Ein Brief aus Tandosch

Ein Brief aus Tandosch

Orte der Handlung: Senalosch in den Vogteien Nilsitz, Markt Calmir in der Baronie Rabenstein, sowie die Baronie Tandosch

Zeit: Anfang Boron 1043 BF

Personen: Der Korgeweihte Radomir von Tandosch, der Baron von Tandosch Irian von Tandosch, Assara von Tandosch, Fiona von Tandosch, Oberst Dwarosch, Sohn des Dwalin, Ihre Gnaden Marbolieb und andere.

Eine Briefspielgeschichte von RadoMir, IseWeine, RekkiThorkarson, Max und Natascha.

Inhalt: Die 'ungewöhnliche' Geburtstagsfeier des Radomir von Tandosch. (Dokument hängt an).

Die Einladung

Stadt Tandosch, Baronie Tandosch, zu Beginn des Boronmondes 1043 BF

Radomir von Tandosch saß in seinem Arbeitszimmer. Gedankenverloren drehte er das kleine Messer auf der Tischplatte und grübelte. Sein Tsa-Tag stand bevor. Der 21. Boron kam näher und er würde in seinen 43. Götterlauf eintreten. ‚Ich hätte nie gedacht ihn zu erleben. Kor, was auch immer Dein Plan für mich ist, ich hoffe er findet Erfüllung bevor ich zu schwach werde, um eine Waffe zu halten. Er lächelte, trank einen Schluck heißen Honigweins und griff dann zu Pergament und Feder.

An Oberst Dwarosch, Sohn des Dwalin Oberst des Eisenwalder Regiments Kor-Tempel zu Senalosch

Mein Freund, Gerne würde ich Dich und Marbolieb einladen, einige Tage bei mir in Tandosch zu verbringen, so es Eure Zeit erlaubt. Mir steht der Sinn nach guten Gesprächen und gutem Essen mit Freunden. Ferner bin ich gespannt auf Nachrichten, wie es um die Eisenwalder und den Tempel bestellt ist. Es wäre mir Ehre und Freude, wenn ihr dieser Einladung folgen würdet und um den 20. Boron in Tandosch eine Ruhephase einlegen würdet.

Kor mit Dir und Boron mit Deiner Gefährtin. Radomir

Er siegelte das Schreiben mit seinem Wappen, Raskords, der Tochter Kors, und schrieb die Adresse noch einmal außen herauf. Dann rief er seine Adjutantin. "Assara, würdest Du bitte diese Einladung so schnell wie es geht auf den Weg bringen? Vielleicht hat unser Freund ja Zeit und Lust, ein wenig unsere Gastfreundschaft zu genießen." "Das wäre schön. Zu welchem Zeitraum soll ich die Gästezimmer richten lassen?" "Langsam, Leutnant. Wenn er zusagt wird es um den 20.Boron sein. Also etwas mehr als sechs Wochen. Das sollte reichen, um die Zimmer fertig zu bekommen", lächelte Radomir. Assara zog eine Augenbraue hoch. "Eine Einladung zum Tsatag?", fragte sie verwundert. "Nein. Du weißt was ich von Tsatagsfeiern halte. Es ist eine normale Einladung. Zum Glück weiß Dwarosch nicht, dass dort mein Tsatag liegt. Und Leutnant: Das bleibt so!" "Ja wohl, Herr Oberst." Sie salutierte, nahm den Brief und verließ das Arbeitszimmer. Bevor sie jedoch die Depesche an einen Boten übergab machte sie einen Umweg über ihre Stube. Sie schrieb eine kurze Notiz und schob sie vorsichtig in das gesiegelte Schreiben. Dann grinste sie. Radomir hatte seinem Leutnant einen Befehl erteilt. Aber nicht der Tochter. Dann gab sie den Brief einem Boten, der ihn zur Station der Beilunker Reiter brachte.  

Ein Brief aus Tandosch

Senalosch, Bergkönigreich Isnatosch, gräfliche Vogteien von Nilsitz- einige Tage später

Als der Oberst des Eisenwalder Garederegimentes, wie jeden Morgen von seinem Adjutanten Boringarth die eingegangene Korrespondenz überreicht bekam und durchsah, staunte er nicht schlecht. Gleich zwei Briefe waren aus Tandosch angekommen. Einer von ihnen Trug das Siegel Radomir von Tandoschs, der andere hatte keinerlei Kennzeichnung, die auf den Absender schließen ließ. Mit einem Schmunzeln brach Dwarosch das Siegel seines Freundes und las. Als er die Zeilen nicht einmal, sondern gleich zweimal überflogen hatte blies er die Wangen auf und überlegte angestrengt. Marbolieb war in Calmir, sie würde er abholen müssen. Sicher konnte er bis ins Gebiet der Rabensteins Isnatoschs weitreichendes Tunnelsystem nutzen, dann jedoch würde er an die schneebedeckte Oberfläche müssen. Eine Reise durch den Isenhag, speziell durch und über den Eisenwald war gefährlich im Winter, dennoch verwarf Dwarosch den Gedanken nicht gleich, sondern beschloss, darüber nachzudenken. Zunächst aber nahm er sich das andere Schreiben vor und war überrascht, dass es Assara war, die ihm sozusagen einen Zusatz zu dem Brief ihres Vaters schrieb. Der alte Haudegen hatte also demnächst Geburtstag und hielt damit hinter dem Berg, lud ihn einfach ein und ließ ihn über den wahren Hintergrund im Unklaren. Grimmig grinste der Oberst und fasste einen Beschluss. Es gab nur wenige Menschen, für die Dwarosch das Risiko der Reise durch Eis und Schnee eingehen würde, Radomir war einer von ihnen. Die Freundschaft des Kor- Geweihten bedeutete dem Oberst viel. Er wusste, dass er ewig in dessen Schuld stehen würde für das, was er mit der Weihe des Kortempels in Senalosch vollbracht hatte, auch wenn Radomir das naturgemäß anders sah. Für den Priester des Herren der neun Streiche war es nahezu die größte Ehre gewesen, so etwas Bedeutendes im Namen des blutigen Mantikors zu vollbringen. Dies schloss das Opfer eines Auges mit ein. Dwarosch sah auf und blickte seinen Adjutanten mit einem wölfischen Grinsen an. „Noch heute Abend breche ich nach Calmir auf. Suche mir acht der besten Gebirgsjäger aus. Instruiere sie und stelle Ausrüstung, sowie Verpflegung für zehn Personen parat. Außerdem brauche ich die entsprechenden Tunnelkarten, die Abschnitte von hier bis nach Rabenstein, sowie die westlichen Randgebiete von Xorlosch bis hoch nach Brüllenbösen. Ich muss derweil nach Antratschdradûr hinab. Ich brauche ein Geschenk und ich habe auch schon eine Idee!“

Bestürzendes Wiedersehen

Calmir, Baronie Rabenstein - Mitte Boron 1043 BF

Der Winter kam früh im Hochgebirge. Der erste nennenswerte Schnee fiel wie Gänsedaunen bereits im Travia, und schon zur Mitte des Mondes der Gütigen waren die Berge mit einem dicken Tuch aus Ifirns Geschenk bedeckt, dass die Pässe in seiner Masse erstickte und nach und nach die Weg für die kalte Zeit schloss. Ruhe brachte der fallende Schnee und eine Zeit der Stille. In Calmir, der größten Ansiedlung Rabensteins, hatte sich das Leben in die Hütten verlagert. Wer nicht nach draußen musste, schloss die Tür hinter sich. Auch die Borongeweihte Marbolieb hätte dagegen ganz und gar nichts einzuwenden gehabt - allein, gestorben wurde immer. Vor allem im Herbst, wenn die Kälte zusammen mit dem Schwinden von Praios Segen Mishkaras Wirken Tür und Tor öffnete.

Aus dem weißgrauen Himmel tänzelte eine einzelne Schneeflocke, traf die Braue der Boroni und schmolz zu einem winzigen Tropfen. Marbolieb richtete sich auf und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn, ehe sie erneut mit dem Spaten auf die Erde unter ihr eindrosch, die glücklicherweise bisher ab einem Spann Tiefe nur übel steinig, aber noch nicht gefroren war. Später im Winter würde sich auch dies ändern. Aber es half alles nichts - bis zum Abend musste das Grab, in dem der Schuster Tamalos seine letzte Ruhestätte finden würde, ausgehoben sein. Bereits gestern hatte sie damit begonnen, und sich mittlerweile knietief in ihren Boronanger vorgearbeitet. Ihr erstes Grab seit ihrer Rückkehr. Schon bemerkenswert gut gediehen. Aber längst noch nicht gut genug. Sie tastete mit den Fingerspitzen nach der Kante, holte mit dem Spaten aus und hieb entschlossen zu, nur einen Fingerbreit von ihren Zehenspitzen entfernt. Ein Stück Stein entwischte unter der gnadenlosen Attacke, spritzte zur Seite und kam polternd anderthalb Spann hinter ihr zu liegen, auf einem Haufen loser Erde, die darauf wartete, in einem Weidenkorb aus der Grube verfrachte zu werden. Noch zehn Dutzend von seiner Sorte, und das Werk wäre getan. Mit der Beharrlichkeit eines Maultiers verbiss sich die kleine Geweihte in ihre Aufgabe, sich gewiss, dass sie in dieser Nacht, nach einer hoffentlich erfolgreichen Grablege, bestens schlafen würde.

Nur im Unterbewusstsein vernahm die Geweihte ein sich langsam näherndes Geräusch. Es war ein Knarzen, wie Schritte es im Schnee hervorriefen. Schwere, geschnürte Lederstiefel stapften durch das allgegenwärtige Weiß. Dwarosch hatte vorgehabt Marbolieb im Tempel aufzusuchen, doch auf dem Weg dorthin hatte der Zwerg bemerkt, dass jemand auf dem Anger zugange war, jemand arbeitete dort. Seine Männer hatte der Oberst ins Wirtshaus geschickt. Sie sollten sich aufwärmen, ihre Kleider trocknen und sich ausruhen. Von Bier und einer anständigen Mahlzeit hatte er nicht gesprochen, das war unnötig gewesen. Die Gebirgsjäger hatten ihrem Namen alle Ehre gemacht. Sie waren ohne Zwischenfälle nach Calmir gekommen. Naja, sah man von dem Schneerutsch in den Stollen ab, als sie sich den Weg aus den Tunneln Isnatoschs ins Freie hatten gegraben. Zwei Männer waren ‚verschüttet‘ worden. Ein Ereignis, das mehr für Belustigung gesorgt, denn eine Gefahr bedeutet hätte. Dwarosch betrat durch eine kleine Pforte den Boronanger. Der Weg zwischen den Gräbern war nur noch anhand einer kaum deutbaren Vertiefung im Schnee auszumachen. Die kleine, zierliche Gestalt der Geweihten erkannte er sogleich. Wer hätte es sonst seien sollen? „Kann ich dir helfen, Räblein?“ fragte Dwarosch schließlich, als er keine fünf Schritt von ihr stehen blieb. Seinen tiefen, wohlklingenden Bass hätte Marbolieb unter hunderten herausgehört.

Die Geweihte hieb energisch auf ein herausstehendes Stück Stein ein, das sich erst nach einem halben Dutzend Spatenstiche so weit gelockert hatte, dass sie es mit tastenden Händen aus der Erde graben und zu dem Aushub in den Korb legen konnte. Sie sog die eisige Luft tief in die Lungen, richtete sich langsam auf und stützte sich mit zitternden Händen auf den Schaft des Spatens. Ein Viertel der notwendigen Tiefe hatte sie bereits - aber sie war ja auch erst seit den frühen Morgenstunden hier zugange. Marbolieb legte den Kopf schief, ließ sich einige Flocken auf die Nase tanzen und bemerkte schließlich in die ungefähre Richtung Dwaroschs. "Es ist Winter. Er ist nicht hier und wird nicht kommen, also schweig." Mit einer Geste, die von viel unterdrückten Gefühlen erzählte, griff sie den Spaten und drosch ihn tief in den kalten Grund. Niemand reiste im Winter. Nicht in den Bergen.

Dwarosch stutzte und benötigte einige Momente, um zu begreifen, dass Marbolieb sich keinen Scherz mit ihm erlaubt hatte. Im Gegenteil, die Blindheit in Kombination mit der Abgeschiedenheit in Calmir, ja der Isolation, in der sie als Borongeweihte in dem Dorf lebte, schienen ihr offenbar zuzusetzen. "Niemand tut das nicht, aber ein paar ziemlich dämlich leichtsinnige Angroschim, die dich abholen wollen", sprach der Oberst sanft und versuchte sie so erneut mit Worten zu erreichen. Es misslang. Immer noch weigerte sich die Geweihte ihm ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Dwarosch trat näher. Nach einem weiteren Stoß des Spatens in den Boden griff Dwarosch behutsam nach Marboliebs Unterarm und war dabei auf der Hut. Er wollte keine unliebsame Bekanntschaft mit dem Arbeitsgerät machen. "Räblein, ich bin es."

Die Boroni zuckte zusammen, lehnte den Spaten vorsichtigst an die Wand des Grabes und tastete mit ihren Fingerspitzen nach der Hand an ihrem Arm. Es gehörte wirklich ein Arm dazu, zu diesem eine Schulter, Hals und Kopf. Ungläubig fühlte sie den prachtvollen Bart des Angroscho und dessen Gesichtszüge, ausgiebig, als berühre sie diese zum ersten Mal. Er war wirklich hier. Mitten im Winter. Wenn niemand grundlos reiste. Marboliebs Hände, die sie für die Arbeit draußen mit dicken Stoffstreifen umwickelt hatte, verharrten mit den Kuppen ihrer Finger auf seinen Schläfen und wurden eiskalt. Dawrosch bemerkte, wie die Gesichtsfarbe der Boroni bleich wurde. "Mirla?" Nicht mehr als ein raues Flüstern aus auf einemmal papiertrockenen Lippen.

Dwarosch seufzte schwermütig. „Ich bin leichtsinnig, weil ich hier vor dir stehe, aber Mirlaxa mitzunehmen wäre … unverantwortlich gewesen Räblein. Sie ist dort wo es warm ist, wo sie geborgen ist. Wenn sie in diesem Moment nicht mit Topaxandrina in der guten Stube vor dem Kamin sitzt, dann spielt sie womöglich gerade mit Roglamox. Sie hat einen Narren an dem Gardisten gefressen, von dem Borax so viel hält. Und Rogox behauptet, dass Mirlaxa besonders ist, er aber nicht wüsste warum.“ Dwarosch seufzte erneut, diesmal jedoch war es anders, es sprach von der sehnsüchtigen Liebe eines Vaters zu seinem Kind. „Ihr geht es gut, Räblein.“ Die Geweihte atmete tief und mit einem Seufzen aus, und Dwarosch konnte die gewaltige Erleichterung und den Stein, der ihr mit diesem Laut vom Herzen fiel, förmlich spüren. Sie schlang ihre Arme um den Nacken des Oberst, lehnte ihre Stirn an die Seine und verharrte so geraume Zeit. Ihre eisigen Finger gruben sich in den dicken Bärenfellkragen seines Mantels. Marbolieb senkte den Kopf und vorsichtig und sehr sanft strichen ihre Lippen über die Seinen - mehr eine Frage denn eine Liebkosung. Der graue, schwere Winterhimmel öffnete seine schwerbäuchigen Wolken und aus den vereinzelten, tanzenden Flocken wurde rasch ein dichter, wirbelnder, tanzender Vorhang aus Myriaden von Eiskristallen, den Federn der sanften Ifirn. Der Zwerg erwiderte den Kuss, zögerlich, zaghaft und trotz dieser Zurückhaltung sehnsüchtig. Doch währte der innige Moment nur kurz. "Können wir drinnen sprechen?" fragte er mit kratziger Stimme, als sie sich voneinander lösten. "Ich komme nicht ohne Grund. Du und ich erhielten eine Einladung aus Tandosch." Wehmütig ließ die Geweihte das dichte Haar durch ihre klammen Finger gleiten und führte sanft ihre Fingerkuppen über die Wange des Oberst. Der leise Hauch eines Kusses kribbelte als Nachhall auf ihren Lippen, erkaltende Asche aus der kurz und um so heftiger aufgeflackerten Glut. Sie tastete nach dem Griff des Spatens und hob um Entschuldigung heischend die Schultern, trieb das Blatt in den mit Steinen durchsetzten, festgebackenem Grund, der von den rieselnden Flocken fast schon wieder bedeckt wurde. Mit gebeugtem Kopf und Rücken rang sie um das nächste Stück Scholle, das sich nicht aus dem Boden lösen wollte. Es war noch erbärmlich viel Arbeit bis zum unerbittlich dräuenden Abend. "Später." Dwarosch kannte den Weg in den Tempel - er würde warten. Hoffentlich.

Aufs Neue verdattert starrte Dwarosch Marbolieb an. Wie konnte eine so zarte, so zierliche Person nur so stur und dickköpfig sein? Sie hätte auch als Angroschna geboren werden können. Erneut seufzte der Oberst, diesmal aus Schicksalsergebenheit. Dwarosch sah sich um, wusste, dass er noch anderes Werkzeug gesehen hatte. Er nahm sich die Spitzhacke, die an einem Baum lehnte, um mit wuchtigen, gezielten Schlägen den Boden für Marbolieb aufzulocken, so dass ihr Spaten bald weniger Widerstand erfuhr und tiefer ins Erdreich eindringen konnte.

Doch auch mit seiner tatkräftigen Hilfe blieb es eine langwierige, kräftezehrende Arbeit. Der Boden war steinhart gebacken und leistete dem Zwergen erbitterte Gegenwehr. Vor allem aber war die Geweihte langsam. Aufwendig betastete sie vor jedem Spatenstich den Boden und setzte das Blatt von Hand an die Stelle, an der sie einstechen wollte, und sammelte alle zwei, drei Spatenstiche später die Schollen mit klammen Fingern ein, um sie in den bereitstehenden Weidenkorb zu legen, den Dwarosch nach einem Dutzend Spatenladungen an einem Strick aus der Grube zog und daneben ausleerte, nachdem er über eine Leiter nach oben gestiegen war - nur, um dann alles wieder von vorn zu beginnen. Die ganze Prozedur des Erde auflockerns und Grabens zog sich quälend schleppend voran, obgleich die Boroni bald wieder vor Anstrengung keuchte. „Wäre es nicht an der Zeit, eine Pause zu machen?“, fragte Dwarosch mit einem Ton, der Verständnis ausdrückte, doch Marbolieb ging nicht darauf ein, sondern fuhr unbeirrt in ihrer Arbeit fort. "Ich muss fertig werden." kratzte ihr Atem in ihrer Kehle, als die eisige Luft einsog, während dicke Schweißperlen über ihre Stirn rannen.

Mit dem scheidenden Nachmittag entledigten sich auch die Schneewolken mit Macht ihrer Last, und der muntere Flockentanz ging in ernsthaften Schneefall über, der binnen kurzer Zeit eine doppelt spanntiefe Decke über Anger, Erde und Steine häufte und das Licht zur Dämmerung erstickte. Mit weichen Knien und erschöpft gebeugtem Rücken kroch die zierliche Geweihte einige Wassergläser später aus dem - endlich - ausreichend tiefen Grab und streckte eine Hand nach dem Oberst aus. Ihre Muskeln zitterten. "Sie kommen bald. Hilfst Du beim Tragen?" fragte sie mit kratziger Stimme. „Natürlich“ war die einfache Antwort, mehr kam nicht über seine Lippen. Dwarosch zog Marbolieb aus dem rechteckigen Erdloch und folgte ihr dann weiterhin stumm. Umständlich und langsam räumte die Geweihte die Gerätschaften aus dem Grab und legte sie so auf den Aushubhaufen, dass sie sie später wiederfinden würde. Halb gebückt, eine Hand nach unten gestreckt, tastete sie sich an den Stecken entlang, die sie seitlich des Weges in den Grund gesteckt hatte - und die ihr den Weg zurück zum Tempel anzeigten. Sie führte den Oberst in einen Seitenraum des Tempels, in dem sie üblicherweise die Leichen aufbewahrte. Eine in ein Laken geschlagene Gestalt lag auf einem steinernen Tisch, ein etwas schiefes Boronsrad aus Kohle dort aufgezeichnet, wo sein Haupt sein musste. Daneben standen am Boden ein halbvoller Eimer mit Wasser, ein Knäuel gebrauchter Tücher und ein Stapel sauberer. Marbolieb bückte sich, suchte ein sauberes Tuch und wischte sich das Gesicht ab. Sie hatte die vergangene Nacht durchgearbeitet, um die sterblichen Reste des Schusters zum Begräbnis vorzubereiten. Es wäre so schön, sich jetzt einfach auszuruhen. Einen kurzen Moment lang schloss sie erschöpft die Augen und ihre Finger fassten um die Hand des Mannes an ihrer Seite, ehe sie tief Luft holte und fragte. "Kopf oder Füße?", Dwarosch die Wahl lassend. „Schultern“, sagte Dwarosch kurzentschlossen, wohlwissentlich, dass dies die schwerere Seite war. Ohne weiteres Zögern stellte er sich an der Kopfseite des Toten, dessen Konturen ausreichend deutlich unter dem Tuch zu erkennen waren. „Fertig?“, fragte er, als er registriert hatte, dass Marbolieb ebenfalls Aufstellung genommen hatte. Marbolieb fand ihr Ende und nickte. Der Schuster Tamalos war ein großer und wohl beleibter Mann gewesen, der ganz sicher keinen Hunger gelitten hatte. Entsprechend schwer lag die leblose Gestalt in den Händen von Angroscho und Geweihter, als sie ihn anhoben und mit langsamen Schritten aus dem Tempel auf den kalten, in einer tiefen Schneedecke liegenden Anger brachten. Wie selbstverständlich hatte der Oberst die Führung übernommen und lotste das eigenwillige Gespann an das frisch ausgehobene Grab - und sorgte dafür, dass die sterbliche Hülle des Schustermeisters einigermaßen würdevoll seine letzte Ruhestätte erhielt, rasch vom Schnee bedeckt. Wie die kleine Boroni das allein angestellt hätte, blieb ihm ein Rätsel. "Sie kommen bald." Sanft im Schneetreiben war Marboliebs Stimme. "Magst Du im Tempel warten?" Ungesagt schwang mit, dass sich die Dörfler, jene von ihnen, die sich trotz des Wetters auf den Anger wagten, zumindest irritiert, recht sicher aber wenig Begeistert ob des Fremden wären, so dieser ihrem Vater und Gatten das letzte Geleit anbot. „Selbstverständlich“ brummelte sich Dwarosch die Antwort mehr in seinen klatschnassen und von Schnee bedeckten Bart, denn er sie klar verständlich aussprach. Er hatte wenig Verlangen nach dem kräftezehrenden Reise nach Calmir und obendrein dem Ausheben des Grabes nun auch noch an einer Trauerfeier teilzunehmen. Seine Stimmung war schon ohne dies ‚im Keller‘. Dennoch ergänzte Dwarosch bereits als er sich abgewandt hatte: „Hol mich, um das Grab zuzuschaufeln und tu dir das nicht allein an.“ In dem kleinen Nebenraum des Tempels angekommen, den Marbolieb ihr eigenes Reich nannte, zog sich der Oberst aus. Die Küche, der einzige beheizbare Raum des Tempels, war dunkel und kalt, das Feuer im Herd schon seit Stunden erloschen. Dwarosch sah, dass Marbolieb auch ihren Strohsack in die Küche gebracht hatte, anstatt diesen in ihrer Kammer zu lassen - kein dummer Gedanke, mitten im Winter. Über der Feuerstelle hing ein Topf, dessen Inhalt, eine Art gelblich-grauer, fest gewordener Brei, entfernt nach Zwiebeln roch. An der Wand standen zwei Eimer an einer Schnur, die an eine Art Brett oder Joch gebunden war, das zwischen ihnen an der Wand lehnte. Einer der beiden war leer, der andere noch halbvoll mit Wasser. Die gesamte Ausstattung des Raumes war, wie immer schon, seit der Oberst den Tempel kannte, äußerst bescheiden, wie man sie auch in der Kate eines Kleinbauern oder Tagelöhners finden würde - aber ausreichend für eine einzelne Person. Neben der Feuerstelle lagen eine Handvoll Späne und dünne Äste und daneben drei einsame Holzscheiter. Eine Kerze oder ein Kienspan war nicht zu finden. Er hängte seine Sachen auf, um sie zu trocknen. Danach feuerte er den Kamin ein, um es etwas wärmer zu haben und bereitete einen kräftigen Tee zu. Dabei hing er dunklen Grübeleien nach, die ihren Ursprung in dem zuvor Erlebten hatten. Es war so gekommen, wie Dwarosch es befürchtet hatte, Kirche und selbst Baron hatten Marbolieb allein gelassen mit der Aufgabe im Tempel. Er konnte einfach nicht begreifen, dass man einer Blinden so eine Last aufbürdete, dabei wäre es sicher keine große Sache, einen der Dörfler dazu zu verpflichten, der Geweihten zur Hand zu gehen, gerade bei solchen Aufgaben wie dem Ausheben eines Grabes. Sein Menschenbild und auch die Meinung über die Kirche des Raben litt in jenen Momenten und es würde sich so schnell nicht wieder wandeln. Dwarosch hatte Marbolieb bekniet, nicht zurück nach Calmir zu gehen, solange sie blind war, er hatte sogar vorgeschlagen, mit ihr nach Punin zu reisen, um dort vorzusprechen, doch Marbolieb hatte ihren eigenen Kopf besessen. Das Ergebnis war ein seiner Meinung nach unwürdiges Leben und das bekümmerte ihn. Allerdings waren ihr so viele Möglichkeiten auch nicht verblieben, nachdem er ihr auf der Jagd nach seinem Gespräch mit dem Baron mitgeteilt hatte, dass sie sich im Herbst wieder in Calmir einfinden müsse. Die Boroni war keine rebellische Person, die sich auflehnen würde - nicht, wenn dieser Befehl aus Richtung ihrer Kirche kam. Draußen kündeten im Schnee knirschende Schritte und Wortfetzen davon, dass die Trauergäste sich an Grab einfanden. "Firun meint es gut mit uns." drang durch das mit Pergament abgedichtete Fenster in die Küche. "Ja, aber zumindest den Schnee hätte sie kehren können - er geht mir über die Knie." "Zwei Tage liegt der Arme nun schon, während sie herumtrödelt - Hochwürden Ganslieb hat nur einen Tag gebraucht, letzten Herbst bei Tante Hadwige." "Was erwartest Du von so einer wie der, Du weißt doch, dass ..." verklang das Gespräch, als sich die Gruppe in Richtung Anger bewegte. Vielleicht ein halbes Stundenglas später kehrte die Gruppe wieder zurück, merklich ich sich gekehrter als zuvor. "Trotzdem - den armen Vater der Zwergenhure zu überlassen, das ... " Schluchzen beendete den Satz der offensichtlich noch jungen Frau. "Komm, Schwesterchen, mir gefällt's auch nicht. Die ist eben keine von uns. Aber sie ist halt die Priesterin hier, also können wir nichts dagegen machen." Eine noch jüngere Stimme, männlich dieses Mal. "Wie kann ein so liderliches Weibsbild eine Geweihte sein? Und dann ist sie genauso plötzlich wiedergekommen, wie sie vor zwei Wintern verschwunden ist." Ein freudloses Lachen einer dritten, ebenfalls männlichen Stimme. "Man sagt, sie ist bei den Zwergen untergekrochen und hat die Beine für sie breitgemacht. Aber blöd sind die Bartgrummler nicht, beileibe nicht. Nur manchmal ein bißchen langsam. Und deshalb hat's eben ein bißchen gedauert, bis sie die Metze durchschaut und rausgeworfen haben, so dass wir sie jetzt durchfüttern müssen. Merk Dir, verarsch' nie einen Zwergen und leg' dich mit den Kurzen an ... ." verklangen das Stapfen im Schnee und die Worte der Sprecher. Mangelnder Respekt. Mangelnder Respekt selbst vor einem Diener der Zwölf. Es gab Orte, da wären solch Worte Anlass jemanden auszupeitschen oder Schlimmeres. Nur zu gern wäre Dwarosch nach draußen gegangen und hätte jedem einzelnen der engstirnigen Dorfbewohnern Respekt mit seinen Fäusten eingeprügelt. Doch hätte das was genützt? Marbolieb ganz sicher nicht. Er seufzte. Sie musste sich den Respekt der Menschen verdienen und das würde sicher lange dauern, wenn es denn überhaupt möglich war. Bis dahin war es ein trauriges Dasein, voller Ablehnung, ja sogar Anfeindungen - unwürdig. Stille kehrte ein, während der dicht fallende Schnee die Spuren der Dörfler unter seiner dicken Decke begrub. Vielleicht ein Viertel Wassermaß später kündeten stolpernde Schritte von der Rückkehr der Geweihten, die sich vor der Tür den Schnee von den Stiefeln klopfte. "Dwarosch?" fragte sie in den Raum. „Ich bin hier“, sprach er mit einem Kloß im Hals. „Soll ich das Grab schließen gehen?“ Die Priesterin nickte dankbar. Ihre Augen leuchteten und ein leises Lächeln lag auf ihren ihren vollen Lippen, über die sich momentan aber ein ungesunder Blaustich zog. Dwarosch kannte diesen Gesichtsausdruck an ihr - meist trug sie ihn nach einer Andacht oder einem Götterdienst. Marbolieb streckte eine Hand nach dem Oberst aus. Ihre Fingerspitzen waren kalt wie Eis. "Du Ärmster wirst müde und hungrig sein nach der Reise und Mühe. Lass es uns abschließen." Dwarosch zog seine klammen Sachen wieder an und fluchte innerlich. War er doch ein Narr seinen Rucksack inklusive Wechselsachen seinen Soldaten anzuvertrauen, jetzt hätte er sie gut gebrauchen können. Gemeinsam gingen sie ans Werk. Das Zuschütten des Lochs war im Gegensatz zum Ausheben zum Glück keine sonderlich zehrende Arbeit und ging rasch von der Hand. Die zurück in das Grab beförderte Erde musste noch ein paar Mal durch stapfen verdichtet werden, dies erforderte dabei die meiste Zeit. Als sie fertig waren und Dwarosch die Oberfläche über dem Grab zu einer Fläche geharkt hatte fragte er: „gibt es hier noch etwas zu tun, oder gehen wir wieder rein?“ "Wir sind fertig." Die Stimme der Frau war kaum zu verstehen, und ihre Lippen besaßen nun entschieden einen deutlichen Blauton. Sie ging auf die Knie, um alles Werkzeug einzusammeln und rappelte sich mühsam auf. "Komm." Ein Spaten entglitt ihren durch die Kälte gefühllosen Händen und versank in einem tiefen Schneebett, umständlich gesucht, aber schließlich wieder siegreich geborgen von seiner Besitzerin. Der Schneefall verstärkte sich zur Nacht hin nochmals, und als sie am Tempel ankamen, waren Zwerg und Geweihte von einer fingerdicken Schicht von Ifirns Geschmeide bestäubt. Die Robe der kleinen Geweihten war vollkommen durchnässt und klebte ihr wie eine zweite Haut an den Beinen. Ungeschickt schälte sie sich aus ihrem Überwurf und dem herrlich warmen, pelzbesetzten Mantel, die dafür gesorgt hatten, dass sie zumindest am Oberkörper noch einigermaßen trocken geblieben war. Sie wandte sich mit verzücktem Strahlen dem Feuer zu und streckte ihm ihre Hände entgegen. Noch immer hing ein entrücktes Lächeln in ihren Augen und ließ sie nicht bemerken, wie ihre Zähne vor Kälte klapperten, während sich um ihre Füße eine rasch größer werdende Lache Tauwasser aus ihren durchnässten Kleidern ansammelte.

