Die Knappin und der Magier

Hintergrund

Auf der Schweinsfolder Hochzeit haben sich Meta Croy und Gudekar von Weissenquell kennen – und lieben – gelernt. Obwohl diese Beziehung nicht von Travia gesegnet sein kann, begibt sich der Magier auf eine Reise, um die Knappin wiederzusehen. Im Anschluss folgt ein längerer Briefwechsel bis zum nächsten Wiedersehen.

Unverhofft kommt oft

Setting

Personen

Unverhofft kommt an

Boron 1043 B.F. am frühen Nachmittag in der Nähe des Dorfes Linnartstein

Es war ein trüber Borontag. Anders als an den letzten Tagen schaffte es die Praiosscheibe heute nicht, den Nebel aufzulösen. Und so zogen graue Schaden durch die Weinberge. Ein einsamer Reiter in einem grünen Umhang kam in gemächlichem Trab die Straße aus Richtung Aves daher.  Der an den Sattel gebundene Stab ließ den Reiter leicht als Magier erkennen.

Die Kälte dieses unfreundlichen Herbsttages lag dem Magier in den Knochen. Okku Langsam sog sich sein Umhang voll Wasser, und er war sich nicht sicher, ob es sacht zu nieseln begonnen hatte, oder ob sich lediglich der Nebel in dem Wollstoff niedersetzte. Es war auch einerlei, denn das Ergebnis war das gleiche: inzwischen war er durch und durch nass und der Magier fror. Als sein Pferd schnaubte, kamen weiße Wölkchen aus seinen Nüstern. Von weitem hätte man das Tier mit seinem in grünem Tuch gehüllten Reiter für einen Drachen halten können.

Plötzlich gab der Nebel schemenhaft ein Dorf zum Vorschein.

Linnartstein war ein hübsches, beschauliches Dorf am Fuße der bekannten Linnartsteiner Weinberge. Die Häuschen waren allesamt schmuck und im Fachwerkstil erbaut. Der kleine See funkelte trotz der herrschenden, diesigen Wetterlage und hinter den vielen Dächern der Häuser, erhoben sich die sanften, über und über mit Weinzeilen bedeckten Hügeln. Die Siedlung hatte ihren Namen vom Heiligen Linnart, der vor vielen Götterläufen hier gelebt und die Weinberge gepflanzt und bewirtschaftet haben soll. Der Linnartshof am Dorfplatz soll einst von Sankt Linnart selbst erbaut worden sein - ein geräumiger Gutshof, der als Markt und Umschlagplatz der schmackhaften Erzeugnisse der firunwärts gelegenen Weinberge des Edlentums genutzt wird. Von hier aus wurde der vorzügliche rote und weiße Linnartsteiner über Taindoch und den Großen Fluss im Herzogtum und darüber hinaus verkauft. Gegenüber dem Gutshof lag Seite an Seit TV e der kleine, erst kürzlich eingeweihte Rahjatempel Linnartstein und der überaus zu empfehlende Gasthof “zur springenden Geiß”. Im Tempel wird die schöne Göttin vor allem als Schirmherrin des Weinbaus und der Künste verehrt. Der Tempelgarten beherbergt einen Schrein des Heiligen Linnarts, in welchem eine fein gearbeitete, lebensgroße Statue des Heiligen, reitend auf der Weinbeergeiß, unter einem großen Pavillon zu bestaunen war. Der Reiter hielt sein Pferd an, als er einen Bauern am Wegesrand sah, und fragte: “Den Zwölfen zum Gruße, guter Mann! Sagt, ist dies der Ort Linnartstein?” Als der Bauer dies bestätigte, fragte der Reiter noch nach einer Herberge. “Habt Dank, guter Mann! Möge Peraine mit euch sein!” verabschiedete er sich, als auch diese Frage zu seiner Zufriedenheit geklärt war. So setzte der Magier seinen Weg fort zum Gasthaus, wo er sein Pferd im Stall unterstellen und versorgen ließ und dann selbst die Gaststube betrat. Der Schankraum war mit hellem Holz vertäfelt und zeigte hübsche Bilder auf den Wänden. Dabei herrschten vor allem Bilder von Weinbergen oder Darstellungen von Rahjaheiligen vor. Besonders scheinen es den hiesigen Menschen Ziegen angetan zu haben.

Gudekar schaute sich um und suchte sich dann einen Platz in der Nähe eines wärmenden Kamins.  Er zog seinen Mantel aus und hing ihn zum trocknen auf, dann ließ er sich einen Tee und eine Schüssel heißen Eintopfs bringen. Die Wirtin war eine nette Mittdreißigerin, die Gudekar bediente, aber sonst weitestgehend in Ruhe ließ. Außer dem Magier war der Gastraum auch nur sehr spärlich gefüllt gewesen. Ein Tisch war mit wohl Handwerkern besetzt gewesen - sie tranken und lachten, auf einem anderen Tisch saß ein junges Paar.

Während Gudekar sich an Kamin, Tee und Suppe erwärmte, beobachtete er die anwesenden Gäste und versuchte ein wenig ihren Gesprächen zu folgen. Es war immer gut, in einer ungewohnten Umgebung zunächst die Ohren zu offen zu halten. So konnte man einen ersten Eindruck von den Leuten gewinnen, mit denen man es zu tun hatte.

Die Handwerker schienen Fassbinder zu sein, die sich hier wohl gerade zu einer Pause eingefunden hatten. Sie sprachen über die letzte Lieferung Holz und dass der Schmied mit den Eisenriemen säumig war. Auch erzählten sie von einem Winzer, der seine leeren Fässer nicht einschlug und deshalb alle paar Sommer neue brauchte. Die Männer witzelten um die Torheit des Mannes, freuten sich aber über die Aussicht auf ein Geschäft.

Das junge Paar hingegen war um einiges diskreter. Beide hatte ihre Verliebtheit rote Flecken der Aufregung ins Gesicht gezeichnet, sie flüsterten einander Sachen zu, die Frau kicherte ab und an, doch konnte Gundekar den Inhalt des Gespräches nicht eindeutig ausmachen - wohl auch wegen der Geräuschkulisse am Tisch mit den Fassbindern.

Der Magier war zufrieden. Zwar hatte er keine Gerüchte über sein eigentliches Reiseziel aufgeschnappt, aber zumindest schien die Stimmung im Ort friedlich zu sein. Das war viel Wert in bewegten Zeiten wie diesen.

Als Gudekar seinen Eintopf aufgegessen hatte, rief er die Wirtin zu sich. “Gute Frau! Habt Ihr ein freies Zimmer in eurem Haus für einen Reisenden, der ein einfaches Quartier für die Nacht sucht?”

"Ja natürlich", antwortete die junge Wirtin sogleich und lächelte in Vorfreude auf das sich bietende Geschäft. "Ich habe noch ein sehr schönes Einzelzimmer für Euch. Sogar mit Blick auf den See. Ich lasse Euch gerne schon einmal die Tasche hochtragen."

“Habt Dank, gute Frau, doch ein einfaches Zimmer reicht. Nur etwas, wo ich mein Gepäck abladen und mich etwas frisch machen kann. Und ein warmes Plätzchen für die Nacht. Nichts Aufwendiges, bitte.” Das Reisebudget des Magiers war klein und schon zu weiten Teilen aufgebraucht.

"Wir haben nur schöne Zimmer, gelehrter Herr", antwortete die Wirtin etwas irritiert. "Oder wollt Ihr in den Schlafsaal?" Gudekar lief leicht rot an. “Entschuldigt, ich wollte nicht in Frage stellen, dass all Eure Zimmer von Qualität sind. Ich wollte damit nur sagen, Ihr braucht für einen einfachen Anconiter nicht…”, wie sollte er sich nur ausdrücken? “Ich meine, ich kann gerne auf besonderen Komfort verzichten. Doch ein Einzelzimmer wäre schon recht.” "Dann werdet Ihr mit meinem angebotenen Zimmer vorlieb nehmen müssen", antwortete die Wirtin, begleitet mit einem freundlichen Lächeln. "Aber wenn Ihr möchtet mache ich Euch einen guten Preis."

“Habt Dank, gute Frau. Travia wird es euch vergelten.” Gudekar hoffte sehr, dass der ‘gute Preis’ seine Geldbörse nicht zu sehr belasten würde, befürchtete aber Schlimmes. Es war hier alles so viel vornehmer, als er es gewohnt war. Der Magier ging auf sein Zimmer, in dem sein spärliches Gepäck bereits auf ihn wartete. Mit Genugtuung stellte er fest, dass eine Waschschüssel und eine Kanne dampfendes Wasser für ihn bereit gestellt waren. Die Wirtsleute schienen zu wissen, was ein Reisender zu dieser Jahreszeit begehrte. Obwohl, ein wärmendes Bad wäre noch angenehmer gewesen.  Aber er wollte sich nicht beklagen, schließlich hatte er nur nach einer einfachen Unterkunft gesucht. Sparsamkeit ist eine Tugend. Gudekar wusch sich ausgiebig und zog ein frisches Hemd sowie eine saubere Hose an. In der Waschschüssel reinigte er grob seine Reisekleider, die er dann zum Trocknen auf den warmen Ofen legte.

Als alles gerichtet war, ging er wieder in die Schankstube und fragte die Wirtin nach dem Weg zum Hof des Edlen vom Traurigen Stein.

Unverhofft klopft an

Der Weg vom Dorf Linnartstein zum Anwesen der verrufenen Familie vom Traurigen Stein war kein weiter gewesen. Die sogenannte Weinstraße ging vom Dorfplatz hoch in Richtung Firun, vorbei an ein paar kleineren Höfen und mitten durch die beschaulichen Weinberge, deren Rebstöcke ihr satt-grünes Kleid durch herbstliches Orange und Braun getauscht hatten. Ab und an sah Gudekar sogar noch Arbeiter in den Weingärten, die auch damit beschäftigt waren Wein zu lesen, was den Magier ob der späten Jahreszeit wunderte.

