Eine Harte Schule Alegretta

Kapitel 3: Alegretta

Noch während die beiden jungen Frauen sich unterhielten, nahm Rahjalind eine Bewegung von ihrer rechten wahr. Als sie sich umwandte, sah sie direkt in das freundlich lächelnde Gesicht der Tempelvorsteherin. Alegretta war, wie Rahjalind, leicht und transparent gekleidet und trug ihre, schwer zu bändigenden, roten Haaren offen.

Im Vergleich zu anderen Rahjani war Alegretta nicht sehr groß und von eher zierlicher, als allzu weiblicher Statur. Da das Gesamtbild aber so gut harmonierte und man die Frau auf den ersten Blick einfach nur fröhlich, gutherzig und nett finden konnte, passte sie sehr gut in den Tempel. "Kleine, da bist du ja endlich." Sie umarmte Rahjalind und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Nun ja... Nicht irgendeinen Kuss, aber wen sollte das hier verwundern. Dann wandte sie sich Doratrava zu und umarmte sie ebenfalls, beließ es jedoch bei einer sachten Berührung ihrer weichen Lippen auf deren Backe. "Was für eine rahjagefällige Person hast du denn da mitgebracht ? Gerade rechtzeitig, wenn ihr mit ins Bad wollt. Du weißt schon, das Besondere."

Sie wusste ja, wo sie war und was sie hier erwarten durfte, und ihre Diskussion mit Rahjalind über das Wesen eines Geweihten oder einer Novizin der Rahja lag auch noch nicht lange zurück, aber dennoch fuhr ein leiser Stich durch Doratravas Herz, als sie sah, wie inniglich Alegretta ihre Freundin küsste. Sofort schalt sie sich selbst dafür, aber was konnte der Verstand schon ausrichten gegen Gefühle – vor allem wenn sie so stark waren, wie die Gauklerin für Rahjalind empfand?

Aber immerhin schaffte Doratrava es, sich fast nichts anmerken zu lassen. Ein kurzes Zusammenkneifen des Mundes, dann hatte sie sich wieder im Griff und nahm die Begrüßung der Geweihten halbwegs gefasst hin. Leicht versteifte sie sich doch, diesmal aber nicht wegen ihrer Gefühle für Rahjalind, sondern weil Alegretta eben eine Fremde war, Rahja-Geweihte wohl, aber dennoch fiel es der Gauklerin gewohnt schwer, so vertraut mit fremden Menschen umzugehen. Nun, vielleicht würde sich das irgendwann legen, wenn sie weiter so ausgiebigen Kontakt mit Dienern der Schönen Göttin pflegte, schoss es ihr ein wenig sarkastisch durch den Kopf.

„Seid gegrüßt, … Hochwürden?“ Alegretta war doch Tempelvorsteherin und das die richtige Anrede? „Äh ...“, fuhr Doratrava aber gleich darauf leicht verwirrt fort, „wir haben uns doch gerade schon gewaschen?“ Und was meinte die Geweihte mit ‚dem Besonderen‘? Fragend schaute die Gauklerin Rahjalind an.

„Nein Dora, nicht so ein Bad …“, Rahjalind lächelte breit, „… ein gesegnetes. Eine Gnade der Göttin für uns Sterbliche.“ Die junge Novizin konnte ihre Freude und Aufregung bezüglich der Ankündigung ihrer Lehrmeisterin nicht verhehlen. Sie hoffte, dass Doratrava die Zeit hier im Tempel wenigstens ein bisschen genießen konnte. Es war ein Ort der Freude und die junge Linnartsteinerin hoffte, dass dies auch auf ihre Freundin abfärben würde. Der Schatten des Gesprächs von diesem Morgen lag immer noch auf dem Gemüt der Gauklerin – das konnte sie deutlich fühlen.

Alegretta hatte goldbraune Augen, die nun erst etwas streng, dann etwas milder Doratrava musterten. "Das war schon richtig, Hochwürden Alegretta von der Heide, ich bin die Vorsteherin dieses kleinen Tempels hier. In den Nordmarken ist es zudem üblich, dass man sich vorstellt, oder ...", sie warf Rahjalind einen tadelnden Blick zu, "... vorgestellt wird. Aber auch das ist nichts, was uns den Tag verderben soll. Wie darf ich dich denn ansprechen?"

