Im Tempel der Sterne


Ort: Kaiserstadt Gareth, Villenviertel, Tempel der Sterne

Zeit: PRA 104t B.F., am Rande des Kaiserturniers

Inhalt: Baron Wunnemar Thankmar von Galebfurten, sucht Hilfe, um eine Schuld beim Herrn Phex zu begleichen.

Eine Briefspielgeschichte von RekkiThorkarson, und Sayalana.

Im Tempel der Sterne

Im Tempel der Sterne Oder: Spielschulden beim Herrn Phex

Stadt Gareth, Villenviertel, Tempel der Sterne im PRA 1047 BF Langsam, fast andächtig schritt der kleine, dafür aber breit gebaute Mann durch den nur spärlich durch wenige Kerzen beleuchteten Sakralbau im Villenviertel der Kaiserstadt zum Altar hin. Sein Gang, seine Bewegungen und der Blick, der unter der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze immer wieder hin und her wanderte, kennzeichneten ihn abgesehen von der Uhrzeit als keinen gewöhnlichen Besucher aus. Darauf wies auch das Waffengehänge um seine Hüfte, in dem Langschwert und Linkhand steckten. Der dunkelgraue Mantel, den er trug, ließ darüber hinaus keinerlei Schlüsse über seine Herkunft zu, ebenso wenig die einfache schwarze Leinenhose und die staubigen Lederstiefel. Erst als der Fremde vor dem Altar zum Stehen kam und sich sein Arm ausstreckte, um mit seiner Rechten einen silbernen Taler in die Opferschale zu legen, konnte der späte und zugleich aufmerksame Besucher kurz einen schweren Siegelring erkennen, der an einem seiner Finger steckte und ihn als Adligen auswies.
Nachdem er das Zeichen des Listenreichen in die Luft vor seiner Brust gezeichnet hatte, trat der Fremde zurück und setzte sich in eine der mittleren Bankreihen, um stille Zwiesprache mit Phex zu halten: ‘Listiger, Grauer der Götter, Nachtrichter, schenke mir Einsicht. Offenbare mir deinen Willen. Ich stehe in DEINER Schuld, doch ich weiß nicht, wie ich sie begleichen kann. Diese Last liegt schwer auf meiner Seele, denn nichts liegt mir ferner als DIR vorzuenthalten, was DIR zusteht. Zürne mir nicht. Hilf mir und lass mein Handeln DIR zu Diensten sein.’
Wunnemar atmete tief durch und legte den Kopf in den Nacken, um mit beiden Händen nach der Kapuze zu greifen, da er das Gebet beendet hatte. Der Galebfurtener glaubte nicht, dass einer seiner Famlienmitglieder, oder gar ein Bundbrunder oder -schwester, ihm durch die dunklen Gassen Gareths gefolgt waren. Nicht einmal Quendan- sein Knappe, der an diesem Abend Freigang hatte und sich sicher im Südquartier die Hörner abstoßen würde, wusste, wohin er gegangen war. Es gab hier keinen Grund für Heimlichkeit. Sie waren alle wegen dem Kaiserturnier und dem Saatgutkonvoi in die Rabenmark in Garetien, auf der Durchreise, wenn man so wollte. Niemand wusste, dass er noch eine andere Motivation hatte Gareth zu besuchen. Wunnemars ‘Spielschuld’ war sein Geheimnis.
Der Galebfurtener seufzte, da er die Kapuze in den Nacken abgestreift hatte. Heimlichkeit lag ihm nicht, nein, sie missfiel ihm sogar ein Stück weit, obgleich er doch wusste, dass sie manchmal einfach erforderlich war und den ritterlichen Tugenden nicht entgegenstand- jedenfalls nach seiner Auslegung. Er würde sich daran gewöhnen müssen, zumindest zu bestimmten ‘Gelegenheiten’. Er hatte diesen Weg schließlich aus freien Stücken gewählt.