Auf jeden Fall dauerte es nicht lange bis, ein beeindruckendes Anwesen in Sicht kam. Das Haupthaus schien dabei einem schmucken horasischen Palazzo nachempfunden. Das Gebäude stand in einem wunderschön angelegten Park und war gesäumt von einigen Nebengebäuden, bei welchen ebenfalls geschäftiges Treiben herrschte.

Je näher Gudekar dem Anwesen kam, umso unwohler wurde ihm. Was hatte er sich nur dabei gedacht, hier einfach so unerwartet aufzutauchen? Was würde Meta wohl sagen? Wie würde ihr Schwertvater reagieren? War womöglich sogar dieser Bannstrahler vor Ort? Was würde er tun? Immer stärker wurde die Angst vor der eigenen Courage. Was sollte er zu Meta sagen, wenn er sie endlich wiedersah? Immer stärker wurde der Drang einfach umzukehren und davonzureiten. Doch trotz des geschäftigen Treibens, wurde die Ankunft des Magiers bereits recht früh erkannt. Eine junge Stallmagd, half Gudekar mit seinem Pferd und fragte ob sie ihm denn bei jemanden anmelden soll.

“Ähm, ja, … nun”, fing der Magier an zu stottern. Dann riss er sich zusammen, straffte seinen Mantel und richtete sich auf, sodass er kerzengerade dastand. “Ja”, begann er nun mit etwas mehr Selbstbewusstsein. “mein Name ist Gudekar von Weissenquell, meines Zeichens Mitglied der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilzauberei des Anconius und ich wünsche die Dame Meta Croy zu sprechen, so sich denn zu Zeit auf dem Anwesen aufhält.” In seinen Gedanken atmete der Magier vor Erleichterung, seinen Text aufgesagt zu haben, tief aus, doch in Wahrheit hielt er vor Schreck und Anspannung den Atem an, bis ihm fast schwarz vor Augen wurde, wie er plötzlich bemerkte.

"Ach …", kurz ging der Blick der Magd hinüber auf eine nahe Anhöhe, die etwa eine Meile entfernt lag, wo sich ein weiterer, trutzigerer Bau befand. Gudekar hatte davon gehört, es musste dies das Kloster St. Aldec des Bannstrahler-Ordens gewesen sein. "Nun, gelehrter Herr … ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Euch." Das Lächeln der Magd passte nicht so richtig zum Gesagten. "Meta ist hier … aber gerade unpässlich. Wollt Ihr im Salon warten oder im Pavillon?"

Warten - das war gut! Es böte ihm die Gelegenheit, seine Gedanken zu sortieren, zu überlegen, was er wohl am besten sagte. Warten - das war schlecht! Er würde nur noch nervöser werden.

Salon? Pavillon? Der Magier war es nicht gewohnt, dass es so viele Flecken auf einem Anwesen gab, an denen man Gäste warten lassen konnte. Das Anwesen seines Vaters bot keine Auswahl so anmutig klingender Räumlichkeiten. Dort wartete man im Speisesaal, wenn man ein wichtiger Gast war, oder in der Küche, wenn es sich um einen einfachen Boten handelte.

“Nun, was meint Ihr? Wo wartet es sich am angenehmsten?”

"Nun der Salon ist drinnen, der Pavillon draußen", erklärte sie. "Soll ich derweil nach der Hausherrin schicken? Wobei ich nicht weiß ob Wohlgeboren von Halberg Zeit für Euch findet. Ihr seid, meine ich, nicht angemeldet", setzte die Magd mit leicht vorwurfsvollem Unterton hinzu.

“Ich möchte keine unnötigen Umstände machen. Ihr braucht Eure Wohlgeboren nicht zu stören. Es wird wohl das beste sein, wenn ich draußen im Pavillon warte.” Die frische Luft würde ihm sicherlich gut tun, solange es von oben trocken bliebe, dachte Gudekar. Die Luft hält einen wach und die Kälte schärft den Verstand.

Doch dann besann er sich eines Besseren. „Wartet, ist die Dame dort oben auf der Anhöhe?“ Er deutete in Richtung des Klosters.

"Die Herrin? Im Kloster?" Die Magd lachte glockenhell auf. "Sie wird wohl in der Bibliothek sein, oder im blauen Salon bei ihrem Tee."

“Oh, ich habe mich wohl unverständlich ausgedrückt. Ich meinte die Dame Croy.” Der Einstand seines Besuches hier in Linnartstein lief bisher wahrlich nicht so, wie es sich der Magier vorgestellt hatte. Falls er es sich überhaupt vorher vorgestellt hatte.

“Götter, nein”, sie schüttelte intensiv mit ihrem Kopf. “Die junge Dame Meta ist gerade am Üben mit ihrem Schwertvater. Schwertkampftraining.” Wieder musterte die Frau den Magier. “Also, darf ich Euch jetzt irgendwo anmelden?”

„Ja, sehr wohl, würdet Ihr bitte die junge Dame von meiner Anwesenheit in Kenntnis setzen?“ Gerade, als die Magd Luft holte um zu antworten oder loszugehen, da war sich Gudekar nicht sicher, warf er ein: „Oder nein, ich möchte nicht, dass sie ihre Schwertübungen unterbricht. Vielleicht führt ich mich einfach zum Übungsplatz und ich warte dort, bis sie fertig ist?“ Vielleicht, so hoffte er, könnte er ihr so noch einen Moment bei den Übungen zu sehen.

“Ihr wollt beim Übungsplatz warten?”, fragte sie leicht ungläubig. “Ohne vom Edlen dazu eingeladen worden zu sein?” Sie schüttelte knapp ihren Kopf. “Nein, ich führe Euch besser in den roten Salon. Dort ist es warm, Ihr bekommt zu trinken und wenn die junge Dame mit ihren Übungen fertig ist, wird sie Euch ihre Aufwartung machen. Einverstanden?”

Resigniert gab Gudekar nach. „Ja, wie Ihr meint. Dann warte ich im Salon.“ Hier war tatsächlich vieles anders als in Lützeltal. Sein Vater hätte sich stets gefreut, wenn Besucher direkt zu ihm geführt wurden. Aber, nun ja, das entsprach sicherlich nicht den feinen Sitten.

Besagter ´roter Salon´ war ein beschauliches Zimmer, das - wenig verwunderlich - in rot gehalten war. Dies galt für die Wände und Polstermöbel gleichermaßen. Auf den Wänden fanden sich Gemälde, die rahjanische Motive und Darstellungen der Göttin zeigten. Alles in allem nicht unbedingt zurückhaltend und beinahe überall sonst in den Nordmarken wohl als Skandal gelten würde.

Gerade hatte sich Gudekar gesetzt, da öffnete sich das Portal in den Salon ein weiteres Mal. Herein trat eine Frau in einem edlen, ihre Figur schmeichelnden Kleid, gehalten in Rot und Gold und mit kunstvoll hochgestecktem honigblondem Haar. Ihre grünen Augen funkelten in einer Mischung aus Neugier und Spott. “Adda Praiosmin von Halberg …”, stellte sie sich vor und streckte dem Magier ihren Handrücken entgegen, “... ich habe gerade erfahren, dass wir einen Gast haben. Seid willkommen in der Villa vom Traurigen Stein.”

Der Magier sprang sofort wieder vom Sessel auf, ging auf die ihm unbekannte Dame zu, führte mit seiner Hand die ihre näher zu sich und deutete mit einer leichten Verbeugung einen Handkuss an. Dann grüßte er: “Ich bin Gudekar von Weißenquell, Adeptus der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilmagie des Anconius aus dem Kloster in Albenhus, Sohn des Edlen von Lützeltal. Es erfreut mich sehr, Eure Bekanntschaft zu machen!” Hätte vielleicht jedem anderen Mann der Anblick der Dame für einen Moment den Atem geraubt, so schien Gudekar diesen überhaupt nicht wahrzunehmen.

"Ein Magier …", merkte Adda schnippisch an, "... die dürfen wir hier nicht oft begrüßen. Liegt wohl an der Nachbarschaft", sie nickte vage in die Richtung, in welcher sie das Kloster wusste. "Sammelt Ihr Spenden für Euren Orden?"

‘Das glaube ich gern!’ dachte Gudekar. Bei dem Gedanken an die Bannstrahler lief es ihm eiskalt den Rücken herunter. Er war sich immer mehr sicher, dass es ein Fehler war, hierherzukommen. Dennoch versuchte er gefasst zu bleiben.

“Nun, es ist mir stets eine Ehre, die Dankbarkeit von Klienten, die durch mich die Gnade der Mutter Peraine erfahren durften, in Form eines Salärs zum Wohle der Waisenkinder im Traviatempel zu Albenhus sowie der armen  Albenhuser Kranken, die in unserem Kloster gepflegt werden, in Empfang zu nehmen. Doch ist dies nicht der –  einzige – Grund meines Besuches.” Gudekar dachte einen Moment nach, welche Geschichte er am unverfänglichsten von sich geben konnte. Warum hatte er sich darüber nicht vorher Gedanken gemacht? Dann hatte er eine spontane Eingebung. “Es ist nicht allzu lange her, dass ich durch einen glücklichen Zufall die Bekannschaft der jungen Dame Meta Croy machen durfte. Während unseres Kennenlernens, versprach mir die junge Dame, bei unserem nächsten Aufeinandertreffen mir die eine oder andere Lektion ihrer Muttersprache, der almadanischen Zunge, beizubringen. Nun ist es mir stets ein innerstes Bedürfnis, Hesinde zur Ehre, Wissen anzusammeln, auch das Wissen um mir fremde Sprachen. Insbesondere, da die Kenntnis verschiedener Sprachen auch das Tor zu reichhaltigem Wissen, das von anderen Kulturen generiert wurde, öffnet. Meine Geschäfte haben mich unlängst in eine nahegelegene Baronie geführt. und da erinnerte ich mich an das Versprechen der jungen Dame Croy. So entschied ich, die Strapazen eines Umweges auf mich zu nehmen, um hierher zureisen, anstatt mit meinen Weggefährten den direkten Weg zurück ins Albenhusische zu nehmen, in der Hoffnung, die junge Dame Croy hier anzutreffen und sie an ihr Versprechen zu erinnern.”