Es dauerte geraume Zeit, bis sie ihre Sinne wieder soweit gesammelt hatte, dass sie fragte. "Hast Du Hunger?" „Ein wenig.“ Er begann erneut damit sich zu entkleiden. „Vornehmlich aber bin ich müde“, gestand Dwarosch mit müder Stimme. „Der Weg hierher war nicht nur riskant, sondern auch beschwerlich.“ Ohne weitere Umschweife kam er zu dem Grund seines Besuchs. „Radomir lädt uns beide nach Tandosch ein. Er hat Geburtstag, auch wenn das aus seinem Schreiben nicht hervorgeht.“ Er zögerte kurz. „Ich weiß nicht, ob deine Pflichten es dir erlauben mich zu begleiten, aber ich wollte nicht dorthin reisen, ohne dich gefragt zu haben.“ Marbolieb legte den Kopf schief, die Hände weiterhin in Richtung des prasselnden Feuers gestreckt. Sie nickte. Nach einiger Zeit ging ihr auf, dass dies vielleicht nicht genug war. "Gerne. Ich frage die Traviageweihten, ob sie die Grablege übernehmen, wenn jemand stirbt." Sie rieb ihre Hände aneinander, die noch nicht so weit aufgewärmt waren, dass es beginnen würde, zu schmerzen, und zog ungelenk den Topf vom Feuer, auf dem die Grütze, die sie am Morgen gekocht hatte, schon wieder angenehm warm geworden war. "Das Feuer ist schön." Bemerkte sie gedankenverloren, als sie ihr Abendessen aus dem Topf in eine hölzerne Schüssel umfüllte und alles mitsamt einem Holzlöffel in Richtung des Oberst schob, den sie am Tisch vermutete. Eine einfache, mit Wasser gekochte, dicke Getreidegrütze war es, in die für einen besseren Geschmack eine Zwiebel geschnitten war. Die Geweihte trat wieder an die Feuerstelle und streckte erneut die Hände aus, so dass es langsam auf ihre Fingerspitzen zu kribbeln begann. "Ich heize nur morgens einmal ein, um Essen zu kochen." Bemerkte sie zu den tanzenden Flammen. Sie konnte die Wärme noch auf ihren Wangen fühlen. Langsam ließ sogar das Zähneklappern nach. Hatte sie nicht etwas vergessen? Irgendetwas, das sie hätte tun sollen? Aber der Gedanke war so flüchtig, dass die Boroni ihn nicht festhalten konnte. "Wie lange werden wir weg sein?" fragte sie mit steifen Lippen. Der Oberst zögerte, er war sich nicht sicher. „Genau kann ich dir das nicht sagen, ich vermute aber, dass wir Anfang Hesinde wieder hier sind, vorausgesetzt das Wetter lässt es zu. Die Möglichkeit, dass die Zugänge zu unseren Tunneln komplett zuschneien, oder sie durch Lawinen verschüttet werden und man sie somit nicht so einfach freibekommt besteht natürlich. Auf dem Hinweg mussten wir auch graben. Zu neunt, ich habe acht Soldaten die mich begleiten, war dies aber binnen kürzester Zeit zu schaffen.“ Er ging zum Tisch und setzte sich, um zu essen. Es war eine einfache, ungewürzte Getreidegrütze - die seit dem Morgen zog. Mit 'fad' noch zu sehr gelobt und entschieden kein Fest für den Gaumen. Die Geweihte wärmte sich am Feuer ihre gefühllosen Hände. „Gut“, setzte Dwarosch erneut an, als er sich gestärkt hatte. „Ich trockne meine Sachen und gehe ins Dorf. Ich muss meine Soldaten instruieren wegen des Aufbruchs“, 'und mit der Jagdmeisterin des Rabensteiners reden' fügte der Oberst in Gedanken an. Dann hakte er bei einer anderen Sache nach. „Du willst zu ‚dem Drachen‘?", Dwarosch meinte Mutter Ganslind - eine Betitelung, die aus dem Munde eines Zwergen eine ganz spezielle Note besaß. Es war eine rhetorische Frage. Es gab nur diese eine, andere Geweihte in Calmir. Marbolieb nahm die Schüssel und den Löffel von Dwarosch entgegen und begann, sie zusammen mit dem Topf zu spülen. Ihre Finger fühlte sie kaum noch, was ihre Bewegungen ungeschickt machte und das hölzerne Geschirr klappern ließ. Sie goß von dem restlichen Wasser, das noch in den Eimern stand, in die Spülschlüssel und zuckte zusammen, als die eisige Flüssigkeit die Kälte wie Messerstiche durch ihre Hände und Arme trieb. Einen Augenblick lang hielt sie sich mit geschlossenen Augen am Spültisch fest und unterdrückte das Zittern in ihren Gliedern und das Klappern ihrer Zähne. Die Beisetzung hatte, wie immer, zur Abenddämmerung stattgefunden, so dass draußen längst die Nacht hereingebrochen war. Der letzte Rest der tiefen Ruhe, die sie nach der abendlichen Liturgie erfüllt hatte, wich einer knochentiefen Erschöpfung und eisiger Kälte. "Morgen." brachte sie mit blauen Lippen heraus. Dann, nach einigen Augenblicken, fügte sie hinzu. "Nächtigst Du hier oder im Gasthaus?" So müde. So unendlich müde. Seit gestern Morgen hatte sie ohne Pause an dem Begräbnis gearbeitet. Wenn sie sich jetzt hingesetzt hätte, wäre sie nicht mehr hochgekommen, also hielt sie sich weiterhin am Waschtisch fest. "Du darfst Dir den Strohsack aussuchen." brachte sie flüsternd heraus, sammelte ihre Kraft und stolperte zu der Wand, an der sie den ihren aufgebaut hatte, fand ihre Nachtkleidung und zog mit steifen Fingern die an Armen und Beinen klatschnasse Robe aus, die sie acht- und kraftlos auf dem Boden zu einem Haufen fallen ließ. Morgen. Morgen konnte sie diese noch immer aufhängen. Am ganzen Körper eiskalt rollte sie sich zusammen und zog, was sie an Decken hatte, über sich. Einschließlich ihres alten Wintermantels, der ihr hierfür noch exzellente Dienste leistete. „Ich komme zurück“, war alles was Dwarosch noch sagte, mehr brachte er nicht heraus. Er musste sich zwingen, seinen Blick von Marbolieb, die alsbald vor Erschöpfung eingeschlafen war, abzuwenden. Das Elend, welches sich ihm hier zeigte, bekümmerte ihn sehr. Wohl zwei Stundengläser starrte er voller dunkler Gedanken in das immer kleiner werdende Feuer. Trocken waren seine Sachen danach noch nicht vollständig, aber er würde den Weg beschreiten können, ohne sich zu verkühlen.

Draußen wendete sich der Zwerg in Richtung Dorfplatz. Das wenige, fahle Mondlicht, welches durch die Wolkendecke drang reichte dem an die Dunkelheit gewohnten Zwergen. Die weiße Decke, die ihn allgegenwärtig umgab, nahm das Madas Schein auf und tauchte die Landschaft in ihr ganz besonderes Licht. Dwarosch aber hatte keine Augen für die sich ihm darbietende Schönheit, er hatte anderes im Sinn. Im Gasthof angekommen instruierte er seine Soldaten, die für sich an einem Tisch saßen. Dass es außergewöhnlich ruhig war im Schankraum nahm der Oberst zwar wahr, aber er hielt es für normal. Immerhin waren Fremde - acht bewaffnete Angroschim - unter den einfachen Dorfbewohnern. Dwarosch ließ sich seine Sachen geben und erstand dann noch ein größeres Proviantpaket beim Wirt, welches dieser eilig zusammenpackte. Der Oberst hatte deutlich mehr Hunger, als er Marbolieb zuvor hatte eingestehen wollen. Er wusste, dass sie nichts anderes hatte, was sie hätte teilen können. Danach schulterte er seinen Rucksack mitsamt der am ihm befestigten Dinge, grüßte seine Männer zum Abschied und verließ den Gasthof wieder. Bereits auf dem Weg zur Jagdmeisterin, deren Haus etwas abseits der anderen Gebäude stand aß er ein Stück Käse und auch einen Kanten Brot. Dwarosch kannte die Untergebene des Rabensteiners seit seinem ersten Besuch in Calmir. Damals hatte er mit ihr einen Handel geschlossen, den er nun erneuerte. Aldaia Deringer, die Jagdmeisterin des Barons von Rabenstein, war etwas erbost über die späte Stunde, da der Oberst sie aus dem Bett holte, aber blitzendes Silber und blinkendes Gold überzeugten sie schnell, dass eine erneute Abmachung in beiderlei Interesse sei. Die Jagdmeisterin bekam bare Münze und Marbolieb einen ausreichenden Teil der Beute der Jägerin in diesem Winter. Nur bei seinem Ansinnen, Marbolieb Brennholz zu verschaffen, biss der Oberst bei der Jägerin auf Holz. "Bei Firun - ich bin Jagdmeisterin, keine Holzfällerin, Herr Oberst. Die Geweihte bekommt genug Holz, das reicht." Das funkelnde Gold sorgte dafür, dass die Frau ihren Stolz so weit schluckte, um nicht weiter darauf einzugehen, dass sie als Jagdmeisterin weder eine gemeine Jägerin noch eine Holzfällersfrau war - aber Holz hacken würde sie auf gar keinen Fall. Als der Handel abgeschlossen war, ging Dwarosch nicht erleichtert, aber zumindest etwas zuversichtlicher zurück zum Tempel. Marbolieb schlief immer noch tief und fest, als er ihr eine von seinen Reisedecken überlegte, sich Wechselsachen anzog und sich zu ihr legte. Die Finger und Füße der kleinen Geweihten waren noch immer kühl. Sie hatte sich so eng zusammengerollt, dass nicht einmal mehr ihr Kopf über die Decke herausragte. Sie rührte sich nicht, als der Zwerg sich ebenfalls zur wohlverdienten Ruhe legte. Tiefe Ruhe lag über dem kleinen Raum, und während draußen der unablässige Schneefall eine neue, gnädige Decke über das frische Grab des Schusters Tamalos breitete, verglommen drinnen die letzten Reste des Feuers zuerst zu rotglühenden Kohlen und dann zu grauer Asche. Danach war es nur noch eine Sache einiger Stunden, bis sich die erste, feine Schicht aus knisterndem Eis auf der Oberfläche des letzten Wassers im Eimer bildete, Strahlen und Speerspitzen zeichnend aus feinstem, weißen Kristall, die schließlich das erste fahle Licht des Morgens einfingen in einem blitzenden, makellosen Flechtwerk.

Als der Oberst erwachte, hatte sich die Kälte längst seiner Glieder bemächtigt. Unwillig grunzte er einen Fluch. Die Verhältnisse im schmucklosen Sakralbau des Herrn Boron erinnerten Dwarosch an Winterlager, die er als Söldner in Weiden, Greifenfurt und dem Bornland erlebt hatte. Langsam und schwerfällig stemmte er sich hoch. Seine Gelenkte kackten protestierend, was ihm einen erneuten, leisen Fluch entlockte, den er nur schwer hätte unterdrücken können. Die Kälte sorgte gleichzeitig aber auch dafür, dass der Zwerg sich der Müdigkeit schnell entledigen konnte, indes war dies etwas auf das er gern verzichtet hätte. Leise ging Dwarosch zu dem Stuhl, über den er seinen Mantel gelegt hatte und streifte ihn sich über. Danach setzte er sich und schlüpfte in die dicken Schnürstiefel. Etwas besser. Träge räkelte sich nun auch Marbolieb unter ihren Decken. Dwaroschs Tun störte die sonst so borongefällige Stille im Tempel. Nachdem der Oberst seine Pfeife im Mundwinkel und er sie mit demselben Kienspan entzündet hatte, mit dem er das Feuer unter dem letzten bisschen Holz entfachte, dass er in Marboliebs Kammer noch fand, machte sich Dwarosch an seinem Rucksack zu schaffen und stellte Käse, Brot und Wurst auf den Tisch. Sie würden kräftig frühstücken, bevor sie aufbrachen. Die Borongeweihte schlug die Augen auf, lauschte in die Dunkelheit und schnupperte. Die junge Frau streckte eine Hand unter der Decke hervor in die Kälte, die doch nicht ganz so kalt war (knisterte hier Feuer?) und suchte nach der Robe, die sie gestern einfach zu Boden hatte fallen lassen. Sie war noch immer nass und dazu steifgefroren. Sie hätte sie aufhängen sollen. Aber dazu war sie schlichtweg zu erschöpft gewesen, eine Nachlässigkeit, die sie jetzt mit feuchten Kleidern zahlte. Alles hatte seinen Preis. Sie schnupperte erneut - es duftete entschieden nach Essen, das keine Grütze war. Und nach Pfeifenrauch. "Dwarosch?" fragte sie, unsicher, ob sie nicht doch ein Traum genarrt hatte. „Ich bin hier, Räblein“, antwortete Dwarosch im nachdenklichen Ton. Seine Stimme kam aus Richtung des Tisches. „Komm, ich habe etwas Kräftiges zu Essen vorbereitet. Der Tag wird lang werden und mit leerem Magen lasse ich dich nicht zu dem Drachen.“ "Oh." bemerkte die Geweihte mit einem andächtigen Unterton. Sie tauschte ihr Nachthemd mit der tolerabel nassen Robe - sie klebte noch immer an Armen und Beinen, aber das würde sich geben - und tastete nach den Wassereimern. Viel mehr als ein Becher voll war nicht mehr darin, gerade genug, um sich noch flüchtig zu waschen. Beim Wasserholen am Brunnen würde sie sowieso wieder nass werden. Vorfreudig trat sie an den Tisch und schnupperte. "Das riecht lecker. Hab' vielen Dank. Danach nehme ich es mit jedem Drachen auf, Dwarosch." Glücklich strahlte sie ihn an. Ihr Magen knurrte vernehmlich und machte ihr bewusst, wieviel Hunger sie wirklich hatte. Stumm aßen sie. Die Wurst war rauchig und fett, der Käse wohl schon etwas älter, aber schmackhaft und allemal besser als die Grütze vom Vorabend. Das Brot war recht frisch, war wohl erst gestern gebacken worden. „Woher beziehst du das Holz, um zu heizen?“, fragte Dwarosch schließlich, als er sein Mahl beendet hatte und sich dem Tee zuwandte, den er ihnen gekocht hatte. "Die Schultheißin schickt einen Holzfäller, der mir welches liefert. Das hat der Baron befohlen." Sie trank einen Schluck des heißen Tees und wärmte sich zufrieden ihre Finger an dem tönernen Becher. "Jeder Dörfler hat außerdem das Recht, für sich Bruchholz aus den Wäldern zu holen. Zum Anfeuern." Sie schnupperte an dem Tee und berührte mit ihrer Wange den warmen Becher. So ließ sich ein Morgen gut beginnen! "Aber ich habe mich diesen Herbst nicht allein in den Wald gewagt." bekannte sie schließlich mit leiser Stimme. "Ich habe draußen noch Holz." Sie musste es nur noch spalten. Glücklicherweise hatte der Oberst die tiefe Schmarre an ihrem linken Bein, die inzwischen aber schon wieder gut heilte, nicht gesehen, die sie sich mit dem Beil gehauen hatten, als sie letzte Woche danebengetroffen hatte. Er hätte sich sonst nur aufgeregt - oder besorgt. Vermutlich beides. „Gut“, beschied der Oberst zwischen zwei Schlücken Tee. „Wenn es abgelagert ist, werde ich es nach unserer Reise spalten, so dass du ausreichend Holz hast für diesen Winter. Bei Frost geht dies ohnehin leichter von der Hand. Für die Zukunft werden wir es so handhaben, dass ich im Sommer, wenn ich dich mit Mirla besuchen komme, Holz aus dem Wald heranschaffe. Wir werden den Großteil des Weges nach Calmir dann ohnehin über die Via Ferra mit einem Pony beschreiten. Mit einem zweiten, einem Gespann also können wir kleine, umgefallene Bäume aus dem Unterholz ziehen, wenn sie von Ästen befreit sind.“ Dwarosch erhob sich und machte sich daran die Decken auszuwickeln und für die Reise zu verstauen. Danach prüfte er die diversen Verschlüsse des Rucksacks sorgfältig und auch den Sitz des Felsspalters, der daran befestigt war. Maroblieb lächelte. "Dwarosch, es geht um Reisig und dünne Äste. Stämme gehören ins Holzregal des Barons. Das wäre Holzdiebstahl." Sie schwieg einen Augenblick und trank den letzten Schluck des lauwarm gewordenen Tees. "Vielen Dank für Deine Hilfe gestern." Für den Zwergen war das Thema Holz an dieser Stelle aber noch nicht beendet. Er hakte nach: „Das heißt du bist darauf angewiesen, dass der Schultheiß dir ausreichend Holz zugesteht? Oder bekommst du Tempelzehnt von deiner Kirche zugewiesen beziehungsweise führst nicht alles nach Punin ab, um dein Haus ausreichend unterhalten zu können, dafür ist diese Steuer ja da? Mit Reisig und Ästen mag man ein Feuer entfachen können, deine Kammer oder gar den Tempel wirst du damit aber nur schwer ausreichend heizen können.“ Letzteres war mehr eine Feststellung denn eine Frage. "Das Holz bekomme ich von der Schlutheißin zugeteilt. Aber ohne das Reisig kann ich nichts anfeuern. Es reicht." Wenn sie sparsam war und höchstens einmal am Tag anfeuerte. Sie schwieg einige Augenblicke. "Die Dörfler liefern ihren Zehnt an den Traviatempel. Ich bekomme dafür Holz und Essen." Die Feinheiten der Tempelzehntverrechnung waren eine eigene Wissenschaft, die zu verstehen wohl ein Leben in der Schatzkammer eines großen Tempels erfordern würde. Ein unwilliges Schnaufen von Seiten des Oberst folgte auf diese Antwort. Der Zwerg schüttelte ungläubig den Kopf. Dwarosch konnte nicht fassen, dass Marbolieb derart dem Wohlwollen der Traviageweihten ausgesetzt war, wo diese doch nachdrücklich bewiesen hatten, dass sie es nicht gut mit ihr meinten. „Wenn du keinerlei bare Münze aus dem Zehn bekommst“, fragte er daher, „woher nimmst du dann die Mittel notwendige Reparaturen am Tempel zu beauftragen, wie zum Beispiel Ausbesserungen am Dach?“ Marbolieb hob die Schultern. Das knappe Jahr, das sie den Tempel bereits betreute, hatte noch keine Notwendigkeit zur Reparatur gesehen. "Was sollte ich mit einem Dutzend lebender Hühner, einem Rechtschritt Tuch, einer Ziege oder zehn Dutzend Holzschindeln?" wandte sie ein. So gut wie niemand entrichtete den Zehnt in barer Münze - soviel Geld gab es im Dorf nicht. Dwarosch kapitulierte mit einem Seufzer, zumindest fürs erste. Marbolieb kannte dieses Geräusch genau und wusste es entsprechend zu deuten. Der Oberst erkannte an, dass sie auf gewisse Weise recht hatte, auch wenn dies ihr Problem nicht löste. Handwerker würden sich wahrscheinlich kaum in Naturalien bezahlen lassen. Die Schultheißin würde derlei Leistungen kaum einfach befehlen, auch wenn sie dies bei ansässigen Handwerkern zweifelsfrei vermochte. Dwarosch wollte dennoch nicht recht daran glauben, denn für ihre Tempel und deren Unterhalt waren die Kirchen der Zwölf seines Wissens nach selbst verantwortlich. Der Zehnt diente ja nicht zuletzt diesem Zweck.

Die Geweihte begann, das benutzte Geschirr zusammenzutragen. Viel war es nicht - was aber auch das Spülen in Grenzen hielt. "Wenn Du nach Hause reist - könntest Du etwas für Mirla mitnehmen? Ich habe zwei Bücher und Schreibzeug für sie." Selbst konnte sie damit nichts mehr anfangen - aber wenn ihre Tochter irgendwann das Schreiben erlernen würde, mochte es sich als nützlich erweisen. Und sie hätte eine Erinnerung an ihre Mutter. Der Oberst nickte nur zur Antwort und hielt dabei nicht bei seiner Arbeit inne. Für ihn war dies eine rhetorische Frage gewesen, denn auch wenn Mirlaxa nun bei ihm in Senalosch aufwuchs, so war sie Marboliebs Kind. Niemals hätte Dwarosch ihr deswegen einen derartigen Wunsch ausschlagen können.

Es dauerte noch fast zwei Stundengläser, bis die Borongeweihte alle Besorgungen erledigt, sowie ihre Tasche gepackt hatte und abmarschbereit war. Dwarosch begleitete Marbolieb ins Dorf, um seine Männer im Gasthof einzusammeln. Wenig später traf auch Marbolieb dort ein und dann war es endlich soweit- man konnte aufbrechen.

Verdeckte Planungen

Tandosch, im Boron

Der tandoscher Baron saß mit seiner ältesten Tochter in der Berghalle der Feste und sie genossen bei einem Glas Wein die wohlige Wärme des Kamins. „Unser Kaplan hat bald Tsatag. Du weißt, dass er diesen Tag nicht sonderlich schätzt und kein Fest veranstalten wird. Wenn du also das nächste Mal im Tempel bist sprich mit Assara ob sie irgendwelche Pläne haben. Falls nicht soll sie den Tagesplan anpassen damit wir mit ihr und Rado hier ein kleines Mahl einnehmen können.“

Zwei Tage später ergab sich die Gelegenheit. Fiona hatte die Hilfe Radomirs in Anspruch genommen, die Dämonen in ihrem Kopf zu bändigen. Dabei hatte sie Blut vergossen und verloren, dann hatte sie im Heiligtum in stiller Andacht Blut geopfert. Nachdem sie sich erhoben hatte, reichte Assara ihr einen Verband, mit dem sie nachlässig die Wunde am Oberarm versorgte, die ihr Radomirs Korspieß zugefügt hatte. Dabei sah sie sich um, um sicherzustellen dass sie mit Assara alleine war. „Der Hauptmann hat bald Tsatag. Habt ihr etwas geplant oder wollt ihr am Abend zum Essen hoch in die Feste kommen?“

"Der alte Panther hat Oberst Dwarosch eingeladen. Mit der Borongeweihten Marbolieb zusammen. Ich denke die Gruppe wird auf dem Weg sein", antwortete Assara. "Er will seinen Tsatag feiern?", fragte Fiona und schaute ungläubig zu der jungen Frau. Ein feines Lächeln umspielte die schmalen Lippen der kurzhaarigen Frau. "Er hat in seinem Brief nicht erwähnt, dass er Tsatag hat." "Das sieht ihm ähnlich." "Ja. Dafür stand das in meinem Brief an Oberst Dwarosch. Wir werden hier also ein Essen geben. Vielleicht kann Euer Koch ja hier in der Küche mithelfen. Und wir einen gemütlichen Abend verleben." Jetzt lächelte auch Fiona. Ein seltener Anblick. "Ich werde mit Vater sprechen. Er wird wohl kaum etwas dagegen haben." Dann gingen die Frauen nach draußen.  

Zwischenspiel- Die Wege der Angroschim

Der Weg, den die kleine Gruppe von dem Tag der Abreise in Calmir an beschritt, war ein Mysterium für die Menschenfrau inmitten der Zwerge. Jahrtausende bewohnte die von ihrem Allvater Angrosch erschaffene Rasse die Gebirge des Kontinents, wobei der Isenhag ihr ursprüngliches Siedlungsgebiet war. Hier lag die Wiege ihrer Existenz und mit Xorlosch die älteste noch bewohnte Stadt Aventuriens. Unzählige Meilen an Tunneln und Stollen hatten sie durch das Gestein dieser ihrer Berge getrieben, um Minen, Bingen, Städte, Reiche und sogar ganze Gebirgszüge miteinander zu verbinden. Dabei waren längst nicht mehr alle dieser Wege intakt oder gar kartographiert, einige eingestürzt oder von diesem Schicksal bedroht, andere, tiefere voller Wasser gelaufen. Eine beträchtliche Anzahl an Tagen wanderten sie durch die Stollen und Tunnel, folgten dem von den Angroschim auserkorenen Weg durch die verstörend stille Finsternis. Es ging aufwärts, abwärts, über Rampen und Treppen. Unzählige Male wechselten sie die Himmelsrichtung, wateten sogar manchmal durch Gänge, in denen teilweise Wasser stand. Für Marbolieb war dabei die Dunkelheit aufgrund ihrer Blindheit nichts Ungewöhnliches, aber auch für die Zwerge verlor die Abfolge von Tag und Nacht die Bedeutung. Auf eine Phase des Wanderns folgte stets eine Rast. Nach zwei Phasen des Wanderns folgte eine Schlafpause. Wie viele Stunden dieser wiederkehrende Zyklus umfing wusste die Menschenfrau nicht, sie konnte es nicht einschätzen. Die größtenteils niedrige Deckenhöhe der Tunnel, die für einen großgewachsenen Menschen ein Martyrium darstellten, war für Marbolieb dagegen kein Problem, denn sie war klein, kaum größer als der Oberst selbst, der für einen Angroscho besonders groß gewachsen war. Irgendwann aber, Marbolieb hätte es kaum noch für möglich gehalten, dass sie jemals wieder frische Luft atmen und die Wärme der Sonne auf ihrer Haut spüren würde, führte sie ihr Weg eine geraume Zeit aufwärts, so lange, dass sie unterwegs einen Halt einlegen mussten, um ihren schmerzenden Oberschenkeln und den pochenden Waden eine Pause zu gönnen. Für den Hinweg sollte dies die letzte Rast unter Tage gewesen sein.

Es war der 18. Boron, als die neun Angroschim und die Priesterin des Boron bei strahlendem Praiosrund im Efferd der Ingrakuppen, auf dem Gebiet der Vogtei Brüllenbösen die Tunnel der Zwerge endlich verließen. Ihre Reise würde Marbolieb niemals vergessen, denn es war eine Erfahrung, die sie dem Verständnis der Zwerge näherbrachte. Außerdem kannte sie nun eines ihrer größten Geheimnisse - die Unterquerung des Großen Flusses. Das Bergkönigreich Xorlosch, welches weiter im Raia lag, hatten sie nur gestreift. Dwarosch hatte penibel darauf achtgegeben, dass sie keinen der äußeren Verteidigungsringe verletzten. Die Tunneljäger hätten die Anwesenheit eines Menschen sicher nicht einfach durchgehen lassen. Nun aber stand ihnen der Weg nach Tandosch offen. Der dichte Nadelwald am Fuße der Ingrakuppen würde sie noch etwas mehr als zwei Tage umfangen. Auf ihrem Weg durch das von weiß bedecktem Grün würden sie die Grenze von Brüllenbösen zur Baronie Tandosch überqueren und am Ende des Waldes lag ihr Ziel, die größte Siedlung der Baronie - die gleichnamige Stadt, Tandosch.

Ankunft der Gäste

Stadt Tandosch, Baronie Tandosch, zur Mitte des Boronmondes 1043 BF

Er erwachte von dem Geruch heißen Kaffees und der leisen Stimme Assaras. Wie immer stand zur fünften Stunde des neuen Tages das Tablett aus der Küche auf dem Tisch im Arbeitszimmer und seine Adjutantin erwartete ihn. Er sortierte kurz seine Gedanken und stemmte sich schwerfällig aus dem Bett. In der kalten Zeit spürte er die zahlreichen alten Narben und verheilten Brüche, und es knackte und knirschte wie ein morscher Baum im Wind, wenn er sich erhob. "Kor, so viele Götterläufe waren von meiner Seite aus nicht geplant.", dachte er bei sich. Laut sagte er "Guten Morgen, Leutnant." "Guten Morgen, Vater" antwortete die kurzhaarige Frau. "Das Frühstück steht bereit. Die Tagesbefehle sind vorbereitet und die Männer sind geweckt." "Sehr gut." Er wusch sich und kleidete sich an, während Assara den Ofen kräftig anheizte um die Kälte aus dem Raum zu treiben. Dann setzten sie sich wie jeden Morgen zum gemeinsamen Frühstück. Es war der einzige Luxus, den sie sich gönnten und eines von zwei malen am Tag, wo sie auch als Vater und Tochter miteinander sprachen. Den Rest der Zeit waren sie Hauptmann und Leutnant der Tandoscher Dukatengarde. Das Frühstück bestand aus Wurst, Käse, Marmelade und frischem Schwarzbierbrot. Radomir setzte sich zu Assara, die inzwischen Kaffee eingeschenkt hatte und nahm dankbar seinen Becher. Er fühlte die Wärme und roch an dem aufsteigenden Dampf. Seit Baron Irian auf den Spielen in Punin, nicht zuletzt durch Vermittlung von Sayalana und vor allem Hector de Valoise, den beiden Phexlegaten aus dem zwölfgöttlichen Konzil zu Perainefurten, an Land und Handelsbeziehungen in Uthuria gekommen war, war dieses schwarze Getränk mit seiner belebenden Wirkung in Tandosch angekommen und erfreute sich bei den Dienern Kors gerade am Morgen einer steigenden Beliebtheit. Der alte Piratenbaron hatte schmunzelnd einen Sack der schwarzen Bohnen im Monat mit zum Tempelzehnt gegeben, nachdem er Radomir damit quasi bekannt gemacht hatte. Auch Assara genoss es. "Vater, die Räume für den Oberst und seine Begleiter sind fertig, seine Eskorte bekommt einen eigenen Raum in der Kaserne und Dwarosch mit Marbolieb das Gästezimmer hier im Haus. Für heute steht Kampftrainig auf dem Plan, Morgen ist dann Vorbereitung auf das große Essen und Du hast noch eine Kampfstunde mit der Tochter des Barons." "Sehr gut.", antwortete Radomir. Dann leiser: "Die Geister der Vergangenheit halten sie immer noch gefangen. Sie steht Kor näher als sie denkt. Nur im Kampf findet sie Ruhe und in den Stunden danach." antwortete der Geweihte nachdenklich. Oft hatte er meditiert und den Blutigen gefragt was er tun könne um Fiona aus dem Dunkel in etwas mehr Licht zu holen. Die Antwort war immer die Gleiche. KÄMPFEN! Er seufzte. "Und was das große Essen angeht……" "Vater. Es ist Dein Tsatag. So sehr Du auch willst, es lässt sich nicht verdrängen. Und deswegen das Essen. Es sind fast 43 Götterläufe. Nimm es doch an, anstatt zu hardern." "Zu viele. Bin ich ihm ein schlechter Diener? Warum bin ich noch hier, und noch nicht bei Deiner Mutter auf dem ewigen Schlachtfeld? Ich bin einer der ältesten Geweihten Kors. Ob das ein verdienst ist… ich weiß es nicht. Mein Kind, ich zweifle an mir." Er trank einen schluck von dem heissen Kaffee und verbrannte sich fast die Zunge. Assara lächelte. "Vater, Du zweifelst immer an Dir und Deinem Dienst an IHM wenn Dein Tsatag kommt. Aber er hat noch einen Plan mit Dir. Oder hätte ER Dich sonst nach der Weihe des Tempels auf Dere gelassen? Vertraue auf IHN. Du wirst sehen, alles fügt sich. Und auch wenn Du die Götterläufe in den Knochen fühlst, Du bist immer noch einer der besten Kämpfer die ich kenne. SEINE Kraft ist in Dir. Und wenn SEIN Plan sein Ende erreicht, erst dann wirst Du auf das ewige Schlachtfeld gehen und Mutter treffen. Und eines Tages werde ich Euch folgen, dann sind wir vereint. " Radomir lächelte. "Du hast recht, Assa. Aber gegen diese Gedanken kann ich nicht viel tun. Sie kommen von allein. Ich bin dankbar das ich sehen durfte, wie Du zu dem geworden bist was Du heute bist. Du wirst eine hervorragende Geweihte und Kommandantin abgeben, Tochter.", sagte der Geweihte und erlaubte sich etwas stolz. Er musste langsam beginnen sich über ihre Weihe gedanken zu machen. Die Zeit war gekommen. Und vielleicht war damit dann sein Weg beendet. Das wusste nur Kor. "Du hast mich zu der gemacht die ich bin. Du und Mutter. Und dafür bin ich dankbar." sagte Assara. Vor Radomirs innerem Auge zog kurz das Bild vorbei, wie das kleine Mädchen abschied von ihrer Mutter nahm, nachdem sie gefallen war. Ohne Tränen, aufrecht am Scheiterhaufen auf dem der Körper lag stehend, und Kor mit ihrer kindlichen Stimme darum bittend ihre Mutter willkommen zu heißen. 16 Götterläufe war das her, und die Asche stand im Mausoleum hinter dem Haupthaus auf dem Boronsanger. Er erhob sich, stopfte seine Pfeife und holte seinen Wintermantel. Ein schwerer roter Wollumhang mit Silberfuchs am Kragen. Assara nahm ebenfalls ihren schwarzen Umhang auf und gemeinsam traten sie auf den Balkon vor dem Arbeitszimmer, der in den Hof führte. Von Fackeln erhellt war im Hof reges treiben zu erkennen. Die Söldner huschten hin und her, zum Abort oder zur Wasserstelle um sich zu waschen. Wer von ihnen zum Balkon aufsah grüßte kurz, was Radomir mit einem Nicken beantwortete. Außerhalb des Dienstes pflegte der Geweihte einen zwanglosen Umgang mit seinen Söldnern. Er wusste das er sich im Kampf auf sie verlassen konnte. "Wähle drei aus, die den Weg Richtung Brüllbösen gehen sollen. Ich vermute Dwarosch wird dort auftauchen und ich möchte das er ein kleines Empfangskomitee bekommt. Sie sollen ein Pferd mitnehmen, damit einer von Ihnen vorreiten und sie anmelden kann. Und heut Nachmittag muss ich zu Irian. Einiges ist zu besprechen." "Aye Vater." "Und nun lass uns noch einen Kaffee trinken. Dann beginnen wir unser Tagwerk."

~*~

Zwei Tage nach besagtem Gespräch zwischen Vater und Tochter, kam der Bote zurück und meldet die Ankunft des Oberst, der Geweihten und acht Mann Begleitung. Die Zwerge samt ihrer menschlichen Begleiterin waren am Rand der Wälder der Baronie aufgetaucht, ungefähr dort, wo Radomir sie vermutet hatte. Sie kamen aus Richtung Brüllenbösen. "Kleine Begrüßung. Es ist ja kein offizieller, sondern ein privater Besuch“, wies der Korgeweihte an. "Jawohl, Hauptmann!" , antwortete Assara. Sie sah ihm an, dass er sich freute.

~*~

Einen halben Tag später traf die Gruppe in Tandosch ein. Es war der Abend des 20. Boron. Sie waren erschöpft, müde und durchgefroren, gleichzeitig, aber glücklich ihr Ziel endlich erreicht zu haben und dies mehr oder minder unbeschadet. Ein Rudel Wölfe hatte sie durch den dichten Nadelwald begleitet, doch die Tiere hatten stets gebührend Sicherheitsabstand gewahrt und waren niemals so leichtsinnig gewesen sich Zwergen und Menschenfrau zu nähern. Der einzige wirkliche Zwischenfall aber war ein schneebedeckter Hang mitten im undurchdringlichen Wald von Brüllenbösen gewesen, auf dem einer der Gebirgsjäger ausrutschte und ungewollt einige Dutzend Schritt hinabrodelte. Die rasante Rutschpartie war erst von einer alten Fichte abrupt beendet worden, was dem Zwergen die Prellung einiger Rippen und einen verstauchten Arm eingebracht hatte. Die Borongeweihte war vergleichsweise glimpflich davongekommen - mit einem Mund voller Schnee, als sie einmal ausglitt und in einem mehr als zwei Schritt tiefen lockeren Schneehaufen landete. Nasser als zuvor, aber unbeschadet, hatte sie sich wieder ausgegraben. Um so mehr freute sie sich darauf, ihre schmerzenden, klammen Finger an einem Feuer wärmen und die feuchte Robe gegen eine trockene austauschen zu können. Und vermutlich würde sogar noch ein leckeres Abendessen auf die Reisenden warten - ein perfekter Anschluss für diesen übel anstrengenden Tag. Im Bart des Oberst erkannte man dank des glitzernden Schnees und der Eiskristalle, die sich darin gebildet hatten, mehr Weiß als das übliche graumelierte Schwarz. Bei seinen Soldaten war es ähnlich, alle glichen sie kleinen, wandelnden Schneemännern. Die Straße nach Tandosch war augenscheinlich von einem Großteil des Schnees befreit worden. Der Weg zum Tempel war definitiv geräumt worden und der Schnee lag in hohen Bergen an der Seite gestapelt. Beide Tore standen offen und der Weg in den Hof war frei. Lediglich Radomir und Assara standen, von zwei seiner Söldner und einem Bediensteten mit einem Tablett mit dampfenden irdenen Krügen flankiert, am Tor. Dem Geweihten war die Freude über den Besuch anzusehen. "Seid willkommen, meine Freunde. Ich kann gar nicht sagen wie sehr ich mich freue, dass ihr den beschwerlichen Weg auf Euch genommen habt", sagte er und breitete die Arme aus. Flankiert von seinen Soldaten schritt der Oberst, Marbolieb am Arm führend, auf den Korgeweihten zu. Der Angroscho strahlte, auch er war hoch erfreut Radomir wiederzusehen. Kurz bevor das Gespann aus Zwerg und Menschin den wartenden Kleriker erreichten, hielt Dwarosch inne, löste sich von der Boroni und überwand den letzten Schritt nun ebenfalls mit ausgebreiteten Armen. Die folgende Szene mochte auf den zufälligen Beobachter schon etwas komisch anmuten, denn der Oberst reichte dem großgewachsenen Geweihten lediglich bis zur Brust. Diejenigen aber, die um die Freundschaft Radomirs und Dwaroschs wussten, erkannten darin einen Moment, den beide genossen und in dem es daher auch keinen Platz für Etikette gab. Die Umarmung war herzlich. Hier begegneten sich zwei Vertreter zweier Rassen die sich als Brüder betrachteten. „Ich danke dir Radomir“, wählte Dwarosch einen vertrauten Tonfall. „Hoch erfreut habe ich deine Einladung vernommen und ich gebe zu kurz gezögert zu haben in Angesicht der Jahreszeit und firuns Grimm.“ Der Oberst grinste spitzbübisch bevor er fortfuhr. „Doch unsere Freundschaft kann selbst der Schnee auf den Bergen nicht aufwiegen und wie du weißt, kennt mein Volk Wege, die euch nicht zugänglich sind. Du siehst mich also mit Stolz im Herzen vor dir stehen dein Gast sein zu dürfen.“ "Und Du mich… uns…., entschuldigt Leutnant, voller Freude, daß Du verrückt genug warst im tiefen Winter diese Reise auf Dich zu nehmen um ein wenig Zeit hier zu verbringen. Und trotz der unbilden des Herren Firun auch ihro Gnaden Marbolieb mitgebracht hast." Er schlug dem Zwerg kräftig auf den Rücken, und Schnee wirbelte aus dem Mantel des Zwergen auf. Die Boroni war, abgestellt wie ein Möbelstück, stehen geblieben und hatte sich dichter in ihren Wintermantel gehüllt, ein wunderschönes Stück aus braunem Leder mit einem dichten Fellkragen, über das sie einen dicken, dunklen Lodenüberwurf trug. Sie vergrub ihre Hände unter dem dicken Stoff und lauschte den beiden Männern mit leicht schräg gelegtem Kopf, doch ohne eine weitere Regung.