Das Antlitz des Fremden, welches zum Vorschein kam, Trug ein noch jugendliches Gesicht, welches jedoch von langem, graumeliertem Haar und einem ebenso grauen, fast weiß durchsetzten Bart eingerahmt wurde - die Erinnerung an eine Begegnung mit einem Karakil, einem geflügelten Dämon in den Mauern von Mendena. Ein geringer Preis, denn er hatte überlebt. Trotz dieser vorzeitigen Alterserscheinungen, oder vielleicht gerade deswegen- er besaß Charisma.
Der Baron seufzte abermals, da er über die Sinnhaftigkeit seines Tuns nachsann. Er war müde und seine linke Schulter schmerzte. Zwar verlief das Kaiserturnier gut für ihn, aber die beiden schweren Stöße, die er bei der Tjoste auf sein Schild bekommen hatte, steckten ihm in den Knochen und der folgende Tag würde sicher noch herausfordernder werden. Gern wäre er einfach zurück ins Lager vor den Mauern der Stadt marschiert, wo sich das große Turnierlager befand und seine Brüder und Schwestern kampierten. Hatte dies alles einen Sinn? Würde auf diese Art und Weise erfahren, was Phexens Wille war? Wunnemar hatte absichtlich nicht den Händlertempel gewählt, sondern den der Sterne, der neben Politik auch für Mystik stand. Wenn, dann würde er hier einen Fingerzeig darauf erhalten, wie er seine Spielschulden gegenüber dem Herren Phex einzulösen hatte. Doch er zweifelte grundsätzlich an seinem Ansatz der Problemlösung.
Leise schloss Sayalana die Tür zu Tyas Arbeitszimmer und wandte sich den Gang entlang, der sie in die Tempelhalle bringen würde. Ihr Besuch bei der älteren Kollegin war halb geschäftlich und halb privat. Seit Jahren schon kannte sie die Vorsteherin des Tempels der Sterne und versorgte diese mit Informationen. Im Gegenzug fanden Anfragen und Gesuche der Legatin bei den richtigen Ohren Gehör. Die beiden Frauen hatten schon lange entdeckt, dass sie in vielen Belangen übereinstimmten und trotzdem sahen sie sich nur sehr selten. So hatte Saya es genossen, einmal wieder mit der Mystikerin direkt zu sprechen und neben dem Tagesgeschäft kamen auch philosophische Fragen zur Sprache. Darüber war es spät geworden, viel später, als die Legatin eigentlich geplant hatte. Leise schmunzelte sie, während sie sich den ein oder anderen Satz von Neetya noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Kurz bevor sie die Tempelhalle betrat, blieb Sayalana im Schatten stehen und musterte den Raum. Ruhig lag die Halle im Zwielicht des frühen Abends da. Nur noch wenige Personen hielten sich in der Halle der Sterne auf. Zwei Novizen waren dabei einige wenige Lampen anzuzünden. Eine Frau strebte dem Ausgang zu und ein Mann saß auf einer der Bänke. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und musterte mit nachdenklicher Miene die Sternbilder an der Decke. Seinem Gesicht nach war er noch jung, aber Haar und Bart kündeten von Alter. Seine Kleidung war bürgerlich und neutral, sie sagte rein gar nichts über ihn aus, aber da war etwas in seiner Haltung, was Saya vermuten ließ, dass er über Autorität verfügte und zu guter Letzt trug er ein Waffengehänge wie ein Ritter. Schwert und Linkhand. Die Linkhand war gewöhnlich, aber das Langschwert…. irgendwie zog es Sayas Aufmerksamkeit an, da war etwas an dieser Waffe… ein Geheimnis und auch der Mann war ein Widerspruch in sich, ein Rätsel. Der Fuchs in der Geweihten stellte die Ohren auf und zuckte mit den Schnurrhaaren, seine Neugier war geweckt. Dass Hector auf sie wartete, war fürs erste vergessen. Sayalana lenkte ihre Schritte auf den Besucher zu.
Er war so in Gedanken versunken, dass sie unbemerkt bei ihm ankam. “Sucht ihr Antworten in den Sternen?” sprach Saya ihn mit ihrer dunklen, melodiösen Stimme an.
