer kurzen Pause erhob der Geweihte erneut seine Stimme: “Du Göttliche Leuin…” Und Mihoal antwortete inbrünstig: “...wir rufen dich an!”

“O Donnernde…” - “...wir rufen dich an!”
“O Alverans Schwert und Schild…” - “...wir rufen dich an!”
“O Alveransleuin…” - “...wir rufen dich an!”
“O Siegschenkerin…” - “...wir rufen dich an!”
“O Sturmherrin…” - “...wir rufen dich an!”
“O Unbesiegte…” - “...wir rufen dich an!”
“O Wächterin auf Alverans Zinnen…” - “...wir rufen dich an!”

“Du schenkest uns Besonnenheit…” - “...sei uns gnädig!”
“Du schickest uns Blitz und Donner…” - “...sei uns gnädig!”
“Du lässt das Blut fließen…” - “...sei uns gnädig!”
“Dein ist unsere Ehre…” - “...sei uns gnädig!”
“Dir weihen wir unseren Zweikampf…” - “...sei uns gnädig!”
“Dir folgen wir auf der Jagd…” - “...sei uns gnädig!”
“Du stählst unseren Körper…” - “...sei uns gnädig!”
“Du schenkest uns Mut…” - “...sei uns gnädig!”
“Du bist unser Schild…” - “...sei uns gnädig!”
“Du bist unser Schutz…” - “...sei uns gnädig!”
“Du sendest Gewitter und Sturm…” - “...sei uns gnädig!”
“Du stärkst unsere Tapferkeit…” - “...sei uns gnädig!”
“Dir seinen unsere Waffen gewidmet…” - “...sei uns gnädig!”
“Dir ist der heilige Zorn…” - “...sei uns gnädig!”

“O Rondra, sende uns Deine Alveranischen Heerscharen…” - “...für das letzte Gefecht!”
“O Rondra, sende uns Deinen Sohn Kor…” - “...für das letzte Gefecht!”
“O Rondra, sende uns Rondrikan…” - “...für das letzte Gefecht!”
“O Rondra, sende uns Mythrael…” - “...für das letzte Gefecht!”
“O Rondra, sende uns den Hohen Drachen Farmelor…” - “...für das letzte Gefecht!”

“Heiliger Anshag von Glodenhof…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Heleon Ankhrashar von Donnerbach…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Geron der Einhändige…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Leomar von Baburin…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Hlûthar von den Nordmarken…” - “...steh uns bei!”
“Heilige Lutisana von Kullbach…” - “...steh uns bei!”
“Heilige Ardare von Gareth…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Bogumil von Arivor…” - “...steh uns bei!”
“Heilige Rondragabund von Riedemer…” - “...steh uns bei!”
“Heilige Thalionmel von Neetha…” - “...steh uns bei!”
“Heilige Heleon Ankhrashar von Gareth…” - “...steh uns bei!”
“Heilige Yppolita von Kurkum…” - “...steh uns bei!”
“Heilige Arika von Al´Anfa…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Raidri Conchobair von Winhall…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Leomar von Bethana…” - “...steh uns bei!”
“Heilige Leonore vom Berg…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Sigrain vom Berg…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Murak-Horas von Bosperan…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Arkos von Zorgahan…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Caralus der Löwe…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Orgil von Gratenfels…” - “...steh uns bei!”
“Heilige Matissa von Dûrenbrück…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger General Halmar…” - “...steh uns bei!”
“Heilige Dalida von Bomed…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Seneb-Horas von Bosperan…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Usim-Horas von Bosperan…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Festo Firdayon von Aldyra…” - “...steh uns bei!”
“Heiliger Espathario Berlînghan…” - “...steh uns bei!”
“Heilige Koarmin von Rickenbach…”, fügte Gelon mit einem schmunzelnden Seitenblick nahtlos an - aber andächtig vertieft in das Gebet merkte Mihoal die Spitze nicht und antwortete fast wie in Trance: ”...steh uns bei!”

“O Hohe Herrin Rondra…” - “...erbarme dich!”
“O Hohe Herrin Rondra…” - “...erbarme dich!”
“O Hohe Herrin Rondra…” - “...erbarme dich!”

“Heilig! Heilig! Heilig!” - “Dir sei die Ehre auf ewig!”

Nach dem Abschluss der Litanei erhob sich Gelon und deute mit einer Geste an, dass auch Thymon und Meta es ihm gleich tun sollten, während Mihoal es sich nicht nehmen ließ zu rufen: “Erhebet Euch!”

