Eine Harte Schule Eskorte

Kapitel 39: Eskorte

Linnart vom Traurigen Stein war nicht unbedingt glücklich über den Wunsch seiner Mutter. Er, ein Venerati Lumini des Herrn Praios … ein Ritter und Cellerar des Ordens vom Bannstrahl, musste eine einfache Gauklerin beaufsichtigen und sichergehen, dass sie die Ländereien seiner Familie verließ. Er seufzte, hatte der Ritter mit seiner dienstfreien Zeit bei den Göttern andere Dinge im Sinn gehabt. Auch der kleine Tempel der Rahja war kein Ort gewesen, den er wahnsinnig gern aufsuchte, obwohl er selbstverständlich schon ein paar Mal zu Besuch gekommen war und Alegretta sehr mochte.

Der junge Bannstrahler legte, wie jeder Gast, seine Kleidung am Eingang ab, nahm die rituelle Waschung vor und hüllte sich dann in ein transparentes Tuch, das er sich um die Hüfte band. Es dauerte nach dem Betreten des Tempels nicht lange bis er die Hochgeweihte und diese Doratrava vorfand. Als die Tempeldienerin Gelda sich anschickte ihn anzukündigen, lehnte Linnart dankend ab und begab sich selbst zum Tisch der beiden Frauen.

„Rahja zum Gruße, Hochwürden …“, grüßte er dort angekommen freundlich, noch bevor Alegretta auf die letzte Aussage ihres Gegenübers reagieren konnte. Dann wandte der junge Traurigsteiner sich der Gauklerin zu, „… Doratrava …“, er lächelte schmal, nahm sich einen Stuhl und setzte sich an den Tisch. „Können wir?“

Instinktiv sprang Doratrava auf, als plötzlich Linnart auf der Bildfläche erschien, und bedeckte mit dem linken Arm ihre Brüste, saß sie doch noch immer halbnackt mit der Geweihten zusammen. Doch dann ließ sie den Arm müde wieder sinken. Es war doch sowieso egal. Sie rang sich zu einem „Guten Morgen“ durch, allerdings war sie nun nicht mehr in der Stimmung, mit Alegretta über ihre Liebesprobleme zu sprechen, schon gar nicht im Beisein von Linnart, der das Chaos in ihrem Inneren ins Rollen gebracht hatte. „Ich … brauche noch ein Bad und muss noch ein paar Sachen waschen. Ich hoffe, es eilt nicht zu sehr?“ fragte sie, ohne wirklich eine Antwort abzuwarten, denn sie wandte sich bereits um und strebte in Richtung des Baderaums.

Linnart blickte der jungen Frau skeptisch nach. Er seufzte – Rahjalind hatte echt kein Händchen für Bettgeschichten. Das konnte ja heiter werden. „Was ist mit ihr?“, fragte er dann Alegretta. „Mutter meinte ich soll sie hier abholen, mit zum Landsitz bringen und dann bis Seeldorf, oder besser noch zur Reichsstraße eskortieren.“ Der Blick des Ritters ging wieder in die Richtung, wohin die Gauklerin verschwunden ist. „Aber in dem Zustand? Ist es immer noch wegen gestern?“

Alegretta sah Doratrava nach, bis sie verschwunden war. Dann lächelte sie Linnart an. „Rahja zum Gruß, mein Kleiner. Ich habe dich gestern gar nicht hier gesehen. Überhaupt macht sich die männliche Zierde hier recht rar.“ Sie gluckste vergnügt und gab Linnart einen Kelch Wein. „Du weißt doch, dass ich nur vage erzählen kann. Du bist ausnahmsweise nicht der Grund. Es liegt an den allgemeinen Umständen. Doch sag, wie läuft es mit Durinja? Brauchst du vielleicht etwas?“

„Äh …“, die Fragen überforderten den Angesprochenen sichtlich, „… ja, äh, ganz gut denke ich und was ich brauche ist gerade verschwunden.“ Alegretta und er kannten sich, deshalb störte er sich auch nicht an seinem Kosenamen ´Kleiner´, wiewohl er hoffte, dass es lediglich auf sein Alter bezogen war. „Was hast du denn mit der Ärmsten gemacht, dass sie in so desolatem Zustand ist? Das stimmt mich ja alleine vom Zusehen traurig.“ Er nahm einen Schluck vom Wein, wirklich traurig wirkte er nicht. „Und ich denke im Übrigen schon, dass ich Schuld daran habe. Ich habe ihr gestern von Rahjalinds Verlobung erzählt, dann ist die Sache etwas eskaliert.“ Linnart hob seine Schultern und nahm abermals einen Schluck Wein.

