Fastigium

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14. Ingerimm 1042 BF, kurz vor Burg Efferdwacht

Die morgentliche Stille wurde durch das monotone Hufgeklapper von gut 20 Pferden zerrissen. Überall stoben Vögel auf und jene Menschen, die ihrem Tagwerk nachgingen wandten sich ehrfurchtsvoll den Reitern zu und zogen dabei ihre Kopfbedeckungen. Vor jeweils zwei Reihen zu je 10 Reitern ritt Adelhelm von Halberg. Die Sonne ließ sein vergoldetes Kettenzeug gleißend leuchten, sein perfekt sitzender Wappenrock war reinweiß und der Knauf seines gesegneten Schwertes leuchtete.

Der Abt St. Aldecs wandte sich zu seiner Rechten, wo in der zweiten Reihe Ritterin Praihild Zweyfeldt ritt. Mit einer einfachen Kopfbewegung bedeutete er ihr aus der Formation auszubrechen und voran zu reiten um auf Efferdwacht ihr Kommen anzukündigen.

Einst war die Efferdwacht eine Zollfeste gewesen. Erst vor einigen Götterläufen hatten die umfangreichen Ausbaumaßnahmen, die bereits Baron Osidor begonnen hatte, ihr Ende gefunden und die stolze Feste zu ihrem heutigen Glanz verholfen. Stolz wehten die Farben der Baronie auf den Zinnen, leuchtend in Rot auf Gold zeugten vom Reichtum ihres Herrn. Als Ritterin Praihild ihr Pferd vor dem mächtigen Torturm zügelte wurde sie sogleich angesprochen. „Wer da und was ist Euer Begehr?“ Der Wächter klang dabei nicht übermäßig um Höflichkeit bemüht, war jedoch auch nicht unfreundlich. Stattdessen kam er sachlich seiner Pflicht nach und brachte möglichen Gästen seines Herrn den notwendigen Respekt entgegen.

Adelhelm wusste warum es eine gute Idee war Praihild bei solchen Anlässen mitzunehmen, bestach die charismatische Enddreißigerin doch mit einer Reihe von Eigenschaften, die dem durchschnittlichen Bannstrahler vielleicht nicht so sehr in die Wiege gelegt waren. Auf den doch eher reservierten Zuruf der Wache hätte Adelhelm wohl ein Donnerwetter beschworen. ´Hält er mich für dumm Bursche, oder ist er es selbst? Erkennt er nicht den Ornat´ oder ähnliches wäre über die Lippen des alternden Ordensmannes gekommen.

Noch bevor der Abt und das restliche Gefolge aufgeschlossen hatten, strich sich die Ordensritterin ihre Kettenhaube zurück, schüttelte die schulterlangen blonden Locken und schenkte dem Wächter gar ein Lächeln.

„Eine Delegation aus St. Aldec…“, erklärte sie dann grußlos und mit kräftiger Stimme, „…unser beider Herren haben zu reden.“

Just in diesem Moment traf Adelhelm und der Rest der Entourage ein. „Gibt es Probleme?“, fragte er kühl und nahm seinen Blick nicht von jenem Fleck, wo er die Wache vermutete.

Nochmals eingehend die Gruppe der Bannstrahler musternd verschwand der Wächter aus dem Sichtfeld, während sich wenige Augenblicke später die Zugbrücke senkte. Ein finsterer Schlund trat an seine Stelle. Erst nachdem die Bohlen auf dem Boden ankamen hob sich ratternd das vordere Fallgatter und noch während sich anschließend auch das zweite Fallgatter hob, wurde bereits das schwere Tor geöffnet. Licht durchflutet nun den zuvor noch finsteren Zwinger, doch das wahre Wunder offenbarte sich erst nachdem sich die Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Einem wohl gepflegten Garten gleich lag die Vorburg vor den Ankömmlingen. Ställe, Schmiede, Lager und Gesindehäuser schmiegten sich in das Bild und hießen einen jeden herzlich willkommen. Wahrlich der neue Sitz der Barone hatte nichts gemein mit der alten, zugigen Feste Halberg die einst den Baronen als Wohnstatt gedient hatte. Hinter einer weiteren Mauer, auf einer Insel gelegen erhob sich der prächtige Palas. Noch während die Pferde der Bannstrahler auf den Hof trabten, sammelten sich bereits allerlei neugierige Burgbewohner, die mit der Ankunft des Hofmeisters jedoch wieder ihrer Arbeit nachkamen.