Adda verstand. Also war dieser Magus tatsächlich ein Bittsteller, wenn auch etwas anders als ursprünglich angenommen. “Ihr kommt her, um Euch von der Knappin meines Mannes die almadaner Zunge beibringen zu lassen?”, fragte sie leicht belustigt. “Nun, Ihr wisst, dass Meta gegenwärtig beschäftigt ist? Und da es mir schwer fällt, einen Gast so lange alleine hier warten zu lassen, werde ich Euch etwas Gesellschaft leisten.

Die Edle setzte sich auf eine Chaiselongue und schlug ihre Beine übereinander. “Albenhus also … wie meintet Ihr … Lützelbach? Seid Ihr öfters hier in diesen Breiten auf Reisen?”

Gudekar merkte, wie seine Ohren heiß wurden. Seine unbeholfenen Erklärungsversuche, nein seine kleinen Lügen waren vermutlich viel zu leicht zu durchschauen. Ruhig bleiben! Nun, er musste versuchen, die Dame des Hauses in ein unverfängliches Gespräch zu verwickeln, bis… ja, bis was eigentlich?

“Ja, ich stamme aus Albenhus. Das Lützeltal ist ein kleines Gut im dortigen Grafenland. Sehr beschaulich, bei weitem nicht so liebreizend wie die Gegend hier, mit den wunderschönen Weinbergen. Ihr müsst euch glücklich schätzen, in einem dermaßen von Rahja gesegneten Landstrich leben zu dürfen. Leider ist es mir üblicher Weise nicht vergönnt, diese Gegend hier aufsuchen zu können. Deshalb wollte ich auch die sich mir gerade gebotene Gelegenheit nutzen, um dies nachzuholen. Einige wichtige Investigationen haben mich im letzten Mond an verschiedene Orte in der Nähe geführt, doch werde ich Euch nicht mit den Details meines geschäftlichen Auftrags langweilen.” Der Magier erinnerte sich, dass zumindest Linnart, der Sohn der Edlen, nicht gut Freund mit dem Baron von Eisenstein war. Und da er nicht einschätzen konnte, ob das auch für die beiden Edlen selbst galt, vermied er es, seinen letzten Aufenthaltsort genauer auszuführen.

“Ihr habt wahrlich ein wunderschönes Anwesen. Sagt, wenn ich meinem Vater eine Flasche des hiesigen Weins von dieser Reise mitbringen wollte, welche Sorte würdet ihr empfehlen?”

Adda wog ihren Kopf leicht hin und her. “Das kommt auf Euren Vater an und was er gerne trinkt. Hier in Linnartstein keltern wir fruchtigen roten und trockenen weißen Linnartsteiner, sowie zwei Süßweine - den Firunswein und die Beerenauslese. Ersterer aus Trauben gewonnen, die im Winter geerntet werden, letzterer aus edelfaulen Früchten. Sehr aufwendig in der Herstellung und deshalb auch teurer als der Rote und der Weiße”, erklärte die Edle und es war klar, dass sie solcherlei Verkaufsgespräche wohl öfters führte.

„Das klingt alles äußerst verlockend. Ich vermute, meinem Vater würde der Rote am besten munden.“ Der Magier selbst war dagegen eher an dem Firunswein interessiert. Diesen müsste er unbedingt einmal probieren, wenn er schon in der Gegend war, dachte er. „War heuer die Ernte zufriedenstellend?“ Eine unverfängliche Frage, die sich eigentlich immer bei einer gesellschaftlichen Konversation stellen ließ.

Die Halbergerin schmunzelte. Sie verstand es mit den Menschen um sich zu spielen und wenn dieser Magier dachte, sie sei zu heiß gebadet worden und würde nicht durchschauen was genau er mit diesen Belanglosigkeiten in der Konversation zu erreichen gedachte, würde sie ihn eines besseren belehren müssen. “Jaja, ganz hervorragend”, meinte Adda, begleitet von einem sanften Lächeln. “Ein Mann, der in einem solch götterfrommen Orden dient, wird doch sicher Eheweib und Kind haben …”, sie zog fragend eine Augenbraue hoch, “... ich bewundere Eure Gemahlin, dass sie kein Problem damit hat wenn Ihr Euch in der Fremde auswärtige Zungen durch junge Frauen zu Gemüte führt.”

Mit einem einzigen Herzschlag wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht des Magiers. Seine ehle fühlt sich wie zugeschnürt. Seine Zunge schien an seinem ausgetrockneten Gaumen festzukleben.

„Nicht jedes Ordensmitlied hat sich der selben Göttin verschrieben. Hesinde, Peraine,Travia, Tsa, Efferd,“ er machte eine kurze Pause, um zu überlegen, wie er weiter reden sollte, „und selbstverständlich der gute Herr Praois“, den er besonders betonte, „– es gibt viele Göttinnen und Götter, die von unseren Brüdern und Schwestern geschätzt werden. Unser Orden zählt sich zum Bund des Weißen Pentagramms.“ Die weiteren Worte der Hausherrin ignorierte Gudekar geflissentlich. „Doch das Wissen zu mehren, um den Hilfebedürftigen besser helfen zu können, und um die Unschuldigen vor bösen Mächten schützen zu können, dies ist eine Tugend, die auch in unserer Bruder- und Schwesternschaft hoch geschätzt wird.“

"Und welcher Gottheit habt Ihr Euch verschrieben, gelehrter Herr?" Wenn Adda ihre Klauen in die Beute versenkt hatte, ließ sie diese nicht mehr so leicht los. "Ihr verleugnet doch hoffentlich niemanden? Das müsst Ihr vor mir nicht."

„Der alten Tradition meines Hauses folgend habe ich mich der weisen Herrin Hesinde verschrieben. Doch wird die Geschichte um die Gründung des Hauses Weissenquell schon lange nicht mehr in Ehren gehalten. Die Verbundenheit zu Mutter Travia ist groß in meiner Familie. Auch ich leiste meinen Dienst für die gute Mutter, indem ich mit meinen Fähigkeiten auch für das Wohlergehen der armen Waisenkinder aus dem Traviatempel in Albenhus sorge. Mutter und Vater Dreifeld, unsere beiden Geweihten, sind gute Freunde des Hauses Weissenquell. Und, ja, wenn ihr so direkt fragt, ich wurde mit einer jungen Frau verheiratet, die ebenfalls als Waisenkind dort aufgezogen wurde.“ Der Tonfall des Magiers wurde immer gereizter, und ein „was auch immer Euch das angeht“ konnte er sich nur verkneifen, weil dies eine zu große Missachtung der Gastfreundschaft bedeutet hätte, auf die er hier angewiesen war.

Addas Augenbrauen zuckten kaum merklich hoch. Ein Adeliger, der mit einem Waisenmädchen verheiratet wurde? Das würden sehr viele seiner Standesgenossen als einen Affront ausmachenz zu. Dieser Magier lieferte ihr ja ein ganzes Arsenal an Munition.

Schnell änderte Gudekar wieder das Thema und sprach in einem freundlicheren Tonfall weiter. „Vielleicht ist ja morgen möglich, den Weinkeller zu besuchen und die Weine zu verkosten?“

“Ich denke, dass sich das auf jeden Fall einrichten lässt”, antwortete die Edle nun wieder zuckersüß. “Sprecht einfach meinen Mann darauf an - wenn Ihr dann mit dem … Erlernen der almadaner Zunge fertig seid.”

„Habt Dank, dann werde ich Euren Gemahl um eine Führung bitten, wenn er mit den Schwertübungen für seine Knappin fertig ist. Ich könnte mir vorstellen, unser Abt könnte auch an der Lieferung geeigneter Weine für das Kloster interessiert sein. Ich werde ihm dann berichten.“

Gudekar machte eine Redepause und es entstand ein Moment aufdringlicher Stille. Diese unterbrach der Magier mit der Frage: „Wann denkt Ihr, wird Euer Gemahl mit den Übungen fertig sein?“ Es wurde nun langsam Dunkel, und Gudekar hoffte, die Befragung durch die Edle würde bald beendet sein. Er wurde immer nervöser und es hielt ihn kaum noch in dem Sessel, in dem er saß. Aber es wäre unhöflich gewesen, aufzustehen und im Zimmer auf und ab zu laufen. Auf was hatte er sich da eingelassen, dieser Narr, der er war.

“Ich bin mir sicher, dass sie bald fertig sein werden”, meinte Adda daraufhin gönnerhaft. Ja, Meta hatte in dem was sie tat noch nie sonderlich viel Ausdauer gezeigt. “Wenn Ihr aber Eurem Abten unseren Wein vorschlagen wollt, werde ich es veranlassen ihm ein paar Kostproben zu schicken. Mit den besten Grüßen unseres Hauses”, zeigte sich die Halbergerin gleich geschäftstüchtig.

„Das wird ihn sicher sehr erfreuen. Habt Dank für eure Großzügigkeit!“ Nun stand Gudekar doch auf und ging - mit betont gemächlichem Schritt - zum Fenster, um einen Blick in den Garten zu werfen. „Wie schön Euer Gut doch ist. Selbst bei einem solch trüben Wetter!“

“Ja …”, stimmte Adda ihm zu, “... wir sind gesegnet. Von Rahja und Praios gleichermaßen.” Auch konnte man ihrer Familie ein gewisses Maß an phexischer Schläue nicht absprechen. “Gedenkt Ihr jetzt eigentlich öfter zu Besuch zu kommen? Ich frage nur, weil Ihr vielleicht Euren Aufenthalt hier mit den Aufenthalten meines Sohnes akkordieren solltet. Ich denke nämlich nicht, dass er überaus erfreut wäre, Euch hier zu sehen.”

