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Die Baronie Schnakensee gehörte zu einer der ärmsten und dünn besiedelsten Gegenden in ganz Nordgratenfels. Am Rande eines sumpfigen Gebietes, welches durch Altarme der Ambla dominiert wurde (darunter auch der Namensgebende Schnakensee), lag der Hauptort der Baronie, Schnakensee. Dieses Dörfchen beherbergte nicht einmal einhundert Einwohner und ihr hattet erfahren, dass es hier einmal im Mond einen mehrtägigen Markt geben soll, zu dem die Ortschaft aus allen Nähten platzt. Zur Ambla selbst, die etwa eine Meile gen Firun träge dahin floss, führte ein Bohlenweg durch sumpfiges Gelände, bis hin zu einer, allerdings nur wenig genutzten, Anlegestelle.<br>
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Die Baronie Schnakensee gehörte zu einer der ärmsten und dünn besiedelsten Gegenden in ganz Nordgratenfels. Am Rande eines sumpfigen Gebietes, welches durch Altarme der Ambla dominiert wurde (darunter auch der Namensgebende Schnakensee), lag der Hauptort der Baronie, Schnakensee. Dieses Dörfchen beherbergte nicht einmal einhundert Einwohner, und doch soll es einmal im Mond einen mehrtägigen Markt geben, zu dem die Ortschaft aus allen Nähten platzt. Zur Ambla selbst, die etwa eine Meile gen Firun träge dahin floss, führte ein Bohlenweg durch sumpfiges Gelände, bis hin zu einer, allerdings nur wenig genutzten, Anlegestelle.<br>
 
Noch trostloser als diese lose Ansammlung von Hütten, die teilweise auf Stelzen errichtet wurden, war jedoch die Burg der Baronin. Gelegen auf einer kleinen Anhöhe oberhalb des Dorfes, bestand die Burg aus einem viereckigen Bergfried sowie zwei Fachwerkgebäuden und einem großen Stall, die allesamt von einer gut drei Schritt hohen Steinmauer umgeben waren.<br>
 
Noch trostloser als diese lose Ansammlung von Hütten, die teilweise auf Stelzen errichtet wurden, war jedoch die Burg der Baronin. Gelegen auf einer kleinen Anhöhe oberhalb des Dorfes, bestand die Burg aus einem viereckigen Bergfried sowie zwei Fachwerkgebäuden und einem großen Stall, die allesamt von einer gut drei Schritt hohen Steinmauer umgeben waren.<br>
 
Allerdings befanden sich die Außenmauern in einem bedauernswerten Zustand, waren hier und da in den morastigen Boden eingesunken, teilweise eingefallen und größtenteils ist auch der Wehrgang nicht mehr nutzbar gewesen. Nicht viel besser sahen die Wirtschaftsgebäude aus, so wurden die Stallungen von zusätzlich angebrachten, dicken Holzpfählen, die auf breiten Steinplatten im Boden ruhten, vor dem Einsturz bewahrt. Um den Bergfried hatte man jedoch Gerüste aufgebaut und man sah eine Handvoll fleißiger Arbeiter, die versuchten, das Gebäude zu erhalten und zu sanieren.
 
Allerdings befanden sich die Außenmauern in einem bedauernswerten Zustand, waren hier und da in den morastigen Boden eingesunken, teilweise eingefallen und größtenteils ist auch der Wehrgang nicht mehr nutzbar gewesen. Nicht viel besser sahen die Wirtschaftsgebäude aus, so wurden die Stallungen von zusätzlich angebrachten, dicken Holzpfählen, die auf breiten Steinplatten im Boden ruhten, vor dem Einsturz bewahrt. Um den Bergfried hatte man jedoch Gerüste aufgebaut und man sah eine Handvoll fleißiger Arbeiter, die versuchten, das Gebäude zu erhalten und zu sanieren.

Version vom 7. September 2023, 10:30 Uhr

Überblick

Inhalt

Adula von Schnakensee, die Baronin von Schnakensee, hat im Rahja des Jahres 1045 BF ein Hilfegesuch an junge, vertrauenswürdige Kämpen gerichtet. Um welches Problem es sich handelt, für dessen Lösung die Baronin gleich auf mehrere Bewaffnete zurückgreifen muss, erfahren die Angeworbenen allerdings erst vor Ort.

Teilnehmer

Die Ladung

"25. Ingerimm 1045 BF, Burg Schnakensee

Sehr geschätzer Streiter für die rechte Sache,

in meiner beschaulichen Baronie regt sich ein Übel, welches ich bereits überwunden glaubte.

Ich möchte aus diesem Grunde gerne auf wackere Kämpfen vertrauen, welche sich der Angelegenheit in meinem Namen annehmen. Selbstverständlich ist Euer Name einer der ersten, die mir in den Sinn kamen, ist Euer Leumund doch tadellos und Eure Tapferkeit weithin gerühmt.

Falls Ihr mir behilflich sein werdet, so soll es Euer Schaden nicht sein, Ihr werden finanziell ordentlich entgolten und auch möchte ich mit meinen Worten Euren Ruhm in Nordgratenfels weiterhin mehren.

Ich erwarte euch zum 14. Rahja des Jahres 1045 auf Burg Schnakensee. Falls ihr etwas früher anreisen solltet, stelle ich Euch selbstverständlich gerne eine Unterkunft.

