Eine Harte Schule Nur Freundinnen

Kapitel 12: Nur-Freundinnen

Rahjalind lächelte und senkte dabei ihren Blick. „Ich bereue nichts … einzig, dass es dir allem Anschein weh getan hat.“ Ihr Blick lag nun wieder auf Doratrava. „Und genau das ist das Problem, wenn ich vom Seelenheil spreche – ein körperliches Verhältnis würde dir nicht helfen, sondern den Schmerz am Ende wahrscheinlich nur noch größer machen.“ Die junge Novizin war eine bescheidene Seelsorgerin. Sie hoffte, dass ihre Worte auf Verständnis trafen. „Was die Bannstrahler angeht musst du dir keine Sorgen machen. Hier im Tempel und in meiner Gegenwart passiert dir nichts.“ Nun huschte ein leichtes Schmunzeln über ihre Lippen. „Was wir Freundinnen machen, möchte ich gerne in deine Hände legen. Wünsche dir was.“

Doratrava drehte sich wie überlegend zur Seite, damit die beiden Frauen nicht den erneuten Anflug von Schwermut mitbekamen, der über ihr Gesicht flackerte. Sie hatte es ernst gemeint damit, den Willen und die Entscheidung Rahjalinds akzeptiert zu haben. Sie traute sich zu, ihre Emotionen soweit im Zaum zu halten, dass sie keinen ‚Rückfall‘ erlitt – und sie fühlte, dass ein ‚körperliches Verhältnis‘ sie vermutlich eher trösten würde als der Versuch, ihr Verlangen, dass durchaus noch heiß in ihr brannte, wann immer sie an letzte Nacht zurückdachte, zu unterdrücken. Aber gut, ihrer Freundin und deren ‚Seelenheil‘ zuliebe würde sie es versuchen.

Sie drehte sich Rahjalind wieder zu. „Nun, heute ist es ja schon spät, wo werden wir denn die Nacht verbringen?“ Und vor allem wie, schoss es ihr durch den Kopf, ohne dass sie es verhindern konnte. Schnell sprach sie weiter. „Und was ich möchte, hm, gibt es die Möglichkeit zu tanzen? Entweder ich führe dir oder auch einem größeren Publikum etwas vor, bei eurem Fest kam das ja ein wenig zu kurz“, nun konnte die Gauklerin ein schmerzliches Lächeln doch nicht unterdrücken, „am liebsten aber mit dir.“ Überlegend hielt sie inne, um dann hinzuzufügen: „Hm, und gibt es hier einen Schneider? Vielleicht könnte ich mir ein neues Tanzkleid machen lassen – aber nur, wenn das dir nicht zu langweilig ist?“ Sie dachte zurück an den grummeligen Meister, der ihr gestern Addas und Rahjalinds Kleid angepasst hatte. Aber dieser war sicher schon zurückgereist, wo immer er auch seinen Laden hatte. „Ach, und ich könnte dir auch mal etwas Akrobatisches vorführen, falls dich das interessiert?“ fügte Doratrava dann noch spontan und etwas zusammenhanglos hinzu.

Kurz blickte Rahjalind zu ihrer Ausbilderin. „Du kannst die Nacht hier im Tempel verbringen, es würde uns freuen.“ Die Novizin erhob sich dann von der Schlafstatt und klatschte freudig in ihre Hände. Fast schien es, als wäre ihr eine emotionale Last abgefallen. „Einen Schneider gibt es nicht, aber ich könnte musizieren und du dazu tanzen. Was hältst du davon?“ Ohne eine Antwort der Gauklerin abzuwarten huschte sie aufgeregt in Richtung Tür. Auf halben Weg wandte sie sich noch einmal um. „Ich hole mein Instrument, warte im Tempelraum auf mich …“, dann war sie verschwunden und ließ Doratrava mit Alegretta alleine.

„So, Doratrava, dann hätte unsere kleine Rahjalind das wohl geklärt, folge mir bitte.“ Etwas reserviert, aber nicht unfreundlich, lächelte Alegretta und ging schweigend mit ihrem Gast durch den Tempel. Sie passierten das Heiligtum und stiegen eine kurze Treppe hinauf. Vor einer Türe blieb sie stehen und legte Doratrava die Hand auf die Schulter. „Das Zimmer ist frei, hier kannst du übernachten, auch länger, wenn du es willst. Geh bitte schon einmal rein, ich hab noch etwas zu klären und werde gleich nachkommen.“

Schweigend ließ Doratrava sich führen, ihren eigenen Gedanken nachhängend, die sie aber mit der Vorfreude auf einen Tanz in den Hintergrund drängte. Hm, hier im Tempel war nicht viel Platz, aber sie würde schon das Beste daraus machen. Wichtig war nur der Tanz an sich und die Anwesenheit ihrer Freundin, die gerade wie ausgewechselt gewirkt hatte, wieder wie das junge, fröhliche Mädchen, in das man sich so leicht verlieben konnte.

