Eine Harte Schule Plaene

Kapitel 10: Pläne

Ja, Alegretta ließ die arme Doratrava erstmal mit ihren Gefühlen und Gedanken alleine. Vielleicht würde sie später noch etwas helfen, später, nicht jetzt. „Adda, ist alles in Ordnung mit dem Bad?“

Die Angesprochene lag entspannt am Beckenrand und legte ihren Kopf in den Nacken. Die Augen der Adeligen waren geschlossen, dennoch nickte sie der Hochgeweihten knapp zu.

Diese eilte vorbei und war in der Tür gegenüber verschwunden. Wo war Rahjalind ...? Streng blickte sie um sich und fand sie schnell beim Heiligtum. Die Novizin wirkte geknickt. Das mir Adda war leider sehr ungünstig, da Rahjalind in deren Augen immer die Tochter bleiben würde. „Liebchen, ich hab mit deiner Freundin gesprochen, aber sie ist noch sehr unglücklich... Du solltest ihr helfen, das gehört zu deiner Ausbildung. Aber bleib dir treu, binde sie jetzt noch nicht an dich, ich glaube, dass das mehr Leid als Freude bringen wird.“ Sie nahm die junge Frau bei der Hand und drückte diese. „Soll ich mitkommen, oder willst du mich noch was fragen?“

Die Novizin legte ihre Stirn in Falten. Sie hatte sich hierher zurückgezogen, um etwas allein zu sein und ihren Gedanken nachzuhängen. Das vergangene Gespräch mit ihrer Mutter zollte seinen Tribut. Wiewohl sie nun schon erwachsen war und hier im Tempel eine verantwortungsvolle Aufgabe hatte, war sie im Angesicht ihrer Mutter immer noch Addas kleines Mädchen. Das ärgerte sie.

„Doratrava ist unglücklich?“, fragte sie und ihre Stimme nahm einen seltsam monotonen Klang an. „Wieso?“ Rahjalind kannte natürlich die Antwort, was die Sache nicht unbedingt besser machte. Sie seufzte tief. Die junge Linnartsteinerin war mit den Ausbrüchen der jungen Gauklerin immer noch überfordert.

Als Novizin war sie es noch nicht gewohnt, dass Gläubige nach einer gemeinsamen Nacht solch intensiven Gefühle entwickelten – und selbst wenn, dann war es immer noch ihr Ornat und ihre Aufgabe als Dienerin Rahjas, die zwischen dem Verlangen der Gläubigen und ihr selbst standen. Das gemeinsame Opfer an Rahja hätte ihr Geschenk und Segen sein sollen, stattdessen stürzte sie ihre liebe Freundin ins Tal des Unglücks.

„Was soll ich mit ihr tun?“, fragte die junge Frau ihre erfahrene Lehrmeisterin. „Ich kann ihr nicht geben was ihr Herz verlangt.“ Rahjalind hob ihre Schultern und auf ihrem Antlitz zeigte sich sowohl Trauer, als auch Ratlosigkeit. „Und jetzt auch noch meine Mutter – sie hat damit gedroht, Dora den Bannstrahlern auszuliefern, wenn sie nicht aus meinem Leben verschwindet. Was soll ich tun?“

Das wäre zu viel für die junge Rahjalind, das wurde Alegretta nun endgültig klar. Es hätte eine so gute Übung im Umgang mit Gläubigen sein können … wie ärgerlich. „Das müssen wir gemeinsam machen, sicher liegt es an ihrer zu strengen Erziehung. Und sie weiß selbst nicht, wohin sie gehört oder wer sie ist – hast du ihre Augen beobachtet? Deshalb klammert sie sich an dich, du sollst ihr Stabilität und Sicherheit geben.“ Alegretta seufzte und rieb sich die Schläfen. „Und das verwechselt sie mit Liebe. Du bist nicht die Erste, von der sie meint, es sei der Partner für alle Ewigkeit. Und jetzt noch die Bannstrahler. Warum eigentlich? Wo wäre sie sicher? Im Horasreich …?“ Sie nahm ihre Novizin bei der Hand. „Wir gehen gemeinsam und erklären ihr das. Und du machst Doratrava klar, wie du die Beziehung zu ihr siehst. Es wird ein Drama geben, aber dem kommen wir nicht aus.

