Die Gesuchte: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Altenbergerin hörte bedächtig zu, als die Gruppe um Doratrava herum sich beriet. Sie war es gewöhnt, dass Leute sie eher versuchten zu ignorieren und es kaum wagten sie anzuschauen. So war es auch mit diesen hier. Sabea betrachtete den Krieger und den Magier.´So, so, die beiden also.´,ging es ihr durch den Kopf. Männer aus dem ganzen Reich kamen, um an der Altenberger Brautschau teilzunehmen, so wie diese Beiden. Würde wohl einer von beiden um sie werben? Sie was sich nicht sicher. Bis jetzt war sie nur mit flüchtigen Blicken bedacht worden. Der Ktieger, war so gar nicht Sabeas Fall. Klein, schmächtig, schütteres Haar und trällert den ganzen Tag wie ein gelangweiltes Waschweib. Wenn sie sich vorstellte, eine Auseinandersetzung mit ihm zu haben, wäre diese höchstwahrscheinlich mit nur einem Handschlag ins Gesicht beendet und entschieden. Viel zum Entgegensetzen hatte er nicht. Und dann war da noch der Magier. Er war gutaussehend, kräftiger und hatte einen starken Willen. Aber dennoch, würde er ihr etwas zum Entgegensetzen haben, ohne seine schändliche Magie zu benutzen? Sabea war sich nicht sicher.  
 
Die Altenbergerin hörte bedächtig zu, als die Gruppe um Doratrava herum sich beriet. Sie war es gewöhnt, dass Leute sie eher versuchten zu ignorieren und es kaum wagten sie anzuschauen. So war es auch mit diesen hier. Sabea betrachtete den Krieger und den Magier.´So, so, die beiden also.´,ging es ihr durch den Kopf. Männer aus dem ganzen Reich kamen, um an der Altenberger Brautschau teilzunehmen, so wie diese Beiden. Würde wohl einer von beiden um sie werben? Sie was sich nicht sicher. Bis jetzt war sie nur mit flüchtigen Blicken bedacht worden. Der Ktieger, war so gar nicht Sabeas Fall. Klein, schmächtig, schütteres Haar und trällert den ganzen Tag wie ein gelangweiltes Waschweib. Wenn sie sich vorstellte, eine Auseinandersetzung mit ihm zu haben, wäre diese höchstwahrscheinlich mit nur einem Handschlag ins Gesicht beendet und entschieden. Viel zum Entgegensetzen hatte er nicht. Und dann war da noch der Magier. Er war gutaussehend, kräftiger und hatte einen starken Willen. Aber dennoch, würde er ihr etwas zum Entgegensetzen haben, ohne seine schändliche Magie zu benutzen? Sabea war sich nicht sicher.  
 
Sichtlich gelangweilt seufzte sie laut. “Doratrava, ich komme mit dir. Falls der Händler Ärger macht, regeln wir das. Wir sehen uns dort. Gehen wir erst zur Garnison und falls es dort keine Steckbriefe gibt, suchen wir das Rathaus. Den Wisch den ihr in der Hand haltet hab ich direkt vom Krämer.”, richtete sie ihre Worte an den Magier, beschrieb ihm den Weg und legte ihre große Hand auf die Schulter der Gauklerin.
 
Sichtlich gelangweilt seufzte sie laut. “Doratrava, ich komme mit dir. Falls der Händler Ärger macht, regeln wir das. Wir sehen uns dort. Gehen wir erst zur Garnison und falls es dort keine Steckbriefe gibt, suchen wir das Rathaus. Den Wisch den ihr in der Hand haltet hab ich direkt vom Krämer.”, richtete sie ihre Worte an den Magier, beschrieb ihm den Weg und legte ihre große Hand auf die Schulter der Gauklerin.
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== '''Twergenhauser Ordnungshüter''' ==
  
 
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Version vom 31. Mai 2022, 12:02 Uhr

Kapitel 3-1: Die Gesuchte

Ort: Twergenhausen

Zeit: 30.Ingerimm 1042 BF

Personen:

Haus Altenberg - Ministerialen Familie aus Elenvina

Maura von Altenberg- Doctora

Sabea von Altenberg - Heroldin

Doratrava - Gauklerin

Nivard von Tannenfels - Krieger und Geleitschützer (Plötzbogner)

Rondradin von Wasserthal - Geweihter der Rondra, Edler von Wolfstrutz

Raxajida und Alarich - Waffenknechte in Diensten Rondradins

Helswin von Plötzbogen - Magus

Emmeran von Plötzbogen, Anführer der 6-köpfigen Gruppe als Geleitschutz angeheuerter ‘Plötzbogner’ (zu denen auch Nivard gehört)

Und andere.


Eine Briefspielgeschichte von DanSch.

Ankunft in Twergenhausen (Ende Ingerimm 1042 BF)

Sehnsüchtig schaute Gelda aus dem Fenster der Kutsche. Schon eine gute Woche war ihre Familie unterwegs aus der Capitale nach Herzogenfurt. Endlich hatten sie die Hälfte ihrer Reise erreicht und nun standen sie vor einem Gasthaus in dem schönen Städtchen Twergenhausen. Das schöne Fachwerkhaus oder gar das Städtchen selbst war nicht Grund ihrer Sehnsucht. Es war eher die Gruppe von Leuten, die sie seit kurzem ihre Freunde nannte. Doratrava, die Gauklerin, Nivard von Tannenfels, der Krieger und Rondradin von Wasserthal zu Wolfstrutz, den Rondrageweihten. Wie sehr wäre sie jetzt bei ihnen, um zusammen Twergenhausen zu erkunden. Aber die Anweisung der Familie, die Anweisung ihres Vaters war klar: Kein Kontakt zu den Anderen, außer zu der Familie! Sie seufzte auf. Sie wußte das Doratrava etwas wichtiges vorhatte und sie ihre Hilfe gebrauchen könnte. Was kann sie nur tun? Plötzlich hatte sie eine Eingebung. Es gab tatsächliche eine Person in der Familie, die sich keine Vorschriften machen ließe und dem in der Familie keinem widersprechen würde. Gelda von Altenberg schmiedete einen Plan.

Von weiten konnten die Gauklerin, der Krieger und der Rondrageweihte beobachten, wie jeder einzelne Altenberger aus einer der vier Kutschen ausstieg und ziemlich rasch, unterstützt von der lauten Stimme des Traviageweihten Winrich von Altenberg-Sturmfels, in den Traviatempel, der neben dem Gasthaus “Zum Gänsenest” stand, gebeten wurde. Eine Schar von Bediensteten half dabei, das Gepäck der Familie nach zu tragen. Jeden, der diese alte Familie betrachtete, war schnell klar, das eine rote Haarfarbe keine Seltenheit bei den Altenberger war. Ansonsten hielten sie sich eher bedeckt und unauffällig. Man mochte ihnen gar eine gewisse Trägheit nachsagen. Eine jedoch, die so gänzlich nicht in das Allgemeinbild passte, löste sich von der Schar und hielt direkt auf die Gruppe zu. Maura von Altenberg, die Doctora, war meistens fröhlich gestimmt und hatte auch diesmal ein Lächeln im Gesicht. An diesem doch sehr heißen Tag, trug sie nur ein leichtes, hellblaues Reisegewand, das jedoch keine modischen und sehr schöne Verzierungen vermissen ließ. Ihr blondes Haar hatte sie einfach zurückgebunden, doch ihr Gesicht war von dezenter, wenngleich von geschickter Hand aufgetragenen Schminke, betont. Die Fünfzigjährige, die weitaus jünger wirkte, winkte ihnen zu. “Den Göttern zum Gruße!”

Irgendwie hatte Doratrava sich diese Reise ein wenig anders, lustiger, kurzweiliger vorgestellt. Natürlich war sie dankbar, mit den Altenbergern und Nivard und Rondradin zusammen zur Brautschau nach Herzogenfurt fahren zu dürfen. Aber von ihrer neuen Freundin Gelda von Altenberg hatte sie die ganze bisherige Reise über fast nichts gesehen, nur manchmal ihren roten Haarschopf in der Ferne. Sie hatte den Eindruck, dass seit Elenvina, als das Familienoberhaupt der Altenberger, dieser Travia-Hochgeweihte, Anweisungen ausgab, alles noch strenger zuging als vorhin schon. Aber was konnte man von einem Geweihten der Travia auch anderes erwarten? Nicht nur sie selbst vermisste Geldas Anwesenheit in ihrer Runde, auch Nivard und Rondradin machten diesen Eindruck, wenn sie auch nicht viel darüber sprachen. Das sei “Familienpolitik”, hatte vor allem Rondradin ihr beschieden, als sie einmal nach dem Grund für diese seltsame Maßnahme gefragt hatte. Nicht mal beim Rasten unterwegs oder wie hier in einem Gasthaus durften sie mit Gelda sprechen, auch für Elvan galt dasselbe. Die Gauklerin seufzte zum tausendsten Mal innerlich. Was für ein Unsinn! Aber sie wollte es sich nicht mit der Familie verscherzen, also hielt sie sich an die Gebote, wenn es ihr auch schwerfiel. Und nun hatten sie Twergenhausen erreicht! Gestern und heute erst recht war ihr immer mulmiger zumute geworden, je näher sie der Stadt kamen. Doch trotz all ihrer Befürchtungen hatte es am Stadttor keine Probleme gegeben. Gut, sie hatte sich eng in ihren Kapuzenmantel gehüllt und reiste in adliger Begleitung, das mochte dazu beigetragen haben, dass sie kaum mehr als einen flüchtigen Blick abbekommen hatte, und so war noch nicht sicher, ob man sie nicht vielleicht doch suchte. Nun, sie würde es bald erfahren. Umso dankbarer war sie zum wiederholten Male Rondradin, der versprochen hatte, ihr in der Angelegenheit mit dem Händler und seinen Kopfgeldjägern zu helfen. Da sah sie Maura auf ihre Gruppe zukommen. Freundlich, aber schweigend nickte sie der Doctora auf deren Gruß hin zu und ließ erst einmal den anderen den Vortritt. Um was es wohl ging? Maura hatte in den letzten Tagen auch eher selten den Kontakt zu ihnen gesucht, insofern war Doratrava gespannt, was sie auf dem Herzen hatte.

So viele Lieder und Gedichte hatte Nivard noch nie in so kurzer Zeit erdacht wie während der letzten Tage, seit sie aus Elenvina aufgebrochen waren. Er litt sehr darunter, gar nicht mit Gelda sprechen zu sollen. Aber er schickte sich, wollte er doch nicht schon auf der Reise sein Ansehen bei den Altenbergern und damit alle Hoffnung verspielen. Wenigstens war ihm das Glück beschieden, mit seinem Ross neben der Kutsche zu reiten, in der neben der Doctora von Altenberg auch sein Freund Elvan und jene junge Frau reisten, für die er mittlerweile sogar gerne nach Herzogenfurt wollte. Auch wenn ungewiss war, ob aus dieser Reise Glück oder doch nur Schmerz und Enttäuschung für ihn erwachsen würden. Jedenfalls konnte er so immer mal wieder unauffällig einen Blick in ihre faszinierenden grünen Augen erhaschen. Und wenn ihm schon verboten war, mit Gelda zu sprechen, so schien sich doch niemand daran zu stören, wenn er während des Ritts gelegentlich leise ein im Texte unverfängliches und immerzu sittsames Liedlein anstimmte, von der Schönheit der Natur, aber auch der Liebe. Und das tat er, wie er es Gelda unmittelbar vor der Abfahrt aus Elenvina in einem unbeobachteten Moment versprochen hatte, jedes Lied ein Zeichen seiner Zuneigung. Von dem er hoffte, dass es Gehör und Gefallen finden möge, auch wenn er keine unmittelbare Antwort darauf erhoffen durfte. Die letzten Tage war ihm Doratrava zusehends nervöser vorgekommen. Was diese wohl umtrieb? Leider hatte sich noch keine passende Gelegenheit ergeben, sie danach zu fragen - auch jetzt nicht, da sie in Twergenhausen angekommen waren, und geschäftig dabei waren, Quartier zu beziehen. Wie immer, wie er es gelernt und tief verinnerlicht hatte, besah er sich, während er mit Doratrava und dem gerade zu ihnen getretenen Rondradin zusammen stand, das “Gänsenest”, prägte sich die Lage von Zu- und Ausgängen, der Fenster und der umliegenden Gebäude ein. Auch wenn er hier nicht der ranghöchste Geleitschützer war, hatte sich doch Emmeran von Plötzbogen selbst es sich nicht nehmen lassen, die hochrangige Reisegruppe gemeinsam mit 4 weiteren Plötzbognern zu begleiten, verhielt der junge Krieger sich so, wie er es auch tat, wenn er für seine Schützlinge völlig alleine verantwortlich war. Dass ihm einige seiner “Kunden” dieses Mal besonders am Herzen lagen und er überdies unter den Augen Emmerans agierte, taten ihr Übriges zu seiner Motivation. Das alles ließ ihn sogar vergessen, dass er wie jeden der letzten Abende wieder in seinem eigenen Safte stand, wurde es im gleißenden Scheine der frühsommerlichen Sonne unter Waffenrock und Kettenhemd doch teils nur schwer erträglich heiß. Wenn alle sicher in der Unterkunft weilten, würde auch er sich leichter wappnen. Während er noch dastand und sich gerade an Doratrava und Rondradin wenden wollte, kam auf einmal Maura von Altenberg auf sie zu. Obgleich er bereits den ganzen zurückliegenden Tag neben ihrer Kutsche geritten war, grüßte er sie erneut mit einer angedeuteten Verbeugung und einem freundlichen Lächeln auf seinem schweißfeuchten Antlitz. “Womit kann ich Euch dienen, Doctora?”