Als Wunnemar den Blick ruckartig wandte, stand eine rothaarige, nicht mehr ganz junge Frau in grauer Kleidung neben ihm, die ihn mit freundlichen hellgrauen Augen musterte, in denen kleine Sternchen zu leuchten schienen. Sie trug keine Waffen, dafür einen leicht aus der Form geratenen grauen Schlapphut mit Fuchsschwanz auf dem Kopf und ein unübersehbares Phexamulett um den Hals.
Die Augen des Fremden, die die Dienerin des Phexens trafen, waren geweitet, er war in Gedanken gewesen- weit weg. Sein gedrungener Körper war augenblicklich aggressiv gespannt. Sayalana hatte das Gefühl, er müsse sich beherrschen, um nicht aufzuspringen und Raum zwischen sich und die vermeintliche Bedrohung zu bringen. Indes, er tat es nicht. Er blieb sitzen und wandte sich Sayalana sogar ein Stück zu. Doch erst als er zu sprechen begann, wich die Anspannung gänzlich aus ihm. Ja, die Geweihte hatte sogar das Gefühl, dass er dankbar war, dass sie- eine Geweihte ihn angesprochen hatte.
“Das tue ich… eure Gnaden”, sprach er leise. “Ich…”, er wirkte unsicher, was nicht ganz zu seinem selbstsicheren Erscheinungsbild passen wollte. “Ich stehe in der Schuld Fekols, doch ich weiß nicht, wie ich sie begleichen soll.”
Noch eine Überraschung, er benutzte den zwergischen Namen des Listenreichen. Das kam unter Menschen eher selten vor. Die meisten wussten nicht einmal, dass sogar die Angroschim den Fuchs verehrten. “Fekol?” Saya beschloss, erst einmal nachzuhaken, bevor sie Antworten gab. "Nicht oft höre ich diesen Namen des Fuchses, besonders nicht von Menschen.”
Der Fremde nickte bedächtig. “Ja, ich wusste bis vor Kurzem auch noch nicht, was oder vielmehr wer Fekol ist und dass die Brilliantzwerge ihn verehren.”
Der Mann sah auf und ließ seinen Blick durch den Tempel schweifen. Erst als er sich sicher war, dass sie niemand offenkundig belauschte- so sicher man das in einem Tempel des Phex sagen konnte, fuhr er fort: “Es gibt einen Tempel, den Calaman, der Stammvater der Brilliantzwerge und Assaf ibn Kassim selbst erschaffen haben sollen. Ich war dort und sprach mit einer mechanischen Apparatur, die eine eigene Persönlichkeit besaß- einem Avatar Fekols.”
Sayalana unterdrückte einen Pfiff durch die Zähne, aber ihre Augen blitzten bewundernd auf. Außerdem konnte sie ihre Überraschung über diese, ihr neue, Information nicht verbergen. “Das hört sich nach einer Geschichte an, die ich gerne hören würde.” sagte sie, während sie sich auf die Bank neben den Mann niederließ.
“Das kann ich mir vorstellen”, entgegnete der Fremde nicht ohne ein schelmisches Funkeln in den Augen. Jedoch fügte er nach einer kurzen Pause die schlichte Frage nach dem, “hier?” an.
“Man sollte meinen, ein Phextempel wäre der beste Ort dafür.” gluckste die Geweihte und blickte sich um. “Aber andererseits weiß man nie so genau, wer alles in so einer großen Halle zuhört und der Fuchs hat es ganz gern, wenn nicht jeder immer alles weiß.” Also stand Saya wieder auf und schlug vor: “Wir können uns in das obere Stockwerk zurückziehen. Dort gibt es eine kleine Bibliothek, eigentlich mehr ein Lagerraum für Karten, Reiseberichte und Aufzeichnungen zu den Gestirnen. Um diese Uhrzeit ist dort niemand mehr.”
“Gut”, entgegnete der junge Mann. “Zunächst einmal möchte ich mich aber bei euch entschuldigen. Wo sind meine Manieren geblieben? Ich habe mich euch noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Wunnemar von Galebfurten, Baron von Tälerort in der Rabenmark. Die Wurzeln meiner Familie liegen jedoch in den Nordmarken. Ich bin Teilnehmer des Kaiserturniers und deswegen in Gareth.”
