Ein Treffen mit Oda


Überblick

Handlung

Im Spätjahr des Götterlaufes 1045 BF stellt sich Ulfried Tommeldan von Argenklamm seinen inneren Dämonen. Einer davon trägt den Namen Oda von Aelgarsfels.

Die Handlung spielt überwiegend im Edlengut Kaltenklamm sowie teilweise im Rittergut Aelgarsfels und der Stadt Gratenfels

Mein besonderer Dank geht an Robin, der mir eine sehr, sehr spannende Figur geliehen hat und mir dabei half, diese zu ergründen.

Dramatis Personae


...sowie einige Nebenrollen

Das Drama

Prolog

12. Praios 1045, in den Wäldern des Ritterguts Aelgarsfels

Der alte Ritter Darion von Aelgarsfels hatte den Kopf vor der jungen Praiosgeweihten lange gesenkt gehalten, während diese predigte. Mit erhobenem Haupt aber hatte er dann gegenüber den Versammelten seinem Vorfahren Ilger und dem Mythos seines Hauses abgeschworen. Verhaltener Beifall war ihm zuteil geworden. Nach Ende der Zeremonie wurde der unnahbar aussehende von Aelgarsfels, dessen Haar sich bereits lichtete, jedoch gemieden. So stand er bei der Geweihten, die ihn jedoch kaum mehr zu beachten schien.

Ulfried von Argenklamm, der junge Edle von Kaltenklamm, erhob sich nach dem Ende der Zeremonie umständlich von seinem Schemel und stützte sich dabei auf seinen Gehstock. Seine Schwester, die neben ihm saß, stand schnell auf und versuchte, ihm unter die Arme zu greifen, was der junge Edle jedoch mit einer abwehrenden Handbewegung quittierte.
“Lass das bitte! Ich möchte nicht, dass es so aussieht, als wäre ich auf Hilfe angewiesen.”,
flüsterte er mehr zu ihr als dass er sprach.
Seine Schwester Gunhild stemmte die Fäuste in die Hüften und neigte den Kopf.
“Na schön, wenn seine Wohlgeboren es befehlen!”,
sprach sie mit Spott in der Stimme und blickte sich anschließend um. Von den vielen anwesenden Edelleuten, Rittern, Geweihten und anderen Honoratioren schien niemand von den beiden Notiz zu nehmen. Alle waren in angeregte Gespräche und Dispute vertieft, die meist etwas mit den heutigen Enthüllungen zu tun hatten. Der Ahnherr des Hauses von Aelgarsfels war am heutigen Tage als Hochstapler und Geweihtenmörder entlarvt worden. Darion von Aelgarsfels, das derzeitige Oberhaupt des Hauses, zeigte sich hernach bußfertig und verurteilte die jahrhundertealte Tat aufs Schärfste. Auch trug er zur Aufklärung des Falles bei, was Ulfried während des Vortrags einige Minuten zuvor mit einem zufriedenen Nicken quittierte.
“Nun stell dich nicht so an, niemand beachtet uns!”,
sprach Gunhild zu ihrem Bruder, doch als sie wieder zu ihm blickte, stand er bereits aufrecht und lächelte sie schief an.
“Siehst du, es geht auch alleine! Und nun lass’ uns zu Onkel Fulco gehen, ich möchte mich noch von ihm verabschieden. Die Rückreise wird lange und anstrengend werden.”
Ulfried wandte sich um und humpelte langsam voran. Den Edelleuten, die er passierte, schenkte er ein kurzes, mit einem Lächeln versehenes Nicken. Sie erwiderten das Nicken zwar, doch konnte er in ihren Gesichtern erkennen, dass sie nicht wussten, wer er war. Das störte ihn nicht, immerhin erging es ihm ganz ähnlich.
“Nun renn’ doch nicht gleich los!”,
rief Gunhild ihm nach und hatte mit wenigen schnellen Schritten zu ihm aufgeschlossen. Da ihr Bruder in seiner Rechten den Gehstock hielt, hakte sie sich an seinem linken Arm unter und warf den Umstehenden eines ihrer entzückenden Lächeln zu, während sie mit den Augen blinzelte.
“Praios zum Gruße, euer Gnaden!”,
sprach sie im Vorbeigehen zu einem Geweihten des Götterfürsten und deutete noch im Gehen einen Knicks an. Der Praiosdiener blickte verdutzt zur Seite und konnte dann nicht anders, als auch Gunhild ein freundliches Lächeln zu schenken.
Ulfried war es ein Rätsel, wie es seiner Schwester immer wieder gelang, allen Personen nur mit ihrer reinen Anwesenheit die Laune zu heben. Von ihrer Mutter hatte sie das ganz sicher nicht. Und auch Ulfried selbst gelang meist eher das Gegenteil. Insbesondere die betroffenen Blicke, die er ob seines steifen Beines einheimste, waren ihm ein Graus.
Er blieb kurz stehen, als er bemerkte, dass seine Schwester ihr Kinn auf seine Schulter legte. Dann raunte sie ihm ins Ohr:
“Die Leute könnten denken, dass wir ein Paar sind. Dabei sollten die Damen doch wissen, dass der hübsche Edle von Kaltenklamm noch auf der Brautschau ist, meinst du nicht?”
Ulfried musste breit Grinsen und wiegte seinen Kopf hin und her, ehe er ihn leicht neigte und zu seiner Schwester flüsterte:
“Meine Liebste, es gibt schlimmeres für einen Edlen, als dass man die schönste Dame auf einem Feste für seine Gatt…”,
er verstummte abrupt und blickte mit weit aufgerissenen Augen nach vorne. Noch während sein Gesicht rot anlief, drehte er sich nach links zu seiner Schwester um und stotterte:
“Ähh…ich…ich glaube…ich denke ich habe was vergessen…ähm…liegen lassen. Lass uns nochmal zurück gehen!”.
Doch bevor er sich noch weiter drehen konnte, hielt Gunhild ihn am Arm fest und versuchte zu erspähen, was in ihrem Bruder eine solche Reaktion ausgelöst haben könnte.
Neben einer Gruppe von Edlen, unter denen Sie auch den Ritter von Aelgarsfels erkannte, stand eine junge Frau mit langen, schwarzen Locken, die mit zusammengekniffenen Augen in die Ferne blickte. Ihre Lippen waren zu Strichen zusammengepresst, ganz so, als versuchte sie sich selbst das Wort zu verbieten. Gunhild dachte einen Augenblick nach und nahm dann wieder ihren Bruder in den Blick, dessen Gesicht sich immer weiter rötete.
“Die Schwarzhaarige?”,
sie zog eine Augenbraue nach oben. Ulfried nickte stumm und flehte seine Schwester beinahe an:
“Lass uns gehen!”.
Doch Gunhild fasste seinen Arm nur noch fester und wandte ihren Blick wieder zu der ihr fremden Dame, während sie sich auf die Unterlippe biss und nachzudenken schien.
“Potztausend Bruder, nicht schlecht.",
sie nickte anerkennend.
“Eine herbe Schönheit, sie hat etwas wildes, ungezähmtes. Und sie ist doch sicher einige Jahre älter als du, oder? Woher kennst du sie?”.
Bei den letzten Worten drehte sie den Kopf wieder in Richtung ihres Bruders. Ulfried schüttelte seinen Kopf beinahe unmerklich.
“N…nein…nein, so ist das nicht!”,
doch bevor er sich erklären konnte, zog seine Schwester ihn mit sich. Und hätte sie nicht noch immer einen Arm um ihn gelegt gehabt, so wäre er mit Sicherheit ob des plötzlichen Rucks gestürzt. Er versuchte sich noch zu wehren, doch war er zu sehr damit beschäftigt, seine Beine zu koordinieren und seinen Gehstock nicht zu verlieren.
Nach wenigen Augenblicken kam Gunhild mit ihrem Bruder im Schlepptau vor der Dunkelhaarigen zum Stehen und räusperte sich.
Als die Edeldame sich langsam zu ihnen umdrehte, verengten sich ihre Augen noch weiter. Ulfried stand wie angewurzelt und kerzengerade direkt vor ihr, noch immer mit hochrotem Kopf. Gunhild deutete einen Knicks an, verschenkte ein zuckersüßes Lächeln und sprach zur Fremden:
“Hohe Dame, mein Bruder berichtete mir gerade, dass er euch kennt. Es ist mir eine Freude!”.
“Ja…ähm..äh…hallo Oda!”,
Ulfried zwang sich zu einem Lächeln, was jedoch eher wie eine Grimasse wirken musste. Als seine Schwester ihn leicht in die Seite knuffte, setzte er noch nach:
“Ähm…lange nicht gesehen. Wie geht es dir denn so?”.
Die dunkelhaarige Frau, die ihr Bruder mit ‘Oda’ angesprochen hatte, blickte kurz verständnislos zu Gunhild, ehe sie wieder Ulfried fixierte und ihre Lippen zu beben begannen. Ihr ganzer Körper schien mit einem Male von einer Welle des Zorns erfasst und man erkannte, dass sie sich nur mit Mühe im Griff hatte. Sie beugte sich leicht nach vorne, so dass ihr Gesicht nur eine Handbreit von dem Ulfrieds entfernt war, dann zischte sie ihm hasserfüllt zu:
“Das freut dich jetzt, was? Noch ein Wort und ich drehe dir den Hals um, du…Krüppel!”
Das letzte Wort spie sie schon beinahe aus, dann machte sie auf dem Absatz kehrt, lief zügig von Dannen und ließ Ulfried und seine Schwester stehen.
Während Ulfried sich noch immer nicht rührte und wie versteinert schien, schüttelte sich Gunhild kurz und blickte fassungslos zu ihrem Bruder:
“Was…was war das denn?”.
Als sie sah, dass ihr Bruder jetzt auch zu zittern begann und seine starren Augen langsam feucht wurden, zog sie ihn beiseite.
“Komm, lass uns gehen, Fulco sehen wir ja zum Lechminsfest wieder!”
Ohne Regung ließ der junge Edle seine Schritte von seiner Schwester lenken, fort von der Gesellschaft mitten im Aelgarsfelser Forst. Und auf der fünftägigen Rückreise verbat er ihr, dieses Ereignis auch nur anzusprechen.

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Kapitel 1


- zehn Monate später -

20. Ingerimm 1045 BF, Wehrhof Kaltenstein

Ulfried humpelte unruhig in seiner Schreibstube auf und ab. Die sommerliche Sonne, welche durch die Butzenglasscheiben drang, warf Lichtspiele auf den getäfelten Boden sowie das Mobiliar, doch diesen schenkte er keine Beachtung. In seinen Händen hielt der junge Edle einen Brief von Irminella von Eberbach, welchen er in den letzten Tagen mehrfach gelesen hatte. Und um just die darin geschriebenen Worte kreisten seine Gedanken.
Eigentlich bat er die Vögtin von Bösalbentrutz um deren Rat, was die Vermählung unter Standesgenossen betraf. Eine Sache, mit der er sich bislang noch nicht wirklich beschäftigt hatte und die dennoch zu seinen Pflichten zählte. Weder für seine Schwester noch für sich selbst hatte er bislang eine Partie arrangieren können.
Doch rührten ihn die Worte der Vögtin insbesondere persönlich. Solch ein Zuspruch und wärmende Worte waren ihm bislang fremd und sie wirken wie Balsam für ihn.
Ihm wurde bewusst, dass er kein Kind mehr war, was sich hinter seinem Alter verstecken konnte, seine Standesgenossen sahen ihn als einen der ihren. Und als solcher musste er sich nun endlich auch selbst sehen, mit allem, was dazu gehört.
Praios hat es so gefügt, dass er nun das Oberhaupt des Hauses Argenklamm ist, es war sein Wille, dass Ulfried Edler von Kaltenklamm wurde. Und die vom Göttervater auferlegten Prüfungen musste er meistern.
Zu diesen Prüfungen gehörte auch, die Schmähungen und Verletzungen der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Und wenn es nur die kindischen Hänseleien seiner Mitscholaren waren, die er während seiner Schulzeit in Gratenfels erdulden musste.
Bei diesem Gedanken fuhr ihm erneut ein Stich in den Magen und dieser krampfte sich zusammen. Die Streiche und Beleidigungen von Kindern und Heranwachsenden waren das eine, doch kochte in ihm die Erinnerung herauf, wie er vor noch nicht einmal einem Götterlauf, bereits als Edler, eine ähnliche Schmähung erdulden musste. Oda von Aelgarsfels, welche bereits auf der Tempelschule nicht eben freundlich zu ihm gewesen ist und sich nur allzugerne gemeinsam mit anderen Mitschülern über den jungen Ulfried lustig machte, riss mit nur einem Satz diese alten Wunden wieder auf, als sie ihm, ohne jegliche Vorwarnung, drohte und ihn als Krüppel bezeichnete.
Der junge Edle stützte sich auf die Lehne eines Sessels und atmete tief durch. Er schloss die Augen und murmelte ein kurzes Stoßgebet, wieder und wieder. Er wiederholte es so lange, bis er meinte wieder frei atmen zu können.
Und als er dann die Augen öffnete, hatte er einen Entschluss gefasst.