Die letzten beiden Wochen hatten ihre Spuren bei Rondradin hinterlassen. Die Ereignisse, welche zu seiner Verlobung geführt haben, hatten weitere Kreise gezogen, und nun reiste er nicht nur wegen seiner Zusage, als Geleitschutz für die altenberger Geweihten zu dienen, nach Herzogenfurt. Zumindest hatte er sich mit seiner Verlobung arrangiert. Rondradin sah der Hochzeit mit Ravena von Rabenstein aber immer noch mit gemischten Gefühlen entgegen, nicht nur die Begleitumstände, die sture Haltung ihres Vaters und der Umstand, dass sie sich - im Rahmen eines Abendessens - nur einmal gesehen hatten, lagen ihm schwer im Magen, sondern auch, dass er noch immer starke Gefühle für Gelda hegte. Ja, Gelda und er hatten noch einmal miteinander sprechen können, bevor ihr Vater den Kontakt untersagte. Der Geweihte hatte sie nicht nach Elenvina begleitet, sondern war der Einladung Dwaroschs gefolgt und nach Senalosch gereist um an der Einweihung des Denkmals zu Ehren der Gefallenen des Mendena-Feldzugs teilzunehmen, hatte der Oberst ihn doch gebeten, ein paar Worte bei der Einweihung zu sprechen. Erst danach war er mitsamt seinem Gefolge nach Elenvina aufgebrochen. Die Reise von Elenvina aus hatte Rondradin im Sattel hinter sich gebracht, während er vornehmlich neben Doratrava ritt. Ihre Nervosität nahm im gleichen Grade zu, desto näher sie Twergenhausen kamen und auch seine wiederholten Versuche sie zu beruhigen halfen nur bedingt. Die Gesangseinlagen des jungen Nivard waren da eine willkommene Ablenkung. Seine Waffenknechte waren ebenfalls mitgekommen, nur Palinor hatten sie in Elenvina bei seiner Schwertmutter zurückgelassen, nicht ohne ihr zu erzählen, was sich zugetragen hatte. Der niedergeschlagene, verzweifelte Blick, mit dem ihn sein Vetter zuletzt bedachte, hing Rondradin immer noch nach. Allerdings hatte sich sein Vetter diese Suppe selbst eingebrockt. Aber nun hatten sie endlich Twergenhausen erreicht - ohne unliebsamen Begegnungen mit Kopfgeldjägern - und seine Schutzbefohlenen bezogen nun Quartier im Travia-Tempel. Der Rondrageweihte stand zusammen mit Nivard und Doratrava vor dem Tempel und überlegte ob er sich im Gasthaus oder dem Rondra-Tempel einquartieren sollte. Sollte er Doratrava mit in den Tempel nehmen, damit sie zumindest unter dem Schutz seiner Kirche stand? Vielleicht sollte er die anderen fragen. Der Ruf der Doctora riss ihn aus seinen Gedanken. Seit jenem verhängnisvollen Abend, hatte er sie ins Herz geschlossen und sein Lächeln spiegelte dies wider, als er ihren Gruß erwiderte. “Rondra zum Gruß!”

Die Doctora nickte nur kurz. “Momentan habt ihr genug gedient, Herr von Tannenfels. Ich bin eigentlich nur gekommen, um euch etwas zu geben. Die Familie wird jetzt im Traviatempel willkommen geheißen und bis morgen zur Abreise dort verbleiben. Ich hoffe ihr nutzt die Zeit euch ein wenig auszuruhen.” Sie griff nach einer Geldkatze und gab sie dem Krieger. “Das ist für euch Zwei. Ein paar Silberstücke, damit ihr euch eine Schlafstätte im Gasthaus nehmen könnt und ein Abendessen dazu. Und keine Sorge, euer Vorgesetzter muss das nicht wissen. Es ist ein Geschenk von Elvan und mir.” Maura zwinkerte den beiden zu. Dann drehte sie sich zu Rondradin. “Euer Gnaden, ihr seit natürlich herzlichst eingeladen im Tempel zu verweilen und uns beim Abendmahl mit eurer Anwesenheit zu beehren. Seiner Hochwürden würde sich sichtlich darüber freuen. Und noch etwas,” sie deutete die Gasse hinunter,” ich kann euch allen den ´Possenreisser´ empfehlen. Da schmecken das Bier und der Wein am besten. Ihr müsst wissen, Twergenhausen ist mein Geburtsort. Mein verstorbener Vater ist dort immer gerne eingekehrt.” Eine leichte Traurigkeit schlich sich in ihren Blick, den sie dann aber mit einem Seufzen verschwinden ließ. “Wir sehen uns dann später oder morgen früh wieder. Ich wünsche euch eine gute Zeit.” Die Doctora drehte sich um und ging zum Tempel.

Nivard war im ersten Moment leicht perplex - eigentlich stand es ihm nicht zu, vom Auftraggeber direkt Geld anzunehmen, andererseits, wenn es ein privates Geschenk an Doratrava und ihn war… wenn Berufliches und Privates sich überschnitten wie hier, entstand eine Gemengelage, mit der er noch nicht souverän umzugehen wusste. “Habt vielen Dank! Aber…” stammelte er noch hinterher, da war Elvans Mutter, die er bereits seit seiner ersten Begegnung in Nilsitz sehr mochte und auch als eine der wenigen ansprechbaren Altenberger auf dieser Reise noch mehr zu schätzen gelernt hatte, bereits abgerauscht. Unschlüssig sah er Doratrava an, da ergriff Rondradin das Wort:

“Das war ein sehr rascher Auftritt der Doctora, findet ihr nicht? Aber es bleibt uns noch genügend Zeit bis zum Abendessen”, wandte sich Rondradin an Nivard und Doratrava “Sollen wir uns dann deinem Problem widmen?” wollte er von Doratrava wissen. Raxajida führte gerade ihre Pferde in die Stallungen des Gasthauses, während Alarich sich um die Zimmer kümmerte. Doratrava sah der Doctora leicht verwundert hinterher, dann schüttelte sie den Kopf, allerdings nicht als Antwort auf Rondradins Frage. “Wo bringen die denn die ganze Familie im Tempel unter? Dort steht mein Pferd, ich habe den Tempel gesehen, er schien mir nicht so geräumig zu sein. Aber natürlich hatte ich keinen Zugang zu den Katakomben.” Sie lachte ihre Gefährten an, um dann schnell wieder ernst zu werden, und wandte sich Rondradin zu. “Hm, ja, wenn du meinst, dass wir heute Abend noch etwas erreichen, dann los. Je schneller diese Sache geklärt ist, desto schneller kann ich sie auch vergessen. Wo fangen wir deiner Meinung nach an? Bei der Stadtwache? Bei diesem Händler, diesem Wertlinger?” Sie blickte Nivard an. “Kommst du mit?”

“Wenn ihr beide mir kurz sagt, um was es geht, gerne!” Nivard blickte Doratrava nachdenklich in die Augen. “Ist es das, was Dich die letzten Tage bereits so zu beschäftigen schien?” Die Gauklerin schaute Nivard zögerlich in die Augen. “Nun … ja. Ich … hab’ euch, also dir und Gelda, noch gar nichts davon erzählt. Der Vogt, Borax , also Borindarax, der weiß es und versprach Hilfe, aber wann?” Sie hielt inne, um sich zu sammeln und tief Luft zu holen. “Also … auf dem Weg zur Jagd haben mich in einem kleinen Dorf im Wald Kopfgeldjäger überfallen. Ich … konnte knapp entkommen.” Die Einzelheiten übersprang sie großzügig, das führte jetzt zu weit, zumal sie nicht alles erklären konnte, was dort vorgefallen war. “Allerdings nahm ich ein paar Andenken mit”, sie fasste sich unwillkürlich an die Brust, wo unter ihrem Hemd eine feine Narbe von einem ganzen Spann Länge von der Verletzung kündete, die Rangold der Unfehlbare ihr mit seinem Säbel zugefügt hatte. Wäre Arbosch nicht gewesen … egal. “Und erfuhr, dass ein gewissen Herr Wertlinger, ein Händler aus Twergenhausen, wohl die Bande angeheuert hat. Angeblich hatte er sich auf dem Marktplatz der Stadt meine Vorführung angesehen, dabei sei ihm sein Gürtelbeutel abhanden gekommen. Und nun denkt er wohl, das sei ein abgekartetes Spiel gewesen, meine Darbietung reine Ablenkung für irgendwelches Diebesgesindel. Den Dieb konnte er wohl nicht finden, zumal er ihn anscheinend nicht gesehen hatte, aber mich konnte er den Kopfgeldjägern beschreiben. Was Wunder.” Bitterkeit sprach aus der Stimme der Gauklerin. Die Leute erfreuten sich an ihrer Kunst, aber wenn es galt, einen Schuldigen für was auch immer für ein Ungemach zu finden, waren Schausteller immer gleich unter den ersten Verdächtigen. Und wenn sie dann auch noch … anders waren, erst recht. “So schickte er mir also diese Schläger auf den Hals, denen ich knapp entronnen bin. Aber ich habe hier meine Habseligkeiten und mein Pferd im Traviatempel untergestellt, also konnte ich gar nicht anders, als zurückzukehren. Und nun weiß ich nicht, was mich hier erwartet. Wie einflussreich ist dieser Händler? Hat er die Stadtgarde gegen mich aufgebracht? Werde ich gesucht? Was gilt das Wort einer Gauklerin gegen das eines bekannten Händlers? Rondradin hier hat sich dankenswerterweise bereiterklärt, mir zu helfen, aber ich lehne auch andere Hilfe nicht ab, um diese aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen aus der Welt zu schaffen!” Mit ungewöhnlich ernster Miene sah Doratrava Nivard ins Gesicht. “Nun also erneut - kommst du mit?”


Nivard hatte zwar nicht alle Details der recht schnellen Erzählung voll verstanden, aber dennoch ein grobes Bild von der Lage. Für ihn gab es da kein Zögern - er glaubte Doratrava ohne jeden Zweifel, dass sie unverschuldet in diese missliche Situation gekommen war. Und natürlich würde er ihr als seine Freundin helfen: “Ich bin dabei. Gib mir nur einen kurzen Moment, meine Siebensachen abzulegen” (er dachte dabei neben seinem sonstigen Gepäck vor allem an den Wappenrock, der ihn als Plötzbogner auswies und den er bei einer solchen… privaten… Mission eher nicht tragen sollte) “und mich abzumelden.” Er wusste, dass Emmeran von Plötzbogen - zu Recht, wie er einräumen musste - großen Wert darauf legte. Hoffentlich fragte dieser ihn nicht allzu nachdrücklich nach seinen Plänen für den heutigen Abend. Sein Kettenhemd würde er sicherheitshalber doch ein wenig länger anbehalten. “Wartet ihr hier?” Dankbar nickte die Gauklerin. “Ja, klar, darauf kommt es sicher nicht an. Wir beziehen solange schon mal das Gasthaus, nicht, dass nachher die Zimmer weg sind.” Mit diesen Worten zog sie Rondradin in Richtung Eingang des “Gänsenests”. “Wir sehen uns gleich da!” rief sie Nivard noch nach. Hoffentlich machte das Gasthaus seinem Namen nicht zuviel Ehre ...