Seinen weinroten Brokatwams, besetzte mit silbernen Stickereien zurechtziehend kam einige Minuten nach der Ankunft der Gäste Phexhilf von Birkenbruch aus der Hauptburg heranspaziert. ‚Der Herr Abt hat also gleich sein ganzes Kloster mitgebracht!‘ Fasste er das Aufgebot der Bannstrahler im Stillen zusammen, wahrte dabei allerdings unbeirrt die Contenance. Eine leichte Verbeugung andeutend begrüßte er formvollendet den Abt und seine Begleiter. „Praios zum Gruße Hochwürden, es freut mich Euch auf der Feste Efferdwacht begrüßen zu dürfen. Eure Pferde könnt ihr dort drüben festmachen.“ Dabei deutete er auf einige Tränken wo sich die Pferde sicherlich wohl fühlen würden. „Dieser Bursche hier, wird die Damen und Herren dann geleiten, sodass ihr euch etwas von der Reise erfrischen und stärken könnt. Seine Hochgeboren ist leider noch nicht eingetroffen, doch sind wir guter Dinge das er in Bälde unter uns weilen wird.“ Nach einer erneuten Verbeugung und dem Verweis auf weitere Verpflichtungen zog sich Phexhilf in die Hauptburg zurück, während der rund vierzehn Sommer zählende Bursche artig darauf wartete die Herrschaften in einen Pavillon zu geleiten, wo ihnen Getränke und leichte Speisen gereicht wurden, sowie in einem kleinen Separee die Möglichkeit geboten wurde sich zu waschen. Dass das Wappen des Barons nicht auf dem Palas wehte und somit seine Abwesenheit offenkundig war, merkten die Besucher erst jetzt.

Der Abt St. Aldecs nickte dem Haushofmeister knapp zu und befand dann, dass dies genug der grüßenden Geste sein sollte. In einer eleganten Bewegung schwang er sich aus dem Sattel und überließ die Begrüßung des auf ihn und sein Gefolge abgestellten Jünglings seiner rechten Hand Praihild.

„Praios vergelte die Gastung und Aufnahme unseres Gefolges, junger Herr…“, kam die Ritterin charmant, aber dennoch bestimmt ihrer Pflicht nach und lächelte dabei dem jungen Burschen gönnerhaft an.

„Wovor der wohl davon gelaufen ist…“, raunte Linnart vom Traurigen Stein auf dem Weg hin zum Pavillon seiner Ordensschwester von der Seite zu und deutete auf das Portal, in welchem der Haushofmeister vor wenigen Momenten so schnell verschwunden war. Das Lächeln auf seinen Lippen konnte nicht verhehlen, dass der junge Linnartsteiner die Antwort kannte.

Adelhelm hingegen war ruhig gewesen - zu ruhig, wie jene befanden, die ihn gut kannten. Einzig der abschätzige Blick als die Fallgatter geöffnet wurden und das Schnauben beim Anblick des Innenhofs waren Regungen, die an seinen Begleitern nicht vorüber gehen sollten. Erst nach einem halben Stundenglas des Wartens wandte er sich dem jungen Linnart zu. „Wovor der Bursche wohl Angst hat?“, es war mehr eine Bemerkung, denn eine Frage, „…zwei Fallgatter…“, der Abt stieß einen Pfiff aus und der junge Ritter erkannte darin einen Anflug von Häme, „…am helllichten Tag. Als stünde eine Hundertschaft Orks vor den Toren…“ Adelhelm brach schief grinsend ab, dann schüttelte er leicht den Kopf und seufzte.