Die Füchsin lächelte wieder. Sie hatte es nicht als unhöflich empfunden, keine Namen auszutauschen, das war im Phextempel eher normal. “Es ist auch kein Geheimnis, wer ich bin.” antwortete sie. “Ich bin Hochwürden Sayalana Sterntreu de Valoisé, Legatin des Phex im Zwölfgöttlichen Konzil zu Perainefurten, gehöre also nicht zu den hiesigen Geweihten sondern bin nur auf der Durchreise.” Was es noch viel spannender macht, dass wir uns getroffen haben, fügte sie in Gedanken an. “Kommt, euer Wohlgeboren, ich zeige euch die Bibliothek und dann ergründen wir, warum es dem Fuchs gefallen hat, dass wir uns treffen.”
Die Augen des Fremden- Wunnemars weiteten sich und seine Pupillen huschten ein paar Mal unstet hin und her, da die Geweihte sich ihrerseits vorstellte. Er schien die Implikationen Sayalanas Worte zu überschlagen.
“Dann ist es Zufall, dass wir uns hier begegnen”, sprach der Rittersmann nach kurzem Schweigen und dann nickte er Sayalana mit einem Grinsen zu. “Dumm nur, dass ich nicht an Zufälle glaube.” Sein Grinsen wurde breiter und die Geweihte hätte es als frech betitelt, hätte sie es beschreiben sollen.
Der Baron erhob sich. “Hochwürden, ich fühle mich geehrt. Ich denke, ihr seid genau die, die mir weiterhelfen kann. Bitte zeigt mir doch diese… Bibliothek.”
Saya spiegelte sein Grinsen und nickte ihm zu. “Zufälle gibt es nicht. Nicht, wenn der Fuchs am Spieltisch sitzt.” Danach führte sie ihn den Gang entlang, aus dem sie gerade gekommen war und durch eine Tür, die eigentlich nur den Tempelangehörigen vorbehalten war, ins Treppenhaus nach oben.
Die Bibliothek war ein kleiner, mit Regalen voll gestellter Raum in dessen Mitte aber ein großer Tisch stand mit einigen Stühlen drum herum und verschiedenen Karten darauf. Es roch nach Pergament und altem Papier. “Hier sollten wir ungestört sein.” stellte die Geweihte fest, während sie eine Lampe entzündete. Sie setzte sich auf einen der Stühle und zog auch für Wunnemar einen heran.
Aus ihrer Umhängetasche förderte sie eine kleine bauchige Flasche hervor und zwei Schnapsbecher. Die Flüssigkeit, die sie einschenkte, war silbergrau. “Küstennebel, aus Tobrien.” erläuterte sie. “Ich denke, wir werden einige Zeit hier sitzen und reden macht dursig.” Was zusammen mit einer Geste eine Aufforderung für den Ritter war, zu berichten.
“Also gut”, beschied Wunnemar, setzte sich und begann mit ruhiger Stimme zu erzählen: “Ich gehöre einem noch jungen Ritterbund an- dem Orgilsbund, welcher sich nach der Rückkehr aus Mendena, vom Haffax- Feldzug in Elenvina gegründet hat. Wir, meine Bundesbrüder und -schwestern, ebenso wie ich, hatten einen Unterstützer mit sehr klangvollen Namen- Wolfhold von Streizig, Baron zu Orgils Heim.
Wolfhold starb im Phex 1044 auf tragische Art und Weise, gewaltsam und es entbrannte ein Machtkampf und die Erbfolge. Vielleicht habt ihr davon gehört. Es kam sogar zu ausufernden Unruhen, bei denen Menschen zu Tode kamen. Es ist die Rede davon, dass Gefolgsleute des Rattenkindes die Situation ausnutzen wollten. Dies galt es zu verhindern. Die Thronfolge musste rasch geklärt werden. Dieser Aufgabe nahmen wir uns an.
Ihr müsst hierzu wissen, dass die Baronswürde in Orgils Heim nach altem Recht an eine der Sporen des heiligen Orgil gebunden ist. Diese verschwand in den Wirren des Streits. Sie wurde entrückt, wie wir herausfanden- an Phexens Sternenhimmel.