Helswin glitt wie jedes Mal, wenn sie sich zu einer Rast aufmachten, stöhnend aus dem Sattel. Es war mehr ein inneres Stöhnen, das er allerdings nicht zur Schau trug, sondern seine unnahbare Maske, geformt aus der Überheblichkeit eines elitären Gildemagiers der Rechten Hand und der Schweigsamkeit eines unwilligen adligen Reisenden. Ja, diese Reise war unnötig wie ein Kropf und außerdem so zäh wie ein zu lange gekochter Haferschleim. Dabei ebenso langweilig im Geschmack. Diese Altenbergs... Helswins Blick glitt zu Vater Winrich und den Seinen, die den Tempel der Gans erstürmten. Anders konnte man das ja nicht nennen. Brut traf es eher.... Lustiges Wort.... Praios bewahre war nicht wirklich eine 'Eigeborene' unter denen. Mit seinen analytischen Canti hätte Helswin sie sonst längst ausgemacht und natürlich der Kirche des Herrn des Lichts überstellt. So war es ihm recht. So musste er sich noch nicht mit dieser Familie auseinandersetzen, was ihm mehr als recht war. Befreienderweise war dies während der Reise nach Herzogenfurt nicht gewünscht. Niemand sollte mit den Reisenden unterwegs auch nur ein Wort wechseln, hatte es zu Beginn geheißen. Eine Anweisung, der er nur gerne nachkam. Pff. Welche Worte sollte Helswin auch verschwenden. Er interessierte sich weder für die eine, noch die andere, die in Herzogenfurt angepriesen würde wie ein Korb Würste. Und schon gar nicht interessierte er sich für die Zwangsveranstaltung, bei der es diese Würstchen zu verkosten geben würde. Diese Brautschau war in seinen Augen erniedrigend, lebenszeitraubend und das Werk gelangweilter alter Menschen. Aber, und da gab es nichts zu leugnen, waren seine Eltern überzeugende Lügner, seine Mutter allen voran, und er ein Opfer mütterlichen Egoismusses vom Feinsten. Die sah sich schon mit ihrer Busenfreundin Maura verschwägert. Bitte. Ein irrsinnig unrealistisches Ansinnen dreister Fantasterie, wie er fand, das Helswin nicht vorhatte, zu unterstützen. Sollten die Damen lieber weiterhin fetten Kuchen fressen und daran verrecken. Er würde dieses Spiel mit zu Ende spielen, doch anders.

Sein Blick fing die Doctora ein, die zu dem Geweihten der Rondra, der elfenblütigen Gauklerin und dem jungen Plötzbogner, kam, welcher die ganze Zeit irgendwelche Liedchen trällerte. Verliebter Gockel... Natürlich stachen der Rondrianer und die spitzohrige Schaustellerin auch jetzt wieder aus der Menge wimmelnder Altenbergs hervor wie Schwanenküken in einer Schar Junggänse, weil sie sich nicht dem allgemeinen Zug gen Herdfeuer anschlossen. Wenn die Familie hinter dem Hochgeweihten ausschwärmte blieben die beiden immer zurück. Ach, wie drollig das Völkchen doch seinem Herrn folgte.... Die Beziehungen der beiden Nicht-Altenberger zum Rest hatte Helswin immer noch nicht gänzlich durchschaut, wohl aber mitbekommen, dass beide mit der Doctora und ihrem Sohn, dem schreibenden Schönling, just zuvor bei der Jagd auf Nilsitz beisammen gewesen waren. Nun geleitete der Knappe der Leuin das stille Schaustellermädchen ehrenhaft nach Herzogenfurt, auf dass sie dort ihre Kunst zeige - dabei aufgenommen von einigen, und geduldet von anderen, denen die Elfenblütige eher ein Dorn im Auge war. Tja, da konnte die rührende Fürsorge des Rondrianers wohl auch nicht viel bewirken. Auf Helswins versteinerten Lippen zeigte sich bei diesem genugtuenden Gedanken die Andeutung eines Lächelns. Wie süß.... Wahrscheinlich erhoffte sich der tugendhafte Löwenkrieger einen alles andere als tugendhaften Fick von der Kleinen. Verdenken konnte Helswin es dem Kerl nicht. Ordentlich gelenkig schienen zum einen Frauen der Fey und zum anderen Frauen ihres Berufes ja oft zu sein. Allerdings auch oft ordentlich ansteckend. Nun ja. Nach allem, was man so hörte, waren die Zeiten der Rondrakirche ja sowieso angezählt, also konnte sich so einer auch mit einer Elfe paaren. Jedem, was gefällt…

Gerade wanderte ein kleines Säckchen aus der Hand der Doctora in die des jungen Kriegers. Kurz legte Helswin den Kopf schief und zog die Augenbrauen zusammen. Interessant... Bei Praios, und wer zahlte ihn, Helswin, dafür, dass er diesen ganzen Brautwerbe-Schwachsinn samt dieser absolut lachhaften Reise ertrug? Keiner. Die drei mit dem Säckchen aufmerksam beobachtend, dann abwägend wandte der Magus den Blick hinüber zu seinem Bruder, der sich seinerseits mit den Seinen umgab: den "Plötzbognern". Auch so ein drolliges Völkchen... Gegen Dienstbeflissenheit hatte Helswin grundsätzlich nichts einzuwenden. Er selbst nahm seinen eigenen Dienst für die Kaiserin so ernst es nur ging (auch, wenn er sich im Vergleich zu anderen bewusst war, wie 'gemütlich' er es in der Reichskanzlei hatte). Jedoch fand er, dass Söldlinge eben Söldlinge blieben, selbst wenn sie schmucke Uniformen trugen und feine Viecher ritten. Ganz der tüchtige Anführer scharte sein Bruder Emmeran einen Großteil der Truppe auch in diesem Moment um sich. Er war ein attraktives Bild von Mann, groß gewachsen, durchtrainiert und besaß die wohlfeine Sprache und das charmante Gehabe eines perfekten Schwiegersohnes. Die lange Narbe über Stirn und Augenbraue gab ihm dazu ein verwegenes Aussehen, das seine Wehrhaftigkeit unterstrich. Ja, Helswin verstand durchaus, warum der 10 Jahre Ältere so Erfolg hatte. Dieser besaß die perfekte Mischung aus kriecherischer Demut, vorteilhaftem Aussehen, Selbstbewusstsein, Narben, kompetentem Auftreten, respektabler Strenge und geschmackvoller Schönrederei. Den Magus schüttelte es. Zwar rechnete er dem Älteren hoch an, dass wenigstens dieser ihn mit dem leidigen Thema Ehebund in Ruhe ließ, doch mit ihm und seinen Plötzbognern zu reisen machte trotzdem keine große Freude, denn andauernd wurde er behandelt, als sei er einer von ihnen. Einer dieser Plötzbogner. Eine merkwürdige Truppe…. Da gab es beispielsweise Eremalrik Dreifelder, einen Bürgerlichen mit braunem schütterem Haar und Backenbart, der immer wieder erzählte, wie er ursprünglich Waisenknabe im Traviatempel zu Albenhus gewesen, vom Hohen Paar adoptiert und zur Akademie geschickt worden war. Ähnlich alt wie Emmeran hatten beide gemeinsam, dass sie im selben Jahr ihren Kriegerbrief erhielten und Eremalrik so zu den Plötzbognern der ersten Stunde zählte. Während Emmeran große Stücke auf seinen Waffenbruder hielt, mochte Helswin den Kerl nicht, denn er nahm sein Leben für Helswins Begriffe etwas zu gelassen. Als ob das liebgemeinte Wort eines Götterdieners genügt, um jemanden in Stand zu erheben... Eigentlich, wenn Helswin es sich recht überlegte, mochte er keinen aus der seltsamen Truppe Söldlinge, die sein Bruder da um sich geschart hatte, so recht. Die schwarzhaarige Rhela von Hetzenberg besaß zwar ein ganz nettes Figürchen unter ihrem engen Lederharnisch, aber auch eine derbe Sprache. Ihre dreckigen Witze waren zumeist geschmacklos und verschonten auch schon mal die Kaiserin nicht. Das missfiel ihm zutiefst. Respekt wollte Helswin der 35-jährigen jedoch zollen, sollte das Gerüchte stimmen, dass sie einem Räuber für lästerliche Sprüche auf die Obrigkeit mal die Zunge rausgeschnitten hat. Meingard von Kropfenhold hieß die, welche das komplette Gegenteil der schwarzen Rhela war. Mit ihren blonden Locken, die sie mühsam nur gebändigt bekam, saß die Fuchsgauerin immer still neben den anderen, zumeist vertieft in das Notizbuch, das sie für Emmeran führte. Helswin war sich sicher, dass sie seinen Bruder anhimmelte und er glaubte auch zu wissen, an wen Meingard dachte, wenn ihre Hand abends zwischen ihre Schenkel fuhr. Jeden Abend. Dieses Weib war ein Nimmersatt und wäre sein Bruder nicht glücklich verheiratet, hätte Helswin ihm geraten, dringend mal über die Kropfenholderin drüber zu rutschen. Ein bisschen erinnerte sie ihn ja an Imma - seine in sich gekehrte, mehr Feder und Stift als dem wahren Leben frönende Freundin aus Elenvina. Vielleicht wegen ihrer kruden Art von zur Schau gestellter Verletzlichkeit? Er hatte die leise Meingard jedoch mit der Armbrust schießen sehen, und, wahrlich, er wollte nie zwischen ihr und ihrem Ziel stehen. Dann gab es noch den quirligen Anthelm von Lerchentrutz, einem immerzu scherzhaften Gesellen, dessen rahjagefälliges Antlitz ein richtiger Bartwuchs wohl die nötige männliche Reife verliehen hätte, würde es ihn denn geben. Den nebelgleichen Flaum, den der Junge auf seinen Wangen wachsen ließ, fand Helswin furchtbar. Anthelms Neugier bezüglich der Magica combattiva als äußerst nervig. Und dann gab es noch diesen Nivard von Tannenfels, den Poeten. Dieser war noch ein absoluter Frischling, sowohl vom Alter her, als auch in der Truppe. Kaum 20 Sommer. Götter... Sein Milchgesicht sprach, wie auch sein Mund, Bände. Ob ihm das bewusst war interessierte Helswin hingegen wenig, aber der Magus fand das Detail beschmunzelnswert, dass Nivards Herz schon jetzt an einer der Altenberger Heiratskandidatinnen hing, und der trottelige Tor in seiner sehnsuchtsvollen Beschränktheit die wenigen Möglichkeiten, die blieben, um der Dame seines Herzens nahe zu sein, alle restlos ausschöpfte, wobei er seine Absichten allzu offensichtlich machte. Hach, der Jungspund musste ja noch so viel lernen. Zum Beispiel, dass unter der Hand Geld anzunehmen keinem Vorgesetzten gefiel. Diese Gelda aber konnte er haben. Die wollte Helswin nicht mal auf den Bauch gebunden. Geschweige denn für Geld.

