Haffax Feldzug Gallys Ein Brief Fuer Imma

Ein Brief für Imma

Inhalt:

  • Abschiedsschmerz bei den drei Schellenberg-Geschwistern Imma, Lupius und Hagrian. Letzterer begleitet den Zug in den Osten als Rondrageweihter. Sein letzter Brief in die Heimat zu seiner Schwester macht deutlich, dass er wohl nicht mehr nach Hause zurückkommen wird.

Wieder einmal hielt der Bote, der unterwegs zum nördlichgelegenen Baronssitz war, auch auf Rickenbach. Nicht nur, um wie immer im gleichnamigen Örtchen zu Fuße der Hyndansburg zu nächtigen, sondern auch, um wieder einmal einen Brief an die Herrschaften zu überbringen, der es auch diesmal aus den Landen jenseits des Koschs in den Isenhag geschafft hatte.
Das Papier, das gesiegelt war mit dem Wappen der Schellenbergs, und welches deutliche Spuren seiner Reise wie auch von einer unsachgemäßen Aufbewahrung des Papiers zeigte, erreichte das Gestüt am nächsten Tag, als der Botenreiter längst wieder aufgebrochen war. Ein Dienstbote des Herrn Merkan war es, der selbiges Papier mit der sonstigen Post aus Rickenbach in die weite Ebene zwischen Geronsweiher und Hornswald herausbrachte, wo sich das Gestüt derer von Rickenbach befand.
Merkan sah von dem kleinen Stapel auf, weil ihm der fleckige, an den Kanten gestoßene Brief in die Hände flog und er ließ nach seiner Nichte rufen. "Sag, sie soll die Fohlen Fohlen sein lassen und in die Stube kommen. Hagrian, ihr Bruder hat geschrieben!" ließ er verlauten, während er den Fetzen beiseite legte, um sich seinerseits mit dem Rest der Post hinter seinen Schreibtisch zu verziehen. Mit den üblichen Falten auf der Stirn besah er sich die restlichen Briefe…

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Heerlager zu Gallys, am 16ten des Monat Ingerimm im Jahr 1039 nach dem Fall Bosparans

Liebste Imma, liebes kleines Schwesterlein,

lass mich dir sagen, dass wir gut in Gallys angekommen sind. Das war vor ein paar Tagen schon, doch erst jetzt finde ich einen ruhigen Moment, um dir zu schreiben. Vielleicht ist es mein letzter Brief, denn in einer knappen Woche brechen wir gen Mendena auf und nur die Donnernde selbst weiß, welche Streiter sie rufen wird, um mit ihr bei Tafel zu sitzen. Doch sei dir gewiss, liebes Schwesterchen, ich bin vorbereitet, alle Kraft, die mir die stärkste aller Löwinnen, die Fürstin der Schwerter, für diesen Kampf verleiht, einzusetzen, selbst wenn es mich mein Leben kostet. Doch wird es mir eine Freude sein, denn mein Tod wird ehr- und vor allem sinnvoll sein. Ich habe keine Angst vor den Schatten, die die Schwarzen Lande oder der Reichsverräter aufbieten werden. Auch sie sind nur so lange Schatten, bis das Licht heller strahlt, als die Dunkelheit. Und dieses Licht bringen wir! Es leuchtet in so vielen Herzen, ich habe es gesehen, Imma, und gemeinsam werden wir es nach Mendena tragen, ich und die abertausend anderen Herzen, die hier schlagen. Noch ist das Heerlager ein riesiges Ungetüm aus Zelten und Körpern, Schweiß, Rosskugeln und Waffenöl liegt in der Luft, genauso der süß-herbe Duft geteilter Vorfreude und ich bin mir sicher, wenn die Herrinnen und Herren aus Alveran auf uns des nächtens hinabblicken, dann strahlt der Fleck, auf dem wir lagern, heller als das Madamal! Ich hatte bislang noch keine Gelegenheit, mich hier um zu sehen, doch ist so viel Wille, wie auch Ungewissheit, so viel Vorsicht, wie auch Hoffnung in der Luft, man muss kein Diener der Zwölf sein, um das zu merken. Ich weiß, wie sich Mutter und Vater gefühlt haben müssen, damals, als ihre Schlacht bevorstand. Jetzt ist es meine und ich sehe ihr zuversichtlich entgegen! Es ist aufregend, all diese vielen Gesichter, Menschen, Angroschim, von überall her sind sie gekommen, der Himmel ist erfüllt von dem Geräusch des flatternden Fahnenmeers. Ja, der Rote Fuchs vereint das Reich am besten zu Felde, so schien es schon in der Vergangenheit immer gewesen zu sein. Als schlechtes Zeichen für die Regentschaft einer Rohaja von Gareth würde ich dies nicht werten, viel eher erstaunt mich die Tatsache, dass sie auf diesem Boden Streiter schart, die dasselbe Ziel haben und dafür ihr bisheriges Leben zurückstecken. Die meisten von ihnen zumindest.