Mit rondrianischer Hochachtung

Adula von Schnakensee, Baronin von Schnakensee und Edle von Sprötzquell"

Prolog

Die Ankunft

Die Baronie Schnakensee gehörte zu einer der ärmsten und dünn besiedelsten Gegenden in ganz Nordgratenfels. Am Rande eines sumpfigen Gebietes, welches durch Altarme der Ambla dominiert wurde (darunter auch der Namensgebende Schnakensee), lag der Hauptort der Baronie, Schnakensee. Dieses Dörfchen beherbergte nicht einmal einhundert Einwohner, und doch soll es einmal im Mond einen mehrtägigen Markt geben, zu dem die Ortschaft aus allen Nähten platzt. Zur Ambla selbst, die etwa eine Meile gen Firun träge dahin floss, führte ein Bohlenweg durch sumpfiges Gelände, bis hin zu einer, allerdings nur wenig genutzten, Anlegestelle.
Noch trostloser als diese lose Ansammlung von Hütten, die teilweise auf Stelzen errichtet wurden, war jedoch die Burg der Baronin. Gelegen auf einer kleinen Anhöhe oberhalb des Dorfes, bestand die Burg aus einem viereckigen Bergfried sowie zwei Fachwerkgebäuden und einem großen Stall, die allesamt von einer gut drei Schritt hohen Steinmauer umgeben waren.
Allerdings befanden sich die Außenmauern in einem bedauernswerten Zustand, waren hier und da in den morastigen Boden eingesunken, teilweise eingefallen und größtenteils ist auch der Wehrgang nicht mehr nutzbar gewesen. Nicht viel besser sahen die Wirtschaftsgebäude aus, so wurden die Stallungen von zusätzlich angebrachten, dicken Holzpfählen, die auf breiten Steinplatten im Boden ruhten, vor dem Einsturz bewahrt. Um den Bergfried hatte man jedoch Gerüste aufgebaut und man sah eine Handvoll fleißiger Arbeiter, die versuchten, das Gebäude zu erhalten und zu sanieren.

Unterhalb der Handwerker hielt gerade eine rotblonde Frau inne und blickte zum Bergfried hinauf, nachdem sie zuvor das offene Tor und die Wache auf dem Torturm passiert hatte. Unwillkürlich beschirmte sie die Augen gegen den strahlend blauen Himmel und gab ihrem bepackten Apfelschimmel mit einem Schnalzen ein Zeichen - eines, das ihr Ross offenbar aufgrund von Hämmern und Rufen überhörte: Als sich Mensch und Tier streiften, schreckte der Schimmel auf, doch zu spät. Schon bellte die abgesessene Reiterin in klarem Alberned: “Breac, du Schlafmütze!”

Gemächlich näherte sich Reiterin und Stute der Burg. Es war viele Götterläufe her, dass sie das letzte Mal diese Burg besucht hatte. Damals war sie gemeinsam mit ihrer Schwester und ihrem Vater hierher gereist, um ihren älteren Bruder in die Knappschaft zu geben. Als Erbe hatte er unter dem Herrn Baron lernen sollen. Hier, wo es nichts als Bäume und morastigen Grund gab. Dennoch hatte er es geschafft und sein großes Ziel bereits jetzt mit großem Erfolg vorangetrieben, indem er den Namen des Hauses aus eben jenem Wald ins Reich heraustragen und sein Schild mit Ehre beladen hatte. Ein wenig neidete sie ihm, zugleich war sie aber auch froh, noch immer hier in der Heimat zu sein.
Da sie selbst derart in ihren Gedanken versunken gewesen war, hatte sie überhaupt nicht mitbekommen, wie ihre Stute ein Stück hinter dem Apfelschimmel der Unbekannten gehalten hatte. So war es ihr Fluchen, dass sie aus ihrer kleinen Welt herausriss, ohne dass sie deren Worte verstanden hatte. Nach einem kurzen Impuls der Reiterin, machte die Stute auch noch ein paar weitere Schritte und hielt gleich auf erneut an.
“Rondra zum Gruße, Hohe Dame”, begrüßte sie die Unbekannte, der sie aufgrund ihres Erscheinungsbildes den Ritterstand zustand.

Sehr viel eiliger schien es ein weiterer Reiter zu haben, der dem Amblalauf flussaufwärts folgend zunächst von Westen heranpreschte und nun auf seiner dunkelbraunen Svellttaler Stute zügig die Burganhöhe erklomm. Auch wenn er offenkundig vollkommen pünktlich war, wollte Firin von Landwacht keinesfalls als letzter oder gar Nachzügler hier eintreffen. Ohnehin wirkte der Ort alles andere als einladend auf ihn - hatte er sich, aus dem Süden des Herzogtums stammend, in seiner ersten Zeit als Ritter im Dienste der Baronin Wunnemine von Fadersberg zunächst bereits an das eher herbe Ambelmund gewöhnen müssen, erschien ihm jenes inzwischen im Vergleich zu seinem heutigen Ziel durchaus ansehnlich. Es brauchte eben immer nur den richtigen Maßstab, dann war es überall schön...
Firin verscheuchte diese Gedanken - er war schließlich nicht hier, um die Reize Schnakensees zu erkunden, sondern, um ihm Einvernehmen mit seiner Dienstherrin deren Nachbarin zu Hilfe zu eilen, ergo vertrat er heute nicht nur sich selbst, sondern auch den Hof seiner Herrin und sowieso immer und zu jeder Zeit den Orgilsbund. Außerdem war er jetzt ja da. Rasch brachte er sein Pferd zum Stehen und schwang sich - sehr bewusst - behänder, als er sich nach dem längeren Ritt fühlte, aus seinem Sattel. Von nahem betrachtet fiel das junge, verschwitzte Gesicht auf, das von einigen verstohlen unter der Kettenhaube hervorlugenden Strähnen seinen dunkelblonden Haares gesäumt und durch einen noch recht dünnen Vollbart eher weichgezeichnet als markant geprägt wurde.