Emmeran kam auf Helswin zu. "Wini, die Kundschaft nächtigt im Tempel. Wir im Gasthaus. Ich nehme an, du schließt dich lieber uns statt ihnen an?" Den Scherz in der Stimme des Älteren unterstrich dessen Grinsen. Helswins Hand verkrampfte sich um den Zügel, denn er mochte es nicht, wenn sein Name zu einem lächerlichen Abklatsch verschliffen wurde. Leidig, dass jeder seiner Geschwister das immer wieder vergaß. "Ein sauberes Hurenhaus täte es auch." gab er brummend zur Antwort. Emmeran lachte und seine Hand drückte die Schulter des Magus. "So schlimm die Sehnsucht? Vielleicht kommen ja ein paar nette Mädchen, wenn sie sehen, dass wir eine so große Reisegruppe sind." "Ins Gasthaus neben den Tempel, in dem gerade ein Hochgeweihter residiert? Unwahrscheinlich." "Ach, wer weiß das schon." "Ja, wer weiß das schon. Hm, weil wir beim Thema Wissen sind," fing Helswin notgedrungen an, das Thema zu wechseln, weil er Immas weichen, schmiegsamen Leib und ihre vor Neugier hungrigen Liebkosungen doch mit jeder Meile mehr vermisste, als er sich selbst bislang eingestehen wollte, und diese Unterhaltung ein seltsames Stechen in Helswins Brust auslöste. Drum hielt er inne und entschied sich nach einem Blick über die Schulter hinweg für etwas, was fürs Erste nicht so viel Wind machen würde. Nicht, weil er plötzlich Skrupel hatte, den jungen Tannenfelser zu verpfeifen, sondern, weil er erst prüfen wollte, ob die Vorwürfe gerechtfertigt waren. Imma hätte genauso gehandelt. Seltsam, wie sie dich schon beeinflusst…. Er riss sich von dem Gedanken los, denn dieser war nicht gut für ihn. "Was weißt du eigentlich über die beiden, den Rondrianer und seine Elfe?” Letzteres betonte er nicht abwertend, eher belächelnd. ‘Und deinen ‘Jüngsten’, verkniff er sich. “Die Kleine wirkt recht nervös seit ein paar Tagen." Kurz folgte der Krieger Helswins Blick. "Ist mir auch aufgefallen. Ich weiß nur, dass sie mit der Doctora, dem Herrn Elvan, seiner Gnaden Rondradin und Nivard bei den Zwergen zu Gast war. Sie steht nun in Diensten des Hauses Altenberg, soll die Brautschau untermalen.” Er machte einige Gesten. “Seine Gnaden geleitet sie dorthin, denn soweit ich verstanden habe, ist er kein Brautwerber. Mehr weiß ich nicht. Warum?" Nachdem er dies gesprochen hatte blickte Emmeran seinen Bruder skeptisch an. "... Nivard… Zwerge... So so." murmelte Helswin nachdenklich, sah dann jedoch schulterzuckend auf. "Nur so. Ich hatte mich einfach gefragt. Dieser Nivard ist wie alt? 20?" Emmeran nickte zur Antwort. Doch eher er ausführlicher in das Gespräch einsteigen konnte, wurde hinter ihnen sein Name gerufen, also entschuldigte der Krieger sich rasch und ließ den Magier stehen. Gerade waren zwei Pferdeknechte aus dem Gasthaus gekommen, welche nun die Plötzbogner mit ihren Reittieren in die Stallungen brachten. Und wer sich auch immer anschloss. Dort passte Emmeran den Familienjüngsten noch einmal ab. Ohne dass es irgendwer hören konnte, raunte er ihm zu: “Bruder! Wenn es etwas gibt, was ich wissen sollte…” “...dann sage ich es dir. Natürlich.” “Auch, wenn es einen meiner Leute beträfe. Dann muss ich es erst recht wissen.” Emmeran zog eine Augenbraue hinauf. Ganz sicher war man sich nie, was Helswin anging. Er war eigensinnig. “Natürlich.” antwortete dieser wie selbstverständlich. “Ich beteilige dich am Gewinn.” “Ah, ich fragte mich schon, wann du damit herausrückst.” Helswin schmunzelte und klopfte seinem Bruder auf die mit beider Familienwappen geschmückte Brust. “Doch das ist nicht nötig - Bruder. Du hast ja schon versprochen, unserer äußerst um die Familienehre besorgten Mutter zu sagen, dass ich äußerst ambitioniert war, der Familienehre zu genügen.” Da musste nun auch Emmeran wieder lachen und gerade noch vorhandene Sorgenfalten wischte die Komik vorerst fort. Beim Weggehen deutete er noch einmal verschwörerisch mit beiden Zeigefingern in Helswins Richtung. “Ich verlasse mich auf dich…. Und vergiss die Ambitionen nicht.” Pffft. Ambitionen hatte er höchstens, wenn es nun darum ging, herauszufinden, was da gelaufen war. Er würde sich also diesen Abend mal mit seinem Mitreisenden beschäftigen. Ganz… gesellig. Bei Praios, diese Reise verlangte alles. Vor allem musste er diesen Nivard im Auge behalten. Familien waren schon wegen weniger als einem Säckchen entehrt worden.

Der Krieger und der Magier

Es dauerte nicht lange und der junge Krieger erblickte seinen Vorgesetzten. Doch bevor er ihn erreichte, kreuzte dessen Bruder seinen Weg. Hinter dem Plötzbogen mühte sich einer der Bediensteten des Gasthauses, ein langgliedriger Bursche, mit einer großen Satteltasche und einem Schwertgehänge ab, die dem Magus geherten. Helswin selbst trug noch sein weißes Reisegewand, bestehend aus einer langärmlichen weißen Tunika die ihm bis zu den Knöcheln reichte, aber vorn und hinten Reiterschlitze besaß und an der Hüfte mit einem breiten Gürtel gefasst war, an dem ein paar Täschchen und Fläschchen mit bunten Flüssigkeiten hingen. Dazu ein breiter lederner Plattenkragen und ebensolche Schultern. In der Hand hielt er lediglich seinen Magierstab. Einen schmucklosen, fatzenglatten und ebenso geraden Stab aus Holz, der dort, wo ihn die Hand zumeist hielt, einen bequemen Griff aus Leder besaß. Am oberen Ende war ein Kinderfaust-großer Kristall eingearbeitet, dessen spitzzulaufender Schliff eine gefährliche Stoßwaffe bot. Jener Stab machte bei jedem Schritt des Magiers über die hölzernen Dielenbrettern ein hörbares TOCK. Vor Nivard hatte Helswin letztlich den Arm mit dem Stab ein kleines bisschen mehr ausgestreckt, so dass er - oder sein großes Ego - zur Gänze den Gang blockierte, durch den ihm der junge Krieger gerade entgegen kam. Die Miene des Magus war weder un- noch freundlich, obwohl seine Stimme durchaus einen als zumindest nicht böswillig zu bezeichnenden Tonfall hatte. "Ah, der junge Herr von Tannenfels. Das trifft sich gut." Es war das erste Mal seit dem Aufbruch aus Elenvina, dass Helswin mit einem der Mitreisenden ein persönliches Wort sprach.

Nivard versuchte sich seine Verwunderung nicht anmerken zu lassen - seit wann geruhte der jüngere Bruder Emmerans ihn überhaupt wahrzunehmen, geschweige denn anzusprechen. Bislang hatte dieser das auf der ganzen Reise nicht für notwendig erachtet. Magier waren ihm zunächst ohnehin solange suspekt, bis sie ihn im Einzelfall vom Gegenteil überzeugt hatten. Und dieser hatte bis hier nichts in diese Richtung unternommen, stattdessen schien er vor allem die Nase reichlich hoch zu tragen. Erstaunlich, wie Brüder so unterschiedlich sein konnten… Eigentlich wollte er ja nur möglichst rasch auf sein Zimmer und dann zu Doratrava und Rondradin. Andererseits geziemte es sich nicht, eine erstmals gereichte Hand grundlos brüsk zurückzuweisen, vor allem, wenn diese von einem von Plötzbogen kam - falls dies hier eine gereichte Hand sein sollte… Trotz des Schattens, der im inneren des Gasthauses herrschte, kam es ihm hier etwas stickig vor, und seine Schweißporen schienen sich alle zu öffnen. Ob das an der Hitze oder diesem Magier lag? “Wohlgelehrter Herr von Plötzbogen, wie kann ich behilflich sein?”

"Da wir nun mit der Etappe Twergenhausen die Hälfte unseres gemeinsamen Reiseweges hinter uns gebracht haben, und gar in Herzogenfurt das eine oder andere gemeinsam ...bestreiten… werden, ihr wisst schon, was ich meine, denke ich, ist es an der Zeit, dass wir uns etwas näher kennenlernen. Um zu sehen, ob wir als Werber möglicherweise in ...Konkurrenz… treten. Müssen. Was leidig wäre.” Der Magus ließ eine Pause, in der er den Jüngeren musterte. "Was haltet ihr davon, gemeinsam mit mir einen kleinen Rundgang durch die Stadt zu unternehmen, um uns etwas auszutauschen? Unsere beider... Dienste… werden ja momentan nicht mehr benötigt." Ein prüfender Blick über die Schulter, ob der Träger noch Geduld besaß. "Ich gehe los, sobald ich mein Zimmer bezogen habe. Vielleicht wollt Ihr euch mir anschließen? - Nun. Falls bislang nichts ausgesprochen wurde, kann ich gerne bei eurem Schildmeister um Ausgang für euch bitten." Auffordernd sah der Magier den jungen Krieger an. Irgendetwas an Helswin machte deutlich, dass ein Nein nicht zur Debatte stand.

Eigentlich eine freundliche Geste, musste Nivard feststellen, aber ausgerechnet jetzt? Um Helswin in die Sache mit Doratrava einzubeziehen, kannte er ihn viel zu wenig, nämlich eigentlich gar nicht. Er konnte überhaupt nicht einschätzen, ob diesem zu trauen war. Und wie er sich zu den Problemen Doratravas stellen würde. Vor allem aber dachte er selbst bereits zu lange nach, was er antworten sollte... “Habt Dank für den schönen Vorschlag!” beeilte sich der junge Krieger daher nun zu entgegnen. “Gerne möchte ich mit Euch diese Stadt erkunden. Und Euch näher kennenlernen. Doch habe ich zuvor noch rasch etwas anderes hier in der Stadt zu erledigen, privater Natur. Eine gleichsam dringliche wie sicherlich dröge Sache, mit der ich Euch nicht behelligen möchte, zusammen mit seiner Gnaden von Wasserthal und der Tänzerin Doratrava.” Nivard versuchte eine Reaktion Helswins auszumachen, doch die unbewegte Miene des Magus ließ keine Deutung zu. Hoffentlich fragte der Magier nicht nach - wahrscheinlich hatte er ohnehin schon zu viel gesagt. “Direkt im Anschluss können wir aber zusammen losziehen, was haltet Ihr davon?” schob er rasch nach, sich bemühend, Vorfreude auszudrücken. “Und uns über unsere Ziele und Nicht-Ziele in Herzogenfurt austauschen…”

Geschickter kleiner Scheißer… Helswin nickte sanft. So leicht wollte er es diesem Jüngling aber nicht machen. “Eine dringliche Sache involvierend Seine Gnaden und die Tänzerin??” Sein prüfender Blick bohrte sich tief in den Krieger hinein. “Mir ist durchaus eine wachsende Nervosität Letzterer und eine verstärkte Bereitschaft des Ersteren aufgefallen.” tat er sein Verständnis der Sache kund und behielt das Wort. Verdammt, durchfuhr es den Krieger, vielleicht sollte er sich statt in der Dichtkunst doch etwas mehr in Diplomatie und Verschleierungstaktiken üben... wenigstens Gedankenlesen schien dieser Magier nicht zu können... wobei, konnte er sich diesbezüglich sicher sein? “Herr Nivard.” Allein in diesen zwei Worten lag mächtig Nachdruck. “Ausgehend davon, dass sowohl Ihr wie auch ich diesen illustren Zug nicht nur als Brautwerber begleitet, sondern, so leid es mir tut sagen zu müssen, uns die Pflicht eint, die Aufgabe meines Bruder nach bestem Willen und Wissen zu unterstützen - Ihr noch mehr als ich, da Ihr doch in seinem Sold steht! - ersuche ich euch um absolute Offenheit!” Er streckte den Arm mit dem Stab noch etwas weiter in Richtung der Wand gegenüber und fuhr fort: “Gibt es also etwas, das möglicherweise die bescheidene… Ruhe… dieser Reisegesellschaft zu stören vermag? Und somit eine Sache, bei der Ihr Hilfe benötigt? So hat dies Vorrang vor unserem vergleichsweise belanglosen Austausch.” Helswin schätzte Heimlichkeit nur bedingt. Er dachte sich aber, dass der junge Krieger sich womöglich sicherer dabei fühlte, wenn er ihm bei diesem vertraulichen Gespräch das Gefühl von Sicherheit gab, drum warf er einen prüfenden Blick nach hinten und nach vorn (den Bediensteten ignorierte er) und senkte ein wenig die Stimme. “Ihr wollt Euch sicher nicht grämen, dass Ihr einen Offizier des Reichs, der Euch Unterstützung offerierte, nicht hinzugezogen habt. - Seid nicht töricht. Kommt mit zu meinem Zimmer und erklärt mir dort, was euch so schwitzen lässt. Selbst, sollten es bislang nur Gedanken sein! Glaubt mir, aus eigener Erfahrung in der Armee Ihrer Kaiserlichen Majestät weiß ich, dass sich Befürchtungen rasch zu etwas sehr Reellem auswachsen können.” Damit machte er den Gang wieder frei und strebte seiner Unterkunft zu. Er gab dem Tannenfelser jedoch vorher die Gelegenheit, sich anzuschließen.

