Pilgerreise St Boronia

St. Boronia

Ort: kurz vor der Trollpforte, Vorgebirge der schwarze Sichel

Zeit: von PER 1044 BF

Personen: Oberst Dwarosch, Mirlaxa- Tochter der Borongeweihten MarboLieb, sowie Assara- Tochter des Korgeweihten Radomir von Tandosch

Inhalt: Im Peraine 1044 begeben sich der Sohn des Dwalin, die junge Kor- Jüngerin Assara und die Zietochter des Oberst auf eine Pilgerfahrt nach Tobrien.

Eine Briefspielgeschichte von RadoMir und RekkiThorkarson.

St. Boronia

Rückblickend betrachtet war der Weg nach St. Boronia eines der seltsamsten Begebenheiten, die Dwarosch je widerfahren waren. Nie würde er das lange Irren durch den scheinbar undurchdringlichen Nebel im zerklüfteten Vorland der schwarzen Sichel vergessen, in denen selbst das Praiosmal nicht als Orientierungshilfe dienen konnte. Assara war ungewöhnlich still geworden und selbst Mirlaxa hatte über Stunden kaum einen Laut von sich gewesen. Sie hatten bereits aufgeben wollen, als das trübe Licht des Praiosmales, welches nur als diffuses, gleichmäßiges Licht ohne Herkunft zu ihnen drang, langsam abnahm, die Dämmerung einsetzte. Das Auge des Götterfürsten hatten sie bereits nicht mehr erkennen können, nachdem sie am Morgen die Reichsstraße verlassen hatten, um dem Weg zum Kloster einzuschlagen. Der Dunst, der über dem Landstrich lag und dem sie sich aussetzen mussten, wollten sie St. Boronia erreichen, war anscheinend allumfassend. Bei einer kleinen Rast waren dem Oberst dann die Worte Marboliebs in den Sinn gekommen, dass der Weg nach St. Boronia nur dem wahrhaftig Gläubigen vorbehalten war und dass man sich niemals auf seine Augen verlassen dürfe, nur auf sein inneres Gespür. Genau hatte Dwarosch nicht gewusst was dies hieß, doch er entschied sich einen letzten Versuch zu wagen. Mit borongefälligen Liturgien auf den Lippen, die er leise immer wieder vor sich hin rezitierte, machten sie sich wieder auf den Weg ihr Ziel zu suchen.

Nach einer ganzen Weile, das Licht schwand zusehends, so dass Assara und Dwarosch sich schon mit knappen Worten darauf geeinigt hatten bei dem nächsten, passendem Felsvorsprung den sie passieren würden ihr Nachtlager zu errichten, setzte der Oberst Mirlaxa ab, um sich eine kleine Pause vom Tragen zu gönnen. Das kleine Menschenkind griff nach seiner Hand, als es festen Boden unter den Füßen besaß und begann seinen Weg. Sie zog den verdutzten Oberst hinter sich her, der um den Umstand wusste, dass seine Ziehtochter das Traumgesicht besaß und in vielerlei Hinsicht anders war als Kinder ihren alters. Auch Assara schloss sich ihnen ohne ein Wort des Widerspruches an. Traumwandlerisch, ja so würde Dwarosch es im Rückblick bezeichnen, fand Mirlaxa den Weg. Sicher setzte sie ihre kleinen Füße auf den zerklüfteten Boden. Mal ging es bergan, mal abwärts, mal in die eine, dann wieder in die andere richtung, bis die drei Pilger schließlich kaum ein halbes Stundenglas später unvermittelt vor einem schweren Holztor standen. Der Nebel war so dort dicht, dass die schwarzen Mauern zur rechten und zur linken sich bereits nach zwei Schritt verloren, ebenso verhielt es sich mit dem oberen Ende der Mauer. Sie war nicht zu sehen. “Dado Klopfen”, war alles was Mirlaxa gesagt hatte. Sie hatte sie nach St. Boronia geführt und dieser Umstand würde Dwarosch sein ganzes, weiteres Leben einen kalten Schauer über den Rücken treiben.