Der Orgilsbund suchte nach Möglichkeiten sie zurückzuerlangen. Wir wandten uns schließlich an einen Sternenkundler, dem eine gewisse Nähe zur Kirche des himmlischen Fuchses nachgesagt wird. Nun ja, über die Spore, die wir tatsächlich durch ein Teleskop am Nachthimmel fanden und dessen Position am Firmament, kam jener Gelehrte auf die Sagenfiguren Calaman und Assaf, deren Geschichte er uns erzählte. Letztlich brachen wir in die Ingrakuppen auf. Unser Ziel war ein Ort, an dem diese beiden Gestalten aus der Frühgeschichte der Menschheit Fekol zu Ehren einen Tempel errichtet haben sollten.
Naja, es war nicht ganz einfach ihn zu finden und ebensowenig hinein zu gelangen, aber es gibt diesen Tempel, versteckt in einer nur schwer zugänglichen Gebirgsregion. Was wir dort fanden jagt mir noch jetzt, da ich hier vor euch sitze, einen Schauer der Ehrfurcht über den Rücken: eine mechanische Apparatur in Gestalt eines Fuchses, welche nicht nur einfach sprechen konnte, sondern auch Wunder vollbringen. Wir spielten mit jenem Avatar des Fekol um die Spore des heiligen Orgil und in der zweiten Runde gewannen wir. Die Spore fuhr auf einem Feuerschweif vom Firmament hinab und durch ein Oberlicht aus durchschimmerndem Gestein in den Tempel.”
Immer noch ein Stück weit fassungslos, ob des Erlebten schüttelte der Rittersmann den Kopf.
“Wir brachten die noch glühende Spore in einer steinernen Kiste- einer Leihgabe des Avatars, für das ich mein Schwert im Tempel lassen musste und das der Fuchs vor unseren Augen aus meinen Händen ins Nichts entrückte, in die Pfalz Angroschsgau, wo die Kaiserin über die Nachfolge in Orgils Heim entschied und den Streit damit beendete.”
An dieser Stelle holte Wunnemar einmal tief Luft, bevor er fortfuhr. “Doch dies ist nicht der Grund, warum ich nun um eure Hilfe bitten möchte. Nein. Wie ihr euch denken könnt, gab es vor der zweiten Spielrunde- die wir gewannen und die Spore erlangten, eine erste. Diese erste Runde verloren wir. Und um meinen Wetteinsatz, denn ich im Stillen- in Gedanken mit dem Avatar aushandelte, geht es. Sein Zwinkern verriet mir eindeutig, dass er den Einsatz akzeptierte.”
Bedeutungsschwer machte der junge Baron wiederum eine Pause. “Bevor ich euch sage, was ich Fekol schulde, möchte ich etwas weiter ausholen.
Ich bin seit dem Rondra 1042 BF Baron von Tälerort, also noch nicht sehr lange. Tälerort ist keine reiche Baronie, auch wenn sie unweit von Altzoll, in der Nähe der Reichsstraße liegt. Das Land ist geschändet, die Menschen erschüttert, teilweise gebrochen.” Er seufzte.
“Aber das muss ich euch nicht erzählen. Das Konzil zu Perainefurten wurde gegründet, um sich all den daraus resultierenden Aufgaben zu stellen.
Jedenfalls unternahmen einige Nordmärker Adlige, darunter der Initiator, der Baron von Hlûtharswacht, Jost Verian Sturmfels-Maurenbrecher- mein einstiger Dienstherr und mein Schwertvater Roklan von Leihenhof, Baron von Galebquell, gemeinsam mit weiteren Kräften des Herzogtums, auch derer meines Hauses einen Feldzug in die Rabenmark und befriedeten Tälerort und die angrenzenden Gebiete. Es kam in Rotenzenn zu einer Schlacht gegen eine beträchtliche Anzahl Drachenritter und Paktierer, die Opfer forderte, aber letztlich gewonnen wurde. Seitdem ist es weitgehend friedlich in meiner Heimat. Die Grenzreiter greifen immer noch ab und an Marodeure auf, Wegelagerer, zwielichtiges Gesindel, doch das lässt sich mit eigenen Kräften bewerkstelligen.