"Schwitzen lässt mich vor allem die Hitze und die stickige Luft hier, die durch Rüstung und Gewandung nicht unbedingt besser zu ertragen sind. Aber keine Klagen meinerseits - ich hoffe nur, Euch stört mein Triefen nicht." antwortete Nivard mit einem erkennbar schalen Lächeln. So einfach aus der Sache rauskommen würde er nicht - wenn er Helswin abblitzen ließe, würde sein Anführer wahrscheinlich schneller von der Sache wissen, als er mit Doratrava und Rondradin zu ihrer Mission verschwinden könnte. Und selbst wenn, würden die Rückkehr und die weitere Reise - wenn es denn noch eine gemeinsame gäbe - sicher ungemütlich. Schicksalsergeben zeigte er mit einer Kopfbewegung an, Helswin folgen zu wollen, und tat dies auch, als dieser zu seinem Zimmer schritt. Dort angekommen harrte er, sich unauffällig umsehend, bis der Gepächträger die Habseligkeiten des Magiers abgestellt und den Raum wieder verlassen hatte, um sodann die Tür hinter diesem zu schließen. Dann sah er dem Älteren in die Augen - aufrichtig und auch ein wenig trotzig - auch wenn Helswin der Bruder seines Arbeitgebers und ein Magier war, wollte er sich nicht kleiner geben, als ihm von Standes wegen gebührte. "Ich möchte betonen, dass alles, was hier und jetzt gesprochen wird, privater Natur und vertraulich ist!" vernahm Nivard sich selbst in leiser, aber bestimmter Stimme sagen, ahnend, dass diese Worte vielleicht nur von geringer Wirkung bleiben mochten. Streng genommen verstünde er es sogar, würde Helswin alles brühwarm weitererzählen, wenn er eine unkalkulierbare Gefahr für die Reisegruppe ausmachte.

Der Plötzbogen erwiderte den Blick Nivards unbeeindruckt, nickte jedoch zustimmend. Natürlich wusste der Krieger nicht, dass auch das ein Entgegenkommen war. “Natürlich. Nun?” "Hört her, es ist wahrscheinlich keine größere Sache. Zumindest keine für die Reisegruppe und vor allem unsere Kundschaft gefährliche, sonst hätte ich selbstverständlich Euren Bruder ins Vertrauen gezogen." “So?” Nivard ließ eine kurze Pause, dann fuhr er fort: "Zuallererst muss ich vorausschicken, dass ich die Tänzerin Doratrava in Nilsitz und den Tagen seither - trotz vielleicht erwartbarer Vorbehalte angesichts ihres Standes und ihrer Profession - als eine absolut vertrauenswürdige Person kennenlernen durfte, für die ich meine Hand ins Feuer legen würde - ebenso wie im Übrigen seine Gnaden und Wohlgeboren von Wasserthal, der sie noch weitaus länger kennt." Er machte eine erneute kurze Pause, auch um die Reaktion Helswins zu taxieren. Der hatte bei der Bemerkung Nivards, der Gauklerin blind zu vertrauen, kurz die Brauen zusammengeschoben.

"Jedenfalls stehen hier in Twergenhausen ungerechtfertigte Verdächtigungen im Raum, die es auszuräumen gilt.”

“Verdächtigungen?” Helswin zog die Brauen noch mehr zusammen. “Doratrava wird vonseiten eines reichen Kaufmanns die Komplizenschaft zu einem Diebstahl zum Vorwurf gemacht, den eine ihr unbekannte Person während ihres Auftritts begangen haben muss. Da ihr Wort gegen das eines ortsansässigen Kaufmanns nur wenig Gewicht haben wird, so haltlos dessen Anschuldigungen auch sein mögen, wollen der Herr von Wasserthal und ich sie heute Abend zur Obrigkeit begleiten und ihr mit gutem Leumund zur Seite stehen.” “Verstehe.” “Außerdem wollten wir ihr noch bei der Abholung ihrer Besitztümer, die im Traviatampel abgestellt sind, behilflich sein. Den Wappenrock werde ich für all dies natürlich ablegen - es wird nichts an der Unternehmung Eures Bruders hängen bleiben, das sei versichert!" Ob er noch von dem Schlägertrupp erzählen sollte? Er beschloss, erst einmal die Antwort Helswins abzuwarten.

Tatsächlich wartete der Magus ein paar Herzschläge ab, ob noch etwas folgen würde. Als nichts mehr kam, atmete Helswin erst tief ein. Er war überrascht, dass zum einen der junge Mann vor ihm bereitwillig alles erklärte, zum anderen, dass es sich um gerade diese Art von ‘Problem’ handelte. Nichts, was sich nicht lösen würde. Außerdem verwunderte ihn, dass niemand von den Torwachen beim Betreten der Stadt etwas gesagt hatte. Unauffällig war die Gauklerin ja keineswegs. “Wisst Ihr, ob derzeit ein Kopfgeld auf eure… Freundin, so nenne ich sie einfach mal... ausgestellt ist?” Entweder man suchte nach ihr und die Wachen vorhin waren einfach nur unfähig gewesen. Oder die Sache war gar nicht so tragisch.

“Ich kann es Euch nicht sagen.” Nivard überlegte kurz, ob er von den Schlägern erzählen sollte. Waren diese nur für eine sofortige Abreibung gedungen, oder war vielleicht doch ein Kopfgeld ausgelobt? Er bereute es, vorhin nicht noch mehr nachgefragt zu haben. Andererseits hätte dies an seiner Unterstützung nichts geändert, und wer konnte ahnen, dass er gleich danach ins Gebet genommen werden sollte. Der junge Tannenfelser entschied sich, von den Angriffen vorerst nicht zu berichten. Sicherlich würde dies ein übertriebenes Bild bei Helswin heraufbeschwören und Doratravas Begleitung vielleicht sogar als Gefahr für die Reisegruppe erscheinen lassen, vor allem, falls sich dieser deshalb dazu entschied, bei Emmeran von Plötzbogen auszupacken. Und außerdem, wer würde schon in einer Stadt der Nordmarken am hellichten Tag eine Frau in Begleitung zweier gerüsteter Adeliger angreifen? Oder gar eine Reisegruppe so hochrangiger Geweihter und Adeliger, noch dazu im Schutze der Plötzbogner? Jedenfalls nicht alleine wegen eines Kopfgelds für eine Gauklerin. Seine Zurückhaltung war also gerechtfertigt. “Gänzlich ausschließen kann ich es aber nicht.” räumte er dann aber doch ein. “Auch deswegen sollten wir die Sache so rasch wie möglich aufklären.” Seine Körpersprache deutete an, dass er das “so rasch wie möglich” sehr ernst meinte und am liebsten direkt aufgebrochen wäre - oder eher ‘ausgebrochen’. Entschuldigend merkte er an: “Ich fürchte, unten warten man bereits auf mich.”

“Verstehe,” wiederholte Helswin nüchtern. “Nun, sofern Ihr um die Schwere der, ich nenne sie einfach mal,... ‘Bedrohung’... nicht wisst, solltet ihr dringend Erkundigungen darüber einholen, ehe Ihr die Hallen der... Obrigkeit… strömt! Ratsam wäre ein Blick an eine Anschlagtafel.” Kurz schien der Magus zu überlegen. “Doch klingt die Geschichte sehr danach nicht mehr zu sein als das.” Er wollte noch weitere Fragen stellen, entschied sich jedoch dafür, den Gesprächspartner zu wechseln. Und dem Krieger vorerst den Druck von der Schulter zu nehmen, indem er ihn freigab. Vorerst. Mit einem souveränen “Hier, junger Mann, haltet das mal!” drückte er dem überraschten Nivard bewusst ob der Überrumpelung seinen Magierstab in die Hand, um sich sein Schwertgehänge zu gürten. Mit einem feinen Lächeln - welches den unnahbaren arroganten Magus für einen kurzen Moment recht menschlich machte. “Keine Angst. Sofern Ihr nicht über die Macht Madas verfügt, und das konnte ich durch meine Analysen ausreichend ausschließen, werdet ihr nicht zu schaden kommen. Die ihm innewohnende Kraft wird euch nicht verheeren. Ihr habt mein Wort.” Ja, tatsächlich musste Helswin gerade amüsiert schmunzeln.

Was glaubte dieser… selbstherrliche… Magier, wie sie wohl an die Sache rangegangen wären - sicherlich nicht direkt und blind zur Obrigkeit gestürmt… auch wenn noch lange kein Schlachtplan ausgearbeitet war… Nivard setzte bereits zu einer Entgegnung an, da sah er sich jäh einen Magierstab in der Hand. Etwas verdutzt darüber, hatte er doch gehört, dass ein Magus seinen Stab niemals in fremde Hände geben würde, steckte doch angeblich ein Teil seiner Seele darinnen, schaute er sich das gute Stück - zunächst vorsichtig - an. Eigentlich fühlte er sich nur wie ein - für einen Magier recht dezent - aufgemotzter Kampfstab an - kein Prickeln ging von ihm aus, keine Kälte oder Hitze und auch keine Aura der Macht. Wahrscheinlich kochen die auch nur mit Wasser… Spaßhalber, und um zu zeigen, dass er vor einem Magier und seinem Spielzeug nicht vor Ehrfurcht erstarrte - ging er mit diesem in eine Kampfhaltung - auch wenn Stäbe nicht zu den Waffen gehörten, in denen er vertieft ausgebildet worden ist, wusste er wenigstens grob, wie man einen solchen im profanen Kampf handhaben musste. Auch jetzt löste sich kein Blitz oder Feuerball. Ein Stab halt… Rasch ward die Klingenwaffe angelegt. Als sei es eine Selbstverständlichkeit, sein bestes Stück in der Obhut Nivards zu belassen, nahm Helswin sich den ledernen Kragen mit den Schulterplatten ab, ließ genüsslich Halswirbel und Wirbelsäule knacken, als er sich kurz nach alle Richtungen dehnte, ehe er den Zeigefinger und den Spannungsbogen hob. “Und jetzt...,” murmelte der Magus und nestelte aus einem der Täschchen an seinem Gürtel eine Brosche heraus, die er sich an die Brust heftete: ein emailliertes Wappen mit dem roten Fuchs des Hauses von Gareth unter einer fein gestalteten Kaiserkrone. Fassung und Kopfputz glänzten golden. Die Brosche hatte Helswin nur am Abreisetag getragen und dann auf Bitten Emmerans abgelegt. Vornehmlich, um huldvolle Demut den hochgeweihten Gästen gegenüber zu demonstrieren. Eine dumme Idee, wie Helswin fand, doch wollte er keinen Streit provozieren, drum hatte er sich jener Bitte gefügt. Dass er sie jetzt trug, war hingegen eine Selbstverständlichkeit. “Mein Bruder bat mich, sie vorerst abzulegen. Doch ich denke, dass sie uns von Nutzen sein kann, wenn es darum geht mit der Obrigkeit zu sprechen.”

Nivard nickte auf die letzte Aussage, sowohl bestätigend als auch anerkennend - vielleicht konnte Helswin ihnen wirklich behilflich sein. Dabei trat er wieder auf den Krieger zu und streckte die Hand nach seiner Waffe aus. Bevor Nivard sie ihm geben konnte, flog der Stab jedoch schon von einem unsichtbaren Zauber geführt in Helswins Hand. Ganz zu vermeiden war sein kurzes Zucken einfach nicht, auch wenn Nivard sich schon im selben Moment darüber ärgerte. Demonstrativ erwiderte er Helswins kleine Zurschaustellung seiner Kräfte mit einem Grinsen. “Nicht schlecht.” “Danke fürs Halten. Fehlt nur noch eines: Sapefacta Corpus.” Kurz stieß Helswin den Stab mit der Unterseite auf den Boden. Ein Wind kam auf, der sein Gewand und das blonde Haar aufwirbelte. Als das Lüftchen sich nur Augenblicke später legte, waren keinerlei Anzeichen des Ritts unter der sommerlichen Praiosscheibe mehr an dem Magus zu sehen, was diesem recht zu gefallen schien, wie sein Aufatmen verriet. Sogar der Geruch von Pferd und Männerschweiß war fort. “So. Wir können gehen. - Wollt ihr, dass ich euch ebenfalls kurz erfrische? Seht es als, nun ja, freundschaftliches Zeichen des Entgegenkommens meinerseits. Denn Ihr wolltet euch der Sache doch hoffentlich nicht so schweißstinkend widmen? Wo ihr doch vorhabt, einen einwandfreien Leumund darzustellen…” Eigentlich hatte der junge Krieger keine besondere Lust, sich magisch reinigen zu lassen. Andererseits war er für seine Umgebung derzeit sicherlich kein Wohlgenuss, und außerdem würde Helswin es ihm insgeheim als Furcht vor seinen Kräften auslegen, darauf hatte er noch viel weniger Lust. “Nun, dann will ich Euer freundschaftliches Angebot nicht ausschlagen. Und Euch und unsere Mitstreiter nicht mit den Spuren der Reisestrapazen behelligen. Lasst gerne Eure Mächte walten.”