“Das möge als Gebet genügen”, kommentierte Gelon, “denke ich, die Leuin wird uns verzeihen, dass wir nicht die ganze Nacht im Gebet verweilen…” Bei diesen Worten verzog sein Knappe kurz das Gesicht, bekam sich aber schnell wieder in den Griff und legte einen regungslosen Ausdruck an.

Thymon, der in die Gebete mit eingestimmt hatte, erhob sich und nickte dem Geweihten zu. Mit einem Seitenblick auf Meta vergewisserte er sich, dass es ihm seine Knappin gleich tat, dann deutete er auf das Schwert, welches auf der Altarplatte lag.

“Genau”, bestätigte der Geweihte, “bevor wir zur Schwertleite selbst und zum Ritterschlag kommen, würde ich gerne diese wunderbare Klinge segnen.” Er blickte zunächst Thymon und dann Meta an. Dann wandte er sich an Mihoal: “Hast du das gesegnete Waffenfett dabei?” Der Knappe begann hinter seinem Wappenrock in einer Tasche zu kramen und holte ein kleine Pyxis aus Mammuton hervor. Meta beobachtete die Zeremonie gespannt. Geweihte, das wäre nichts für sie, dachte sie sich. Die Litanei war lang, fast immer gleich und doch immer anders. Alleine die Namen sich einzuprägen… Aber es war wohl, wie so vieles eine Frage von Motivation und Übung. Dass sie sich je so auf ein Schwert freuen und es auch beherrschen würde, das war ihr in Cres sehr fern gewesen. Danilo hatte sie balancieren lassen und durch den Wald laufen, um Honig von wilden Bienen zu finden. Ihre erste Ausrede, sie hätte nix gefunden (in Wahrheit hatte sie es sich irgendwo gemütlich gemacht), war schnell aufgeflogen. Auch die Traurigsteiner beobachteten das Wirken der Rondradiener ehrfürchtig, auch wenn der Bannstrahler Linnart sich deutlich erkennbar Mühe gab einen möglichst uninteressierten Gesichtsausdruck aufzulegen. Der Geweihte deutete zum marmornen Altar mit einer auffordernden Geste, ihm dorthin zu folgen. “Würdet Ihr das Schwert halten, Herr Thymon, Wohlgeboren?” “Selbstverständlich, Ehrwürden”, der Edle nickte eifrig, griff nach der Waffe und hielt sie dem Geweihten entgegen.

Gelon legte seine linke Hand auf die Klinge und seine rechte mit der Handinnenfläche nach oben. Er hob die Augen gen Himmel, als ob er dort Rondra oder Alveran erhoffte, und begann zu beten:

“O glorreiches Schwert, du heiliges Zeichen unserer Ehre,
du gleißender Stahl, mit welchem die Herrin selbst kämpft.
Auf diesem heiligen Zeichen beruht unsere Ehre,
unsere Standhaftigkeit und unsere Stärke.” . Dann reichte ihm Mihoal das Gefäß aus Mammuton, dass er inzwischen geöffnet hatte. Der Geweihte griff mit Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand in das Waffenfett und begann damit die Klinge zu bestreichen.

“Verleihe, o göttliche Herrin,
diesem Schwert die Kraft,
sowohl dem namenlosen
als auch dem dämonischen Feinde
Einhalt zu gebieten.
Schenke seinem Träger den Mut,
alle Versuchungen durch die Kraft deines Schwertes,
zu deiner Ehre allein, zu überwinden.
Segne, o Herrin, diese Klinge,
denn zu deinem größeren Ruhm soll sie fechten!
Rondra will es!”

“Rondra will es!”, bestätigte der Knappe und reichte ein samtenes Tuch. Gelon nahm das Tuch und begann damit, die Klinge fachmännisch zu polieren. Und siehe da, sie erstrahlte in einem merkwürdig beeindruckenden Glanz.

Gelon blickte Thymon an und nickte dankbar. “Nun legt das Schwert zunächst zur Seite. Nachdem Ihr Eurer Knappin den Ritterschlag erteilt habt, werdet Ihr es ihr reichen.” Dann wandte er sich zu Meta. Als Thymon das Schwert wieder auf den Altar gelegt hatte und sich wieder dazu gesellt hatte, begann Gelon zu sprechen:

“Der Sturmherrin zu Ehre wollen wir innehalten.” Er schwieg einen Moment. “Es gilt eine eine ehrenhafte junge Dame in den Bund der Ritterschaft aufzunehmen.” Er blickte die Knappin ernst an. “Ich darf Euch nun bitten, Meta Croÿ, Euch vor Eurem Schwertvater hinzuknien.”