Als die Abendsonne bereits hinter den Bergen verschwunden gewesen ist, klopfte es an der Tür der Schreibstube. Ulfried schob das Holzbrett mit den Resten seines Abendbrots beiseite und rief:
“Herein!”.
“Aurelia meinte, dass du mit mir sprechen willst?”,
seine Schwester Gunhild schob vorsichtig den Kopf durch den geöffneten Türspalt und blickte zu dem mit zwei wuchtigen Kerzen beleuchteten Schreibtisch, hinter welchem der junge Edle saß.
“Ja, genau, komm doch bitte rein!”,
erwiderte er freundlich und wies mit einer Hand auf einen der beiden Stühle, die vor seinem Tisch standen.
Gunhild schloss die Tür hinter sich, straffte ihr Arbeitskleid und kam mit entschlossenen Schritten auf Ulfried zu. Noch während sie sich setzte, hob sie zu sprechen an:
“Falls du nochmals wegen Lambrinus mit mir sprechen möchtest, dann…”.
Mit einer Handbewegung unterbrach Ulfried seine Schwester.
“Nein, nein, es geht um etwas gänzlich anderes, keine Bange. Auch wenn ich mir sicher bin, dass er nicht erfreut über deine Ablehnung sein wird.”.
Eine kleine Sorgenfalte zeigte sich auf seiner Stirn.
Gunhild zuckte mit den Schultern:
“Na und? Er ist viel zu alt und wohnt viel zu weit weg!”,
Ulfried schüttelte den Kopf und atmete laut hörbar durch. Die Naivität seiner Schwester, was die Gepflogenheiten innerhalb des Adels betraf, machte ihn immer wieder fassungslos. Doch bat er sie nicht in seine Stube, um sie über Standesetikette aufzuklären.
“Vergessen wir das Thema vorerst.”,
dann fügte er mit erhobenem Zeigefinger hinzu:
“Vorerst!”.
Aufgrund dieser Geste und des eindringlichen Blicks ihres Bruders schwieg Gunhild besser.
“Ich habe dich hergebeten, um mit dir über mich zu sprechen.”
Ulfried lehnte sich zurück und faltete die Hände.
“Du erinnerst dich noch an meine unerfreuliche Begegnung auf dem Tempelfest in Aelgarsfels vor einem knappen Götterlauf?”
Gunhild hob erstaunt die Augenbrauen und ihre Neugier war geweckt. Sie beugte sich leicht nach vorne und neigte dabei ihren Kopf leicht zur Seite.
“Diese Begegnung, über die du mir verboten hast zu sprechen?”.
“Ganz genau, ja.”,
Ulfried nickte bestätigend. Noch bevor Gunhild weitere Fragen stellen konnte, sprach er weiter, wobei sein Blick im Raum umher wanderte:
“Ihr Name ist Oda von Aelgarsfels, sie ist eine Tochter des Ritters von Aelgarsfels. Ich kannte sie von Gratenfels, sie war ein oder zwei Jahrgänge über mir an der Rechtsschule.”
Gunhild nutzte die kurze Pause um nickend nachzufragen:
“Und?”
Ulfried zwang sich dazu, seinen Blick auf seine Schwester zu richten, auch wenn es ihm sichtlich unangenehm war.
“Auf der Rechtsschule…das waren keine schönen Jahre für mich. Die Älteren zogen mich wegen meines Beins auf, die Lehrer schätzen mich gering wegen Tante Aurelia und meine Mitschüler schalten mich einen langweiligen Streber.”
Ulfried holte tief Luft und wich dabei dem mitleidigen Blick seiner Schwester aus.
“Hmmm…”,
war das einzige Geräusch, das sie von sich gab und so fuhr er fort:
“Es war nicht das erste Mal, dass sie mich einen Krüppel rief. Aber ich muss sagen, andere waren da noch konsequenter als sie. Einerlei! Auf jeden Fall hat ihr Anblick auf dem Tempelfest die Erinnerung an diese unschönen Zeiten direkt wieder in mir geweckt, verstehst du?”.
Ulfried fixierte seine Schwester wieder mit einem fragenden Blick. Gunhild nickte eifrig und beeilte sich, das Gehörte zu relativieren:.
“Ja, natürlich, aber damals war sie selbst noch jung und junge Menschen machen dumme Dinge. Ich bin mir sicher, die meisten haben’s nicht ernst gemeint und waren nur neidisch, weil du in der Schule besser warst!”.
Ulfried lächelte gezwungen, als er seiner Schwester erwiderte:
“Wenn du meinst.”
“Aber warum war sie dann nochmal so gemein zu dir, du hast ihr doch nichts getan, oder? Außerdem bist du jetzt ein Edler und so darf sie nicht mit dir sprechen!”
In Gunhilds Stimme war eine deutliche Erregung zu vernehmen.
“Ja, das habe ich mich auch gefragt”,
er machte eine kurze Pause,
“...und beschlossen, dies herauszufinden.”
Die Augen seiner Schwester weiteten sich und es platzte aus ihr heraus:
“Wie denn? Und warum überhaupt?”.
Ulfried schob seinen Oberkörper nach vorne und stütze sich im Sitzen mit seinen Unterarmen auf dem großen Schreibtisch ab, ehe er mit sonorer Stimme zu sprechen begann: “Ich bin Ulfried von Argenklamm, Edler von Kaltenklamm und Oberhaupt des Hauses Argenklamm. Ich kann mich nicht länger von Ängsten meiner Kindheit oder schlimmen Erinnerungen an eine vergangene Zeit leiten lassen. Ich muss mich ihnen stellen und sie überwinden. Aus diesem Grund wollte ich es auch dir erzählen, auf dass kein Geheimnis aufgrund meines verletzten Stolzes mehr zwischen uns steht.”
Gundhild wirkte nachdenklich und lehnte sich zurück, denn so sicher und gefasst kannte sie ihren Bruder nicht. Ihr Blick schien sich auf den gedrechselten Kanten des Scheibtisches zu verlieren. Nachdem sie eine Weile nichts erwiderte, hakte Ulfried nach:
“Verstehst du das?”
Gunhild schreckte aus ihren Gedanken auf und nahm wieder Ulfried in den Blick, als sie mit gespielter Empörung entgegnete:
“Natürlich verstehe ich das, ich bin ja nicht dumm!”,
dann seufzte sie kurz, ehe sie weitersprach:
“Mein großer Bruder ist jetzt wohl ein weiser Herrscher und edler Landesherr geworden.”
In ihrer Stimme schwang neben einem gewollt spöttischen Ton auch ein wenig Enttäuschung mit.
“...und nicht mehr nur mein lieber großer Bruder Ulfried.”
Sie zwang sich zu einem Lächeln.
“Du hast mir immer noch nicht erzählt, wie du das herausfinden möchtest!”.
Ulfried wusste noch nicht, wie er die Worte seiner Schwester einzuordnen hatte, aber auf ihre Frage mochte er antworten:
“Ich habe ihr einen Brief geschrieben. Thusdrick ist heute Mittag losgeritten um ihn zu überbringen.”

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Kapitel 2


03. Rahja 1045 BF, Turm Aelgarsfels

Oda schritt gemächlich die Stufen zum kleinen Speisesaal der Burg ihres Vaters, die eigentlich nicht mehr als ein Wehrturm mit hölzernen Außenanlagen war, hinauf. War diese vor allem in den Wintermonaten kalt und zugig, so halfen zumindest in den warmen Monden die dicken Mauern und schmalen Schießscharten dabei, die Hitze nur langsam ins Innere dringen zu lassen. Im Rahja waren die Temperaturen somit noch recht angenehm. Dennoch trieben ihr die steilen und schmalen Stufen die Schweißperlen auf das Gesicht und als sie im holzgetäfelten Speisesaal stand und ihren Blick über die Tafel schweifel ließ, wischte sie sich mit ihrem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
“Ach, Oda mein Kind, schön, dich mal wieder zu sehen!”,
drang die mittlerweile brüchige Stimme von Rabanna, der alten Magd des Hauses, zu ihr. Oda wandte sich in Richtung der Öffnung, hinter der sich die Küche verbarg und blickte zu der gebrechlich wirkenden Frau mit den ergrauten Haaren, der auch das Gehen zunehmend schwerer zu fallen schien. Oda blickte wieder zurück auf die leere Tafel und entgegnete kühl:
“Hallo Rabanna. Vater ist nicht hier, wie ich sehe.”
Sie hörte das Geräusch schlurfender Schritte, als die Magd sich ihr näherte.
“Mein Kind, man könnte meinen, du kommst nur, wenn dein Vater nicht hier ist.”
Rabanna konnte nicht sehen, wie sich Odas Augen zusammenkniffen. Es war zwar nicht ihre Absicht, aber dennoch war Oda nicht enttäuscht darüber, ihrem Vater nicht entgegentreten zu müssen.
“Er ist mit deinem Bruder zur Jagd aufgebrochen. In den Forst. Sie wollten wichtige Sachen besprechen.”
Rabanna hatte Oda mittlerweile erreicht und legte fürsorglich ihre zittrige Hand auf ihren Unterarm.
“Wie lange wirst du bleiben?”.
Oda war die vertraute Berührung unangenehm, dennoch schüttelte sie die Hand nicht ab, sondern blieb steif stehen, ohne die Magd anzublicken.
“Wann kommt er zurück?”.
Vielleicht war es der schneidende Ton in Odas Stimme, welcher Rabanna dazu brachte, ihre Hand fahren zu lassen. Vielleicht war es aber auch das zischende Geräusch aus der Küche, welche sie an ihre Pflichten erinnerte. So oder so, die alte Magd schlurfte bereits wieder zurück, als sie Oda entgegnete:
“Vielleicht morgen, vielleicht übermorgen. Du kennst sie ja. Wenn sie erst eine Spur gefunden haben, dann folgen sie dieser bis in den Kosch hinein!”
Oda grübelte darüber nach, ob sie noch den morgigen Tag abwarten sollte, als Rabanna sich nochmal kurz zu ihr umdrehte und ergänzte:
“Ach, mein Kind, mir fällt ein, vor einigen Tagen war ein Bote hier, der ein Schreiben für dich gebracht hat. Dein Vater hat es in deine Kammer gelegt.”
Ein Schreiben? Warum sollte jemand ein Schreiben für sie nach Aelgarsfels bringen und nicht nach Gratenfels, wo sie seit Jahren wohnte?
“Ähm, ja, danke Rabanna. Ich…ähm, werde bis morgen bleiben!”.
Durch die Überraschung wurde auch ihre Stimme freundlicher.
“Das freut mich mein Kind!”,
sprach die Magd noch, ehe sie gänzlich in der Küche verschwand.
Oda lenkte ihre Schritte zügig durch den Saal, hin zur hinteren Treppe, die zu den Gemächern und somit auch zu ihrer alten Kammer führte.
Dort angekommen öffnete sie Tür zu ihrem alten Gemach ganz behutsam. Sie hasste das Geräusch der quietschenden Scharniere und das Knarzen des Holzes. Und dennoch war beides laut zu vernehmen, ganz gleich wie vorsichtig sie die Eichentür auch bewegte. Ebenso hasste sie ihre alte Kammer. Sie war kalt und abweisend, klein und karg. Selbst in ihrem alten Zimmer auf der Rechtsschule, welches sie einstmals mit zwei Mitschülerinnen teilen musste, fühlte sie sich wohler.
Sie ließ ihren Blick schweifen und sah, dass auf der kleinen Truhe neben ihrem alten Bett ein Pergamentumschlag lag. Langsam schritt sie zu ihrem Bett, setzte sich auf die Strohmatratze und nahm den Briefumschlag in ihre Hände. Sie drehte ihn in ihren Fingern und begutachtete ihn von beiden Seiten. War auf der Vorderseite ihr eigener Name in einer geschwungenen Schrift, die jedoch eindeutig von einem Mann stammte, zu finden, so befand sich auf der Rückseite nur ein Siegel mit einem Wappen, welches sie nicht kannte.
Behutsam schob sie ihren Zeigefinger unter die obere Falz und riss diese nach und nach mit sägenden Bewegungen auf. Als sie den innenliegenden Brief entfaltete, blickte sie zuerst ganz an das Ende des zweiseitigen Schreibens, dort wo sich der Verfasser für gewöhnlich zu erkennen gibt. Als sie die Signatur las, stockte ihr für einen Moment der Atem:

‘Ulfried Tommeldan von Argenklamm, ehemaliger Scholar der Tempelschule des Rechts im Haus der Sonne zu Gratenfels’

Was konnte diese Person denn von ihr wollen? Ihr Blick wanderte zur Decke des Raumes und sie versuchte sich zu erinnern. Und unwillkürlich drängte sich eine Begebenheit in ihr Bewusstsein, die an einem Tag geschah, den sie am liebsten völlig aus ihrer Erinnerung streichen würde. Ein kalter Schauer kroch über ihren Rücken und eine kalte Hand griff nach ihrem Herzen. Zornig schlug sie mit ihrer Faust an einen der Pfosten ihres Bettes, sodass der kurze Schmerz ihre finsteren Gedanken fürs erste verdrängte. Sie nahm die erste Seite des Schreibens in beide Hände und begann zu lesen.

“Kaltenstein, am 20. Ingerimm 1045 BF

Sehr geschätzte Collega,

diese Zeilen Schreibe ich euch nicht als Edler von Kaltenklamm, sondern als ehemaliger Komilitone der Tempelschule des Rechts im Haus der Sonne zu Gratenfels. Ich hoffe, dass es mir diese kleine Wendung ermöglicht, mit den folgenden Worten einen persönlicheren Zugang zu Euch zu finden. Denn um sehr persönliche Angelegenheiten soll es in meinem Schreiben gehen. Ich bin mir nicht sicher, ob ihr euch überhaupt noch an mich erinnern könnt, ist es doch schon beinahe zehn Götterläufe her, dass wir gemeinsam die ‘Altenberger’ besuchten.”


Oda schloss die Augen und versuchte, sich das Gesicht dieses Ulfried in Erinnerung zu rufen. Er war sicher einige Jahre jünger als sie. Ja, doch. Klein und schmächtig, mit braunen Haaren. Er blickte immer drein wie ein geprügelter Köter. Und…er war der Krüppel. Ein Klos bildete sich in ihrem Hals.
Ja, das war diese Begegnung an eben jenem Tag. Er kam mit einer Frau, wahrscheinlich seine Verlobte oder Gattin, zu ihr herüber und sprach sie, Oda, an. An seine genauen Worte konnte sie sich nicht erinnern, aber sie wusste noch, dass sie Scham, Wut und Zorn empfand. Und, dass sie diesen Burschen anbrüllte und ihn Krüppel nannte. Sie versuchte zu schlucken, doch war ihr Hals mit einem Male so trocken, dass sie kurz husten musste. Sie zwang sich, weiterzulesen.

“Ich war einige Jahre jünger als Ihr und wäre wohl nicht weiter aufgefallen, wäre da nicht mein rechts Bein gewesen, was seit einem Unfall in meiner Kindheit zu nichts mehr zu Nutze gewesen ist, als es beim Gehen mühsam hinter mir her zu ziehen. Das brachte mir den unschönen Beinamen ‘der Krüppel’ ein, welchen man mir unter der Scholarenschaft verpasst hatte.”

Also doch! Was wollte er nur von ihr?

“Ihr seid mir vor allem in Erinnerung geblieben, da ihr eure Studien mit Beharrlichkeit und Fleiß verfolgt habt. Nicht selten wurdet ihr von den Dozenten als Vorbild herangezogen, wenn es galt, uns Jüngere zu motivieren. Da ich selbst ebenfalls strebsam war, würde ich sogar soweit gehen und sagen, dass ich zu Euch aufgeblickt habe.

Ihr fragt Euch nun sicher, worauf ich hinaus möchte.”

Aha, jetzt kommt er endlich zum Punkt, dachte sich Oda.

“Vor einem knappen Götterlauf sind wir uns auf dem Tempelfest in Aelgarsfels wieder begegnet."

Oda kniff beim Lesen die Augen zusammen. Wahrscheinlich erwartet dieser Bursche eine Entschuldigung von ihr. Darauf kann er lange warten!

“Ich hatte euch selbstverständlich direkt erkannt, doch ließ euer Anblick die Erinnerung an meine unschönen Jahre auf der ‘Altenberger’ wieder präsent werden. Versteht mich nicht falsch, das lag nicht an Eurer Person. Mit Euch selbst verbinde ich keine schlechten Erinnerungen, im Gegenteil.
Meine Schwester missinterpretierte meine Reaktion jedoch ganz offensichtlich und schleifte mich zu Euch. Ich weiß nur noch, dass ich versuchte, möglichst belanglose Worte an Euch zu richten, was genau jedoch über meine Lippen kam, daran vermag ich mich nicht mehr zu erinnern.
So oder so, ich scheine die falschen Worte gewählt und den falschen Augenblick getroffen zu haben. Ich möchte mich bei Euch dafür aufrichtig entschuldigen. Glaubt mir bitte, wenn ich euch versichere, dass ich nur zu gut weiß, wie man sich fühlt, wenn jemand in alte, nicht verheilte Wunden sticht. Wie hilflos und alleine man sich inmitten von Freunden und Verwandten fühlen kann. Und wie schwer die Taten der eigenen Ahnen auf unseren jungen Schultern lasten können.”

Oda musste schlucken. Wer hat ihm das erzählt? Woher weiß er das? Sie versuchte sich abzulenken, indem sie in ihrer Erinnerung kramte, was genau er damals zu ihr sagte. Aber es fiel ihr nicht ein. Es waren wohl wirklich nur Belanglosigkeiten. Sie konnte sich jedoch noch zu gut an das aufgesetzte Lächeln seiner Begleiterin, es war wohl seine Schwester, wie er schrieb, und nicht seine Verlobte, erinnern. Sie wusste noch, wie dieser Ulfried vor ihr stand und sie ihn anbrüllte. An den konkreten Grund konnte sie sich jedoch nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich war er in jenem Moment nur Odas Ventil für all die Demütigungen, die ihr Vater und ihre Familie an diesem Tag der Schande ertragen mussten. Mit einem Male fühlte sie so etwas wie Scham. Sie sollte weiterlesen.

“Aber grämt Euch nicht,”

Sie löste ihren Blick erneut von dem Brief und ließ das Schreiben sinken. Nein, sie wollte ihm den Gefallen nicht tun und sich für ihr Verhalten schämen. Und doch fühlte sie sich unwohl. Ja, phexverflucht, sie schämte sich jetzt. Und? Sie solle sich nicht grämen! Pah! Worauf will er hinaus? Die Neugier zwang sie dazu, ihre Augen wieder auf das Pergament zu richten.

“Aber grämt euch nicht, aus heutiger Sicht bin ich Euch dankbar dafür. In den letzten Monaten hat sich einiges verändert, ich habe mich verändert. Und ich fühle mich bereit, mich den Dämonen meiner Vergangenheit, vor welchen ich mich jahrelang versteckte, zu stellen.

Beim Schreiben dieser Zeilen merke ich, wie missverstanden diese werden können. Daher bestehe ich darauf, dass Ihr Euch nicht persönlich angesprochen fühlen sollt! Für Euch empfinde ich, neben anderen positiven Konnotationen, vor allem Hochachtung!”

Oda schüttelte sich kurz. Was will er damit zum Ausdruck bringen? ‘Neben anderen positiven Konnotationen’. Unerwartet schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Das war beinahe schon dreist von diesem Kerl!

“Ich hoffe daher zuvorderst, dass auch Ihr mit allem, was euch ehedem so grämte, abgeschlossen habt und es bewältigen konntet. Wenn wir beide uns das nächste Mal begegnen, würde es mein Herz erfreuen, euch lächeln zu sehen!”

Oda hob eine Augenbraue und zwang sich, ihr zunächst unbewusstes Lächeln wieder zu unterbinden. Diesen Gefallen wollte sie ihm nicht tun!

“Ich bin häufiger bei Fulco von Kranickteich zu Besuch, er wurde mir ein sehr geschätzter und treuer Freund, der darüber hinaus meinen kleinen Bruder zur Pagenschaft angenommen hat. Auch führen mich meine Wege ab und an nach Gratenfels und das Gut Eures Vaters liegt beinahe auf dem Weg.
Es würde mich aufrichtig freuen, wenn wir beide uns dann auf ein Wort treffen könnten, denn ich schätze den Austausch mit klugen Köpfen sehr. Etwas, wofür es hier in Kaltenklamm leider nur allzuwenig Anlass gibt.
Und meine große Hoffnung ist, dass wir beide neben geistreichen Gesprächen auch über das, was uns an jenem Tag so in innere Aufruhr versetzte, schmunzeln werden.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Ulfried Tommeldan von Argenklamm, ehemaliger Scholar der Tempelschule des Rechts im Haus der Sonne zu Gratenfels”

Behutsam faltete Oda die beiden Bögen zusammen und schob sie wieder zurück in den Umschlag, den sie neben sich auf ihr Bett legte. Sie stand auf und schritt langsam zu dem schmalen Fenster, welches einen malerischen Blick hinab auf die entfernten Felder des Guts, die an der Tommel lagen, bot.
Sie atmete tief durch und ihre Gedanken kreisten um die Worte, die dieser ihr zwar bekannte, aber eigentlich dennoch fremde Edle an sie gerichtet hatte. Was wollte er von ihr? Warum schrieb er ihr so offene und entwaffnende Zeilen? War er nur weinerlich oder doch sehr mutig? Und warum drängte er beinahe schon darauf, sich mit ihr zu treffen?
“Hmm…wohl wegen der positiven Konnotationen.”,
sprach sie zu sich selbst und musste unweigerlich grinsen.
“Nagut mein lieber,”,
sie drehte sich ruckartig vom Fenster weg,
“wenn du spielen willst, dann lass’ uns spielen!”.
Ihr nächstes Ziel war die Schreibstube ihres Vaters, wo sie Pergament und Tinte in ausreichender Menge vorfinden würde.