Wie kam die Edle nur auf die Idee, Gudekar könne öfter hierher kommen? Es war ja eigentlich noch nicht einmal angefacht, dass er überhaupt hier erscheinen würde. Bis vor drei Tagen hatte selbst Gudekar noch nicht daran Gedacht, dass dies passieren würde. Und wieso betonte sie diesen Bannstrahler in dem Zusammenhang? Ahnte sie etwas? Wusste sie Bescheid? Oder war Gudekar tatsächlich so leicht zu lesen, wie ein Buch?

„Nun, der Weg aus der Heimat ist doch sehr weit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mir vergönnt sein wird, des Öfteren hierher zu reisen, auch wenn Ich dies in Anbetracht des Liebreizes der Landschaft sehr bedauern dürfte.“ Die Dame sprach über ihren Sohn im Konjunktiv, heißt das, er ist nicht da? Die Götter schienen es gut mit Gudekar zu meinen. “Euer Sohn weilt zur Zeit nicht in Linnartstein?”

“Ist er nicht. Er hat seinen Verpflichtungen als Cellerar im Orden nachzukommen”, meinte die immer noch sitzende Adda zum stehenden Gudekar. “Das heißt Ihr nehmt an, dass die junge Dame Euch die Almadaner Zunge in einer Sitzung beibringen kann? Ihr seid wohl sehr talentiert was das Erlernen von Sprachen angeht.”

Der Magier drehte sich um und schaute die Edle an. Er versuchte, aus ihrem Gesichtsausdruck zu lesen, was wohl ihre Absichten seien, was sie mit ihren Nachfragen und Andeutungen bezweckte.Vorsichtig versuchte er eine Antwort zu geben, obwohl er sicher war, dass jeder seiner tölpelhaften Erklärungsversuche in einer weiteren Frage münden würde. Er wusste, er saßen der Falle, wie eine Maus, die von einer Schlange als Opfer ausgewählt war, und dennoch nicht davon lief, sondern sich vom Blick der Schlange hypnotisieren ließ. „Nun, nein, sicher nicht, so begabt bin ich wohl nicht. Ich hoffte lediglich, ein paar Tage bleiben zu können, weil dies in meinen Reiseplan passt, und ein erstes Gefühl für die Sprache gewinnen zu können“, stammelte er etwas verlegen. „Natürlich nur, wenn es die Pflichten der jungen Dame gestatten.“

"Nun, wir sind ein gastfreundliches Haus, gelehrter Herr", meinte Adda daraufhin und es war dem Magier klar, dass sie ihm seine Geschichte nicht abnahm. "Ihr dürft somit gerne bleiben. Was Meta betrifft bin ich jedoch die falsche Ansprechperson. Da müsst Ihr mit meinem Mann sprechen."

Es muss ausgesehen haben, als ob dem Magier die Kinnlade herunterfallen würde, als Adda ihren Verhörstil plötzlich beendete. Er hatte mit allem gerechnet, jedoch nicht letztlich mit einem Willkommen, war es nun ernst gemeint oder nicht. Deshalb wusste er auch nicht, was er am besten erwidern sollte.

„Habt vielmals Dank für Eure Einladung. Ich möchte aber Eure Gastfreundschaft auch nicht über Gebühr strapazieren. Ich habe schon viel zu viel Eurer Zeit in Anspruch genommen. Ich habe im Dorf ein Zimmer im Gasthaus belegt. Vielleicht sollte ich am besten dort warten, ob Euer Gemahl heute oder morgen der jungen Dame Zeit für ein kurzes Gespräch zugesteht. Könntet Ihr ihnen eine kurze Nachricht übermitteln, dass ich dort auf eine Antwort warte?“

‚Wenn ich dort warte, könnte ich wenigstens zwischendurch meinen Mund mit einem Becher Wein, oder zumindest Wasser, befeuchten‘, dachte der Magier, dessen Kehle inzwischen vor Durst trocken war. Mit einer Mischung aus Bedauern und Sorge bemerkte Gudekar nämlich, dass ihm hier noch nichts zu trinken angeboten wurde, obwohl man sehr wohl schon über den hiesigen Rebensaft gesprochen hatte. Allein diese Missachtung der travianischen Gastfreundschaft entlarvte die letzten Worte der Edlen als Lüge.

"Ihr könnt auch hier warten", meinte Adda kühl und wies auf das Tischchen, wo Wein und Wasser angerichtet standen - und zwar schon seit ihn die Magd in den Salon führte. "Und Ihr müsst auch nicht stehen", ein Umstand, den man wohl als Unhöflichkeit auffassen konnte. Zumindest schwang ein gewisses Maß an Vorwurf in der Stimme der Edlen mit. "Aber wenn Ihr wollt …", sie zuckte gespielt beleidigt mit ihren Schultern, "... könnt Ihr auch wieder ins Dorf zurück. Ich hindere Euch nicht daran und werde zusehen, dass Eure Nachricht die junge Dame erreicht."

Gudekar folgte mit seinem Blick der Richtung zu dem Tischchen. In seinem Blick war tiefe Dankbarkeit zu erkennen, als er die Karaffen wahrnahm. „Es tut mir leid, ich wollte nicht unhöflich erscheinen. Ich möchte Euch wirklich nicht zur Last fallen. Doch, wenn Ihr erlaubt, wäre ich sehr dankbar, mir einen Schluck Wasser nehmen zu dürfen.“ Der Magier blickte Adda an, und als er kein verneinendes Signal wahrnahm, goss er sich einen Becher ein und setzte sich wieder in einen Sessel. „Ihr müsst verzeihen, ich bin es wahrlich nicht gewohnt, anderen Höfen einen Besuch abzustatten. Üblicherweise kommen die Menschen als Bittsteller in unser Kloster, und das sind auch eher selten Edelleute, die zu uns kommen. Und die diplomatischen Gespräche führt für gewöhnlich unser Abt.“ Langsam fiel die Anspannung von Gudekar ab und er ergab sich dem Schicksal.

Adda nickte, wohl den Worten des Magiers wohl zustimmend. Erst kam er hier her, wohl weil er Meta unter den Rock wollte, erzählte ihr irgendwelche Geschichten über das Erlernen von Sprachen und dann sah es so aus als würde er am Liebsten flüchten. "Ich bin mir sicher, dass Meta und mein Mann ihre Übungen bald beendet haben." Nun da Gudekar saß, war es Adda die sich erhob und ihr schönes Kleid zurecht strich. "Da es Euch nicht ganz ungelegen zu sein scheint, werde ich Euch nun auch wieder alleine lassen." Sie lächelte charmant, ob aufgesetzt oder nicht, konnte der Magus nicht sagen. "Wir sehen uns beim Abendmahl, so Ihr nicht das Gasthaus unserer Einladung vorzieht." Dann bewegte sich die Hausherrin zum Portal in den Salon und durchschritt dieses nach außen.

Gudekar wäre am liebsten vor Scham im Erdboden versunken. Nur selten hatte er sich dermaßen blamiert, wie hier in den letzten Minuten. Was hatte er sich nur dabei gedacht, hier so unvorbereitet und unangekündigt aufzutauchen? Doch um wegzulaufen war es wahrlich zu spät. Jetzt davonzulaufen würde seine Scham nicht

verringern, im Gegenteil. Er würde sich lediglich ewig Vorwürfe machen, denn sein Herz verlangte zu sehr, Meta wiederzusehen.

Unverhofftes Wiedersehen

Stahl klirrte auf Stahl, so schrill, dass die Luft erzitterte und die Wände der nahe stehenden Wänden ihr Echo schier hundertfach wiedergaben. Das Praiosmal bewegte sich bereits nahe an die Hügel rund um die Villa Pietra Triste heran und es war kalt geworden am Stammsitz der Familie vom Traurigen Stein. Die beiden Kämpfer schienen sich jedoch nicht daran zu stören; in heftigen Zügen stießen sie den Atem aus, was ob der herrschenden Kälte dazu führte, dass dieser in Form kleiner Wölkchen sichtbar wurde. Der Edle Thymon vom Traurigen Stein stand mit verschränkten Armen nebenbei. Er sog die kühle Abendluft ein und nickte seinen Kämpfern anerkennend zu. “Deckung hoch, Meta …”, rief er in die Waffenübung hinein. “Nein, noch höher. Du deckst deinen Oberkörper nicht genügend ab!” Die Knappin war außer Atem, behielt nur ihren Gegner im Auge und hielt das Schild höher. Ihr Gewand war staubig, anscheinend war sie schon das eine oder das andere Mal gefallen. Nichts desto Trotz steckte sie ohne zu jammern die Energie in den Kampf. Am liebsten würde sie ihren Gegner am Kopf treffen, ihre Augen blitzten zornig aber müde. Gudekar zu weit entfernt, und er konnte nicht wissen, dass Meta seit ihrem letzten Treffen einen großen Ehrgeiz im Schwertkampf, den bei ihr so vernachlässigten Teil der Ausbildung, entwickelt hatte. Ihr fehlte die Kraft. Das Schild hielt sie brav hoch, mit einer Hand, mit der anderen Hand hielt sie das Schwert nah beim Schild und versuchte, sich in Kreisen ihrem Gegner zu nähern. "Gut … ja … ja", befand Thymon. "Sei geduldig, warte bis sich die Chance für dich ergibt. Lies den Gegner. Die meisten Kämpfer fechten nach häufig denselben Bewegungsabläufen. Versuch ihn dir zu merken und ihn zu studieren. Der Kampf muss nicht nach einigen Herzschlägen zu ende gefochten sein." „Mein Herr, er macht jedesmal was anderes und scheint mich dafür zu lesen. Mir geht die Kraft aus, ja, ich muss, wenn ich selbstkritisch reflektieren darf, meinen Körper kräftiger und schmerzunempfindlich machen und meinen Geist etwas in die Zukunft versetzten, so überlegen, was ein guter Kämpfer machen würde. Oder ich übe mit unartigen Dörflern.“ Meta dachte daran, wie göttlich es wäre, sich einfach nur mit einem Becher Wasser hinzusetzen.

