Epistularum Commercium

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Kloster St. Aldec, Baronie Kydnoch, Peraine 1042 BF

Verächtlich schnaubend legte Adelhelm Praiowin von Halberg die Gazette zur Seite. Vor ihm nahm ein junger Mann Haltung an, jedoch nicht ohne auch den Kopf in Erwartung eines Zornausbruches seines Herrn einzuziehen. Zorn, der auszubleiben schien. Stattdessen zeigte sich ein schmales Lächeln auf den Lippen des Abtes.

„Hochwürden?“, fragte der Jüngere unsicher.

Adelhelm griff abermals zum Greifenspiegel und antwortete mit einer Gegenfrage. „Sehr tendenziöse Berichterstattung, meint Ihr nicht?“

Als Antwort folgte ahnungsloses Schulterzucken.

„Na was hat denn meine Abstammung mit dem Inhalt meiner geäußerten Kritik zu tun?“

Abermals folgte außer unwissender Maulaffen keine Antwort, was den Abt resignierend seinen Kopf schütteln ließ.

„Es wirkt als versuche man das Wort eines Dieners des Götterfürsten zu entwerten bevor es gedruckt wird.“ Adelhelm las weiter.

„Und da…“, er deutete einige Herzschläge später vor sich auf das Papier, „…hält mich der Bursche etwa für seinen Vasallen?“ Abermals verzogen sich die Lippen des Abtes zu einem Lächeln. „Auch dass er Vertretern der Kirchen allem Anschein nach das Wort verbieten will…“, der Halberger hatte sich nun doch leicht in Rage geredet, „…durch ein Mitglied der Kirchen auf derart ungeeignete Weise und darüber hinaus auch noch ungerechtfertigt anzuprangern ist…“, las er vor, „…na wo kommen wir denn da hin? Wir sind ja nicht in Weiden, wo das Wort eines Hochgeweihten des Gleißenden beim Adel nichts zählt…“, Adelhelm fuchtelte vage in jene Richtung, in der er Herzogtum im Norden vermutete. „Das Kloster mag auf dem Land stehen, mit dem er belehnt wurde, aber sein Einfluss endet vorne an der Pforte.“

„Ja … Hochwürden …“, fühlte sich der Jüngere dazu bemüßigt Worte der Zustimmung auszusprechen.

„Und dann der Inhalt…“, der Abt blickte nicht auf, „…das ist genau das was ich meinte. Sie sind nicht willens. Als würde das Piratengesindel am Fluss Wurzeln schlagen und sich nicht an den Bewohnern der Baronie gütlich tun.“ Adelhelm schüttelte sein Haupt. „In Taindoch vergiften sie schon den Hopfen, wissend dass Piraten sich diesen auf ihre Boote laden werden und der Junge hat den Schneid mir über dieses Blatt auszurichten, dass alles eh nicht so schlimm sei und wenn dann ja gar nicht in seinem Zuständigkeitsbereich läge.“

Der Halberger blickte nun wieder von der Zeitung auf und sein Blick traf den des Jüngeren. „Was … werdet Ihr nun tun?“, stammelte dieser leicht verunsichert, kannte er diesen Blick seines Abtes doch nur zu gut.

„Einen Brief schreiben…“, beantwortete Adelhelm die Frage knapp.

„Eine Stellungnahme für den nächsten Greifenspiegel?“

„Nein…“, schüttelte der Ältere den Kopf, „…das wäre Zeitverschwendung. Ein Schrieb an den Baron, besser gesagt eine Einladung hier her ins Kloster um ihm einmal auf den Zahn zu fühlen.“ Der Abt griff nach Feder und Pergament, dann folgte ein letzter Blick auf seinen jungen Ordensbruder. „Ihr dürft Euch entfernen. Lux triumphat!“

„Lux triumphat…“, antwortete der Jüngere und entfernte sich aus dem Adelhelms Arbeitszimmer.

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Gegeben zu St. Aldec am 26. Tage des Mondes Peraine, 1042 nach dem Falle des hunderttürmigen Bosparan


Hochgeboren von Fadersberg!

Mit schier unzähmbarem Interesse habe ich Eure Stellungnahme auf meinen Aufruf in der letztmondigen Ausgabe des Greifenspiegels gelesen. Ein erquickender Beitrag, der mir jedoch auch gezeigt hat, dass zwischen St. Aldec und Efferdwacht einiges an Gesprächsbedarf besteht;

Primo, um über die Gazette mitgeteilte Punkte betreffend die Zustände am und um (!!!) den Großen Fluss in personam zu disputieren und segundo um einander zu kognoszerieren, habe ich bei Euren Vorgängern im Amt doch stets Wert auf einen guten und produktiven Kontakt gelegt.