"Rondra zum Gruße, Ihr hohen Damen!" stimmte der Landwachter in den Gruß der vor ihm angekommenen Ritterin ein. "Seid Ihr auch dem Ruf ihrer Hochgeboren gefolgt?".
“Die Sturmherrin auch mit Euch beiden, Wohlgeboren?” Ein fragender Unterton war hinsichtlich der Anrede herauszuhören.
“Werte Dame reicht bei mir aus - mein Name ist Yanna Faenafir”, warf die Albernierin ein. Als sie sich zu den beiden Berittenen umwandte, kamen ihre langen Schläfenzöpfe auf dem geflochtenen Lederkoller und blauem Waffenrock in Bewegung. An ihrem Wehrgurt glänzte der Praiosschein auf der Drahtumwicklung am Heft eines Langschwertes, dessen Klingenform für albernisches Waffenvolk untypisch schlank schien.
Die Richtwalderin nahm derweil ihre Ketten- und die darunter liegende Lederhaube ab und offenbarte damit ihr schwarzes mittellanges Haar. Selbst als sie noch hoch zu Ross saß, war bereits klar, dass sie nicht die Größte war. Ein Umstand, der sich bestätigte, als sie sich durchaus elegant aus dem Sattel schwang. Leise klirrte dabei ihr langes Kettenhemd, welches zumindest an den Armen gut zu sehen war. Der größte Teil jedoch verschwand unter ihrem schwarzen Wappenrock, auf dem Stolz, geteilt in Schwarz und Silber, oben goldene gekreuzte Schwerter und unten vier grüne Eicheln zeigte.
“Nun dann Rondra zum Gruße, werte Dame Yanna”, nahm sie die Worte der Albernierin freundlich auf. “Aurea Lechmin von Richtwald, sehr erfreut Euch kennen zu lernen.” Daraufhin wandte sie sich dem Landwachter zu: “Und auch Euch Rondra zum Gruße, eiliger und dienstbarer Herr”, wobei eine kleine Portion Stichelei unterschwellig mitschwang.
Die Albernierin hatte sich bei der Vorstellung der Richtwalderin leicht verneigt - eine Geste, in der ihr der gerade eingetroffene junge Nordmärker-Rittersmann in nichts nachstand.
"Firin von Landwacht, ebenfalls sehr erfreut!", stellte er sich dabei vor, "bei mir tut 'Hoher Herr' der Etikette vollauf genüge, ich bin Ritter im Dienste ihrer Hochgeboren zu Ambelmund." Mit letzterem offenbarte er nur, was für jeden mit der Gegend vertrauten bereits seinem blauen Wappenrock zu entnehmen war, auf dem das silberne Schild mit der roten Spindel und dem dreigipfligen blauen Berg prangte. "Und meine Eile war wohl mehr als angemessen, sollte ein Ritter eine Dame - ganz gleich ob selbst Ritterin oder weit weniger wehrhafte Hofdame - doch niemals warten lassen, zumal dann," zwinkerte er Aurea von Richtwald zu, "wenn sie selbst ihm offensichtlich ganz edelmütig jede Gelegenheit einräumt, eine solche Scharte gar nicht erst auswetzen zu müssen."
“Da liegt wohl eine Vorgeschichte in der Luft”, stellte Yanna grinsend das allzu Offensichtliche fest und ließ die Feststellung einen langen Moment zwischen ihnen lasten.
"Aber keine lange und schon gar keine schmerzliche, dies sei Euch versichert”, betonte Firin, ebenfalls grinsend. “Eher Dankbarkeit meinerseits, dass recht wenig frisch aufgewirbelter Staub in der Luft hing, der sich zwischen die Zähne hätte setzen können, als ich das Burgtor passierte, gepaart mit Nordgratenfelser Herzlichkeit, die wir beide einzuordnen und zu schätzen wissen."
“Nordgratenfelser Herzlichkeit?”, echote die Albernierin und runzelte die Stirn. Dann erhellte sich ihr Gesicht wieder und sie nickte verständig: “Versteht Ihr darunter die gleiche Art von scheinbar überlegenem Spott, der auch Worte wie Albermund hervorgebracht hat?”
"Ihr spielt auf Albernisch Ambelmund, die kleine Fährstation am anderen Tommelufer an?" fragte Firin mit unschuldigem Gesichtsausdruck nach. "Ja, der Volksmund hat durchaus Sinn für Humor und noch mehr für treffliche Verkürzungen. Aber ich glaube, das ist nicht nur in Nordgratenfels und den Nordmarken so, sondern gewiss sogar in Albernia."
Von welcher Herzlichkeit der Landwachter redete, war Aurea unklar, waren die Menschen in Schnakensee doch meist eher skeptisch und bedacht. Es mochte Travias Geboten entsprechen, niemanden das Obdach zu verwehren, allerdings gebot es auch der gesunde, von Hesinde gegebene, Menschenverstand, dass man seinen Gast, bevor man ihn in die gute Stube ließ, gründlich in Augenschein nahm. Nach außen hin quittierte sie die Worte Firins jedoch nur mit einer leicht gehobenen Augenbraue, weshalb die Freie erneut das Wort ergriff.