Seither, seitdem meine Ländereien sich im Wiederaufbau befinden, überlege ich, was ich tun kann, um einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, dass der Rahja des Reiches dereinst wieder frei ist. Und da kommt ihr ins Spiel. Ich habe keinen großen Einfluss, noch habe ich Gold. Die Geldmittel um Tälerort wieder aufzubauen stammen aus den Erträgen der Güter, welche meine Familie in den Nordmarken- in Gratenfels besitzt. Nein, mir kam eine andere Idee, wie ich vielleicht etwas subtiler etwas Gutes tun kann.
Ich bin kein Narr. Mir ist bewusst, wie wichtig die Kirche des Listenreichen für den Widerstand war und immer noch ist, dass eure Informationen aus den Dunklen Landen die Rückeroberungen der vergangenen Jahre erst möglich gemacht haben. Deswegen habe ich Fekol- dem Herrn Phex angeboten, mir einen seiner verdeckten Diener zu schicken. Ich würde ihn in Tälerort als meinen Truchsess einsetzen, wenn er entsprechende Qualifikationen aufweist- einen warmen, sicheren Platz, um Informationen zu sammeln und weiterzugeben, nahe an Altzoll, was noch immer sowas wie eine Grenzstadt ist. Ihr wisst, was ich meine.” Wunnemar atmete einmal tief ein und aus. Dann fügte er noch an: “Dies ist die Geschichte in Kürze. Ich hoffe inständig, ihr könnt mir helfen, meine Schuld zu begleichen.”
Er griff nach dem kleinen Becher, den die Geweihte längst gefüllt hatte und erhob ihn. “Auf den Traum eines wiedervereinten Darpatien und eines freien Tobrien.”
Die Geweihte hatte still zugehört. Allerdings hatte sie es zugelassen, dass man ihrem Gesicht ansah, was sie dachte. Erstaunen, Neugier und Begeisterung hatten sich auf ihren Zügen gespiegelt, bei der Geschichte des Fekoltempels. Während Wunnemar von Tälerort berichtete, blieben ihre Züge zunächst ernst, dann wurden sie nachdenklich und als der Baron geendet hatte und sein Glas erhob, breitete sich schließlich ein breites Grinsen auf Sayalanas Gesicht aus. “Da trinke ich mit und möchte noch ein Hoch auf den Fuchs und seine Schliche zufügen. Beim buschigen Schwanz des Roten, es ist sicher kein Zufall, dass wir uns getroffen haben.” Sayalana stieß mit ihrem Becher an den Wunnemars und trank ihren Schnaps in einem Zug.
Darauf tranken sie. Wunnemar stürzte seinen Becher geradezu hinunter und verzog danach kurzzeitig das Gesicht, als der Schnaps sich seinen Weg hinab in seine Gedärme brannte.
“Nun Hochwürden”, setzte der junge Ritter von neuem an, als er das leere Gefäß schwungvoll auf dem Tisch abstellte. “Meint ihr, ihr könnt mir helfen?”
Zur Antwort nickte die Geweihte. "Ja, ich denke, wir können uns gegenseitig helfen. Ich kenne da einen Geweihten des Listenreichen, der während der ganzen Zeit der Besatzung unerkannt hinter den Linien lebte. Er versorgte uns mit unschätzbar wertvollen Informationen aus Mendena. Dies war ihm allerdings nur möglich, weil er, wie sagt man so schön? Mit den Wölfen heulte. Nun da Mendena befreit ist, kann er dort nicht mehr bleiben. Er war zu bekannt und zu nah an den einstigen Machthabern. Aus ähnlichen Gründen kann er nicht zurück in seine Heimatstadt. Momentan lebt er als Schreiber in Perainefurten unter unserem Schutz, aber das wird seinen Fähigkeiten nicht gerecht und nach all diesen Jahren in denen er für Tobrien und Phex sein Leben und sein Seelenheil riskiert hat, hat er mehr verdient als eine kleine Kammer in der Kanzlei. Tälerort liegt weit genug von Mendena entfernt, damit er unbekannt sein dürfte. Dort könnte er mit einem anderen Namen neu anfangen. Wenn ihr bereit seid, ihm diese Chance zu geben.” Wunnemar dachte eine Weile über die Worte Sayalanas nach, bevor seine Miene einen ernsten Ausdruck annahm und er nickte. Als er daraufhin zu sprechen begann, erkannte Sayalana sofort, dass seine Absicht seiner Tonlage entsprach: “Ihr werdet ihn mir mit einem Geleitbrief von euch und einem Empfehlungsschreiben für einen Posten an meinem Hofe nach Tälerort schicken. Ich muss ihn meiner Mutter- meiner Vögtin irgendwie ‘verkaufen’. Ebenso wie dem Rest meiner Familie. Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, ihr seid diesbezüglich… talentiert und… erfinderisch.” Bei den letzten Worten stahl sich wieder das bekannte, freche Grinsen auf die Züge des Rabenmärkers.