Wir erwarten Euch demnach am zwölften Tage des Mondes Ingerimm, 1042 BF im Kloster St. Aldec, wo wir Euch mit allen Ehren empfangen werden um unter den Augen des Götterfürsten und auf geweihtem Boden Anliegen jener Lande zu besprechen, die uns beiden am Herzen liegen.

Praios mit Euch. Lux triumphat!


gez. Adelhelm Praiowin von Halberg Custos Lumini, Abbas St. Aldecensis

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Burg Efferdwacht, 28. Peraine 1042 BF

An Seine Hochwürden Adelhelm

mit großer Freude werde ich Seine Hochgeboren über Euren Wunsch nach einem persönlichen Gespräch informieren. Leider muss ich Euch jedoch in Kenntnis setzen, dass Eurem Gesuch nach einer Audienz auf der Efferdwacht am 12. Ingerimm 1042 BF nicht stattgegeben werden kann.

Nach Rücksprache mit dem Haushofmeister Seiner Hochgeboren, dem ehrenwerten Phexhilf von Birkenbruch, möchte ich Euch darauf hinweisen, dass Euer Hochwürden als Bittsteller ein höhergestelltes Mitglieder des nordmärkischen Adels nicht zu Euch bestellen könnt. Dem Gebot der Etikette folgend, so auch der Orden des Bannstrahls und ihr als Abt des Klosters St. Aldec kein Vasall des Barons seid – befinden sich die Klosterlande sehr wohl auf den Lehenslanden der Baronie Kyndoch, gebietet die Höflichkeit das Ihr beim Lehensherren dieser Lande um eine Audienz ersucht.

Im Namen der herzguten Herrin Travia wird man Euch, zum von Euch vorgeschlagenen Termin, herzlich auf der Efferdwacht willkommen heißen, bis seine Hochgeboren voraussichtlich am 14. Ingerimm wieder eintrifft.

Möge das Licht der praiosgegebenen Ordnung Euch erhellen!

Custos Lumini Praiofan Ratsburger Hofkaplan auf der Baronsfeste Efferdwacht

Gegeben am 28. Peraine 1042 BF auf der Efferdwacht

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Kloster St. Aldec, 01. Ingerimm 1042 BF

Linnart vom Traurigen Stein musste sich sputen. Wenn der Abt rief – und seine Botschaft war unmissverständlich gewesen – dann erwartete er sofortige Antwort. In diesem Fall war seine ausgerichtete Anweisung klar; der junge Ordensritter hatte sich ohne Wenn und Aber so schnell wie möglich in der Schreibstube Adelhelms zu melden. Als Linnart durch die dunklen, lediglich von zuckendem Fackelschein erhellten Gänge schritt, sinnierte er über den Grund dieses späten Rufes des Abten. Insgeheim wunderte der junge Ritter sich nämlich was zu dieser späten Stunde sein Begehr sein mochte, war es denn sonst nicht seine Art gewesen nach der Komplet Befehlsausgaben anzuberaumen.

Beim Arbeitszimmer des Abten angekommen, strich sich Linnart seinen reinweißen Wappenrock zurecht und prüfte den geraden Sitz seines Waffengürtels, wohl wissend, dass Adelhelm selbst zu dieser späten Stunde noch großen Wert auf die Adjustierung der Ordensmitglieder im Kloster legte. Nachdem er zweimal gegen die schwere Tür geklopft hatte, trat der junge Ordensritter in die Stube ein.

„Ah Ritter … Ihr kommt spät…“, Adelhelm Praiowin von Halberg saß in seinem ledernen Sessel an seinem Schreibtisch und bat ihn mit einer einladenden Handbewegung hinein. „Hochwürden, Ihr wolltet mich sehen?“ Eines der ersten Dinge, die Linnart auffielen war die Anwesenheit Ritterin Praihilds. Er grüßte sie mit einem einfachen Kopfnicken und ihr unheilschwangerer Blick alarmierte ihn.

„Das wohl, kommt…“, der alternde Abt bedeutete ihm näher zu kommen, „…lest“, wies er ihn dann an.

Linnart überflog die fein säuberlich geschriebenen Zeilen der Depesche aus Burg Efferdwacht. Als er fertig war, fiel sein Blick auf den Abt, der ihn bloß anstarrte. Adelhelm war ein gefährlicher Mann, vor allem wenn er schwieg. Der Ordensritter blickte kurz auf die neben ihm stehende Praihild – hilfesuchend, denn er wusste nicht genau was gerade von ihm erwartet wurde. „Hochwürden..?“, fragte er dann zögerlich, als in ihm der Drang entstand das Schweigen zu brechen.