Nachdem sich die beiden Männer gebührend begrüßt und schließlich wieder voneinander gelöst hatten, trat der Oberst einen Schritt auf die Seite, streckte die Hand aus und ergriff die Hand Marboliebs. Sachte zog er die Erblindete in Richtung des Korgeweihten, so dass sie ihrerseits die Gelegenheit erhielt ihren Gastgeber zu begrüßen. Radomir nahm die kleine kalte Hand der Geweihte in seine beiden Pranken und drückte sie sanft. "Seid mir genauso willkommen wie Dwarosch, Marbolieb. Ich freue mich wirklich, dass Ihr den beschwerlichen Weg auf Euch genommen habt." "Ich habe Euch für die unverhoffte Einladung zu danken, Hochwürden Radomir." entgegnete die Boroni mit einem freudigen Lächeln auf ihren schön geschwungenen Lippen. Warm war die Hand des Korgeweihten, überaus angenehm nach dem langen Tag in Eis und Schnee, der trotz ihrer guten Kleidung längst seine Herrschaft über sie ausübte und als klammes Schmelzwasser in ihre Ärmel und Stiefel kroch. "Ich bin froh, hier zu sein." „So seid noch einmal Willkommen in unserem Haus, nätürlich auch im Namen des Barons und seiner Kinder. Sie werden uns morgen beim Essen Gesellschaft leisten.“ Während er die Geweihte begrüßte streckte Assara ihre Hand Dwarosch entgegen, mit einem warmen Lächeln in den Augen und auf den Lippen. Die muskulöse Pranke des Zwergen ergriff sogleich die ihm dargeboten Hand der Frau. Während er sie zur Begrüßung kräftig schüttelte, zwinkerte Dwarosch Assara verschwörerisch zu. Die Soldatin erkannte aber auch einen Ausdruck von Dankbarkeit auf den Zügen des Angroschos. Sie wusste warum, war sie es doch gewesen, die dem Oberst den eigentlichen Grund für die Einladung offenbart hatte.

"Nehmt erst einmal einen heißen Begrüßungsschluck im Namen Travias, Maruk und Jaqal nehmen Deine Gebirgsjäger mit. Seid auch Ihr herzlich willkommen im Tempel und fühlt Euch als gern gesehene Gäste. Auf Euch wartet Heisser Met im Speisesaal. Auch meine Söldner freuen sich auf Gesellschaft.“ , sagte Radomir laut an die Geuppe Angroschim gewandt. Dann wieder an den Oberst: „Für Deine Angroschim ist ein Schlafraum und später das Essen mit meinen Jungs gerichtet. Wir werden oben speisen. Und um Euch aufzuwärmen steht im Keller ein heisser Zuber bereit. Damit ihr vom Schneemann wieder zu Euch selbst werdet. Auch für Euch…", er richtete das Wort wieder an die Eskorte des Oberst, " steht neben der Waffenkammer ein grosser heisser Zuber bereit. Noch einmal, seid uns herzlich willkommen und fühlt Euch als Freunde.“ Dwarosch ließ sie nicht lange bitten und griff beherzt zu. Einen Becher reichte er dabei behutsam, um ja nichts zu verschütten, an Marbolieb weiter. Auch die Soldaten fackelten ihrerseits nicht lang, so eine Begrüßung wurde ihnen schließlich nicht oft zuteil. Gemeinsam erhob man die Krüge und genoss den warmen Met, welcher eine wahre Wohltat war nach der langen Zeit in der Eiseskälte. Nachdem die Becher geleert waren richtete Dwarosch das Wort erneut an Radomir. „Ich danke dir für die Gastfreundschaft auch im Namen meiner Männer. Sie wissen die Gelegenheit eines heißen Bades ebenso zu schätzen wie ich. Ich möchte dich aber bitten nach einem Medicus zu schicken. Einer meiner Soldaten“, er nickte in Richtung eines der Männer, „hat geprellte Rippen und auch sein Arm schmerzt seit einem Sturz unterwegs. Ich möchte ihn in guten Händen wissen, bevor ich mich den Annehmlichkeiten zuwende.“ "Selbstverständlich. Jaqal, lauf in die Stadt und hol den Heiler. Er soll sich sputen. Und sorg dafür das er alles bekommt was er braucht. Was wir nicht in der Kaserne haben wird besorgt." "Jawohl, Hauptmann!", antwortete der Angesprochene und beeilte sich, mit flinken Füssen richtung Tandosch zu kommen. Was ihm nur so halb gelang, da er eine vereiste Stelle übersah und mit einem halben Salto rückwärts auf dem Hosenboden landete. Radomir begann schallend zu lachen. Angesichts der Aussicht auf ein heißes Bad hatte sich ein erwartungsvolles Strahlen über die Züge der Boroni ausgebreitet. Mit einem verträumten Gesichtsausdruck hing sie ihren Gedanken nach, die jäh durch das laute Klatschen eines auftreffenden Körpers und das donnernde Lachen des Korgeweihten unterbrochen wurden. Mit geweiteten Augen fuhr sie aus ihrer Träumerei auf, griff auf der Suche nach einer Erklärung nur in kalte Luft und wandte verwirrt den Kopf, ehe sie mit einer noch immer verdatterten Geste ihre Hände wieder in ihre warmen Ärmel schob und der Dinge harrte, die da vielleicht kamen. Und sie hoffentlich vom Hof und ins Warme bringen würden, ehe sie endgültig am Boden anfror, wie sie sich mit einem selbstironischen Schmunzeln gestand. Der Oberst hingegen schüttelte nur schmunzelnd den Kopf im Angesicht des Missgeschicks. "Ich wette", kommentierte er den kleinen 'Unfall' selbstironisch, "ich habe bei den Malen nicht besser ausgesehen, da ich im Schnee landete. Jeder von uns hat unterwegs 'Schnee gefressen'. Und ist es doch scheisskalt, so besitzt der Weiße Mann vom Berg zumindest einen gewissen Humor, denn sein Element federt den Fall ja auch ein wenig ab. Ärgerlich ist nur, wenn man einen Hang runterrutscht und ein Baum im Weg ist.“ Nun lachte auch Dwarosch und seine Soldaten fielen sogleich mit ein, sie begriffen die Anspielung. Selbst derjenige, von dem der Oberst auf diese Weise indirekt berichtet hatte, fiel mit ein, auch wenn ihm das Lachen sichtliche Schmerzen bereitete.

„So meine Freunde. Genug in der grimmen Kälte gestanden. Maruk, sieh zu das die Kinder des Schmieds zügig in den heissen Zuber kommen. Zum Auftauen. Und sorgt dafür das alle eventuellen Schrammen und Prellungen verarztet werden.“ Der Angesprochene schlug mit der linken Faust auf seine Brust und winkte der Gruppe, die inzwischen den Met geleert hatte. Radomir legte Marbolieb eine Hand auf die Schulter. „Wenn ihr erlaubt, Euer Gnaden, würde ich Euch gern meinen Arm bieten um Euch und den Oberst in Eure Räume zu bringen. Es ist eingeheizt und auch Euch beide erwartet ein dampfender Zuber. Zwar kleiner als der der Söldner, dafür seid ihr dafür ungestört. Und wenn ihr mögt besteht bestimmt die Möglichkeit, in der Binge des Barons in den kommenden Tagen den Dampfraum zu nutzen.“ Mit diesen Worten hakte er vorsichtig den kleinen Arm der Geweihten in seinen ein und ging mit ihr Richtung Tür, während Assara sich zu Dwarosch gesellte und ihn begleitete. Leise begann es zu schneien. Der heiße Met brannte in Marboliebs Magen und wärmte ihre Wangen, während sie sich von ihrem Gastgeber ins Warme führen ließ, mehr als glücklich, aus der Kälte und dem Schnee zu kommen. "Der Zuber klingt wundervoll, Hochwürden - und den Dampfraum würde ich zu gerne einmal ausprobieren." freute sich die kleine Geweihte, die seit ihrem letzten Treffen mit ihrem Bruder im Glauben um einiges schmaler geworden war. "Wie geht es Euch, Radomir? Ihr klingt zufrieden." bemerkte sie, als die Wärme eines Gemäuers sie umfing. Leiser, bedacht, dass ihre Frage zwischen ihnen beiden blieb, fügte sie hinzu. "Sagt, ist es gewünscht, dass ich nach dem Essen in der Küche spülen helfe?" „Aber natürlich nicht, Euer Gnaden. Was für ein schlechter Gastgeber wäre ich, wenn ich Euch zum Abwasch auffordern würde“, fragte Radomir fast entrüstet, aber genau so leise, „Ihr seid Gast unter meinem Dach. Und damit Gast des Barons. Er würde mich maßregeln, wenn er so etwas erfahren würde. Nein, liebe Marbolieb. Ihr habt solange ihr zu Gast seid eine Rundumversorgung. Essen, trinken, Zuber und ein weiches Bett in einem geheizten Zimmer.“ Sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. Die Boroni strahlte glücklich zurück. "Ihr seid sehr großzügig, Hochwürden." Die Aussicht auf einige Tage im bedingungslosen Luxus freute sie merklich. "Habt ihr noch andere Gäste außer uns geladen?" Fragte Marbolieb neugierig, ihre Hand noch immer Halt suchend auf dem ungleich kräftigeren Arm ihres Gastgebers.

Bewusst langsam folgte unterdessen Dwarosch Radomir und Marbolieb, die voranschritten. "Ich muss euch danken für den Hinweis auf den wahren Hintergrund der Einladung", sprach der Zwerg im heiteren Ton zu Assara, als die beiden sich ausreichend hatten zurückfallen lassen und so ungestört reden konnten. "Ist es eine Art Marotte eures Vaters, dass er seinen Geburtstag nicht feiern möchte, an diesem Tag aber dennoch gern Freunde um sich hat?" „So könnte man es nennen. Nur dass die meisten Freunde des Hauptmanns auf dem ewigen Schlachtfeld sind“, sagte sie leise. „Und auf Tsatage geben wir nicht viel. Nur….“, sie zögerte und wurde noch etwas leiser. Dwarosch merkte das sie mit sich rang. Dann gab Assara sich einen Ruck: „Oberst, mein Vater zweifelt an sich. Jedes Jahr zu seinem Tsa-Tag, doch so schwermütig wie jetzt war er noch nie. Er hatte gehofft, dass sein Weg bei der Tempelweihe endet. Und….. er spürt das Alter. Auch wenn er es nie zugeben würde, ich sehe es. Bei dieser Kälte bewegt er sich steifer und langsamer. Es beunruhigt ihn. Er hat Sorge das er dem Blutigen nicht mehr so dienen kann, wie er es möchte. Und ich mache mir Gedanken um ihn. Ich weiß Ihr werdet bedeutend älter als wir, aber vielleicht könnt ihr ein Gespräch unter Freunden und Brüdern führen wo ich als Tochter nicht weiterkomme.“ Dwarosch war zwischenzeitlich stehen geblieben und hatte die Tochter seines Freundes mit ernster Miene gemustert, hatte in ihren Augen zu ergründen versucht, wie er ihre Worte zu verstehen hatte. Schließlich nickte der Oberst mit leicht zusammengekniffenen Brauen. „Ich glaube ich verstehe. Danke für eure Offenheit. Seine einstigen Weggefährten sind gegangen. Er ist zurückgeblieben und fragt sich, ob dies wirklich Kors Wille ist, oder ob er von ihm verlassen wurde. Zweifel können sehr grausam sein.“ Der Oberst seufzte schwer, dann nickte er erneut, diesmal entschlossen. „Ich rede mit ihm, ihr habt mein Wort.“ Mit einer Geste seiner Hand wies der Oberst dem Gespann aus Geweihten, dass sich inzwischen immer weiter entfernt hatte, hinterher. Assara nahm den Weg wieder auf und Dwarosch folgte an ihrer Seite. Eine Frage gab es noch zu klären: „Wie genau habt ihr eigentlich geplant, dass ihr ihm sagt, dass wir nun doch wissen, dass es sein Geburtstag ist?“ Der Oberst grinste fast unmerklich, als ob er sich diese Frage einfach nicht hatte verkneifen können. Ein feines spitzbübisches Lächeln umspielte ihre Lippen und es blitzte in ihren blauen Augen fast phexischauf. „Die Pflicht des Leutnants ist es, dem Hauptmann gehorsam zu sein. Die Pflicht der Tochter hingegen…. „ Sie ließ den Satz unvollendet. „Der Baron hat versucht, für Vater ein großes Fest zu seinem 40. zu geben, doch er hat es vehement abgelehnt. Auch wenn Tandosch nicht gerade für höfische Etikette bekannt ist. Ich denke er hat Euch beide eingeladen, weil er reden will. Der nächste Geweihte des Blutigen in seinem Rang ist fern von hier. Und ihr seid ihm Freund und Bruder. Er sprach auch davon im Frühjahr Euren Tempel und Menetax Einarm zu besuchen. Und auch wenn er zu den ältesten Geweihten des schwarzen Prinzen zählt und viele ihn um Rat und Deutung fragen…. Der Zweifel nagt an ihm. Und wer, wenn nicht Ihr, Oberst, weiß besser dass KOR nicht einfach ist.“ Sie lächelte den Zwerg an. „Ach, und es wird noch einen Kampf geben morgen. Fiona, die Tochter des Barons, hat noch eine ihrer Kampfstunden morgen. Und nichts auf Dere könnte sie und Vater davon abhalten.“ Nun war es auch an Dwarosch zu Lächeln und dies gleich mehrfach. „Ihr habt recht getan. Die Pflichten einer Tochter stehen über denen einer Soldatin. Auch euer Vater wird dies einsehen.“ Der Oberst nahm sich heraus Assara auf die Schulter zu klopfen und es störte ihn in keinster Weise, dass er dazu den Arm ausstrecken musste. „Und wenn er sich störrig zeigt, werde ich mich auf eure Seite schlagen. Auch darauf gebe ich euch mein Wort.“ Dwarosch lachte kurz und trocken auf. „Ihr seht also, euer Vater wird sich uns wohl oder übel ergeben und sich in sein Schicksal fügen müssen.“ „Das wird ihm nicht gefallen, aber er hat keine Wahl. Morgen zur zehnten Stunde wird die Tochter des Barons zu ihrem Kampf erscheinen, und zur Praiosstunde wird der Baron mit Iriane kommen. Ab dann beginnt der gemütliche Teil. Für die Söldner und Eure Begleiter wird in der Kaserne ein Essen stattfinden, für uns und den Baron wird es Offizierssaal essen und trinken geben. Und danach gemütliches Zusammensitzen am Kamin. Vater wird sich fügen müssen.“ Assara lächelte und es blitzte in ihren Augen. Zustimmend nickte der Zwerg mit einem Lächeln um die Wundwinkel. Radomir konnte sich glücklich schätzen, eine solche Tochter zu besitzen. „Ist es gestattet der Lehrstunde beizuwohnen?“, fragte Dwarosch kurz darauf neugierig. „Natürlich dürft Ihr. Aber....“, ihre Miene verdunkelte sich etwas, „ihr müsst dazu wissen, dass es keine Trainingsstunde ist. Es ist... Seelenhilfe für Fiona. Die Dämonen ihrer Vergangenheit sitzen in ihren Gedanken und verdunkeln sie. Der Kampf mit Vater hilft ihr, sie im Zaum zu halten. Die Kämpfe sind lang und hart, aber hinterher ist sie ruhiger. Ich hoffe Ihr versteht was ich versucht habe auszudrücken.“ „Das tue ich“, versicherte Dwarosch mit ernster Stimme. „Korrigiert mich wenn ich mich irre. Fiona reitet ‚die Bestie‘, die in ihr steckt und erschöpft sie, auf dass sie sie kontrollieren kann.“ Der Oberst nickte, wie um seine Annahme zu bekräftigen. „Leider ist dies kein ernsthafter Ansatz für einen Heilungsprozess, sondern nur das Besänftigen von inneren Dämonen, zumeist Wut, Rachsucht und Blutdurst. Ich weiß, wovon ich rede.“

Radomir und Marbolieb hatten inzwischen den Eingang erreicht. Die Geweihte spürte die Wärme, die ihr entgegen kam. „Ich bringe Euch in Euer Quartier, und werde Euch und Dwarosch dann nach einigen Momenten abholen und zum Zuber bringen. Leinentücher zum Abtrocknen liegen bereit, und auch eine Karaffe heißer Met wird dort auf Euch und den Oberst warten.“ Mit diesen Worten führte er Marbolieb hinein und den unteren Flur entlang zu einer Tür, hinter der ein geräumiges Zimmer lag. Als er die Tür öffnete schlug eine Welle warmer Luft in den Flur. Er bliebt mit Marbolieb an der geöffneten Tür stehen und wartete auf Dwarosch und Assara. Die beiden ließen sich offenbar Zeit. Als sie dann schließlich ebenfalls im Quartier ankamen, war Dwarosch offenbar grade dabei Assara mit weit ausholenden Worten und ausschweifender Gestik von dem Angriff einer Rotte Orks auf Wolfenhag im Phex des vergangenen Jahres zu berichten. Stolz berichtete der Oberst, wie seine Gebirgsjäger die Schwarzpelze aufgerieben hatten. Der ‚stinkende Fleischberg‘- ein Oger, der das Stadttor berannt hatte, erfuhr dabei eine besondere ‚Ehre‘, indem Dwarosch ihn posthum mit besonders ‚blumigen‘ Worten beschrieb. Auf einen wiederholten Schwall warmer Luft hin breitete sich eine seliges Lächeln auf den Zügen der Boroni aus und sie streckte ihre freie Hand in Richtung der Wärme. Sie schloss die Augen und genoss das Kribbeln, das sich auf ihrer Haut ausbreitete, als der letzte Rest der Kälte vertrieben wurde. "Ihr meint es wahrlich gut mit uns, Hochwürden. Das ist schon das zweite Mal dieses Jahr, dass ich in den Genuss eines Zubers komme!" freute sie sich. „Nun meine Liebe, solange ihr hier seid könnt ihr jederzeit nach Wunsch den Zuber nutzen. Unsere Angestellten werden ihn Dir gern bereiten. Und nun übergebe ich Euch in Oberst Dwarosch Hände, damit ihr erstmal ankommen könnt. In einem halben Wassermaß werde ich Euch abholen und in den Keller zum Zuber geleiten.“ Mit diesen Worten führte er Marboliebs Hand an eine Stuhllehne und machte einen Schritt beiseite, damit der Oberst ebenfalls den Raum betreten konnte. Das Fenster war verglast und mit schweren Vorhängen versehen. Auf dem Boden lag ein dicker tulamidischer Teppich und neben einem Tisch mit zwei gepolsterten Stühlen war ein großes Bett mit vielen Fellen, Decken und Kissen vorhanden. Alles war sauber und im Ofen, der an der Außenwand stand, loderten Flammen und wärmten den Raum. Auf dem Ofen dampfte ein Kessel Wasser, der für eine angenehme Luftfeuchtigkeit sorgte und fröhlich blubberte. Dwarosch seufzte. „Gemütlich. Hier lässt es sich wahrlich aushalten.“ Er trat von hinten an Marbolieb heran. „Darf ich dir helfen abzulegen, Räblein?“ "Danke" strahlte die kleine Priesterin und ließ sich aus ihrem schweren und herrlich warmen Reisemantel helfen. Einen flüchtigen Augenblick kostete sie halbe Umarmung des Mannes aus, sonnte sich an seiner Nähe und Präsenz, die verlässlich ihren Zauber um sie wob, Sicherheit versprach, Geborgenheit - mehr als das. Sie holte tief Luft, lauschte dem Rascheln, als der Oberst den Stoff forträumte und nun ebenfalls seinen Mantel ablegte, spürte die Gegenwart der anderen beiden Menschen im Raum. Sie schloss die Augen, was keinen Unterschied machte. Es nie mehr tun würde. "Zeigst Du mir das Zimmer?" bat sie, als Dwarosch wieder neben sie trat. Fasziniert strich sie mit ihren Fingerspitzen über die verschwenderische Ausstattung des Zimmers, als der Oberst gutwillig ihre Hand ergriff und sie führte. Gewiss doppelt so groß war der Raum wie ihre Gästekammer in Senalosch, größer auch, viel größer als die Küche des Tempels in Calmir. Sie befühlte bewundernd die Glätte und Kälte der Butzenscheiben des Fensters. Ein oberirdischer Raum - und nicht nur das, auch noch mit einer kostbaren Glasscheibe, wie sie sich nur Adel und die ganz reichen Kauflherren leiten konnten, gegen Wind, Wetter und Kälte gesichert! Sie sutzte, als ihre Füße den Teppich berührten, ging in die Knie und befühlte das dichte Knüpfwerk. Sehr viel weicher, dicker und wärmer war dies als die Webteppiche, die sie ansonsten kannte - und sprach von langer, mühevoller Arbeit fleißiger Hände. Mit fast kindlicher Freunde im Gesicht forschte die Priesterin weiter, bewunderte die gepolsterten Stühle - wie angenehm musste ein Abend am Kamin darauf sein, mit einer guten Peife, oder, früher, mit einem guten Buch. Oder beidem. Staunte über die Ausmaße des Bettes, das mindestens viermal so breit war wie ihr Strohsack in Calmir. Andächtig befühlte sie den Berg an Fellen und Kissen und ließ sich dann vorsichtig, da die weiche Füllung weit nachgab, auf die Kante nieder, wandte sich dem prasselnden Feuer zu und streckte ihm ihre Hände entgegen.

Die Flammen und der genossene heiße Met färbten ihre Wangen und Marboliebs Augen strahlten. „Nun mein Freund, ich überlasse Euch erst einmal der Stube. Der Tee ist in der Dose auf dem Tisch neben der Tonkanne, Dwarosch. Wie gesagt, ein gutes halbes Wassermaß, dann hole ich Euch ab. Assara wird sich um Eure Begleiter kümmern, damit es ihnen an nichts fehlt.“ Mit diesen Worten zog sich Radomir zurück und schlug den Weg in seine Räumlichkeiten ein. Marbolieb wartete, bis ihre Schritte sicher verklungen waren und wandte sich dann an den Zwergen. "Es ist schön hier .. " flüsterte sie begeistert, lauschte, was der Oberst nun wohl tun würde und strich mit ihrer Rechten versonnen durch das weiche, dichte Fell, dass neben ihr auf der Bettstatt ausgebreitet lag. Dwarosch ergriff ihre Hand, zunächst sanft, dann als er sie in der seinen wusste, fester. Er führte sie zum Kamin und rückte die beiden Lehnstühle nebeneinander zurecht, half ihr sich zu setzen und tat es ihr danach gleich. Wohlig seufzte der Zwerg, als die Hitze langsam begann die Haut zu erwärmen, um danach in die Muskeln zu dringen. Der Oberst schloss die Augen. „Besser.“ Bedauernd löste Marblieb die Hände aus der flauschigen, weichen Decke und nahm in dem gepolsterten Stuhl Platz. Sie zog sich die schweren Winterstiefel aus und faltete ihre in dicken Strümpfen steckenden Füße - erstere ein Geschenk des Oberst, kurz vor ihrer Rückkehr nach Calmir; eines, dass ihr bisher unschätzbare Dienste geleistet hatte - unter den Körper, lehte sich zurück und genoss die Wärme des Feuers auf ihrem Gesicht. Ein glückliches Lächeln tanzte über ihre Lippen, als sie andächtig die Augen schloss, das Knacken der Scheiter im Feuer augenblickslang das einzige Geräusch. Die Priesterin nickte zustimmend, auch wenn der Oberst das in diesem Moment nicht sehen konnte.

Nach der angegebenen Zeit kehrte Radomir zurück und klopfte an die Tür. „Dwarosch, Marbolieb? Bereit für ein heißes Bad?“ „So bereit wie man nur seien kann“, brachte Dwarosch lachend hervor, die Vorfreude auf das Bevorstehende war deutlich herauszuhören. Im Keller beim Zuber angekommen schlug den dreien schwülwarme Luft entgegen. Der große Kaminofen heizte den Raum, in dessen Mitte ein hölzerner Zuber stand, in dem ohne Schwierigkeiten acht Personen Platz gehabt hätten. An der Seite des Ofens standen zwei kleinere Holzwannen für eine Person, augenscheinlich wurden diese normalerweise von dem Geweihten und seiner Tochter genutzt. Zwei Stufen führten am großen Zuber hinauf und erleichterten das Einsteigen in das warme Wasser. Auf einem Brett, das in der Mitte des Zubers von einer Seite zur anderen führte, standen zwei Krüge und eine große Tonkaraffe. Daneben ein Teller mit Brot, Käse und etwas, das Dwarosch als klebrig-süßen Puniner Honig erkannte. „Nehmt Euch so viel Zeit wie ihr braucht. Niemand wird Euch stören. Wenn ihr fertig seid kommt hoch in meine Räume. Dort werden wir dann das Abendessen einnehmen und den Abend ausklingen lassen.“, sagte Radomir. „Und viel Spass.“ Damit zog er sich zurück. "Danke." flüsterte die Boroni mit erwartungsvoll glühenden Wangen und leuchtenden Augen. Sie sog tief die schwüle, heiße Luft ein, die mit der angekündigten Annehmlichkeit lockte. Zuhause wusch sie sich, wie es in den meisten Häusern brauch war, mit einem Krug Wasser, in den sie ein Tuch tauchte. Ein Badehaus gab es in Calmir nicht - der Wirt der Gans und die Wirtin des Kelchs besaßen ein Badezimmer, und die Schulzin vermutlich ebenfalls einen eigenen Bottich - doch darüber hinaus gab es im Sommer den Finsterbach und im Winter den Waschlappen. Mit dem Holz, das benötigt wurde, genug Wasser für einen Bottich zu erhitzen, hätte sie ihren Tempel vier Wochen lang beheizen können. Umso mehr freute sie sich auf das rare und umso kostbarere Vergnügen, sich schamlos bis zum Hals in heißem Wasser zu aalen. Sie verharrte einen Augenblick, versuchte herauszufinden, wo sich Dwarosch befand und was er unternahm, und zog sich dann ihre Robe und ihr Unterzeug über den Kopf, balancierte auf einem Bein, um sich die Strümpfe vom Leib zu ziehen. Deutlich zeichneten sich ihre knochigen Schultern und ihre Rippen unter ihrer Haut ab, und der Zwerg hätte ihren Oberarm mühelos mit Daumen und Zeigefinger umschließen können. Über ihr linkes Schienbein zog sich ein handspannenlanger ordentlicher Hieb, vielleicht zwei Wochen alt und gerade dabei, abzuheilen. Unschlüssig stand sie da und hielt den ganzen gewaltigen Berg Stoff auf den Armen. An den Geräuschen, die die Geweihte vernahm, konnte sie deutlich erkennen, dass auch Dwarosch dabei war seine Sachen auszuziehen und wegzulegen. Dann wurden ihr ihr Kleiderbündel abgenommen. Platschende Füße auf dem blanken Fußboden verrieten Marbolieb, wie und wohin sich der Zwerg im Raum bewegte. Schließlich hatte er alles sogfältig abgelegt und kam wieder zu ihr zurück. Das Licht der Kerzen spielte über den den nackten Leib der mageren Boroni. Um ihren Hals funkelte als einziges verbliebenes Kleidungsstück eine breite, silberne Kette aus achteckigen Kettengliedern, die so fein gearbeitet war, dass sie sich wie ein Tuch an ihre gebräunte Haut, die sich über die Knochen spannte, schmiegte. „Werte Edeldame, darf ich bitten?“ Dwarosch ergriff Marboliebs Hand und hielt sich leicht erhöht, wie als wolle er sie zum Tanz bitten. Langsam führte er sie zum Bottich, ergriff zunächst ihre Hand, um sie auf den Rand des riesigen Gefäßes zu legen und dann ihre Fußfessel, um ihren Fuß sanft auf die erste Stufe zu setzen. So vorsichtig angeleitet halt der Oberst Marbolieb in den Bottich voll heißen Wassers. Marbolieb holte tief Luft, als das heiße Wasser sie umschloss, nachdem der Oberst sie derart fürsorglich in den Zuber geführt hatte, und genoss einige Atemzüge lang die Wärme, die ihre Haut umschmeichelte, und den Nachhall seiner Berührung auf ihrer bloßen Haut. Ihr Fuß kitzelte noch immer sanft, was gewiss bloß eine Einbildung ihrer überreizten Nerven war. Energisch begann sie, sich mit der flachen Hand zu waschen, tauchte, eine Hand sicherheitshalber um den Rand des Zubers geschlossen, kurz unter, und fuhr sich durch ihre Haare, die mit gerade einem halben Finger Länge keine besondere Aufmerksamkeit benötigten. Ihre letzte Seife war schon lange den Weg alles Irdischen gegangen. Bei ihrem Versuch vor einigen Wochen, in Calmir beim Krämer Seife und Garn zu erwerben, hatte die Krämerin sie barsch beschieden, sie treibe keinen Handel mit Hurenweibern, und ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen. Doch das Wasser reichte aus - insbesondere, wenn es so herrlich heiß und so viel war wie heute. Nach Luft schnappend und rundum vortrefflich triefnass tauchte sie wieder auf. Als der Zwerg kurz darauf selbst hineinstieg spürte die Geweihte wie das Wasser kurz in Aufruhr geriet. Platschend gingen kleinere Mengen auf den Fußboden rings um das Behältnis nieder. „Ups“, brachte Dwarosch lachend hervor. „Da hat wohl jemand angenommen ich sei eine zierliche Elfe.“ Die Wellen, die der Oberst verursachte, lockten mit seinen Worten ein Lächeln auf Marboliebs Lippen. Sie gab auf kaum etwas weniger als auf sein Äußeres. Die Geweihte zog die Beine an, um nicht über Gebühr Platz zu beanspruchen, lehnten ihre Kopf an den Rand des Zubers und schloss genießerisch die Augen. So ließ es sich wahrlich aushalten! Das heiße Wasser und der zuvor genossene Met lockerten ihre Muskeln und wickelten sie in eine träumerische Gelassenheit, die ihr die Glieder schwer werden und ihre Gedanken davonstreifen ließ. Die massige Präsenz Dwaroschs war deutlich zu spüren, ein in sich ruhender Block an stoischer Ruhe fast direkt neben ihr, so nahe, dass sie wahrscheinlich nur die Hände hätte ausstrecken brauchen, um ihn zu berühren. Die Erinnerung an seinen letzten, zögerlichen Kuss, mitten im Schneetreiben auf dem Boronsanger in Calmir, legte sich auf ihre Lippen, schmeckte nach Wehmut, Winter und dem Verstreichen der Zeit. Und nach dem aufsteigenden Dampf aus dem heißen Zuber, der sich in einem Tropfen an ihrer Nasenspitze sammelte und zunehmend persistenter zu kitzeln begann. Marboliebs Näschen krauste sich, als ein gewaltiger und vollkommen undamendamhafter Nieser sie schüttelte. „Au weia“, kommentierte Dwarosch und es lag kein Humor in seiner tiefen Stimme. „Naja und doch wieder nicht verwunderlich, bedenkt man, welcher Witterung wir uns ausgesetzt haben. Hoffen wir, dass es nur der Anflug eines Schnupfens ist.“ Beide wussten, dass man mit derlei nicht spaßen durfte. Der Zwerg griff indes nach ihrer zarten Taille und zog sie sanft mit dem schmalen Rücken an seine breite Brust, küsste mehrfach ihren Nacken und fuhr mit seiner Nasenspitze ihren Hals hinauf, so dass seine Barthaare sie unweigerlich kitzelten. Er seufzte wohlig. Eine Hand löste sich von ihr. Es plätscherte und die Geweihte bemerkte an seiner Körperhaltung, dass Dwarosch sich hinter ihr über den Rand des Bottichs lehnte. Kurz darauf tauchte sein Arm wieder ins heiße Wasser, um sodann zu beginnen Marboliebs Schultern und Arme mit einem nassen Lappen zu reinigen. Über Marboliebs Nacken zogen sich Pusteln und überaus gerne hätten die Küsse noch eine Weile andauern dürfen. Sie legte ihren Kopf nach hinten auf die muskulösen Schultern des Oberst, ihre Wange an seiner Schläfe. Die junge Frau seufzte leise, eingehüllt in Dwaroschs Nähe und die Geborgenheit, die er ausstrahlte. Wie einiges mehr. Mit einem leisen, wohligen Schnurren genoss sie seine sanften Berührungen, die Augen geschlossen, ihre Lippen halb geöffnet, ein Bild vollständiger, selbstvergessener Glückseligkeit. Die Geweihte hob ihre freie Hand und erkundete mit ihren Fingerspitzen sanft Gesicht und Bartansatz ihres Liebsten, eine zärtliche Liebkosung, kraulte seine prachtvollen, schweren - und mittlerweile triefnassen - Bartflechten und folgte ihnen sachte und beharrlich abwärts, soweit es ihr Spielraum zuließ. Wirklich und eindeutig Dwarosch. Kein Trugbild. Und erst recht keine Träumerei. Der Zwerg knurrte langgezogen bei dieser liebevollen Behandlung und ließ seine Hand mit dem Lappen weiter über Marboliebs Körper gleiten - von Taille und Hüfte, über Bauch und Brust. Die junge Frau seufzte vor Wohlbehagen und der Oberst fühlte, wie Marboliebs Atem tief und schwer über seine Wange strich. Ihre Hände, schmal und warm, erforschten liebevoll seinen Leib, wo sie diesen erreichen konnte, vergewisserten sich abermals ob seiner soliden, unverrückbaren Wirklichkeit. Des Zwergen Nähe und Zuwendung entzündete ein Feuer in ihrem Innersten, schürten es und ließen es heiß und hoch auflodern, bis sein Widerschein auf ihrem Gesicht brannte und aus ihren Augen leuchtete. Sie wand sich hingebungsvoll in Dwaroschs Armen, ihre Haut glühte und das leise Stöhnen, dass über ihre roten, vollen Lippen drang, erzählte von verzweifeltem Hunger, den er allein zu lindern vermochte. Die Art Sehnsucht, die Marbolieb und Dwarosch seit ihrer Trennung, seit ihrem Weggang aus Senalosch teilten, stellte ein Leid dar, welches sich nur auf eine Weise lindern ließ. Hingebungsvoll erwiderte der sonst zumeist beherrschte Zwerg den Kuss. Es war das Feuer der Leidenschaft, das sich nun Bahn brach, als die Sehnsucht derart übermächtig zu werden drohte, dass nur Verlangen die Antwort auf den süßen Schmerz seien konnte.