Als Oda am späten Nachmittag flink die Stufen zum Speisesaal herabstieg, kam ihr aus der Küche bereits ein Geruch nach deftigem Rübeneintopf entgegen. In diesem Moment beschloss sie, dass es doch eine gute Entscheidung gewesen ist, hier zu nächtigen. Rabannas Eintöpfe waren zwar einfach, aber stets nahrhaft und gut gewürzt.
Doch fürs erste ließ sie die Küche rechts liegen und ging weiter hinab, bis sie den kleinen und engen Hof der Burg erreicht hatte. Ihre Schritte führten sie direkt zu den Stallungen, vor denen Jost, der neue Stallbursche seines Vaters stand und einen Sattel flickte.
“Jost, leg den Sattel beiseite, ich habe einen wichtigen Auftrag.”
Der junge Bursche blickte auf und legte sowohl seine dicke Ledernadel als auch den Sattel behutsam beiseite. Als er aufstand und sich die Hände an der ledernen Arbeitsschürze abwischte, streckte Oda ihm bereits den Umschlag entgegen.
“Hier, das musst du nach…Kaltenstein bringen!”
Als sie seinen fragenden Blick bemerkte, fügte sie hinzu:
“Du weißt doch, wo das liegt, oder?”.
Jost schüttelte mit dem Kopf.
“Nein, meine Herrin.”
Oda schenkte ihm einen genervten Blick.
“Dann reite über Kranickteich, dort kann man dir den Weg weisen. Ach, und dann kannst du dem Edlen, Fulco von Kranickteich, auch gleich meine besten Grüße ausrichten.” Noch immer stand sie mit ausgestrecktem Arm vor dem Stallburschen, der den Pergamentumschlag musterte.
“Was ist?”,
sprach sie mit einem herrischen Tonfall.
“Äh…jetzt gleich, meine Herrin?”,
stotterte Jost vor sich hin.
“Natürlich jetzt gleich!“
Oda drückte ihm das Schreiben in die Hand und ließ den Burschen mit einer unwirschen Geste stehen. Sie wandte sich ab und folgte der gewundenen Steintreppe zurück in den Schatten des Turmes. Bevor sie eintrat, sah sie sich noch einmal um.
Jost verharrte unschlüssig im Hof und blickte blinzelnd Richtung Turmspitze. Wütend wollte sie ihm eine Drohung entgegenwerfen, zögerte aber kurz.
„Ich werde es meinem Vater erklären, aber nun spute dich!”,
rief sie. Der junge Stallbursche steckte das Schreiben ein und nickte verlegen. Dann machte er sich flinken Schrittes auf den Weg in den Stall. Was er nicht wusste war, dass Oda gar nicht vorhatte, noch in Aelgarsfels zu sein, wenn ihr Vater von der Jagd zurückkehrt. Ihr war das und die Konsequenzen für Jost allerdings gleich, sie freute sich auf einen leckeren Eintopf von Rabanna.

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Kapitel 3


07. Rahja 1045 BF, Hof Kaltenstein

Selbst hier, umgeben von den Bergen des Vorderkosch, sorgte die sommerliche Praiosscheibe dafür, dass die Menschen um die Mittagszeit ihr Tagewerk ruhen ließen. Innerhalb der hölzernen Palisaden war nur das Quieken der Ferkel zu vernehmen, während draußen vor dem Tor die Kalte rauschend durch das Tal floss. So bemerkte niemand den fremden Reiter, der durch das südliche Tor ritt und nun etwas verloren inmitten der wenigen Häuser und Ställen stand und sich fragend umblickte.
Als sein Blick auf das größte Gebäude, ein breites, zweistöckiges Haus mit gemauertem Erdgeschoss und verputztem Obergeschoss sowie einem mit Schieferschindeln gedeckten Dach, fiel, zuckte er mit den Schultern und lenkte sein Reittier in diese Richtung.
Er stieg ab und band sein Pferd an einem der beiden Pfosten fest, die das hölzerne Vordach, welches die drei Stufen zum Eingang überdachte, stützte. Bevor er die breite, aber kurze Treppe erklomm, blickte er prüfend an sich herab und knöpfte trotz der Hitze den obersten Hornknopf seines Leinenhemdes zu.
Oben an der Türe klopfte er zweimal laut pochend an. Kurz darauf vernahm er hastige, schwere Schritte und die Türe wurde ihm geöffnet. Ein großer und breitschultriger Mann, mit langen, rotblonden Haaren, welche er zu einem Zopf gebunden hatte, blickte ihn an und fragte nur knapp:
“Ja?”.
Er mochte nur wenige Jahre älter sein als der Reiter selbst, doch zwang sein Auftreten eben jenen dazu, sich tief zu verneigen, ehe er mit hörbarer Verunsicherung in der Stimme antwortete:
“Ich habe eine Botschaft für den Edlen von Kaltenstein.”
“Hmmm”,
die Antwort war zunächst nur ein Brummen, ehe der Mann seinen Kopf zurück in das Innere des Hauses drehte und rief:
“He, Ulfried, da ist jemand für dich!”
Von drinnen war eine weitere Männerstimme zu vernehmen, nicht ganz so tief und kräftig:
“Für mich? Ähm, wer denn?”
Noch ehe der Mann in der Tür die Frage weitergeben konnte, antwortete der Reiter hastig:
“Jost, ich bin Jost. Ich bin nur der Bote!”,
und nickte dabei eifrig.
Der Langhaarige schien es für nicht notwendig zu halten, die Antwort nach drinnen weiterzugeben, da hinter ihm bereits Schritte und das Pochen eines Holzstockes auf den Dielen zu vernehmen gewesen ist. Und so trat er nur einen Schritt beiseite und gab den Blick auf den Boten frei.
Diesem kam ein ebenfalls noch junger Mann entgegen, der sich mit seiner rechten Hand auf beim Laufen auf einen Gehstock stützte. Er war von eher schmaler Statur, trug Wildlederhosen, welche ihm nur bis zum Knie reichten, und darüber ein ungefärbtes Leinenhemd, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. Sein dunkles, lockiges Haar fiel ihm in Strähnen vor die Augen und klebte an seiner schweißnassen Stirn, sodass er die Strähnen, als er den Boten erreichte, zunächst einmal mit der linken Hand aus dem Gesicht strich.
“Ja, was gibt es?”,
fragte er den Reiter und lächelte dabei freundlich.
“Ich habe eine Botschaft”,
entgegnete dieser und zog dabei einen Pergamentumschlag aus einer Ledertasche, welche er sich über die Schulter gehängt hatte.
Ulfried nahm diesen entgegen und musterte die Beschriftung. ‘Seine Wohlgeboren Ulfried Tommeldann von Argenklamm, Edler von Kaltenklamm’ war darauf in einer fast schon kunstvollen Schrift zu lesen. Ulfried hob die Augenbrauen und fixierte dann den Boten. Diesem schien noch etwas einzufallen, denn ohne eine Aufforderung abzuwarten fügte er eilig hinzu:
“Ah, und ich soll euch herzlichste Grüße von Fulco von Kranickteich ausrichten!”.
Ulfried schüttelte überrascht den Kopf und blickte dann zu dem stämmigen Mann, der noch immer neben ihm in der Tür stand:
“Oh, Thusdrick, dieser Brief ist von Fulco!”
Bevor der Angesprochene antworten konnte, hob jedoch abermals der Bote zu sprechen an:
“Nein, nein, von ihm sind nur die Grüße! Das Schreiben ist von Herrin Oda von Aelgarsfels!”
Der junge Edle blickte den Boten nun überrascht an und drehte sich ohne Erwiderung um, um mit dem Schreiben in der Hand schnell wieder in dem Gang zu verschwinden, ehe er nach wenigen Schritten nochmals innehielt und den Kopf zu dem rothaarigen Mann zu drehen:
“Und, Thusdrick, gib dem Boten doch bitte zu essen und zu trinken, er soll sich hier wie zuhause fühlen. Später habe ich sicher noch einige Fragen an ihn”.
Dann trat er durch eine Tür zu linken und war verschwunden. Der mit dem Namen ‘Thusdrick’ Angesprochene blickte mit fragendem Gesichtsausdruck zu dem Boten und zuckte mit den Schultern.
“Ihr habt’s gehört. Kommt rein und folgt mir.”



In seiner Schreibstube angekommen, schloss Ulfried die Tür hinter sich und ging zu seinem großen Schreibtisch, hinter welchem er sich in seinen Sessel fallen ließ. Er griff nach dem Brieföffner mit dem Griff aus Gemsenhorn und öffnete hastig den Umschlag. Heraus zog er ein Pergament, welches er behutsam entfaltete und zu lesen begann.

“Euer Wohlgeboren,

eine Klarstellung gleich zu Beginn: Ich halte nichts davon, sich nicht standesgemäß zu gerieren in der bloßen Absicht, seinem Gegenüber eine Vertrautheit vorzugaukeln.”

Eine Schweißperle, welche Ulfrieds Stirn und die Nase herab rann, löste sich in diesem Moment und tropfte auf das Pergament, wo es sogleich kreisförmig die Tinte zum Verlaufen brachte. Ulfried fluchte kurz und versuchte, den Tropfen mit seinem Hemdsärmel abzutupfen. Es blieb zwar ein unschöner kleiner Tintenklecks übrig, doch zu seiner Erleichterung konnte man das Wort, auf welchem der Schweißtropfen landete, dennoch lesen. Um den gleichen Fehler nicht noch einmal zu begehen, nahm er seinen Kopf etwas zurück und hielt das Blatt direkt vor sich, um weiterzulesen.

“Ihr seid ein Edler mit eigenem Lehen und ich nur eine Scriptorin in Gratenfels. Ich gehe davon aus, dass Ihr Euch dessen nicht bewusst gewesen seid, sonst hättet Ihr keinen Brief nach Aelgarsfels, sondern an meine Adresse nach Gratenfels geschickt.
Mir selbst ist die Tatsache, dass Ihr ein belehnter Edelmann seid, ebenfalls nicht bewusst gewesen. Sonst hätte ich Euch sehr wahrscheinlich nicht Krüppel gescholten, sondern meine Aufwartung gemacht. Ihr müsst wissen, junge, gutaussehende Edelmänner sind gefragt bei alleinstehenden Töchtern aus gutem Hause, wie ich eine bin. Da stört auch eine körperliche Beeinträchtigung nicht, Ihr wärt dennoch eine gute Partie.”

Ulfried zwinkerte eine weitere Schweißperle weg, die sich in sein Auge geschlichen hatte. Als ihm dies nicht gelang, legte er den Brief vor sich auf den Tisch und rieb mit seinem Handrücken in seinem Auge, bis das Brennen verschwand.
Dann atmete er kurz durch. Er wusste eigentlich nichts über diese Oda. Und sie wusste nichts über ihn. Jetzt schmeichelt sie ihm, macht ihm beinahe schon mit einer dreisten Unverfrorenheit den Hof und reibt ihm dennoch sein Gebrechen unter die Nase. Nein, dumm ist sie sicher nicht, diese Motivation kann er ausschließen. Aber welches Spiel spielt sie hier?

“Es freut mich im Übrigen zu lesen, dass Ihr der Phase des Selbstmitleids zwischenzeitlich entwachsen seid, wirken selbstsichere Männer stets weitaus attraktiver.
Dennoch stellt sich mir die Frage, weswegen Ihr Euch ausgerechnet mit mir treffen möchtet. Gibt es denn keine Edeldamen, die Euch gewogener gewesen sind als ich? Wollt ihr mir gar mein Glück nur vorgaukeln, um Euch, nicht eben praiosgefällig, bei mir zu revanchieren?
Ihr seht, es gilt noch die ein oder andere Antwort zu liefern, ehe ich in ein Treffen mit Euch einwilligen würde.