Der Edle nickte. “Gut, laufe noch eine Runde um das Anwesen und dann bist du für heute entlassen. Lass dir durch den Kopf gehen was du heute gelernt hast und was dein Gegner dir von sich gezeigt hat. Morgen zur selben Zeit am selben Ort machen wir weiter.” Thymon hatte noch jeden seiner Knappen zu passablen Kämpfern gemacht.

“Gerne, Schwertmeister Thymon. Ich werde Euch noch viel Freude bereiten.” Der Blick, der ihn traf sah todbringend aus, doch der Edle war von Meta so einiges gewohnt gewesen. “Voller Groll und Grant über diese Schinderei trabte Meta los. Laufen fiel ihr leichter und das, was sie im Moment besonders hasste, numerierte sie im Geiste. Das war nach der Anstrengung und während des Laufes nicht so einfach. Die Luft tat ihren Lungen gut und der Schmerz war einfach da. Wie immer. Und wie immer war sie überrascht, dass man mit so wenig Gedanken doch recht zügig über die Strecke kam. Angekommen dachte sie wieder an Wasser. Kalt und frisch. Je näher sie ihrem Zimmer kam. Die Schmerzen nach dem Training machten sie stolz. Es würde Früchte tragen. In ihrem Zimmer stand nicht viel. Ein Bett, Ihr Regal, es schien recht viel Krimskrams zu enthalten, ein Schrank für die Klamotten und ein kleiner Tisch mit Stuhl an dem sie ihren Schriftlichen Aufgaben erlegte. Jetzt hatte Zofe, wahrscheinlich Felina die Waschschüsseln mit Seife und Tuch gebracht. Wohlig streckte und seufze Meta, dann zog sie sich vollständig aus und wusch sich ausgiebig. Als Metas Tätigkeit ihrem Ende zuging, klopfte es an ihrer Zimmertür. Ohne ein Wort abzuwarten, öffnete sich diese, doch trat die Urheberin der Störung nicht ein. "Junge Dame", war es die Stimme einer Magd. "Ein Herr Gudekar erwartet Euch im roten Salon." Meta band sich ein Handtuch um und sah die Magd an, als würde sie scherzen. „Wie bitte? Ein hoher Herr Gudekar will mich sprechen?  Wart.“ Sie rieb sich fest trocken, fuhr notdürftig über ihre Haare, entschied sich, sie zu einem Almadanerzopf zu binden und zog ihr übliches Knappengewand an. „So, nochmal. Kann das sein, dass dieser Hohe Herr Magier ist? Wieso darf der dann hier rein? Los, führ mich zu ihm.“ Das konnte zeitlich doch gar nicht passen. Mit einem Brief hatte sie gerechnet. Aber wenn er wirklich gekommen war? Aufgeregt folgte sie der Magd. "Ja, Frau Meta …", meinte die Magd eifrig, "... ein Herr Magier wie es scheint. Ihre Wohlgeboren hat ihm etwas Gesellschaft geleistet. Er ist im roten Salon", wiederholte sie noch einmal, als die junge Frau Meta durch die Flure führte und dann vor dem besagten Raum anhielt. Hinter der Tür saß der Magier immer noch in dem Sessel und drehte den Becher voll Wasser nachdenklich zwischen den Händen. Er hatte nicht einen Schluck daraus getrunken. Meta trat mit der Magd ein und ihre Augen weiteten sich, ihr Puls raste. Was? Jetzt? Warum? Flugs erfasste sie, dass kein Mitglied der Traurigsteiner anwesend war. „Hoher Herr Gudekar, Ihr wolltet mich sprechen?“ begrüßte sie ihn artig.

Als Meta in den Salon trat und ihn ansprach, erschrak Gudekar, so sehr war er in Gedanken, dass ihm fast der Becher aus der Hand fiel. Ein Teil des Wassers ergoss sich über seinen Reiseumhang, bevor er den Becher abstellen konnte. Denn machte sich ein Strahlen in seinem Gesicht breit. „Junge Dame Croy, welch eine Freude, Euch zu sehen!“

„Danke Bosra, du kannst jetzt gehen.“ Ein versteckter Befehl an die Magd, die sich dann auch sofort entfernte, Meta setzte sich auf den Stuhl am Eck neben ihm und nahm seine Hand. „Was ist passiert? Ist alles in Ordnung? Ich hatte dich später erwartet.“ Sie stellte sich ein Unglück vor, er der einzige Überlebende oder eine Tragödie in seinem Heim.

Der Magier sah das erschrockene, sorgenvolle Gesicht der Knappin und deutete es richtig. „Meta, es ist alles in Ordnung. Jetzt ist alles in Ordnung.“ Bei diesem Satz drückte er leicht ihre Hand. „Ich musste dich einfach sehen. Meine Gefährten und ich waren auf unserer Mission nicht allzu weit von hier. Und als wir uns für die Rückreise fertig gemacht haben, habe ich kurzerhand entschieden, dir einen Besuch abzustatten. Mein Herz hat dich schon jetzt zu sehr vermisst.“

Ach, Linny würde sie so nie verstehen, ihm stand aber immer alles offen. So war es logisch, dass er seine Partnerin gewählt hatte, „Ich hatte Angst, das nächste Mal nimmst du mich besser mit.“ Sie packte ihn und und küsste ihn vom Hals an über das Gesicht.

Gudekar genoss ihr Liebkosungen und küsste sie zurück. Dabei sprach er zwischendurch, immer durch das Küssen unterbrochen: „Ich habe dich so vermisst! Aber mach dir keine Sorgen. Wir waren diesmal nie in Gefahr bei unseren Ermittlungen.“

„Komm mit in mein Zimmer. Dann erzähl mir bitte alles. Almadanisch werde ich dir regelmäßig per Brief schicken. Neues und ‚Hausaufgaben‘.” Sie freute sich so. Linny durfte auch seine vielen Weiber auf das Zimmer mitnehmen. Und man hörte genau, was er unterrichtete. Bis jetzt zumindest. Es gab derzeit wohl nur noch Durinja, sonst niemanden, was schade ist. Jetzt wollte sie keinen anderen.

„Sollten wir nicht lieber vorsichtiger sein?“ Gudekar war besorgt. „Ich glaube, die Edle ahnt etwas. Sie hat mir meine Geschichte nicht abgenommen, dass ich hergekommen bin, um Sprachunterricht zu nehmen und Wein zu kaufen. Ich möchte nicht, dass du Ärger mit deinem Schwertvater bekommst.“

Meta schüttelte den Kopf und forderte Gudekar auf, mit seinem Gepäck ihr zu folgen.

”Wir sind hier nicht im Traviatempel und Adda weiss genau warum du da bist, da bin ich mir sicher.” Sie lachte fröhlich und knuffte ihn in den Arm. “Komm, da lang, eine Treppe hoch. Viel Platz hab ich nicht, aber ich bin glücklich hier.”

“Und du bist sicher, dass die Edlen es dulden, wenn ich mit auf dein Zimmer komme?” fragte Gudekar überrascht, doch ehe er eine Antwort erhielt huschte sie geschwind zu ihrem Zimmer, sicher, dass der ältere und doch so junge Mann ihr problemlos würde folgen. Kraft, seinen Kram zu tragen, sollte er haben. Doch der Magier schien gar kein Gepäck dabei zu haben, zumindest hatte er es nicht im Salon abgestellt. Mit einem Achselzucken, und einem Lächeln im Gesicht, folgte Gudekar ihr dann aber. Sie wird schon wissen, was hier im Hause so üblich ist.

“Schau, komm rein. Ich lasse etwas, ach ich hole selbst was zu trinken.” Sie strahlte voller Freude, die sie versuchte, noch zurückzuhalten.Sicher spiele Rahja eine große Rolle, doch fehlte ich únverkennbar seit längerem ein Gesrächspachter. “Zaubere einfach gar nicht, dann dürfte nichts passieren. Mach es dir bequem, ich hole Wasser und Wein. Wird leider nicht der allerbeste des Hauses sein. So hoch stehe ich nicht,.”

Gudekar folgte ihr in ihr Zimmer. Als sie ihn sogleich wieder verließ, um die Getränke zu holen, rief er ihr noch hinterher: “Wasser reicht! Mach dir keine Mühe meinetwegen!”. Doch er war sich nicht sicher, ob Meta ihn noch gehört hatte. Dann stand er allein in ihrem Zimmer und schaute sich um. Er nahm einen tiefen Atemzug. Ein intensiver Geruch der Knappin lag in der Luft des Zimmers. Wer hier wohnte und den Duft gewohnt war, hat ihn sicherlich nicht wahrgenommen. Doch für Gudekar war dieser Duft sehr wohl zu merken. Und er betörte den Magier. Interessiert betrachtete er alle Einzelheiten des Zimmers.

Es dauerte doch länger, als er dachte, das mochte aber auch an der Vorfreude liegen. Meta klopfte, bis er ihr öffnete und hatte einen Korb dabei mit Wasser, Wein und zwei Gläsern. “Anders ging es nicht, ich kenne den Koch und er hat mir eine Flasche für heute Abend gegeben.” Sie stellte alles auf den einen Tisch und setzte sich. “ja, ich hab noch nach Miez geschaut. Meine Katze aus Cres. Die lungert gerne dort rum. Mach du auf, du kannst es sicher besser, ausserdem willst du mir sicher einschenken. Und dann, erzähl mir bitte kurz das Wichtigste. Leben noch alle deiner Freunde, hast du etwas erlegt, also magisch? Oder was hast du überhaupt gezaubert? Ähm…seit wann hast du geplant, mich zu besuchen? Hast du Merle was mitgebracht? Sie wird skeptisch sein.” Sie holte Luft und unterbrach so ihren Schwall an Fragen.