“Ja, da habt Ihr recht, Hoher Herr. Mancher Spitzname für den eigenen Nachbarn mag lieber in Vergessenheit geraten, da übertriebener Hohn und Spott doch nur die Menschen dauerhaft entzweit.” Obwohl ihre Worte durchaus versöhnlich geklungen hatten, blickte Yanna den Dienstritter einen Moment ernst und abwartend an.
"Da habt Ihr zweifelsohne Recht, werte Dame." räumte Firin ein. Er war Dienstritter seiner Herrin und als solches auch dem Schutze ihrer Untertanen verpflichtet, damit aber noch lange nicht gezwungen, jedwede Lästerei des einfachen Volkes zu rechtfertigen oder zu seiner Herzensangelegenheit zu machen. "Ob Albermund ein solcher ist, müssten wir die Albermunder am besten selbst fragen. Aber ich habe in der erst recht kurzen Zeit, die ich in Ambelmund weile, nicht den Eindruck gewonnen, über die Tommel hinweg herrschten bereits nostragaster Verhältnisse oder auch nur schlechtere Beziehungen als anderenorts an der gemeinsamem Provinzgrenze... solange der Fährbetrieb ein gutes Auskommen abwirft, sieht man drüben über manche diesseitige Lästerei geflissentlich hinweg."
Wieder huschte ein Lächeln über das Gesicht der Freien, als sie Firin mit ihren blauen Augen direkt ansah: “Ein nordmärkischer Ritter, der albernischen Langmut preist…”, stellte sie fest. “Soviel Weisheit werde ich nicht vergessen, Hoher Herr”, und verbeugte sich angedeutet gegenüber Firin.
Firins Brauen hoben sich, dann nickte er Yanna gemessen zu. "Nordmärker Ritter wissen durchaus zu loben, was des Lobes wert ist." Dass es somit nicht an ihnen lag, dass sie es in albernische Richtung so selten taten, diesen Gedanken behielt er in diesem Moment für sich.
“Hört, hört…”, gab sie zurück, fuhr jedoch sogleich fort, “ich schulde Euch übrigens noch eine Antwort: Ja, ich bin dem Ruf Ihrer Hochgeboren hierher gefolgt. Eine Aufgabe von wohl einigem Gewicht muss das sein”, vermutete die Albernierin und ließ ihren Blick über die beiden Ritter und ihre Tiere gleiten - richtige Streitrösser, mit denen sich ihr etwas kleinerer Apfelschimmel kaum messen konnte. Dazu war Breac bepackt mit Satteltaschen und Gepäckrolle, außerdem hing am Sattelknauf ein Wasserschlauch und eine rote Tasche aus grobem Leinen. Letztere nahm die junge Albernierin nun über die Schulter und warf einen schnellen Blick in Richtung der Nebengebäude, wo sie bereits vorhin weitere Bewegung ausgemacht hatte.
"Das will ich meinen! Ich brenne darauf, zu erfahren, um was es genau geht. Auch deshalb hatte ich es so eilig", erklärte Firin mit einem Seitenblick zu Aurea. "Wisst Ihr, wie zeitlich dringlich die Angelegenheit ist?" Er glaubte zwar, dass die beiden Ritterinnen auch nicht mehr wussten als er, aber vielleicht irrte er sich diesbezüglich ja. "Es wird ja gewiss nicht bereits heute schon weitergehen, nicht wahr, so dass unsere Rösser doch sicher abgesattelt werden können?"
“Welches Anliegen Ihrer Hochgeboren auf dem Herzen liegt, weiß ich nicht. Ich nehme allerdings an, dass Hochgeboren uns heute Nacht jedoch erstmal willkommen heißen und uns umfassend informieren wird. Aufbrechen, wohin auch immer dies der Fall sein wird, werden wir vermutlich erst morgen.” Ihrer aller Wege waren unterschiedlich lang gewesen. Aurea war zuletzt oft auf der Vainburg und half den Rittern ihrer Schwägerin dabei, die Lande zu sichern, als sie die Bitte der jungen Baronin ereilt hatte. Auf dem direkten Weg wäre sie über Avesstein und Weidenthal hierher gekommen, allerdings war sie noch über den Richtwald geritten und hatte ihre Base, die Vögtin ihres Bruders, über das Gesuchen Ihrer Hochgeboren informiert. “Doch eh wir länger herumraten, lasst uns unsere Rösser unterbringen und Hochgeboren selbst fragen”, beschied sie und machte sich auf den Weg.
“So wollen wir es halten”, schloss sich Firin ohne weitere Umschweife an. Ein Gespräch mit der Baronin würde gewiss ihrer aller Wissensdurst stillen… und hoffentlich nicht nur diesen…

