Pilgerreise Ordenshaus

Im Dienst der drei göttlichen Schwestern

Ort: Tobrien

Zeit: ING 1044 BF

Personen: Oberst Dwarosch, Mirlaxa- Tochter der Borongeweihten MarboLieb, sowie Assara- Tochter des Korgeweihten Radomir von Tandosch

Inhalt: Im Peraine 1044 begeben sich der Sohn des Dwalin, die junge Kor- Jüngerin Assara und die Zietochter des Oberst auf eine Pilgerfahrt nach Tobrien.

Eine Briefspielgeschichte von RadoMir und RekkiThorkarson.

Im Dienst der drei göttlichen Schwestern

Das Ordenshaus, welches Dwarosch mit aufbauen wollte, sollte einige Wegstunden abseits Mendenas, die Tobimora hinauf entstehen. Als die drei Reisenden schließlich an jenem auserkorenen Platze ankamen, war die Fläche bereits gerodet und eben gemacht. Arbeiter waren dabei den Boden zu verdichten und Holzfäller schafften mit Gespannen von Kaltblütern Baumstämme zum Platz, um sie sogleich zu bearbeiten, andere waren bereits seit längerer Zeit abgelegen und so trocken, dass man aus ihnen Balken, Sparren oder Pfetten machen konnte. Die Siedlung der Arbeiter, am Rande eines kleinen Wäldchens in Sichtweite der Baustelle, bestand aus einem großen Durcheinander an Zelten und einfachen Bretterverschlägen. Hier würden sicher auch Assara, Dwarosch und Mirlaxa unterkommen. Platz gab es genug.

Das Einleben auf der Baustelle dauerte nicht lange. Man wies ihnen einen kleinen Lagerplatz am Rande des Zeltplatzes zu, wo sie ihres aufbauten und zusätzlich mit einem kleinen Windschutz aus Ästen versahen. Der einzig gemauerte Teil der provisorischen Siedlung war ein hoch aufragende Steinofen, der in ihrer Mitte errichtet war und in dem jeden Morgen frisches Brot gebacken wurde. Auch Abends, nach vollendetem Tagewerk, fand man sich hier zusammen, um gemeinsam zu essen und sich zu unterhalten. Dwarosch, der längst nicht der einzige Zwerg war der auf der Baustelle arbeitete, erzählte ab und an eine Geschichte am Lagerfeuer, die von den fernen Ländern handelten, die der Oberst in seinem langen Leben als Söldner bereist hatte. Stets saß dann Mirla auf seinem Schoss, um ihrem Ziehvater, den sie stets und liebevoll mit 'Dado' betitelte, aufmerksam zuzuhören. Das kleine Menschenkind hatte indes schnell Freunde gefunden in der ungewohnten Umgebung, denn auch andere Männer und Frauen hatten ihre Kinder mitgebracht, die tagsüber von Mutter Swanheld, einer anpackenden Traviageweihte aus Thorwal gehütet wurden.

Was die Arbeit selbst betraf, so war den Vorarbeitern schnell klar gewesen, dass Dwarosch kein Handwerker und auch nicht von sich aus sonderlich Geschickt in solcherlei Dinger war. Körperlich schwere Arbeit jedoch verrichtete der Zwerg gern und ausdauernd, weswegen er an nahezu jedem Tag für die Zuarbeit und den Transport von Holz eingeteilt wurde, welches er auf den massigen Schultern und dank seinen tailiendicken Oberschenkeln dahin brachte, wo es weiterverarbeitet wurde. Aber auch mit der Axt, beim Baumfällen und beim befreien der Stämme vom Astwerk, wurde er eingesetzt.