Gudekar nutzte ihre Redepause und kniete sich vor sie, um sie mit beiden Händen an den Oberarmen festzuhalten. Dabei schaute er ihr tief in die Augen und sprach: “Jetzt beruhige dich, mein Schatz! Wir haben genügend Zeit, um über alles zu reden. Ich kann durchaus zwei, drei Tage bleiben, wenn das bei dir auch passt. Ich habe mir im Gasthaus unten im Dorf ein Zimmer genommen, dort ist auch mein Gepäck. Es wird sich die Zeit finden, all deine Fragen zu beantworten. Und ich denke, du hast ein Recht, dass ich dir Antworten gebe, wo ich doch hier einfach so überraschend auftauche.” Er schaute weiter in ihr Gesicht und wartete auf eine Reaktion.

Etwas verwirrt sah sie ihn an und der Strudel an Fragen entwirrte sich langsam. Sie lächelte etwas peinlich berührt, dann freier. „Stimmt, wir haben Zeit. Meta nahm sein Gesicht sanft in beide Hände und betrachtete Gudekars Augen.“Sag mal ehrlich. Hast du mich schon mal verzaubert?“

Gudekars Blick veränderte sich in eine Mischung überrascht sein, schockiert  sein und beleidigt sein. Mit einer solchen Frage hatte er nicht gerechnet. Vielleicht lag aber auch ein Hauch von schlechtem Gewissen in seinen Augen, denn es gab durchaus Momente – kurze Momente – in denen er dies in Erwägung gezogen hatte. „Glaubst du etwa, ich hätte Magie auf dich gewirkt, damit du dich in mich verliebst? Damit du bereit bist, etwas mit mir zu tun, was du sonst nicht getan hättest? Glaubst du das wirklich?“ Er zögerte einen Moment, um Metas Reaktion zu sehen, doch dann sprach er weiter, und in seiner Stimme lag Ehrlichkeit. Er sprach jetzt mit einem gewissen Ernst. „Nein, Meta. So etwas habe ich nicht getan. Etwas wie einen Liebeszauber gibt es nicht.“ Zumindest nicht in gildenmagischer Repräsentation. „Und selbst, wenn ich so etwas könnte, würde ich das nicht tun. Meta, was ich für dich empfinde ist echte Liebe. Und ich hätte keinen Gefallen daran, wenn du nur wegen eines Zauer eine Nacht bei mir verbrängest. Denn die Wirkung eines jeden Zaubers verfliegt früher oder später.” Gudekar erinnerte sich an das Gefühl nach der Nacht mit Tsalinde im Lillienpark. Das war Meta von früher, wenn auch verboten bekannt. Es kam der dunklen Magie sehr nahe und wer weiss, welche Gelüste jemand ausleben wollte und zu was für Ergebnissen Sie führen würden.Diese Sache im Park war schon grenzwertig gewesen und sie war froh,sich den Ausflug gespart zu haben. Wie peinlich hätte das enden können.. Er erinnerte sich daran, wie schlecht er sich danach gefühlt hatte, wie verzweifelt er danach war. “Und wenn dir dann bewusst geworden wäre, was geschehen war, dann hätte ich dich für immer verloren.” Nach einem Augenblick des nachdenklichen Innehaltens wechselte sein Gesicht in ein schelmisches Grinsen. “Und, glaube mir, wenn ich einfach nur ein williges Stück Fleisch gesucht hätte, um meine Gelüste zu befriedigen, dann hätte ich keine Knappin gewählt, deren bester Freund ein Bannstrahler ist!”

“Viele Magier überschätzen sich oder suchen die Herausforderung.” Meta sah Gudekar neckisch an und war sich sicher, dass er nicht so dumm gewesen wäre. “Er ist sehr lieb, aber ich kenne ihn auch anders, viele vergessen das.”

Gudekar tippte sich lachend mit dem Zeigefinger dreimal gegen die Stirn. „Ich bin doch nicht blöd! Ich bin ja nicht lebensmüde und will noch nicht auf dem Scheiterhaufen landen, oder noch schlimmer, in den Verließen der Inquisition verschimmeln.“ Obwohl er sich nicht sicher war, ob ihn sein Besuch hier nicht genau dorthin führen würde

„Wenn es ginge, würde ich das verhindern, aber zum Glück bist du nicht so unbedarft, ihn zu unterschätzen. Wir haben hier im Dorf doch Piri, eine Heilerin. Ich hab dir von ihr erzählt, sie ist Heilmagierin und hat so eine gute Nische gefunden.“ „Ja, ich entsinne mich.“ „Beide meiden sich und soweit ich weiß, ist sie beliebt und gut.Sie verbirgt die Magie. Allerdings hab ich nicht viel mit ihr zu tun und sie steht unter Addas Schutz.“ Meta lächelte glücklich und umarmte ihren Freund. „Jetzt komm schon.“ Halb zog sie ihn, halb sank er hin…

„Es ist so schön, bei dir zu sein!‘ Er hatte immernoch ein schlechtes Gefühl, sich hier mit Meta zu treffen, auf ihrem Zimmer, in Intimität. Schließlich waren sie hier im Haus ihres Schwertvaters, und die Edle wusste genau, was hier vor sich ging. Dennoch genoss er jede Von Metas Berührungen.

Plötzlich richtete sich der Magier auf. „Meta, magst dich mich nicht über den Gutshof führen und mir zeigen, wie ihr hier lebt?“

Diese eher schlanke, normale junge Frau griff erstaunlich entschieden und kräftig seinen Hinterkopf. “Nein.” Ihre braunen Augen waren aus der Nähe, direkt vor seinem Gesicht, sehr hübsch. Ihre eigene Art von Braun. “Ich warte schon so lange.” Dann küsste sie ihn so leidenschaftlich wie damals.

Gudekar war völlig überrumpelt von Metas Reaktion, der der Blick in ihre Augen verfehlte die gewünschte Wirkung nicht. Auch er hatte Meta vermisst, ihre Nähe, ihre Stimme, und die Wärme ihres Körpers.  „Solange waren wir doch gar nicht getrennt, es ist doch nicht mal ein Monat vergangen“, warf er zwar ein, doch er wusste, es war ein Unterschied, ob man die Zeit mit Gefährten auf einer Queste verbrachte oder daheim im Alltag. Da konnten aus Tagen gefühlt Wochen werden. Und selbst er hatte zwischendurch sich immer wieder nach ihr verzehrt. Er erwiderte Ihren Kuss. „Es ist so schön, wieder bei dir zu sein! Du hast mir auch gefehlt.“

„Ach Gudi, hör auf zu reden.“ Seine Robe war ihr zu kompliziert und Meta ließ den Versuch, ihn zu entkleiden, sein. Sie selbst beeilte sich auf ihr Bett. Schell hatte sie sich entkleidet, zog Ihre Kleidung aus und setzte sich, die Beine an sich gezogen in eine Ecke des Bettes. Verführerisch wartete sie.

Gudekar hatte schon Luft geholt, um etwas zu erwidern, doch als Meta sich zu entkleiden begann, war er zu perplex – und zu sehr von ihrem Anblick angetan. Wie geschmeidig ihre Bewegungen doch waren, wie wohlgeformt ihr Körper war. Er stand einfach nur da und genoss es, ihr zuzusehen. Er spürte, wie sich in seiner Körpermitte etwas regte.

Als sie schließlich auf ihrem Bett saß und ihn erwartungsvoll ansah, begann auch er, seine Kleider abzulegen. Er zog sich Robe und Hemd über den Kopf, versuchte etwas unbeholfen, die Reitstiefel auszuziehen. Schließlich löste er den Knoten der Kordel, die seine Hose hielt. Das sah alles nicht sehr elegant aus, dazu war er viel zu aufgeregt. Schließlich stand Gudekar vor Metas Bett, wie Tsa ihn schuf. Seine Erregung war deutlich zu sehen.

Still und fast ausführlich betrachtete die junge Frau den nackten Mann vor sich, biss sich auf die Unterlippe und schloss dann die Augen. Meta gefiel seltsamerweise diese Mischung aus Unsicherheit und Männlichkeit. Sie schloss die Augen und es zog so angenehm in ihrem Unterleib. Jetzt wollte sie den Mann. „Wie lange hast du Rahja schon nicht mehr geopfert? Mit einer Frau, meine ich?“

Gudekar schaute Meta verwundert an. Er verstand ihr Frage nicht, auf mehreren Ebenen. Zum einen, was meinte sie mit ‚mit einer Frau‘? Was denn sonst? Er wusste, dass es Männer gab, die das Lager mit anderen Männern teilten. Doch das war nicht sein Weg. Oder meinte sie gar noch etwas anderes? Aber diese Gedanken schob er schnell beiseite. Stattdessen ging er zu ihrem Bett und setzte sich neben sie. Sanft antwortete er: „Seit jener Nacht mit dir nicht mehr, mein Schatz. Du weißt, ich war seit dieser Nacht auf Reisen und habe Merle nicht mehr gesehen.“  Und er war sich auch sicher, dass Merle zur Zeit nicht zu den traviagefälligen Pflichten ihm gegenüber bereit gewesen wäre, wäre er nach Hause gekommen.

“Aber nicht doch. Ich meine, ob du an deine Liebste oder meinetwegen, nur als Beispiel irgendwelche drallen Brüste einer Verkäuferin gedacht hast und alleine zu Rahja gebetet hast.“

„Ich habe oft an dich gedacht, aber nein, zu Rahja habe ich nicht gebetet. Dazu fehlte mir… die Zeit.

