Morgenwald

Morgenwald

Verwunschener Wald in Baronie Herzöglich Bollharschen im Eisenwald im Gut Morgentau, in dem auch das Haus Morgentau, wo angeblich Feen wohnen, liegen soll.

Der Morgenwald: Eine Untersuchung

Aus den privaten Notizen der Magierin Lucardis Nottelheimer, Magistra an der Halle der Herrschaft zu Stadt Elenvina, Elenvina 39 v.H.

„5. Rondra: Im Morgenwald der Baronie Baronie Herzöglich Bollharschen scheinen die Gesetze der logica und der natura, so wie wir sie kennen, nicht immer zuzutreffen. Märchen wie das von der Glücklichen Praiosmin, die als arme Bauerstochter in den Wald ging und reich beschenkt zurückkam, sollen dies belegen. Item die Steuerrollen der früheren Bollharscher Barone Edelhelm und Heilgard, denen zufolge das einwohnerlose Gut Gut Morgentau einen zeitweise höheren Ertrag einbrachte als das Junkergut Züchtelsen. Auch eine Recherche im Burgarchiv, die uns freundlicherweise von Ihrer Wohlgeboren Baronin Alwene von Baronie Herzöglich Bollharschen ermöglicht wurde, ergab keine befriedigende Erklärung: Das Gold, so mag es fast scheinen, hat sich wohl von selbst in den Bollharscher Schatzkammern manifestiert, jedoch ohne dass irgend jemand diesen Vorgang beobachtet hätte. Es fällt uns schwer, an solche Dinge zu glauben, zumal diese beiden Barone bis heute beim einfachen Volk zu den gütigsten und gerechtesten gezählt werden. Zu bemerken wäre noch, dass die Lehensrollen als Vasall des Edlengutes bereits seit Jahrhunderten immer denselben Quarion von Quakenbrück nennen. Gerade dieser Quarion ist jedoch zum Helden mehrerer Bollharscher Märchen geworden: In einem von ihnen ist er ein leidenschaftlicher Spieler. Seit Jahrhunderten hat er die Karten des Inrah vor sich auf einem Tisch liegen. Nur einmal in mehreren Monaten entschließt er sich zu einem Zug. Doch wenn das passiert, dann entspricht das Ergebnis immer einem Vorkommnis in Baronie Herzöglich Bollharschen, sei es nun der Auszug einer Armee, die Geburt eines Kindes oder auch nur der Flügelschlag eines Schmetterlings. [...]

Item die zahlreichen Berichte, Märchen und Schwänke über Kobolde, Feen, Elfen, Braunchen, Wurzelzwerge, oder auch das Stille Volk, wie der hierorts ehrfürchtig gebrauchte Sammelbegriff für diese Wesenheiten lautet. Diesen Rätseln auf den Grund zu gehen beschäftigt mich schon seit einigen Wochen. Habe darüber mit Quintilian beratschlagt. Er sieht mich ungern fortgehen, die Kinder bekämen mich gar nicht mehr zu Gesicht, sagt er [...]

17. Rondra: Eine Expedition in den Morgenwald ist zunächst schwer zu organisieren, da es unter der Bevölkerung nur schwer möglich ist, Führer und Träger zu rekrutieren. Collega Hohenfels bemüht ihre controllarischen Talente [...]

23. Rondra: Der Morgenwald selbst erscheint uns als ein wilder Laubwald mit erkennbarer Begrenzung im Westen, Norden und Osten, wo er an den Bollhag (im Westen) respektive andere Gebirgszüge des Eisenwaldes stößt. Gegen Süden hin schließt er in die ausgedehnten Waldgebiete Nordalmadas an. Ein Übergang ist nicht eindeutig festzustellen [...] Im Morgenwald selbst konnten weder eine erhöhte magische Präsenz noch sonstige Anormalitäten festgestellt werden, mit Ausnahme eines ungewöhnlich erhöhten Wildvorkommens. Die Tiere haben allesamt keine Scheu vor uns Menschen. Laetitia verlor ihren Jägerhut an ein Eichhorn [...]

25. Rondra: Haben auf einer von Spinnweben und Tautropfen bedeckten Lichtung Rast gemacht und beschlossen, von hier aus die weitere Erkundung aufzunehmen. Erstmals Anzeichen von Magie: ein Kupferkessel und einige weitere Gerätschaften, die sich in einem offensichtlich verlassenen Herrenhaus auf der Lichtung befanden. Schwache Spuren von Restmagie, Prägung nicht zu identifizieren. Hohenfels tippt auf nichtkanonisierte Laienmagie oder Naturzauberei. Die Expedition befasst sich mit Fragen der botanischen Klassifizierung, wir treffen auf eine außerordentlich reiche Flora. Heute morgen eine gelbe, unbekannte Blütenart vorgefunden. Erwäge, sie Quintilia zu nennen und meinem Liebsten ein ungewöhnliches Geschenk zu machen. Die Beschaffenheit der Blütenblätter [...]