“Schickt ihn so ‘gerüstet’ zu mir und wir zwei werden im kommenden Frühjahr gemeinsam in die Ingrakuppen ziehen, um vor dem Avatar des Fekol zu beten Hochwürden. Aber dies ist nicht alles. Noch eines wird dieser Handel einschließen.” Wunnemar beugte sich vor und er verdrängte jedweden Unterton aus seine Stimme, so dass Sayalana wusste, wie ernst es ihm war.
“Wir werden auf der Reise ins Gebirge viel Zeit haben. Zeit, in der ihr mir die Natur eures Gottes näher bringen werdet. Der heilige Orgil hatte eine ganz besondere Bindung zum Herrn Phex.” ‘Und Wolfhold- mögest du an Rondras Tafel verweilen, hatte es auch’, fügte er in Gedanken hinzu. “Wenn wir wirklich auf seinen Fußstapfen wandeln, sein Werk fortführen wollen, so müssen wir ihn verstehen lernen- die Dinge sehen, wie er es tat.”
Wunnemar streckte Sayalana die Hand, wie zum Handel entgegen und sah sie erwartungsvoll an.
Die Geweihte fackelte nicht lange. Ihr Gefühl sagte ja zu diesem Handel und ihren Verstand, den konnte sie später auch noch bemühen. Sie ergriff die ausgestreckte Hand des jungen Ritters “Herr des Handels, ein Wunsch wurde geäußert, ein Angebot gemacht, der Preis ist benannt, verhandelt haben wir, einig sind wir, unter deinen Segen stelle ich diesen Handel. Bei Phex! Hand drauf, so sei es!”
Ein fester Druck und ein Schütteln der Hände bekräftigten das so sei es und wie als Antwort auf den Segen hörten die beiden das leise Keckern eines Fuchses. Saya hatte kurz das Bild eines Fuchses im Kopf, der sie wohlwollend und zufrieden anblickte. Sie blinzelte und es war wieder verschwunden, nur die leichte Beschwingtheit blieb, die sie immer verspürte, wenn sie Phexens Kraft benutzte.
Wunnemar indes hatte ein anderes Bild vor Augen, dass des mechanischen Avatars des Fekols aus seinem Tempel im Gebirge. Ungeachtet dieses kleinen Unterschieds, ließ Phexens Segen den jungen Baron erleichtert aufatmen. Sayalana merkte, wie die stolze, aufrechte Haltung des Rabenmärkers einen Deut Steifheit verlor, seine Schultern ein, zwei Finger breit absackten. Seine Augen wirkten auf einmal müde. Das Lächeln- das freche Lächeln jedoch blieb.
Er griff nach der Flasche und hob sie. “Ihr trinkt doch noch mit mir auf diesen Handel oder?”
“Ganz sicher.” Auch die Geweihte grinste. “Nur noch eine Kleinigkeit als Sicherheit, denn Papiere können verloren gehen. Fragt ihn, wer er ist und die Antwort muss Grauwind lauten. Fragt ihn wer ihn schickt und er wird sagen der Sternenfuchs. Und nun wollen wir trinken und ihr erzählt mir, wie das Turnier für euch läuft.”

~ Ende ~