Geschichte Eine Studie in rötlichbraun: Unterschied zwischen den Versionen

Zeile 1: Zeile 1:
{{DISPLAYTITLE:SGB 1044 - Eine Studie in rötlichbraun}}
+
{{DISPLAYTITLE:Eine Studie in rötlichbraun}}
= ''<small><font color="grey">'''S'''zenen aus '''G'''ut '''B'''ösalbentrutz:''</font></small><br> Studie in rötlichbraun =
+
= ''<small><font color="grey">'''S'''zenen aus '''G'''räflich '''B'''ösalbentrutz:''</font></small><br> Studie in rötlichbraun =
 
'''Ort:''' [[Burg Bösalbentrutz]] in [[Gut Gräflich Bösalbentrutz]]
 
'''Ort:''' [[Burg Bösalbentrutz]] in [[Gut Gräflich Bösalbentrutz]]
  

Version vom 9. Februar 2024, 15:25 Uhr

Szenen aus Gräflich Bösalbentrutz:
Studie in rötlichbraun

Ort: Burg Bösalbentrutz in Gut Gräflich Bösalbentrutz

Zeit: Travia 1044 BF

Dramatis Personae:


Rondrik saß nun bereits seit einer Stunde auf einem Holzschemel in Roana Simis' Laden und betrachtete eine Schnitzerei, die Roana vor Kurzem aus einem Teil eines Stamm eines Apfelbaumes geschnitzt hatte. Hin und wieder strich er mit dem Finger über die Oberfläche der kleinen Hasen-Figur, manchmal roch er sogar daran. Roana hatte ihm dabei zugesehen, manchen Kunden bedient, ihnen Apfelwein verkauft und einen guten Rat mit auf den Weg gegeben. Die letzten Minuten hatte sie aber offensichtlich wegen irgendetwas mit sich gerungen, knetete sie doch ihre umgeworfene Schürze mit beiden Händen.

„Du machst mich nervös!“, sagte Rondrik in ruhigem Ton. Ihm war die Unruhe Roanas scheinbar aufgefallen.
„Ja, nun. Hoher Herr, ich frage mich…“, hob sie zur Antwort an, wurde von Rondrik aber unterbrochen:
„Nanana, Roana. Was haben wir besprochen?“
„Ähm. Seid Ihr… ich meine du. Bist du sicher?“, fragte sie unsicher.
„Ja, bin ich.“, antwortete er ohne aufzusehen.
„Gut.“ Roana nickte einmal kräftig, wie um sich selbst Mut zu machen. Dann räusperte sie sich und fragte:
„Was machst'n du da die ganze Zeit. Des is' fei unheimlich.“
„Wahrnehmen.“, bekam sie zur Antwort, ganz so, als sei damit alles gesagt.
„Achso.“ Fast schien es, als gäbe sich die Kelterin des über die Grenzen des Gutes kaum berühmten Bösalbentrutzer Apfelweines mit dieser Antwort zufrieden. Dann hakte sie allerdings doch nach:
„Un' was? Was gibt's n bei so'm Appelbaumgeschnitz' 'n Wassermaß zu gugge?“
Rondrik seufzte, schaute zum ersten Mal auf und hielt die Schnitzerei hoch. Dabei winkte er Roana mit der freien Hand zu sich, die den Tresen umrundete und sich neben den Spross aus dem Hause Eberbach stellte.
„Hm?“, fragte sie.
„Was ist das?“, fragte er zurück. Dabei deutete er auf den Hasen.
„'N Karnickel.“
„Genauer.“
„'N Holzkarnickel.“
„Noch genauer… Farbe zum Beispiel?“
„Äähm… 'n braune Holzkarnickel?“
„Roana!“, entfuhr es Rondrik.
„Ja was weiß 'n ich? Es is' halt 'n von mir geschnitzte, braune Holzkarnickel!“
„Roana, du siehst zwar, aber du nimmst nicht wahr! Die Farbe ist mitnichten braun. Braun ist eine ordinäre Farbe! Dieser Hase hier weist eine farbstreifig rötlich- bis rotbraune Farbe auf!“ Er drehte den Hasen um, sodass man nun seinen Bauch sieht.
„Hier erkennt man sogar noch das rötlichweiße, fast tatsächlich weiße Splintholz des Apfelbaumes. Was riechst du?“ Er hielt ihr den Hasen unter die Nase.
„Holz.“
„Bei allem was Recht ist, Roana!“ Theatralisch warf er die Hände in die Luft.
„Scho' gut, scho' gut… ähm… Harz.“
„Schon besser. Es riecht allerdings neben Harz und Apfel auch nach Mist. Geht man ganz nah ran“, er drückte sich die Schnitzerei an die Nasenlöcher und atmete tief ein, „riecht man das für das Apfelholz charakteristische Odeur. Frisches, also feuchtes, Apfelholz hat diese impertinente Geruchskomponente bis es getrocknet ist. Dann muss man schon ganz genau riechen, um es wahrzunehmen. Das sei dir verziehen.“
Nun reichte Rondrik der Frau den geschnitzten Hasen. „Und, wie fühlt er sich an?“
„Glatt.“
„G… glatt? Glatt!“
„Ja, in Peraines Namen… Moment.“ Roana begann den Hasen intensiv zu befühlen:
„Gut, 's is' an de' Hinnerläuf' net so glatt, da wollt' ich ach net so viel schmiergeln, net dass ich die ganz weggeschmiergelt hätt'. Da isses dann eher net so glatt, also rau, rau isses da. Un'… ja, un' hier am Kopp kann ich mit meim Fingernagel e' Rille 'neidrügge, des geht am Karnickelbobbes net. 'S is' also ach unnerschiedlich hatt.“
„Hatt?“
„Hart! 'Tschuldigung de feine Herr!“, wiederholte Roana gespielt spöttisch.
Rondrik zog eine Augenbraue hoch, was Roana kurz erstarren ließ. Als er dann aber anfing zu grinsen, lachte sie erleichtert auf. Er ließ sich, weiterhin lächelnd, den Hasen wieder reichen.
„Siehst du Roana, jetzt hast du endlich auch einmal wahrgenommen! Es ist nicht einfach nur ein brauner Holzhase aus hartem Apfelholz. Es ist ein farbstreifiger, im Splint rötlichweißer, im Kernholz wiederum rötlich- bis rotbrauner Hase aus nur noch leicht mistig riechendem Apfelholz, dessen Schnitz zwar von feiner Machart ist, der nachträgliche Schliff allerdings bleibt unvollkommen bis nachlässig. Der Kopf des Hasen lässt die für das Apfelholz sonst so charakteristische Härte vermissen, sodass eine gewisse Durchfeuchtung anzunehmen ist, die, wie ich vermute, auch für den noch leicht üblen Geruch verantwortlich zeichnet. Der Hase stinkt vom Kopf her, meine Gute!“ Nun lachte auch Rondrik auf.
„Un' des haste jetz' die letzte Stund' hier rausgefunne, oder was?“, fragte die Kelterin mit leichtem Lächeln.
„Mhm.“, antwortete Rondrik kurz.
„Deine Freizeit will ich ham'!“ Sie ging lachend wieder hinter den Tresen. „Den Karnickel musste jetz' kafe, den will doch jetz' kenner mehr, wenn der 'n feuchte Kopp hat, der nach Stall stinkt. Fer dich vier Heller!“
Rondrik fiel in das Lachen Roanas mit ein, kramte die geforderten Münzen hervor und legte sie auf den Tresen, bevor er, noch immer schmunzelnd, das Geschäft der guten Dame verließ.