30. Rondra: Heute morgen mit den Collegae Hohenfels und Altheimer Bilanz gezogen. Fazit: Gerüchte über den Morgenwald entbehren jeglicher Grundlage. Quod erat demonstrandum. Erwägen baldigen Aufbruch nach Stadt Elenvina. Ein fürderes mal schenkte Hesinde uns Erkenntnis.“

Meisterinformationen:

Was die Bollharscher Landbevölkerung aus den – wie noch zu zeigen sein wird – beunruhigenden Eigenschaften des als Gut GutMorgentau bekannten Landstrich gemacht hat, können Sie ja weiter oben nachlesen. Im Kollektivbewusstsein hat sich das Edlengut als Heimstätte für alles eingebrannt, was irgendwie nach Fabelwesen riecht. Dieses Bild, obwohl abschreckend, ist eindeutig romantisch verklärt. Folgende Ursachen sind dafür denkbar: Nach gemachter Erfahrung, dass das Gut Gut Morgentau ein nicht ganz ungefährlicher Ort zu sein scheint, hält man sich ihm fern. Weil aber niemand genau und vor allem schlüssig erklären kann, warum man sich diesem Ort nun fernhalten müsse, werden diejenigen Gründe allgemein akzeptiert, die am plausibelsten klingen (und dass dazu in Aventurien durchaus auch Feen und Kobolde gehören können, braucht ja nicht eigens erklärt zu werden).

Diese Gründe kommen zumindest in einem Aspekt der Wahrheit recht nahe: Wie unschwer zu erkennen ist, liegt beim Gut Gut Morgentau tatsächlich ein Übergang ins „Grenzland“ vor, wie die Bollharscher die Feenwelt nennen. Anders als gewöhnlich ist dieser Übergang zwar nicht zeitlich begrenzt, jedoch seinem Wesen nach fließend: Ein Reisender im Morgenwald bewegt sich durch beide Welten zugleich, die hier so nahe zueinander liegen, dass sie sich über weite Strecken berühren und vermengen. Wie wir wissen, bestehen zwischen unserer und der Feenwelt bestimmte Gemeinsamkeiten, vornehmlich im Bereich der unberührten Natur, die ja in dieser Gegend auch im Diesseits das Bild beherrscht. Darum ist der Übergang nicht oder nur sehr schwer an einer bestimmten Stelle auszumachen. Dennoch werden immer wieder Ungewöhnlichkeiten in der Kausalität der Welt bemerkbar, da die starren Naturgesetze Deres in Widerstreit zu den traumbestimmten Wirklichkeiten der Anderwelt treten.

So werden einem im Morgenwald zunächst nur bedingt Blütenfeen, Kobolde, Braunchen und ähnliche Wesenheiten begegnen, dafür aber werden die Gesetze der Welt, wie wir sie kennen, auf unerklärliche und nur sehr schwer festzumachende Weise relativiert. Ein Gegenstand, den man loslässt, fällt vielleicht nicht sofort zu Boden, sondern gleitet dahin wie eine Feder; ein grüner Apfel wird rot, wenn man ihn vom Ast pflückt; eine freundliche Bemerkung erklingt in den Ohren des Angesprochenen wie Verbitterung und Hass – oder umgekehrt; der Stand der Sonne und der Verlauf der Jahreszeiten orientieren sich mehr am kollektiven Willen der Wesen des Waldes als an den Gesetzen der Astronomie. Unberührt von diesen je nach Fall amüsant, beunruhigend oder durchweg bedrohlich erscheinenden Vorfällen bewegt man sich meist durch einen lichten, idyllischen und zunächst einmal sehr natürlich aussehenden Buchenhain, von einigen Linden durchsetzt und Heimstatt für zahlreiche Tiere und seltene Pflanzen. Ja auf unerklärliche Weise wird vielleicht gerade der Forscher, der auszieht, diese seltsamen Vorkommnisse zu beobachten, unverrichteter Dinge zurückkehren müssen, weil sich der Wald ihm nicht anders präsentiert hat als auf diese diesseitige Art. Es scheint, als entschieden die Wesen der Anderwelt selbst, wie sehr sie sich und ihre Umgebung dem menschlichen Gast offenbaren.

Im Zentrum des Waldes residiert der Edle Quarion von Quakenbrück im Haus Gut Morgentau – oder tut es nicht, je nachdem, ob man auf seinem Wege das festlich geschmückte Herrenhaus vorfindet oder nur die spinnwebenverhangene, verlassene Ruine, um die sich das Efeu rankt wie die Legenden des Volkes. Doch die Zeit ist ohnehin fließend in dieser Librationszone zwischen Menschen- und Feenwelt, und darin mag auch eine Erklärung für das märchenhafte Alter des Herrn von Gut Morgentau liegen. Wenig weiß man über diesen Menschen, falls man es überhaupt mit einem solchen zu tun hat, doch es scheint tatsächlich so, als ob er die Geschicke nicht nur des Waldes mehr beherrscht als irgend jemand sonst es vermochte.

Gerade Quarions Kartenspiel muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, das das Zentrum der Librationszone zu sein scheint. Die Frage nach Ursache und Wirkung stellt sich in der Feenglobule, dieser Welt ohne feste Kausalitäten, ohnehin nicht, und so darf man nicht fragen, ob nun das Kartenspiel das getreue Abbild der derischen Wirklichkeit ist oder die Wirklichkeit das des Kartenspiels. Falls es in einer phantastischen Welt denn überhaupt einen solchen Unterschied gibt...

Briefspiel

Unterwegs auf der Via Ferra - eine getreuliche Reisebeschreibung durch Bollharschen und den westlichen Eisenwald
Wind und Wetter - Wind und Wetter im Eisenwald
Wilder Süden - Feen, Zwerge, Räuberbanden: der 'Wilde Süden' Bollharschens