Meta hatte den Blick von Thymon und dem Schwert, auch noch ein geweihtes, nicht lösen können. Die Wertigkeit des Metalls konnte sie nicht beurteilen, aber sie würde sich erkundigen. Ihre Familie war aber nicht für Schund bekannt. Und wer auch immer es in Auftrag gegeben hatte, sie vermutete Thymon, kannte sie sehr gut. Es war praktisch und effizient für den Kampf gefertigt. Der ein Amethyst im Schwertkopf eingelassen war der einzige Zierrat. Wie ihr geheißen, kniete Meta sich vor Thymon.

Dann nickte der Geweihte Thymon zu. “Nun, Wohlgeboren, erteilt den Schlag.”

Thymon nickte dem Geweihten zu und vollführte der Edle die traditionelle Geste, auch wenn sie beim Traurigensteiner eine eher symbolische war. Der Schlag war kaum als ein solcher zu vernehmen und seine flache Hand blieb einige Momente auf der Wange seiner Knappin liegen.

“Nimm diesen Schlag und dann keinen mehr”, wiederholte der Ritter die Worte. “Im Namen der Herrin Rondra und ihrer elf Geschwister habe ich die Freude, heute ein neues Schwert in die Ritterschaft zu entlassen.”

Er ließ sich von Gelon das Schwert reichen. “Bedenke, dass du von nun an die zwölf heiligen Tugenden der Ritterschaft zu achten hast, dass die Menschen zu dir aufschauen, dass du ihnen Schwert, Schild und auch Vorbild bist.”

Thymon reichte seiner Knappin das Schwert. “Erhebe dich, Ritterin!”, meinte er feierlich.

Gelon begann damit in die Hände zu klatschen, um die Anwesenden aufzufordern, den Geschehen Beifall zu spenden. Währenddessen reichte Gelons Knappe Thymon die Sporen, damit das Ritual vollendet werden konnte.

Adda und Linnart begannen tatsächlich zu applaudieren.

So schnell ging die Metamorphose von Knappin zu Ritterin. „Das werde ich, bei den Götter, ähm Rondra voran.“ sagte sie laut. Leise flüsterte sie zu Thymon. „Das war ja nur gestreichelt. Und von dir bekomme ich noch eine Narbe, das hab ich nicht vergessen.“ Die Röte, die ihr ins Gesicht schoss und die leicht zitternden Arme und Beine waren für die traurigsteiner Anwesenden ein deutliches Zeichen, wie aufgewühlt die frische Ritterin war.

“Das hast du nicht zu fürchten”, meinte Thymon lächelnd und kniete sich dann nieder, um der ehemaligen Knappin die Sporen anzulegen.

Als der Edle sich dann wieder erhob und straffte, sah er erst zum Rondrageweihten und dann zu Meta. “Nimmst du meine zuvor gesprochene Forderung an?”, fragte er sie nun als gleichwertige Ritterin. „Ich nehme sie freilich an.“

„Nun, so soll es sein”, bestätigte der Geweihte die Herausforderung und deren Annahme zum Ehrenhaften Zweikampf. “Für die Herrin Rondra! Für die Ehre!”, rief Gelon und sein Knappe wiederholte den Ruf. Dann stimmte der Ardaritenritter erneut den Choral der Heiligen Ardare an, aber nur den gesungenen Teil. Sein Knappe sang selbstverständlich mit.

“Dir zu Ehren kämpfe und streite ich.
Dir zu Ehren, nur in deinem Namen.
Dir zu Ehren ich leb’,
dir zu Ehren ich sterb’,
dir zu Ehren bis in Ewigkeit!”

Danach gaben der Geweihte und sein Knappe demonstrativ den Platz frei, den Meta und Thymon brauchen würden für ihren rituellen Schwertkampf. Mit einer Geste forderte Gelon die beiden auf, zu beginnen.

Meta stellte sich auf und machte sich zunächst mit dem Schwert - ihrem eigenen Schwert - vertraut. Es lag sehr gut in der Hand und sie probierte ein paar Probeschläge damit. Ungewohnt war es freilich noch. Länger, schwerer. Glücklich betrachtete Meta ihre Waffe. Später musste sie Thymon unbedingt fragen, woraus es bestand und wer es angefertigt hatte.

Auch Thymon machte sich bereit. Es würde kein ernster Kampf sein, an dessen Ende einer von ihnen beiden ernsten Schaden nahm. Es war vielmehr eine Übung, wie er und Meta es während der Ausbildung schon zig Male vollzogen hatten. In gewisser Weise hatte es für den Traurigsteiner auch einen zeremoniellen Wert, der für die Nordmarken vielleicht etwas krude wirkte und besser in die Tulamidenlande oder den Norden passte.