Die Gauklerin sah sich in der kleinen, einfach eingerichteten Kammer um. Sie hatte schon schlechter geschlafen, das war also sicher nicht das Problem. Allerdings lagen ihre ganzen Sachen noch auf Gut Linnartstein, die musste sie noch irgendwie dort abholen. ‚Bevor es die Bannstrahler tun‘, dachte sie leicht selbstironisch und sah der Geweihten nach. Sie hatte ihre Worte so verstanden, dass sie hier kurz warten sollte, also setzte sie sich auf das einfache Bett und tat das.

Alegretta ließ Doratrava zurück und eilte, um Rahjalind zu finden. In einem Nebenraum, in dem sie eifrig damit beschäftigt war, Kram für den „Auftritt“ zu sammeln. Alegretta seufzte und unterbrach ihre Novizin. „Liebchen, es ist ja nett, was du dir da alles ausgedacht hast, aber es gibt ein Problem, und etwas, was besser du als ich tun solltest.“ Sie wartete, bis sie die volle Aufmerksamkeit ihrer Schülerin hatte. Sie kniff den Mund unzufrieden zusammen und erklärte. „Also, wie stellst du dir das vor? Adda ist noch hier, ich kann nicht ausschließen, dass sie von der spontanen Feier etwas mitbekommt. Du wirst Doratrava sanft darauf hinweisen. Deine Gefühle hast du im Griff, oder brauchst du noch meine Hilfe? - Dann schau her. Bring dem armen Ding was zum Anziehen aus unserem Tempelfundus. Sie wird wie eine Rahjani aussehen.“ Die Geweihte rollte mit den Augen. „Leider hat sie mich völlig falsch kennen gelernt … Mach‘ du das und schau, dass du das hinbekommst. Ich werde helfen, den Platz vor dem Heiligtum freizumachen.“

Etwas betröppelt und überrumpelt stand die Novizin mit ihrer Laute da. Wie so oft fiel es ihr schwer, der Tempeloberen zu folgen. „Ääääh …“, kam es ihr nach einigen Herzschlägen zögerlich über die Lippen, „… denkst du, dass das nötig ist?“ Rahjalind ließ simultan Instrument und Kopf sinken. „Die Verkleidung meine ich. Mutter weiß ja sowieso, dass sie da ist und eine Feier in Rahjas Haus … das darf uns doch niemand verwehren.“ Sie hob ihr Haupt und lächelte schüchtern. „Vielleicht findet auch meine Mutter Gefallen daran und wird dann ein wenig entspannter. Dora kann hier doch nichts passieren.“

Die sonst so liebe und zugängliche Alegretta war deutlich angespannt und genervt. „Ich fände es schön, wenn wir ihr etwas aus unserem Gewand des Hauses geben. Weißt du, manchmal ist es erregender und aufregender, wenn ein bisschen verborgen bleibt.“ Sie seufzte und nahm ihre Kleine in den Arm. „Treib mit ihr, was du willst. Bleib aber vorsichtig. Du weißt, wie ich sonst bin, aber irgendwas hat deine Geliebte an sich, was mich nervös und grantig macht. So mag ich mich selbst nicht.“ Tatsächlich sah Rahjalind Schatten um die Augen ihrer Vorgesetzten. Sie wusste um deren Geheimnis und hoffte, dass alles nur Stress wäre. „Geh du zu ihr, sie wird sich freuen. Dann treffen wir uns beim Heiligtum … und, mach dir keine Sorgen, es ist alles gut. Aber es stimmt was nicht mit ihr.“

Rahjalind schob skeptisch ihre Augenbrauen zusammen, beschränkte sich dann aber lediglich darauf ihrer Tempeloberen zuzunicken. Es stimmte, Alegretta war anders als sonst. Die Novizin war sich dabei jedoch unsicher, woran es genau lag; war es, dass Doratravas Geschichte sie an ihre eigene erinnerte? Oder etwas anderes? Nachdem die Hochgeweihte die Kammer verlassen hatte, zuckte die junge Frau mit ihren Schultern, hob die schwere hölzerne Kiste an und machte sich wieder zurück auf den Weg zur Gauklerin.



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