Travias Einsehen und der Lieblichen Gnade


Ort: Stadtmark Elenvina, Elenvina

Zeit: PHE 1044 B.F.

Inhalt: Im Rahmen der Feierlichkeiten des Allaventurischen Konvents 1044 BF kommt es für Wunnemar zu einem einschneidenden Erlebnis bei der Weihe des Rahjatempels, das sein weiteres Leben verändert.

Eine Briefspielgeschichte von RekkiThorkarson

Travias Einsehen und der Lieblichen Gnade

Was mit der der Suche nach dem, nach einem Saufgelage verschwundenen Kapitän der Elenvina Hornissen begann, entpuppte sich schnell zu einer Schnitzeljagd quer durch die Herzogenstadt. Von Schänke zu Schänke, über die in der Eilenwid stationierten Flussgardisten, bis ins heruntergekommene Hafenviertel, in die Kaschemme ‘Waljäger’ führte der verschlungene Weg. Nach einem beinahe Handgemenge in dem zwielichtigen Etablissement, kam es in den umliegenden Häusern zu einer blutigen Auseinandersetzung mit denen, die den Kapitän niedergeschlagen hatten.
Auslöser des hinterhältigen Überfalls war dabei wohl, dass der Kapitän namens Edo Eslebon einer Übergabe von Diebesgut ansichtig wurde. Diebesgut, bei dem es sich um nichts anderes handelte, als die goldene Gans- ein traviagefälliges Exponat aus dem Museum Elenvinas.
Wunnemar dachte entrückt an jenen Moment zurück, da er die zurückerbeutete Figurine des heiligen Tieres in Händen gehalten hatte. Eine goldene Gans- ausgerechnet sie, ausgerechnet er. Konnte es ein Zufall gewesen sein?
Und auch dieses Mal musste der Baron von Tälerort an die Hochzeit im Schnee zurückdenken. An den Zeitpunkt, da sein Schwertbruder Aureus und dessen Braut den Bund vor Travia geschlossen hatten.

Während ein Teil von Aureus Bundesbrüdern anfingen, enthusiastisch zu klatschen und laut “Küssen… küssen… küssen” riefen, hatte Wunnemar nur dagestanden und stumm in das Feuer unter dem heiligen Kessel gestarrt. Ganze Rinnsale von Tränen waren dabei seine Wangen hinab geflossen.
Sie war dort gewesen in den Flammen, die der gütigen Mutter geweiht waren- sie, seine Talina. Doch sie hatte ihm keinen Trost spenden wollen. Nein, diesmal nicht. Talina hatte nur gelächelt und ihm zugewunken- sie hatte sich verabschiedet.
Es war ein endgültiger Abschied gewesen, das hatte Wunnemar sofort gewusst. Er hatte es körperlich gespürt. Der Verlust entriss ihm einen Teil von sich, hinterließ ein Loch, dass ihm das Weiterleben als Last empfinden ließ und nicht selten hatte er sich nach dem Tod gesehnt.
Doch ein Kreis hatte sich geschlossen. Ein Kreis, der mit dem eigenen Travienbund von Talina und ihm, als auch unzertrennlich, mit ihrem Tod im Lazarett vor Mendena begonnen hatte und nun mit dem Bund seines Bundesbruders endete. Ein Bund, der nach dem Empfinden Wunnermars auch über den Tod hinaus bestand hatte- einfach haben sollte, fand sein endgültiges Ende, als ein neuer geschlossen wurde- gegen seinen Willen.
War es die Gnade der gütigen Mutter? Oder war es vielmehr nur Wunnemars tiefe Sehnsucht nach dem eigenen Glück, welches sein Unterbewusstsein schließlich ein gnädiges Einsehen finden ließ? Doch warum tat es dann so weh? Er wusste es nicht. Die Antwort kannten nur die Götter. Wunnemar aber empfand Verlust und unsäglichen Schmerz in seinem Herzen, dass ihm aus der Brust springen wollte.
Unbemerkt von den anderen, die im Trubel und bei all ihrer Freude nur Augen für die Brautleute hatten, hatte Wunnemar entkommen können, fliehen von alledem und allen seinen Freunden.

Wunnemar öffnete die tränenden Augen, doch in diesem Moment war es nicht ausschließlich Bitterkeit und Schmerz, die er empfand, nein, da war auch Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, Talina gekannt und Zeit mit ihr geteilt zu haben. Unzählige Eindrücke der Vergangenheit schwirrten in seinem Kopf.
Der Galebfurtener stand leicht desorientiert vor den Toren, auf den Treppenstufen des Tempel der Rahja, der kein ganzes Stundenglas vorher geweiht worden war.
Weihe. Ein viel zu belangloses Wort für das, was geschehen war. Wunnemar hatte gespürt, erlebt, nein durchlebt, wie Rahja eingezogen war in das IHR anempfohlene Haus. Er hatte IHREM heiligen Kelch gehalten. Er hatte von IHREM Tarf gekostet. IHR Wesen hatte ihn umfangen, mehr noch- erfüllt. Und ‘etwas’ war er zu diesem Zeitpunkt nicht benennen konnte, war von ihm genommen worden.
Zutiefst verwirrt und immer noch entrückt von dem Geschehenen, schlug Wunnemar den Weg zum Tempel der gütigen Mutter ein, den er im Schlaf hätte finden können.

Was Wunnemar zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, war, dass er an jenem frühen Morgen von Tempel der gütigen Mutter zurückgewiesen werden würde, in das Haus kein Einlass erhalten würde, in dem er stets Zuflucht gefunden hatte, wenn er in Elenvina weilte. Die Geweihte, die ihm die Tür öffnen würde, eine Frau, die ihn und seine Frömmigkeit nicht nur seit Jahren kannte, sondern auch die Geschichte um Mendena, den Bund mit Talina und sein Gelübde, würde ihn lange anblicken und schließlich sagen:
“Heute wirst du hier keinen Frieden finden. Dein Herz weiß es bereits, doch dein Verstand will es noch nicht wahrhaben. Geh hin und suche Zuflucht im Haus der heiteren Göttin. Die Schützerin der Schwüre hat die Treue zu deinem Gelübde geprüft und du hast bestanden vor IHREN Augen.
Die Liebliche hat deine Seele berührt. Sie vermochte es die Gütigkeit der Allzeit Treuen zu wecken. Dein Gelübte ist von dir genommen. Geh hin und preise Travias Einsehen und Rahjas Gnade, vereint im Sinne IHRER Schwester Tsa.”
Und Wunnemar würden die Plakate und Rufe der Tsa- Anhänger in den Sinn kommen: ‘Lebt im Jetzt’. Und sein Leben würde in gewisser Weise neu beginnen.

Die Wege der Götter- der Göttinnen in diesem Falle, sind unergründlich.

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