Eine Harte Schule Adda

Kapitel 5: Adda

Doratrava konnte nicht umhin, die zärtlichen Berührungen der Geweihten zu genießen, doch kam Alegrettas Frage etwas überraschend, zudem war sie nicht so einfach zu beantworten. Doch da wurde die Geweihte auch schon durch die Ankündigung eines neuen Gastes abgelenkt, und die Gauklerin schloss ihren Mund wieder – nur um gleich darauf die Augen aufzureißen und Rahjalind entsetzt anzustarren. „Adda?“ quietschte sie wenig souverän. „Ausgerechnet ...“ Die Ankündigung war wie eine kalte Dusche, Doratrava fröstelte trotz des angenehm warmen Wassers, sie fischte hilfesuchend nach Rahjalinds Hand. „Was machen wir denn jetzt? Wenn sie uns so sieht, dann ...“ Ja, dann was? Immerhin waren sie hier in einem Rahjatempel. Aber rationale Erwägungen konnten das intensive Gefühl der Beklemmung, welches die Gauklerin befiel, nicht vertreiben.

Auch Rahjalind hatte sich etwas gespannt. Entgeistert überging sie die Frage ihrer Freundin und sah Alegretta an. „Mu… Mutter kommt hier her? Jetzt? Um diese Zeit?“ Es war Abend und schon dunkel geworden. Sie musste also schon länger im Dorf weilen. Ob sie ihr nachspionierte? Nein, bestimmt nicht. Alleine der Gedanke daran war albern. Deshalb fügte sich die junge Novizin der Anweisung ihrer Lehrerin, löste sich von Doratrava und stieg dann aus dem Wasser.

Sie trocknete sich notdürftig ab und hüllte sich in einen leichten Mantel. Dieser gehörte wohl Alegretta, war er der jungen Frau doch zu kurz und schloss direkt unterhalb ihres Hinterns ab. Als sie sich dessen gewahr wurde, murrte Rahjalind einige unverständliche Worte und verließ dann den Raum.

Hilflos sah Doratrava ihrer Freundin nach. Ihre Kleidung war wer-weiß-wo, auch das leichte Gewand, dass sie nach der rituellen Waschung bekommen hatte, lag irgendwo draußen. Nackt hinausstürmen kam nicht in Frage, aber nackt im Becken bleiben eigentlich auch nicht. „Rahjalind – warte! Und ich?“ rief sie mit leicht panischem Unterton ihrer Freundin hinterher.

Diese wandte sich noch einmal zu ihr um. Auf ihren Lippen lag ein leichtes Lächeln. Würde Doratrava die Novizin nicht anders einschätzen können, würde sie dazu neigen zu meinen, dass in eben jenem Ausdruck auch etwas Häme mitschwang. „Möchtest du sie denn mit mir begrüßen?“ Das Lächeln wurde breiter und freundlich. „Ich werde sie ablenken, vielleicht reicht es ihr ja, ihre Tochter anzutreffen.“ Rahjalind hob die Schultern. „Ihr beiden könnt euch ja derweil unterhalten.“

Doratrava schüttelte unwillkürlich heftig den Kopf, dass ihre nassen Haare flogen, als sie Rahjalinds (hoffentlich) scherzhaftes Angebot vernahm. Irgendwie war es ihr ganz natürlich erschienen, ihre Freundin zu begleiten, aber eben nicht nackt. Doch wenn sie auf diese Weise den kritischen Blicken von Rahjalinds Mutter entgehen konnte … sie wandte sich Alegretta zu. „Äh ...“ begann sie, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte, dann fiel ihr aber doch etwas ein. „Kommt Adda immer zu diesem ‚besonderen‘ Bad? Ist das denn regelmäßig?“ Ein wenig scheu sah sie die Geweihte an, nachdem sie nun zum ersten Mal allein mit ihr war.