Erwartungsvolle Grüße

Oda von Aelgarsfels

Ulfried legte den Brief langsam vor sich auf den Schreibtisch und schloss dann die Augen. Was hatte er da nur angerichtet?!? Natürlich spickte er sein Schreiben an diese Oda mit der ein oder anderen Schmeichelei, wollte er doch Größe zeigen und nicht nachtragend wirken. Natürlich war seine Intention, sich mit ihr irgendwann auch persönlich austauschen zu können und all das, was ihn so lange belastete, aufzuarbeiten. Gleichzeitig wollte er ihr die Hand reichen, denn ganz offensichtlich belastete sie ebenfalls etwas.
Was war er doch für ein Idiot! Er hätte den Brief seiner Schwester zu lesen geben sollen, ehe er ihn abschickte. Aber auch eine Kopie hatte er nicht angefertigt, sodass ihm nur die Erinnerung an die Zeilen blieb, die er vor einigen Tagen schrieb. Er versuchte, sich seine Formulierungen ins Gedächtnis zu rufen, aber in seinem Kopf tobte ein Orkan, alle Gedanken kreisten um Oda und ihren Brief. Nein, er durfte nicht den gleichen Fehler wiederholen. Er musste Gunhild um Rat fragen.



“Das kann sie nicht ernst meinen!”
Fassungslos blickte Gunhild ihren Bruder an und wedelte dabei mit dem Stück Pergament in ihrer Hand.
“Was hast du ihr denn geschrieben? Wie schön Eure gemeinsamen Kinder wären?”
“Natürlich nicht!”,
Ulfried hielt seine Hände abwehrend vor seine Brust.
“Ich habe ihr geschrieben, dass ich ihr nicht zürne. Und die ein oder andere Nettigkeit. Aber unverfänglich…denke ich.”
“Unverfänglich?”,
Gunhilds Stimme schien sich zu überschlagen. Mit ihrem Zeigefinger tippte sie aufgeregt auf den Brief von Oda.
“Das hier ist alles andere als unverfänglich! Sie denkt, dass du ihr den Hof machen möchtest! Wie bitte willst du das denn wieder richten? Und was hat Fulco damit zu tun?”
Ulfried bemühte sich um einen möglichst neutralen Tonfall:
“Nichts, der Bote meinte nur, er hätte in Kranickteich nach dem Weg gefragt und Fulco bat ihn, mir liebe Grüße auszurichten. Naja, er weiß jetzt zumindest, dass Oda mir einen Brief geschrieben hat. Wie er darüber denkt, kann ich dir jedoch nicht sagen.”
Während seine Schwester kopfschüttelnd im Zimmer auf und ab ging, begann er mit seinen Fingerspitzen auf seinem Schreibtisch zu trommeln und er dachte nach. Dann hob er den Kopf und sprach zu seiner Schwester:
“Wir sollten es halten, wie wir es immer halten: Ich schreibe ihr die Wahrheit.”
Gunhild blieb abrupt stehen und fixierte Ulfried:
“Aha, die Wahrheit. Etwa, dass du sie für eine boshafte und egoistische Ziege hältst und sie sich einen anderen adeligen Trottel suchen soll, dem sie ihre falschen Komplimente in die Ohren träufeln kann?"
Ulfried lächelte seine Schwester gütig an.
“Nein, dass meine Intention eigentlich eine andere gewesen ist, mir ihre Worte aber durchaus schmeicheln. Bevor ich ihr Angebot jedoch in Betracht ziehe, würde ich sie gerne besser kennenlernen.”
Gunhild rang nach Luft, doch noch immer lächelte Ulfried sie an.
“Das…das…”
Bevor sie ihren Satz vollenden konnte, tat Ulfried dies schulterzuckend für sie:
“...ist die Wahrheit.”

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Kapitel 4


11. Rahja 1045 BF, Gratenfels

Oda saß auf einem Schemel in ihrer Stube und hatte einen Ellenbogen auf den kleinen Holztisch gestützt. Sie hatte vor wenigen Minuten die Fensterläden geöffnet, um ihr Zimmer mit ein wenig Licht zu fluten. Dass hierdurch auch der Lärm der Gassen und vor allem die sommerliche Hitze mitsamt einem leichten Schwefelduft, welcher dank der nahen Quellen immer über der Stadt lag, herein drang, musste sie wohl oder übel in Kauf nehmen. Seit ihr heute Morgen der Brief dieses Ulfried von Argenklamm durch einen Boten übergeben wurde, konnte sie die mittägliche Pause kaum abwarten, um nach Hause zu eilen und das Schreiben zu lesen.
Nachdem sie die Zeilen jetzt überflogen hatte, war ihr ein wenig mulmig zumute. In knapp zwei Wochen weilte dieser Edle in Gratenfels und bat sie um ein persönliches Treffen. Entweder war er verdammt ehrlich und überaus naiv oder aber er spielte sein Spiel so gut, dass er Oda jetzt in eine Position gedrängt hatte, aus der sie sich nicht einfach herauswinden konnte. Oder gäbe es doch einen Ausweg? Sie richtete ihren Blick auf den Tisch und las noch einmal die letzten Zeilen des Schreibens:

“Falls ich Eure Intention jedoch missinterpretiert haben sollte und Ihr einer solchen Verbindung nicht zugeneigt wärt oder Ihr vielleicht auch nur Euren Schabernack mit mir treiben wolltet, so bitte ich Euch zumindest darum, meinem Ansinnen eines Treffens rechtzeitig, gerne auch informell, eine Absage zu erteilen. ”

Verdammt, er lag richtig. Sie wollte nur etwas Schabernack treiben, ein Spiel mit ihm spielen. Und sie dachte, er hielte es ähnlich.
Doch da war auch noch diese andere offene Frage: Wäre sie einer solchen Verbindung zugeneigt oder nicht? Ihr Vater, ja, ihr Vater wäre ganz sicher dagegen! Kräftige Ritterinnen und Ritter, das waren in seinen Augen die geeigneten Partner für die Kinder seines Hauses! Und nicht etwa Gelehrte, auch wenn Sie mit einem Gut am Rande der Zivilisation belehnt waren. Ja, ganz sicher. Ihr Vater wäre einer solchen Verbindung sicher nicht gewogen.
“Scheiß auf meinen Vater!”,
rief sie aus und hieb mit der Faust auf den Tisch, sodass eines der (zum Glück verschlossenen) Tintenfässchen kippte und auf dem Tisch hin und her rollte.
Ja, sie zürnte ihrem Vater. Ihr ganzes Leben blickte sie zu ihm auf, er war für sie ein Vorbild an Stolz und Standhaftigkeit. Und dann buckelte er vor der Geweihtenschaft und den versammelten Edelleuten. Er erniedrigte sich geradezu vor aller Augen! Auch vor den ihren. Seit dem Tag auf dem Tempelfest konnte sie ihrem Vater daher nicht mehr in die Augen blicken. Alle seine Reden und Mahnungen erschienen ihr schal und leer. Sie verlor an diesem Tag zwar nicht ihren Vater, aber die Person, für die sie ihren Vater ihr Leben lang hielt. Also wäre es ihr auch gleich, wie ihr Vater zu einem Bund mit jenem Edlen, der kein Ritter war, stünde.
Aber könnte sie sich denn eine solche Verbindung vorstellen? Sie schloss die Augen und rief sich das Gesicht dieses Ulfried vor Augen. Es gelang ihr nicht recht. Da waren diese kurzen Locken, die ihm ins Gesicht hingen. Diese dunklen Augen, das etwas markante Kinn. Aber alles blieb verschwommen.
Er schien zumindest sehr aufrichtig zu sein. Mehr, als man von den meisten Männern behaupten konnte, mit denen Oda mal mehr oder mal weniger intensive Verhältnisse hatte. Auch war er ein Edler, ein Gatte höheren Standes war für sie eigentlich nicht erreichbar.
Oda erhob sich vom Schemel und schritt an das geöffnete Fenster, wo ihr ein warmer Luftzug in ihr Gesicht blies. Sie stützte sich auf dem Fensterrahmen ab und ließ ihren Blick von links nach rechts die belebte Gasse unter ihr entlang streifen. Sollte dies ihre Heimat für den Rest ihres Lebens bleiben?
Sie reckte ihr Kinn in die Höhe und schloss die Augen. In ihren Gedanken sah sie sich auf einer kalten, zugigen Burg sitzen, der Blick aus den schmalen Fenstern fiel auf eine verschneite Berglandschaft. Neben ihr stand eine Wiege, in der ein kleines Kind schlief. Sie schüttelte sich. Doch dann trat ein gesichtsloser Mann auf sie zu. Er hatte dunkle Locken und legte ihr liebevoll die Hand auf die Schulter, ehe er ihr zärtlich einen Kuss auf die Wange hauchte. Rings um den Sonnenpunkt spürte sie mit einem Mal eine nur selten empfundene Wärme aufsteigen. Sie öffnete die Augen und atmete tief ein, die staubige Luft der Stadt kitzelte in ihrer Nase. Sie sollte jetzt nicht anfangen zu träumen, diesem Alter war sie schließlich entwachsen!
Dann lief sie zurück zu ihrem Schemel, setzte sich und stellte das umgefallene Tintenfässchen wieder auf. Als nächstes zog sie einen Pergamentbogen aus dem offenen Fach unter ihrem Tisch und atmete nochmals tief durch. Was hatte sie denn zu verlieren? Entweder er gefiel ihr oder er gefiel ihr nicht. Sie würde es ihm offen sagen, sobald sie dies wüsste. Aber zunächst musste sie ihn erst einmal kennenlernen.
Sie zückte ihre Feder, tupfte sie kurz in das Tintenfässchen und begann zu schreiben:

“Gratenfels, 11. Rahja 1045 BF

Geehrter College,

Ihr habt mich mit Euren Worten entlarvt. In der Tat habe ich ein Spiel mit Euch getrieben, zumindest in Teilen. Dies jedoch nicht mit böser Absicht! Ich selbst wusste nicht, wie ich Euer erstes Schreiben auffassen sollte. Wenn Ihr nun offen und ehrlich schreibt, so will ich dies ebenfalls so halten.

Ich habe in Gratenfels eine Anstellung als Assistenz des Truchsesses der Gräflichen Residenz gefunden, die mir ein erkleckliches Auskommen beschert. Bislang bin ich weder verheiratet noch versprochen, trotz meines Alters. Ich habe mich mit derlei Dingen seit Jahren nicht mehr beschäftigt. Denn ich sah auch keine Veranlassung, an meiner derzeitigen Situation etwas zu ändern. Ich bin nicht unzufrieden mit meinem Leben hier, so wie es ist.

Es lag mir daher fern, Euch mit meinem Schreiben zu umwerben, denn ich kenne Euch kaum. Auf der Altenberger waren wir zwar beide, doch ist meine Erinnerung an die Jünglinge dort nur vage. Selbst Euer Name war mir fremd.

Aber, auch das muss ich Euch gestehen, Ihr habt meine Neugier geweckt. Ich möchte wissen, wer diese Person ist, die mir solch einer ungewohnten Offenheit Briefe schreibt und durchaus die ein oder andere treffende Zeile über mich verfasst hat. Es spräche daher für mich nichts dagegen, sich in Gratenfels zu treffen, sofern wir beide dieses Treffen nicht mit einer trügerischen Hoffnung verbinden.

Ihr findet mich in der Webergasse, ich wohne in dem Haus mit den gelb getünchten Fensterläden. Bitte kündigt Euch einen Tag zuvor an.