Ach, Imma, du würdest mein Seufzen hören: herrscht hier zwar Kaiserfrieden, das heißt, es dürfen keine Duelle gefochten werden, allerdings versuchen einige dickköpfige Adlige dieses Verbot trotzdem durch das Ausrichten von Waffenübungen zu umgehen. Für jene Dienstleute, die für die Gerichtsbarkeit hier im Lager zuständig sind, ist es keine leichte Aufgabe, Frieden zu bewahren, müssen sie doch für Ordnung sorgen, dürfen dennoch nicht demotivieren, denn jedes einzelne Schwert wird zur Erfüllung des Großen Ganzen notwendig sein. Wenn du mich fragst, soll jeder machen was er will, so lange er seine Klingen wetzt, statt ermüdet, denn am Ende werden wir ob unserer Taten auf Rethon geprüft und diejenigen, die über Feindseligkeiten hinwegschauen, weil sie eher den Schulterschluss in der Formation suchen, wird Vergebung zuteilwerden, das weiß ich.
Doch genug der liturgischen Worte. Ich weiß ja, dass du noch nie viel für meine und Mutters Leidenschaft für die Göttliche Streiterin übrig hattest und ich bin dir deswegen in keinster Weise gram, auch wenn du vielleicht irgendwann einmal dieses Gefühl gehabt haben solltest. Imma, ich liebe dich, du bist meine Schwester und du weißt, wie gerne würde ich zurück nach Rickenbach kehren, um dir von allem hier persönlich zu berichten. Doch du weißt ja auch, dass ich dieses Versprechen nicht geben kann. -- Aber, nein, nun werde ich doch wieder „rührselig“, wie Großmutter gesagt hätte und Rührseligkeit steht mir angesichts derzeitiger und kommender Zeiten nicht gut zu Gesicht. Ich wollte dir ja noch etwas über das Leben hier schreiben:

Noch erwartet wird die Lanze Streiter, die das Nordheer auf der anstehenden Heerschau vertreten werden. Ihre Kaiserliche Majestät wiederum kam gestern in Begleitung der Panthergarde hier an, sie lebt nicht im Heerlager, sondern bezog Burg Kall‘riß, so erhielten wir zumindest die Nachricht. Gesehen haben wir sie hier im östlichen Teil des Lagers noch nicht, doch weiß ich, dass sie die Heerschau begonnen hat und es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie zu uns, ins nordmärkische Lager, kommt. Denn eine Heerschau dieser Größe ist allerdings keine Angelegenheit, die in wenigen Tagen zu bewältigen ist. Bis dahin üben wir uns hier in Geduld und den Gedanken an unsere Lieben zuhause. Ich bin nicht der einzige, der noch einmal ein paar Zeilen nach Hause schreibt. Viele meiner Kameraden tun es ebenso, wie auch, sich in rahjanischen Freuden zu erquicken, gibt das Lager nicht sehr viel Sinnliches her, außer ein paar Momente Zweisamkeit zwischen Waffendrill und Anstehen fürs Essenholen. Ich bin jedoch kein Freund von Huren, wie du vielleicht weißt, auch wenn selbige sich bei ihren Zügen durchs Lager eine goldene Nase verdienen. Ich mag sie nicht, diese Mädchen. Sie sind aufdringlich und haben mich schon des öfteren durch ihr Auftreten beschämt, weil ich finde, dass sie sich allein vom Gold verführen lassen und nicht an die Möglichkeit denken, dass sie durch ihren Dienst den Streitern noch etwas auf den Weg mit geben können, was für etwas steht, was ein jeder in den kommenden Tagen schmerzlich vermissen wird: das Gefühl von Heimat, so unsere Wiederkehr doch unbestimmt und vom Willen der Zwölf abhängig ist. Wie ich anfangs schon schrieb, liebste Schwester, ich erwarte nichts. Umso weniger werde ich enttäuscht. Auch wenn es mich doch leidlich betrübt, vielleicht nicht mehr hören zu können, was aus dir, Lupius, Onkel Merkan und Rickenbach wird.

