Eine Harte Schule Travia

Kapitel 7: Travia

Doratrava wirkte sehr erleichtert, als Alegretta ihr versicherte, dass Adda nicht unangemeldet im Bad auftauchen würde. Sofort gewann sie ein wenig Sicherheit zurück. „Ja, natürlich kenne ich Rahjalinds Mutter, ich bin doch bei ihrem Fest aufgetreten … aber sie scheint mich nicht zu mögen, oder vielmehr ...“ Die Gauklerin brach ab, zum wiederholten Male kroch zartes Rosa über ihre Wangen, bevor sie sich sichtlich einen Ruck gab. „Ich habe mich in Rahjalind verliebt – und mit ihr geschlafen, der Rahja geopfert!“ So, jetzt war es heraus. Schnell sprach Doratrava weiter, als wolle sie ein Urteil der Geweihten hinauszögern. „Ich bin ein Findelkind, als Säugling vor den Stufen eines Traviatempels abgelegt haben mich die Geweihten – streng – aufgezogen, bis ich es mit acht Jahren nicht mehr ausgehalten habe und abgehauen bin. Aber trotzdem fällt es mir immer noch schwer, über … solche Dinge … zu sprechen.“ Das Rosa im Gesicht wurde deutlich intensiver. „Und das mit Rahjalind … ist einfach passiert – aber ich bereue nichts!“ Die schwarzen Augen der Gauklerin loderten auf, unwillkürlich spannte sie ihren Körper an und hob die Hände, als wolle sie sich gegen einen körperlichen Angriff verteidigen. Fast schon herausfordernd sah sie Alegretta ins Gesicht, im Kontrast mit der verlegenen Röte ihrer Wangen sah das fast schon wieder komisch aus.

Auch Alegretta war erleichtert. Das erklärte vieles und sie sah es als ihre Pflicht, Doratrava zu helfen. „Aber das ist doch schön. Anscheinend hast du es endlich geschafft, die zu strenge Erziehung zu überwinden und zu dir selbst zu finden.“ Freundlich nahm sie beide Hände ihres Gastes in ihre und sie standen sich harmonisch gegenüber. „Was irritiert dich? Dass du dich zu einer Frau hingezogen fühlst? Oder dass du deine Lust ausleben kannst?“