Hochachtungsvoll

Oda von Aelgarsfels”

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Kapitel 5


18. Rahja 1045, Kaltenstein

Ulfried wühlte hektisch in der wuchtigen Truhe, die neben dem Bett in seiner Stube stand, nach seinen dünnen Strümpfen aus Weidenthaler Linnen. Die Rufe aus dem Zimmer seiner Mutter, welche über den Flur schallten, machten ihn zunehmend wütend.
“Gessa, Geeesssa! Gessa! Gessa! Geeeessa!”
Die Stimme seiner Mutter hob immer wieder an, flaute dann ab, um wieder spitz und eindringlich nach der Magd Gessa zu rufen. Zornig richtete Ulfried sich auf, trat mit seinem Fuß an die schwere Truhe und brüllte seinerseits so laut wie er vermochte:
“Mutter! Gessa ist nicht hier!”,
Doch vergebens, seine Mutter begann stattdessen immer lauter nach Gessa zu verlangen.
Dem jungen Edlen riss der Geduldsfaden. Er humpelte zur Tür seines Zimmer, riss sie auf und stakste die wenigen Schritte den Flur entlang, hinüber zu der Stube seiner Mutter. Als er die Türklinke drückte und die Tür ebenfalls aufreißen wollte, merkte er, dass sie verschlossen worden war. Er begann, heftig an der Tür zu rütteln. Seine Mutter jedoch ließ sich davon nicht beeindrucken und schrie einfach weiter.
“Geeessa! Gessa. Gessa. Geeessa!”.
Ulfrieds Zorn wuchs, er trommelte mit den Fäusten an die schwere Holztür und schrie ebenfalls lauthals, wobei sich seine Stimme überschlug:
“Gessa ist nicht hier! Und wenn du nicht augenblicklich ruhig bist, ich schwöre dir bei Boron, dann schicke ich dich in das verdammte Kloster!”,
Er hatte Erfolg, das laute Geschrei seiner Mutter verebbte und es war nur noch ein Wimmern zu vernehmen.
“Gessa soll kommen. Mir geht es nicht gut!”,
drang von drinnen zu ihm, gefolgt von einem wehleidigen Schluchzen. Ulfried atmete kurz durch und versuchte sich zu beruhigen. Als er antworten wollte, schlich sich jedoch nur ein heiseres Krächzen durch seine Kehle. Er hustete kurz und räusperte sich hernach. Dann zwang er sich zu einem fürsorglichen Tonfall:
“Ja Mutter, ich weiß. Sobald Gessa wieder hier ist, wird sie direkt zu dir kommen.”
Nach einem kurzen Wimmern fragte seine Mutter mit dem Unterton der Verzweiflung:
“Aber wo ist Gessa denn? Warum ist sie nicht hier?”
Ulfried schüttelte schicksalsergeben den Kopf. War es heute bereits das dritte oder schon das vierte Mal, dass er seiner Mutter die gleiche Erklärung geben musste? Er schloss die Augen und sprach:
“Heute ist Markttag. Sie ist gestern mit Gunhild nach Schnakensee gereist. Sie kaufen neuen Tee für dich. Und Kräuter. Morgen ist Gessa wieder zurück.”
Dann presste er seine Lippen aufeinander und zwang sich zu einem weiteren Satz:
“Soll ich dir etwas bringen, Mutter?”.
Nach einem Moment der Stille folgte die Antwort aus dem verschlossenen Zimmer:
“Ach, nein, mein Sohn. Du hast sicher besseres zu tun. Ich warte auf Gessa.”
Ulfried schüttelte erneut seinen Kopf und murmelte vor sich hin:
“Dann tu das bitte leise…”,
ehe er sich umwandte und zu seinem Zimmer zurück ging.
Die Heilerin aus Schnakensee war sich sicher, dass Mutter keine körperlichen Leiden habe, das hatte sie seit Jahren immer wieder betont. Bereits Ulfrieds Vater war aber an den Launen und scheinbaren Leiden seiner Gattin das ein oder andere Mal verzweifelt. Und seit Vater nicht mehr lebte, wurde es sogar noch schlimmer. Schloss sie sich zu Beginn in den kalten Monaten oft tagelang in ihr Zimmer ein, so tat sie dies nun auch schon mitten im Rahja! Sie öffnete es nur, wenn man ihr Essen und Trinken brachte, aber manchmal noch nicht einmal dann, sodass man es vor der Türe abstellen musste. Wenn sie zumindest für sich und im Stillen bliebe, aber nein, sie wurde auch zunehmend lauter und fordernder. Ganz so, als wolle sie absichtlich alle in ihrer Umgebung schikanieren und ebenso in den Wahnsinn treiben.
Die heilkundigen Therbuniten, die ein Kloster in Kranick betreiben, hätten sich ihr annehmen können und ihr vielleicht Linderung verschaffen. Doch eine Behandlung oder selbst nur ein Gespräch mit einem der Ordensmitglieder hatte Ulfrieds Mutter bislang vehement abgelehnt. Wenn sich ihr geistiger Zustand jedoch weiterhin verschlechtern sollte, bliebe Ulfried letztlich aber wirklich keine andere Wahl, als sie in das Kloster zu schicken. Spätestens wenn seine Schwester Gunhild irgendwann heiratet und dann nicht mehr auf Kaltenstein weilt, gibt es niemanden mehr, der Mutters Launen freiwillig ertragen würde. Er seufzte und ließ sich rückwärts mit ausgebreiteten Armen auf sein Bett fallen.
Morgen wollte er mit Gunhild die Reise nach Gratenfels antreten. Eine Reise ins Ungewisse. Zunächst traf er sich dort mit Lambrinus von Schweisfold, einem Freund der Familie und seines Vaters. Dieser wollte ihn mit Pralinda von Dachsgrün bekannt machen, einer Tochter des ihm nahestehenden Hauses Dachsgrün, von welchem Ulfried allerdings noch nie gehört hatte. Er war völlig ahnungslos, wer ihn da erwartete. Weder wusste er um ihr Alter, noch um ihr Gemüt oder ihre Ausbildung. Würde sie ihm gefallen? Gut, er war nicht in der Lage, besondere Ansprüche an das Äußere seiner künftigen Gattin zu stellen.
Oder doch? Er schloss die Augen und dachte an die Person, mit welcher er sich ebenfalls treffen wollte, Oda von Aelgarsfels. Und direkt schlug sein Herz schneller. Gestern erhielt er einen Brief von ihr, in welchem sie in ein Treffen mit Ulfried einwilligte. Das Schreiben war zwar distanziert, doch hatte er erstmals das Gefühl, dass ihm die “wahre” Oda schrieb. Und dennoch war Ulfried noch viel unsicherer, wie das Treffen mit ihr ablaufen würde, als er es bei dem Treffen mit dieser von Dachsgrün war. Er musste sich zudem eingestehen, nicht nur aufgrund dieser Unsicherheit schlug sein Herz schneller, sondern auch, weil Oda ihm gefiel. Sie war keine klassische Schönheit, aber sie hatte etwas an sich, das Ulfried im rahjanischen Sinne sehr anziehend fand, bereits damals, als Jungspund auf der Altenberger. Sie war von einer Aura der Wildheit umgeben, welche durch ihre lockigen, schwarzen Haare noch unterstrichen wurde. Dieser stechende Blick, der einem das Herz entweder gefrieren lassen oder ein Feuer darin entfachen konnte. Ihre kleine, wohlgeformte Nase, die nicht so recht in ihr Gesicht passen wollte, ihm jedoch das gewisse Etwas verlieh. Er schloss die Augen, stellte sich Oda vor, wie sie vor ihm stand und ihn mit ihren braunen Augen sowie stolz nach vorn gerecktem Kinn herausfordernd anblickte. Direkt spürte er eine Erregung in sich aufsteigen.
“Gessa? Gessa! Geeessa, wo bist du?”,
das Rufen seiner Mutter riss ihn jäh aus seinen Fantasien und er öffnete die Augen. Schluss damit, er konnte und wollte sie nicht länger ertragen müssen! Sobald er aus Gratenfels zurückkehrte, würde er eine Lösung finden. Auf dem Weg dorthin hätte er ausreichend Zeit, sich mit seiner Schwester zu besprechen.

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Kapitel 6


23. Rahja 1045 BF, im nördlichen Vairningen

Die beiden Pferde schritten langsam hintereinander den gut ausgebauten Karrenweg entlang und trugen ihre Reiter gen Süden. Neben ihnen liefen zwei Bewaffnete einher, die mit ihren leichten Lederrüstungen in der Mittagshitze schwitzten. Einer von beiden führte ein Maultier an einer Leine, das mit zwei großen Reisesäcken beladen gewesen ist.
Auf dem hinteren der beiden Pferde saß Ulfried von Argenklamm und grübelte vor sich hin. Gestern hatte er mit seiner Schwester besprechen wollen, dass man Mutter am besten in die Betreuung eines Klosters geben sollte, doch davon wollte Gunhild nichts hören. Im Gegenteil, seither sprach sie kein Wort mehr mit ihm.
Ulfrieds Blick fiel auf einen behauenen Stein, der gut sichtbar am Wegesrand stand. Auf ihm waren verschiedene Zeichen zu erkennen, die ein Steinmetz vor langer Zeit dort hinein gemeißelt hatte. Er blickte nach vorn, wo seine Schwester auf dem anderen Pferd saß und von dessen Gang langsam hin und her geschaukelt wurde.
“Schau nur, jetzt sind wir schon in Kranick!”,
rief er ihr zu, erhielt jedoch keine Reaktion. Er drehte sich um und blickte seinem Vetter Thusdrick ins Gesicht, der das Grautier an der Leine führte und auf den fragenden Blick Ulfrieds nur mit einem Schulterzucken reagierte. Auch Thusdrick war nicht gut auf ihn zu sprechen, hatte Ulfried doch darauf bestanden, dass sich sein Vetter den dünnen, dreifarbigen Bart abrasiert, bevor sie gestern Morgen nach Greifenfurt aufgebrochen sind.
Also richtete der Junge Edle seinen Blick nach oben und schloss die Augen. Die Praiosscheibe wärmte sein Gesicht, während das Pferd seinen Weg für einen Moment alleine finden musste.