Auch Assara war bei weitem keine Bauarbeiterin, jedoch der Vorschlag, das sie im Küchenzelt helfen sollte erzeugte bei ihr unwillen und bei Dwarosch einen Lachanfall. Sie wurde daraufhin dem Steintrupp zugeteilt, der die ankommenden Wagen mit den Mauerblöcken entlud und die Steine auf die Anweisungen der Vorarbeiter an die Stelle schafften wo sie gebraucht wurden. Sie trug bei dieser Arbeit weder Rüstung noch Waffen, erregte aber einiges Aufsehen, gerade bei den jungen Burschen. Nicht zuletzt weil sie sich morgens mit freiem Oberkörper wusch oder abends gänzlich unbekleidet baden ging. Hoch aufgeschossen, sehnig und mit den Narben ihrer bisherigen Kämpfe war sie mehr als einmal das bevorzugte Gesprächsthema der Bauburschen. Auch ihr schwarzer Bürstenhaarschnitt und die stahlblauen Augen führten dazu, das wohl mehr als einer der Gesellen oder Burschen die eine oder andere unruhige Nacht verbrachte. Allerdings hatte nur einer es gewagt, die Hand auf ihren Hintern zu legen. Und das morgens beim Frühstück am ersten Tag nach ihrer Ankunft. “Hey kleene, soll der liebe Karna Dir heute Nacht mal zeigen wo er Rahjas Hammer hat?”, hatte er laut geprahlt. Der Oberst guckte interessiert zu der Szene. Assara drehte sich um, stellte ruhig ihre Schale Haferbrei und den Kanten Brot auf den Ausgabetisch und sah dem grobschlächtigen Kerl ruhig in die Augen. “Du meinst was Du sagst, Bursche?” “Ich werde es Dir besorgen das Du zwei Tage nicht gehen kannst!”, grunzte der angesprochene, ohne sich der Gefahr bewußt zu sein in der er schwebte. Dwarosch sah, das Assara ihr Gewicht nach hinten verlagerte und den Körper anspannte. “Fünf Silber auf Karna”, knuffte der neben dem Oberst sitzende Polier dem Zwerg in die Seite. Dwarosch grinste. “Es sei.” sagte der Zwerg, ohne die Augen von der Szene zu nehmen. Dann machte der Kerl seinen vorerst letzten Fehler. Er griff Assara an die Brust und knetete diese. Das folgende geschah blitzschnell. Assaras Hand kam hoch und packte das Handgelenk des vor ihr stehenden. Sie drehte seinen Arm nach oben und sich dabei um. Dann beugte sie sich schwungvoll nach vorn, worauf der eben noch schmutzig grinsende Mann mit verdrehtem Arm über Assara flog und vor ihr auf dem Rücken landete. Ein hässliches Knirschen sagte Dwarosch, das der Arm sauber gebrochen war. Doch immer noch hielt Assara ihn fest, ging in die Hocke und presste ihm mit dem Knie auf dem Brustbein die Luft aus dem Körper. “Führe den Namen der schönen Göttin noch einmal auf diese Weise, und ich werde Dir einen Teil Deines Körpers nehmen, den Du schmerzlich vermissen wirst.”, sagte sie mit lauter Stimme. Dann beugte sie sich hinunter und raunte ihm ins Ohr: “und fass mich noch einmal gegen meinen Willen an, und ich werde Dir zeigen was eine Dienerin des blutigen Kor davon hält, wenn ein Widerling versucht Hand an sie zu legen. Ich werde Dir dafür sogar ein Schwert geben, denn ich kämpfe nicht gegen unbewaffnete! Verschwinde und lecke Deine Wunden. Und bete zur schönen Göttin um Vergebung!” Dann erhob sie sich, nahm ungerührt die Holzschale und das Brot, entschuldigte sich bei der Therbunitin die auf der anderen Seite des Tisches stand und setzte sich zu Dwarosch und Mirlaxa. Die herrschende Stille wurde von gemurmel abgelöst, während der Oberst lächelnd die Hand zu seinem Nebenmann ausstreckte, der grummelnd die drei Silber aus seiner Geldkatze kramte. Von da an sollte es niemand mehr wagen der jungen Frau zu nahe zu kommen.

Die allmorgentlichen Waffenübungen, die Assara und Dwarosch abhielen, erfreuten sich zunehmender Beliebtheit und fanden nicht selten unter den Augen von Besuchern statt. Schon bald kannte fast jeder die beiden mit Namen und wusste darüber hinaus wer sie in ihrer Heimat waren. Spätabendliche Übungskämpfe hingegen führten die beiden abseits des Lagers nur im Schein des Madamals und ohne Hintergrundgeräusche ab, denn Dwarosch wollte die Sinne und Kampfreflexe der Korjüngerin auch unter entsprechend widrigen Bedingungen geschult wissen.