Alegretta wirkte fast etwas belustigt, als Doratrava sie ansah, schmunzelte sie nur noch leicht. "Ab und zu, wenn es ihr Terminplan zulässt. Ich hatte heute nicht mit ihr gerechnet." Sie ging zum Rand des Beckens und legte die Arme beidseits auf den Rand. "Komm her, keine Angst. Ein bisschen Zeit haben wir. Und du wirkst etwas … unsicher. Bist du das erste Mal in einem Rahjatempel oder ist dir das Wesen der Göttin fremd? Was beunruhigt dich? Viele halten uns für bessere Prostituierte, aber nicht lange, glaub mir. Alles hat seinen Platz auf Dere, und jede Ausrichtung." Sie grinste neckisch. "Bei mir hat nichts einen Preis, das bringe ich auch Rahjalind bei. Wir haben einen freien Willen, komm, was plagt dich?"

Was Adda dann wohl heute hierher getrieben hatte? Eine reine Laune? „Ich ...“ setzte Doratrava zu einer Antwort an, während ihr unsteter Blick über Alegrettas Körper tastete und nicht wusste, wo er Halt machen sollte. Machte die Geweihte das absichtlich? Ihre Pose, mit dem Rücken zum Beckenrand, die Ellenbogen aufgestützt, was ihre Brüste nach oben zog und so äußerst vorteilhaft zur Geltung brachte, konnte man leicht missverstehen, auf die eine oder andere Weise. Das machte es nicht leichter, sich auf eine vernünftige Antwort zu konzentrieren. „Nein, ich bin nicht zum ersten Mal in einem Rahjatempel.“ Die Gauklerin beschloss, mit dem harmlosesten Teil der Fragen zu beginnen. „Wie ich schon sagte, ich war schon im Tempel von Belhanka. Aber dort … war es so voll, ich … war wohl überfordert von all den Dingen, die es dort zu hören und zu sehen und zu schmecken gab, das war ganz anders als hier, wo … nur wir beide sind.“ Jetzt gerade. Was war ‚ein wenig Zeit‘? Wann würde Adda hereinplatzen? Und sie war noch immer nackt und würde sich vorkommen wie auf dem Präsentierteller. „Was … ich meine, ich kenne die Liebe“, bei diesem Wort zuckten ihre Mundwinkel verdächtig, aber nicht, als ob sie lächeln wollte, „und die Freude und weiß um die Göttin Rahja – doch ihr Wesen? Wenn … du mich als Geweihte, also … du verstehst sicher etwas anderes darunter als ich.“ Doratrava warf einen bangen Blick zum Eingang. „Und was mich … plagt ...“ Sie fühlte diesem Wort nach. ‚Plagen‘ hörte sich nach Krankheit an, das war es eigentlich nicht, was sie beschäftigte und ihr Schmerzen bereitete … hoffte sie zumindest. „Können wir das nicht besprechen, wenn nicht jeden Moment Adda um die Ecke kommen könnte?“ Die Gauklerin sah jetzt erst recht unsicher aus, etwas fahrig, hin- und hergerissen, wie ein Tier in der Falle. Der Blick ihrer schwarzen Augen, der noch immer über Alegrettas Körper irrte, flackerte.

"Ah, du kennst Adda? Keine Sorge, man wird mir Bescheid geben, bevor sie kommt. Sie will das Bad sicher alleine oder mit mir besuchen." Alegretta biss sich grüblerisch auf die Unterlippe. Doratrava wirkte so unsicher, jetzt noch mehr, ohne ihre Freundin … deren Mutter gerade kam und die sie sicher vom Ball her kannte. Sicher war sie damals auch als Fremde von Rahjalind mitgenommen worden und hatte an ihr Halt gesucht. Aber Gaukler waren dergleichen gewohnt, es musste etwas anderes sein. "Wir werden das Bad verlassen, ohne dass Adda dich trifft, sollte dich das beunruhigen. Du hast meine Frage noch gar nicht beantwortet, wie wurdest du erzogen? In einer streng traviagläubigen Familie? Belhanka ist sicher … ähm … etwas viel, wenn man das erste Mal mit unserem Glauben richtig in Berührung kommt. Hier ist es viel beschaulicher und vertrauter." Spielerisch ließ sie ihre Zehen aus dem Wasser schauen und beobachtete mit besonderem Interesse, warm und fürsorglich, Doratravas Augen.



Kapitel 4: Gefühle

Kapitel 6: Drohung