Rahjalind schob ihre Augenbrauen skeptisch zusammen. Hatte Alegretta gerade über eine Gläubige mit Liebeskummer gesagt, dass sie sich nur einbildete zu lieben? Die Novizin musste sich wundern, aber einen kurzen Moment dachte sie dennoch darüber nach, ob denn nicht auch ein Funken Wahrheit darin lag. Ja, Doratrava stellte sich und ihre Gefühle in den Vordergrund. Sie nannte sie gar „kalt“. Kurz rümpfte die junge Frau ihre Nase. In der Emotion wurden oft einmal Dinge gesagt, die etwas überzogen erschienen. Rahjalind nickte Alegretta leicht zu, dann ließ sie sich von ihr mitziehen.

Als sie Schritte hörte, setzte Doratrava sich wieder auf. Erstaunt stellte sie fest, dass Rahjalind nicht allein kam, hatte sie doch angenommen, Alegretta würde sich nun um Adda kümmern. Als sie dann auch noch die Gesichter der beiden ansah, wurde ihr gleich wieder flau im Magen. Sie konnte sich nicht helfen, aber die Geweihte sah aus wie eine Lehrmeisterin, die gleich ihre ungezogene Schülerin maßregeln wollte, und Rahjalind … sie konnte es nicht genau einordnen, aber ihre Freundin schien Zahnschmerzen zu haben … mindestens. „Ist … ist etwas passiert?“ fragte die Gauklerin und sah mit banger Miene von der einen zur anderen.

„Dora, wir haben leider das ein oder andere Problem, ich kann es nicht leugnen.“ Alegretta seufze, setzte sich zu der Gauklerin und bat auch Rahjalind an, Platz zu nehmen. Sie hob die Brauen und war ungewöhnlich ernst. „ Warum auch immer, was auch immer zwischen dir und Adda vorgefallen ist, sie hat vor, die Bannstrahler zu rufen. Wir müssen dich in Sicherheit bringen, du weißt selbst, auch wenn du es nicht benennen kannst, dass du etwas ganz Besonderes bist. Aber in einer Art, die DENEN nicht gefallen wird. Kontrollierst du deine Augenfarbe oder wechselt sie unwillkürlich mit deinen Emotionen? Wir wollen nicht, dass sie dich quälen, um das herauszufinden, denn sie finden am Ende immer etwas, was nicht gut ist.“ Sie ließ ihrem Gegenüber keine Zeit, zu antworten. „Dann musst du einsehen, dass Rahjalind eine gute Freundin für dich ist, aber nicht die Liebe deines Lebens. Als ihre Ausbilderin muss ich sie da in Schutz nehmen, sie ist noch jung und muss lernen, ihre Gaben einzusetzen, ohne den Leuten den Kopf zu verdrehen.“ Alegretta lächelte bitter. „Was glaubst du, wie viele sich schon in Rahjani verliebt hätten, schön und offen, wie wir sind, nicht eifersüchtig ... der Traum manchen Mannes, dem Travia gar zu streng erscheint. Aber so darf man uns nicht sehen, die Sexualität, die Ekstase - gerade im südlichen Raum - sind Teil des Glaubens, aber ich will darüber keinen Vortrag halten, ich sehe dir an, wie du jetzt schon leidest … und es drängt uns, dich glücklich zu machen.“ Sie stupste ihre Novizin an, die bisher ebenfalls einen recht geknickten Eindruck gemacht hatte.