Die Reinigung Nivards war schnell getan. Wie schon eben fuhr bei dem Cantus’ des Magiers ein magischer Wind in die Klamotten des Kriegers, der selbige von Schmutz und Schweiß befreite. Und den ganzen Kerl von üblem Geruch. “Besser.” Stellte Helswin wie als Frage fest. Er schien zumindest zufrieden. Was Nivard natürlich nicht wusste, war, dass Helswin sich nur wegen einer Sache bemühte, freundlich zu sein. Nun war er gespannt, was ihn erwartete. Und auch darauf, wie der Tannenfels den beiden anderen erklären würde, wieso sie nun zu viert losgingen. “Nicht schlecht. Danke!” “Ja ja. Schon in Ordnung.” “Dann lasst es uns packen.” Hoffentlich würden Doratrava und Rondradin Verständnis für sein nicht ganz geplantes Einbeziehen des Magus haben… mehr als er selbst vielleicht hätte...

Eine Truppe für Doratrava

Sichtlich zufrieden über die neuen Gäste zählte der Herbergsvater das Silber, während er die Bediensteten anwies, die Zimmer herzurichten. Das Gasthaus war groß, aber einfach hergerichtet. Viele Gäste waren nicht zu sehen, anscheinend fand das meiste Treiben bei solch einem sonnigen Nachmittag auf den Straßen Twergenhausen statt. Der Geweihte hatte sich widerstandslos von Doratrava in das Gasthaus ziehen lassen. Als sie das ‘Gänsenest’ betraten, hatte Alarich bereits ein Zimmer für Rondradin und Plätze im Schlafsaal für sich selbst und Raxajida organisiert. Nachdem nun auch Doratrava eine Schlafmöglichkeit erhalten hatte, standen sie beisammen und warteten auf Nivard. Rondradin freute sich darüber, sich nicht in Nivard getäuscht zu haben. Während sie warteten griff er das Gespräch auf, welches sie draußen begonnen hatten: “Um deine Frage von eben zu beantworten, ich würde mit der Stadtwache beginnen, allein um zu erfahren, was dir genau vorgeworfen wird. Danach suchen wir den Händler auf und reden mit ihm. Weißt du wo wir ihn finden können? “

“Ich habe keine Ahnung”, antwortete Doratrava. “Aber wenn er hier bekannt ist, können wir doch gleich bei der Stadtwache nach ihm fragen, die wissen doch sicher, wo er wohnt oder sein Geschäft hat. Bringen wir es also hinter uns.” Sie sah sich ungeduldig um, dann zupfte sie Rondradin am Ärmel. “Gehen wir raus, dann sehen wir Nivard gleich. Wo bleibt er denn?” “Du hast recht, lass’ uns rausgehen”, stimmte der Rondrianer ihr zu. Auf dem Weg zur Tür, winkte er Alarich zu sich und flüsterte ihm ein paar Worte ins Ohr. Dieser nickte knapp und Rondradin folgte mit zufriedener Miene Doratrava zur Tür hinaus. Seine Waffenknechte würden ihnen in einigem Abstand durch die Stadt folgen, nur zur Sicherheit. Kurz bedauerte er die Eile, welche Doratrava an den Tag legte. Zu gern hätte er sich schnell umgezogen, aber andererseits würde es bei der Hitze draußen auch keinen Unterschied machen. Er seufzte und trat hinaus in die brütende Hitze der Straßen Twergenhausens. “Nivard sollte eigentlich gleich da sein. Es war eine gute Idee ihn einzuweihen.” Allerdings war der Krieger nirgendwo zu sehen. So nahm der Geweihte mit einem Ächzen auf einer Bank im Schatten des Gasthauses Platz. Nach dem langen Ritt roch seine Kleidung nach Pferd und Schweiß. Vor dem Abendessen mit den Altenbergern musste er sich zumindest waschen - für den Zuber würde es zeitlich nicht reichen - und umziehen. Eine Rasur konnte auch nicht schaden, auch wenn es inzwischen etwas schneller ging, seitdem er beschieden hatte, sich einen Bart stehen zu lassen. Rondradin lehnte sich zurück und sah zu Doratrava hinüber, die er noch nie so unruhig erlebt hatte. Vielleicht sollte er die Gauklerin ein wenig von ihren Sorgen ablenken. “Wir haben noch nicht darüber gesprochen, aber würdest du auf meiner Hochzeit auftreten wollen? Es würde mich freuen und meine zukünftige Gattin sicherlich auch. Was meinst du?”

Doratrava brauchte einen Moment, bis die Worte Rondradins zu ihr durchdrangen. Völlig perplex sah sie auf. “Wie? Was? Hochzeit? Du? Mit wem? Wann?” wiederholte sie alles wortgetreu, was ihr daraufhin durch den Kopf schoss, während sie große Augen machte. Verdutzt studierte der Geweihte das Gesicht Doratravas, dann lachte er. “Ach ja, ich hatte ja in Nilsitz gar keine Möglichkeit mehr es dir zu erzählen. Ich werde Ravena von Rabenstein heiraten, die älteste Tochter und Erbin des Barons von Rabenstein. Wann genau, weiß ich selbst noch nicht. Es gibt aber noch mehrere Punkte zu klären, bevor wir den Traviabund schließen können.” Breit grinsend, ob Doratravas Gesichtsausdrucks fuhr er fort: “Und ein Punkt ist die Unterhaltung auf der Feier. Also, möchtest du auf meiner Hochzeit auftreten?” Doratrava war immer noch ziemlich erstaunt über diese Eröffnung, aber schon huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, ein seltener Anblick in den letzten zwei Tagen. “Wenn du mich so fragst, kann ich ja kaum Nein sagen … wobei …” Sie zögerte kurz überlegend, sprach aber gleich weiter: “Allerdings … wenn du nicht weißt, wann das ist, ist das natürlich etwas schwierig. Ich bin ja kaum länger als ein paar Tage am selben Ort. Aber na ja, irgendwie kriegen wir das schon hin. Und - ich gratuliere!” Nun strahlte sie den Geweihten offen an, tatsächlich freute sie sich sehr für ihn.

In ihr Strahlen klangen Schritte, schwere Schritte. Und ein etwas langsameres, wiederholendes Klongen. Als sich Doratrava und Rondradin umblickten, sahen sie Nivard auf sich zukommen. Doch er kam nicht alleine. Hinter ihm schritt der schweigsame Magier, der auf der ganzen Reise noch kein Wort mit ihnen geredet hatte. Beide schienen die Zeit seit ihrer Ankunft vor allem genutzt zu haben, sich und ihre Kleidung zu reinigen - sie wirkten wie frisch aus dem Badehaus, und die Gewandung wie neu, obgleich jedenfalls der junge Krieger bis auf den Wappenrock der Plötzbogner noch dasselbe anhatte wie zuvor. Meinten sie sich wenigstens zu erinnern. Nivards Gesichtsausdruck dagegen sah alles andere als entspannt und mit sich im Reinen aus. “Verzeiht, dass ihr etwas warten musstet - ich hatte noch … überraschend ein wichtiges Gespräch zu führen.” entschuldigte er sich direkt bei den beiden. “Und es gibt eine kleine Planänderung.” Das ‘fürchte ich’, das er bereits auf der Zunge hatte, hatte er gerade noch heruntergeschluckt. Doratravas kurz aufgeflackerte gute Laune war wie weggewischt, als sie Nivards Begleitung sah. Der Magier … der hatte sich doch bisher noch nie um sie gekümmert. Wie hieß der nochmal? Irgendein Plötzbogen, den Vornamen hatte sie vergessen. Sie musste sich beherrschen, damit ihr Gesichtsausdruck neutral blieb, denn irgendwie fühlte sie sich unbehaglich unter dem Blick des nicht mehr ganz jungen Mannes. “Äh … Planänderung?” Hilfesuchend sah sie zu Rondradin hinüber, dann streifte ihr Blick kurz den Magier, bevor sie wieder Nivard ansah. Der schien irgendwie auch nicht ganz glücklich zu sein, oder dieses ‘wichtige Gespräch’ war nicht zu seiner Zufriedenheit gelaufen. Aber sie fragte erstmal lieber nicht, beließ es bei ihrer kurzen Erwiderung. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sowohl der Magier als auch der Krieger so aussahen und rochen, als hätten sie frisch gebadet. Verwirrt zog sie die Brauen zusammen. Nivard hatte sich zwar Zeit gelassen, aber ein Bad? Der Magus trug sein Schwert gegürtet, auffallend war ebenso eine Brosche auf Herzhöhe, die ein emailliertes Wappen mit einem roten Fuchs präsentierte, das unter einer stilisierten Krone klebte. Einer Kaiserkrone. “Euer Gnaden von Wasserthal,... verehrte Dame Doratrava…” grüßte der Magus höflich und neigte das Haupt vor den beiden anderen. Ja, er kannte die Namen aller Mitreisenden.

“Der wohlgelehrte Herr von Plötzbogen wird uns begleiten! Ich denke, er kann Deiner Sache sehr behilflich sein, Doratrava!” fing Nivard an, mit einer Stimme, in der vielleicht ein Hauch zu wenig Ton für seine Verhältnisse lag. Die Gauklerin sah Nivard verblüfft an. “Äh … du meinst … weiß er …” Da wurde ihr bewusst, dass der Magier ja direkt daneben stand, was sie noch mehr ins Stottern brachte, als sie sich nun diesem zuwandte. “Äh … ich meine, du … Ihr … also hat Nivard Euch … ?” Ihre Augen, grau wie ein nebliger Herbsttag im Schatten, schauten Helswin unsicher an. “Ich bin über die Umstände im Bilde. Ja.” gab dieser nüchtern bekannt. “Und wie ich dem Herrn Nivard schon sagte, ist es mir ein Anliegen, Euch zu unterstützen.” Rondradin war bei der Ankunft der beiden aufgestanden und musterte diese nun genau, vor allem den Magier. Etwas an diesem Gesellen gefiel ihm nicht, er konnte nur nicht den Finger darauf legen, woran das lag. Wofür sie in dieser Angelegenheit einen Magier brauchen könnten - zumal einen, der sich die bisherige Reise über von ihnen ferngehalten hatte - war ihm schleierhaft, aber dies war nicht seine Entscheidung. Beruhigend legte er Doratrava, die ihm unruhig und unsicher schien, sanft die Hand auf die Schulter. “Es ist deine Entscheidung ob du ihn dabei haben willst, Doratrava”, meinte der Geweihte ruhig, während er seine Hand wieder zurückzog, wusste er doch, dass Doratrava Berührungen nicht so gern hatte. “Aber wie auch immer du dich entscheidest, wir sollten uns sputen.” Als die Doctora ihm die Einladung zum Abendessen überbracht hatte, war da ein gewisser Unterton gewesen, der nahe legte, dass es besser war, wenn er dort erscheinen würde. Pünktlich!