Am frühen Abend erreichte die Reisegruppe den Weiler Dünnwald. Es würde zwar noch einige Stunden hell bleiben, aber der nächste Ort war dennoch zu weit entfernt gewesen, um ihn vor der Dämmerung noch zu erreichen. Also beschloss Ulfried, hier über Nacht zu rasten. Der hiesige Gasthof, das “Haus Wartberg”, passte nach Ulfrieds Geschmack so gar nicht nach Nordgratenfels. Zu teuer, zu edel, zu gestelzt. Aber insbesondere aufgrund der gepfefferten Preise wollte der junge Edle lieber auf einem kleinen Hof, in dem er in den vergangenen Monaten bereits das ein oder andere Mal abgestiegen war, nächtigen. Die Bauern waren bereit, für einige Münzen ihre Betten zu räumen, damit die ‘Edelleut’ darin schlafen konnten. Thusdrick und Idra würden gemeinsam mit den Kindern der Familie, deren Betten heute Nacht von ihren Eltern genutzt würden, im Stall schlafen. Zudem mundete ihm der herzhafte Käse, den die Bauern ihnen zum Abend mit noch warmem Sauerteigbrot und guter Butter auftischten, bestens.
Gunhild plauderte zwar gut gelaunt mit der Bauernfamilie, die ob dieser Redseligkeit ganz überrascht schienen und selbst eher wortkarg blieben, aber Ulfried bedachte sie weder mit einem Blick, noch mit einem Wort.
Erst als es draußen bereits dunkel wurde und beide gemeinsam nebeneinander im Bett lagen, wollte Ulfried nochmals einen Anlauf starten. Gunhild hatte sich von ihm weggedreht und stelle sich schlafend. Der junge Edle lag auf dem Rücken und flüsterte in die Dunkelheit:
“Ich bin mir sicher, wenn an meiner Statt Lambrinus hier läge, würde er dein bockiges Verhalten nicht tolerieren.”
Er wusste genau, dass seine Schwester diese Anspielung gar nicht lustig fände und er sollte Recht behalten. Sie schwang sich herum und begann, mit einer Faust nach ihm zu trommeln. Er konnte gerade noch die Arme schützend vor sein Gesicht halten, damit sie ihn dort nicht träfe.
“Was bist du nur für ein schlechter Bruder und schlechter Sohn!”,
zischte sie nach kurzer Zeit atemlos, ehe ihre Schläge abebbten und sie sich laut atmend neben ihm aufsetzte und ihre Knie umklammerte. Ulfried tat es ihr gleich und noch bevor er sich zur Gänze aufgerichtet hatte, hörte er sie bereits schluchzen.
Neben ihr sitzend, legte er seinen Arm um ihre Schulter, den sie nur halbherzig abzuschütteln versuchte, sich dann aber weinend ergab und das Gesicht in ihren Armen vergrub.
“Schon gut, tut mir leid,”
begann Ulfried in versöhnlichen Tonfall seine Schwester zu beruhigen,
“...du musst Lambrinus nicht heiraten, wenn du nicht möchtest, ich bleibe bei meinem Versprechen. Ich bitte dich aber, ihn nicht zu brüskieren.”
Er atmete tief durch.
“Und wegen Mutter…es wird immer schlimmer, das musst du doch auch sehen. Ich glaube, wir können ihr nicht helfen. Oder hast du eine bessere Idee?”.
Zu seiner Überraschung bekam er von ihr eine knappe, weinerliche Antwort:
“Nein.”
Ulfried rieb tröstend ihre Schulter und sprach:
“Siehst du. Vielleicht fällt uns aber noch etwas ein. Wir müssen uns heute ja nicht entscheiden.”
Zu seiner Überraschung fuhr Gunhild herum und nahm ihn in die Arme. Sie drückte ihn so fest, dass er den Halt verlor und wieder auf seinen Rücken kippte. Sie landete auf ihm, den Kopf auf seiner Brust und weinte nun bitterlich:
“Alle sind weg! Großmutter ist weg, Vater ist weg, Elid ist weg, Rudi geht bald auch. Wenn dann auch Mutter noch geht…”,
dann stockten ihre Worte. Ulfried legte eine Hand beruhigend auf ihren Kopf:
“Ich gehe nicht weg. Ich bleibe da.”
Da es finster war, konnte sie nicht sehen, dass auch Ulfried einige Tränen die Wange hinab rannen. Und damit ihm nicht ebenfalls die Stimme versagte, beschloss er zu schweigen.

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Kapitel 7


25. Rahja 1045 BF, Gratenfels

Oda ging unruhig in ihrem Zimmer auf und ab. Draußen war die Praiosscheibe bereits hinter den Dächern der Stadt verschwunden. Der Besuch, auf den sie wartete, hatte sich für die Tsa-Stunde angekündigt und jeden Moment musste der Gong des Tempels verkünden, dass diese herangebrochen war. Sie hielt erneut vor ihrem Fenster, welches auf die Gasse wies, inne und lugte vorsichtig hinunter. Keine der Personen, die sie dort sehen konnte, schien auf die Tür des Hauses zuzusteuern, in dem sie wohnte. Er würde es doch hoffentlich finden; gelbe Fensterläden, das war nicht schwer. Sonst stand in dieser Gasse kein weiteres Haus mit gelben Fensterläden. Zumindest nicht, dass sie wüsste. Oder hatte sie sich geirrt? Sie wurde unruhig, als plötzlich weithin vernehmbar der Gong des Hauses der Sonne die Tsa-Stunde einläutete. Und noch ehe der erste Gongschlag verklungen war, klopfte es auch an ihrer Türe und sie fuhr erschrocken herum. Konnte es sein, dass dieser Bursche schon die ganze Zeit draußen stand und nur auf den Gongschlag als Zeichen wartete zu klopfen? Verdammt! Konnte er hören, dass sie unruhig im Zimmer auf und ab lief? Das wäre so gar nicht in ihrem Sinne! Schnell hastete sie zu ihrem Schreibpult und kramte gut hörbar zwei Bücher aus einem Fach heraus…und direkt im Anschluss wieder hinein, während sie laut rief:
“Einen Moment noch!”
Als sie zur Türe schritt, blickte sie nochmals an sich herab. Sie Trug einen dunkelgrünen, gerafften Rock auf feinem Linnen, dessen Saum mit gelben Stickereien verziert war. Der Jahreszeit entsprechend hatte sie sich für schmale Ledersandalen als Schuhwerk entschieden, deren Riemen mit kleinen Messing-Spangen verziert gewesen waren. Ihre langen, schwarzen Locken trug sie offen und hatte lediglich mit ein wenig Khol ihre Augen betont. Den meisten Eindruck, da war sie sich ganz sicher, würde jedoch ihre Bluse machen. Diese war aus schlichtem, dunkelbraunem Linnen mit langen und weiten Ärmeln sowie einer Knöpfung bis zum Hals (wobei sie den oberen Knopf immer offen ließ). Oda hatte auch keine großen Brüste, die sie betonen konnte, allerdings war die Bluse so kurz geschnitten, dass man einen schmalen Streifen ihrer Haut zwischen Rock und Bluse sehen konnte, wenn sie stand. Das genügte zumeist, um die Gecken hier in Gratenfels um den Finger zu wickeln.
Sie straffte sich, atmete kurz durch und schritt zur Türe, die sie schwungvoll aufzog. Dahinter stand ein junger Bursche, der vielleicht Anfang zwanzig sein mochte und sie etwas überrascht anblickte. Er hatte ein schmales, aber sehr hübsches Gesicht und seine halblangen, dunkelbraunen Locken klebten stellenweise an seinem verschwitzten Kopf, der zudem leicht rot angelaufen war. Entweder war er hier her geeilt oder die hiesigen Temperaturen nicht gewohnt. Wobei, auch er verbrachte viele Jahre in Gratenfels, wie Oda sich in Erinnerung rief. Noch bevor er etwas sagen konnte, sah Oda an ihm herab. Ihr Besucher trug eine kurze Wildlederhose, die unterhalb der Knie geschnürt gewesen ist und in knielange, graue Wollstümpfe überging. Darüber konnte man ein hellgraues Hemd erkennen, das am Torso von einer Lederweste mit bronzenen Nietenverzierungen an den Schultern verdeckt wurde. Er stützte sich mit seiner linken Hand auf einen hölzernen Gehstock mit einer verzierenden Schnitzerei, die man im Halbdunkel des Treppenhauses jedoch nicht erkennen konnte. Sein Aufzug wirkte etwas altbacken, wie Oda fand. So manch gratenfelser Geck, den sie bedauerlicherweise kannte, würde sich bei dem Anblick zu Spott herausgefordert fühlen.
“Äh…hallo Oda!”,
stammelte er und zog mit der anderen Hand eine kleine, irdene Flasche hinter seinem Rücken hervor.
“Für dich!”,
fügte er hinzu, als er ihr das Gastgeschenk überreichte.
Oda nahm die Flasche entgegen, trat einen Schritt beiseite und machte eine einladende Bewegung:
“Komm’ rein. Ich bin gleich soweit.”
Der Bursche lächelte verlegen und humpelte in das Zimmer, bis vor den kleinen Tisch, den Oda auch als Schreibpult nutzte.
Als Oda die Türe schloss und sich zu ihm umwandte, bemerkte sie, dass er seinen Blick einen Moment zu lange auf die unbedeckte Stelle zwischen Rock und Bluse gerichtet hatte. In diesem Augenblick musste sie lächeln, denn sie wusste, sie hatte ihn in der Tasche.