Als sich die Gäste umblickten, bemerkten sie, dass sich der offene Eingang der Stallungen direkt neben ihnen befand. Von drinnen drangen nur wenige Geräusche nach draußen, es war jedoch nun deutlich eine menschliche Stimme zu vernehmen, die laut sprach.
“Die Zwölfe zum Gruße. Ist da wer?”, rief die Nordgratenfelserin vor der Stallung stehend. “Wir wurden von Ihrer Hochgeboren eingeladen und würden gern unsere Rösser unterstellen und versorgen …”, ihr letzter Satz endete unerwartet, fast so, als hätte sie noch ein lassen anfügen wollen.
Das Gespräch schien abzuebben, bis schließlich nur noch Gemurmel zu hören gewesen war, welches jedoch näher kam. Da ausreichend Tageslicht durch das breite Scheunentor drang, konnte man gut die ältere, kleine und dickliche Frau sehen, die um eine Ecke bog und sich den Neuankömmlingen mit fragendem Blick und watschelndem Gang näherte. Doch auch als sie beinahe schon im Tor stand, war noch immer niemand zu sehen, mit dem sie sich weiterhin unterhielt. Dennoch blickte sie sich immer wieder um, als folge ihr jemand.
Als die Frau durch die Toröffnung nach draußen trat und schließlich vor den Fremden stand, kniff sie ihre Augen ob des hellen Lichts der Praiosscheibe zusammen und musterte die Personen und mehr noch ihre Reittiere. Auch das Gespräch der Frau Gespräch schien verstummt zu sein. Sie machte einen etwas tumben Eindruck, so stand ihr Mund etwas offen und dahinter waren schiefe Zähne zu erkennen, mit welchen sie ab und an auf ihrer Unterlippe kaute.
Bevor jemand etwas sagen konnte, hörte man von links eine kräftige Stimme: “Und jetzt schleich dich, du Faulenzer!” Direkt an der Ecke des Gebäudes versetzte ein älterer, aber stämmiger Mann mit kurzen, rotbraunen Haaren einer jungen Frau einen Tritt in den Allerwertesten und zeigte dabei auf die Reisenden und ihre Reittiere. Als er sah, dass die Blicke auf ihn gerichtet waren, nickte er militärisch knapp und wandte sich wieder um, um hinter der Scheune zu verschwinden. Das gescholtene Mädchen, wohl eine Magd, nahm die Beine in die Hand und rannte eilig die gut zwanzig Schritt zu der Gruppe von Neuankömmlingen.
Dort angekommen machte sie eifrig einen Knicks und blickte dann entschuldigend zu der älteren Frau, die noch immer unschlüssig vor der Gruppe stand und auf die Pferde gaffte. “Ich kümmere mich um die Pferde der hohen Herrschaften!”, sprach das Mädchen mit einem gewinnenden Lächeln auf den Lippen und machte sich daran, die Zügel von Dascha aus Firins Hand zu nehmen.
“Habt Dank! Dascha ist ein gutmütiges Tier”, warf er dem Mädchen hinterher. “Doch sorgt ja dafür, dass ihr kein Huhn plötzlich über den Weg läuft. Dann gerät sie leicht außer Rand und Band!” Der Ritter hatte bis heute nicht verstanden, warum seine Svellttaler Stute seit einigen Monden so panische Angst bekam, wenn eines dieser eierlegendes Federviecher unmittelbar vor ihr auftauchte. Er musste ihr diesen Wahnsinn jedenfalls rasch wieder austreiben…
Die Richtwalderin wartete noch einige Augenblicke und musterte die drei Angehörigen des Hofes. "Der große hier mag Möhren, Männer mag er allerdings nur ungern in seiner Nähe haben - zumindest wenn ich nicht dabei bin. Und wenn du ihn etwas abreibst, bleib ja neben ihm. Wenn er dich nicht sehen kann, keilt er sonst gern mal aus." Damit kraulte sie dem Pferd nochmals den Hals und entließ es dann Richtung Stallung.
Noch auf den ersten Schritten von Aureas Stute ergriff jedoch Yanna forsch deren Zügel und führte das Tier auf das Mädchen zu. “Ich kann für mein eigenes Ross sorgen, hab’ Dank. Außerdem gehöre ich nicht zu den hohen Herrschaften”, stellte Yanna richtig und bot dem Mädchen die Zügel von Aureas Ross.
Das Mädchen hatte bereits die Zügel von Dascha in der Hand und blickte sich daher überrascht um, als Yanna mit zwei Pferden auf sie zukam. Allerdings griff die ältere, untersetzte Frau beherzt nach den Zügeln von Aureas Reittier, als Yanna dieses an ihr vorbei führte. Sie murmelte dabei einige unverständliche Worte und blickte dem Tier mit zur Seite geneigtem Kopf in das Gesicht. Von der Seite betrachtet, standen ihre Haare noch wirrer von ihrem Kopf ab. Dann rieb sie ihre Wange an der des Pferdes, was dieses mit einem behutsamen Schnauben quittierte, ehe es sich von der älteren Frau in den Stall führen ließ.