Onkel Merkan – sag ihm meine besten Grüße, hörst du, und sag ihm auch, dass er dir einen anständigen Mann suchen soll, denn nichts anderes verdienst du, teures Schwesterchen, als, dass du glücklich sein kannst, wie du es seither auch warst.
Lupius soll mich nicht hassen dafür, dass ich ihm keinen letzten Brief mehr schreibe, sondern nur noch dir. Er wird wissen, dass es nun an ihm ist, die Familie zu führen, denn auch unser Onkel wird in absehbarer Zeit von Boron über das Nirgendmeer geflogen werden. Sei unserem Bruder dann ein stärkendes Schild! Er wird es brauchen, war er doch was diese Dinge angeht, nie sehr gefestigt. Sag ihm, dass es in Ordnung ist, wenn er die Toten weint, das darf er, selbst wenn er sich als Flussgardist zu seelischen Grausamkeiten zwingt, in dem er verdrängt. Das soll er nicht. Er soll seinen Platz als Familienoberhaupt annehmen, wie er einst das Gelöbnis seiner Garde abgelegt hat: mit starkem, aber nicht verbittertem Herzen.
Die gute Sendra jedoch, die uns nach Großmutters Verscheiden eine eben solche war, drücke sie bitte an dein Herz, wenn du ihr die Nachricht über meinen Tod überbringst. Ich bin mir seiner sehr bewusst. Seid ihr euch seiner auch, denn wie schon gesagt, ich werde alles mir Mögliche dafür geben, diese Lande zu befreien. Selbst wenn ich dafür mein Licht geben muss. Rondra wird mir zur Seite stehen, so wie ich denen, die mit mir hierher gereist sind, um wiederum jenen, die im Schatten darben, ein befreiender Schlag zu sein, mögen die Zwölfe mit uns allen sein! Auch mit euch allen zuhause.

Am 21sten Tag dieses Mondes werden wir aufbrechen. Dann ist Mendena unser Ziel. Und der Tod des Reichsverräters wie der Untergang der dämonischen Schreckensherrn wird unser einzigster Begehr sein!

Nun geht mir die Tinte aus, liebste kleine Imma. Es sind tatsächlich noch wenige Tropfen in dem Gefäß, das ich voll mitnahm, um dir, euch zuhause von der Reise berichten zu können. Welch Ironie liegt darin, dass es auch die letzten Zeilen an dich, euch, sein werden. Es wird noch für einen Kuss reichen und für ein Versprechen, selbst im Angesicht meiner größten Ängste nicht zögern zu wollen!
Zünde ein Licht an für uns. Und fühle dich tausendfach geküsst und umarmt.

In Liebe,
Hagrian
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Imma nahm den ledernen Einband zur Hand und drehte den kleinen Schlüssel knarzend in dem winzigen Schloss. Dieses filigrane Werk zwergischer Handwerkskunst hatte ihre Mutter für sie anfertigen lassen. Rondra hatte nicht zugelassen, dass Koarmin selbst dieses teure und extravagante Geschenk übergeben konnte, denn noch bevor Imma aus Elenvina zurückkehrte, hatte Boron ihre Mutter bereits in seine Hallen berufen.
Das Erinnerungsstück war Immas liebstes. Es hatte ihr gezeigt, dass ihre Mutter sie geliebt hatte: So wie sie war - Unvollkommen und gänzlich anders als ihre Familie.
Sie bewahrte, eingelassen in die Innentaschen des weichen Leders ihr Innerstes auf: Ein Tagebuch, welches jedes Jahr an ihrem Tsatag von ihrem Onkel durch ein neues ersetzt wurde. Auch wenn er das niemals zugeben würde.