Alegretta sah den jungen Mann fast etwas enttäuscht an. „Ja, Linny, das mag es natürlich sein, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen, was sage ich, gekentert hat.“ Sie nahm instinktiv Linnarts Hände, das tat sie oft im vertrauten Gespräch. „Ach, es kam dann eines zum anderen, am Ende habe ich erst mit Deiner Schwester und dann mit Dora gesprochen. Sie hatte daraufhin wohl einen Nervenzusammenbruch, lag draußen im Garten.“ Sie trank nun auch etwas Wein und massierte seine Hände. „Es ist gut, dass du sie begleitest, du bist stark und reaktionsschnell genug, sollte sie versuchen, sich etwas anzutun oder andere Dummheiten im Kopf haben. Aber es musste so sein. Beide wären in diesem Spiel ewig unglücklich gewesen.“ Alegretta legte den Kopf schief und lächelte vielseitig. „Mein Kleiner, du glaubst gar nicht, was ich deinetwegen immer wieder für Gespräche führen muss.“ Sie lachte vertraut und heiter. „Gerade du musstest zu den Bannstrahlern. Wenn du Lust hast, gebe ich dir flugs, was dir fehlt, da sie nicht da ist. Was meinst du? Ein Opfer an die Schöne?“

Linnart lächelte charmant. „Immer gerne, Alegretta, aber nicht im Dienst oder während einer Aufgabe.“ Sein Blick ging hin zur Tür, in welcher Doratrava verschwunden war. Ein Teil von ihm hasste ihn für diese Aussage. „Wer weiß wie lange die Gauklerin mit ihrer Wäsche braucht. Kann ja nicht allzu lange dauern und wir müssen dann dringend los, sonst geht sich das alles nicht mehr aus.“ Der Bannstrahler nahm einen Schluck vom Kelch. „Und du kennst mich, ich lasse mir dabei gerne Zeit. Schöne Frauen sind wie guter Wein – man genießt sie und kippt sie nicht runter wie billigen Fusel.“

„Was für eine fade Ausrede, Linny. Also ob es dich sonst je gestört hätte.“ Sie steckte ihre Beine und tat, als würde sie nachdenken. „Wie lange meidest du mich schon? Mindestens einen Götterlauf. Deine Frau ist aufgeklärt genug, zu wissen, dass es im Tempel nur Rahja dient.“ Die Luft schien aromatischer und das Flackern der Kerzen tauchte den Raum in ein spannendes Spiel aus Licht und Schatten. Alegretta beugte sich vor und betrachtete den roten Wein in ihrem Glas. „Die Trauben wurden von Praios‘ Licht genährt, da hattest du Dere lange noch nicht erblickt. Du warst immer einer meiner Favoriten, das weißt du doch?“ Unschuldig und verführerisch zugleich sah sie in seine Augen. Er war ihrem Blick noch nie ausgewichen (das wog positiv). „Die Gauklerin wird noch brauchen. Seit wann so ängstlich? Liegt es an dem Versprechen, das du der nunmehrigen Frau in deinem Leben gegeben hast? Nein, dann hätten wir die Sache mit Felina nicht. Bin ich dir zu alt geworden? Gelda, meine Tempeldienerin, sie ist auch noch hier. Kleiner, überlege.“

„Gelda? Sie ist eine Amazone, die schon 50 Sommer gesehen hat …“, Linnart war sichtlich amüsiert darüber wie sich Alegretta ihm anbot. Als junger, neugieriger Mann war er des Öfteren bei ihr gewesen – damals kümmerte sie sich um den Schrein und residierte in einer Kammer des Gasthauses. Tempel gab es nämlich noch keinen. Die nunmehrige Hochgeweihte war also so etwas wie seine Ziehmutter in Liebesdingen gewesen – sie hatte ihn viel gelehrt.

Amüsiert über Linnarts hartnäckiges, ja schon fast stures Gebaren, prostete Alegretta ihm zu. Dann stellte sie den Kelch ab, stand auf, und schlenderte wie beiläufig im Zimmer auf und ab. „Du bist ein frommer Mann, beiden Göttern gegenüber. Daran wird sich nichts geändert haben. Deine Erwählte ist in Elenvina, das mit Felina hast du auslaufen lassen und zu viele Liebeleien sind dir zu unsicher.“ Sie überlegte in sachlichem Ton, etwas abwesend, als müsse sie sich erst an etwas erinnern. „Die Gauklerin, so anziehend sie auch sein mag, ist nichts für dich. Selbst, wenn sie wollte, strahlt sie zu viel emotionales Drama aus. Das verdirbt den Spaß. Es wäre also wieder an der Zeit, die Schöne zu ehren. Ich glaube, letztes Mal hast du dich mir auch mit einer faden Ausrede entzogen. Das betrübt mich langsam.“ Allzu mitgenommen wirkte Alegretta nicht, als sie sich Linnart näherte. Sie beugte sich zu ihm und er erkannte sofort den Duft nach Flieder und Stachelbeere, der ihm seit damals, vor langer Zeit, nicht mehr aus dem Kopf ging. Die Hochgeweihte griff ihn an den Schultern und flüsterte in sein Ohr. „Glaubst du immer noch, mich dominieren zu können?“ Dann biss sie ihm nicht allzu sanft in sein linkes Ohrläppchen.

„Die Frau in meinem Leben würde sich nicht daran stören. Ich bin nicht dumm, die hält sich bestimmt auch an jedem Finger einen Liebhaber …“, der Bannstrahler zuckte mit seinen Schultern und nahm einen Schluck vom Wein, „… aber du hast recht. Dein Gemach hier im Tempel kenne ich noch gar nicht … und überhaupt konnte ich dir doch noch nie eine Bitte abschlagen.“ Linnart erhob sich von seinem Stuhl und bot Alegretta elegant seinen Arm an. „Auf deine Verantwortung. Doratrava wird bestimmt vor uns wieder zurück sein. Wenn sie türmt, darfst du das meiner Mutter erklären.“ Er lachte.



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Kapitel 40: Abschied