Assara genoss die Kämpfe mit dem Oberst. Und so oft er sie traf unterbrachen sie den Kampf und er wies ihr, welche Fehler sie gemacht und wie sie sie vermeiden konnte. Bei den morgendlichen Waffenübungen kam sich Assara ein wenig wie in einer Arena vor, auch wenn sie diese nur aus den Erzählungen ihres Vaters kannte. Viel Aufmerksamkeit erregte auch, das sie und der Oberst die Waffen wechselten. Mal kämpften sie mit Schwertern bzw. dem Gladius, mal mit Zweihandwaffen, mal mit Schild mal ohne. Besonders wurden sie von der sich sammelnden Menge bejubelt, als beide in jeder Hand nur je einen Maurerhammer hatten und sich damit umkreisten. Auch ihr Körper änderte sich. War sie vorher schon trainiert gewesen, hatte sie im laufe der Wochen jedes überflüssige gramm Fett verloren. Die Muskeln waren gestählt und der Körper geschmeidig wie der einer Raubkatze. Mehr als einer der Bauarbeiter und Jungen hatte sein Glück bei ihr versucht, mal galant, mal etwas plumper. Aber keiner so dummdreist wie der Kerl an ihrem ersten Tag. Zwar war der Arm des Kerls wieder verheilt, doch er machte einen gehörigen Bogen um die junge Frau. Dwarosch bekam viele der Avancen mit, und auch wie Assara jede mehr oder weniger freundlich, aber immer bestimmt zurück wies. Eines Abends, nach dem Kampftraining im Madaschein fragte er auf dem Rückweg nach dem Grund dafür. Assara schwieg einen Moment. Dann atmete sie durch und blieb dann stehen. “Oberst, ihr seid mir ein väterlicher Freund. Und daher denke ich, daß ich offen mit Euch reden kann. Mit Vater habe ich dieses Thema immer vermieden, das ist nichts was ein Vater mit seiner Tochter gern bespricht. Ich denke wenn es bei Mirlaxa soweit ist werdet ihr das ähnlich sehen.” Sie lächelte. “Weißt Du, Dwarosch. Ich bin auf Schlachtfeldern und in Kasernen groß geworden. Ich hab früh gelernt das Liebe nichts für unsereins ist. Vater hatte unheimliches Glück, das er in Mutter eine Gefährtin gefunden hat die genau wie er war. Eine Geweihte des blutigen und Kämpferin. Ich habe für mich beschlossen keine Beziehung einzugehen. Es wäre nicht von dauer. Und ausserdem….”, sie brach ab und schaute kurz in den Himmel, “kann ich mit Männern nichts anfangen.”

Etwas verdattert blieb der Oberst stehen und sah Assara an. “Du meinst”, begann er vorsichtig mit Worten tastend, “du bist eher anderen Frauen zugeneigt?”

Auch Assara blieb stehen und sah den Oberst an. "Ja, das bin ich. Ich hoffe das ist kein Problem für Dich. Rahja fragt nicht, Rahja gibt einfach." Schon vorher im Gespräch war sie in das persönliche Du gerutsch ohne es zu bemerken. Jetzt wartete Sie gespannt auf die Antwort des Angroschim vor ihr.