Die Augen der Gauklerin weiteten sich entsetzt. „Die Bannstrahler? Aber … ich habe doch gar nichts getan. Meine Augen … das kann ich nicht kontrollieren, es passiert einfach, aber ich weiß nicht wann, ich kann mich ja selbst nicht sehen. Aber damit schade ich doch niemandem!“

Dann sah Doratrava zu Boden, ihr Gesichtsausdruck wurde traurig, mit einem bitteren Zug um den Mund. „Und das andere ...“, fuhr sie leise fort, „ich weiß doch, dass ich nicht für immer hierbleiben kann, dass ich Rahjalind nicht für mich allein haben kann. Darüber haben wir heute morgen schon lange … gesprochen.“ Ein bitteres Lächeln umspielte ihre Lippen. „Wir haben uns wieder vertragen und wollten noch ein paar schöne Tage miteinander verbringen, mehr nicht, also muss niemand Sorgen haben … welcher Art auch immer.“ Doratrava sah auf, suchte Rahjalinds Blick, um dann gleich wieder Alegretta in die Augen zu sehen. „Aber … da schenkt mir eine schöne junge Frau die schönste Nacht meines Lebens, und ihr - oder euer Glaube? Rahja? - verlangt von mir, mich nicht in diese Frau zu verlieben. Das … ist … ich weiß nicht, unmenschlich, irgendwie … ich finde nicht dir richtigen Worte.“ Eigentlich hatte die Gauklerin keine Lust mehr, schon wieder diesen Kampf gegen Windmühlen auszufechten, doch nun begannen die Worte wieder zu sprudeln, wie von selbst, gegen ihren Willen. Ihre Augen, die nun ein harmloses Dunkelblau zeigten, blitzten die Geweihte an. „Ist denn nicht auch das sich Verlieben ein Aspekt Rahjas, wird von ihr mit Wohlwollen gesehen, steht unter ihrem Schutz? Oder habe ich da etwas falsch verstanden? Ich bin ja auch nur eine einfache Gauklerin, die von wenig anderem eine Ahnung hat.“ Wieder dieses bittere Lächeln. „Wenn Rahjalind keine Novizin wäre, sondern nur eine ganz normale Frau, von Stande wohl, aber sonst ohne Glaubensverpflichtungen, wäre es dann in Ordnung, sich in sie zu verlieben? Doch wenn man sich der Liebe, der Lust, der Ekstase hingibt, wie könnt ihr dann verlangen, dass man sich gleichzeitig diesen Unterschied zwischen Frau und Novizin oder Geweihter immer vor Augen hält? Wenn ich mich hingebe, dann bedingungslos und ohne nachzudenken. Ist das falsch? Machen andere Menschen das anders? Haben andere Menschen sich immer und jederzeit im Griff? Können andere Menschen immer die Auswirkungen ihrer Taten im Voraus absehen? Will ich das überhaupt können?“ Die Gauklerin war immer lauter geworden, mit jedem Satz, jeder Frage, jetzt hielt sie erschrocken inne. Adda war im Bad, der Tempel war klein, womöglich hörte jeder hier drinnen ihren neuerlichen Ausbruch mit. Das hatte sie nicht gewollt.

Doratravas … nun, Zorn war nicht das richtige Wort, verzweifelte, hilflose Empörung vielleicht? - fiel in sich zusammen, und sie lehnte sich seufzend gegen Rahjalind, legte ihren Arm um deren Schulter. „Ach, ihr müsst mir keine Antworten geben, wahrscheinlich bin ich einfach zu blöd, das alles zu verstehen. Rahjalind, Liebes, lass‘ uns doch einfach tun, was wir vorhatten: ein paar schöne Tage, hoffentlich auch Nächte miteinander verbringen, und dann gehe ich fort, weit weg von Adda und ihren Bannstrahlern, weit weg von dir, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Denn wie auch immer das hier ausgeht, ich habe nicht viele Freunde und möchte keinen und keine und vor allem nicht dich verlieren, deshalb wäre es schön, wenn wir uns wiedersehen könnten.“ Nun war ihre Stimme wieder leise, fast gemurmelt, eine bittersüße, leicht resignierte Note konnte sie dennoch nicht heraushalten.



Kapitel 9: Erklärungen

Kapitel 11: Unstimmigkeiten