Natürlich war ihr die Unsicherheit der hübschen Fremden aufgefallen, gerade, als das Bad erwähnt wurde. So lächelte sie milde und einladend. "Das ‚besondere‘ ist ein Bad, welches aus einer Mischung aus Rosenwasser und leichtem Wein besteht. Dazu werden wir etwas essen und trinken. Sieh es als eine Art Opfer an die Göttin."

Rahjalind nickte ihrer Lehrerin schuldbewusst zu. „Du hast recht, Gretta … wo bleiben nur meine Manieren.“ Sie bedachte Doratrava mit einem kurzen Seitenblick. „Wahrscheinlich bin ich doch etwas nervös. Immerhin ist Doratrava … so ihr Name … doch eine liebe und enge Freundin von mir, die das erste Mal im Tempel weilt. Sie war übrigens Gast bei der Feier meiner Familie gestern. Dort hat sie uns mit ihren Kunststücken und Tänzen erfreut und mich dann danach noch einmal ganz besonders.“

Doratrava hatte den Erklärungen der Novizin und der Geweihten aufmerksam gelauscht, war aber dann beim Vorwurf letzterer mal wieder blassrosa angelaufen, auch wenn dem Augenschein nach eher Rahjalind als sie selbst dem milden Tadel ausgesetzt war. Deshalb fühlte sie sich jetzt bemüßigt, die Vorstellung ihrer Freundin zu bestätigen. Sie verbeugte sich vor der Geweihten so, wie sie es vor Publikum tat, mit einer weit ausholenden, schwungvollen Bewegung ihres rechten Armes. „Ja, Ihr könnt mich mit Doratrava ansprechen, Hochwürden, das ist mein Name – mein einziger, ich habe keinen anderen … von dem ich weiß“, setzte sie dann noch etwas zögernd mit leiser Stimme hinzu. „Ich bin Gauklerin, aber … am liebsten tanze ich.“ Als sie daran dachte, was bald nach ihrem ersten Auftritt beim Maskenball gestern geschehen war, intensivierte sich die blassrosa Tönung ihrer Wangen, und sie schlug die Augen nieder. Irgendwie fühlte sich sich von Alegretta kritisch gemustert wie von einer Mutter, der zaghaft die erste Geliebte ihrer Tochter vorgeführt wurde. Auch wenn das natürlich Unsinn war, wie Doratrava sich sofort sagte, zumal hier in einem Tempel der Rahja. Vorsichtig hob sie den Blick wieder und versuchte unsicher in der Miene der Geweihten zu lesen, während ihre linke Hand ohne ihr Zutun Beistand in der Rechten Rahjalinds suchte.

"Du brauchst keine Scheu zu haben, Doratrava. Hier ist es egal, woher wir kommen oder von wem wir stammen." Sie machte eine leichte Bewegung mit dem Kopf, was die beiden jungen Frauen veranlasste, mit Alegretta zu gehen. "Das Bad machen wir nur einmal im Mond, es soll etwas Besonderes sein. Sie gingen in einen Nebenraum, schon durch die zunehmende Luftfeuchtigkeit und den wohligen Geruch war klar, dass es der Baderaum des Tempels sein würde. Obwohl dieser nicht sehr groß war, wie auch der Tempel, war er sehr liebevoll und hübsch gestaltet. Bildnisse Rahjas, ihrer Kinder, Pferde und Weinranken zierten die Wände. In der Mitte war ein Bassin eingelassen, das bereits mit Wasser gefüllt war. Rosa Wasser, das musste diese beliebte Mischung sein. "Bist du das erste mal in einem Rahjatempel?" ,fragte Alegretta Doratrava. Mit einem leichten Wink gab sie Rahjalind zu verstehen, dass sie beim Hochstecken ihrer langen Haare Hilfe benötigen würde. "Liebchen, mach mir doch gleich das Kleid auf."