“Ich bin übrigens Yanna… und wie heißt du?”, fragte Yanna und schickte sich an, Breac durch das offene Tor in den Stall zu führen.
Dort war die junge Magd mit Yanna an ihrer Seite bereits eingetreten und stellte sich auf dem Weg artig vor: “Ich bin Gessa, hohe Dame, die Stallmagd!” Ob sie Yanna wenige Augenblicke zuvor nicht richtig zugehört hatte oder das Gesagte nicht zuordnen konnte, blieb unausgesprochen. Mit dem Daumen ihrer freien Hand deutete sie dann über die Schulter, wo Aureas Pferd von der älteren Frau mit watschelndem Gang ebenfalls in den Stall geführt wurde. Gessa beugte sich dabei leicht zu Yanna und flüsterte: “Das ist Herrin Brinburga, die Stallmeisterin.”
Als sich die Augen etwas an das, im Vergleich zu dem Hof, Dunkel hier im Stall gewöhnt hatten, konnte man erkennen, dass von den insgesamt einem Dutzend Stallboxen nur sechs belegt gewesen waren. Gessa führte Dascha vor eine der leeren Boxen und wies mit dem Zeigefinger auf die Box daneben: “Dort, hohe Dame!” Dann band sie die Zügel ihres Pferdes dort an einem Pfahl fest, ehe sie sich daran machte, das Tier abzusatteln.
Yanna hatte auf den Hinweis des Mädchens hin verständig genickt, war aber mit Breac noch in der Stallgasse geblieben, wo sie den Apfelschimmel festmachte, um ihr Gepäck bereits hier abzunehmen und nahe am Tor zu lagern. “Das heißt ‘Werte Dame’, Gessa. Ich bin eine Freie - so wie du selbst auch, nehme ich an?” Die Angesprochene schüttelte den Kopf.
“Nee, gehöre der Herrin. Bin vom Linnauer Hof.” Ihr Blick verriet so etwas wie Enttäuschung. Dann zeigte sie mit dem Finger über ihre Schulter auf die Stallmeisterin und setzte flüsternd hinzu: “Und auf die da muss ich hören.” Die junge Magd schien überraschend schnell Vertrauen zu Yanna gefasst zu haben, denn sie rollte bei dem letzten Satz mit den Augen.
Die Stallmeisterin selbst hatte noch gar nicht damit begonnen, Aureas Pferd abzusatteln, sondern strich ihm noch immer über die Flanke. Yanna konnte sie kichern hören, als sie dem Pferd erneut etwas ins Ohr flüsterte, was dieses jedoch gleichmütig und ohne Regung hinnahm.
“Mach’ dir dein Leben nicht schwerer als notwendig, Gessa. Wenn du als Hintersassin gehorchen musst, dann mach’ deine Arbeit so gut du kannst. Und wenn du mit deinen Bemühungen gesehen wirst, dann noch etwas besser, damit du vielleicht eines Tages frei sein kannst”, meinte die Albernierin nicht allzu laut, aber bedeutungsschwer. Da sie ihr Ross auf dem letzten Teilstück des Ritts geschont hatte, musste Yanna es nun nicht noch bewegen und abwarten, sondern konnte Breac gleich einstellen. Langsam folgte sie in Gessas Richtung in den gewiesenen Verschlag, während das Mädchen, das Yannas Worte nur mit einem Schulterzucken kommentierte, damit begann, das andere Pferd abzusatteln. Sie ließ sich dabei Zeit und machte nicht den Eindruck, an einem weiteren Gespräch interessiert zu sein, denn sie bedachte Yanna mit keinem weiteren Blick mehr.
Von der Stallmeisterin hingegen war immer wieder Gemurmel und infantiles Kichern zu hören. Immerhin schien auch sie sich daran gemacht zu haben, das Pferd Aureas abzusatteln und zu versorgen, kündigte doch ein zufriedenes Wiehern des Tieres davon, dass man sich um es kümmerte.
Yanna nahm ihrem Ross den Sattel ab und legte ihn über die Seitenwand des Verschlags. Mit der Decke rieb sie den Rücken ihres Pferdes, Flanken, Hals und Beine ab, ehe sie wieder zu Gessa hinüber blickte. Da das Mädchen noch still arbeitete, schloss die Albernierin Breacs Verschlag und trat an den mit Aureas Stute heran. “Ich werde das Gepäck von Wohlgeboren von Richtwald gleich mit nach vorne nehmen, Gessa. Dann brauchst du das nicht zu tun…” Fragend blickte Yanna die Jüngere an und hielt nach dem Gepäck der Ritterin Ausschau.
Die junge Magd blickte kurz auf und zeigte auf einen Holzbock, über welchen sie den Sattel mitsamt der Taschen gehängt hatte: “Dort, Herrin!”, dann begann sie, eine einfache Melodie zu summen und das Pferd abzubürsten.
“Dann vielleicht bis später, Gessa”, grüßte die Reisige und nahm die Taschen Aureas auf. Dabei fiel sie recht anständig in die Tonfolge der Magd ein und ging zu ihrem Gepäck hinüber. Beladen wie sie war, nahm sie nur eine ihrer Satteltaschen, aber den schweren Gepäcksack auf die Schulter. Nach einem letzten Blick in die Runde verließ sie den Stall. Gessa winkte Yanna kurz freundlich zu und widmete sich dann wieder dem Pferd.