Die Gedanken rasten in Doratravas Kopf, so schnell, dass sie keinen richtig zu fassen bekam. Warum wollte dieser Magier, der sie gar nicht kannte, ihr helfen? Hatte vielleicht Maura ihn darum gebeten? Aber warum hatte sie dann vorhin nichts gesagt? Zumal sie Maura gegenüber nicht direkt erwähnt hatte, dass in Twergenhausen ein Problem auf sie warten könnte … zumindest nicht, soweit sie sich erinnerte. Irgendetwas an dem offenbar sehr auf sein Äußeres (das durchaus ansprechend war, wie sie beiläufig feststellte) bedachten Magus kam der Gauklerin seltsam vor. Doch für langes Abtasten war jetzt keine Zeit, zumal Rondradin drängte, und sie wollte die Sache ja auch schnell erledigt haben. Außerdem konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Nivard vielleicht Schwierigkeiten bekam, wenn sie das Angebot ablehnte. “Nun … dann danke ich Euch schon mal vorab für Eure Hilfe”, gab sie also mit etwas zögerlicher Stimme nach. “Wir wollten jetzt gleich die Stadtwache aufsuchen. Gehen wir dann also?” Ihre Freunde zumindest konnten erkennen, dass sie sich nicht wohl fühlte. War sie vorher schon nervös gewesen, kam nun noch die Unwägbarkeit der unverhofften Begleitung dazu, welche an ihr nagte und unbestimmte Zweifel weckte. Mit einer sichtlichen Willensanstrengung straffte sie die Schultern und gab sich den Anschein von Entschlossenheit, als sie in die Runde blickte. Den großen Schatten bemerkte der Magier als erstes. Innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde entschied er, dass davon keine Gefahr ausging. Dann reagiert der Rondrageweihte, kam aber zum selben Ergebnis. Der Krieger war sich unsicher und die Gauklerin bemerkte ihn gar nicht. Dennoch drehte sie sich um und sah ein Stück Pergament, das ihr nur einen fingerbreit vor die Nase gehalten wurde. Dem kurzen Schrecken geschuldet, brauchte sie einen Moment zu begreifen, wer da vor ihr stand. Mit ihren fast 190 Halbfinger und breiten Schultern überragte sie die meisten und ihre kastanienrote, lockige Mähne war kaum zu übersehen. Sie trug ein weites, grünes Gewand, das mit einem breiten Ledergürtel zusammengehalten wurde. Aber selbst die Weite des Gewandes, konnte ihren, gar mächtig zu beschreibenden Busen, nicht verbergen. Trotz ihrer wuchtigen Erscheinung, erschien ihr Gesicht von einer gewissen Sanftheit, mit schönen, grünen Augen, Sommersprossen und einem sinnlichen Mund. Alle kannten sie. Es war Sabea von Altenberg, die ältere Schwester von Gelda. Auch wenn es kaum Möglichkeiten gab, mit ihr zu sprechen, war sie eine äußerst auffällige und vorallem laute Person. Fast ein jeder wußte, das man die Heroldin und Botengängerin der herzöglichen Kanzlei hinter vorgehaltener Hand ´Nordmärker Thorwalerin´ oder ´Elenvinas Knochenbrecherin´ nannte. Nun stand sie bei der Gruppe und hielt Doratrava ein abgerissenes Pergament vor ihrem Gesicht. Recht ungeschickt war dort das Gesicht einer Frau mit spitzen Ohren gezeichnet. Die Handschrift jedoch war recht geübt. ´GESUCHT WIRD DIE DIEBIN UND HEXE DORA! WER SIE FINDET WIRD REICH BELOHNT! A. WERTLINGER´

“Das bist du, oder? Die Ohren hab ich gleich erkannt.”, sagte die Altenbergerin mit tiefer Stimme. Doratrava war zunächst ein Stück zurückgezuckt, als ihr so plötzlich das Pergament vor die Nase gehalten worden war. Als sie dann auch noch der wuchtigen Erscheinung von Geldas Schwester gewahr geworden war, fühlte sie sich im ersten Moment wie ein in die Enge getriebener Hase. Auf der Zeichnung war nicht wirklich irgendeine Ähnlichkeit mit ihr festzustellen, aber tatsächlich stachen die deutlich überspitzt gezeichneten Ohren hervor und der Text war natürlich unmissverständlich. Woher kannten die aber ihren Namen, zumindest die Abkürzung, bei der sie gewöhnlich nur Freunde nannten? Schüchtern und sprungbereit schaute sie Sabea ins Gesicht, um deren Stimmung zu ergründen. “Vielleicht?” gab sie zaghaft zur Antwort. Es war schwer zu sagen, in welcher Stimmung Sabea war. Keine Miene regte sich im Gesicht der großen und stämmigen Frau. Jeder der die junge Gelda von Altenberg kannte, mußte feststellen, das die beiden Schwestern, bis auf die roten Haare und den mandelförmigen grünen Augen, nichts gemeinsam hatten. Doch dann grinste sie. “Gelda meinte ja, das was nicht stimmt. Ich werde dir helfen.” Dabei schaute sie erst zu Doratrava und dann den Rest der Umstehenden an. Mit einem vernehmlichen Zischen entwich die angehaltene Luft, als Doratravas Anspannung von ihr abfiel. Sie wusste zwar nicht, wie sie zu der Ehre kam, dass sich plötzlich alle möglichen Leute anboten, ihr zu helfen, aber zumindest hatte sie bei Sabea ein besseres Gefühl als bei diesem Magier. Dankbar lächelte sie Geldas Schwester an. “Ich … hab’ vielen Dank … dann … sollten wir jetzt aber wirklich gehen.” Eine gewisse Rührung lag in ihrer Stimmung, sie war so viel Zuspruch außerhalb ihrer Auftritte nicht gewohnt. Eher das Gegenteil, die Leute freuten sich zwar an Zerstreuung und Unterhaltung, vertrieben das heimatlose Gauklervolk danach aber eher früher als später aus ihrem Dorf, bevor noch … Dinge geschahen. “Ich … kann dir ja unterwegs nochmal kurz erklären, wie es dazu kam.” Sie deutete auf den Steckbrief, den die Altenbergerin immer noch in der Hand hielt.

Kopfgeld! Es war also tatsächlich Kopfgeld auf Doratrava ausgelobt! An Nivards Einschätzung der Gefährlichkeit der Lage änderte dies zunächst nichts. Zumindest nicht von außen. Sie würden nach wie vor die Sache vor der hiesigen Obrigkeit gerade ziehen müssen, mehr nicht. Einen Angriff würde hier, jetzt da sie sogar zu fünft und bis auf Doratrava alle von edlem Geblüt sowie als Kämpfer, Magier oder wenigstens vom Körperbau her wehrhaft erkennbar waren, keiner wagen, da war er sich nach wie vor sicher. Was ihm eher Sorgen bereitete war, wie Helswin diese Entwicklung aufnehmen würde. Würde er ein Gefährdungspotential für die Reisegruppe erkennen, das ihn dazu veranlasste, diese Mission unterbinden zu wollen? Rasch nickte er diesem zu: “Nun haben wir also Gewissheit - Was aber nichts an der Lage und der Aufgabe ändert.” Zur Runde gewandt hob er die Stimme: “Dann lasst uns keine Zeit mehr verlieren und die leidige Sache so rasch wie möglich aus der Welt schaffen!” Mit diesen Worten strebte er voran, in der Hoffnung, mit dem Antritt der Mission Tatsachen zu schaffen, von denen es - zumindest zunächst - kein Zurück, keinen Abbruch mehr gab. Für Doratrava. Zuallererst und vor allem für Doratrava. Aber nun auch noch, um sich zu beweisen. Denn Sabeas Bericht würde sicherlich zu den Ohren Geldas dringen - die grünen Augen der Hünin waren damit auch die ihrer jüngeren Schwester. Und diese sollte keinesfalls davon erfahren, wie er vor diesem Magier klein beigab, der dann alles alleine zum Guten wandte. Oder noch schlimmer, alles zum Scheitern brachte. “Moment bitte,” gebot der Magus dem davonstürmenden Krieger Einhalt, während er sich an Sabea und das Bild in deren Händen wandte. “Verehrteste, sagt, wo habt ihr diesen infamen Wisch her? Darf ich?” Vermutlich konnten sie sich so den Gang zu einem Anschlagbrett sparen. Knifflig war die Sache nicht minder, wenn dieser Wertlinger das Bildnis auch in anderen Orten in der Stadt verteilt hatte. Ein bisschen wunderte Helswin sich, dass keiner der Wachen am Stadttor auch nur ein Wörtchen gesagt hatte. Normalerweise kontrollierten die Ein- und Ausreisende ganz genau, während sie Blicke in die gültigen Steckbriefe warfen. Zumindest die Stadtgardisten Elenvinas. Aber das hier war Provinz. In der Herzogenstadt jedenfalls hätte niemand versäumt, Vermummte zu prüfen. Innerlich rollte er mit den Augen. Aufmerksam besah der Plötzbogen sich das Pamphlet. War es etwa gar von offizieller Seite ausgestellt, würde es bei ihrem Gang zur Obrigkeit interessant. Er glaubte das allerdings nicht, denn der Zettel nannte keine Summe - diese wurde, wenn die Garde sich an die Ordnung hielt, stets mit angegeben.

“Und eine Sache wäre da noch, Frau Doratrava,” fing Helswins Blick die Gauklerin ein, während seine Finger das Papier prüften, ehe er aufsah. “Dieser Auftritt. Was könnt ihr uns über ihn erzählen? War dieser von euch initiiert worden oder hattet ihr eure Darbietung im Auftrag ausgeführt? Kennt ihr jenen Herrn Wertlinger gar? Was hattet ihr mit ihm zu tun? Und was mich auch interessieren würde: kam euch dieser Diebstahl, den man euch bezichtigt getan zu haben, während, beziehungsweise nach eurem Auftritt schon zu Ohren? Hat vielleicht sogar jemand diesbezüglich schon mal mit euch gesprochen?” Zu den Anschuldigungen, dass die Gauklerin eine Hexe sei, sagte er nichts. Dies war seiner Meinung nach nur eine Verleumdung, die sie bösartiger und gefährlicher erscheinen lassen sollte. 

Ganz langsam fasste Doratrava Vertrauen zu dem Magier. So, wie er sich verhielt, schien er tatsächlich ein echtes Interesse an ihrem ‘Fall’ zu haben. So beantwortete sie auch ganz bereitwillig die vielen Fragen: “Nein, ich kenne diesen Wertlinger nicht. Und nein, es war kein Auftrag, es war ein normaler Auftritt, wie ich ihn eben darbiete, um mir meinen Lebensunterhalt während des Reisens zu verdienen. In einer Stadt wie dieser muss ich dazu meist eine offizielle Erlaubnis einholen, was ich natürlich auch getan habe. Da ich allein unterwegs war, habe ich auch meinen Auftritt allein bestritten, es war deshalb auch nichts Großartiges, ein wenig mit Bällen und Messern jonglieren, ein wenig Akrobatik. Irgend einen Diebstahl habe ich aber nicht bemerkt, und es hat mich direkt nach meiner Darbietung auch niemand auf einen solchen angesprochen. Es ist mittlerweile aber auch schon einige Wochen her, daher kann ich mich leider auch nicht mehr erinnern, wer mir alles zugesehen hat. Das tun viele Leute an vielen Orten, es ist unmöglich und auch unnötig, sich das zu merken.” Das Selbstbewusstsein der Gauklerin kehrte langsam zurück, sie sah dem Magier nun eher fragend als schüchtern ins Gesicht. “Natürlich könnt Ihr euch nicht aller eurer Zuschauer erinnern,” entgegnete Helswin während er Doratrava ein feines Schmunzeln entgegen warf, das den Eindruck vermitteln konnte, dass er sie belächelte. Das tat er wirklich. Sollte doch ihr Argument eigentlich allen Anwesenden klar sein. “Meine Frage bezog sich eher darauf, ob es während eurer Darbietung zu einem Tumult kam, weil euer Ankläger den Diebstahl gleich bemerkte und sich möglicherweise sofort lautstark dazu äußerte. Das scheint eurer Aussage nach nicht der Fall gewesen zu sein. Nun, vielleicht erklärt Ihr kurz noch, wann und wie genau Ihr davon erfuhrt, dass der Herr Wertlinger euch hierzulande suchen lässt. - was wisst Ihr denn über ihn?” Nun zuckte der Blick der Gauklerin kurz zu Nivard hinüber. Der Magier hatte doch behauptet, über die Umstände im Bilde zu sein, wie er sich ausgedrückt hatte. Schon war die Unsicherheit wieder zurück. Hatte Nivard nicht alles erzählt? Wollte der Plötzbogener nur testen, ob sie dasselbe erzählte? Doratrava fiel auf die Schnelle kein Weg ein, wie sie diesen Punkt umschiffen konnte, waren doch gewisse Einzelheiten nicht ohne weiteres erklärbar. Nivard hob entschuldigend die Brauen, presste die Lippen zusammen und signalisierte Doratrava mit einem auffordernden Nicken, weiter zu sprechen. Helswin schien tatsächlich konstruktiv an die Sache heranzugehen, und er schien diese Art von Gesprächen nicht zum ersten Mal zu führen. Wahrscheinlich ist er tatsächlich eine Hilfe… Auch wenn es Nivard lieber gewesen wäre, die Dinge auf dem Weg zu besprechen.