"Nun", begann Dwarosch nach kurzer Pause leicht zögerlich. "Da hast du mich auf dem falschen Fuss erwischt. Von der schönen Göttin und Rahjas Gaben verstehe ich nicht sonderlich viel, auch wenn sie mir in der nahen Vergangenheit gewogen gewesen ist." Das Gesicht des Oberst verdunkelte sich kurzzeitig und Assara ahnte, dass es mit Marbolieb zu tun hatte. Die Beziehung der menschlichen Geweihten und des zwergischen Oberst hatte ein Ende gefunden und die Umstände belasteten Dwarosch. Er hatte einen Fehler begangen, der Marbolieb einen äußerst harten Winter voller Isolation beschert hatte. Ob er sie vor dem Kloster hätte bewahren können glaubte Assara indes nicht. Marbolieb hatte sich für ihre Berufung, ihre Glauben und damit Boron entschieden, ganz so wie sie es auch mit Kor tun würde, oder vielleicht schon getan hatte. Der Weg in ein Ordenshaus war praktisch die logische Folge von Marboliebs Blindheit, die Trennung vielleicht nur eine Frage der Zeit gewesen. Aber wer vermochte dies schon zu sagen? Der Oberst jedenfalls machte sich schwere Vorwürfe. "Aber natürlich ist das kein Problem für mich", setzte Dwarosch nach kurzem Seufzer wieder zu sprechen an. "Wenn ich eines gelernt habe in meinem bisherigen Leben, dann das Toleranz das Zusammenleben erleichtert und Engstirnigkeit nur zu Streit führt. Und glaube ja nicht, dass dies eine einfache Erkenntnis war. Oh nein. Etwas anderes aber glaube ich ebenfalls zu wissen Assara." An dieser Stelle wurde Dwarosch eindringlich. Er senkte die Stimme und die junge Korjüngerin merkte nicht nur, dass der Oberst die dunklen Gedanken abgeschüttelt hatte, sondern seine Worte auch äußerst bedacht setzte, wie als spreche er ein heikles Thema an, bei dessen Erörterung er ihr nicht zu nahe treten wolle. "Ihr Menschen seid von starken Emotionen, Gefühlen und Verlangen geprägt. Du kannst dich ihnen nicht dauerhaft verwehren ohne zu verleugnen wer du bist und das hast du auch nicht nötig, denn du bist eine starke Frau. Versuche sie zu kontrollieren, dies musst du lernen, doch es gibt auch Momente, in denen du sie gewähren lassen musst, ansonsten verlierst du dich in reiner Pflichtversessenheit. Seine Pflicht zu tun ist nicht allein das was meiner Meinung nach einen guten Priester ausmacht und das schließt Kor mit ein. Ein Kleriker muss seinem Gott mit Leib und Seele dienen und das kann er nur, wenn er seine… Menschlichkeit, wie ihr es nennt, nicht aufgibt, sondern sein Handeln auch davon abhängig macht."

Assara lächelte. "Ich habe das Menschliche durchaus nicht abgelegt. Nur..." sie zögerte und sortierte ihre Worte und Gedanken, "Es ist nicht ganz einfach, wenn man dem selben Geschlecht zugetan ist. Zwischen Männern und Frauen ist es klar, das da immer eine körperliche Anziehung hinzu kommt... früher oder später. Rahjas Freuden zu teilen ist... leichter wenn die Fronten geklärt sind. Und in Tandosch gibt es niemanden, mit dem ich...." sie brach ab. "Es ist... kompliziert. Das weißt Du genau so wie ich. Eine Beziehung zwischen zwei Frauen wird oftmals genau so beschimpft wie die zwischen... einem Angroschim und einer Geweihten. Als Vater und ich in Tobrien waren gab es eine junge Schwertmeisterin aus Almada. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und teilten auch das Lager, bis sie gefallen ist. Wir erlebten anfeindungen und teilweise offenen Hass. Oder Neid." Bei dieser Erinnerung stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. "Oder wurden gefragt ob wir nicht mal einen 'echten Kerl' mit im Bett haben wollten." Sie sprach die Anführungszeichen mit. "Vater weiß es zwar, vermeidet aber jedes Gespräch darüber. Ich musste einige Duelle kämpfen um die Beleidigungen nicht zu schlucken. Aber... Nach Marjannas Tod habe ich beschlossen keine Beziehung mehr zu führen. Nur noch flüchtige Bekanntschaften. Ich diene dem blutigen mit Leib und Seele. Aber auch Rahja hat durchaus ihren Platz in meinem Leben. Und sei es das ich ihre Tempel aufsuche." Sie lächelte Dwarosch verschmitzt an. "Aber mit den Bauburschen hier kann ich gar nichts anfangen. Auch wenn ich ihre beinahe sehnsuchtsvollen Blicke sehr wohl bemerke." Jetzt lachte sie.

Der Oberst schmunzelte. “In diesem Falle kann ich das sehr gut nachvollziehen.” Dwarosch lachte ebenfalls kurz auf, nun ein wenig gelöst und auch erfreut darüber mit Assara über ein so persönliches Thema gesprochen zu haben. Waren sich die beiden zuvor schon nicht immer nur förmlich begegnet, zeichnete sich hier ein freundschaftliches Verhältnis ab, das der Oberst sich durchaus gewünscht hatte.