Doratrava musste sich beherrschen, nicht auszuschlagen oder zurückzuzucken, als Alegretta ihre Hände nahm. Doch dann fiel die Anspannung von ihr ab, ihre Schultern sackten nach unten und sie senkte den Blick. „Ich … habe ich das?“ Leise nur murmelte ihre Stimme. „Lust … meine … Lust habe ich vorher schon einmal ausgelebt, mit einem Mann, aber … der Beginn … war nicht freiwillig, ich wurde verzaubert und wusste nicht, was ich tat. Aber … da war es schon passiert, und dann …“ Die Gauklerin musste schlucken, Tränen traten ihr in die Augen, doch tapfer zwang sie sich, weiterzusprechen. Wenn ihr jemand helfen konnte, wenn das alles jemand erklären konnte, doch dann sicher eine Geweihte der Schönen Göttin? „Travia schützt – und fordert – die Treue! Also fühlte ich mich verpflichtet, bei diesem Mann zu bleiben … nicht, dass ich es nicht lernte zu genießen … doch dann … ich weiß nicht, ich glaube , er liebte mich so wenig wie ich ihn. Als er eine andere Frau traf, die ihm schöne Augen machte, hatte er nicht Besseres zu tun, als mit dieser ein Lager zu teilen, ohne Rücksicht auf mich, und er hielt es auch noch für völlig normal! Ich machte deutlich, was ich davon hielt, aber es war ihm egal! Das war nicht das, was Travia – oder vielmehr deren Geweihten – den Menschen predigte. Damit war diese … Gewohnheit ...“, jetzt schluchzte Doratrava auf und schlug die Hände vor das Gesicht, aber nur kurz, bevor sie sich erneut zwang, weiterzusprechen, wenn auch nun mit tränenerstickter Stimme. „… hinfällig, ich konnte nicht mehr weiter mit diesem Mann zusammen sein und zog meiner Wege. Und dann … vor einigen Götternamen … traf ich Jel … also Jelride … in einem Dorf mitten im Wald. Ich … wir … ich hatte keine Ahnung, aber plötzlich war ich in sie verliebt – und sie in mich, und es passierte, was passieren musste. Doch war ich eingeladen zu einer Adelsveranstaltung, das zweite Mal überhaupt in meinem Leben, und konnte nicht bleiben. Und ich wusste von Anfang an … dass … also, ich bin Gauklerin, ich ziehe in der Gegend herum und habe kein Zuhause, und ich brauchte das auch, ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, für immer nur an einem Ort zu leben. Ich … wusste vom ersten Kuss an, dass das nicht gutgehen kann. Und nach der ersten, der einen Nacht, vor der ich gar nicht wusste, dass ich mich in eine Frau verlieben kann und die so schön war wie nichts zuvor in meinem Leben, zumindest fühlte sich das in dem Moment so an, da war mir klar, dass ich gehen musste und dass unsere Liebe keinen Bestand haben konnte. Also bin ich gegangen, lieber früher als zu spät, und es hat mir das Herz gebrochen – und nicht nur mir!“ Wieder hielt Doratrava inne und schlug die Hände vors Gesicht, diesmal dauerte es länger, bis das Schluchzen soweit abgeebbt war, bis sie weitersprechen konnte. „Und dann … dann hat mich Rahjalind zu dem Maskenball ihrer Familie eingeladen. Rahjalind, die ich zu diesem Zeitpunkt kaum kannte, aber wer wäre ich, eine einfache Gauklerin, solch eine Einladung auszuschlagen? Also bin ich ihr gefolgt und kam vorgestern auf Gut Linnartstein an. Der Empfang durch Rahjalind, aber auch durch Adda, der Rahjalind nichts gesagt hatte, nur, dass sie eine Überraschung für das Fest besorgt hätte, war sehr herzlich und freundlich. Aber irgendwie … kam eins zum andern, da war auch noch dieser halbelfische Barde, der zum Auftakt des Festes ein magisches Lied spielte. Ich war vorgewarnt, hatte mit dem Barden und seinen Begleiterinnen schon vorher gesprochen und geübt wegen meines Auftritts, aber dennoch … spielte er ein Lied, dessen Auswirkungen mich überdeutlich an jene magische Beeinflussung denken ließ, welche mich meine Unschuld gekostet hatte. War es das Lied, oder war es einfach Rahjas Wille, ich verliebte mich in Rahjalind, und auch sie schien von ihrem Geist erfüllt. Wir liebten uns die ganze Nacht, es war noch schöner als Götternamen zuvor mit Jel … Jelride. Aber von da an … also, seitdem habe ich Angst vor Adda, sie hat mich zur Rede gestellt und ganz freundlich getan, aber ich weiß nicht ...“ Stockend holte Doratrava tief Luft. Das war die längste Rede, an die sie sich in ihrem Leben erinnern konnte – vielleicht abgesehen von ihrem Streitgespräch mit Rahjalind von heute Morgen … heute Morgen! Es kam ihr vor, als sei das schon eine Ewigkeit her! So fern …

Schließlich sprach die Gauklerin weiter, führte die Beichte ihres Lebens fort. „Am Morgen danach … also heute Morgen … war Rahjalind so … unnahbar, als ich mit ihr über das Geschehene sprechen wollte, ihr meine bedingungslose Liebe gestand. Sie … ich weiß nicht, sie schob ihre Novizenschaft in den Vordergrund und machte mir deutlich, mich nicht so lieben zu können wie ich sie, denn das würde ihrer Ergebenheit Rahjas zuwiderlaufen oder so ähnlich. Ich war wütend, enttäuscht, aufgeregt, am Boden zerstört, und bin mit ihr in Streit geraten.“ Wieder musste Doratrava stockend Luft holen, bevor sie weitersprechen konnte. „Wir … haben uns schließlich darauf geeinigt, dass wir noch ein paar schöne Tage zusammen verbringen wollen, ohne Verpflichtungen, ohne Zwang, ohne … aber … ich weiß, dass ich gehen muss, ich wusste das wie bei Jel vom ersten Kuss an, es war mir egal, meine Gefühle, Rahjas Gelüste, was auch immer, waren stärker, aber ich weiß auch, es wird mir wieder das Herz brechen … diesmal wohl nur mir ...“ Jetzt war es vorbei mit ihrer Beherrschung, sie warf sich Alegretta um den Hals und schluchzte hemmungslos, öffnete alle Schleusen, eine Sintflut war ein Dreck dagegen.



Kapitel 6: Drohung

Kapitel 8: Überraschung