Etwas mehr als ein Stundenglas war verronnen als das Fallgitter erneut gehoben wurde. Nur Augenblicke später waren die Ankömmlinge bereits im Hof und ungebremst weiter auf dem Weg zur Hauptburg. Ihnen voran ritt ein stattlicher Ritter im fortgeschrittenen Alter, gefolgt von vier Gardisten, einer rubinroten Sechser-Ferrara mit dem Wappen des Hauses Fadersberg auf der Tür, erneut vier Gardisten und ein weiterer Ritter, wie sich herausstellte eine Ritterin.

Das Eintreffen des Barons rang dem Halberger ein müdes Lächeln ab. Der Junge trat auf wie der Horas höchstselbst, ohne Demut vor seiner Verantwortung und seinen Schutzbefohlenen. Er saß hier hinter dicken Mauern und zweier Fallgatter, während die Menschen in Taindoch unter Piratenüberfällen zu leiden hatten, von denen Liafwin wiederrum meinte, sie fielen nicht unter seinen Zuständigkeitsbereich. Dennoch hatte er sich vorgenommen dem jungen Baron so unvoreingenommen wie möglich gegenüber zu treten. Persönlich empfand er … noch … keinen Gram gegen ihn. Der Fadersberger wirkte viel mehr wie eine Seele, die die Anleitung einer frommen, harten Hand bedürfe.

Kaum den sechst eines Stundenglas später fand sich ein weiterer Bursche, ein junger Mann im besten Alter von fünfzehn Lenzen, am Pavillon ein. „Hochwürden von Halberg, man trug mir auf Euch zu Seiner Hochgeboren zu geleiten.“

Den erwartungsvollen Blicken seiner Ordensbrüder- und Schwestern begegnete der Abt mit einem leichten Kopfschütteln. „Ich gehe alleine…“, meinte er und wandte sich dem jungen Mann zu.

Über einen gepflegten Kiesweg führte wurde Adelhelm durch gepflegte Blumenbete geführt bis sie das Tor zur Hauptburg erreichten. Das Tor zum Wasser hin stand offen, die Zugbrücke war heruntergelassen und auch das Tor auf der anderen Flussseite verwehrte niemanden ein Eintritt. Auch hier fand sich ein schön angelegter Garten, Rosen blühten und sogar einige Vöglein zwitscherten aus den Schatten spendenden Bäumen heraus. Doch anstatt den Abt in den großen Palas zu führen, nahm der Bursche einen anderen Weg, vorbei am Haupthaus und der Burgkapelle zu einem weiteren Pavillon. Aus seinem Arbeitszimmer in der Burgkapelle heraus konnte Hofkaplan Ratsburger den Bannstrahler ungesehen beobachten. Seine Hochwürden Praiofan mochte den Bannstrahler nicht, das hing er allerdings nicht an die große Glocke. Zugegeben mochte er den jungen Baron ebenfalls nicht, vielmehr erachtete er ihn als gelegen gekommene Mirhamionette. Da er es zu seinen Aufgaben erkoren hatte über die ein- und ausgehende Post der Efferdwacht zu wachen, sah er sich in der ausgezeichneten Situation Einfluss zunehmen, wo immer er die Ordnung des Götterfürsten bedroht sah. Der Orden des Bannstrahl war der vollstreckende Arm der Kirche des Lichts, ohne eine harte Hand die die tumben Klingenschwinger anleitete waren sie jedoch zu nichts gut. Im Gegenteil, selbstverliebte Gestalten wie Adelhelm von Halberg ereiferten sich auch noch in ihrer Unwissenheit diese führende Hand sein zu können. Er irrte! Der Emporkömmling von einem Baron hingegen mochte sich unter seiner Führung gut entwickelt haben, doch änderte dies nur wenig. Er war und blieb ein Bastard! Es leuchtete ihm ein, dass nicht die Schnepfe aus Ambelmund auf den Thron von Kyndoch gesetzt wurde, aber war ein dreckiger Bastard die einzige Lösung gewesen die der Graf gesehen hatte?

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