Liebstes Tagebuch, einziger Freund in Stunden des Haderns,

_it banger Freude öffnete ich heute am Nachmittag ein Schreiben, welches ein Bote Onkel Merkan überbracht hatte: Vielleicht wird es gar die letzte Nachricht von meinem geliebten Bruder sein, die Travia mir zugesteht. Ich kann diese Worte kaum schreiben ohne an den furchtbaren Tag zu denken, an dem ein ebensolcher Brief eintraf, um uns von Vaters Tod zu berichten. Trost fand ich damals, weil ich wusste, dass es die Liebe zu Mutter gewesen war, die ihn von uns forttrieb. Nur das stärkste aller Bänder ließ ihn uns zurücklassen, um sich wie schon Mutter in die Hände der Donnernden zu begeben. Und vielleicht war es ja auch eine Fügung der heiligen Mutter, damit sich beide jenseits des Nirgendmeeres wiederfinden konnten?
Denn vom ersten Ringen an, da der Ewige die Riesin überwand, macht Kampf das Weltengeschick aus! Doch erst als die Milde jedem eine Heimstatt und Zuflucht gab und die Kinder Sumus nicht mehr rastlos über Dere wandeln mussten, begannen Geborgenheit und Liebe in ihren Herzen zu wachsen. Und nicht anders als die Götter braucht auch jedes Tier und jeder Mensch diesen Platz im Inneren, an dem Wärme und Friede weilen. Im ständigen Bangen um das Leben meiner Brüder, bin ich erfüllt von dem Gedanken, dass ich hier in Rickenbach diejenige sein kann, die dieses Feuer der Wärme für sie erhält und erneuert; Diejenige, die diesen heiligen Ort in ihrem Inneren am Leben erhält. Denn ohne die Gütige kann niemand auf Dauer sein!
Und so ersehne ich nichts mehr von den Zwölfen, als dass ich nicht die Einzige an diesem Feuer sein muss, nichts erflehe ich mehr, als dass Phex meinen liebsten Bruder unbeschadet zurückkehren lässt, damit wir noch einmal gemeinsam die Strahlen des Praios genießen mögen, wenn der Frostmond endet, wir noch einmal gemeinsam das Erblühen Perraines Gaben auf unseren Feldern sehen und die Hingabe zu Ingerimm fühlen, wenn Meister Brick seiner alten Esse einheizt, wir noch einmal Efferdskringel in die Nacht hauchen, wenn wir im Nebelmond um unsere Toten trauern, wir noch einmal gemeinsam Bilder in den Sternen suchen, wenn Firun den Hornwald mit Schnee bedeckt hält, und damit Travia meinem geliebten Hagrian Liebe schenken kann und endlich auch Tsa unser Haus segnet.
Doch ich fürchte die Sturmherrin wird auch ihn, so wie alle vor ihm, zum Seelenraben lenken. So flaut meine Hoffnung ab und mein Herz wird mir schwer, und wenn die Zehn mir nicht helfen, so bleibt mir eine letzte Bitte an Rajha:_

Rahja, halte Einzug in sein Herz!
aus seiner Seele banne den Schmerz!
Die Glut des Leibes möge er fühlen!
schenke ihm Lust und Leidenschaft,
ein letztes Mal vor der schrecklichen Schlacht!
Sein Herz möge von Liebe erfüllt sein,
wenn er übers Nirgendmeer zu Boron fliegt!

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So schrieb die junge Edeldame alsbald folgende Zeilen an ihren anderen Bruder:

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Liebster Lupius,

wie fühlst du dich dieser Tage? Hast du den Waldmeisterschnabbes bekommen, den ich dir vorige Woche mit einem von Onkel Merkans Handelsfreunden nach Elenvina sandte? Gera hat ihn extra für dich destilliert und sie hofft sehr, er möge dir munden. Ich danke dir auch sehr für das Buch, das du mir geschickt hast. Wo findest du nur immer diese vielen seltenen Werke, die du mir schenkst? Es muss ein Vermögen gekostet haben!
Du wunderst dich sicher, warum ich dir heute schreibe, obwohl mein letzter Brief erst drei Tage zurückliegt. Ich erhielt eine Nachricht von unserem Bruder aus Gallys. Mittlerweile wird er schon auf dem Weg nach Medena sein und das erfüllt mein Herz mit unermesslicher Traurigkeit.
Rondra war dir immer näher als mir und du kannst seine Euphorie sicherlich besser verstehen, wenn er von den Gerüchen schwitzender Soldatenleiber am Vorabend der Schlacht spricht. Vor deinem geistigen Auge erwachsen vielleicht Bilder von Helden geeint in Kameradschaft, ich hingegen sehe nur die Augen ihrer Mütter und Ehefrauen vor mir, in denen sich Hoffnung, Angst und Trauer mischen. Aber unser Bruder hat seine Wahl getroffen und ich bete zu den Zwölfen, dass er zu uns heimkehren wird, obwohl er schon gänzlich von einem Heldentod und dem Einzug in die Hallen der Leuin eingenommen scheint und entrückt der Schlacht entgegensehnt.
Ihr hattet immer ein schwieriges Verhältnis, obwohl ihr euch so ähnlich seid. Aber vielleicht ist das auch der Grund- gerade weil ihr euch so ähnlich seid? Ich weiß, du wirst meiner Meinung widersprechen, geliebter Bruder. Und ich weiß auch, du wirst Hagrian dafür verfluchen, dass er dir das Lehen und die Verantwortung übertragen hat, wenn er tatsächlich von Golgari fortgetragen wird. Aber genauso weiß ich, du wirst unglücklich sein, weil ich weiß, dass du ihn liebst. Ich weiß, dass du, nachdem du diesen Brief weggeworfen hast, wütend sein wirst, weil du immer wütend wirst, wenn du Dinge nicht ändern kannst, die dir nicht gefallen. Und du wirst hinausgehen und Ärger suchen, wie du es immer tust, um dich selbst zu beschwichtigen. Und dann wirst du dir eine Frau suchen, wie immer, wenn du merkst, dass körperliche Gewalt dir nicht hilft. Aber bisher hat keine Maid dir diese Wut nehmen können, denn es ist keine Wut, sondern der Kummer deiner Seele.
Hagrian riet mir dir die reinigende Kraft der Tränen anzutragen. Und obwohl meine Seele, seitdem ich seinen Brief las von tiefster Trauer erfüllt ist, musste ich schmunzeln. Denn der einzige Mensch, außer dir, den ich nie weinen sah, ist er selbst. Ich sage dir nun: Wenn Hagrian zu Boron geht und du nicht um ihn oder um deine geliebte Flußgarde weinen willst, weine ich tausend Tränen für dich mit. Denn es sind nicht Tränen, die du brauchst, sondern es ist die reine, klare Liebe. Eine Liebe, die dich erfüllt. Bis zu den Tiefen deiner Seele.
Doch noch ist Hagrian nicht verloren und vielleicht haben die Götter ein Einsehen und schicken uns unseren Bruder gesund zurück.
Also lass uns nicht gram sein, sondern erzähle mir liebster Bruder, was hat es mit dem Aufruf der Herzogenmutter auf sich, von dem ich dir in meinem letzten Brief erst kürzlich schrieb? Weißt du mehr als ich oder unser lieber Onkel, warum sie mich eingeladen hat, und nur mich?? Merkan sagte ja, dass der herzogliche Bote, der hier war, ihm aufgetragen hat, mir persönlich zu versichern, dass meine Anwesenheit am Hoftag gewünscht wäre. Merkan ist daher der Meinung, ich solle dem Aufruf unbedingt Folge leisten, auch wenn ich nicht weiß, was Ihre Hoheit mit jemandem wie mir anfangen möchte, noch, woher sie mich überhaupt kennt. Ich bin noch unschlüssig. Ich möchte viel lieber hierbleiben und die beiden neuen Bücher studieren, die du mir seit Phex geschickt hast, außerdem fängt doch die Abfohlzeit gerade an. Was denkst du? Was rätst du mir?
Dies ist nur ein kurzer Brief geworden, denn mein Herz ist abgelenkt durch die Sorge um Hagrian, aber ich hoffe dein wöchentlicher Brief wird umso umfangreicher werden und mich zerstreuen. Ich verspreche, dass ich beim nächsten Mal mehr berichten werde. Ich lege dir eine Schachtel mit kandierten Früchten bei, ich habe sie aus der Küche stibitzt. Sendra hat sie in Marillenlikör eingelegt und den liebst du doch so sehr,
und bei allem, vergiss nie meine Liebe

deine Imma

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