Zögernd setzte sie an: “Also … der Herr Werlinger hat mir doch ein paar Kopfgeldjäger auf den Hals geschickt. Die haben mich in einem Dorf in Nilsitz erwischt und mir erklärt, ein Herr Wertlinger aus Twergenhausen schicke sie, damit sie ihm die Diebin und sein gestohlenes Gut wiederbringen mögen. Nur mit der Hilfe der … Dörfler konnte ich entkommen und die zwei verbliebenen Halsabschneider in die Flucht schlagen.” Sie schauderte, als sie die Erinnerung an die unangenehme Bande wieder wachrufen musste, und schlang ihre Arme eng um den Körper. Kopfgeldjäger?... Das wurde ja immer schöner. Helswin schob skeptisch die Stirn in Falten und folgte Doratravas Blick hin zu Nivard, der augenscheinlich doch nicht alles erzählt hatte. Genau genommen keine gute Referenz. Der nahm durchaus den vorwurfsvollen Ausdruck im Gesicht des Magiers wahr. ‘Hätte er doch nur gleich alles erzählt… Aber wie sollte er vorhin auch wissen, dass Helswin in einer solchen Angelegenheit vertrauenswürdig war?’ Egal, Nivard beschloss, den im nachhinein nicht ganz unberechtigten Vorwurf fürs erste zu ignorieren und stattdessen besonders neugierig zu Doratrava zu blicken, auch um Helswin zu vermitteln, selbst noch neues zu hören. Was ja auch nicht ganz falsch war, hatte er doch vorhin nur eine sehr kurze Zusammenfassung der Lage erhalten. Gut, die Kopfgeldjäger... Er würde nach der ganzen Angelegenheit wahrscheinlich noch ein paar Dinge mit dem Bruder seines Anführers glattziehen müssen… aber nicht jetzt. “Außer seinem Namen weiß ich nichts über den Herrn Wertlinger, die Kopfgeldjäger waren mehr daran interessiert, mich zu verhöhnen, als weitreichende Erklärungen abzugeben.” Sie schloss die Augen, um die Gedanken an die damaligen Geschehnisse - und Jel - wieder zurückzuzwingen an Orte in ihrem Kopf, aus denen sie nicht ungefragt ausbrechen sollten. Dennoch hatte sie dieses kurze Eintauchen in die Vergangenheit sichtlich aufgewühlt. Als sie die Augen wieder öffnete, schwammen ihre fahl smaragdgrünen Augen in Feuchtigkeit und ihr Blick hatte etwas Trotziges.

“Verstehe.” brummte Helswin. “Hmmmm …”, brachte Sabea heraus. “Ich habe den Wisch am Eingang zu einem Krämerladen entdeckt. Da hing aber bestimmt noch fünfzehn weitere solcher Steckbriefe. Aber mit anderen Namen. Es scheint der Krämer wird oft bestohlen.”, stellte sie fest. “Weit ist das nicht von hier.” “Dann nichts wie dorthin, oder was meint ihr?” griff Nivard Sabeas Information auf, dankbar für diesen Anlass, die sicherlich ebenso sinnvolle wie für Doratrava und in geringerem Maße auch für ihn unangenehme Befragung vorerst zu beenden und endlich das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Sein fragender Blick richtete sich zunächst an die ganze Runde. “Oder haltet Ihr es für besser, die Untersuchungen an anderer Stelle zu beginnen, wohlgelehrter Herr?” versicherte sich der junge Tannenfelser aber dennoch, um nicht erneut vom Magus zurückgepfiffen zu werden. Der nickte. “In der Tat. In Anbetracht der Tatsache, dass wir nicht mit Sicherheit wissen, ob der Ankläger seine…” Helswin wählte bewusst wohlwollende Worte, “verleumderisch-rufschädigende Publikation nur an dessen Ladengeschäft ausgebracht ist, schlage ich vor, dass wir zusätzlich einen Blick an eine der offiziellen Anschlagtafeln werfen. Nur, um einschätzen zu können, ob hier in der Stadt auch andere Personen außer besagtem Trupp Kopfgeldjäger hinter der Dame Doratrava her sein könnten. Die Wachen am Stadttor machten auf mich zumindest einen diesbezüglich wenig ambitionierten Eindruck.” Er hielt nach wie vor Schlamperei für möglich. “Das alles veranlasst mich jedoch auch darüber nachzudenken, welche Taktik angebracht sei. Möglicherweise kann ein paralleles Vorgehen Ergebnisse liefern, das heißt, jemand muss am Anschlagbrett nachsehen. Eine Information, in wie weit die Suche nach Frau Doratrava auch aus Sicht Twergenhausens forsiert wird, ergibt dann auch das Weitere. Aber anscheinend liegt dem Herr Wertlinger viel daran, Euch zu finden, beziehungsweise finden zu lassen.” sprach er die Gauklerin an, innerlich seufzend, um welchen Kram er sich hier kümmern musste. “Immerhin war die Sache ihm die Investition in Zwielichtgesindel wert. Das lässt natürlich Rückschlüsse darauf zu, dass er angibt, durch euch um eine entsprechend hohe Summe gebracht worden zu sein.”

Doratrava zuckte die Schultern. Ihr war auch schon die Idee gekommen, dass dem Händler offenbar entweder viel Geld oder ein wichtiges Schmuckstück oder was auch immer abhanden gekommen war, wenn er sich solche Mühe machte. Aber um was es sich genau handelte, konnte sie naturgemäß nicht sagen, also schwieg sie. “Also, ich fasse noch einmal zusammen: wir benötigen zuallererst Kenntnisse über die Bekanntheit dieser...Anklage..., um später den Verursacher mit den passenden Argumenten entgegentreten zu können.” Nach diesen vielen Worten seufzte der Magier. Er wirkte kurz ermüdet. Oder gelangweilt. Doch der Moment verschwand, als er einem ganz bestimmten ins Gesicht sah. “Herr Nivard, wollt Ihr mit mir die Recherche der Anschlagtafeln übernehmen? Jemand anderes begibt sich zum Rathaus, um die offiziellen Anschläge einzusehen. Natürlich darf die Bedeckung für Frau Doratrava nicht vernachlässigt werden.” Ein Blick zu Rondradin an dieser Stelle. “Und bevor wir Herrn Wertlinger konfrontieren tauschen wir uns über die Ergebnisse aus. Hier vielleicht. Andere Vorschläge?” Rondradin war den schier endlosen Ausführungen mit wachsender Ungeduld gefolgt. Dieser Magier unterschied sich nicht viel von einem gewissen Abgänger der Magierakademie zu Punin, was ihn beinahe zu einem Seufzen veranlasst hatte. Beide konnten schier endlos reden und Pläne schmieden. Bei Firutin haperte es dann meistens bei der Umsetzung. Rondradin war neugierig, wie sich der Plötzbogener im Vergleich dazu schlagen würde. “Mir soll es recht sein, solange Ihr nicht vergesst, dass wir nur begrenzt Zeit haben. Bereits morgen verlassen wir diese Stadt schon wieder und ziehen weiter Richtung Herzogenfurt. Zudem wird erwartet, dass sowohl die werte Sabea von Altenberg als auch ich an diesem Abendessen im Travia-Tempel teilnehmen. Es wäre also wünschenswert, wenn wir diese, für Doratrava, leidige Angelegenheit vor diesem Termin zum Abschluss bringen und uns nicht in endlosen Recherchen verlieren.” Trotz seiner innewohnenden Ungeduld, trug der Geweihte seine Rede in ruhiger, gemessener Art und Weise vor. Er erwiderte den Blick des Adeptus mit eben jener Ruhe und Sanftheit, die einen guten Seelenhirten ausmachte. “Stimmt Ihr mir zu?”

“Dann haben wir ein Zeitfenster. Sehr gut.” Das wiederum gefiel Helswin. Die Gauklerin hatte zunehmend verwirrt dreingeschaut, als der Magus immer weiter und weiter sprach. Bei der Stadtwache wären sie inzwischen längst gewesen, würde sie nicht so viel reden. Aber sie wollte nicht undankbar erscheinen, außerdem wussten die hohen Herrschaften sicher besser, wie man an eine solche Sache heranging … hoffte sie. Also sah sie nur abwartend und ihre Ungeduld halbwegs zügelnd von einem zum anderen, ohne sich einzumischen. ‘Na, da freu ich mich aber.’ dachte sich Nivard und bestätigte nickend und mit einem aufgesetzten Lächeln den Vorschlag Helswins, mit ihm gemeinsam zu den Anschlagtafeln zu schauen. Andererseits, so schlecht war das ganze gar nicht - so konnte er etwaig aufkommende Unstimmigkeiten gleich ausräumen und ihr Miteinander so auf eine vielleicht nicht unbedingt und direkt freundschaftliche, aber zumindest offene Basis stellen. “Dann lasst uns jetzt wirklich keine Zeit mehr verlieren und die Untersuchungen aufnehmen.” versuchte er erneut, den Aufbruch ins Rollen zu bringen. “Edle Dame von Altenberg, da Ihr bereits den Weg zu den Anschlagtafeln kennt - wollt Ihr uns diesen vielleicht kurz beschreiben, damit der wohlgelehrte Herr und ich möglichst rasch und ohne Umweg dorthin finden?” Am einfachsten wäre ja, sie käme direkt mit, andererseits erschien ihm ein Gang unter vier Augen, nachdem er sich bereits damit abgefunden hatte, für’s erste wahrscheinlich am besten. Und außerdem sprachen natürlich die Regeln der Reise dafür, dass Sabea sich eher Doratrava und Rondradin anschloss, die zwar auch nicht zur Familie von Altenberg gehörten, aber wenigstens keine Werber auf der Brautschau sein würden. Genau genommen schienen Helswin und er aber auch nicht Gefahr zu laufen, sich einen unbotmäßigen Vorteil bei Sabea verschaffen zu wollen, aber nun gut… “Sicherlich wollt Ihr am ehesten mit seiner Gnaden von Wasserthal die schutzbedürftige Dame begleiten, oder?”

Die Altenbergerin hörte bedächtig zu, als die Gruppe um Doratrava herum sich beriet. Sie war es gewöhnt, dass Leute sie eher versuchten zu ignorieren und es kaum wagten sie anzuschauen. So war es auch mit diesen hier. Sabea betrachtete den Krieger und den Magier.´So, so, die beiden also.´,ging es ihr durch den Kopf. Männer aus dem ganzen Reich kamen, um an der Altenberger Brautschau teilzunehmen, so wie diese Beiden. Würde wohl einer von beiden um sie werben? Sie was sich nicht sicher. Bis jetzt war sie nur mit flüchtigen Blicken bedacht worden. Der Ktieger, war so gar nicht Sabeas Fall. Klein, schmächtig, schütteres Haar und trällert den ganzen Tag wie ein gelangweiltes Waschweib. Wenn sie sich vorstellte, eine Auseinandersetzung mit ihm zu haben, wäre diese höchstwahrscheinlich mit nur einem Handschlag ins Gesicht beendet und entschieden. Viel zum Entgegensetzen hatte er nicht. Und dann war da noch der Magier. Er war gutaussehend, kräftiger und hatte einen starken Willen. Aber dennoch, würde er ihr etwas zum Entgegensetzen haben, ohne seine schändliche Magie zu benutzen? Sabea war sich nicht sicher. Sichtlich gelangweilt seufzte sie laut. “Doratrava, ich komme mit dir. Falls der Händler Ärger macht, regeln wir das. Wir sehen uns dort. Gehen wir erst zur Garnison und falls es dort keine Steckbriefe gibt, suchen wir das Rathaus. Den Wisch den ihr in der Hand haltet hab ich direkt vom Krämer.”, richtete sie ihre Worte an den Magier, beschrieb ihm den Weg und legte ihre große Hand auf die Schulter der Gauklerin.

Twergenhauser Ordnungshüter