Mit vorsichtigen Fingern zupfte die Boroni eine einzelne, feuchte Haarsträhne zurecht, die sich aus dem dichten Haupthaar des Oberst gelöst hatte und sie energisch und wiederholt an der Nase kitzelte. Feucht waren seine dichten, dicken Haare und der frisch und sehr sauber geflochtene Bart, der trotz energischen Abtrocknens erst nach und nach vollkommen trocknen würde. Verschämt hauchte sie einen Kuss auf den Scheitel des nicht ganz einen Kopf kleineren Mannes an ihrer Seite, der aber dafür mindestens das Dreifache ihrer Muskelmasse besaß, und flocht ihre Finger fester in seine breite Hand. Ein glückseliges Lächeln lag auf ihren hübschen Zügen, und in ihren Augen spiegelte sich tiefe, vertrauensvolle Liebe, als sie den Kopf zu ihrem Begleiter wandte und ihm zunickte. Dass sich über dessen Gesicht ein ähnliches, aber viel breiteres (und dezent abwesendes) Grinsen zog, konnte sie nicht sehen. Den Druck seiner Finger als Antwort aber spürte sie wohl, als der Oberst die Hand hob und seine Faust kräftig auf die Tür von Radomirs Arbeitszimmer donnern ließ.

„Nur herein in die warme Stube!“, kam als Antwort durch die Tür. Radomir und Assara saßen am Kamin und tranken eine dampfende schwarze Flüssigkeit aus irdenen Bechern. Zusätzlich zu den beiden vorhandenen Sesseln waren zwei etwas andere, aber ebenfalls behagliche aussehende Ohrensessel gestellt worden, so dass man im Halbkreis vor dem Kamin sitzen konnte. „Ihr seht deutlich entspannter aus als bei Eurer Ankunft“, sagte Radomir mit einem Lächeln im Gesicht. „Setzt Euch. Wir werden der Küche Bescheid sagen und in einem halben Wassermaß können wir essen. Wenn ihr wünscht. Vorher erzählt uns von dem Weg hierher, raucht eine Pfeife und trinkt einen Kaffee. Marbolieb, ich hätte auch almadanische Cigarillos, falls Du einen starken schwarzen Tabak magst. Dwarosch, Deine Männer sind ebenfalls aufgetaut, versorgt, verpflegt und sitzen mit meinen Männern in der großen Halle zusammen.“ „Danke Radomir, auch im Namen meiner Soldaten. Wir haben deine Gastfreundschaft sehr genossen“, sprach der Oberst mit einem breiten Lächeln. Den Unterton in Dwaroschs Stimme indes verstand nur Marbolieb vollends. „Einen Cigarillo nehme ich zur Abwechslung auch gerne“, kommentierte der Oberst, während er Marbolieb zum Kamin führte und ihr half sich zu setzen. Marbolieb ließ nur mit leichtem Widerstreben die breite Hand des Angroscho durch ihre Finger gleiten, als er sich entfernte. Sie wandte sich in Radomirs Richtung. "Sehr gerne, Hochwürden Radomir." Ihre Augen strahlten, ein Echo des Bades, und die Vorfreude auf den Tabak stand deutlich in ihrem Lächeln. "Habt vielen Dank." Neugierig schnupperte sich nach dem aromatischen Duft, der schwer im Raum hing - und den sie dennoch nicht zuordnen konnte. Die Boroni trug eine dicke, gefütterte Robe aus tiefschwarzem Loden, der nur an den Säumen mit einer dünnen silbernen Borte eingefasst war. Darüber lag , aus dem gleichen Material, eine Pellegrina, deren Kapuze sie jetzt jedoch zurückgeschlagen hatte und die zeigte, dass ihre letzte Rasur wohl schon ein oder zwei Monde her war. Doch auch so waren ihre stoppelkurzen, dunklen Haare bereitswieder nahezu trocken. Sie faltete ihre mageren Hände locker auf dem Schoß und genoss die Wärme, die das Feuer ausstrahlte, wie eine Katze, die es sich, satt und zufrieden, vor dem Kamin gemütlich macht. Assara erhob sich unterdessen und schenkte zwei Becher voll mit der dampfenden Flüssigkeit. Sowohl sie als auch ihr Vater trugen einfache schwarze Wollkleidung und ärmellose Wollmäntel. Denn ganz ließ sich der grimme Herr Firun doch nicht aus den Mauern vertreiben. Radomir hatte seinen in der Mitte mit einem Gürtel verschlossen, den ein goldener Pantherkopf zierte. Der Gürtel selbst war schuppig. Und die Augenklappe, welche er seit der Tempelweihe trug, zierte ein Schwertkreuz Kors. Nun nahm auch der Zwerg Platz. Dwarosch trug zu jenem privaten Anlass eine schlichte Wildlederhose und ein weites, langes Wollhemd mit Stickereien in zwergischer Ornamentik. Sein Haar lag ihm noch feucht und wellig bis über die Schultern, während der ebenfalls noch klamme Bart zu einem praktischen Zopf geflochten war. Assara reichte erst Dwarosch einen dampfenden Becher, dann nahm sie den zweiten in die Hand und berührte sanft die Hand Marboliebs. „Euer Gnaden, hier ist ein heißer Kaffee wenn ihr mögt.“ Sie hielt den Becher so, dass sie ihn der Geweihten in die Hand geben konnte. Radomir nahm ein beschnitztes Kästchen vom Kaminsims und reichte es Dwarosch. „Bedient Euch. Die Handelsbeziehungen des Hauses Tandosch sorgen dafür, es uns an nichts fehlt. Irian sorgt dafür, dass wir hier immer genug Tabak und Kaffee haben. Und alles andere, was wir brauchen. Und langsam wird unser kleiner Tempel auch zu einer Anlaufstelle für reisende Gläubige. Erst letzten Mond waren zwei reisende Geweihte des Blutigen zu Gast, die hier Quartier und Kampf genommen haben.“ "Habt Dank!" vorsichtig berührte die Boroni die Hand Assaras, als sie den heißen Becher entgegennahm und den herben, eigenartigen Duft einsog, der daraus emporstieg. Eben dieser war es gewesen, den sie bereits beim Betreten des Raumes wahrgenommen hatte. "Ist das eine Art Tee?" fragte sie, unsicher, wie dieses Gebräu einzuordnen war. „Ja, so eine Art. Der Baron bezieht es von seinen Ländereien in Uthuria, die er seit den Harokles- Paligan- Spielen besitzt. Irgendwie konnte er zusammen mit einem Phexgeweihten dort gute Geschäfte tätigen und seine Handelsbeziehungen ausbauen. Es ist aus einer Bohnenart die geröstet, gemahlen und dann mit kochendem Wasser aufgebrüht werden. Es belebt Geist und Körper. Gerade Morgens. Unsere Söldner und auch wir haben es gerade jetzt im Winter schätzen gelernt“, erklärte Assara. „Es schmeckt zwar im ersten Moment etwas bitter, aber ihr werdet merken, dass es Euch guttut“, ergänzte Radomir. „Unser Koch experimentiert schon damit. Man kann es mit Milch zusammen trinken, etwas Zucker hinzufügen, und gerade in den Abendstunden oder wenn man durchgefroren ist empfiehlt es sich, einen kleinen Schuss Premer hinzu zu fügen“, ergänzte ihr Vater, zwinkerte Dwarosch zu und deutete auf eine steinerne Flasche auf dem Tischchen. „Aber erstmal solltet ihr beide es so probieren.“ Marbolieb folgte der Beschreibung mit wachsender Faszination und nahm einen kleinen Schluck der sengend heißen Flüssigkeit. Mit allergrößter Mühe hielt sie ihre Gesichtszüge unter Kontrolle, als sich bei dem bitteren Gebräu alles in ihrem Mund zusammenzog, konnte aber nicht verhindern, dass die Fassungslosigkeit kurz und deutlich über ihr Gesicht flackerte. Einen derart bitteren Tee hätte sie vermutlich kein zweites Mal getrunken. Dennoch- irgendetwas hatte das Gebräu an sich. Vorsichtig kostete sie einen zweiten, kleineren Schluck. Zusammen mit dem heißen Met von vorhin war es eine eigenartige Mischung, aber sie vertrieb einen Teil der wohligen Müdigkeit, der sich hier vor dem Feuer in ihren Gliedern eingenistet hatte, kribbelte in ihrem Gaumen und setzte sich bis in ihre Nase fort. Energisch versuchte sie ein Niesen zu unterdrücken und erklärte stattdessen mit nasaler Stimme "Das klingt spa ... ha ... " Das Kitzeln brach sich mit einem gewaltigen Niesen Bahn und sie beendete den Satz energisch "..nend!", ehe sie das Kribbeln mit einem weiteren großen Schluck betäubte. So bitter, wie zu Anfang gedacht, war es doch nicht - Radomir hatte Recht behalten. Dwarosch, der unterdessen einen Cigarillo aus dem Kästchen entnommen und entzündet hatte, zog einige Male an dem Tabak und stieß den Rauch genüsslich durch die Nase aus. Dann, kurz nachdem er den Cigarillo behutsam an Marbolieb weitergereicht hatte - eine Art persönliches Ritual der beiden, dass sie für gewöhnlich mit der Pfeife pflegten, setzte der Oberst zu sprechen an. „Als mich dein Brief erreichte Radomir, lag Senalosch schon unter einer dicken, weißen Decke. Ernsthaft, würden mir nicht die Tunnel Isnatoschs offenstehen, so wäre ich sicher nicht in der Lage gewesen den Weg nach Tandosch zu beschreiten.“ Dwarosch lacht kurz auf. „Ich wäre niemals hier angekommen. Von Gondrabozrom jedenfalls, dem großen Lorenbahnhof aus, nahmen wir den Weg auf, der uns zunächst nach Rabenstein führte. Die Wege, oder besser gesagt Tunnel dorthin sind weitestgehend sicher. Es gibt zwar keine Schienen, die eine ständige ‚Reinigung‘ dieser Tunnelstrecken notwendig macht, aber dafür existiert dort die Bergwacht Gorgontûr im Berg Rabenhorst. Naja, das erste Abenteuer war dann die Tunnel überhaupt verlassen zu können. Ein abgegangenes Schneebrett hatte den Weg ins Freie verschüttet und so mussten wir graben. Rabenstein selbst empfing uns dann mit düsteren, tiefhängenden Wolken und dichtem Schneetreiben. Der Weg nach Calmir war folglich recht beschwerlich. Der nasse Schnee klebte wie Pech. Zum Glück sind meine Gebirgsjäger einiges an Kummer gewohnt- so auch derartige Bedingungen. Sie sind zäh. Nun ja, wir sammelte ihre Gnaden ein,“ Dwarosch sah mit einem Lächeln zu Marbolieb herüber, während er sprach,“ und gingen auf demselben Weg zurück nach Senalosch, wie wir gekommen waren. Das heißt, wir schlugen zunächst dieselbe Richtung ein, konnten mit ihr, einem Menschen, aber natürlich nicht durch die inneren Verteidigungslinien der Stadt marschieren. Wir passierten die letzte Festung also im Rahja und führten unseren Weg dann Richtung Firun fort. Der Große Fluß war selbstredend eine entsprechend große Herausforderung,“ hier blieb der Oberst bewusst vage,“ die wir aber auch zu meistern wussten, bis wir in die Nähe von Xorlosch kamen. Von Xadresch, einem alten Veteranen, der unter mir gedient hat, kenne ich die geheimen Angram- und Rogolanrunen, mit denen die Tunnelwächter der heiligen Stadt seit jeher ihre Markierungen machen. Xadresch stammt aus Xorlosch und hat dort mehrere Jahrzehnte als Fallenbauer mit für die Sicherheit der Einwohner gesorgt. Er ist ein Gauner, aber jemand der niemals vergisst, wem seine Loyalität zu gehören hat, wenn es darauf ankommt. Jedenfalls konnte ich die Runen deshalb so deuten, dass es an der Zeit war, uns gen Efferd zu wenden. Die Karte, die ich bei mir trage, bestätigte diese Annahme und so verließen wir die Tunnel der Ingrakuppen auf dem Gebiet von Brüllenbösen im dichten Wald.“ Dwarosch zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck Kaffee. „Den Rest der Geschichte kennt ihr.“ „Glaub mir, hätte ich nicht gewusst, dass Euch die Tunnel zur Verfügung stehen, wäre meine Einladung im Frühjahr erfolgt.“, antwortete Radomir und entzündete sich ebenfalls einen Cigarrillo. „Umso mehr ist es jetzt an uns, Euch beiden, genau wie Deinen Männern, den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Eine Meinung, die übrigens auch der Baron teilt. Er wird es sich nicht nehmen lassen, Euch ein ums andere Mal auf die Binge einzuladen. Ihr seid natürlich eingeladen, so lange zu bleiben wie ihr möchtet. Ich hatte gedacht, es wäre schön die Zeit des Herren Firun mit Gesprächen, Essen und Zweikämpfen zu verbringen. Übrigens haben wir eine traditionelle Schneeballschlacht zwischen den Söldnern und der Wachmannschaft der Binge. Und vielleicht haben Deine Jäger ja Lust, uns zur Seite zu stehen.“, lachte der Korgeweihte. Die Borongeweihte tat einen tiefen Zug aus dem Cigarillo und bließ den Rauch genussvoll durch ihre Nase in die Luft. Herb und reichhaltig war der Tabak und erinnerte sie daran, wie lange ihre letzte Pfeife nun schon her war. Vorsichtig hielt sie die Tabakrolle, kostete es aus, das Rauchzeug mit Dwarosch zu teilen und sann der Berührung seiner Lippen nach. Ein versonnenes, weiches Lächeln leuchtete über ihren schön geschnittenen Mund, das zu einem fröhlichen Blitzen in den Augen wurde, als ihr Bruder in Kor von der Schneeballschlacht sprach. Bei der letzten dieser Art hatte sie einen ganz ausgesprochenen Treffer gelandet. Sie spitzte die Ohren, neugierig darauf, wie lange Dwarosch ihren Aufenthalt hier auszudehnen gedachte. Die Geweihte dachte an den heißen Zuber und Radomirs überaus großzügiges Angebot und ihre Ohren begannen, sich dezent rot zu färben. Von ihr aus durfte der Besuch hier gerne so lange dauern, wie es der Oberst für angemessen hielt - was hoffentlich eine geraume Weile mit seinem alten Freund war. "Eure Gastfreundschaft ist wirklich sehr großzügig, Hochwürden. Und Euer Gastzimmer ist verschwenderisch ausgestattet." antwortete sie hoffnungsvoll. "Ich schließe mich mit Freunden dem Oberst an." Wie auch immer er entscheiden würde - hoffentlich würden ihm seine Pflichten einige Tage hier gewähren. Der wackere Korgeweihte würde sie kaum wirklich den gesamten Winter hier beherbergen wollen - das waren noch Monate, auch wenn sich Tandosch nicht so hoch in den Bergen befand, wie das mit Nilsitz und Rabenstein der Fall war. Hätte der Oberst jetzt ihre Hand gehalten, hätte sie diese auffordernd gedrückt ... so fasste sie den armen Cigarillo deutlich fester als notwendig und nahm einen Zug, der ihr um ein Haar den Rauch aus den Ohren getrieben hatte. Mit feuchten Augen rang sie nach Luft und leerte den Becher mit dem bitteren Gebräu in einem Zug. Der Oberst setzte die filigrane Kaffeetasse, die in seiner fleischigen Pranke seltsam anmutete, behutsam ab und ergriff wieder das Wort. „Mich hetzt nichts Radomir, gerne bleibe ich solange du uns erträgst. Das Regiment ist bei meinem Stellvertreter in besten Händen. Und mein Primus“, Dwaroschs Augen blitzten“, wird die Soldaten dieser Tage durch die Tunnel Isnatoschs scheuchen, damit sie im Winter nicht gemütlich und fett werden.“ Der Oberst lachte und nahm den Cigrillo wieder entgegen. „Was die Schneeballschlacht betrifft“, fuhr er fort, „so sind wir gerne mit dabei. Macht euch aber auf einen erbitterten Kampf gefasst. Meine Gebirgsjäger können sich selbst im Schnee eingraben und entsprechende Schneewälle sichern.“ Dwarosch zog an dem Tabakröhrchen. „Ich habe seinerzeit im Bornland, als auch in Greifenfurt einiges gelernt.“ Der Zwerg grinste wölfisch über beide Ohren und es war klar, dass er seine Freude an der Schneeballschlacht haben würde. „Es wird uns eine Freude sein, Dich mit Deinen Jungs in unserer Schlachtreihe zu haben. Bei all dem Dienst am blutigen steht ja nirgendwo, das man nicht ein bisschen Spass haben darf. Und Luxus.“ Er grinste. „Sag mir, was macht der Einarmige und wie geht es dem jungen Tempel?“ „Metenax geht es prächtig. Er würde fett und gemütlich werden, wenn ich ihn nicht regelmäßig fordern würde. Einarm ist ein sehr ungemütlicher Gegner. Seine beidhändige Kampfweise fordert mich jedes Mal, aber wir genießen es beide in Gegenwart des Standbildes im Allerheiligsten auf diese Weise zu opfern. Der Wiederhall des Doms erinnert mich fast ein wenig an die stählernen Hallen von Lûr. Du müsstest einmal mit mir dorthin reisen und sehen, wie sich die Besten der Besten meiner Rasse dort messen.“ Dwarosch nahm einen weiteren Schluck Kaffee und kam dann wieder auf den Korpriester von Senalosch zurück. „Allein Metenaxs Beliebtheit leidet, was dafürspricht, dass er seiner Arbeit gewissenhaft nachgeht. Die Zahl der Söldner, die über den Tempel ihre Kontrakte beziehen steigt mit dem Wachstum Senaloschs. Und je mehr sich von ihm in den Soldverhandlungen vertreten lassen, desto 'besser' werden sie bezahlt. Glaubt mir, es gibt viele dicke Minen- und Gießereibesitzer, die auf ihn schimpfen. Naja, auf mich auch, ich bin ja am Ende mit Schuld an seiner Position, aber damit kann ich ganz gut leben." „Vielleicht sollte ich Dich wirklich begleiten im Frühjahr. Von Selanosch aus nach Lûr. Es wäre bestimmt eine interessante Reise. Wenn mir denn in die stählerne Halle Zutritt gewährt würde. Und nebenbei habe ich noch einen Kampf mit dem Einarmigen offen. Dazu sind wir bisher nicht gekommen. Und vielleicht… .“ Radomirs Blick war bei diesen Worten kurz in die Ferne gewandert und seine Stimme wurde leise. Beinahe alt. Assara warf Dwarosch einen Blick zu, in dem neben kurz aufflackerndem Zorn gegen ihren Vater doch mehr Sorge lag. Auch wenn sie beinahe eine Geweihte des Blutigen war. Sie war auch Tochter. Doch es dauerte nur einen Wimpernschlag, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. „Du glaubst gar nicht wie sehr es mich freut, dass Metenax unbeliebt wird. Jetzt dürfen die Herren tiefer in die Tasche greifen und für vernünftigen Dienst vernünftig zahlen. Und lass mich raten, keiner der Besitzer traut sich, sich ernsthaft mit dem Einarmigen anzulegen?“ Radomir lachte. Dwarosch stimmte in das Lachen mit ein. „Nein, natürlich nicht, ihm gegenüber sind sie stets handzahm. Sie beschweren sich aber immer wieder bei der Priesterschaft des Allvaters.“ Der Oberst zuckte mit den Schultern. „Die Angroschkirche möchte Metenaxs Einfluss begrenzen, was aus ihrer Sicht nur nachvollziehbar ist. Sie können aber am Ende auch nichts gegen den Einarmigen unternehmen, die Söldner werden nun einmal gebraucht.“ Der Sohn des Dwalin schmunzelte, dann wurde er wieder eine Spur ernster. „Metenax ist dir noch nicht gewachsen, Radomir, auch wenn er ein guter Kämper und bereits fast einhundertzwanzig ist. Dennoch freue ich mich darauf, eurem Kampf beizuwohnen. Was Lûr betrifft, so werde ich eine offizielle Anfrage bei dem Sohn des Gandrosch stellen. Garosch ist Waffenmeister der Stählernen Hallen und mir seit Jahrzehnten wohlbekannt.“ Marbolieb suchte und fand einen Platz für ihre leere Tasse und wandte sich, das Cigarillo im Sinn, in Richtung des Oberst, der, wie ihre Nase verriet, munter rauchte beim Schmieden von Plänen. Den ganzen Winter? Ein leicht fassungsloses Grinsen hing in ihren Mundwinkeln, als sie den Gedanken um und um wälzte - das war ein reines Geschenk, das nur einen winzigen Tropfen Bitternis trug. Doch nichts, rein gar nichts war ohne Preis. Sie hob vorsichtig die Hand in Richtung des Zwergen - hoffnungsvoll, aber nicht vollständig überzeugt. "Ihr solltet an Euch halten, Herrschaften. Ich wäre überaus glücklich, wenn ich diesen Winter kein Grab mehr schaufeln müsste." bemerkte sie mit einem leisen Lächeln. „Nun Marbolieb, so es Boron will wird das nicht nötig sein. Und ich denke, ihr werdet keine Langeweile leiden, solange ihr hier seid. Alles was Tandosch und der Tempel zu bieten haben steht Euch offen. Und auf die Reise zu Metenax und auch nach Lûr freue ich mich.“ In diesem Moment wurde an die Tür geklopft und zwei Bedienstete mit einem Wagen voll Essen traten ein. Sie deckten den Tisch, und der verführerische Duft von des Essens füllte den Raum. „Wenn ich dann zu Tisch bitten darf?“, sagte der Geweihte und erhob sich. „Und ob du das darfst“, lachte Dwarosch und erhob sich mit einem leicht theatralischen Stöhnen, dass mehr von Wohlbefinden, denn von Anstrengung zeugte. Es war sehr bequem gewesen so nah am Feuer, speziell nach dem langen Marsch und dem ausgiebigen Bad obendrein. Daheim in Senalosch wäre Dwarosch sicher im Sessel eingeschlafen. In diesem Moment aber trieb der Hunger den Zwergen auf, denn obwohl Marbolieb und Dwarosch den Speisen, die ihnen am Rand des Badezubers gereicht worden waren, zugesprochen hatten, knurrte der Magen des Oberst hörbar. Behutsam griff Dwarosch nach Marboliebs Hand, half ihr auf und führte sie zum nahelegenden Tisch. Es gab eine große Schale mit Wurzelmus und Schweinsbauch, Zwiebeln in Bratensauce, frisches Brot und kalten Braten. Dazu süßen Grießbrei und Pflaumenmus. „In der Kaserne gibt es dasselbe. Du siehst, auch Deine Jäger werden bestens versorgt. Das Wurzelmus ist eine Spezialität unseres Koches. Es ist eine Mischung aus Kartoffeln und Wurzeln, die mit Schweinefleisch gekocht werden. Dann wird das Fleisch entnommen und das ganze gestampft. Es ist perfektes Essen für Feldlager bei diesem Wetter. Allerdings ist es so schmackhaft, dass wir es auch hier gern essen. Mit Senf und Rauchwurst schmeckt es hervorragend.“, erklärte der Geweihte auf das Schnuppern von Marbolieb, nachdem man sich zu Tisch gesetzt hatte. Das Gesicht der Boroni leuchtete auf angesichts dieser Beschreibung des überaus reichhaltigen Mahles und das Wasser lief ihr im Mund zusammen - obgleich sie nach dem ausgiebigen Mahl im Zuber der Meinung gewesen war, ganz sicher satt zu sein. Besser, viel besser als der abgängige Cigarillo. Mit strahlenden Augen ließ sie sich von jedem Gericht eine kleine Menge geben - mit der entschiedenen Absicht, dann um so mehr den Grießbrei und das süße Mus zu genießen. Begeistert wartete sie darauf, dass ihr Gastgeber anfangen würde zu speisen und krauste ihre Nase, die angesichts der Wohlgerüche abermals zu kribbeln begann. "Was sind die Pläne für morgen, Euer Hochwürden?" richtete sie ihr Wort in den Raum. „Lasst es Euch schmecken. Wenn etwas fehlt sagt Bescheid,“ sagte Radomir und schenkte sich einen Becher Bier ein. „Nun, zunächst einmal Frühstück. Dann wird um die zehnte Stunde Fiona kommen, um den Kampf zu bestreiten. Dann werden wir uns ein wenig entspannen und zur fünften Nachmittagsstunde kommen der Baron uns Iriana dazu, um mit uns gemeinsam zu Abend zu essen. Ich hatte Irian gegenüber erwähnt das ihr kommt, und er hat sich gefreut. Daher das essen morgen Abend.“ Er füllte sich von dem orangen Möhrenstampf auf den Teller und nahm eine Rauchwurst dazu. Assara schnappte sich ein Stück Schweinebacke und nahm dann ebenfalls Mus. Dwarosch zog der Duft von Pfeffer und Mostricht in die Nase, und Assara fragte die neben ihr sitzende Marbolieb, ob sie ein Bier oder lieber einen Met hätte. Der Oberst indes hörte zwar aufmerksam zu, hatte aber andere Prioritäten in jenem Moment: das verlockend duftende Essen. Sein Teller war bereits kurz nachdem er Marbolieb zur Hand gegangen war ebenfalls gefüllt, wobei er wie Radomir zu Mus und Wurst griff. Erst nachdem Dwarosch die ersten Bissen mit einem Schluck Met heruntergespült hatte, fragte er in Richtung des Korgeweihten: „Ist der Übungskampf dein erstes Gebet, oder bist du bei der Morgenandacht gerne allein? Wenn dem nicht so ist, würde ich dir gerne Gesellschaft leisten.“ Die Boroni nippte an ihrem Met, der ihr süß und schwer über den Gaumen rann und dennoch so süffig schmeckte, dass er über den enthaltenen Alkohol fast hinweggetäuscht hätte. Marbolieb trank einen guten Schluck der herrlichen Süßigkeit, ehe sie sich mit erneuter Begeisterung dem reichhaltigen Mahl widmete. Der vielfältige Gaumenschmaus zauberte ein Strahlen auf ihre Züge und sie mühte sich, allem wohl gerecht zu werden. Der Met - schon der zweite dieses Nachmittags - wärmte ihre Wangen und verlieh dem gesamten Mahl einen leicht unwirklichen Nimbus. Selig lächelnd setzte sie ihren leeren Becher ab, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass auch wirklich der letzte Tropfen seinen Weg über ihre Lippen gefunden hatte, und strahlte ihren Teller an. Dankbar nickte sie zu Radomirs Ausführungen, wollte aber der Frage des Oberst nicht ins Wort fallen. Und so beschränkte sie sich darauf, mit leuchtenden Augen den Rest des Mus mit dem Brot vom Teller zu wischen und bis auf den letzten Krümel zu vertilgen. Die Aussicht auf eine Morgenandacht klang verlockend - auch wenn es ausnahmsweise einmal kein einsames Gebet in einem eiskalten, ungeheizten Tempel sein würde. "Darf ich dabei sein?" erkundigte sie sich mit leuchtenden Augen und geröteten Wangen. „Die Morgenandacht findet meist im stillen Zwiegespräch statt. Und natürlich dürft ich beide dabei sein, so Fiona nichts dagegen hat. Es ist mehr ein Heilungsversuch als ein Gebet. In Fiona wüten Bilder und Erinnerungen an die Schlachtfelder. Und im Kampf versucht sie, diese zu beherrschen. Es wird ein harter Kampf. Wie jedes Mal. Der Heiler steht stets bereit, wenn wir ein Gebet kämpfen.“ Radomirs Stimme wurde etwas leiser. „Ihr wisst, nicht immer ist der Geist fähig das zu begreifen was er gesehen hat. Dwarosch, wir haben vieles gesehen das uns nicht loslässt. Und doch haben wir Glück das uns Kor genug Stärke gegeben hat, dass wir es schaffen damit zu leben. Bei Irians ältester wird es zwar besser, aber es wird viel Zeit brauchen bis es wieder gut zu nennen ist. Dennoch. Die Phasen, in denen sie nach dem Kampf einen Teil ihrer inneren Ruhe zurückfindet, werden länger. Früher war sie täglich hier. Inzwischen ist es alle drei Tage. Wenn ich auf Reisen bin kämpft Assara mit mit ihr, sind wir beide fort sind es einige meiner Söldner, die sich ihr stellen.“ Er trank einen Schluck Bier und widmete sich wieder seinem Teller. Assara ergänzte: „Der Baron sorgt dafür, dass Fiona diese Termine bei Wind und Wetter wahrnimmt. Sie ist eine sehr gute Kämpferin.“ Der Oberst nickte. „Das kann ich bestätigen. Fiona und ich beteten einmal gemeinsam auf diese Weise. Es war im Feldlager von Gallys auf dem Weg nach Mendena.“ Auch er trank einen tiefen Schluck, aber er war noch nicht fertig zu sprechen. „In einem Punkt jedoch muss ich dich korrigieren, Radomir. Ich hatte den Zeitpunkt, an dem ich mit alledem, dem ich ansichtig wurde, nicht mehr leben konnte überschritten. Mir war diese Stärke nicht gegeben. Die Trollpforte brach mich.“ Dwarosch griff nach Marboliebs Hand und drückte sie zärtlich. Eine Geste, derer er sich nicht schämte. „Sie zeigte mir durch und mit der Kraft ihres Glaubens, es zu kontrollieren, die selbstzerstörerischen Gedanken zu besiegen und weiterzuleben.“ Der Oberst legte den Kopf leicht schräg und zuckte mit den massigen Schultern. „Aber jeder muss seinen Weg finden, damit fertigzuwerden. Der erste und wichtigste Schritt ist sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht. Ich bin neugierig darauf, Fiona wiederzusehen.“ Marbolieb hatte nicht die Absicht, das Gespräch der beiden Männer, dem sie größter Neugier lauschte, zu unterbrechen. Sie umfasste die Pranke des Oberst und erwiderte den Griff liebevoll und hielt sie fest, ihre magere Hand, auf der sich die Knochen deutlich unter der Haut abzeichneten, in der ungleich breiteren Dwaroschs belassend. Der Met wärmte ihre Wangen und sorgte dafür, dass sie damit zu tun hatte, ihre Gedanken einzufangen und nicht zu weit abschweifen zu lassen. Die Folgen zu vieler Kriege als Tischgespräch zu betrachten war ein ungewohnter Blickwinkel - auch aus den Mündern der beiden altgedienten Kämpfern. Und die besten Betrachtungen gelangen schweigend. "Es gibt vieles, was mich nachts heimsuchen könnte. So viele Schlachten, so viele Schreie … ." Radomirs Blick ging in die ferne Vergangenheit. Er schüttelte kurz den Kopf und klärte so seine Gedanken. Dann trank er einen Zug Bier und wischte sich den Schaum vom Bart. "Lasst uns nicht Trübsal blasen an diesem schönen Abend. Ich freue mich, dass Ihr hier seid und noch mehr, dass ihr einige Zeit unsere Gastfreundschaft genießen werdet. Lasst uns austrinken und die Runde dann aufheben. Der Morgen kommt in letzter Zeit gefühlt immer früher." Er lächelte, was bei ihm immer etwas Raubtierhaftes hatte und durch die Augenklappe noch verstärkt wurde, und sagte, indem er seinen Krug hob: " Auf die Götter, das sie Euch sicher her geführt haben, und auf die Freundschaft." Die dürre Geweihte hob ebenfalls ihren Kelch, in dem sich noch einige Schlucke Met befand- was indes schon der dritte Becher dieses Tages war. Mit geröteten Wangen und glänzenden Augen leerte sie ihren Becher. "Auf die Freundschaft." Mühevoll unterdrückte sie ein Kichern, dass sich dabei von ganz allein über ihre Lippen stehlen wollte, und erntete dafür ein leichtes Hicksen. „Auf die Freundschaft und darauf, dass Schnee, Berge und selbst der Große Fluss uns nicht daran hindern können ihr zu frönen“, hob nun auch der Oberst seinen Becher und leerte ihn. Dwarosch spürte die Wirkung des Mets ebenfalls. Den Überblick, der wievielte Becher es gewesen war, hatte er ohnehin längst verloren. Doch was kümmerte es ihn? Er war unter Freunden und wann, wenn nicht an einem solchen Abend, sollte man einem guten Gebräu zusprechen können? Marbolieb nickte energisch. Erneut bahnte sich der Schluckauf seinen Weg. Ihr Kelch war leer, und so war es wohl das Ende dieser abendlichen Runde. Rundum warm und glückselig - ihre letzter Abend in freundlicher Runde an einem warmen Kamin lag Monde zurück - tastete sie nach Dwaroschs Schulter und versuchte, sich aus dem Sitz zu hieven - was ihr anfänglich gelang, doch mit der Bewegung drehte sich ihre gesamte Umgebung und ließ sie mit einem überraschten 'upps!' den nächstbesten Halt energisch greifen, ehe sich ihre Knie aus eigenem Entschluss wieder einfalteten. Der Oberst indes neckte Marbolieb für ihr dem Verlauf des Abends geschuldete Ungeschick. „Na, mein Räblein, sind wir heute Abend eher eine staksige Schnappsdrossel?“ Dwarosch lachte gut gelaunt und stand dann seinerseits auf. Ein langgezogenes Seufzen erklang, dass davon zeugte, dass der Oberst vermutlich lieber gern sitzengeblieben wäre. Anstelle dessen hakte er Marbolieb unter und half ich auf. Gemeinsam schafften sie stehen zu bleiben, sich gegenseitig Halt gebend. „Ich würde denken, dass es ein längerer Weg ins Bett wird“, kommentierte er seine ebenfalls wackeligen Beine augenzwinkernd in Richtung Radomirs. Die Geweihte klammerte sich mit beiden Händen an den Ellbogen des Zwergen unter ihrem Arm. Um sie herum drehte sich alles. Sie hätte den heißen Met zur Begrüßung nicht trinken sollen. Oder nicht den im Bad. Und vor allem nicht den dritten Becher zum Essen. Seit mehreren Monden hatte sie nichts Gebrautes mehr genossen, und so waren die drei Becher deutlich mehr, als sie verkraften konnte. Nichts hatte sie bedacht, als sie den süßen Met kostete - und sich das alles selbst zuzuschreiben. Ihre Füße verfingen sich auf dem glatten Boden und ihr eigener Schwung zog ihr die Beine unter den Körper davon, so dass die magere Frau ungebremst nach vorn stürzte, in eine innige Umarmung des Fußbodens. Der Weg in ihr Zimmer wurde lang.