„Ähm … doch, tatsächlich war ich schon einmal, nein zweimal im Rahja-Tempel von Belhanka“, antwortete Doratrava noch immer etwas unsicher und verlegen, während sie die Wandbilder bestaunte. „Dort … waren aber immer so viele Leute, es gab auch Bäder, aber viel größer, und diese riesige Statue der Rahja! Die Leute und die Geweihten dort spielten auch Musik und tanzten und erzählten Geschichten und lachten und … taten andere Dinge. Es war schön dort, berauschend, aber … ich ...“ Die Gauklerin brach ab und schaute schon wieder zu Boden. Während ihrer Beschreibung hatte man ihr durchaus angesehen, dass es ihr dort gefallen hatte, doch war die Freude keine vollkommene, sondern gemischt mit etwas anderem. Die erfahrene Hochgeweihte, vielleicht auch Rahjalind, die zwar noch nicht so erfahren war, aber in der kurzen Zeit ihrer Freundschaft schon so einige Facetten von Doratravas kompliziertem Gefühlsleben hatte kennenlernen dürfen, konnte fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen aus Haltung und Miene der Gauklerin herauslesen. Ein schlechtes Gewissen, weil es ihr gefallen hatte.

Rahjalind hörte die Schilderungen ihrer Freundin über den Tempel von Belhanka mit interessiert lächelndem Gesichtsausdruck. Sie selbst war noch nicht dort gewesen, aber sie wollte das unbedingt einmal nachholen – vielleicht nach ihrer Weihe wenn sich die Gelegenheit ergeben würde.

„Das hört sich toll an Dora …“, sagte sie dann und ihre weißen Zähne blitzten zwischen den lächelnden kirschroten Lippen hervor, „… der Tempel hier mag klein sein, aber auch wir singen und tanzen. Ich gebe den Menschen im Dorf Tanzkurse und oft haben wir fahrende Bänkelsänger, Barden und Musiker zu Gast.“ Die Novizin wandte sich kurz zu ihrer Lehrerin um. „Es ist hier nicht immer so ruhig und beschaulich, auch wenn Linnartstein natürlich nicht Belhanka ist.“

Ihre Augen weiteten sich vor Freude, dann tat sie wie geheißen und öffnete Alegretta das Kleid, das wie ein Hauch von nichts, auf den Boden glitt. Einige Herzschläge später entfernte Rahjalind ihr transparentes Körpertuch und stand ebenso nackt im Badezimmer.

„Na los Dora, auf was wartest du?“, forderte sie die Gauklerin auf es ihnen gleich zu tun. „Wie Gretta schon sagte, ist es hier nicht wichtig wie du heißt, von wem du abstammst oder wer dich großgezogen hat. Hier ist es nicht anrüchig sich der Freude und Rahjas Gaben hinzugeben.“ Rahjalind wies in einer weitläufigen Handbewegung um sich. „Auch wenn es hier sehr klein und beschaulich sein mag, wir sind in einem Haus der Herrin und wie in ihrem ewigen Zelt, wird auch hier das ewige Fest gefeiert.“

Alegrettas Körper war zierlich, doch an den richtigen Stellen weiblich wohlgeformt. Sie zupfte noch etwas an ihren Haaren, die Rahjalind ihr lose hochgebunden hatte und lächelte dann ihren Gast liebevoll an. "Komm, man muss sich seiner Gefühle bei uns nicht schämen, egal welcher Art sie sind. Wichtig ist, dass es immer einvernehmlich bleibt, Zwang, Beherrschung … das ist nicht in Rahjas Sinne." Sie stieg mit Rahjalind in das Becken und ließ sich kurz mit geschlossenen Augen treiben, Wärme, Duft und wohl Nähe zu ihrer Göttin genießend. Ihre Novizin lächelte verschmitzt und umfasste Alegretta dann sanft von hinten. Als diese die Augen öffnete, gab sie ihr einen zarten Kuss auf den Hals. Voller Zuneigung strich die Hochgeweihte ihrer Schülerin über die Wange und ließ ihre Zunge sinnlich über deren Lippen spielen. "Wo bleibt deine Freundin? Ihr habt euch doch gern?"

Doratrava hörte die einladenden Worte, erst Rahjalinds und dann auch Alegrettas, während sie den Anblick ihrer nackten Körper mit zunehmender Erregung in sich aufnahm – und wurde doch von ihrer anerzogenen Scheu vor allem, was Rahja gefällig war, wie gelähmt. Erst nach der zweiten Aufforderung begann sie, das leichte Gewand, welches sie seit der kurz zuvor erfolgten rituellen Waschung trug, von ihrem Körper zu streifen, bis sie ebenfalls nackt dastand. Ihre weiße Haut glänzte in dem gedämpften Licht fast wie flüssiges Silber, zumal sich nun die feuchte Luft darauf niederschlug.



Kapitel 2: Tempel

Kapitel 4: Gefühle