Nach einem kurzen Abtasten, schien der Edle ernst zu machen und erwischte Meta am Oberarm ihres Schildarmes, auf dem auch ein deutlicher, aber nicht tiefer Schnitt zurückblieb. “Ich schlage dir diese Wunde um dich daran zu erinnern, dass meine Familie dir immer Schild und Zufluchtsort sein wird. Egal wohin es dich nun ziehen mag. Hier hast du immer Menschen, die für dich eintreten und dich behüten werden … komme was wolle.”

„He..Mist!“ protestierte Meta, die selbst versucht hatte, Thymon eine Narbe zu hinterlassen. Dann lächelte sie froh und sicher. „Thymon, Rondra, Rahja und die anderen, ja Praios ganz vorne, seien mit euch. Habt Dank für die schöne Zeit. Ich darf doch jetzt erstmal hier bleiben?“ Freundlich nickte sie auch den beiden Rondradienern zu, während der Edle sie lediglich anlächelte.

Jetzt war Meta umso konzentrierter aber auch verbissener dabei, ihrem Schwertvater auch eine Erinnerung zu hinterlassen. Wie schade, dass es durch Handschuhe und Gewandung nicht so viele Möglichkeiten gab. War es Zufall, eine Unachtsamkeit oder ein Versehen? Der Knappin oder Ritterin, wie man es sehen mochte, gelang es, in einer Drehung einen Ritz an Thymons Schwertarm zu platzieren. Fast am Handgelenk, die dünne Narbe würde wie ein Armband aussehen.

Knapp nickte ihr Schwertvater daraufhin. Er hatte seine Deckung etwas schleifen lassen, aber es war ein guter Streich. Meta war bereit.

“Ihr habt wahrlich zur höheren Ehre der Leuin gekämpft, hohe Dame, junge Ritterin”, sagte Gelon zu Meta, um das Ritual abzuschließen, und nickte freundlich zurück. “Ich danke Euch, Herr Thymon, Wohlgeboren, dass Ihr zu Rondras Ruhm und Ehre den ersten Kampf Eurer früheren Knappin geschenkt habt.” Dabei nickte er nun auch dem Traurigsteiner zu. “Ich vermute, dass wir all das nun noch gebührend feiern werden. Immerhin befinden wir uns doch in einem Schrein der Schönen Göttin, die wir doch mit Lebensfreude huldigen sollten.”

Die frisch ernannte Ritterin strahlte sie alle an. Erst Gelon, sogar dem griesgrämigen Mihoal schenkte sie ein Lachen purer Freude, liebevoll umarmte sie Thymon. „Danke für alles.“ Adda und Linnart sah sie so befreit und gelöst an, dass ihre Augen etwas wässrig schimmerten. Meta würde noch etwas brauchen, um zu realisieren, was passiert war und was ihre Familie für sie getan hatte. „Nur zu gerne. Es bedeutet mir so viel und …und ich fühle mich so wohl bei Euch. Ihr habt mich genommen, wie ich bin.“

“Selbstverständlich werden wir es gebührend feiern”, gab der Hausherr feierlich bekannt, während auch Linnart nun Meta umarmte und ihr gratulierte.

“Ich hoffe, dass du uns erhalten bleibst”, meinte nun auch Adda. “Wiewohl es natürlich deine Entscheidung ist. Jetzt bist du frei.”



Später auf der Feier hatte Meta die Ereignisse endlich verarbeitet und saß mit sich im Reinen gelöst neben Linnart. Beide beobachteten still das Treiben um sie herum. „Linny,“ brach Meta das Schweigen, „Ich habe mit deinen Eltern gesprochen und werde hier bleiben. Zunächst werde ich aber in ein paar Monden ungefähr einen Götterlauf als freie Ritterin durch Aventurien ziehen. Von dem, was ich erlebe, will ich dir schreiben.“ Sie ließ ihre Worte etwas sitzen und erzählte weiter. „Es ändert sich doch zwischen uns nichts? Emotional, meine ich? Wir sehen uns zwar kaum noch, aber es bleibt besonders zwischen uns.“

“Natürlich”, meinte Linnart. “Du gehörst zur Familie und bist mir die engste Freundin.” Der Bannstrahler lächelte. “Pass auf jeden Fall auf dich auf, wenn du durch die Lande ziehst und komm uns wohlbehalten wieder zurück.”

-Fin-