Der Tsatag

Der nächste Morgen war klirrend kalt. Radomir spürte die Kälte in den Knochen und heizte den Ofen in seinem Raum an. Assara kam mit dem Kaffee, und beide setzten sich. "Alles gute zum Tsatag, Vater", sagte sie über den heißen Kaffeebecher hinweg und lächelte. "Danke, mein Kind. Auch wenn Du weißt das ich dem nichts abgewinnen kann." Doch auch er lächelte. Wenn auch nicht so breit. "Zum Tagesgeschäft. In gut zwei Wassermaß kommt Fiona zum Gebet, bis dahin denke ich werden wir Frühstücken. Ich verzichte heute auf das Kettengeflecht, ich denke der dicke Gambeson und die Lederrüstung dürften reichen." Er nahm einen Schluck des heißen Getränks und spürte der Wärme nach, die sich in seinem Körper ausbreitete. Assara zog eine Augenbraue hoch. "Kein Kettenhemd?" "Nein. Der Gambeson ist auch mehr gegen Firuns Unbillen. Fiona wird schon gnädig mit einem alten Mann sein." Das Blitzen in seinem Auge strafte seine Worte Lügen. "Die Bestellungen müssen noch abgezeichnet werden und das Schreiben nach Kunchom muss auf den Weg gebracht werden." "Ja, Vater. Ich kümmere mich später darum. Der Koch weiß Bescheid, und das Frühstück ist auf dem Weg. Der Koch des Barons wird zur zehnten Stunde hier sein, und der Baron und seine Familie zur vierten Stunde des Nachmittags. Die Männer werden Feuerschalen im Hof entzünden und für Essen und Getränke ist gesorgt." Radomir knurrte. "Jeden Götterlauf das gleiche Theater." Er erhob sich und legte den schweren roten Wollumhang um. Assara tat es ihm gleich und hüllte sich in ihren schwarzen Mantel. Dann gingen sie mit einem zweiten Becher Kaffee auf den Balkon des Arbeitszimmers, nachdem Radomir eine Zigarre und einen Zigarrillo für seine Tochter aus dem Mohagonikasten auf dem Schreibtisch genommen hatte. Sie entzündeten den Tabak und standen in der Kälte, als die Praiosscheibe ihr Licht über die Mauer schob. "Ich gehe unsere Freunde wecken", sagte Assara als sie aufgeraucht hatte. "Aye. Und ich werde mal einen Menschen aus mir machen und mich ankleiden." Hinter den beiden klopfte es, und der Frühstückstisch wurde gedeckt. Kurze Zeit später hatte der Geweihte sich angekleidet und Assara klopfte an die Tür des Gästegemachs. Ein gleichmäßiges Pochen drang in die Träume Marboliebs und wurde persistenter. Und lauter. Schlaftrunken tastete sie neben sich und fand weiche Kissen - einen wahren Berg davon. Und es war warm - irgendwo glühten Kohlen im Herd. Schließlich fand sie, was sie suchte. Erleichtert seufzend fanden ihre Finger die massigen Schultern ihres Begleiters, strichen über sein dickes, vom Schlaf zerzaustes Haar. Das Pochen mauserte sich zu einem äußerst energischen Klopfen. "Ist es schon Morgen?" murmelte die Boroni verschlafen. "Ich mag noch nicht aufstehen." Ein tiefes, unwilliges Brummen war die erste Antwort, die sie erhielt. Auch Dwarosch war zu jenem Zeitpunkt noch ein beträchtliches Stück davon entfernt, den bereits angebrochenen Morgen angemessen zu begrüßen. Der Oberst hatte einen über den Durst getrunken und spürte eine bleierne Schwere in den Gliedern. Mehr aber als das waren seine Sinne benebelt, als er sich nun derart in der Ruhe gestört auf die Seite drehte, um seinen fassartigen Oberkörper in der Vertikale hochzustemmen. „Ja ja, wir sind wach“, fluchte Dwarosch mehr, als dass er es verständlich artikulierte. Das „gleich“, war dann schon deutlicher verständlich. „Komm langsam zu dir Räblein“, raunte er in Richtung Marboliebs. „Ich schau nach, wer da so impertinent unsere Ruhe zu stören sucht.“ "Dwarosch!" beschwerte sich die Geweihte, als ihr die Haarsträhnen desselben durch die Finger glitten. "Geh nicht!" Mit einem Stöhnen stand der Oberst auf und wankte noch immer leicht benommen zur Tür. Er hatte lediglich sein Hemd und die schweren Stiefel ausgezogen, bevor sie beide ins Bett gefallen waren. Die Hose indes hing ein kleines Stück zu tief, was ihn in diesem Moment entweder nicht störte oder nicht bewusst war. Sich mit einer Hand an der Wand neben der Tür abstützend, öffnete er diese nur einen Spalt breit, um hindurchzusehen. "Guten Morgen lieber Freund", sagte Assara als sie das zerknitterte Gesicht sah, "es tut mir leid Euch beide aus Marbos Armen reißen zu müssen, aber ihr wolltet beim Kampf zugegen sein. Fiona wird in zwei Wassermaß hier sein, und ich dachte diese Zeit ist angemessen um Euch genug Gelegenheit zu geben wach zu werden. In Vaters Raum wird gerade der Frühstückstisch gedeckt, und auch der Kaffee ist fertig." Sie lächelte. "Ich hoffe ihr seid nicht zu gram mit mir, dass ich Euch deswegen geweckt habe, aber ich dachte mir, ihr würdet den Tag lieber schwierig als zu spät beginnen. Kommt hoch, wenn ihr soweit seid." Sie neigte den Kopf in Richtung der fast offenen Augen und ging dann zurück in Richtung Treppe. „Nein nein“, entgegnete der Oberst entschieden und schüttelte dabei den Kopf, als wolle er eine lästige Fliege loswerden. Tasächlich suchte er danach die immer noch leichte Benommenheit abzuschütteln. „Danke“, fuhr er dann schief lächelnd fort und zwinkerte Assara zu. „Wir tun unser bestes ‚vorzeigbar‘ und in ‚angemessener Zeit‘ zum Frühstück zu erscheinen. "Dwarosch!" Au weia, ihr Kopf dröhnte. Die Boroni dreht sich auf den Rücken und ließ sich stöhnend wieder in die Kissen fallen. "Komm zurück." bat sie leise. „Nichts da“, lachte Dwarosch. „Wer saufen kann, kann auch strammstehen. Raus aus dem Bett, unser Gastgeber erwartet uns und wir wollen ihn doch nicht über die Maßen warten lassen.“ Die Boroni tastete sich wortlos aus dem riesigen Bett - mindestens drei Mal so breit war es wie das Lager, dass Dwarosch und sie sich in Senalosch geteilt hatten, es bot genug Platz, dass beide auf dem Rücken liegen und noch etwas Abstand halten konnten. Sie suchte tastend nach ihrer Robe, die irgendwo in dem fremden Zimmer sein musste, geriet dabei an ein Tongefäß auf einer Truhe, das mit lautem Krachen am Boden zerbarst. Die Geweihte zuckte zusammen und ihre hastige Suche nach der Robe wurde zusehends panischer, bis sie den gesuchten Stoff unter dem Bett entdeckte und ihn sich wie er war auf links gedreht über den Kopf zog. Weiter ging die Hatz, bis sie schließlich auch ihre Schuhe und irgendwann die Waschschüssel fand. Erleichtert benetzte sie ihren Kopf mit dem eiskalten Wasser, und wischte sich mit dem Ärmel trocken. Sie zog sich ihre Kapuze bis zur Nasenspitze und traf wenig später, mehr schlecht als recht wieder hergestellt und ohne ein weiteres Wort verloren zu haben, zusammen mit dem Oberst im Zimmer des Gastgebers ein.

Radomir erhob sich, als der Oberst und die Geweihte ziemlich zerknittert in sein Büro kamen. "Guten Morgen. Ich hoffe ihr habt doe kurze Nacht gut geschlafen. Bitte, nehmt Platz und trinkt erstmal einen Kaffee." Assara schenkte zwei Becher voll. Auf dem Tisch standen Käse, Wurst und frisches Brot. Der Geweihte trug bereits die festen Stiefel und das schwarze Wollhemd. Vor dem Schreibtisch auf dem Stuhl lagen ein dicker Gambeson mit Stahlplatten sowie der Helm und die Handschuhe. Auch Assara trug ihre schwarze Uniform mit dem roten Mantikor auf der Brust. Es duftete nach dem Kaffee und dem frisch gebackenem Brot. Der Tisch war für die Gäste mitgedeckt. Gerade als sich alle wieder gesetzt hatten klopfte es an der Tür. Radomir verdrehte die Augen. "Beim schwarzen Prinzen, nicht einmal in Ruhe frühstücken kann man. Entschuldigt mich kurz. Er stand auf und stellte sich an den Schreibtisch. "Herein!" Die Tür öffnete sich und einer der Weibel trat ein. "Verzeiht, Hauptmann." Er schlug die linke Faust auf die Brust. "Die Männer und die Jäger des Herrn Oberst lassen fragen, ob es erlaubt ist bei Eurem Gebet mit der Tochter des Barons zugegen zu sein und dies als Kor-Dienst zu begehen." "Ich werde Fiona fragen ob es ihr recht ist. Von meiner Seite spricht nichts dagegen. Stellt die Feuerschalen auf und bereitet den Kampfplatz vor. Wenn Sie einverstanden ist lasse ich antreten." "Jawohl, Hauptmann!" Der Weibel schlug die Hacken zusammen und ging. Radomir setzte sich wieder. "Mir scheint, es wird etwas grösser als gedacht.", sagte er halb entschuldigend, halb belustigt." Marbolieb nickte. Sie tastete ´über den gedeckten Tisch und nahm sich das erste, das ihre Finger fanden - ein leckeres Stück Käse. Das bittere Südlandsgebräu, dass der Korgeweihte ausschenkte, war gewiss sehr kostbar. Es kratzte in ihrem Rachen- der an diesem Morgen wie ausgedörrt war. Sie nickte auf die Worte des Hochgeweihten. Sehr neugerig war sie auf das Gebet in dieser Kirche. Die Wege, sich dem eigenen Gott anzuähern, waren so vielgestaltig, wie es Gläubige gab - und doch glichen sie sich alle in einem: dem Bemühen und Wegen dazu, sich selbst so weit zurückzunehmen, dass es Raum gab für einen Fingerzeig des Göttlichen. Der Weg des Korgeweihten dabei bestach durch seine Geradlinigkeit. Auch wenn er hin und wieder etwas blutig war. Ein leises Schmunzeln huschte kurz über die schönen Lippen der jungen Frau. Blut war Leben. Und es war ausgemacht gut für das Seelenheil der dreie hier am Tisch, dass sie nichts wussten von einigen Ritualen der Kirche, der sie diente. Dwarosch, der Marbolieb gerade dabei geholfen hatte die Kaffeetasse zu finden, nickte indes. „Auf Burg Nilsitz lasse ich die Männer meines Leibbanners jeden Morgen vor dem Kor- Schrein beten, jeden Tag zwei andere und regelmäßig stelle ich mich selbst dem Kampf. Die Malmardorum sind neugierig, wie ihr es handhabt. Ich habe einige ungeschliffene Diamanten in ihren Reihen. Mit meinem Stellvertreter Antharax bin ich bereits zwei Mal in Lûr gewesen. Ich habe ihn in den Stählernen Hallen kämpfen lassen. Dort habe ich selbst einst meinen Meister gefunden, Albrax- meinen Hochkönig.“ Nach diesen Worten, trank nun auch der Oberst genüsslich einen Schluck Kaffee und verheelte dabei nicht, wie sehr es ihm schmeckte. Man konnte es seiner Miene entnehmen. "Jeder meiner Männer und Frauen darf mich fordern. Wann immer er möchte. Der Weg in den Rang eines Weibels führt nur über einen Kampf mit mir. Der Tempel ist ein offenes Haus, jeder darf ihn betreten und nutzen wann und wie er möchte. Der Glaube ist etwas sehr Persönliches, und ich gebe jedem unter meinem Kommando den Glauben so zu leben wie er es für richtig hält. Wer Fragen oder Sorgen hat kommt zu mir und redet. Oder kämpft. Du weißt, wir sind nicht die Kirche Praios, die jeden Gottesdienst nach strengen Regeln führt. Andersrum fordern aber auch Assara oder ich unsere Söldner. Um zu sehen wie gut sie sind. Dwarosch, wie wäre es, wenn Antharax einen Kampf mit Assara beten würde? Und ich denke, wir beide werden auch noch freundschaftlich die Klingen kreuzen. Und natürlich steht es jedem Deiner Jäger frei, mich zu fordern. Ich überlasse demjenigen auch die Wahl der Waffen." Bei diesen Worten grinste der alte Waffenmeister und Dwarosch lachte. „Du musst Assara nur erneut nach Senalosch bringen“, entgegnete der Oberst. „Athaxs Platz ist zumeist dort wo ich nicht bin, denn er ist derjenige dem ich mein Regiment anvertraue, wenn ich mitten im Winter einer Einladung folgen muss. Zudem führt er die Leibgarde des Sohnes Fanderasch- unseres Marschalls, wenn diese erforderlich ist.“ Mit leicht schräg gelegtem Kopf und ebenfalls grinsend fügte Dwarosch an: „aber das sind keine Ausflüchte. Antharax wird dem Gebet nicht abgeneigt sein, auch wenn er kein glühender Anhänger des schwarzen Prinzen ist. Er betet nur zu unserem Allvater und nicht zu dessen Sohn.“

Unterdessen ließ Fiona ein leises Schnarren herumfahren. Böse funkelte sie ihre Schwester an. „Du sollst dich nicht so anschleichen. Wie schaffst du das eigentlich?“ Iriane antwortete mit einem lächelnden Schulterzucken, Griff nach der Kanne mit dem heißen Mocca und schenkte beiden ein. „Magst du was Essen bevor wir runter gehen? Rado wird dich nicht schonen.“ Jetzt war es an Fiona mit einem Schulterzucken zu antworten, doch konnte sie sich dabei kein Lächeln abringen. „Auf!“ Fiona stellte ihre Tasse zurück, Iriane griff noch ein süßes Gebäck dass ein dienstbarer Geist bereitgestellt hatte und folgte ihrer Schwester. Am Tempel angekommen verharrten die Schwestern vor dem geschlossenen Tor. Iriane holte einen Tabakbeutel hervor, drehte zwei Moha-Stäbchen und reichte eines ihrer Schwester. Nachdem sie die Stäbchen aufgeraucht hatten fasste Iriane den Türklopfer und ließ ihn erschallen.

Kurze Zeit später wurde erneut an Radomirs Tür geklopft. "Hauptmann, die Töchter des Barons sind da." "Danke. Assara, würdest Du hinunter gehen und die beiden begrüßen? Nimm doch Marbolieb gleich mit. Der Oberst wird mir bestimmt beim Rüsten behilflich sein." „Gern“, entgegnete Dwarosch knapp und unterstrich seine Antwort mit einem Nicken. Assara erhob sich derweil und legte Marbolieb die Hand auf die Schulter. "Darf ich Euch von der Frühstückstafel entführen, Euer Gnaden?" Marbolieb holte tief Luft und nickte. Ihre Finger fanden Stock, den sie heute wohlweislich mitgebracht hatte, und schlossen sich fest darum, als sie sich erhob und unsicher der Frau folgte.

Als die Frauen gegangen waren erhob sich Radomir, zog seinen Gambeson über und ließ sich von Dwarosch bei den Plattenschultern und Armschienen helfen. Die brünierten Schultern waren mit einem leuchtend roten Rand versehen, genauso wie die Arm- und Beinschienen. Als er fertig war ging er zu dem großen Waffenständer, in welchem sein KOR-Spieß Fünfblatt stand. Vier der Blätter fehlten, sie steckten vermutlich immer noch in dem Schädel des Viergehörnten, den er mit diesem Schlag niedergestreckt hatte. Radomir schnitt sich mit einem kleinen Messer in die Hand und nahm die Waffe. "Guten Morgen, alter Freund." sagte er zu dem Kor-Spieß. Dann gingen der Oberst und der Geweihte in den Kasernenhof. Vier große Feuerschalen brannten und dazwischen standen die Söldner und die Gebirgsjäger des Obersten. Assara stand in der Mitte, neben ihr Fiona. Marbolieb bei Iriane neben einer Feuerschale. "Hauptmann, ich habe Hochgeboren Fiona gefragt, sie ist einverstanden mit dem Kor-Dienst." "Wohlan. Guten Morgen Kameradinnen und Kameraden" Ein vielstimmiges "Guten Morgen Hauptmann" antwortete ihm. Hochgeboren Fiona hat zugestimmt, das wir unseren Kampf als Gebet nutzen. Dies wollen wir als Morgengebet nehmen, auf das ER uns im Auge behält und uns SEINE Kraft gibt wenn wir sie brauchen." Er schaute Fiona an, die seinem Blick stand hielt und eine Augenbraue hob während sie ihren Schild fester fasste. "SEIN ist unser Kampf, SEIN ist unser Leben. Und der Dank dafür ist das ewige Schlachtfeld. Nicht immer fällt es uns Leicht, mit dem zu Leben was wir gesehen haben. Doch auch hier hilft ER uns, indem ER den Zweikampf als Gebet erkennt. Fiona, bist Du bereit?" Fiona straffte sich und zog ihren Rabenschnabel. "Jawohl, Waffenmeister!" "Aufstellung!" Mit diesen Worten ging er in die Mitte, auf Fiona zu. Diese hob ihren Schild und den Rabenschnabel. Als Radomir noch etwa fünf Schritt von ihr entfernt war schwang er den Spieß und nutzte die Länge der Waffe, um das letzte Stück überbrücken. Fiona machte einen Ausfallschritt nach hinten und riss den Schild hoch. Der schwere Kopf des Spießes fuhr donnernd auf den Schild und zwang sie in die Knie. Der Schlag war ungebremst, erkannte Dwarosch mit geübtem Auge. Der Geweihte setzte sofort nach während Fiona noch ihr Gleichgewicht zu halten suchte. Er trat nach ihrem rechten Knie, sie schaffte es aber ihm den Rabenschnabel auf die Beinschiene zu schlagen und den Tritt damit abzulenken. "Sehr gut, und nun beginnt der Tanz!", lachte Radomir, was Fiona ein grimmiges Lächeln entlockte. Sie rammte ihren Schild gegen den Spieß und den Körper des Waffenmeisters. Ihr Körpergewicht drückte den deutlich massigeren Geweihten einen Schritt nach hinten, doch er drehte sich mit dem Oberkörper zur Seite und ließ den Schild der jungen Frau abrutschen. Fiona musste ihrem Gewicht folgen und ging an Radomir vorbei, der die Drehung vollendete, dabei in die Knie ging und ihr mit dem Schwung des Spießes die Beine weg schlug. Hart landete sie auf dem kalten Boden, rollte sich jedoch sofort herum. Und das keine Sekunde zu früh, denn das untere Ende der großen Waffe schlug genau dorthin, wo ihre Schulter noch einen Moment vorher gewesen war. "HOCH MIT DIR, KLEINE! IST DAS ETWA ALLES WAS ICH DICH GELEHRT HABE?", donnerte er. Fiona kam hoch und spuckte aus. Dann hielt sie den Schild vor sich und hob den Rabenschnabel. "Nein Waffenmeister. Das war nur der Anfang." Jetzt lachte sie Trocken auf, griff ungestüm an und hieb nach dem Kopf des Geweihten. Dieser riß den Spieß quer nach oben und fing den Schlag der Frau ab. Dann drehte er die Waffe und klemmte sich das eine Ende unter den Arm, sein Fuß kam wieder hoch und diesmal traf er Fionas Schild. Sie fing den Tritt ab, rutschte aber etwas nach hinten. Der nächste Schlag Fionas zielte nach Radomirs Beinen, doch dieser stellte den Spieß einfach auf den Boden und blockte so ab, während seine freie Hand hoch schoss und Fiona an der Kehle packte. "Die Deckung höher!", sagte er, während er Fiona leicht Anhob und nach hinten warf. Sie landete unsanft auf dem Rücken und hustete. Rappelte sich auf und Zorn sprühte aus ihren Augen. "NUTZE DEN ZORN FIONA! KANALISIERE IHN UND LEITE IHN DURCH DEINE WAFFE!" brüllte der Geweihte ihr entgegen. Mit einem Wutschrei griff sie an, führte Schläge mit Rabenschnabel und Schild. Zwang den Krieger vor sich Schritt um Schritt zurück und dazu, sich mit seiner Waffe ausschließlich aufs Verteidigen zu verlegen. Aber er lachte dröhnend und feuerte Fiona an. "So ist es gut Kleine. Zwing dem Gegner Deinen Rhythmus auf!" Er machte noch einen halben Schritt zurück. Doch dann beging Fiona einen Fehler. Radomir nutzte die offene Deckung. Jetzt trieb der Geweihte sie mit gezielten Schlägen vor sich her, immer das untere Ende seiner Waffe nutzend und den schweren Kopf des alten KOR-Spießes neben seinem. Die Geschwindigkeit nahm immer mehr zu, und drei- oder viermal kam er mit dem eisenbeschlagenen Ende durch und traf Fiona hart an der schwarzen Rüstung, in welcher durch die Kraft beulen zurück blieben. Dann prellte er ihr den Rabenschnabel aus der Hand. Polternd fiel die Waffe auf den Hof. Fiona ging in die Hocke und hob den Schild über den Kopf, um den Hieb anzufangen der nun unweigerlich folgte. Doch diesmal war sie Vorbereitet. Als der Hieb den Schild traf lenkte sie den Kopf des KOR-Spießes auf den Boden, drehte sich in die Waffe und zog den Geweihten ein Stück nach rechts, federte Hoch und stieß einen Dolch, den sie aus dem Stiefel gezogen hatte, in den linken Oberarm des Waffenmeisters. Ein Lachen bahnte sich den Weg aus Radomir. "Sehr gut, Fiona. Du hast einen Vorteil erkämpft." "Niemals nur eine Waffe. Das hast Du mir immer wieder gesagt." Sie gingen wieder auseinander und Fiona hob den Rabenschnabel auf. Dann gingen sie wieder in die Ausgangsstellung. Der Kampf ging in die zweite Runde, welche damit endete das Radomir Fionas Schild mit dem KOR-Spieß unterlief und eines der Blätter ihren Oberschenkel traf, wo er einen tiefen Schnitt hinterließ. Blut floss auf den Boden und färbte den Schnee. Mit einem Wutschrei stürmte Fiona vor, den Rabenschnabel zum Schlag erhoben, doch Radomir machte einen schnellen Schritt zurück. "GENUG!", donnerte seine Stimme über den Kampfplatz. Fiona bremste, nahm langsam und schwer atmend den Rabenschnabel runter, stützte sich auf ihre Waffe und sank auf die Knie. Schweiß lief ihr vom Gesicht, genau wie dem Mann vor ihr. Sie sah Radomir aus Augen an, in denen Feuer brannte. Der Geweihte ging auf sie zu. Mit ruhiger Stimme sagte er: "Blut ist geflossen, auf beiden Seiten. Der schwarze Prinz ist für heute zufrieden mit uns. Die Wunden schließen sich bereits. Beherrsche Deinen Zorn, Fiona. Nutze ihn. Lenkt ihn. Mach' ihn Dir dienstbar. Blinde Wut verleitet zu Fehlern. Und Fehler führen in Borons Hallen." Auch Radomir atmete schwer. Er stützte sich auf seinen Spieß. Beide Kämpfer dampften in der eisigen Luft. in halbes Stundenglas hatte der Kampf gedauert. Radomir grinste, als er Fiona die Hand reichte und ihr auf die Füße half. Dann drehte er sich zu den versammelten. "Das Gebet ist gekämpft. Der Blutige ist geehrt und Blut ist vergossen. Preiset KOR und lasst uns nun das Tagwerk vollbringen." "ES SEI!", antworteten die Söldner. Radomir drehte sich wieder zu Fiona: "Geh in den Tempel, Kleine. Meditiere und versorge Deine Wunde. Es war ein guter Kampf. Wenn Du fertig bist steht Dir der Waschraum offen. Während dieser Worte war der Oberst zu den beiden gekommen, was Fiona allerdings nicht bemerkte. Er hörte wie sie sagte: "Ja, Onkel. Wie Du befiehlst." Dann drehte sie sich um und ging, gefolgt von Assara in den Tempel. Die Söldner und Gebirgsjäger standen in gemischten Gruppen und sprachen über den Kampf. Dwarosch trat an Radomirs Seite und sah den Frauen nach. „Onkel?“, fragte der Oberst an den Geweihten gerichtet, jedoch ohne ihn anzusehen. "Aye mein Freund. Iriane und Fiona sind meine Nichten. Der Namenszusatz 'von Tandosch' bezieht sich nicht nur auf meinen Wohnort. Allerdings ist das im Adel um uns rum nicht wirklich angekommen. Für den alten Adel bin ich nur der unbequeme Geweihte den sich der Baron hält. Die Familienbande, die mich mit dem Irian und den Mädchen verbinden, gehen tiefer. Um diese Familie zu schützen würde ich mein Leben geben." Radomir sah Fiona nach und Blut tropfte von seiner Hand, dem Oberst vor die Füsse. „Ich verstehe“, gab der Oberst sachte nickend und im nachdenklichen Ton von sich. „Also seid Irian und du… Brüder?“, hakte er dann vorsichtig nach. "Nun, genau genommen bin ich ihr Großonkel. Irian und ich sind Cousins. Das Onkel hat sich in den Jahren verfestigt. Und das auch nur in sehr wenigen Momenten. Aber Familie bleibt Familie. Und," sagte der Geweihte lachend, "weder stehe ich weit oben in der Erbliste, noch hege ich irgendein Interesse an Titel und Ländereien. Ich diene KOR, mit ganzem Herzen und ganzer Kraft. So gut ich es kann. Dazu gehört auch die Kampfausbildung der Mädchen und das Wachen über Haus Tandosch. Und teilweise die Ausbildung der Wachen und regulären Truppen. Auch wenn das nicht viele sind. Im Falle eines Falles wird ein Söldnerheer ausgehoben.“ Abermals nickte der Oberst verstehend, bevor Radomir dann das Thema wechselte und in Richtung Tempel wies. „Wenn Du magst komm nun mit rein. Ich muss meinen Arm versorgen bevor ich den Hof vollblute.“ „Selbstverständlich“ bejahte Dwarosch. „Ich werde deine Wunde versorgen, wenn du gestattest?“ Diesmal war es an Radomir zu nicken, er wusste, dass er dieses Angebot nicht ablehnen konnte, war es doch ein Zeichen der Freundschaft, dass der Oberst anbot ihn zu versorgen. „Iriane, Marbolieb?" rief Radomir kurzerhand zu den beiden Frauen hinüber, "Begleitet ihr spätet nach oben ins Warme?" Die beiden ungleichen Freunde gingen in den Tempel, um kurz danach in die geheizten Gemächer des Geweihten zu gehen, wo der Tisch gedeckt war.

Als Iriane Marboliebs fehlendes Augenlicht bemerkt hatte, hatte sie begonnen, ihr den Kampf mit knappen Worten zu schildern. Nun, da der Kampf beendet war, ergriff sie Marboliebs Hand. „Verzeiht dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Iriane von Tandosch, ich bin Fionas jüngere Schwester.“ Ihre Hände waren nicht die eines Kämpfers oder schwer arbeitenden Menschen sondern fühlten sich weich und gepflegt an, im Gegensatz zu denen der Boroni, die, dürr und voller Schrunden und Hornhaut, beredtes Zeugnis davon ablegten, dass sie für körperliche Arbeit da waren. "Euer Wohlgeboren." Marbolieb senkte ihren Kopf, ein Rascheln unter ihrer bis zur Nase gezogenen Kapuze. "Mein Name ist Marbolieb." Sie schwieg einige Augenblicke. "Sagt, warum ist Eure Schwester so zornig?" „Es freut mich, eure Bekanntschaft zu machen, eure Gnaden. Eigentlich ist Fiona nicht zornig, dies ist nur ein Ausdruck ihrer gequälten Seele. Sie war noch ein Kind als sie mit ihrer Ritterin in den Osten ging, wo die schwarzen Schergen ihr Haupt erhoben hatten. Sie kamen gerade rechtzeitig um die Schlacht an der Trollpforte aus der Ferne zu beobachten. Im Kampf gegen die dunklen Horden wurde sie erwachsen. Viele haben Narben aus diesen Kämpfen davon getragen, Fiona trägt ihre unsichtbar auf der Seele.“ Marbolieb sann über den Kampf nach. Die Kombattanten hatten sich nichts geschenkt, nach dem, was ihre Ohren und die junge Adelsfrau berichtet hatten. Die Geweihte hoffte, dass beide ihre Erfüllung dabei gefunden und einen Schritt auf den Blutigen zugetan hatten. Dennoch - Kor war nicht die erste Wahl für einen Helfer bei Seelenqualen. Nicht die zweite. Nicht die dritte. "Was habt ihr bislang unternommen, ihr zu helfen?" Erkundigte sie sich neugierig. "War es erfolgreich?" „Einiges, auch Diener des Schweigsamen haben versucht zu helfen. Lange hat sie sich nicht verzeihen können dass sie überlebt hat während alle um sie herum gestorben sind. Sie war sogar der Meinung Boron habe vergessen sie mitzunehmen. Inzwischen hat gelernt ihr Überleben zu akzeptieren. Doch sie erwartet hinter jeder Ecke einen Feind und in jedem Schatten einen Dämon, ist permanent zum Kampf bereit. Dazu hat ihre Seele die Schlachtfelder aus dem Osten mitgebracht und rauben ihr jede Nacht den Schlaf. Seit sie zurück ist hat sie keine Nacht mehr durchgeschlafen. Einzig im Kampf findet sie Erlösung. Deshalb hat Rado sich ihrer angenommen, nach solchen Kämpfen ist sie ruhiger und schläft besser.“ Die junge Geweihte nickte nachdenklich auf Irianes Erzählung. "Das kenne ich gut." Sie schwieg eine Weile und die Knöchel ihrer Finger, die sich um ihren Stock schlangen, wurden weiß. "Denkt ihr, sie und Seine Hochwürden möchten meine Hilfe?" Aufdrängen würde sie sich niemandem, und sie war hier nur zu Gast. Zudem war es äußerst unhöflich, sich ungeladen in die Belange eines anderen Geweihten einzumischen. Dann hörten die beiden Frauen den Ruf des Geweihten.