„Was sagt man dazu, Ritter…“, die Antwort des Abten kam unerwartet in ganz ruhigem Ton, „…ich darf um eine Audienz beim Baron BITTEN.“ Das letzte Wort spie der Halberger förmlich aus. „Als BITTSTELLER obliegt es mir nicht, den edlen Herrn Baron zu mir einzuladen.“ Adelhelm schüttelte seinen Kopf. „BITTSTELLER…“, wiederholte er das Wort dann noch einmal und diesmal konnte er ein gewisses Maß an Amüsement nicht verhehlen. „Ein Hochgeweihter des Gleißenden, Abt eines seiner Klöster, Ritter im heiligen Orden des Bannstrahls und Veteran aus dem Borbaradkrieg als Bittsteller…“, Adelhelm lachte höhnisch auf, „…es wäre ein Entgegenkommen und eine Ehre gewesen, ihn hier auf heiligem Boden und allen damit einhergehenden Ehren zu empfangen um über die Zukunft dieses Landes zu disputieren. Ich bin doch keiner seiner Vasallen, dass ich ihn um irgendetwas BITTEN müsste.“

„Ihr habt Recht Hochwürden…“, pflichtete ihm Praihild eifrig bei, „…es ist eine Respektlosigkeit. Die Frage ist nur ob die vom Baron oder seinem Hochkaplan…“, die Ritterin suchte im Schrieb nach dessen Namen, „…Praiofan Ratsburger … ausging.“

„Das ist mir einerlei…“, polterte Adelhelm los, „…Efferdwacht fehlt es allem Anschein nach hinten und vorne am nötigen Respekt vor der Kirche des Götterfürsten, ihrer Diener und im Speziellen auch vor dem heiligen Orden vom Bannstrahl.“ Der Abt seufzte schwer. „Aber was will man von einem dahergelaufenen Bastard auch erwarten? Als der sich noch regelmäßig seine Hosen und die Schlafstatt eingenässt hat, stand unser Orden in Tobrien und vor Beilunk und bot mit Praios´ Segen dem Sphärenschänder die Stirn…“ Abermals folgte ein energisches Kopfschütteln, gefolgt von einigen Momenten des Schweigens, in welchen sich Linnart und Praihild gegenseitig ansahen.

„Sei es drum…“, fuhr Adelhelm dann in ruhigem Ton fort, „…wer der Authorität der Kirche des Götterfürsten nicht den nötigen Respekt zollt, dem wird dieser eben anerzogen. Und genau deshalb seid ihr beiden da.“

„Ihr wünscht, Hochwürden…“, antwortete Linnart gehorsam und deutete eine Verbeugung an. Insgeheim ahnte er schon auf was diese Bitte hinauslaufen würde. Es war nichts Neues, dass der Abt für besondere Aufträge gerne auf Praihild – jeder hier wusste, dass die beiden ein Lager teilten – und auf ihn selbst, den Sohn seiner Nichte, zurückgriff. „Ich werde den Baron am 14. Tage des Ingerimm Mondes aufsuchen und ihr beide werdet mich dabei begleiten - mitsamt eurer Lanzen.“

Praihild wollte etwas erwidern, doch schnitt ihr Adelhelm mit einer einfachen Handbewegung das Wort ab. „Nicht um den Burschen einzuschüchtern…“, er schüttelte energisch den Kopf, „…das stünde mir nicht zu und es wäre ein Frevel die Streiter des Herrn Praios für solche Motive einzusetzen. Nein, es geht nur darum, dass wir hier als Orden selbstbewusst Stärke und Präsenz zeigen. Dass der Junge auf dem Baronsthron erkennt, dass wir hier in diesen Landen eine Macht sind, mit der zu rechnen ist und die ihm auch zur Hilfe gereichen könnte. Schließlich ist es unsere heilige Aufgabe, die Rechtgläubigen vor bösen Einflüssen, Magie und allen Formen der Ketzerei zu schützen.“

Der Halberger nahm einen Schluck aus seinem Weinpokal und hob dann die Schultern. „Es wird interessant sein ob er meine Kritik als das versteht was es war … nämlich ein Angebot zum Dialog, oder ob er weiterhin meint, dass er über einem der drei ausführenden Arme der Kirche des Götterfürsten stünde.“

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