Die Heilige Koarmin

Mihoal und
die Heilige Koarmin

aus: El Camino Diosa
von: StLinnart 2022

Edlengut Linnartstein, Mitte Rondra 1045 BF

(...)

„Ich danke Euch herzlich, Theodara”, erwiderte der Geweihte und nahm Platz. „Wir wären Euch sehr verbunden, wenn Ihr uns eine Karaffe Wasser und zwei Becher bringen würdet. Die Reise durch den spätsommerlichen Isenhag hat uns doch durstig gemacht.”

Der Knappe blieb derweil am Rande stehen.

Das Wasser war schnell herbei gebracht, doch ließ die Hausherrin etwas länger auf sich warten.

Gelon wog den Wasserbecher in seiner Hand und sagte leise zu seinem Knappen: „Was ist das für ein Anhänger, den du neuerdings um deinen Hals trägst?“

Mihoal blickte seinen Schwertvater prüfend an. Was wollte er nun von ihm? „Den habe ich mir von Xallinosch, dem Schmied von Breewald, fertigen lassen“, antwortete der junge Rechklamm lapidar.

„Die Frau, die darauf abgebildet ist, kommt mir irgendwie bekannt vor.“ Dem Ritter war keine Regung vom Gesicht abzulesen. Er nahm einen Schluck Wasser.

„Das ist die Heilige Koarmin von Rickenbach.“ In der Stimme des Knappen lag ein Anflug von Verteidigung.

„Die `heilige´ Koarmin?“, fragte der Geweihte verwundert und auch sichtlich skeptisch nach.

„Ja“, antwortete der Knappe in einem Brustton der Überzeugung, „sie wird von den Menschen hier als Heilige der Leuin verehrt.“

„Ich habe dich gesehen...“ Der Ardaritenritter musterte seinen Knappen. „Ich habe dich gesehen, wie du im Tempelgarten vor der Statue Koarmins meditierst und deine Schwertübungen machst.“

„Das ist der einzige Ort auf dem ganzen Tempelgelände, der der Herrin Rondra heilig ist.“ In der Stimme des Knappen schwang leichte Entrüstung. Er meinte den Tempel der Rahja in der Baronie Eisenstein, wo er mit seinem Schwertvater eingesetzt war. „Es gibt dort einen Schrein der Peraine, der Travia und der Tsa – weil Hochwürden Rahjan Bader dem Vierschwesternorden angehört – aber für einen heiligen Ort der Rondra müsste ich zur Hyndanburg aufbrechen.“

„Ich mache mir Sorgen, Mihoal“, sagte sein Schwertvater in ruhigem, ernsten Ton, „dass du derselben Krankheit des Geistes erliegen könntest, wie dein Vater.“

Der Knappe schaute Gelon verärgert an. „Die Obsession meines Vaters an Koarmin ist ja wohl eher durch Rahja bestimmt. Ich verehre Koarmin von Rickenbach aufgrund ihrer rondra-gefälligen Taten.“

Nun blickte Gelon von seinem Wasserbecher auf und schaute seinen Knappen streng an. „Ich ehre Koarmin auch sehr. Sie war eine Heldin. Sie war die Knappin meines Vaters. Wir sind zusammen aufgewachsen. Als ich geboren wurde, war sie Pagin auf unserer Burg. Koarmin hat mich quasi mit aufgezogen. Wir waren wie Geschwister. Wie gesagt: ich ehre sie auch. Aber ich mache sie nicht zu einer Heiligen, Mihoal.“

(...)