Die beiden schlenderten schon beinahe zwei Stundengläser durch die Straßen der Stadt und ließen sich mal hier und mal da nieder, um zu verschnaufen und auch ein wenig von dem Honigwein, den Ulfried Oda schenkte, zu verköstigen. Es war ‘der gute Schnakenseeer’, wie Ulfried nicht müde wurde zu betonen. Oda fand ihn zwar etwas zu bitter, aber der süßliche Nachgeschmack war recht angenehm.
Die beiden hatten sich gerade auf die Stufen des Quellbrunnens an der östlichen Mauer gesetzt. Der junge Edle hatte seine Beine ausgestreckt und rieb sich sein rechtes Knie. Oda hingegen nahm noch einen Schluck des Honigweins und sah Ulfried von der Seite an. Ja, die letzten beiden Stunden waren durchaus kurzweilig. Sie mochte den jungen Burschen irgendwie. Er war nur vier Götterläufe jünger als sie, wie sich herausstellte. Also nicht ganz so jung, wie sie befürchtete. Zudem schien er klug und aufrichtig. Und witzig. Bereits mehrfach hatte er Oda mit einer spitzen Anmerkung oder einem Wortspiel, insbesondere über die Lehrer an der Altenberger, zum Lachen gebracht. Dazu war er zwar schmächtig, aber sehr hübsch. Am besten gefielen ihr seine Augen. Sie waren groß und dunkel und tief. Und darin schlummerte eine Traurigkeit, die von einem Besitz zu ergreifen schien, wenn man zu lange hinein blickte. Selbst dann, wenn er lachte. Und ja, auch er hatte am heutigen Abend schon lauthals mit ihr zusammen gelacht.
Aber dennoch stimmte etwas nicht, er wirkte seltsam distanziert, beinahe schon abwesend. Man merkte schon, dass er wenig bis keine Erfahrungen im Umgang mit Frauen hatte, doch war er entweder überaus prüde, was Oda nicht ausschließen wollte, oder aber etwas belastete ihn und lenkte ihn davon ab, die Zeit mit ihr zu genießen. Bei jemand anderem hätte es ihr Unruhe bereitet zu wissen, dass es etwas an der Person gab, das sie nicht durchdrang. Sie hatte gelernt, auf der Hut zu sein. Nun aber wunderte sie sich darüber, dass ihr stattdessen die Vorstellung kam, Ulfrieds Kopf auf ihren Schoß zu legen und ihm durch das schöne Haar zu streichen. Sie schüttelte sich kurz, um diesen sentimentalen Gedanken zu verdrängen und sah ihn fragend an.
Er saß noch immer leicht nach vorne gebeugt neben ihr und rieb sein Knie. Dann blickte er auf und lächelte Oda gezwungen an:
“Wir können gleich weiter.”,
sagte er entschuldigend, als Oda plötzlich aufstand.
Sie stellte sich vor ihm auf die Zehenspitzen und streckte sich mit erhobenen Armen, ganz so, als sei sie etwas erschöpft. Nicht, dass sie jetzt schon müde wäre, vielmehr hatte diese Geste einen ganz anderen Sinn. Wenn sie ihre Arme nach oben reckte, rutschte ihre Bluse so weit hoch, dass diese sogar Odas Bauchnabel entblößte. Ein verstohlener Blick zu Ulfried verriet ihr, dass er dies durchaus bemerkte. Seine Ohren wurden noch röter, als sie dies durch die halbe Flasche Honigwein ohnehin schon waren und er musste sich sichtlich dazu zwingen, seinen Mund wieder zu schließen. Oda grinste in sich hinein.
“Ähm, bist du müde?”,
frug er vorsichtig und blickte sie mit seinen großen, dunklen Augen an.
Oda grinste verschmitzt und antwortete fordernd:
“Nicht unbedingt. Willst du mich denn schon wieder loswerden?”
Ulfried hob beschwichtigend die Hände:
“Nein, nein, gar nicht. Ich dachte nur…du langweilst dich vielleicht.”
Jetzt war wohl ein Punkt erreicht, an dem Oda das Gespräch weg von den belanglosen Geschichten über die Schulzeit lenken konnte. Hin in eine interessantere Richtung. Diese Chance musste sie ergreifen, denn er schien so schüchtern, wenn sie es nicht täte, würde er es sicher nicht tun.
“Lass’ mich mal überlegen.”,
sie schüttelte die Tonflasche in ihrer Hand und man konnte nur noch ein klein wenig Glucksen hören.
“Scheint so, als wäre der ‘gute’ Honigwein so gut wie leer.”
Sie blickte die Gasse in beide Richtungen entlang.
“...und hier in der Nähe ist auch keine Schänke, die ich empfehlen könnte. Viele Möglichkeiten gibt es also nicht.”
Sie blickte wieder zu Ulfried, der nickend vor ihr auf den Stufen saß, seine Augen allerdings auf den Boden gerichtet hatte. Er murmelte halblaut:
“Ja, gut.”,
ehe er zu ihr aufblickte und wieder schief lächelte: “Es war ein schöner Abend, danke!”
Oda schüttelte verständnislos den Kopf und frug in ebensolchem Tonfall:
“Wie bitte?”
Dann merkte sie, dass sie zornig wurde. Wollte dieser Bursche sie etwas so ohne weiteres abservieren? Damit lässt sie ihn nicht so einfach davonkommen!
“Was heißt denn ‘Danke für den schönen Abend’?”,
fuhr sie ihn an und wollte oder konnte ihre Wut nicht zügeln.
“Willst du mich verhöhnen? Bist entweder nicht mit Hesindes Gaben gesegnet oder kennst Rahja nur vom Hörensagen!"
Sie stampfte sogar mit dem Fuß auf, als sie sah, dass er seinen Blick wieder zu Boden richtete und bei jedem Satz zusammenzuckte.
“Schau mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!”
Vorsichtig hob er seinen Kopf und Oda sah den Schrecken in seinen Augen. In seinen tiefen, dunklen Augen. Oda atmete durch. Von einem auf den anderen Moment tat er ihr leid, verdammt! Etwas versöhnlicher fügte sie hinzu:
“Jetzt schau nicht wie sieben Tage Efferdwetter, sondern sag mir endlich, was los ist! Gefalle ich dir nicht oder…”,
sie machte eine dramatische Geste mit ihrer Hand und ergänzte mit sarkastischem Ton:
“...genüge ich nicht den herrschaftlichen Ansprüchen?”
Der junge Edle sah noch immer traurig zu ihr hinauf, jedoch wandte er seinen Blick nicht ab. Er biss sich auf die Unterlippe und schien nach Worten zu suchen, die er nach einigen Augenblicken wohl gefunden hatte. Er klang dabei für Oda überraschend klar. So, als könnte er ihr endlich etwas sagen, was er schon den ganzen Abend mit sich herum getragen hatte. Ja, es klang wie eine Beichte.
“Doch, du gefällst mir. Und…”,
Oda begann zufrieden zu grinsen, ehe er weitersprach:
“...du genügst allen Ansprüchen, die man haben kann.”
Jetzt folgt ein ‘Aber’, dachte Oda bei sich und spannte sich wieder an.
“Aber der Tag heute war nicht einfach. Ich bin aus einem bestimmten Grund nach Gratenfels gereist. Dass ich mich mit dir hier treffen wollte, darauf hatte ich mich allerdings am meisten gefreut.”
Wieder lächelte er ihr zu, aber Oda war zu gespannt auf das, was er gleich noch zu erzählen hatte, als dass sie darauf einging. Nach einem Moment des Schweigens sprach er dann auch endlich weiter:
“Ein alter Freund der Familie bat mich und meine Schwester um ein Treffen. Wir sind beide noch ledig, also meine Schwester und ich, und er wollte uns mit einigen Personen bekannt machen.”
Er drehte seinen Kopf nach rechts und sah die Gasse entlang, ehe ihm ein Seufzer entfuhr.
“Tja, und dieses Treffen ist irgendwie ziemlich aus dem Ruder gelaufen.”
Er sah wieder zu Oda und schien zu erwarten, dass sie verstünde, worauf er hinaus will, aber Oda hatte keinen Schimmer und so frug sie ihn auffordernd: “Und?”
Ulfried kratzte sich verlegen am Kopf und richtete seine Augen wieder zu Boden. Er schien ihrem Blick nicht standhalten zu können.
“Und? Meine Schwester hat einen hochangesehenen Junker und dessen Söhne brüskiert und sich aus der Not heraus mit einem anderen verlobt, obwohl sie das gar nicht wollte. Und ich…naja, ich werde mich wohl morgen ebenfalls verloben müssen, wenn ich nicht noch mehr Unauer Porzellan zerschlagen möchte.”
Langsam sickerte der Sinn der Worte des jungen Edlen in Odas Bewusstsein und sie verspürte einen Stich in der Brustgegend. Kraftlos setzte sie sich neben Ulfried auf die Stufen des Brunnens und starrte in die Ferne.
“Ach, so ist das.”,
brachte sie hervor und ihrer Stimme fehlte jedwede Emotion.
“Es…tut mir leid.”,
stammelte Ulfried, doch Oda schossen tausend Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Sie kam sich zurückgewiesen vor, verraten. Sie war enttäuscht und ja, auch ein wenig Wut glomm noch in ihr. Sie versuchte sich an dieses Gefühl zu klammern. An diese Enttäuschung, die sie zornig werden ließ. Sie erinnerte sich an das erste Schreiben an diesen Edlen, an das Spiel, das sie spielen wollte. Hatte sie dieses nun verloren? Nein, sie kniff die Augen zusammen und sammelte sich. Sie hasste es zu verlieren und wenn hier jemand dem anderen die Regeln diktierte, dann war sie das! Sie zwang sich zu einem Lächeln und blickte zu Ulfried:
“Ich gefalle dir also?”
Der junge Edle antwortete mit einem verlegen Nicken und Oda fuhr fort:
“Gut, dann wollen wir doch sehen, ob du für deine künftige Verlobte eine Enttäuschung sein wirst.”
Sie lehnte sich zu Ulfried, legte ihre Hand unter sein Kinn und drückte ihre Lippen auf seine. Zunächst schien er erschrocken zurückweichen zu wollen, doch dann schloss er die Augen und sein Widerstand erstarb. Als sie dies spürte, öffnete sie ihre Lippen und küsste ihn innig und leidenschaftlich. Zaghaft legte er seine Hände an ihre Schultern und erwiderte den Kuss.


Das erste dämmrige Morgenlicht fiel durch die Ritzen des Fensterladens von Odas Zimmer. Sie lag auf die Seite gedreht in ihrem Bett und blickte an die Wand. Ulfried, der hinter ihr lag, hatte seinen Arm um sie gelegt und sie spürte seinen warmen Atem in ihrem Nacken. Sie musste ihn nicht sehen um zu wissen, dass er die Augen ebenfalls geöffnet hatte und sie betrachtete. Sie spürte es.
Nach dem Kuss am Brunnen gestern Abend führte sie ihn zurück in ihr Zimmer. Er beichtete ihr stotternd, dass er noch nie bei einer Frau gelegen hatte, was in Oda ein Triumphgefühl weckte und ihren Sieg umso süßer schmecken ließ, als sie ihn hastig auszog und auf ihr Bett legte. Sie zog sich anschließend ebenfalls aus und setzte sich auf ihn. Zugegeben, es war ein nur kurzes Vergnügen und die Freude für Oda daran nur mäßig, was sie ihm natürlich nicht sagte, sondern vielmehr das Gegenteil behauptete. Aber sein Blick ging ihr seither nicht mehr aus dem Kopf. Wie er sie mit seinen großen Augen anblickte, als könne er sein Glück kaum fassen. Er blickte nicht nur wortwörtlich zu ihr auf, sein Gesichtsausdruck verriet Bewunderung und Zuneigung, das gefiel ihr. Nein, mehr als das. Und es waren nicht nur diese Momente während ihres Liebesspiels, er sah sie auch davor und danach noch mit genau dieser Verzückung an.
Es reichte schon der Gedanke daran aus, um in Oda eine tiefe, innige Wärme zu verursachen, die sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. Sie wusste nicht, wie sie das einordnen sollte. Nein, das stimmte nicht, sie wusste es sehr wohl.
Ulfried schien zu merken, dass sie ebenfalls aufgewacht ist und er küsste sie sanft auf den Rücken. Mit der Hand seines Armes, welche er um ihren Oberkörper gelegt hatte, griff er sacht nach ihrer Hand.
“Oda?”,
frug er vorsichtig und sie antwortete mit einem fragenden:
“Hm?”.
“Ich…ich…”,
während Ulfried nach Worten suchte, schloss Oda die Augen, da sie wusste, jetzt näherte sich der Moment, in dem er oder sie eine Entscheidung treffen würde.
“...ich werde bei deinem Vater um deine Hand anhalten!”,
beendete er entschlossen seinen Satz.
Oda überlegte, was sie ihm erwidern sollte, doch ihre Lippen waren schneller als ihr Kopf und sie hörte sich sagen:
“Bist du wirklich so naiv, dass du glaubst, diese Nacht hätte etwas bedeutet?”
Sie presste die Augen noch enger zusammen, so, als müsse sie einen Schmerz aushalten. Und nach einem Augenblick der Stille merkte sie, wie Ulfried langsam seine Hand wegzog. Sie überlegte noch, ob seine Hand nicht einfach festhalten und nicht wieder loslassen sollte, doch auch hier waren ihre Gedanken zu langsam und sie ließ seine Finger durch ihre gleiten, ohne sich zu regen.
Auch als er sich aufrichtete und begann sich anzukleiden, rührte sie sich nicht. Just in jenem Moment, der sich wie ein Sieg anfühlen sollte, lag sie da wie versteinert.
Als er zuletzt auch seine Schuhe angezogen hatte, war es wieder still im Raum. Oda sah vor ihrem inneren Auge, wie er vor ihrem Bett stand und ihren Rücken betrachtete. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er etwas sagte.
“Das…war es dann?”
Seine stimme klang kühl und Oda konnte nicht mehr erwidern als:
“Ja.”
Er griff nach seinem Stock und sie hörte, wie er zur Türe ging. Er öffnete sie und blickte wohl nochmals zurück, denn es dauerte einige Sekunden, ehe man seine Schritte wieder hörte und er schließlich die Türe hinter sich wieder schloss.
Oda ließ sich langsam auf den Rücken rollen und starrte an die Decke. Sie fühlte eine zunehmende Leere in sich aufkommen. Langsam löste sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel und ronn ihre Wange herab. Nachdem die Schritte im Treppenhaus verhallt waren, stand sie ruckartig auf und hastete, nackt wie sie war, zu ihrem Fenster. Oda drückte ihren Kopf von innen an die Fensterläden und blinzelte mit ihrem Auge durch einen Spalt, durch welchen sie die Gasse, die in Richtung Marktplatz führte, im Blick hatte. Nach einem Moment trat Ulfried in ihr Sichtfeld. Sie konnte ihn von hinten sehen, wie er eilig, beinahe schon überstürzt, mit seinem Stecken in der Hand die Straße hinunter humpelte. Oda blinzelte eine Träne weg, und als sie ihr Auge wieder öffnete, bog er dann auch schon am Ende der Gasse um eine Häuserecke und war nicht mehr zu sehen.
Sie trat zwei Schritte vom Fenster zurück und ballte ihre Hände zu Fäusten. Dann begann sie zu schreien. Ob aus Verzweiflung oder aus Zorn, das spielte keine Rolle. Sie schrie einfach nur so laut sie konnte. Es war ihr in diesem Moment egal, dass sie das ganze Haus und wahrscheinlich auch die Nachbarhäuser wecken würde. Es war ihr egal, dass man wahrscheinlich nach den Bütteln rufen würde. Ihr war in diesem Moment, dem Augenblick ihres Sieges, alles egal. Oda wollte einfach nur schreien. Und sie schrie.

Ende