'Warm' klang gut. Sehr gut sogar. Die Boroni nickte auf Radomirs Frage. Seit sie sich vor einiger Zeit Finger und Zehen einmal heftigst unterkühlt hatte, begannen sie zuverlässig und sehr deutlich zu schmerzen, sobald sie draußen im Kalten war. Sie klemmte sich ihren Stock unter den Arm und rieb sich die klammen Finger. „Darf ich euch einen Arm als Hilfe reichen?“ Vorsichtig ergriff Iriane die Hand der Geweihten und folgte mit ihr Radomir. „Ich danke Euch für Eure Bereitschaft, Fiona zu helfen. Aber ich glaube nicht dass euer Versuch von Erfolg gekrönt sein wird. Vorsicht, jetzt kommt die Treppe.“ Dankbar legte die junge Geweihte ihre Hand auf Irianes Arm, in der freien Hand ihren Stock, mit dem sie eher unregelmäßig auf dem Boden stocherte. "Ich soll es nicht versuchen?" fragte sie zurück. „Versteht mich nicht falsch. Ich bin dankbar für jede Hilfe, die Fiona erhält, aber seid nicht enttäuscht wenn ihr keinen Erfolg habt oder Fiona eure Hilfe ablehnt.“ Sie hatten das Ende der Treppe erreicht. „Vorsicht, Tür.“Gemeinsam betraten sie den Raum. „Kann ich euch etwas Essen oder Trinken reichen?“ "Ich werde ihr Hochwürden und Eure Schwester fragen." stimmte die Geweihte Iriane zu und tastete nach der Tür, bis sie das Hindernis überwunden hatte. "Das ist sehr freundlich von Euch. Sehr gerne." freute sich Marbolieb, die einem ausgiebigen Mahl zwiegespalten gegenüberstand. Einerseits lief ihr bereits bei dem Gedanken das Wasser im Munde zusammen - nach mehreren Monden Grütze war ein Stück Frisches Brot ein Gaumenschmaus. Doch die Speisen auf dem Tisch zu finden war eine Herausforderung - etwas davon auf ihren Teller zu befördern, eine viel Größere. Schön war das für die Mitspeisenden nie anzusehen, und das Schlachtfeld, das sie dabei anrichtete, kein appetitlicher Anblick, so dass sie sich üblicherweise auf ihren erstbesten Fund beschränkte. Besser für ihre Mitspeisenden, aber noch viel mehr für ihre eigene Anspannung. "Sagt, was ist Eure Profession?" wandte sie sich an die aufmerksame junge Adelsfrau. Eine Kriegerin war sie nicht, das verrieten ihre feinen, gepflegten Hände. Doch klang sie auch nicht nach einer gelangweilten Müßiggängerin - diese hätte sich schwerlich um das Anhängsel eines Gastes der Familie gekümmert. „Erlaubt mir, euch etwas aufzutun. Frisches Brot mit gesalzener Butter und xorloscher Höhlenkäse oder Saftschinken.“ Ohne eine Antwort abzuwarten begann Iriane der Geweihten die zubereiteten Häppchen auf einem Teller herzurichten und reichte ihr diesen. „Meine Profession, eine gute Frage.“ Beinahe unmerklich zögerte sie. „Ich habe mich immer vor einer richtigen Ausbildung gedrückt. Doch da unser Bruder ein unstetes Leben auf See vorzieht und Fiona keine Verantwortung für andere Menschen übernehmen möchte ist es meine Pflicht, irgendwann einmal die Baronie zu führen. Seit Fiona offiziell auf die Baronie verzichtet hat bereite ich mich darauf vor. Unter Anderem nehme ich dafür in Elenvina Unterricht bei den Dienern des Praios und der Hesinde. Und um nicht ganz wehrlos zu sein unterrichtet Radomir mich im Waffengang. Doch werde ich nie die Fertigkeit von ihm oder Fiona erreichen und ich bin auch keine Freundin derart korgefälliger Übungen.“ Marbolieb hatte den Eindruck, dass die Liste der Lehrer nicht vollständig war. „Darf ich euch ein Glas ausgepresster Arangen anbieten?“ Beim Sprechen hatte sich Iriane ebenfalls Häppchen genommen und zwei Gläser mit frisch gepresstem Arangensaft gefüllt. Ein Glas reichte sie Marbolieb. Die nippte vorsichtig daran, und genoss dann mit einem seligen Lächeln einen Schluck. Die Frucht erinnere sie an ihre Zeit in Punin, wo sie hin und wieder in den Genuss gekommen war - im Winter, wenn Äpfel und Pfirsiche längst geerntet waren, brachten die Bauern am Yaquir die Ernte an Arangen ein. So weit im Norden wie hier aber waren die gelbroten Früchte fast unbekannt. "Herrlich." Sie schloss die Augen und über ihr Gesicht zog sich die Freude an dem Mahl. "Ich wusste nicht, dass sie soweit gen Firun gehandelt werden." murmelte sie glücklich. "Macht euch etwas an Euren Studien Freude?" fragte sie die andere aufmerksam. So viel Iriane auch berichtet hatte, so viel war ungesagt mitgeschwungen in deren Worten. "Es muss eine große Verantwortung sein, für ein ganzes Lehen Sorge zu tragen." So viele Fragen auf einmal, Iriane hoffte keine davon bei ihrer Antwort zu vergessen. „Nun, Vater hat auf dem letzten Reichskongress ein paar erfolgreiche Abschlüsse tätigen können, seither kümmern wir uns selbst um den Handel. Was die Studien angeht, so habe ich sie aufgenommen um auf meine zukünftige Pflicht besser vorbereitet zu sein. Doch erscheint es mir inzwischen sehr nützlich, besonders amüsieren mich Rechtsdispute mit den Dienern des Götterfürsten über die Auslegung von Gesetzen und die Abwägung verschiedener Gesetze gegeneinander. Das ist eine gute Vorbereitung auf die zukünftige Verantwortung. Doch diese ist lediglich derisch. Ihr hingegen trag Verantwortung für die Seelen der Menschen, eine wahrlich schwere Bürde. Und das mit der Last eures Augenlichtes, Ich hoffe euer Novize ist entsprechend aufmerksam.“ Die magere Geweihte schmunzelte und Wärme breitete sich über ihre hübschen Züge, die gleichwohl etwas mehr Unterfütterung vertragen hätten, aus. "Ich habe keinen Novizen, euer Wohlgeboren. Mein Tempel ist nicht groß. Achtsam stellte sie ihren Teller ab, damit nichts hinunterfiele. "Ihr sprecht kein Tischgebet zu diesem Mahl?" tastete sie sich vorsichtig vor. Den ersten Bissen würde der Gastgeber nehmen, wie es Sitte und Anstand verlangten. Nichtsdestrotz knurrte ihr Magen angesichts der verheißungsvollen Düfte, die von ihm aufstiegen. "Ohne derisches Recht werden Eure Untertanen nicht in Frieden leben. Ohne Frieden trägt kein Acker Frucht. Und mit leerem Bauch ist die Götterfürchtigkeit euren Untertanen fern." Sie legte den Kopf schief und lauschte auf die andere Frau. "Was amüsiert euch an den Disputen?" Von der Emsigkeit, mit der sich die Streiter mit ihren Worten selbst zum Narren machten, bis zu der Begeisterung für die Gelehrsamkeit kluger Gedanken bot ein Streit zwischen Gelehrten viel - und erzählte eine Menge über die Streitenden selbst. „Ein paar der Diener des Praios sind doch sehr von sich überzeugt und es fällt ihnen nicht leicht einzugestehen, dass Ihre Weisheit nicht ganz der ihres Herren entspricht. Mir gibt dieses Verhalten die Möglichkeit meinen Umgang in der Abwägung unterschiedlicher Gesetze zu schärfen. Denn meine Einschätzung ist bei Weitem nicht immer richtig, wird aber immer besser. Genau deshalb habe ich diese Studien aufgenommen.“ Iriane blickte sich um. „Verzeih Onkel, ich habe deinem Gast schon Essen gereicht, magst du das Traviadank sprechen und die Tafel eröffnen?“ Die Boroni nickte und senkte den Kopf, während sie auf das Tischgebet Seiner Hochwürden wartete. "Herrin Travia, wir danken für den gedeckten Tisch und wissen zu würdigen, was uns gegeben ist. Guten Appetit meine Freunde.", sprach Radomir ein kurzes Tischgebet und nahm dann sein Gespräch mit Assara und Fiona wieder auf. "Und missfällt euch etwas an euren Pflichten, Euer Wohlgeboren?" „Mich darüber zu beschweren, wo mich die Götter sehen und hingesetzt haben wäre fast schon frevelhaft, gerade da sie mich wirklich privilegiert bedacht haben. Habt ihr einmal die Waisenkinder in den dreckigen Gassen Havenas oder Gareths geseh ...“ Iriane zuckte ob der unglücklichen Wortwahl zusammen. „Verzeiht, das war unbedacht. Ich meinte das Leid der Waisen vernommen?“ Marbolieb nickte. "Ich bin selbst eine. Ich hatte das Glück, dass mich der Borontempel aufgenommen hat, als ich noch klein war." Erneut zögerte Iriane etwas. „Wollt ihr keinen Novizen oder findet sich keiner? Wenn ihr wollt kann ich mich etwas umhören.“ Die Geweihte schüttelte abermals den Kopf, deutlich bedauernd. "Habt Dank, doch mein Tempel unterhält nur einen Priester. Ich könnte keinen Novizen ausstatten." „Ein Novize würde euch die Arbeit und das Leben erleichtern. Immerhin gebt ihr den Verstorbenen das letzte Geleit für die Reise über das Nirgendmeer. Gewährt mir die Gnade, mich um die Ausstattung eures Novizen zu kümmern, das wird euch die Fürsorge für die euch anvertrauten Menschen erleichtern.“ Ein sehnsüchtiges Lächeln huschte über die hübschen Lippen der jungen Frau, ehe es wieder wie weggewischt verschwand. "Das wäre schön." bekannte sie. "Aber ich könnte es mir nicht leisten, ihn zu ernähren, Euer Wohlgeboren. Die Dörfler geben mir genug Nahrungsmittel für eine Person. Und ich glaube nicht, dass jemand freiwillig bei mir dienen möchte." Sie verstummte und setzte mit sehr leiser Stimme hinzu "mein Ruf im Dorf ist schlecht." „Das kann doch nicht sein. wo ist denn euer Tempel, vielleicht solltet ihr mit dem Baron über das Verhalten der Dörfler sprechen. Oder ihr nehmt euch die Zeit mit eurer ruhigen Art die Dörfler für euch zu gewinnen. Das wäre mit der Unterstützung eines Novizen sicher einfacher, der für euch das Sehen übernimmt. Es wird sich sicher ein Novize finden lassen und die Versorgung des Novizen lässt sich einrichten.“ Bei der Umschreibung der Umstände in denen Marbolieb lebte - leben musste und die Erwähnung des Barons von Rabenstein verzog der Oberst fast unmerklich das Gesicht, schwieg jedoch und hörte weiterhin aufmerksam zu, während er Speis und Trank zusprach. Vor allem der xorloscher Käse hatte es ihm angetan. "Mein Tempel steht in Calmir, dem Hauptort von Rabenstein." Gab die junge Geweihte - nur knapp über 20 Sommer mochte sie zählen - bereitwillig Auskunft. "Dem Baron bin ich noch nicht begegnet, seit ich wieder dort bin - bis zu seiner Burg sind es von Calmir aus drei Tagesreisen im Sommer, jetzt sind die Wege zugeschneit." Sie tastete nach den köstlichen Speisen auf dem Teller und genoss die Schnitte mit dem Rauchfleisch. Der Schinken war so fein geschnitten, dass er fast auf ihrer Zunge zerschmolz. Mit einem glücklichen Seufzer schloss sie einen Augenblick lang die Augen und spürte dem herrlichen Geschmack nach. "Es ist sehr weit nach Tandosch, Euer Wohlgeboren. Das wäre ein sehr großer Aufwand für euch." bedauerte sie. „Außerdem weilt seine Hochgeboren den Winter über in Almada, wo es wärmer ist“, warf Dwarosch nicht ganz ohne unterschwellige Abwertung ein. „Naja, ein Novize wird sich finden lassen und die Versorgung können wir sicher stellen. Wenn es euch recht ist werde ich das in die Wege leiten. Und sobald es sich ergibt werde ich euch in eurem Tempel besuchen.“ "Ihr seid mir herzlich willkommen." Die kleine Geweihte senkte ihren Kopf. "Ich hätte gerne einen Novizen, Euer Wohlgeboren. Doch das geht nicht. Ich könnte ihm nicht beibringen, was er wissen muss - und das mit der Versorgung wird so nicht gehen. Zumal es schrecklich teuer wäre. Ich könnte die Schuld niemals begleichen." Das leckere Essen schmeckte mit einemmal nach Asche. Sie seufzte und schob den Teller beiseite. Mehr als Krümel befanden sich allerdings nicht mehr darauf. „Die Götter haben es in den letzten Jahren mit Tandosch sehr gut gemeint. Da ist es nur angemessen etwas davon zurückzugeben. Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, eine Schuld begleichen zu müssen. Vielmehr ist Tandosch glücklich euch etwas an diesem Glück teilhaben zu lassen.“ Vorsichtig drückte Iriane Marboliebs Hand, beugte sich vor um ihr etwas zuzuflüstern. „Wie glücklich Tandosch handeln konnte werdet ihr heute Nachmittag erleben, das Tsatagsgeschenk für den alten Grummelbären hat auch so seinen Weg nach Tandosch gefunden.“ Marbolieb nickte, sichtlich nicht überzeugt, auch wenn nur ihre Nasenspitze und ihr Mund unter ihrer Kapuze hervorragten. "Ich kann dennoch keinen Novizen ausbilden, Euer Wohlgeboren. Und es wird nichts nutzen, wenn ihr ihm Münzen mitgebt, mit denen er nichts kaufen kann." Iriane konnte sich ihr Grinsen nicht verkneifen. Bei ihrem nächsten Besuch im Phextempal war wohl wieder eine größere Spende fällig. „Lasst uns einen Handel schließen. Ihr bereitet euch darauf vor einen Novizen auszubilden. Ich werde einen passenden für euch finden und die Steine aus dem Weg räumen. Ich muss mal euren Baron besuchen, es wird Zeit dass ich mich offiziell als Erbe von Tandosch vorstelle.“ "Aber ich kann doch keinen Novizen ausbilden!" Jetzt war die Verzweiflung in Marboliebs Stimme nicht mehr zu überhören. "Euer Wohlgeboren, ich danke Euch sehr für Eure Absicht und ich würde es auch gerne tun. Aber ich kann das nicht mehr!" Wenn nun Iriane den Baron versuchen würde zu beuteln, dann würde das in allererster Linie eine Menge an Unfrieden stiften, der sich über mehrere Zwischenschritte sicher über ihr entladen würde. Sie klammerte ihre Hände ineinander und die Schultern der schmalen Frau fielen noch etwas mehr in sich zusammen. „Wenn ihr Bedenken habt werde ich euch natürlich keinen Novizen suchen. Aber was bedrückt euch bei dem Gedanken, einen Novizen auszubilden und warum glaubt ihr das nicht mehr zu schaffen?“ Iriane fragte sich, welche Bedeutung das Wort „mehr“ aus dem Mund der Gewehten bedeutete. „Aber Besuch empfangt ihr in eurem Tempel?“ "Gewiss empfange ich Besuch." Schüttelte die Boroni verwundert den Kopf. "Aber einem Novizen müsste ich auch das Lesen und Schreiben, Bosparano und Tulamidisch beibringen und mit ihm Kirchenschriften studieren." Damit war die Sachlage doch klar - war die Geweihte überzeugt. „Hm, das hatte ich nicht bedacht.“ Irgendetwas kratze in Irianes Gedanken. „Sollte mir eine Lösung dafür einfallen können wir ja noch einmal überlegen ob diese Lösung in der Wirklichkeit, in der ihr lebt, Bestand hat.“ "Ich danke Euch, Euer Wohlgeboren. Doch macht mir Eure Mühe ein schlechtes Gewissen." Murmelte die Boroni, die sich sichtlich unwohler fühlte. Zu gerne hätte sie einen Novizen bei sich gehabt - das würde auch die Monde nicht ganz so einsam werden lassen. Doch ein solcher bedeutete Verpflichtungen, die sie einzuhalten hatte. Was die Idee verbot. Sie seufzte, zog die Kapuze ein bißchen tiefer und senkte den Kopf. Iriane verfiel in grübelndes Schweigen, ihr fiel spontan keine Lösung für die gewichtigen Argumente der Geweihten ein.

Im Tempel kniete Fiona vor dem Altar. Der Kampf jeder Hieb, jede Parade, jeder Schritt, jeder Fehler tobte durch ihren Kopf und füllte ihre Gedanken aus. Die Bilder wurden langsamer, verblassten und Leere breitete sich aus. Glücklich öffnete sie die Augen, ein dumpfer Schmerz lenkte ihren Blick nach unten. Die Wunde am Oberschenkel blutete immer noch, inzwischen kniete Fiona in einer Blutlache. Sie erhob sich und Assara half ihr, die Wunde zu versorgen. „Los raus aus der Rüstung, die brauchst du heute nicht mehr.“ Damit reichte Assara ihrer Cousine ein Bündel sauber gefalteter Kleidung. Verwundert starrte Fiona Assara an ehe sie verstand dass Iriane in weiser Voraussicht bereits im Voraus frische Kleidung hatte in den Tempel bringen lassen.

Sauber, erfrischt und entspannt betrat Fiona den Hof. Gerade kam der Koch des Barons über den Hof. Er verneigte sich kurz vor der Erstgeborenen und verschwand dann zielstrebig in der Küche des Kasernenbaus. Mehrere Söldner legten Holz in den großen Feuerschalen nach. Sie atmete tief durch und blickte in den grauen Himmel. "Fiona" erklang Radomirs Stimme vom Balkon über ihr. Sie sah auf. "Komm hoch, Kleine. Der Kaffee ist fertig und ein kleiner Imbiss steht auch bereit." „Das klingt doch gut.“ Inzwischen meldete sich Fionas Magen mit lautem Knurren. Sie Folgte dem Ruf ihres Onkels hinein und hinauf. Kaum hatte sie die Tür geöffnet da verharrte sie. Es waren mehr Leute im Raum als erwartet. Ihre Hand zuckte zum Tuzakmesser während sie sich umsah. Eine unbekannte Boroni stellte keine Gefahr dar, dann erkannte sie Dwarosch. Lachend betrat sie den Raum und verfiel automatisch ins Rogolan. „Dwarosch mein Freund. Willkommen in Tandosch.“ Die Züge des Oberst waren von einem freudigen Lächeln erfüllt, als er mit tiefem Bass den Gruß Fionas erwiderte. „Angrosch und dessen Sohn zum Gruße Fiona.“ Dwarosch trat auf sie zu und sie griffen sich fest bei den Unterarmen. „Es freut mich, dich wiederzusehen. Du hast gut gekämpft.“ Der Angroscho zwinkerte Fiona verschwörerisch zu, bevor er fortfuhr. „Ich habe zwar noch einen leichten Schädel von gestern Abend, aber darauf will ich mit dir nachher ein Bier trinken … mindestens eines.“ Fiona musste lachen. „Schön, dich wieder zu sehen. Du solltest wissen, dass man gegen Onkel Rado bei der Wahl der Waffen vorsichtig sein muss. Bier ist dabei definitiv die falsche Wahl. Wir werden nachher auf unser Wiedersehen anstoßen. Kennst du eigentlich meine Schwester?“ „Das werden wir“, bestätigte Dwarosch freudestrahlend, nur um sich dann Iriane zuzuwenden. „Nein, bisher nicht. Aber ich bin guter Dinge, dass du dies nun änderst“.

"Euer Hochwürden?" wandte sich die kleine Boroni an den Gastgeber. "Beginnt ihr jeden Tag mit einem Zweikampf?" "Die allermeisten, ja. Meist aber beenden wir die Tage eher damit das zwei oder vier meiner Söldner gegeneinander antreten. Ich habe die Andacht und die Gebetskämpfe in den Abend verlegt. Das schärft die Sinne und hilft, auch in der Dämmerung oder im Dunkeln nur im Licht des Madamals sicher zu kämpfen. Es sei denn einer hat mich gefordert ein Gebet mit ihm zu kämpfen. Diese Kämpfe finden am Morgen statt. Oder wenn Assara gefordert ist. Inzwischen ist es soweit, dass auch Sie gefordert wird Rat und Gebet zu kämpfen. Und jeden Windstag steht Sie gegen mich, um den schwarzen Prinzen zu ehren und ihrer Weihe näher zu kommen. Doch dafür muss sie mich besiegen. Auch wenn das nicht mehr lange dauern wird." Ein wenig Stolz schwang in der tiefen Stimme des Geweihten mit und Marbolieb hörte das Lächeln. Marbolieb nickte leicht. "Es ist das schönste Lob für den Lehrer, wenn der eigene Schüler ihn überflügelt. Das heißt, ihr macht viel richtig, Euer Hochwürden." Sie schob ihre Hände in die weiten Ärmel ihrer noch fast neuen und nahezu ungeflickten Robe und fügte nach einiger Überlegung hinzu. "Wird dafür ein Kampf auf das erste Blut reichen?" Die Stimme des Geweihten wurde ernst. "Nein meine liebe. Ein Kampf bis auf das erste Blut ist da nicht ausreichend. Sie wird mich besiegen müssen. Nachhaltig. Deswegen werde ich sowohl Dwarosch als auch den Einarmigen bitten, bei der Weihe zugegen zu sein. Sollte mich der Weg in diesem Kampf auf Kors ewiges Schlachtfeld führen könnte ich stolzer nicht sein. Und werde freudig gehen Assaras Mutter wieder zu sehen und Seite an Seite mit ihr in die Ewigkeit kämpfen, bis unsere Tochter uns folgen wird und wir wieder vereint sind. Dann muss Menetax als Bruder im Blute Assaras Weihe vollziehen und der Oberst ihr den Umhang umlegen. Die traditionellen neun Schnitte, die zur Weihe gehören werden von Fiona und Irian geführt. Das ist der Plan." Assara, die dem Gespräch aufmerksam gefolgt war sagte: "Ich werde Dich nicht töten, Vater." Da fuhr Radomirs Faust auf den Tisch das mehrere Becher umfielen. Er stand auf und seine Stimme donnerte durch den Raum, über den Balkon in den Hof und bis hinunter in Kaserne und Tempelhalle: "DIESE ENTSCHEIDUNG LIEGT NICHT IN EURER HAND, LEUTNANT!" Assaras Dienstgrad peitschte durch den Raum wie ein Donnerschlag. "Diese Entscheidung liegt einzig in der Hand des blutigen Himmelsreiters. Wenn es SEIN Wille ist das ich in Eurem Weihekampf falle, dann werdet IHR, Leutnant ter Boven, diesen Willen erfüllen! ICH DACHTE EIGENTLICH DAS HÄTTE ICH EUCH BEI GEBRACHT!!!" Die sich nun über den Raum senkende Stille war substantiell. Ohne ein weiteres Wort drehte Radomir sich um, griff im Gehen seinen Umhang und verließ den Raum. Wieder drückte Iriane Marboliebs Hand. „Verzeiht bitte, aber hier ist meine ich jemand gefordert der ausgleichender ist als die Kämpfer.“ Verwundert und vor allem allein blieb die Geweihte sitzen. Dieser Ausbruch Radomirs erzählte von einem: Angst und Wut, und als Ursache beider Dinge von zutiefst verletzten Gefühlen, Selbstzweifel und Unsicherheit. So deutlich und so kraftvoll. Ausgleichende Beruhigung würde vielleicht die Gemüter für's Erste beruhigen - aber nicht die Dinge angehen, die diesen Ausbrucht ausgelöst hatten. Nicht bei dem Vater. Nicht bei der Tochter. Und nicht bei der Baroness, die in ihrer unsicheren Wut ein Katalysator aller Emotionen von Vater und Tochter war. Es würde eine interessante Sache sein, mit den Zornböcken einzeln zu sprechen - aber für hier am Tisch mit allen Beteiligten war es weder die rechte Zeit noch der rechte Ort. Über die Lippen der mageren Geweihten legte sich ein sanftes Lächeln, dessen Unnachgiebigkeit der Oberst wiedererkannte. "Frau Assara, mögt ihr später etwas Zeit für mich erübrigen?" fragte sie stattdessen auf's Geratewohl in den Raum. Eines nach dem anderen. Assara schaute in die Runde. Sie legte ihr Besteck bei Seite und senkte das Haupt. "Ich weiß das ich ihn töten muss, wenn der Blutige es fordert. Gefallen muss es mir deswegen nicht. Und natürlich kann und werde ich Zeit für Euch haben, Euer Gnaden. Nur ist heute nicht die Zeit dafür. Vater wird sich beruhigen. Sein Blut kocht heiß und Kors Zorn ist stark in ihm. Es ist nicht das erste Mal, das wir diesen Disput führen.

Der Oberst hingegen blieb unbewegt bei dem Ausbruch des Korgweihten und nickte diesem nur ernst zu, nachdem er geendet hatte. Dwarosch hatte sein Versprechen gegeben, ebenso Metenax. „Assara wird ihre Weihe erhalten Bruder im Blute“, sprach der Oberst daher feierlich. „Ich gab dir mein Wort und ich wiederhole es hiermit, auch wenn ich hoffe, dass der Tag da ich es einlösen muss, fern ist.“ Assara antwortete dem Oberst an Radomirs statt, da der Geweihte die Worte zwar vernommen hatte, in seinem Zorn allerdings nicht reagierte. "Wir wissen es beide zu schätzen, Oberst. Und Ihr kennt das Wesen des schwarzen Prinzen ebenso wie ich. Deswegen könnt Ihr meinen Konflikt bestimmt nachvollziehen. Auf der einen Seite ist der Gnadenlose Kampf unser Weg. Auf der anderen Seite ist er mein Vater. Boron ist in jedem Kampf nicht fern, aber er ist mein Vater." Sie trank einen Schluck Kaffee. "Erschwerend hinzukommt, das sein Tsa- Tag ist. Da ist er noch launischer als sonst. Und Zorniger." "Das habe ich gemerkt.", pflichtete Fiona der jungen Frau bei. Während Dwarosch verständnisvoll nickte, als Assara den offenkundigen Konflikt mit ihrer Weihe beim Namen nannte, grunzte er bei letzter Feststellung. „Wie beruhigen wir sein Gemüt wieder?“, fragte er an beide jungen Frauen gewandt. „Soll ich mein Glück versuchen?“ "Nein." Wo genau der Oberst Platz genommen hatte, wusste Marbolieb nicht - sie war neben Iriane zum Sitzen gekommen, an dem Platz, an den die Edelfrau sie geführt hatte. So war ihr auch entgangen, dass die Frage sie nicht eingeschlossen hatte. Dennoch zweifelte sie nicht daran, dass Dwarosch ihre Stimme hören würde. Der Oberst sah überrascht auf zu Marbolieb hinüber. „Räblein, möchtest du das Gespräch mit ihm suchen?“ "Gib ihm etwas Zeit. Zudem ist ihm die Dame Iriane gefolgt." Die schmale Geweihte schlang ihre Hände um ihre Oberarme und rückte ein Stück weiter ans Feuer, vorsichtig bemüht, ihm nicht zu nahe zu kommen. Sie hatte sich unlängst einmal beim Anzünden ihres Herdfeuers den Ärmel angebrannt und es erst bemerkt, als ihr der Gestank brennender Wolle in die Nase gedrungen war. Auf eine Wiederholung war sie nicht erpicht. Nickend bestätigte Dwarosch, dass er die Intention Marboliebs verstanden hatte und gab ihr mit seiner Geste Recht. Sie indes erkannte seine Zustimmung nur allein am Geräusch, welches sein metallischer Bartschmuck bei der Bewegung produzierte. „Gut“, beschied der Oberst, „dann gebe ich ihm einen Moment.“

Iriane griff zwei Schnapsgläser und füllte diese. In ihrer Eile vergaß sie den Mantel und strebte in leichtem Gewand mit freien Schultern Radomir in die Kälte hinterher. Im Hof fand sie Radomir, der ihr den Rücken zugewandt hatte. Langsam näherte sie sich ihm, bewusst darauf achtend dass ihre Schritte zu vernehmen waren. Sanft berührte sie ihn an der Schulter und reichte ihm eines der Gläser. „Hier, trink was.“ Ein tiefes knurren war das einzige was von dem fast einen Kopf größeren kam. Er versuchte sich zu beruhigen. Er hörte sein Blut rauschen. Und der Zorn, der sich so spontan manifestiert hatte, kühlte langsam runter. Wie eine Schmiedeesse wenn der Blasebalg nicht mehr betätigt wird. Er griff nach dem Schnaps und spürte dem brennen nach. "Was hab ich verkehr gemacht? Jedes mal wenn das Thema auf den Weihekampf kommt prallen wir aneinander. Ich bin bereit zu sterben, wenn der Schwarze es fordert. Und wenn es durch Assaras Hand sein soll, dann ist es SEIN Wille. Und sie würde meinen Posten übernehmen. Du weißt das sie fähig dazu ist. Auch wenn sie erst nach Kunchom und Al'Anfa reisen sollte. Kämpfe schlagen und Erfahrungen machen." Er schaute geradeaus in die Feuerschale, als würde er dort eine Antwort finden. "Meine Zeit ist um“, murmelte er mehr zu sich selbst. "Das war sie schon in Tobrien." Zwei Söldner huschten vorbei und sahen aus als wären sie kurz davor die Köpfe einzuziehen. Sie wussten, wenn ihr Hauptmann in dieser Laune war sollte man ihm aus dem Weg gehen, wenn man nicht unversehens gefordert werden wollte. Iriane schleuderte ihr leeres Schnapsglas in die Feuerschale. Der im Glas verbliebene Rest flammt hell auf als das Glas zerplatze. „Sei nicht zu streng mit Assara. Sie weiß ganz genau auf welchem Weg sie dir folgt und was das bedeutet. Aber sie wird immer deine Tochter bleiben und dich immer lieben. Wenn sie soweit ist wird ihr innerer Kampf der schwierigere sein, aber sie wird ihn gewinnen.“ Auf ihren nackten Schultern bildete sich Gänsehaut. „Du weißt nicht welche Pläne der Schwarze mit dir hat. Ginge es ihm bei dir nur um Blut und Kampf hätte er dich schon lange abberufen, das sagst du selbst. Ich bin froh, dass du da bist, alter Brummbär.“ "Manchmal glaube ich das er gar keine Pläne mit mir hat. Ich werde der erste Priester des Scharfrichters, der an Altersschwäche im Bett stirbt." Auch sein Schnapsglas landete im Feuer. Dann sah er auf Iriane hinab. "Geh wieder rein bevor Du Dir die Keuche holst. Mich zieht es zum Anger. Entschuldige mich bei den Gästen. Ich werde hochkommen, wenn ich mich wieder im Griff habe." Er gab ihr einen Knuff auf den Oberarm, der dazu führte, dass sie einen halben Schritt zur Seite machen musste. Iriane verpasste Radomir ebenfalls einen Knuff, doch ihre Kraft reichte nicht aus ihn auch nur leicht ins Schwanken zu bringen. „Heute ist dein Tsa-Tag, du bist nur von deinen Freunden und deiner Familie umgeben. Lass dich darauf den Tag zu genießen.“ Ehe Radomir ihr eine Antwort an den Kopf schleudern konnte zwinkerte sie ihm zu und ging wieder ins Innere des Tempels.