Die Richtwalderin überlegte, als sie Yanna mitsamt den beiden Burgbewohnern und ihren Pferden in der Stallung verschwinden sah. Dann ließ sie ihren Blick prüfend über die Burg schweifen. Damals, also als sie hier waren, um ihren Bruder in die Knappschaft zu geben und damit noch vor ihrer eigenen Knappschaft, damals hatte das Heim der Barone schon keinen guten Eindruck gemacht. Inzwischen konnte sie sehen, dass Adula etwas unternommen hatte. Geld, das ihr Hochgeborener Herr Vater gern in seine zahlreichen Soldaten gesteckt hatte, nutzte sie nun, um ihre Wehranlagen und zugleich ihr Heim auf Vordermann zu bringen. Seitdem sie auf der Feenburg ihres Bruders am Ochsenwasser gewesen war oder auch schon, seitdem sie die Vairnburg besser kannte, wusste sie, wie ärmlich ihre Umstände hier im nördlichen Gratenfels eigentlich waren. Gastlich und Wohnlich waren sie oft glücklicherweise dennoch. “Ich würde vorschlagen, noch kurz auf die Werte Dame warten und dann gemeinsam hineinzugehen.”, schlug sie letztlich dem Landwachter vor.
"Einverstanden! Wenigstens solange die ‘Werte Dame’ nicht darauf besteht, die ganze Tagespflege ihres Pferdes selbst und sofort zu erledigen..." Firin nutzte die Wartezeit, um sich in aller Ruhe näher umzusehen. Was er von hier erblickte, verstärkte den ersten, recht trostlosen Eindruck, den er bereits vom Dorf mitgenommen hatte. Was jedoch hervorstach, war ein kleiner Firunschrein, welcher aus dunklem Tuffstein bestand und eine kleine Grotte darstellte. Links und rechts wuchs jeweils eine kleine Fichte empor und im Innern des Schreins konnte man zahlreiche Opfergaben erkennen: Geweihe, Hauer, Schenkelknochen, aber auch die ein oder andere Waffe.
Auch die Richtwalderin taxierte offenkundig die Örtlichkeit, doch auf andere Art wie er selbst. "Ihr wirkt, als wäret Ihr nicht zum ersten Mal hier? Aber vielleicht ist meine Wahrnehmung auch nur von Eurem Namen beeinflusst…"
Aurea wandte sich dem Dienstritter aus Ambelmund zu, strich sich eine Strähne hinter das Ohr und antwortete erst dann. “Der Schein trügt Euch nicht, Hoher Herr. Seine Hochgeborene Exzellenz, mein älterer Bruder, war einst Knappe in diesen Mauern und ich erinnere mich, wie ich ihn damals, gemeinsam mit unserem Vater, hierher begleitet habe.” Bedächtig musterte sie die alten Mauern der sanierungsbedürftigen Veste. “Vieles hat sich seit damals verändert und zugleich ist einiges noch wie damals…” ‘…oder schlimmer!’, führte sie den Satz, zumindest in Gedanken den Satz zuende.
"Dann ist Euer Haus gewiss eng mit dem Baronshaus verbunden!?" Aus Firins Stimmlage wurde nicht gänzlich deutlich, ob seine Worte als Frage oder Aussage zu verstehen waren. "Ihr stammt direkt hier aus der Baronie, richtig?" Ganz vertraut war er noch nicht mit den niederadligen Häusern Nordgratenfels, vor allem außerhalb der Baronie seiner Herrin, aber er glaubte, hier recht zu schätzen.
“In der Tat stammt meine Familie aus dieser Baronie, auch wenn die Grenzen des Junkertums wohl älter sind, als die der Baronie. Was die Verbundenheit anbelangt, könnte man von einer gewissen Verbundenheit sprechen.” Versuchte sie, die beiden zugleich gestellten Fragen zu beantworten. “Mein Bruder ist dem Haus sehr verbunden, da der Herr Baron ihn wie seinen Sohn behandelt hat. Auch Vater war dem Baron nicht abgetan, allerdings gerieten die Beiden, Boron sei ihrer Seelen gnädig, wegen des Jagderlasses Seiner Hochgeboren häufiger aneinander.” Der Streit zwischen den verstorbenen Amtsinhabern war kein Geheimnis, tatsächlich hatte ihre unterschiedliche Rechtsauslegung sogar in Gratenfels verhandelt worden. Dadurch dass das Ableben des Barons und die Anerkennung von Firunhards Einwänden durch Adula jedoch schneller als die Mühlen der Bürokratie gewesen waren, war es allerdings nie zu einem Urteil gekommen. “Doch sagt, was verschlägt Euch nach Ambelmund? Das Geschlecht derer von Landwacht, ist mir bisher in Nordgratenfels nicht untergekommen.”
