Lichter Held

Ort: Baronie Herzöglich Fuchsgau, auf der Burg Storchengarten

Zeit: RON 1046 B.F.

Inhalt: Ivetta kehrt auf die Burg Storchengarten zurück und die Ankunft zweier kaiserlicher Bedeckungen sorgt für Aufregung. Doch trifft sie dort auf einen Vertrauten, der sich sorgt.

Eine Briefspielgeschichte von Galebquell


Lichter Held

Hell stand die Sonne am klaren Himmel, als die ganze Entourage in das Therbûniten-Kloster, welches eine uralte Festung war, deren Grundmauern noch aus bosparanischen, genauer: jelianischen Zeiten stammten, mit Kutsche und Pferd einlief. In der nachtschwarzen IVer Puniner, gezogen von den vier Nebelschimmel-Kaltblütern, saß neben der Horaskaiserlichen Gesandtschaft, die Exzellenzen Concitatus Flaviora und Allegria zu Donnerhall, auch die Äbtissin jenes Klosters, Ivetta von Leihenhof zum Storchengarten. Ivetta konnte die donnernden Hufe der zahlreichen Pferde und Maultiere, des horaskaiserlichen und kaiserlichen Geleits, das den beiden Gesandten durch die Imperiale wie auch die kaiserliche Majestät jeweils mitgegeben wurde, nicht nur hören sondern auch spüren. Irgendwo in diesem ganzen Gewühl unter dem Banner des Greifen und des Adlers ritt auch ihre kleine Bedeckung unter dem Banner des Storches.
Sie konnte sich nur vorstellen, wie ihr Vertreter in geistlichen Angelegenheiten, Prior Gundeland von Hornisberg, gerade auf vor den Zinnen der Wehrmauer stand und mit aufgerissenen Augen diesem vermeintlichen Kriegszug aus Elenvina kommend entgegenblickte und überlegte, wie, womit und ob er die Bewohner der klösterlichen Burg bewaffnen konnte und sollte, um gegen diese vermeintlichen, hochgerüsteten Raubritter vorzugehen. Ivetta lächelte bei dem Gedanken daran, wie sich dann bei der Erkenntnis, dass möglicherweise zwei kaiserliche Gesandtschaften zu bewirten (und nicht üble Raubritter abzuwehren) seien, in eine größere Panik verfiel und plötzlich alle Bewohner aufgeregt anpeitschte, Platz zu schaffen und den Speisesaal sowie Gemächer vorzubereiten.
Tatsächlich, als sie die Tür der Kutsche öffnete, herrschte zwar reger Betrieb im Innenhof der alten Festung, aber keine Panik. Die kaiserlichen Bedeckungen wurden auf eine Weide vor der Burg gelotst, dort konnten die einfachen Soldaten auch ihre Zelte aufbauen. Zwei Knechte füllten auch bereits die Tröge mit Wasser für die Pferde. Ganz im Sinne Peraines erfüllten die Knechte, Mägde und die Diener der Ähre ihre Aufgaben und ließen sich auch von dem plötzlichen Überfall gleich zweier kaiserlicher Delegationen überrumpeln.
Ivetta stieg aus der Kutsche aus und ließ den Blick schweifen. Aus den Wirtschaftsgebäuden trugen zwei Novizen des Tempels bereits einige Stränge mit Würsten in die gegenüberliegende Küche, also vermutete sie, dass es heute kurzfristig einen großen, kräftigen Eintopf geben würde. Aus eigener Erfahrung und Planung wusste die Hochgeweihte, zumindest für den ersten Hunger würden die Soldaten und Dienstboten Brot, Butter, Käse und Wurst erhalten sowie Bier und Met. Sicherlich würden schon bald Knechte des Klosters mit Schubkarren voller Essen zur Weide aufbrechen, um die Soldaten zu versorgen.
‚Oh, gütige Göttin, oder eher gewitzter Herr Phex…‘ dachte die Perainegeweihte. ‚…ich mag gar nicht an die Kosten denken.‘ Jetzt verstand sie zumindest die Sorgen der kaiserlichen Pfalzgrafen, die die Kaiserin und ihren Hofstaat lieber auf einer anderen Pfalz denn auf der eigenen sahen.