"Wenn ich ihn richtig einschätze, dann wird er jetzt auf dem Boronsanger im Hof sein, Oberst. Vielleicht könnte er jetzt einen Freund brauchen, der nicht um Haus Tandosch gehört. Und ihr seid einer der ganz wenigen Freunde, die er hat. Und der ihn versteht“, sagte Assara auf die Frage des Zwerges. "Wir werden noch feiern heute, doch im Moment…. " Sie ließ den Satz unvollendet und schaute dem Oberst in die Augen. Dieser erhob sich, ohne jedoch den Blick von Radomirs Tochter zu nehmen. „Euren Vater interessiert die Feier nicht, wichtig ist ihm allein, dass wir alle hier sind. Ich gehe den Bock jetzt bei den Hörnern packen. Eine Idee, wie ich das anstelle habe ich schon.“ Mit einem Augenzwinkern wandte sich Dwarosch ab und verließ die Anderen in Richtung Hof. Als der Oberst seinen Mantel gegriffen hatte und nach unten ging traf er die durchgefrorene Iriane, die die Treppe hinaufkam. Sie sah ihn freundlich an und sagte: "Er ist auf dem Boronsanger. Vor oder im Mausoleum. Er hält Zwiesprache mit Tharahnna, seiner Gefährtin denke ich. Aus der Tür rechts den Durchgang und dann durch die Bogentür." Der Oberst nickte und schlug den beschriebenen Weg ein. Der Boronsanger war eindeutig nach Al'Anfanischem Vorbild. Wände eines Columbariums standen rechts und links. Viele der Fächer waren bereits versiegelt. Hier und da sah man den gekrönten Raben Al'Anfas eingeschlagen, und die Namen derer, die hinter den Granitplatten ruhten. Und hinten in der Mitte stand das von Assara und Iriane erwähnte Mausoleum. Es war von eindeutig zwergischen Händen aus schwarzem Granit gefertigt, zwei Stelen umrahmten eine Tür aus Eichenholz. Keinerlei Schriftzeichen waren zu erkennen. Lediglich das Schwerterkreuz des Blutigen zierte in Blutrot den Giebel. Die Tür stand offen. Von drinnen war die dunkle raue Stimme des Geweihten zu hören. "...was ich tun soll.", hörte der Zwerg. "Ich hardere, Liebste. Wie immer. Und je älter ich werde, umso mehr hadere ich." Ein kurzes Lachen erklang, mehr ein schnauben. "ER hätte mich schon längst zu Euch holen sollen. Ich werde alt. Spüre die alten Verletzungen. Werde steifer und unbeweglicher. Was soll ich hier noch? Habe ich nicht alles erreicht was ich IHM zu ehren erreichen konnte?" Ein tiefes atmen. "Bei KORS Spieß, Ich habe mehr erhalten als ich verdient habe. Ich hatte Zeit mit Dir, wir haben eine Tochter auf die Du genau so stolz wärst wie ich es bin. Ich durfte einen zwergischen Tempel weihen, wodurch mein Name fast unsterblich geworden ist. Ich habe Freunde gefunden, in Dwarosch noch mehr als das. Und doch…." Schritte erklangen aus dem Inneren als die große Gestalt sich bewegte, "bin ich noch hier. Was ist SEIN Plan? Was ist SEIN Wille? Verspottet er mich indem er mich alt werden lässt? Habe ich gefehlt, ohne es zu wissen und das ist meine Strafe?" Ein tiefes Seufzen erklang als Dwarosch die Tür erreichte. Als der Oberst hinein blicken konnte sah er drei Podeste. Auf dem linken Podest stand eine schmucklose, aber formschön gearbeitete Graniturne. Unter dieser lag ein rotes Tuch, das neben dem Schwertkreuz Kors auch den Mantikor aus Radomirs Wappen eingestickt hatte. Davor stand auf dem Boden, an das Podest gelehnt ein nahezu zerschmetterter Rundschild. Hinter dem Podest ragte ein Kor-Spieß hervor. Deutlich kleiner als die riesige alte Waffe, die Radomir führte und "Fünfblatt" nannte, weil vier Blätter zu den traditionellen neun fehlten. Aber eindeutig auch alt. Die anderen Podeste waren leer. Doch welchem Zweck sie dienten war klar. Irgendwann sollten hier die Urnen von Radomir und Assara stehen. Im Halbdunkel des etwa zwei Schritt auf vier Schritt kleinen Raumes sah der Oberst die große Gestalt des Geweihten. An die Wand neben der Urne gelehnt, den Kopf gesenkt und die Arme vor der Brust verschränkt. Dwarosch trat noch einen Schritt näher an die Tür heran und räusperte sich, so dass der Geweihte ihn hören könnte. Überrascht drehte sich Radomir zum Eingang des Mausoleums und blickte den Oberst fragend an. „Erlaubst du mir einzutreten“, fragte Dwarosch und sein Tonfall verriet Verständnis dafür, dass dies eine große Bitte war, war die Grabstätte doch etwas sehr persönliches, ein intimer Ort. Radomir jedoch nickte knapp und blickte dann wieder auf die Urne zur Linken herab. In gemäßigtem Schritt trat der Oberst ein gesellte sich an Radomirs Seite. Gemeinsam verbrachten sie einige Zeit im Schweigen, denn Dwarosch hatte gelernt, dass allein die Anwesenheit einer verwandten Seele imstande war Kraft, aber auch Trost zu spenden. Dies war eine der Lehren, die Marbolieb ihm vermittelt hatte. „Es ist eine schöne Ruhestätte“, brach der Oberst schließlich das Schweigen. „Würdig, um auch deine Gebeine zu bewahren Bruder. Doch du solltest dich nicht nach dieser ewigen Ruhe sehnen. Sie wird kommen, der Herr des Totenreiches ist unausweichlich. Du wirst sie wiedersehen und mit ihr vereint sein, aber noch wirst du hier gebraucht. Vergiss nie, die Bande eines Vaters und einer Mutter zu Sohn und Tochter und anders herum von den Kindern zu ihren Eltern, ihre Liebe, etwas ist, dass wir sterblichen niemals in Frage stellen sollten, denn es ist von den Göttern gefügt, eine Grundfeste unseres Seins. Akzeptiere, dass Assaras Liebe zu dir in keinster Weise dazu angetan ist deinen Willen, oder den Willen Kors in Frage zu stellen. Der schwarze Prinz wird zu seinem Recht kommen Radomir, aber erst, wenn die Zeit gekommen ist. Für dich ist sie das nicht.“ Bei diesen Worten wollte der Korpriester aufbegehren und wendete sich dem Oberst zu, doch dieser fuhr unbeirrt fort. „Du fragst ernsthaft nach deiner Aufgabe im Diesseits? Das Zentrum der Rondrakirche- Arivor ist gefallen, die Spitze des Schwertes abgebrochen, der Aufstieg Leudaras von Firunen im Land am Born, der Tempel von Firunen, der einst der Leuin und nun dem Mantikor gehört, die Schlachtfelder der Wildermark und die Blutkerbe, Mendena, der Sieg über Haffax… und ich könnte weit mehr aufzählen Radomir. ER wird stärker, SEIN Einfluss wächst. Du sagtest mir einmal, dass du einer der wenigen Mystiker deiner Kirche bist. Glaubst du in einer solchen Zeit kann sie auf dich verzichten. Und meinst du nicht, es wäre ihm ein leichtes gewesen, dich zu sich zu berufen, hätte er es wirklich gewollt? Erinnere dich an unseren Kampf Bruder. ER sprach zu uns, beendete das Gebet des Stahls. Er ließ dich den Tempel der Immerwährenden Bestie der Dunkelheit weihen und ER nahm dir… ein Auge.“ Dwarosch wurde lauter. „Und erzähle mir nicht es war dein freier Wille. Sei kein Narr! ER wusste, dass du IHM jedes Opfer bringen würdest. Aber ER wollte ein Auge. Verdammt… ein Auge Radomir! Verstehst du nicht? Das Auge sieht nur das was ist, das Stoffliche unserer Welt. Doch nur der Geist kann das sehen was dahinter ist und was wohlmöglich seien wird. Du bist Mystiker? Dann begreife endlich, dass es etwas zu bedeuten hat, dass er dir ein Auge nahm. Die Kirche des Kor braucht dich, weil du mit dazu auserkoren bist ihr den Weg aufzuzeigen.“ Der Unterkiefer des Geweihten mahlte. Er stand dem Oberst zugewandt. Dann schloß er das Auge und atmete tief durch. Ruhig war seine Stimme. "Ich kann mich nur schwer damit abfinden. Wir Menschen haben, verglichen mit den Kindern des Schmiedes, nur eine sehr kurze Zeit. Und altern schneller." Er lächelte und drehte sich wieder zu der Urne. Sanft legte er die Hand darauf. "Und gerade uns Dienern des Himmelsreiters ist es nicht zwangsweise bestimmt, diese kurze Frist bis zum Ende auszukosten. Tharahnna war 36 Götterläufe alt, als sie gefallen ist. In der Schlacht vor Warunk. Ein Dämonendiener zerschmetterte ihren Schild. Mit dem zweiten Schlag zertrümmerte er ihr den Brustkorb. Und trotzdem besiegte sie ihren Gegner. Und ist ehrenvoll auf das Ewige Schlachtfeld geschritten. Ist es falsch von mir, einen ebenso ehrenvollen Weg zu beschreiten?" Der Geweihte hatte mehr zu sich selbst gesprochen, wandte sich nun aber wieder dem Zwergen zu: "Beantworte mir eine Frage: Wie alt bist Du, mein Freund?" Der Oberst, der den aufwallenden Zorn in der Miene des Geweihten mit standhaft Blick begegnet war, nickte verständnisvoll. "Du hast es mehr wie jeder andere verdient nach deinem freien Willen auf dem Schlachtfeld zu sterben und mit deinem Weib wiedervereint zu sein Bruder. Nur", Dwarosch stockte kurz und schüttelte den Kopf. "Es ist IHM vollkommen gleichgültig was du verdienst, was du möchtest, du bist SEIN, noch bedeutend mehr als ich es bin Radomir." Dwarosch klang aufgewühlt, Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit. "ER weidet sich an deinem Hadern, an deinem inneren Zweifeln, deiner Schwäche. ER prüft dich und spielt mit dir. ER verlangt mentale, geistige Stärke, nicht nur körperliche. ER prüft dich und lacht in solchen Momenten. Vergiss nie, ER ist grausam und ohne Gnade Bruder. Erkenne es!" Dwarosch unterdrückte den inneren Drang danach die bittere Galle, die sich in seinem Mund sammelte auszuspucken. "Ich bin über einhundertsechszig Jahre alt Radomir. Davon diente ich ihm einhundert Jahre auf den Schlachtfeldern des gesamten Kontinents als Söldner. Dann verlangte er zu viel von mir. Die Trollpforte brach mich. Ich wollte nicht mehr, wollte das alles endet, hatte Todessehnsucht, frag Marbolieb. Doch selbst die Saat des Mordbrenners, die in mir keimte dieser Tage, vereitelte nicht SEINEN Plan. Heute diene ich IHM wieder, aber eben anders. Ich habe fünfhundert Mann unter mir, die ich auf meine Weise, aber eben auch in SEINEM Namen ausbilde und führe. KOR als Sohn Angroschs gewinnt an Bedeutung unter den Kindern des Weltenbauers. Ich weiß nicht, ob mein Leben unausweichlich zu diesem einen Punkt führen musste Bruder, aber ich weiß, oder vielmehr habe ich erkannt, dass ich trotz meiner innigen Abneigung für SEINE Mittel, ich dennoch der SEINE bin und immer sein werde bis zu meinem letzten Atemzug. Ich habe gelernt zu akzeptieren, dass ich nur eine Figur in SEINEM Spiel bin und das ER die besten Chancen hat zu gewinnen, wenn SEINE Diener nicht wissen welche Bedeutung sie haben und wohlmöglich in Zukunft spielen werden." Der Oberst schnaubte, sichtlich aufgewühlt. Radomirs Schicksal ging ihm unzweifelhaft nahe. "Vertraue auf dich selbst, finde deine innere Stärke wieder und lass damit SEIN Lachen verklingen, dann wird ER den nächsten Zug machen und dir vielleicht Stück um Stück offenbaren, welche Rolle du von IHM zu spielen bestimmt bist." "Dann wird er begeistert sein von meinem Hadern. Mit jedem Götterlauf den ich altere, wird es schlimmer. Da kann ich richtig stolz auf mich sein", schnaubte der Geweihte zynisch. "Seinen Weg nicht kennen. Es sollte doch ein Segen sein nicht zu wissen was die Zukunft bringt. Aber was mache ich? Ich versuche zu hinterfragen, einen Sinn in meinem Dasein zu finden. Wobei ich doch längst wissen müsste das ER mir den Sinn nicht offenbaren wird. Ich habe versucht, ihm ein guter Diener zu sein seit ich in der Arena kämpfte. Ich habe gekämpft, gepredigt, Verträge ausgehandelt. Habe geblutet und meine Gegner bluten lassen. Und mein Bestes getan um meine..", er schaute zur Urne, "Verzeih, unsere Tochter zu einer Kämpferin und Geweihten nach SEINEM Willen zu erziehen. Du hast mir die Möglichkeit gegeben einen Tempel zu weihen. Was soll da noch kommen? Die Zeiten werden dunkel, gewiss. Doch was kann ich alter Mann…" er unterbrach sich, schüttelte den Kopf und sah den Oberst stumm an. Sein Gesicht glättete sich. "Entschuldige mein Freund. Du bist mehr als vier Mal so alt wie ich. Es muss sich in Deinen Ohren albern anhören. Ich bin ein Narr. Ein zweifelnder, zorniger, aufbrausender ungerechter Narr. Du hast recht. Ich sollte an mich glauben. Ich sollte an IHN glauben. Aber an diesem Tag…. Ist es jedes Mal schwer. Wenn ich abends am Ofen sitze komm die Bilder der Vergangenheit. Schlachten. Verlorene Kameraden. Verlorene…" wieder brach er ab. Schaute zur Urne. "Freund Zwerg, werde ich zu sentimental für einen Diener des blutigen? Zu weich? Heißt es nicht Das Herz kalt wie der Karfunkelstein Farmelors? Stell Dir doch mal vor: Ein altersmilder KOR-Geweihter." Er schnaubte noch einmal, schüttelte den Kopf und lachte leise. Dabei griff er in seinen Mantel und holte eine kleine Tonflasche heraus. Er entkorkte sie, goss einen Schluck auf die Urne, nahm selbst einen, schüttelte sich und reichte sie wortlos den Oberst. Sein Zorn schien verraucht. Auch der Oberst trank, dann gab er das Fläschchen zurück. Kurz entstand ein Schweigen, dann jedoch klimperte Dwaroschs Bartschmuck. Er schüttelte den Kopf und wiedersprach dem Geweihten. „Es liegt in der Natur der Sterblichen zu zweifeln. Dies ist etwas, dass nicht nur den Menschen zu eigen ist. Ich tue es noch heute und das nicht selten.“ Dwarosch lachte auf, voller Selbstironie, doch auch dies unterbrach seinen Redefluss nur kurz. „Sich selbst, sein Handeln und seine Motivation zu hinterfragen, fortwährend zu prüfen, ob die Ziele, die man verfolgt noch die richtigen sind- all dies sind Notwendigkeiten, um sich nicht zu verirren“, erklärte der Oberst aus tiefer Überzeugung. „Und Radomir, Gefühle vor denen zu zeigen, die du liebst und vor deinen Freunden, hat nichts mit Altersmilde oder gar Schwäche zu tun. Vergiss das ganze Geschwafel von Unnahbarkeit, Härte und Gnadenlosigkeit.“ Dwarosch machte eine unwirsche, wegwerfende Handbewegung. „Nach außen hin ja, meinetwegen. Aber am Ende bist du immer noch ein Mensch. Und ein Mensch zu sein, ebenso wie ein Angroschim, bedeutet viel mehr als nur das. Es sind diese Dinge, die unter der Fassade liegen, die uns zu dem machen wer wir sind. Und du bist weit mehr als ein Diener des donnernden Himmelsreiters.“ In Radomirs Auge konnte Dwarosch den Widerstreit seiner Gefühle sehen. In ihm kämpften Zweifel und Zorn. Rangen mit dem, was der Freund ihm gesagt hatte. Dann lächelte er. "Du wirst recht haben. Aber schwierig ist es trotzdem." Er schaute vom Oberst wieder auf die Urne. "Du hättest sie gemocht. Voll Feuer und Zorn. Eine Kämpferin die IHM Ehre machte. Und eine Schönheit, trotz ihrer oder gerade wegen ihrer Narben. Assara hat viel von ihr. Auch in ihr brennt SEIN feuriger Zorn, und im Kampf ist sie mir fast ebenbürtig. Doch ihre Mutter…", sein Auge bekam ein lodern als er zurückdachte an die Kämpfe, "sie hat mich mehr als einmal besiegt. Bei Kors Atem, das waren kämpfe." Er atmete tief durch. "Und jetzt sieh mich an. Schelten und fordern würde sie mich, wäre sie jetzt hier. Mich einen dummen Dickschädel nennen. Und recht hätte sie." Er löste sich von der Wand. "Dwarosch, tu mir während Deines Aufenthalts einen gefallen. Fordere Assara zum Gebet. Es wird Zeit das ich mir Gedanken über ihre Weihe mache. Und mich würde Deine Meinung zu ihren Kampfkünsten interessieren. Es steht Deinen Männern natürlich auch frei, mich zu fordern. Und auch Dir." Er klopfte dem Zwerg auf die Schulter. Der Oberst indes seufzte innerlich. Der Geweihte war eine wirklich harte Nuss. Seine Zweifel saßen tief. Aber was hatte er auch erwartet? Er mochte reich sein an Erfahrung durch seine Lebensjahre, aber sonderlich gut im Umgang mit solcherlei Dingen war er nie gewesen. Vermutlich war ein Denkanstoß das Einzige, zudem er Radomir verhelfen konnte. Die freundschaftliche Geste, die der Geweihte ihm mit dem Schulterklopfen angedeihen ließ, ließ den Oberst zumindest hoffen eben dies erreicht zu haben. Wissen konnte er es nicht. Dennoch rang Dwarosch sich zu einem Grinsen durch und stieß dem Hünen spielerisch mit dem Elenbogen in die Seite. „Sag ihr“, setzte er dann zu einer Antwort an, „dass ich nicht ablehnen werde, wenn sie mich fordert. Aber“, Dwarosch ließ den nächsten Satz unvollendet und blickte von unten zu Radomir auf. „Sag ihr ebenfalls, dass ich dank der dann bei mir liegenden Wahl der Waffen zu ergründen trachten werde wie zäh sie ist.“ Der Oberst grinste, wandte den Blick dann jedoch ab. Er hatte noch andere Pläne und ein Kampf mit Assara hatte keine Priorität. Dwarosch neigte einmal das Haupt vor der Urne der Verstorbenen Frau des Geweihten, um ihr seinen Respekt zu zollen, dann setze er von neuem zu sprechen an. „Und jetzt Bruder, führe mich in den Tempel“, bat er. Das, „warum erfährt du früh genug“, ergänzte er dann in einem Tonfall, der deutlich klarstellte, dass der Oberst es meinte, wie er es sagte. Gemeinsam traten sie aus dem Mausoleum. Radomir schloss die Tür und ging gemeinsam mit Dwarosch den Weg vom kleinen Boronanger zurück über den Innenhof in den Tempel. Die wenigen Stufen hinunter und zu dem schwarzen Holztor mit dem geschnitzten Mantikor. Er öffnete die Tür ließ dann dem Oberst den Vortritt. Im gegensatz zum Tempel unter der Zwergenstadt war dieser klein, aber doch diente er dem selben Zweck. Der aufrecht stehende Mantikor, gleichsam Symbol des Blutigen wie Wappen Radomirs, die rot glosenden Rauchbecken dahinter, an den Wänden die Waffen und Banner. Das Schwerterkreuz eingerahmt vom Banner der Kaiserlichen und des Dämonenmeisters mit der siebenstrahligen Krone an der Stirnwand. Auch die Opfer, die der Oberst bei seinem ersten Besuch dar gebracht hatte, hatten einen festen Platz bekommen. Dwarosch trat vor den Altar, nahm eine kleine Opferschale, die darauf stand und kniete sich hin. Nicht jedoch dem Opfertisch zugewandt, sondern dem Geweihten. Schweigend wies der Oberst Radomir an es ihm gleich zu tun. Nachdem auch der Geweihte sich niedergelassen hatte und nun dem Oberst gegenüber auf dem Boden kniete, stellte Dwarosch die Schale zwischen sich und Radomir und zog einen in ein rotes Tuch gehüllten Gegenstand unter seinem Mantel hervor. Langsam, fast ehrfürchtig wickelte der Zwerg etwas aus, dass erst auf den zweiten Blick als Dolch zu erkennen war. Nach seiner Form war jene Waffe, wobei dieser Begriff seiner Gestalt nicht gerecht wurde, geschwungen. Der Griff spiegelte wie teures, auf hochglanz poliertes Unauer Porzellan, war aber ganz offensichtlich aus Bein. Ja, es war ein schmuckloser, aber gewaltiger, etwa acht Finger langer Reißzahn. Nur wenige Reptilien auf Dere mochten einen Solchen besitzen. Die Klinge indes machte den Dolch noch außergewöhnlicher, denn sie war nicht aus Metall. Wie ein flacher Tannenzapfen war sie geformt und in ihrer dicken mitte fast von schwarzer Farbe, wohingegen sie an den Schneiden durchscheinend und grünlich wirkte- Obsidian, Vulkanglas. Zusammengefügt waren beide Teile mittels einer geschwungenen Stange, die oben und unten Verbreiterungen besaß, um Bein und Obsidian aufzunehmen und zusammenzuhalten. Radomir erkannte Zwergensilber. Dwarosch griff nach dem Dolch und legte sich die Klinge in die linke Hand. “Lange schon wollte ich jene Beutestücke meiner vielen Söldnerjahre auf diese Weise zusammenführen. Nun weiß ich, dass ich zurecht so lange gewartet habe.” Die Finger schlossen sich und kurz zuckten die Mundwinkel des Zwergen. Als er die Hand wieder öffnete war das Vulkanglas von Blut benetzt. Langsam ließ der Oberst einige Blutstropfen in die Schale vor sich tropfen, dann reichte er den Dolch an Radomir weiter. Dieser ergriff den Dolch. Er schloß seine Hand darum und ließ sein Blut ebenfalls in die Schale tropfen. Dann legte er die Waffe vorsichtig auf das Tuch und sah dem Oberst in die Augen. Der rötliche Schein des Tempels spiegelte sich in seinem Auge. Als auch der Geweihte Blut in die Schale vergossen hatte tauchte Dwarosch seinen Finger hinein und verrührte den roten Lebenssaft ohne jede Hast. Als der Zwerg der Meinung war, dass es ausreichte, fuhr er fort, während er erst sich und dann Radmir, mit Blut das Schwertkreuz ins Gesicht malte. “Ich Dwarosch, Sohn des Dwalin tue unter den Augen des schwarzen Prinzen und meines Bruders kund, dass ich die Tochter des Radomir im Waffenhandwerk unterrichten und ihr alles beibringen werde, was ich vermag. Assara soll im Frühjahr, zur Schneeschmelze nach Senalosch kommen und sich im Tempel der Bestie der immerwährenden Dunkelheit einfinden. Metenax Einhand wird sie erwarten. Auch er wird sein Bestes tun sie auf die Weihe vorzubereiten, insbesondere wenn ich in der Fremde weile. Der Sohn des Muhortimnax aber, wird sie auch in den Lehren des Kodex weiterbilden und sie zu den Vertragsverhandlungen der Spießbuben mitnehmen, auf dass sie lernen soll, wie man unter Kors Augen einen angemessenen Sold aushandelt, denn auch der Weg des guten Goldes ist demjenigen zum Wohlgefallen, der lachend über das Schlachtfeld schreitet. Dir aber Radomir, mein Bruder, lege ich nahe dich auf eine spirituelle Reise nach Al’Anfa zu begeben. Dort wo alles begann, an jenem Platz, da dich SEIN Ruf ereilte, sollst du ergründen, welches deine zukünftige Aufgabe sein soll. Lasse deine Pflichten, die dich hier bilden eine zeitlang zurück, wisse deine Tochter in guten Händen und in Sicherheit und finde deinen Weg.” "Vielleicht sollte ich das tun. Und vielleicht ist es Sein Wille Du mich begleiten. Wir beide. Durch den Kontinent. Ohne Eskorten oder Begleitung. Nur wir, die Pferde und die Waffen." Ein Seufzen erklang. Der Oberst wirkte für einen Moment lang müde. "Gern würde ich mit dir dieses Abenteuer antreten Bruder, doch mein nächster Weg wird mich zurück nach Tobrien führen, an einen Wendepunkt meines Lebens. Dies wird auch eine Art Pilgerreise werden. Ich verdanke Peraine die Tatsache, dass ich nicht als Versehrter heimgekehrt bin vom Feldzug gen Mendena." Gedankenverloren griff Dwarosch mit der Rechten ans Handgelenk der linken Hand während er sprach. "Meine Schildhand wurde abgetrennt. Es war ein Zant im Feldlager an der Tersalschlaufe. Der Dämon griff das Lazarett an. Ivetta von Leihenhof wirkte nach dem Kampf das, was sie später mir gegenüber ein großes Wunder nannte. Magie war wohl nachrangig auch im Spiel." Immer noch ungläubig über jenes göttliche Wirken schüttelte der Zwerg den Kopf. Die linke Hand öffnete und schloss sich zweimal und fesselte die Augen des Zwergen. Erst dann sah Dwarosch wieder auf. Entschlossenheit lag in seiner Miene. "Ich werde nahe Mendena helfen ein Ordenshaus des Dreischesterorden mit aufzubauen. Die Dankbarkeit, die ich empfinde, muss endlich ihren Ausdruck finden. Dies kann nicht länger warten. Meine Pläne, die ich auf dem Heimweg von Mendena seinerzeit geschmiedet habe, sind umgesetzt, alle Weichen für die Zukunft gestellt. SIE noch länger warten zu lassen, hieße ihr vorzuenthalten was sie verdient. Marbolieb und ihre Tochter werden mich begleiten. Das Kind ist nun auch meine Tochter. Wohin ich gehe, geht auch Mirlaxa. Ob ich Assara mitnehme, oder sie bei Metenax im Tempel verbleibt, wird sich zeigen. Meinen Reflexen dürfte es nicht schaden und sie würde vermutlich schon im Ansatz verhindern das ich einroste." Der Oberst grinste und legte den Kopf schräg. "Vielleicht würde es ihr ja guttun. Am Ende sollte sie es selbst entscheiden. Mendena ist ein Pilgerort für viele Korgläubige, vor allem das Schlachtfeld vor der Stadt. Über zweihundert Mann habe allein ich dort verloren, bis wir den Zwinger des Eslamsbrücker Tores gebrochen hatten und die schwere Reiterei in die Stadt eindringen konnte. Ich selbst habe an der Stadtmauer nahe dem Tor einen Schrein für den Mantikor errichten lassen bevor wir den Heimweg antraten. Das Schwertkreuz ließ ich aus den Waffen getöteter Schwarzamazonen grob zusmmenschmieden, so dass beides- Waffen, aber ebenso das Symbol Kors zu erkennen sind." Nochmals seufzte Dwaroschs. „Du siehst also Bruder, mein Weg ist ein anderer.“ Radomir schwieg kurz. Es knackte in den Feuerschalen. Seine Gedanken sortierten sich. Mendena. Das Schlachtfeld. Er war zu der Zeit auf einem anderen Schlachtfeld gewesen. "Vielleicht soll es so sein. Aber, Bruder, versprich mir eins. Wenn Du in die Schlacht ziehst mit Deinen Leuten, sende mir Nachricht. Ich werde Seite an Seite mit Dir stehen. Und SEINEN Zorn über das Schlachtfeld bringen. Und zur Schneeschmelze werde ich nach Al'Anfa aufbrechen. Und Kunchom einen Besuch abstatten. Danach treffen wir uns in Selanosch um über Assaras Weihe zu sprechen. Ich vertraue sie Dir und Menetax an, sie das zu lehren was ich ihr nicht beibringen konnte. Vielleicht ist dies der Weg, den ich alter Dickschädel gehen muss. Aye?" Der Geweihte streckte dem Oberst die Hand hin. „Aye“, bestätigte Dwarosch ohne zu Zögern und die Züge des einstigen Söldners entspannten sich. Ja, er lächelte gelöst, als die beiden Männer sich freundschaftlich bei den Unterarmen griffen, um das Besprochene auf ihre Weise zu besiegeln. Der Oberst hoffte inständig er hatte das richtige getan. „Ich gehe nach Tobrien, um zu helfen ein Ordenshaus zu errichten“, sprach der Oberst kurz darauf, als sich ihre Hände lösten und sie sich wieder erhoben. Humor schwang in seiner Stimme mit. „Aber wenn ich nach meinen Männern schicken muss, dann wirst auch du Nachricht erhalten, Ehrenwort.“ Dwarosch grinste. „Und jetzt lass uns zu den anderen zurückgehen Bruder, sie warten sicher schon auf uns.“ Der bullige Zwerg wandte sich Richtung Ausgang, dann hielt er jedoch noch einmal inne und nickte in Richtung der Opferschale und des Ritualdolches. „Er gehört dir.“ Radomir glaubte sich verhört zu haben. Einen solchen Dolch gab man nicht einfach so her. "Mir? Dwarosch, das kann ich nicht annehmen. Er ist…" der Geweihte suchte nach passenden Worten. Alles was ihm in den Sinn kam fühlte sich falsch an. Der Oberst lächelte. „Ein einfaches Danke reicht.“ Das Dwarosch gekränkt wäre, würde der Geweihte das Geschenk nicht annehmen blieb unausgesprochen, Radomir erkannte diesen Umstand dennoch. Der Zwerg machte keine Scherze. „Ich bin in meinem Leben nicht vielen Menschen begegnet, denen ich ein so persönliches Geschenk gemacht habe“, sprach der Oberst weiter. „Nimm es an Bruder und sieh es als das was es ist- ein Zeichen unserer Freundschaft.“ Wortlos, das war Radomir im ersten Moment. Dann sagte er: "Dann ein aus tiefstem Herzen kommendes Danke, mein Freund." Vorsichtig bückte er sich und packte den Dolch wieder in das rote Tuch, aus dem Dwarosch ihn vorher gewickelt hatte. "Es ist mehr, als ich jemals erwartet hätte geschenkt zu bekommen. Aber ich nehme ihn nur unter einer Bedingung, Freund Zwerg." Der Oberst zog eine Augenbraue hoch. "Du erzählst mir heute Abend die Geschichte des Dolches." Er lachte. "Und nun, lass uns zum Frühstück zurück kehren. Die anderen werden sich wundern wo wir bleiben." „Einverstanden“, erwiderte Dwarosch ohne zu zögern. Nach kurzer Pause ergänzte er im ernsten Ton: „Ich habe aber auch eine Bedingung.“ Die Miene des Oberst war undeutbar. „Nenn mich nie wieder Zwerg.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ den Tempelbau. Fast schon dachte Radomir er hätte Dwarosch gekränkt, doch das, „lass mich nicht so lange warten, sonst freß ich die Tafel alleine leer und du kriegst nichts mehr ab von all den Leckereien“, belehrte ihn eines Besseren. Da war er nun allein mit sich, seinen Gedanken und dem Altar seines Gottes. Der Oberst hatte ihm mit der Holzhammermethode einen neuen Weg aufgezeigt. Vielleicht würde er ihn zur Erkenntnis führen. Und wenn nicht, so hatte er immerhin endlich die Initiative ergriffen und das ewige, nutzlose Grübeln hinter sich gelassen, welches ihn irgendwann sicher verrückt werden ließ. Wie um diese Gedanken zu konterkarieren, zeigten Radomirs Lippen plötzlich ein schmales Lächeln. Er dachte an Tharahnna. Ja, ihr hätte das Resultat des Gesprächs sicher gefallen.

Radomir wickelte das Messer vorsichtig wieder in das Ledertuch. Dann folgte er dem Oberst und gemeinsam schritten sie wieder die Treppe hinauf bis in den Wohnbereich des Geweihten. "Hochwürden Radmoir?" Marbolieb hatte ihrem großzügigen Gastgeber Zeit genug gelassen, in Frieden anzukommen. Seine Wut von vorhin schien verraucht - was sie aber auch nicht gestört hatte. Mit Wut vermochte sie umzugehen, diese war ihr nichts Fremdes. "Habt Ihr einen Moment für mich?" Auf die Zustimmung Radomirs hin kramte die Boroni ein kleines, gerade einmal fingerlanges verkorktes Tonfläschchen aus ihrer Gürteltasche. "Für euch - zu eurem Tsatag." Die magere Frau lächelte. "Es ist geweihtes Salböl. Wenn ihr Euch einen Tropfen auf Stirn und Brust gebt, wird es wird euch Ruhe und Frieden schenken." Sie hielt es dem Korgeweihten mit knochigen Fingern entgegen.

Radomir stand vor der kleinen Geweihten, sichtlich verlegen. Mit beiden Pranken umschloss er die kleine Hand und das Fläschchen. "Ich danke Euch aus tiefstem Herzen, Marbolieb. Es wird mir bestimmt helfen. Ruhe und Frieden sind etwas, was mir in vielen Nächten fehlt. Und oft genug flieht mir der Schlaf in Bildern der Vergangenheit. Mein Herz freut sich über dieses Geschenk, und meine Seele wird es Euch danken.", lächelte der Geweihte, und Marbolieb hörte an seiner Stimme, das er jedes Wort ernst meinte das er sagte. Das Lächeln des Korgeweihten spiegelte sich warm in den Augen und auf dem Gesicht der jungen Boroni. Nicht ganz voll war das Fläschchen, aber es war alles, was sie an Salböl noch besaß. Doch irgendwann würde sie ganz sicher wieder an Öl kommen, und an alle die Bestandteile, die hinein gehörten - und sich dann wieder neues ansetzen und weihen. Ihr Lächeln vertiefte sich noch um ein Weniges. "Sagt, Hochwürden, was hat euch Dwarosch geschenkt?" fragte sie neugierig, aber mit leiser Stimme. "Einen Dolch. Aus einem, ich glaube es ist ein Reißzahn, mit einer Obsidianklinge. Er sagte dazu es wären Beutestücke seiner Söldnerjahre, doch die genaue Geschichte dahinter ist er mir noch schuldig geblieben. Es ist ein wunderschönes Stück. Er wird einen Ehrenplatz auf dem Altar erhalten. Oder auf meinem Schreibtisch. Da bin ich noch nicht sicher. Euer Geschenk wird seinen Platz auf meinem Nachttisch finden. Allein das Wissen, dass es mir Ruhe schenken kann, wenn ich sie brauche, hat etwas Beruhigendes. Ich hoffe ich konnte es in verständliche Worte kleiden." "Ein Opferdolch - das ist ein wunderbares Geschenk!" Die Boroni strahlte. "Eine sehr schöne und nützliche Sache!" Sie grub nachdenklich ihre Zähne in die Unterlippe, ehe sie fortfuhr: "In Punin hatte wir ebenfalls einige. Sie tun deutlich weniger weh als ein Messer." Ein etwas wehmütiges Lächeln hing in den Augen der blinden Frau. "Ich freue mich, wenn euch das Öl etwas Frieden schenkt. Wenn ich mehr für euch tun kann, sagt es mir bitte - ich werde es gerne angehen." "Es gibt noch zweierlei, dass Ihr für mich tun könnt. Zum ersten, genießt unsere Gastfreundschaft solange es Euch gefällt und Eure Pflichten es erlauben. Und bitte, ohne Euch in irgendeiner Weise schuldig zu fühlen. Und zum zweiten…", hier stockte Radomir kurz, senkte dann die Stimme und nahm noch einmal die Hand der deutlich kleineren Frau, "wäre es mir ein Herzenswunsch, wenn Ihr das Nasuleum, in welchem die Asche meiner Tharanna ruht und in dem auch ich eines Tages hoffentlich ruhen werde, weihen könntet. Seht …. Alle Grabsegen auf unserem kleinen Anger habe ich gesprochen. Und nach den Erlebnissen in Tobrien wäre es mir wichtig. Die Asche der Söldner ist von mir eingesegnet. Aber… für das Mausoleum würde ich mir Euren Segen des Herrn Boron wünschen. Würdet Ihr das für mich tun?", fragte Radomir, fast ein wenig schüchtern. Die blinde Geweihte verharrte einige Atemzüge lang schweigend und lauschte den Worten des großen Korpriesters nach. Sie nickte. "Gewiss, Hochwürden." Sie legte ihre magere, knochige Hand um die breite Pranke Radomirs. "Morgen zur Abenddämmerung - werdet ihr mit mir beten?" Dieser drückte sanft die Hand in seiner und sagte: "Ich danke Euch. Ihr steht dem Herrn des ewigen Schlafes näher als ich. Ich kann nur den allgemeinen Grabsegen, und Ihr seid die erste Geweihte Borons, der ich etwas so Persönliches anzutragen wage." Er überdachte kurz seine Worte, dann setzte er hinzu: "Versteht mich nicht falsch, nicht das ich Euren Glaubensbrüdern und -schwestern nicht vertrauen würde. Nur, ich weiß nicht wie ich es in Worte fassen soll. Es ist mir lieber wenn es von einer Geweihten gesegnet wird, die ich als Freundin betrachte." Über die hohlen Wangen der jungen Frau zog sich eine deutliche Röte. Merklich um eine Antwort verlegen sie fuhr sich über ihre Ärmel und bemerkte erschrocken, dass sie Nähte nach außen trug. War sie heute morgen wirklich derart verwirrt ... sie schluckte und grub sich ihre Zähne in die Unterlippe. "Gerne, Euer Hochwürden." Etwas leiser fügte sie hinzu "vielen Dank". "Ich bin es, der Euch zu danken hat, Marbolieb.", sagte Radomir.

Man redete und rauchte bis Assara sich gegen Mittag entschuldigte, um die nötigen Vorbereitungen für das Festmahl am Abend zu treffen. Im Hof waren inzwischen Große Segel zwischen den Mauern gespannt worden, die die Wärme der grossen Feuerschalen unten hielt und den Kasernenhof tatsächlich auf eine Temperatur brachte, das der Schnee taute und es, zumindest in der richtigen Kleidung, fast angenehm war. Für die Söldner und die Gebirgsjäger des Oberst wurden Tische im Geviert gestellt. Am Kopf wurde ein runder Tisch aufgebaut, an welchem der Geweihte mit den Gästen sitzen sollte. Mißmutig stand Radomir auf seinem Balkon und blickte in den Hof. Iriane stand neben ihm. "Soviel dann zum Thema Keine Tsatagsfeier.", grummelte er, "Zu meinem nächsten Tsatag werde ich irgendwo anders sein, wenn ich ihn denn erlebe." Sie knuffte ihn in die Seite: "Mach das, Onkelchen. Dann feiern wir halt, wenn Du wieder da bist." Dann lachte sie und der Angesprochene grummelte in sich hinein. Assara scheuchte die Söldner hin und her, der Koch des Barons die Bediensteten. Das Wiehern von Pferden und das Klappern einer Kutsche waren vor Tor zu vernehmen. Irian stieg aus der Kutsche, reichte erst seiner Frau und dann seiner Stieftochter eine Hand um ihnen beim Ausstieg behilflich zu sein. Alanna klopfte auf ihre Robe um zu zeigen dass das Päckchen immer noch gut verwahrt war. Irian lächelte den beiden Frauen zu ehe er sich dem Tor zuwandte. Er verharrte in einem kurzen Dank an den Blutigen ehe er das Tor öffnete und die Drei den Hof betraten. Lächelnd deutete Irian eine Verbeugung an. „Willkommen in Tandosch. Schön dass ihr den beschwerlichen Weg auf euch genommen habt um den alten Brummbären über den Tag zu helfen.“ Mit ausgebreiteten Armen näherte sich der Baron dem Tsatagskind. Radomir, der inzwischen mit seinen Gästen auch im Hof war, drehte sich um und sah den Neuankömmlingen entgegen. "Wie aufs Stichwort. Das Essen ist fertig und der Pirat erscheint. Ich freue mich Euch drei zu sehen." Radomir ging auf Irian zu und nahm ohn kurz in die Arme. Gleiches tat er mit den Begleitungen, wobei er Alanna kurz und völlig an der Etikette vorbei anhob. "Setzt Euch, wir können beginnen.“ Nachdem sie das Tsatagskind begrüßt hatten namen die Neuankömmlinge Platz. Kurz suchte Iriane den Blick seiner Töchter, diese bestätigten ihm mit einem knappen Nicken dass Radomir seinen zu erwartenden Anfall von Selbstzweifel bereits hinter sich gebracht hatte.