Es dauerte geraume Zeit, bis die drei hörten, wie ein schwerer Torriegel auf der anderen Seite bewegt wurde. Ein Guckloch gab es nicht und es wurde auch nicht nach dem Begehr gefragt, bevor ihnen Einlass gewährt wurde. Anscheinend verließen sich die Bewohner des Klosters darauf, dass nur diejenigen an das Tor gelangten, die seines würdig waren. Als sich den Pilgern der Weg ins Innere von St. Boronia öffnete und eine in eine dunkle Kutte gekleidete Person ihren deutete einzutreten, konnten sie zum ersten mal die Architektur des Klosters bewundern, denn innerhalb der Mauern war der Nebel deutlich weniger dicht. Wuchtige Mauern aus durchweg schwarzen Marmor schlossen mehrere Gebäude aus identischem Stein aus, bei denen es sich offenkundig um Sakralbauten handelte. Jener Mann oder Frau, die ihnen geöffnet hatte, Dwarosch wusste nicht um ihre Natur, denn ihr Gesicht lag im Dunkeln unter der Kapuze, schl oss das Tor und wandte sich ihnen dann mit gesenktem Haupt und in den langen Ärmeln der Robe geschlossenen Händen zu. Da der Oberst nicht genau wusste, was er zu tun oder zu sagen hatte, bat er schlicht darum zum Herren der letzten Dinge beten zu dürfen. Dies war dem Geweihten oder vielleicht auch nur Akoluthen anscheinend genug Informationen, denn er setzte sich sogleich in bewegung, indes ohne ein Wort zu verlieren. Dwarosch zuckte nur mit den Schultern gegenüber Assara, dann folgten die beiden Menschen und der Zwerg dem stummen Klosterbewohner.

Der oder die Geweihte, denn das androgyne Gesicht, auf das Dwarosch unterwegs einen Blick erhaschen konnte, war nicht nur alters- sondern für ihn auch geschlechtslos, führte die drei in eine kleine freistehende Kapelle, in der nur vier Bänke standen. Dies konnte unmöglich der Tempel des Klosters sein, doch Dwarosch war es recht. Dies war St. Boronia, alles andere war unbedeutend. Näher würde er Boron wahrscheinlich an keinem anderen Ort. Stumm trat der Oberst mit Mirlaxa an der Hand nach vorne, zu der leicht erhöht stehenden, kleinen Statue des Unergründlichen, der als wunderschöner Jüngling dargestellt war und fiel dort angelangt schwer auf die Knie. Schon nach der Schlacht von Mendena hatte er den Entschluss gefasst nach St. Boronia zu reisen, um dem Herrn Boron zu danken. Nun schloss sich ein weiterer Kreis seines Lebens. ER, oder besser SEINE menschliche Dienerin in Person von Marbolieb, hatten ihn von den Einflüsterungen des Herrn der Rache befreit, ihn von der unbewussten und dennoch tiefsitzenden Todessehnsucht und all den Albträumen geheilt, die ein Angroscho normalerweise niemals durchleben können sollte. “Ewiger”, setzte Dwarosch im ehrfürchtigen Flüsterton an. “Hierher, in eine deiner heiligsten Städten auf dem Kontinent bin ich gekommen, um DIR zu danken. DU hast die Wege von mir und Marbolieb verwoben, warum und zu welchem tieferen Zweck weiß ich nicht und werde ich wahrscheinlich auch niemals erfahren. Doch das ist in diesem Moment für mich auch ohne Bedeutung. Ich lebe und das verdanke ich DEINEM eingreifen. Mehr noch. Die Lehren die Marbolieb mir vermittelt hat, das Gebet an DICH, ebenso wie das bloße versenken des Geistes in die Stille, die Schwärze, das Nichts, helfen mir das Vergangene zu bewältigen. DEINE Lehre ist für mich der Weg, nicht nur das Ende. Und da ich nun einmal hier bin und seit Marboliebs… verschwinden zum ersten Mal zu DIR spreche, möchte ich DICH bitten auf sie achtzugeben. Bitte ewig Schweigsamer, Unausweichlicher, gib ihr Kraft, gib ihr Stärke und hilf mir sie ausfindig zu machen, nicht für mich, denn ich habe große Schuld auf mich geladen, sondern um ihrer und ihrer Tochter willen. Marbolieb soll wissen, dass es Mirlaxa gut geht. Sie soll nicht in Unkenntnis ihr Dasein fristen. Sie muss Teilhaben am Aufwachsen ihrer Tochter.”