Sie zog ihre Beine weiter an und klappte sie auf die Seite. Mit einer Hand stürzte sie sich auf dem Bett ab. Dass sie Rahjalieb genommen hatte, das wusste er. „Komm. Komm endlich. Lass uns der Schönen opfern. Wild, hart und voller Leidenschaft.“

Der Magier beugte sich über sie und küsste ihre Rippen. Er sog ihren Duft ein und ließ sich davon betören. Die Knappin hatte sich zwar gewaschen, aber dennoch war der Geruch ihres Schweißes von den Schwertübungen noch immer zu vernehmen. „Ich bin ganz dein“, flüsterte er dann sanft in ihr Ohr. „Zeig mir, was dir gefällt!“ Er selbst war ein eher sanfter Liebender, doch  heute wollte er, dass Meta eine Begegnung mit ihm erlebt, wie es ihr gefällt. Doch dafür brauchte er ihre Hilfe.

„Leg dich auf den Rücken und öffne dich für Rahja.“

Mit erwartungsvoller Aufregung folgte Gudekar Metas Aufforderung. Er legte sich auf den Rücken neben sie und schloss seine Augen.

Mit noch immer geschlossenen Augen genoss Gudekar ihre Liebkosungen. Spürbar fiel die Anspannung von ihm ab. Die Anspannung der letzten Wochen, die Anspannung der Reise, die Anspannung des Gesprächs mit der Hausherrin. Gudar war angekommen, er war nur noch in diesem Zimmer, in diesem Bett. Meta konnte dies alles spüren, als sich seine verkrampften Muskeln lockerten. Als die junge Frau ihn schließlich bestieg, öffnete er seine Augen und schaute tief in ihre. In seinem Blick lag eine einzelne, flehende Aufforderung: “Mach weiter!”

Ihre Augen wirkten anders als sonst, in Extase versunken , ihr Haar offen und wirr. Sie war nun mehr die junge Frau, als die kleine Knappin. Metas Bewegungen sahen nicht spektakulär aus, verfehlten aber so gut wie nie  ihre Wirkung (ja, sie hatte oft Alegretta besucht und kannte diese Praxis. ).

Die ganze Zeit über schaute Gudekar die Junge Frau an, während er das Feuerwerk der Gefühle über sich hereinbrechen spürte. Bisher hatte er Meta vielleicht eher als ein großes Mädchen, als eine Art Jugendliebe gesehen, denn als Frau. Vielleicht lag es daran, dass Meta ihn an seine Schwester Mika erinnerte. Jedenfalls fühlte er sich bisher in Metas Gegenwart wieder wie ein junger Adept, der das erste Mal verliebt war. Doch jetzt sah er Meta plötzlich in einem anderen Licht. Sie war eine Frau, eine starke Frau, die wusste, was sie wollte. Sie schaffte es, dass er sich wie ein Mann fühlte, auf eine Art, wie er sich zuvor noch nie Gefühlt hatte. Und dafür liebte er sie mehr als zuvor. Bisher war es vielleicht eher eine schwärmerische Verliebtheit, die Gudekar zu Meta hinzog. Doch er spürte, dass sich hier und jetzt eine tiefere Bindung zu ihr bildete.

Dann hielt sie es nicht mehr aus, sie wollte mehr Haut und beugte sich nach vorne. Relativ zärtlich liebkoste sie Hals, Brust und Gesicht. Er würde, wollte er die Spuren verbergen, aber einen Zauber brauchen.

***

Sekunden oder Minuten vergingen, für Gudekar war es eine selige Zeit des Friedens, Sorglosigkeit und Glücks. dann wurde er der jungen Frau unter sich zu schwer und sie wand sich, ihn gekonnt schiebend frei. “Gudi…wach auf. Ich muss mich waschen und du solltest das auch. Ich muss dich noch Thymon vorstellen.”

So abrupt in die Wirklichkeit zurück geholt schrak Gudekar hoch. „Oh je, du hast recht. Wir sollten uns zurecht machen. Die Hausherrin hat mich zum Abendessen eingeladen. Und sie hat mir deutlich gemacht, dass ein Fernbleiben ein Affront wäre.“ Doch dann grinste er Meta an. Er zog sie noch einmal dicht an sich heran und gab ihr einen innigen Kuss auf den Mund. „Aber es wäre es durchaus wert gewesen…“, flüsterte er ihr schelmisch ins Ohr. Dann kitzelte er sie unerwartet an beiden Seiten unter den Rippen, so dass Meta erschrocken hochfuhr. Diese Gelegenheit nutzte der Anconiter, um vom Bett aufzustehen.

„Spare dir deine Kraft.“ Meta lachte vergnügt. „Wir sind heute noch nicht fertig.“ *** Als sich beide zurecht gemacht, führe Meta ihren Gast zu dessen Verwunderung nicht in in den Speisesaal sondern in ein anderes, ihm bisher unbekanntes Zimmer. „Das ist das Musikzimmer, hier pflegt er sich aufzuhalten, wenn ihm danach ist. „Hoher Herr Thymon, ich möchte euch meinen Gast vorstellen. Gudekar von Weißenquell.“ Beide waren schon in den Raum eingelassen worden.

Der Edle saß in einem hochlehnigen Stuhl und war gerade dabei dem Harfenspiel einer jungen Frau zu lauschen. Auf einem kleinen Beistelltisch stand ein Glas Wein und es schien als habe Thymon seine Augen geschlossen. Dass er jedoch nicht schlief zeigte die Handbewegung in Metas Richtung, mit der er ihr signalisierte, dass er ihr Kommen bemerkt hat.

"Spiel weiter, Liebes", wies er die junge Frau indes an, die dieser Aufforderung auch nachkam. Denn das Stück dauerte nicht mehr lange und nachdem der letzte Ton verklungen war, klatschte der Edle in seine Hände. "Wundervoll, Liebes. Du wirst immer besser." Er erhob sich aus seinem Stuhl und wandte sich dann seinen beiden Gästen zu.

"Seid mir gegrüßt, Gudekar von Weißenquell", hob er charmant an. "Ich hoffe Ihr fühlt hier Euch wohl." Sein Blick lag für einen Moment auf Meta. "Wenn Ihr Euch angekündigt hättet, wärt er selbstverständlich anders empfangen worden."

“Euer Wohlgeboren!” Der Magier verbeugte sich vor dem Herrn des Hauses, wie es der Anstand verlangte. “Ihr müsst meinen Unerwarteten Besuch verzeihen. Dieser war nicht von langer Hand geplant, sondern eher einer spontanen Eingebung folgend. Ich hoffe sehr, dass ich damit Eure traviagefällige Gastfreundschaft nicht über Gebühr strapaziere.”

“Wohlgeboren Thymon, er wird sich brav benehmen. Von seinem Kommen wusste ich leider nichts, aber er wird sich sehr gut in das Leben hier einfügen-----also bis Euer Sohn kommt.”

Gudekar schaute etwas irritiert zu Meta. Ihr Tonfall stieß ihm etwas auf, sie redete über ihn wie über ihr Schoßhündchen.

"Schon gut", Thymon lächelte. "Nun, wir erwarten Linnart in den nächsten Tagen nicht zurück. Er ist in Elenvina." Nun galt seine Aufmerksamkeit wieder gänzlich dem Magus. "Überstrapazieren … nein. Wir empfangen hier sehr gerne Gäste. Habt Ihr schon mit meiner Frau gesprochen? Ich hoffe doch, dass Ihr uns beim Abendessen Gesellschaft leistet."

“Habt vielen Dank für Eure traviagefällige Einladung. Es wird mir eine Ehre sein, Euer Wohlgeboren, diese anzunehmen. Und ja, ich hatte bereits bei meiner Ankunft die Freude des Gesprächs mit Eurer Gemahlin. Sie hatte mir Wartezeit verkürzt, während Ihr noch der jungen Dame Croy ihre Schwertübungen zukommen ließet.”

"Das freut uns sehr", setzte der Edle gönnerhaft hinzu. "Kennt Ihr Meta denn schon lange?" Die Frage zielte darauf ab, dass er diesem Freund seiner Knappin noch nie begegnet war.

Es war offensichtlich, dass diese Frage dem Magier unangenehm war, so wie er nervös von einem Bein auf das andere wechselte. „Nun, ähm, ja, um ehrlich zu sein, hatte ich erst vor kurzer Zeit das Ver… die Ehre, die Bekanntschaft der jungen Dame machen zu dürfen. Wir sind uns auf dem Hochzeitsfest der Baronin von Schweinsfold begegnet.“

“So ist es. Und es war schnell klar, dass der Hohe Herr einerseits sehr interessiert in meiner Heimatsprache ist und auch die richtigen Voraussetzungen hat, um sich in Linnartstein einzubringen. Er kennt sich zum Beispiel sehr gut mit Wein aus und ist auch offen für die hiesige Lebensphilosophie hinsichtlich der Verehrung Rahjas.”

Gudekar schaute Meta verwundert an und hob kaum merklich eine Augenbraue. Er hoffte, dass Meta ihn mit ihrem Bluff nicht später in Schwierigkeiten brachte. Die letzten beiden Behauptungen entsprachen nur bedingt der Wahrheit.

"Ah …", schien Thymon verwundert über die Worte seiner Knappin, "... das heißt, es ist eine Studienreise? Kommt nicht oft vor, dass sich Magier hierher verirren und schon gar nicht um etwas zu lernen."

“Dann, so bin ich mir sicher, haben meine verehrten Collegae durchaus etwas versäumt. Doch gerade, das, was andere noch nicht erforscht haben, ist wohl im Sinne Hesindes zu studieren”, bemerkte der Magier scherzhaft. “Ja, eine Studienreise, so könnte man es nennen.” fügte er leise in Gedanken versunken hinzu.  