Nachdem alle saßen, auch die Söldner und die Gebirgsjäger, würde warmer Tannenmet ausgeschenkt, bis alle einen dampfenden Becher vor sich stehen hatten. Radomir schluckte seinen Missmut hinunter. Alle hatten sich für seine Feier ins Zeug gelegt. Und die Worte des Oberst, die Idee, die Dwarosch ihm in den Kopf gesetzt hatte. Das machte seine Seele etwas leichter. "Freunde und Kameraden.", sagte er während er sich erhob, "43 Götterläufe bin ich heute alt. So alt wie ich selbst am wenigsten dachte das ich werde. Und doch stehe ich hier, im Kreise meiner Kameraden, meiner Familie und nicht zuletzt meiner Freunde. Dafür bin ich dankbar. Die Zeiten werden wieder dunkler, Dinge sind in Bewegung die grösser sind als wir alle. Und ich…", an dieser Stelle stockte er kurz, fasste sich aber schnell wieder, "ich muß meinen Platz finden, den Rondras Sohn mir zugedacht hat. Deswegen werde ich mit der Schneeschmelze aufbrechen, um nach Kunchom und Al'Anfa zu reisen." Gemurmel wurde laut, verstummte aber als Radomir die Hand hob. Dwarosch aber nickte zufrieden. "Heute ist aber nicht der Tag, an dem wir uns mit Planung der Zukunft oder Trübsal befassen wollen. Oder lange Reden halten." An dieser Stelle klopften die Söldner mit ihren Bechern auf den Tisch und grinsten. Auch Radomir grinste jetzt. "Der Baron war so freundlich, uns seinen Koch zur Seite zu stellen, und ich glaube dieser hat eine Kleinigkeit zu Essen vorbereitet. Daher danken wir der gütigen Mutter Travia für das was wir haben, und dem blutigen für das was wir sind. Esst und trinkt. Und das mir keiner hungrig vom Tisch aufsteht!" Mit diesen Worten hob er seinen Becher und prostete den Versammelten zu. „Auf dich Bruder“, dröhnte die tiefe Stimme des Oberst, als er seinen Krug in Richtung des Korgeweihten hob und ihn anschließend leere. Er hatte überdies aber noch mehr zu sagen. „Assara“, die Augen des Zwergen wanderten zu Radomirs Tochter. „Die Schneeschmelze wird auch für dich der Moment des Aufbruchs sein- dein Ziel aber wird Senalosch sein. Metenax Einhand und ich werden dir den nächsten Teil deiner Ausbildung angedeihen lassen.“ Dwarosch machte eine Pause in der sein Blick kurz wieder zu Radomir wanderte, nur um dann wieder zu Assare zurückzukehren. „Deinen Vater und mich verbindet eine Freundschaft, die man nur selten findet“, fuhr er fort. „Dafür bin ich dankbar. Stolz aber bin ich darauf mein Wissen mit dir teilen zu können. Bist du heute eine unter den Männern und Frauen deines Vaters geachtete Kämpferin, wirst du nach deiner Weihe der Albtraum für jeden sein, der es wagt sich mit dir zu messen.“ Dwarosch war sich bewusst, dass nicht der Opferdolch, den er Radomir überreicht hatte, sein bedeutendstes Geschenk war an diesem Tag. Nein, das Aufzeigen des Weges nach Al’Anfa, zum Ursprung seiner Weihe und dass er Assara unter seine Fittiche nahm, auch um ihm damit diese Pilgerreise zur Sinnsuche ermöglichte wog weit schwerer. Wiederum hob der Oberst den Becher, der eiligst wieder gefüllt wurden war. Und erneut dröhnte die Stimme des Oberst: „Auf deinen Vater und seinen Tag. Möge er Erleuchtung finden dort wo SEIN Ruf ihr erreichte.“ Assara hatte die Worte des Oberst vernommen, allein brauchten sie einen Moment, um realisiert zu werden. Zu Menetax, in den Tempel den ihr Vater geweiht hatte. Dort kämpfen und lernen. Und das Wissen des des Angroschim in sich aufnehmen. Mit den Angroschim im Tempel kämpfen. Vielleicht neue Freundschaften schließen. Sie begriff die Tragweite. Und freute sich. Ihre Augen leuchteten und sie lächelte. Nach dem Trinkspruch des Oberst schaute sie ihn an. "Ich werde Euch eine gelehrige Schülerin sein, Oberst. Und ich freue mich darauf. Auch auf den Einarmigen und die Kämpfe mit ihm. Es wird mir Freude und Lehre gleichermaßen. Und beim blutigen, ich verspreche Euch das Mein Vater und ihr stolz auf mich sein werdet." Damit hob sie ihm den Becher entgegen. Der Oberst nickte bedächtig bei den Worten der noch jungen Frau, wobei sich ein verhaltenes Lächeln auf die Züge des Zwergen stahl. „Ich weiß das du über die Leidenschaft, das innere Feuer verfügst, um dieses Versprechen einzuhalten Assara. Eben darum freue ich mich darauf dich zu unterweisen und die Klingen mit dir zu kreuzen. Am Ende aber ist ER es den du stolz machen musst.“ Mit diesen Worten stieß Dwarosch seinen Becher gegen den Assaras und trank. "Wenn Menetax und Ihr mir Euer Wissen weiter gegeben habt, wird ER stolz auf mich sein. Oder zumindest wohlwollend auf mich blicken. Stolz muss ihn mein gesamtes Leben machen." Damit leerte sie ihren Becher. Assara, die zwischen Marbolieb und Alanna saß, füllte ihren Becher nach und fragte die Geweihte neben sich: "Euer Gnaden, möchtet Ihr noch warmen Met oder steht Euch der Sinn eher nach einem Bier oder einem Rotwein?" Marbolieb schüttelte dankend den Kopf. "Wenn ihr einen Tee oder ein Glas Wasser habt, gerne." Sie hatte nach einem vorsichtigen Schluck den ersten Met nicht weiter angerührt und ihr Becher war noch voll. Der Wolf von gestern saß ihr noch in den Knochen und nach dem gestrigen Erlebnissen hielt sie sich wohlweislich von weiterem Gebrautem fern. Ein nachdenkliches Schmunzeln zuckte um ihre Lippen. "Dann werdet ihr nach Senalosch reisen?" Assara winkte einen der Bediensteten herbei und orderte für Marbolieb einen heißen Kräutertee mit Honig. Dann wandte sie sich wieder zu ihrer Sitznachbarin. "Es scheint so. Und ich freue mich darauf. Vielleicht begleite ich Euch schon auf der Rückreise, je nachdem wie lange ihr unsere Gäste bleiben möchtet." Sie nahm einen Schluck Met. Vor Marbolieb wurde ein großer Tonkrug dampfenden Tee gestellt, der stark nach Minze und Süßholz duftete. "Vielleicht möchtet Ihr in den nächsten Tagen ein wenig mit mir unterwegs sein, wenn es Euch freut. Wir könnten die Boronsanger und den kleinen Schrein besuchen. Und ich bin mir sicher, Irian wird noch einen Abend auf der Binge ausrichten." "Ich möchte nicht über Gebühr Eure Gastfreundschaft ausnutzen, edle Dame. Doch den Boronanger und den Schrein würde ich gerne besuchen." Die blinde Geweihte schnupperte den köstlichen Duft, der aus der Teekanne aufstieg. "Vielen Dank Euch." freute sie sich an dem heißen Getränk und wärmte sich daran glücklich die Finger. Es war bitterkalt heute. "Und ich will - und muss - bald wieder zu meinem Tempel zurück. Ich bin mir aber gewiss, dass Dwarosch euch gerne und sicher nach Senalosch bringen wird." "Ich verstehe, das ihr wieder in Euren Tempel müsst. Aber Vater und ich würden uns freuen, wenn ihr noch ein paar Tage bleiben könntet. Und ich denke Dwarosch wird Euch dann zurück bringen. Ich werde hier noch Einiges regeln müssen bevor ich mich auf den Weg machen kann. Wenn Vater und ich zeitgleich unterwegs sind gibt es Einiges vorzubereiten. Ich freue mich auf die Reise." Marbolieb hörte das Lächeln der jungen Frau. "Mögt ihr mir von eurem Tempel erzählen? Ich war ja noch nicht da." "Wieviel sind ein paar Tage?" ganz vermochte die junge Frau den Argwohn aus ihrer Stimme nicht herauszuhalten. Sie seufzte und setzte gutwillig zu einer Erklärung an. "Mein Tempel ist ein einstöckiger Bau aus schwarzem Basalt auf dem Boronsanger in Calmir, am Ortsrand. Er besteht aus einem von einer Kuppel überspannten Telmpelraum und hat sechs Nebenräume - nichts Besonderes, aber vollkommen ausreichend für ein kleines Bergdorf." "Nun, nicht alle Tempel müssen prachtvoll sein. Der stille Herrn muss nicht mit Prunk geehrt werden. Und was ein paar Tage sind, das bleibt natürlich Euch überlassen. Ihr sei schließlich Gäste. Keine Gefangenen. Ich dachte nur, Ihr würdet Euch nach der Anreise gern ein wenig erholen, bevor ihr wieder aufbrecht." Assara trank einen Schluck. "Ah, das Essen wird aufgetragen, sagte sie dann, als die grossen Holzplatten heran getragen wurden.

Es wurde Schwein vom Spieß aufgetragen, dazu Semmelknödel und Biersauce, Rosenkohl und Kraut. Die Kruste war herrlich kross, das Kraut saftig und heiss und mit Speckwürfeln durchsetzt. Es gab ausserdem heiße Kohlsuppe, warmes Zwiebelbrot, Knoblauchbutter und Schweineschmalz. Kurz drückte Dwarosch Marboliebs Hand, bevor er ihr die dargebotenen Speisen beschrieb und ihr dann, auf ihren Wunsch hin den Teller füllte. „Er war eine wirklich harte Nuss“, sprach er mit gesenkter Stimme zu Marbolieb, was vermutlich gar nicht notwendig gewesen war, denn rundherum wurde sich angeregt unterhalten, während des Festmahls. „Ich hoffe nur, ich habe das richtige getan und stürze ihn nicht ins Unglück.“ Dwarosch seufzte leise. „Aber er versteckt sich vermutlich schon viel zu lange hinter seinen Pflichten hier, anstatt nach seiner Bestimmung zu suchen.“ Marbolieb hob fragend die Schultern. "Ich weiß nicht, was ihr gesprochen habt." Sie schnupperte an den warmen Köstlichkeiten auf ihrem Teller, nahm sich schließlich ein Stück Braten und genoss es andächtig wie eine Kostbarkeit. Das war ihr erstes Fleisch auf dem Teller seit vielen, sehr vielen Wochen. Mit glücklich leuchtenden Augen verspeiste sie den Leckerbissen, tastete dann aber nach dem Arm des Oberst. "Er ist dein Freund. Du kennst ihn besser als ich. Ich bin mir sicher, du hast getan, was in Deiner Macht steht." versuchte sie ihn zu trösten. „Gute Absichten allein reichen häufig nicht, denn nur leider allzu oft werden sie ins Negative verkehrt.“ Dwarosch seufzte. „Ich wünschte ich könnte ihn begleiten. Wer weiß schon wohin ihn die Sinnsuche führen wird und vor allem, was Al’Anfa für ihn bereithält.“ "Ich weiß." nickte Marbolieb. Sie senkte den Kopf und rieb sich die Schultern, ehe sie ihre kalten Finger in die weiten Ärmel ihrer Robe schob. Ihre Zehen waren eiskalt und ihre Füße durchfuhren schmerzhafte Nadelstiche. "Ich möchte nach Hause, Dwarosch." Der Oberst registrierte so durch ihre Worte darauf gestoßen, dass Marbolieb frieret und ließ ihr von einem Bediensteten Decken bringen, um ihr sie um den Oberkörper und über die Beine zu legen. Daraufhin sagte er: „Ich bin auch müde Räblein. Ich hoffe wir kommen rechtzeitig ins Bett.“

Nachdem alle gegessen und getrunken hatten und die Reste abgeräumt waren, stand einer der Weibel auf und trat vor. "Hauptmann, wir alle wissen das ihr um diesen besonderen Tag herum", er sprach die Satzzeichen mit, "meist nicht der besten Laune seid und ihn eigentlich überspringen möchtet. Aber, wir haben etwas von unserem Sold zusammengelegt um Euch… ach verdammich. Ich bin kein Redner. Wir haben zusammen geschmissen und Euch ein kleines Geschenk gekauft. Es kommt von uns allen. Wir dienen gern unter Euch und wollten das damit zeigen." Fast verlegen stand der erprobte Kämpfer da, während einer der anderen Söldner eine kleine Holzschatulle zu Radomir brachte. Dieser nahm sie entgegen und dankte den Männern. In der Kiste lag eine silberne Brosche mit dem eingravierten Mantikor, dem Wappen Radomirs. Der Hauptmann schluckte kurz und klappte den Deckel wieder zu. "Kameraden. Ich danke Euch aus tiefstem Herzen. Mit Euch Seite an Seite zu kämpfen ist mir Ehre und Freude zugleich." Er hob den Becher vor sich, der inzwischen kaltes Schwarzbier enthielt. "Weibel, setzt Dich wieder. Du stehst in der Mitte wie ein Praiostagsschüler der die Antwort nicht wusste.", lachte Radomir und der angesprochene beeilte sich sichtlich erleichtert, zu seinem Platz zurück zu können. "Kameraden, ich werde diese Brosche mit Stolz tragen. Und jetzt: ", er drehte sich zu zwei Bediensteten, "holt das Fass Premer aus dem Lager. Ich denke die Jungs und Mädels können einen Vertragen!" Auf diese Worte jubelten die Söldner und die Gebirgsjäger gleichermaßen. Die Angroschim saßen nicht auf einem Fleck, sondern bunt unter den Tandoscher Söldnern verteilt, mit denen sie lachten, scherzten und tranken. Daraufhin stand Alanna auf und zog eine kleine Schachtel aus ihrer Robe. „Wir haben auch eine Kleinigkeit für dich zu deinem Tsatag. Es kommt im Namen der gesamten Familie“, sagte Alanna, während sie auf Radomir zuging. Sie überreichte Radomir die Schachtel und als er sie öffnete, erkannte er einen Eterniumspan, welcher auf einem kleinen Seidenkissen lag. Es handelt sich dabei um einen Splitter von Donnersturm. Radomir wurde bleich. Ein Splitter des Donnersturm. Rondras Streitwagen, gezogen von den vier ehernen Hengsten Astaran, Thorra, Ronnar und Zyathach. Vor Radomirs innerem Auge sah er den Wagen der Rondra über den Himmel rasen, von Gewitterwolken umgeben und in Blitz und Donner gehüllt. In jener Schlacht in Warunk als das Herz des Omegatherion vernichtet und der Donnersturm endgültig zerstört wurde. Oder entrückt, und damit zurück zur Mutter Kors. Und nun hielt er einen Eterniumsplitter des Streitwagens in der Hand. Sein Mund wurde trocken und er räusperte sich. Sah erst zu Alanna, dann zum Rest der Baronsfamilie. "Ein Splitter des Donnersturm?", fragte er laut und konnte es immer noch nicht ganz fassen. Doch er spürte die göttliche Energie, die den Splitter umgab. "Wir werden einen Reliquienschrein brauchen. Wie seid ihr da ran gekommen?", fragte er. "Und wie kann ich dafür danken? Und was wird die Rondrakirche sagen das diese Reliquie in einem Kor-Tempel liegt?" Er grinste bei diesen Worten, schloss die Schachtel vorsichtig und nahm dann Alanna in die Arme, um dann dem Rest der Baronsfamilie zu danken. Den Splitter gab er Assara, die ihn nach der Betrachtung und der Beschreibung des Splitters für die neben ihr sitzende Marbolieb vorsichtig an Dwarosch weitergab. Die blinde Geweihte hatte sich eng in ihren Wintermantel gehüllt, die Kapuze fest über ihren geschorenen Schädel gezogen und ihre Hände tief in die Ärmel ihrer Robe gesteckt. Mit großen Augen lauschte sie der Beschreibung. "Der Rondrasturm ist das Primärartefakt der Sturmherrin, nicht wahr? Ist er zerstört?" fragte sie erschocken. Irian wandte sich der blinden Borongeweihten zu. „Verzeiht die Unhöflichkeit, ich habe mich noch nicht vorgestellt, Irian von Tandosch. Der Donnersturm war eines der wichtigsten Artefakte der Sturmherrin, das sie den Gläubigen überlassen hatte. 1031 war es mit Hilfe des Donnersturms möglich ein dunkles Werk der schwarzen Schergen zu vernichten. Seither ist er nicht mehr für die Menschen verfügbar. Mit viel Glück gelang es mir einen Splitter dieses verschwundenen Heiligtums zu erwerben. Wie Radomir festgestellt hat werden wir hier einen Reliquieneschrein errichten um den Splitter allen Gläubigen zugänglich zu machen.“ Marbolieb nickte. Eine sehr gute Idee, bei einem so wichtigen Artefakt. Wie der Baron - denn um diesen musste es sich handeln - an den Splitter gekommen war, wollte sie besser gar nicht so genau wissen. Die hochgeborenen Herrschaften hüteten ihre Geheimnisse und verteidigten sie eigensüchtig. "Wollt ihr dann tatsächlich Pilger empfangen?" fragte sie stattdessen. „Wie wir die Pilger empfangen haben wir noch nicht entschieden. Einerseits muss der Schrein zum Kortempel passen, andererseits befürchte ich es könnte so manchen rondragläubigen Pilger verschrecken einen Kortempel zu betreten, oder was meint ihr?“ "Ein Haus der Zwölfe, gleich Welches, sollte jedem Gäubigen offen sein." Antwortete die Boroni nach einigen nachdenklichen Atemzügen. "Und ebenso sollte kein Gläubiger der Zwölfe Angst vor einem Tempel der Götter oder ihren Kindern verspüren." Sie ließ einige weitere Atemzüge verstreichen, ehe sie hinzufügte. "Würdet ihr ihnen die Andacht verwehren?" „Ich glaube da hab ich mich missverständlich ausgedrückt. Selbstverständlich sollen die Häuser der Zwölfe und ihrer Kinder allen Gläubigen offen stehen. Aber ich kann mir vorstellen dass die Riten in einem Kortempel mach rechtschaffenden Menschen verschrecken kann, der diese nicht kennt.“ Irian musterte die Geweihte, die es verstand Worte zu sezieren. „Auch diesen Menschen soll der Zugang zu dieser Reliquie offen stehen und sie sollen frei entscheiden können wieviel des Kortempels sie erleben möchten.“ "Unverstandenes ist meist erschreckend." stimmte die junge Geweihte zu. Sie legte ihre mageren Händen übereinander und dachte nach, ihren Blick irgendwo seitlich der rechten Schulter des hochgeborenen Herrn über diese Lande. "Wenn ihr diesen nachgebt, würdet ihr die Reliquie nicht in eurem Tempel verwahren können." Doch wäre dies schmachvoll für ein heiliges Artefakt der Sturmherrin. "Im Tempel fordert ihr für ihren Anblick Rondras Mut im Herzen der Pilger." Was für einen Pilger auf der Leuin Pfaden kein schlechtes Rüstzeug wäre, befand Marbolieb. „Ihr habt Recht, das ist ein wichtiger Gesichtspunkt.“ Diese junge, schmächtige Geweihte hatte einen scharfen Verstand. „Wir werden einen angemessenen Schrein bauen und bei der Planung in Ruhe alles betrachten. Ich danke euch für diesen Rat.“ Die magere Geweihte nickte mit einem freundlichen Lächeln. Sie zog ihren dicken Wintermantel enger um ihre schmalen Schultern und schob ihre eiskalten Hände wieder tief in die Ärmel. Schade, dass sie ihre inzwischen mindestens ebensokalten Füße nicht auf ähnliche Weise wärmen konnte. Der Oberst indes musterte das Bruchstück des heiligen Streitwagens bedächtig und eingehend. Schließlich hob er den Kopf und blickte zum Geweihten, dem dies Geschenk gemacht worden war. „Ich rate dir dich an Muragosch, den Sohn des Murgasch zu wenden wegen einem Schrein. Er hat das Allerheiligste im Kortempel zu Senalosch erschaffen, ebenso wie das große Reiterstandbild auf der Eilenwïd-über-den-Wassern, um nur zwei seiner herausragenden Werke zu nennen. Du wirst keinen besseren Kunsthandwerker finden. Das was er dem Holz zu entlocken vermag sucht seinesgleichen.“ "Das ist eine gute Idee mein Freund. Ich hoffe nur er schafft es noch zu meinen Lebzeiten. Ich habe Geschichten von Angroschim gehört, die ein Jahrhundert an einem Werkstück gearbeitet haben. Wenn diese Geschichten richtig sind.", grinste Radomir. Auch ihm war die Ergriffenheit über dieses Geschenk noch anzumerken. Dwarosch lachte. „Bisher hat er meine Geduld nie allzu sehr strapaziert und ich besitze nicht sonderlich viel davon, wenn ich auf etwas warte. Setz dich hin und skizziere was du dir vorstellt. Schreibe auf, was du im Detail mit dem Werk verbindest, was er schaffen soll“, riet der Oberst dem Geweihten und fügte an: „Wenn Muragosch sich eine bildliche Vorstellung von dem machen kann, was du dir wünscht, wird es leichter für ihn und die Chance, dass du rasche Antwort erhältst steigt." "Eine hervorragende Idee. Das werde ich in den nächsten Tagen machen. Dann könntest Du das Schriftstück mitnehmen, wenn Du magst." Der Oberst nickte. Dies war ein Gefallen, den er Radomir nur allzu gerne erfüllte.

Später, als alle Reden beendet waren, wurde der Nachtisch aufgetragen. Warmer Pudding mit Vanille und Ulikaneel, dazu warmes Arangengelee und heiße Schokoladensauce. Zum Abschluß gab es eine einen kleinen Tonbecher, gefüllt mit einer Mischung aus Premer, Sahne und Kaffee. Der Nachtisch war lecker. Gewesen. Marbolieb hatte die exotischen, fremden Aromen sehr genossen und sann eine Weile dem fremdartigen, angenehmen Geschmack in ihrem Gaumen nach. Auf das bittere Getränk mit dem Schnaps hatte sie indes, am gestrigen Tag durch Schaden klug geworden, wohlweislich verzichtet. Doch die Boroni fror wie ein Schneider. Sie hatte ihren dicken Wintermantel eng um ihre Schultern geschlungen und die Hände weit in den Ärmeln versteckt. Weit waren sie geworden. Und es sah nicht danach aus, als würde der Abend bald enden. Doch langsam wurden ihre Lippen blau und steif und ihre Finger und Zehen stachen, als wären sie in Eiswasser getaucht. "Euer Hochwürden?" Wandte sie sich auf's Geratewohl in die Richtung, in der sie Radomir vermutete. "Erlaubt ihr mir, mich für heute zurückzuziehen?" Nach einem Augenblick Nachdenkens setzte sie hinzu. "Und könntet ihr bitte einen Bediensteten bitten, dass er mich zu meinem Zimmer bringt?" "Ihr müsst nicht um meine Erlaubnis bitten, Marbolieb. Aber wenn ihr erlaubt, so wäre es mir eine Ehre, Euch selbst zu Eurem Zimmer zu geleiten." Mit diesen Worten legte er sanft die Hand auf ihren Arm, um ihr zu die Möglichkeit zu geben sich zu erheben und bei ihm einzuhaken. Er nickte Assara zu die sie einen der Bediensteten schnappte und ihm etwas ins Ohr flüsterte, worauf dieser flinken Fußes im Haus verschwand. "Oh ... danke." Verlegen nahm Marbolieb den Arm Radomirs und ließ sich aufhelfen. Sie war rechtschaffen satt und müde, doch ihre Finger waren blass vor Kälte und die Aussicht auf ihr warmes Bett mehr als verlockend.

Als die Tür zum Zimmer geöffnet wurde schlug der Geweihten eine Welle wohlig warmer Luft entgegen. Eine weibliche Bedienstete hüstelte und sagte: "Euer Gnaden, ich habe noch einmal eingeheizt, in Eurem Bett liegt ein warmer Stein und auf dem Tisch steht ein heißer Kakao, um Euch die Kälte aus dem Körper zu treiben bevor ihr euch hinlegt. Kann ich Euch in irgendeiner Weise behilflich sein?" "Ihr behandelt mich wie eine Edeldame“, flüsterte die Boroni fassungslos. "Ihr braucht euch doch keinen so großen Aufwand machen." Verlegen knetete sie den Saum ihrer Kutte. "Ich benötige nichts weiter, ganz herzlichen Dank. Ihr solltet zurück zu eurer Feier, Hochwürden - Eure Gäste warten auf euch." "Dann verabschiede ich mich und wünsche Euch eine Gute Nacht, Marbolieb. Mögen die Ruhe Eures Herrn und die Träume seiner Tochter Euch gewogen sein.", sagte Radomir und drückte der Geweihten noch einmal die Hand, bevor er sich wieder auf den Weg in den Hof machte. Einer der Söldner holte eine Laute herbei, und die Versammelten begannen zu singen. Als sie fertig waren stimmten die Angroschim ein Lied an.

Fiona nutzte die gelöste Stimmung und zog ihre Schwester mit sich. Lächelnd setzten sich die Schwestern beiderseits neben den Oberst. „Dwarosch, mein Freund. Ich möchte dir meine Schwester Iriane vorstellen. Sie hat die Bürde auf sich genommen in der Nachfolge unseres Vaters die Baronie zu führen.“ Iriane grinste den Oberst an. Auch sie sprach in fließendem Rogolan. „Auch wenn ich nicht so sehr dem Blutigen zugetan bin ist es immer eine Ehre, Oberst, Freunde und Kampfgefährten meiner Schwester kennen zu lernen.“ „Die Freude ist ganz meinerseits… Baroness“, erwiderte der Oberst, wobei er bei dem letzten Wort ein wenig ins Stocken geriet und es in menschlicher Zunge aussprechen musste, weil es dafür keine Entsprechung im zwergischen gab. An Iriane gewandt fragte er: „Wurdet oder werdet ihr in die Rechtslehre unterrichtet, um in die Fußstapfen eures Vaters zu treten? Ich habe gehört, dass diese Handhabe recht verbreitet ist im Adel?“ „Nicht wirklich. Ich habe hin und wieder Privatstunden im Rechtseminar zu Elenvina genommen, das war ganz nützlich. Aber eine Ausbildung zum Advocatus… Das Leben ist viel zu spannend als dass ich verstauben möchte.“ Lächelnd prostete sie dem Oberst zu. „Ich nehme an, dass ihr unsere Schwester Alanna auch noch nicht kennt. Vater und Fiona trauen Magiern normalerweise nur so weit wie sie diese werfen können, drum ist es ganz praktisch, wenn man einen Magier in der Familie hat.“ Damit winkte sie Alanna heran. „Eine gesunde Einstellung, dies Misstrauen teile ich“, raunte der Oberst zur Antwort nur so laut, dass es lediglich Fiona und Iriane verstehen konnten. Der Oberst wandte indes den Blick zu benannter Maga. Das Bedürfnis Reißaus zu nehmen kam Dwarosch unweigerlich in den Sinn und es war nicht die Profession der Frau, die ihm Unbehagen bereitete. Nein, sie war nun aber bereits die dritte Dame, die sich anschickte ihm seine Aufmerksamkeit zu schenken und das war eindeutig zu viel nach seinem Geschmack. Zum Verschwinden war es aber bereits zu spät. Besagte Alanna war nämlich bereits im Begriff zu ihnen zu kommen. Innerlich seufzte der Oberst und fügte sich in sein Schicksal. Alanna, welche bisher nur den Gesprächen gelauscht hatte, blickte auf, als ihre Stiefschwester sie bat, zu ihnen zu kommen. Sie stand auf und begab sich zu ihren beiden Schwestern und dem Oberst. „Seid gegrüßt“, begann sie. „Ich bin Alanna. Es ist mir eine Freude Euch kennen zu lernen. Ich freue mich immer, Kampfgefährten Fionas kennenzulernen.“ Das klang nicht nach einem Bücherwurm. „Erfreut“, erwiderte der Oberst daher mit einem aufrichtigen Lächeln. Er entschloss sich kurzerhand, in die Offensive zu gehen. „Darf ich aus euren Worten schließen, dass ihr keine Theoretikerin seid?“ Der Oberst grinste, was klar machte, dass seine Frage nicht darauf zielte zu kränken, sondern dass er versuchte sich ein Bild seines Gegenübers zu machen. Neugierig sah Dwarosch auf die Hände der Maga, um einen Blick auf das Akademiesiegel zu werfen. Alanna nickte: „wahrlich bin ich keine Theoretikerin. Ich fand schon immer die Anwendung spannender.“ Als sie seinen Blick auf ihre Hände bemerkte öffnete sie die rechte Hand und zeigte ihr Akademiesiegel. Sie fügte lächelnd hinzu: „Akademie der Herrschaft zu Elenvina. Ich kenne das Misstrauen schon, welches Magiern hierzulande entgegengebracht wird, aber vor mir braucht Ihr keine Angst haben.“ Alanna schaute den Oberst an. Es war klar, dass sie nicht genau weiß, was sie sagen soll. Bei der Nennung des Namens der Akademie, die Alanna absolviert hatte, huschte kurz eine Mischung aus Unbehagen und Abneigung über das Gesicht des Zwergen. Jedoch hatte er seine Mimik ausreichend unter Kontrolle, um es nicht unhöflich wirken zu lassen. Die offene Art der Maga hingegen gefiel Dwarosch und so beschloss er, seine Taktik beizubehalten. „Ich gebe zu, dass ich bisher nur mit Absolventen aus Bethana oder Andergast wirklich gut ausgekommen bin, aber das mag an meiner Profession liegen.“ Der Oberst grinste, dann plötzlich zog er die Augen zusammen und legte den Kopf schief, als sei ihm ein Gedanke gekommen. „Wie bewandert seid ihr auf dem Gebiet der… Magica Combattiva?“, fragte er schließlich, wobei er nach den Wörtern in bosparanischer Sprache etwas länger ‚suchen‘ musste und sie ihm derart über die Lippen kamen, dass deutlich war, dass jene alte Zunge für ihn eine Fremdsprache darstellte. Alanna musste sich ein Grinsen verkneifen, als sie seine etwas gebrochene Aussprache hörte. „Nun“, fing Alanna an, „sicherlich sind einige Zauber, welche ich beherrsche, auch im Kampf durchaus nützlich, aber das kann jeder Zauber sein, wenn man ihn geschickt einsetzt. Dennoch ist die Kampfmagie durchaus ein spannendes Gebiet.“ Sie grinste. Es war zu erkennen, dass sie erleichtert war, dass ihr Gegenüber keinen tiefen Groll gegen Magier hegt, sondern sogar schon einige Male mit Magiern in Kontakt getreten ist. „Gehe ich also richtig in der Annahme, dass Ihr Magiern nicht so sehr misstrauisch gegenübertretet wie manch anderer?“, fragte sie schließlich. „Ich habe weit mehr Jahre meines Lebens über Tage verbracht, als unter den Bergen“, gestand der Oberst freimütig. „Darin unterscheide ich mich von einem Großteil meinen Brüdern und Schwestern. Wenn man mit bestimmten, vorurteilbehafteten Dingen konfrontiert und somit dazu gezwungen wird sich damit auseinanderzusetzen, können sich Ansichten ändern.“ Dwarosch grinste. „Auch bei den Granitschädeln meines Volkes. In meinem Fall ist ein gesundes Misstrauen geblieben, jedoch habe ich irgendwann erkennen müssen, dass nicht die Magie, oder wie sie häufig bei uns betitelt wird- das Drachenwerk an sich böse ist, sondern nur ein Werkzeug. Jedoch kann die Macht dieser ‚Gabe Madas‘ einen Menschen mit niederen Absichten zu einer großen Bedrohung werden lassen. Sie potenziert die Böse in einem Menschen, wenn ihr es so wollt. Große Macht birgt auch große Verantwortung und daran scheitern viele. Das ist meine Erfahrung. Ebenso aber hat Schlachtfeldmagie mein Leben mehr als einmal gerettet. Da wird man schon nachdenklich und überdenkt seine Ansichten. Versteht ihr?“ Und ja, das tat sie.

So feierte man, trank und rauchte. Nach dem Essen ging Radomir mit seinen Gästen ins Warme seiner Stube, wo die Bediensteten der Klosterkaserne kräftig eingeheizt hatten und neben heißem Met und Bier auch einige Küchlein und süße Leckereien aufgetischt hatten. Die Baronsfamilie, die Gäste und der Geweihte mit seiner Tochter redeten und lachten bis in die Nacht.

Aufbruch und Abschied

Die folgende Zeit verging wie im Flug. Es wurde gekämpft, Gespräche geführt, man traf sich im Dampfraum der Zwergenbinge Irians. Irgendwann aber, war die Zeit des Aufbruchs gekommen. Marbolieb und Dwarosch hatten Verpflichtungen, die es ihnen nicht ermöglichten, den ganzen Winter in Tandosch zu bleiben, auch wenn dies sicher einige Vorzüge gehabt hätte und sie vor allem vor einer weiteren Reise durch den Isenhag im Winter bewahrt hätte. Indes, es war ihnen nicht vergönnt. Die Heimreise wurde vorbereitet und unter vielen guten Wünschen machten sich die Gebirgsjäger, der Oberst und die kleine Geweihte des stillen Gottes, alle um die Mitte herum etwas runder geworden, auf den Weg. Radomir und Dwarosch gaben sich die Hand und umarmten sich herzlich, wie es Brüder taten. "Wir sehen uns in Selanosch. Wenn wir beide von unserer Wallfahrt zurück sind“, sprach Radomir und der Oberst entgegnete mit einem frechen Grinsen: „So die Götter uns gewogen sind, Jungspund.“ „Kor und die zwölf mit Dir, Dwarosch. Und mit Dir, Marbolieb. Und auch mit Euch, Söhne Angroschs. Sichere Wege bis wir uns wiedersehen."

Wenige Tage später, die Heimreise war ereignislos, aber dennoch fordernd gewesen, brachte der Oberst in Begleitung seiner Gebirgsjäger die blinde Boroni wieder zu ihrem Tempel in Calmir und nahmen im Gegenzug all ihre Bücher (zwei an der Zahl) und ihre Schreibsachen mit, ein Geschenk für ihre Tochter, die bei dem Oberst lebte - und der all dies einmal von Nutzen sein würde, wenn sie vielleicht, in vielen Götterläufen, die Kunst des Schreibens erlernen würde.

Nur allzu gern wäre der Oberst von Calmir aus noch zu Burg Rabenstein marschiert, um den Baron nach Marboliebs Lebensumständen zu befragen, doch der dieser Weg blieb selbst den Angroschim im Winter versperrt. Den alten Rabensteiner hätte Dwarosch auf dem Stammsitz seiner Familie aber ohnehin nicht angetroffen, denn dieser verweilte in der kalten Jahreszeit wie üblich in Almada und hätte so den Oberst auch nicht über dessen Irrtum aufklären können. Der Bote jedenfalls, den Dwarosch im Frühjahr nach Burg Rabenstein entsandte, kam zu spät. Als der Brief Lucrann von Rabenstein erreichte, hatte das Schicksal bereits seinen Lauf genommen und Marbolieb einen Platz in einem Kloster gefunden.

Für Marbolieb bedeutete die Ankunft in Calmir eine Rückkehr zur Kälte und Kargheit des Winters in den Bergen - und zu der Dunkelheit und Stille, die sie empfing wie eine alte Freundin, bereit, mit die Einsamkeit mit ihr zu teilen.

Und so hüllte nach dem Aufbruch der Zwerge wieder der Schnee das kleine Dorf ein, schloss alle Wege für die nächsten Monde und ließ die Gedanken an den nächsten Frühling zu einem Traum verblassen, der mit der Zeit zu bloßem Dunst verflog, wie es die Art von ausgeträumten Träumen war.