"Ihr seid wirklich gut im Bilde”, merkte Firin mit Respekt in der Stimme an, "in der Tat stamme ich wie mein ganzes Geschlecht aus dem Isenhag - Gut Landwacht, von dem wir den Namen tragen, liegt im Südwesten der Vogtei Brüllenbösen, an den westlichen Ausläufern der Ingrakuppen. Und gewiss werde ich eines Tages auch dorthin zurückkehren. Doch vorher ist mir daran gelegen, etwa von der Welt drumherum zu sehen. Das hat mich nach meiner Knappenzeit und der Rückkehr vom Haffaxfeldzug bereits mit dem Orgilsbund, dem ich angehöre, bis in die Rabenmark geführt. Von dort zurück ergab sich die Möglichkeit, für einige Zeit in den Dienst ihrer Hochgeboren von Ambelmund zu treten - wir kannten uns bereits vom Zug gen Mendena, und sie suchte einen Vertreter für einen ihrer Stammritter, der nach damaligem Stand für längere Zeit nicht verfügbar sein sollte. Das war im letzten Jahr..." Dass dieser Ritter inzwischen nie mehr zurückkommen würde, rollte er zunächst nicht aus. Wahrscheinlich hatte sich das ohnehin längst herumgesprochen. Stattdessen nutzte er die Gelegenheit, mehr über die politischen Zusammenhänge hier in der Gegend zu erfahren: "Insofern bin ich aber noch nicht mit allen Feinheiten der jüngeren Nordgratenfelser Vergangenheit vertraut - um was geht es denn in diesem Jagderlass genau? Wenn wir hier unterwegs sind, ist es gewiss gut, mit dem hiesigen Recht bekannt zu sein."
‘In der Welt rumkommen wollen und dann hier im Wald von Nordgratenfels landen, scheint nicht gut gelaufen zu sein.’, dachte sich Aurea. ‘Wer weiß, vielleicht ist dieses Gut in den Ingrakuppen ja noch abgelegener…’ “Ihr wollt wissen, was es mit dem Jagderlass auf sich hat? Nun Seine Hochgeboren hatte es dem niederen Volk erlaubt auf Nieder- und Hochwild Jagd zu machen. Seine Wohlgeboren, mein Vater, hingegen sah darin eine Verletzung der Schutzpflichten des Adels, schließlich wurden wiederholt Bauern von Keilern verletzt und so mancher davon tödlich.”
'So so, die zur Schau gestellte Sorge um die leibliche Unversehrtheit der Gemeinen mutete nahezu rührend an. Dabei gab es doch weitaus handfestere Gründe...' Firin nickte dennoch beipflichtend zur Position des Vaters seiner Gesprächspartnerin: "Wenn ein jeder dem Wild nachstellen darf, sind die Wälder bald leer gejagt - es bedarf einer verantwortungsvoll und umsichtig geführten Hand, genau so viele Tiere zu entnehmen, dass einerseits die Hirsche den Baumbestand und die Wildsauen die Äcker und Weiden nicht verwüsten und andererseits genügend Jungwild heranwächst, auch dessen Zahl zu erhalten. So viel Weitsicht fehlt dem Bauern und Handwerker einfach, die überdies besser bei dem ihnen von den Göttern zugewiesenen Platz in der Welt bleiben, auf dass das Wildbret die Ritter und Kämpen stärke, die das Land zuallererst zu schützen und zu verteidigen haben, und das Korn der Bauern die Speicher fülle und niemand im Volke Hunger leide."
Sichtlich brüskiert blickte sie Firin an. “Wo Ihr herkommt, mag man das so halten, doch halten wir auf dem Richtwald dies anders! Selbst wenn jeder zweite unser Vasallen jagen würde, würde es hier, inmitten dieser Wälder, wohl kaum ins Gewicht fallen. Doch jeder Bauer, dessen Bein oder Arm bei der Jagd verkrüppelt wird, wird im nächsten Winter zu einer unberechenbaren Last für die gesamte Gemeinschaft. Die Junker haben Jäger in ihren Diensten, deren Beute uns alle, ebenso wie die Erträge der Bauern, über den Winter bringen.”
"Dass die Tierzahlen nicht die unmittelbar begrenzende Größe sind, mag in den Ländereien meiner Herrin zunächst genauso sein wie bei Euch auf dem Richtwald, vor allem, wenn man nur die paar Leute nimmt, die hier in den Wäldern selbst leben. Aber wenn sich auch die Bauern und Hirten aus der Umgebung bei einem allzu freigiebigen Jagdrecht dorthin zur Jagd aufmachten, würde es die Wildbestände selbst hier in Nordgratenfels rasch ausdünnen." widersprach Firin. "Selbst dort, wo ich herkomme, wo es nur Berge und Wälder gibt, ist das so. Und was die Verletzungsgefahr angeht, habt Ihr zweifelsohne Recht, vor allem bei der Saujagd. Aber die Reh- und die Hirschjagd stellen sich weit weniger riskant dar, jedenfalls nicht gefährlicher, als das eigene Vieh in die Wälder zu treiben, Holz einzuschlagen und zu flößen oder der Köhlerei nachzugehen."
Ganz offensichtlich weilte dieser Firin noch nicht lange in Nordgratenfels oder hatte seine Natur noch nicht wirklich verstanden. Die Jagd auf ein Reh mochte ungefährlich sein, allerdings war es dabei durchaus möglich, dass ein Jäger an andere Jäger geraten konnte. Wölfe und Bären, eventuell auch ein kleinerer Drache, die sich ihre Nahrung jagten oder aber zwielichtiges Gesindel, Rot- und Schwarzpelze. Derartige Zusammentreffen wurden mit zunehmender Entfernung zur Siedlung oder zum heimischen Hof schnell wahrscheinlicher und es ging eben niemand im eigenen Garten jagen. Doch verspürte sie kein weiteres Interesse, diese müßige Unterhaltung fortzusetzen, zumal der Streit inzwischen eh beigelegt war. Stattdessen blickte sie zum Stall: “So langsam sollten sie aber mal fertig sein.”