Ihre Gedankengänge wurden unterbrochen, als jemand aus dem Palas kam und ihr entgegeneilte. Sie fühlte eine Berührung in ihrem Geiste, auf ihrer Seele, als würde eine zarte Hand die Saite ihrer Seelenharfe sanft anschlagen und einen zauberhaften Ton zaubern. Sein Lächeln war so strahlend wie die Sonne am Himmel, sein ebenfalls sonnengoldblond glänzendes Haar zu einem simplen Zopf zusammengebunden. Über einer einfachen dunkelbraunen Tunika aus feinem Leinen mit verzierten Borten trug er einen dunkelgrünen offenen Waffenrock, der ihm bis zu den Knien reichte, und mit einer goldgestickten Borte mit Ähren verziert war. Der junge Mann breitete die Arme aus und sein Lächeln wurde noch breiter, er zeigte seine strahlenden Zähne. Auch Ivetta lächelte unwillkürlich. „Hartuwal!“ grüßte sie ihn, der sie dann umarmte. Sie erwiderte die Umarmung und fühlte seine großen, schönen starken Hände auf ihrem Rücken. Sie lösten sich voneinander.
„Schön, dass du zurück bist.“ sagte Hartuwal und ließ seinen Blick über die kaiserliche Entourage schweifen. Er hob die rechte Augenbraue. „Und ich sehe, du hast hohen Besuch mitgebracht.“
Die Geweihte nickte. „Es ist viel, sehr viel passiert, meine Sonne.“
Sie merkten nicht, dass sie immer noch eine Hand festhielten. Sie merkten auch nicht, dass die Horaskaiserliche Gesandte Allegria zu Donnerhall an ihnen vorbeiging, geführt von Gundeland, und sie kurz mit interessiertem Blick musterte.
Ivetta ließ die Hand Hartuwals gehen, doch schauten sich beide noch in die Augen. Grüne Augen, so frisch wie das taufeuchte Gras, trafen auf blaue Augen, so klar wie Gebirgssee. „Hier ist alles in Ordnung?“
Hartuwal lächelte und nickte. „Storchengarten und Sturmtrutz stehen noch. Und sind bereit, die Gesandten des Greifen- und des Adlerbanners zu versorgen.“ Er bot ihr seinen Arm. „Komm, auch du brauchst eine Erfrischung, du siehst erschöpft aus.“
Wieder nickte Ivetta. Sie trug diesmal angesichts der weiten Reise keine Schleier und Kopftücher, sondern nur ihr grünes Schapel mit den Bronzescheiben, einen schlichten Schmuck, um ihr langes, offen getragenes, dunkelbraun schimmerndes Haar zu bändigen. „Ja, wir hatten eine Priesterweihe, einen Giftanschlag, einen Verrat von Angroschim und einen Drachenangriff.“
Hartuwal blieb stehen, schaute Ivetta nun ernst an. „Einen Drachenangriff?!“
„Nun ja, beinahe.“ räumte die Priesterin ein, während sie sich auf seinen Arm stützte. „Sie war furchtbar zornig und es hätte nicht viel gefehlt und Saba al'Shabra hätte uns mit diesem Zorn und ihrer unglaublichen Zaubermacht angegriffen. Aber es ist gut gegangen und sie verschwand.“ Sie warf einen Blick auf die Kutsche, aus der gerade Exzellenz Concitatus Murako Flavoria, der Gesandte des Horas, stieg. „Das, was sie begehrte, ihr Kind, werden wir ihr bringen.“
Tief und energisch sog der goldene Ritter die Luft durch seine Nase ein. „Aber dir geht es gut?“ Er nahm wieder beide Hände Ivettas, die so viel kräftiger waren als die etwa von Hofdamen. Aber auch so viel lebendiger und machtvoller. Es waren ihre Hände, deren Wärme er spürte.
Sie nickte wieder, sachte. „Ja.“ Sie hob den Blick und sah Hartuwal wieder in die Augen. „Mir ist nichts geschehen. Doch bin ich erschöpft. Brin und ich mussten uns um die von der Drachin verletzten Elea von Ruchin und Irian von Tandosch kümmern.“ Hartuwal drückte ihre Hände. „Und dein Geist?“ Ivetta lächelte etwas schwach. „Alles in Ordnung, meine Sonne. Ich habe den Zorn der Kaiserdrachin gespürt, er kam über mich und meine geistige Abschirmung war nicht stark genug, dieser gewaltigen Kraft zu widerstehen.“
Hartuwal schüttelte den Kopf, sein goldblonder Zopf flog von einer Seite auf die andere. „Komm, ich bringe dich erst einmal hinein, du brauchst frische Kleidung, Waschwasser, Wein … und vor allem Zeit, mir alles zu erzählen.“ Ivetta schaute zurück, erfasste die rege Strebsamkeit, das Gewusel der Akoluthen und Geweihten, öffnete den Mund. Hartuwal lächelte, legte ihr seine Hand auf den Rücken und leitete sie in Richtung Palas. „Alles wird erledigt werden, Gundeland und alle anderen schaffen es gerade auch ohne dich.“
Sanft und mit auf dem Rücken liegender Hand lotste der Ritter die Hochgeweihte in den Palas – neugierig beobachtet von Gundeland, der sanft, und von Allegria, die wissend lächelte.