Der Edle lächelte. “Ahja, nun denn … Ihr könnt uns ja empfehlen. Wenn Ihr möchtet gebe ich Euch noch eine Führung durch die Weinkeller. Das sollte sich vor dem Essen noch bewerkstelligen lassen.”

„Ja, sehr gerne!“ stimmte Gudekar dem Vorschlag zu. Eigentlich war er sich nicht sicher, ob dies eine gute Idee war, denn inzwischen machte sich ein leichtes Hungergefühl in seinem Bauch breit. Doch wollte er weder unhöflich sein, noch diese Gelegenheit verpassen. „Ich habe bereits viel Gutes von Eurem Weinkeller gehört und bin schon sehr neugierig, diese mit eigenen Augen zu sehen.“

„Ich darf doch sicher mit, Hoher Herr?“ Meta wollte zum einen auch etwas Wein zum anderen Gudekar nicht aus den Augen lassen. „Gudekar, merk dir das für morgen, heute war Anreise und der Wein hier hat es in sich. Beber o tomar algo significa trinken. Y vino naturalmente Wein. So lernst du nebenher, aber morgen hast du was zum schreiben. Ich weiß, dass du das brauchst..“ Perfekt, er wäre locker genug für Linnartstein.

„Oh, werte Meta, es wird auch nötig sein, dass Ihr mir die Worte übersetzt, sonst kann ich ihre. Bedeutung nur erraten, und dies wird wenig ergiebig sein, befürchte ich.“ Ihm war nicht klar, dass Meta ja genau das getan hatte. Zu schnell hatte sie ihre Worte gesprochen.

Thymon beobachtete das Verhalten Metas mit einer leicht hochgezogenen Augenbraue. “Nun gut, ja natürlich kannst du auch mit Meta. Lasst uns gehen.”

Unverhoffter Weingenuss

Der Edle führte Meta und Gudekar hinaus in den großen Garten des Landguts, der in drei Terrassen angelegt war und vieles überstieg, das man sonst so in den Nordmarken sehen konnte. Es gab Meere an Blumenbeete - ob der herrschenden Jahreszeit blühte jedoch nicht viel davon - Gudekar sah Brunnen mit mechanischen Wasserspielen und machte große Augen, als Thymon ihm erzählte, dass einer der drei Brunnen ab und an, während eines Festes, auch schon einmal mit Wein gefüllt wurde. Gemeinsam schritten sie die Stufen auf die zweite Terrasse herab, denn hier fand sich das größere der beiden Presshäuser, an welches auch der größere Weinkeller angebaut war. Der Edle erklärte, dass man besonders stolz darauf sei, den Wein nicht etwa durch Stampfen zu pressen, sondern mithilfe von großen Baumpressen. Eines dieser Exponate zeigte sich gleich nach dem Betreten des Presshauses. Die Presse war über acht Schritt lang und der Pressstein wog beinahe zwei Quadrone. Eben jener Stein wurde mittels einer hölzernen Spindel gehoben bzw. gesenkt. Dies erfolgte händisch, meist von zwei Männern, die durch das Gehen im Kreis die Spindel und damit den Pressbaum bewegten. Ein Pressvorgang, so Thymon weiter, würde etwa einen halben Tag dauern, da man den Presskuchen immer wieder zerklüften und wieder füllen musste.

Durch die gegenwärtige Ernte der Spätlese, befand sich etwas vom frischgepressten Most im Mostgrand unterhalb der Presse, von wo aus der Edle zwei kleine Becher mit dem Traubensaft füllte und einen davon Gudekar reichte. “Sagt mir, was Ihr davon haltet.” Auch Meta war eingeladen gewesen.

Gudekar nahm den ihm gereichten Becher. Prüfend schaute er die Flüssigkeit an, dann roch er vorsichtig, bevor er einen kleinen Schluck über seine Lippen fließen ließ. Die Süße des Saftes und dien Intensität seines Aromas überraschten den Anconiter. Er kannte Apfelsaft, Birnensaft, Kirschsaft, den Saft von Rahjanisbeeren. All diese Frucc htsäfte hatten neben ihrer Süße auch stets einen hohen Säuregehalt. Dieser schien dem Saft dieser Trauben zu fehlen, zumindest war er auf Grund der intensiven Süße nicht zu schmecken. Gudekar neigte den Kopf leicht zur Seite und machte ein anerkennendes Gesicht. “Aus diesem Saft gewinnt Ihr Euren Wein? Es wundert mich nicht, dass Euer Weinkeller einen solch guten Ruf hat.”

Der Edle nickte knapp. “Wir hatten heuer einen langen und heißen Sommer, das macht die Trauben noch süßer, auch wenn der Ertrag etwas darunter leidet.” Nun erschien ein gewinnendes Lächeln auf den Lippen des edlen Mannes: “Vielleicht kann sich Euer Orden ja dafür begeistern?”

Gudar nickte mit dem Kopf. “Ich bin mir sicher, der Wein aus diesen Trauben würde unserer Spektabilität sehr munden. Ich sollte eine Kostprobe für ihn mitnehmen.” Gudekar hatte ausgerechnet, dass er wohl das zusätzliche Gewicht von drei Flaschen in seinem Reisegepäck verkraften könne: eine für die Spektabilität, eine für seinen Herrn Vater und eine für Mutter und Vater Dreifeld.

Kurz maß der Edle seine Knappin mit einem Seitenblick. Mal sehen was sie schon gelernt hatte: “Was sagst du dazu, Meta?”

Wein war auf Linnartstein allgegenwärtig. Thymons Bruder Rahjaman handelte erfolgreich damit und der Anlass zu einem Fest war stets schnell gefunden. Dabei hatte Thymon mit Meta immer mal wieder über Wein geredet. Diese hatte den praktischen Teil recht gerne, die Theorie war wie verschleiert. Besonders jetzt. Sie errötete und nippte nochmal an dem Kelch. „Ähm.. also Most ist ja kein Wein, noch nicht, weil er noch nicht gegärt hat.“ Ein Bild von Rahjaman, kritisch das Getränk betrachtend, erinnerte Meta. „Aber er wird auch beurteilt, wie beim Wein. Klar soll er sein und angenehm riechen. Beides ist hier der Fall. Und natürlich riecht er nach Trauben, daraus wurde er ja gemacht. Er schmeckt …“ Sie musste schmunzeln, die richtigen Worte fehlten ihr, aber sie hatte Erfahrung mit Most. „Er ist so süß und lieblich man kann sich kaum daran sattrinken. Ein bisschen wie ein Charmeur. Dann ist man von ihm besessen. Leider schmecke ich nicht viel mehr heraus. Aber ich strenge mich an. Und mit etwas Übung werde ich noch viel lernen. Sollte der Orden wirklich mehr davon erwerben, könnte ich den Transport überwachen. Es ist viel Gesocks unterwegs. Ich würde helfen, die wertvolle Fracht zu schützen. Bis dahin bin ich sicher viel besser im Schwertkampf.“

Gudekar schaute Meta mit schräg angelegtem Kopf und einem schwärmerischen Blick an. Jedes ihrer Worte sog er förmlich auf. Erst als sie den möglichen Weinkauf für den Orden erwähnte, wurde sein Blick wieder ernst.

“Das üben wir noch einmal”, lachte Thymon auf den Vortrag seiner Knappin hin. Es würde noch etwas dauern bis sie soweit war. “Ach Meta, fürs Geschäft haben wir später noch genügend Zeit. Wie lange werdet Ihr uns denn beehren, gelehrter Herr? Bestimmt habt Ihr viele Verpflichtungen?”

„Nun, ich denke, zwei oder drei Nächte könnte ich es mir erlauben, an diesem lieblichen Ort zu verweilen, bevor meine Mission es von mir verlangt, nach Albenhus zurückzukehren und seiner Spektabilität bericht zu erstatten.“ Gerne hätte der Anconiter die Rückkehr noch weiter hinausgezögert. Nicht nur, da er hier so angenehme Gesellschaft hatte, nein, auch weil er ahnte, welch Empfang ihn in Albenhus erwartete. „Allerdings möchte ich Eurem Haus nicht zur Last fallen. Ich habe mir im Dorf ein Zimmer im Gasthof genommen.“

“Nein, nein …”, der Edle hob beschwichtigend seine Hand, “... wir sind ein gastfreundliches Haus. Ihr könnt sehr gerne hier ein Zimmer beziehen. Habt Ihr denn Gepäck im Gasthof? Wir könnten es holen lassen.” “Habt Dank, Euer Wohlgeboren, für dieses großzügige Angebot! Ich würde dies sehr gern in Anspruch nehmen, wenn ich Euch wirklich nicht zur Last falle.” Der Magier war froh über die Einladung. Nicht nur, weil er so noch mehr Zeit in der Nähe von Meta verbringen konnte, nein, auch weil so das Loch in seiner Reisekasse nicht so groß sein würde, dass er daheim seiner Spektabilität hätte erklären müssen. Doch dann dachte Gudekar nach, ob es eine gute Idee war, sein Reisegepäck von einem Dienstboten holen zu lassen, oder ob dort etwas zu finden war, was keinesfalls in die falschen Hände geraten durfte. Zögerlich ergänzte er leise: “Nun, ich könnte mein Gepäck nach dem Abendessen auch selbst abholen…” Doch dann entschied er sich um. “Obwohl, was soll’s. Ja mein Gepäck befindet sich im Gasthof zur springenden Geiß. Es ist noch nicht großartig ausgeräumt, insofern sollte ein Knecht alles zusammensuchen können. Habt vielen Dank für das Angebot.” Die Knappin warf ihrem Schwertvater einen dankbaren Blick zu. Er hatte verstanden und es war in Ordnung. Sie nickte auch kurz und folgte den Beiden.

Der Edle nickte dem Magier zu. "So soll es sein, ich werde jemanden schicken und Ihr könnt unbesorgt sein. Meine Leute sind sehr diskret. Diskretion ist hier in Linnartstein eines der obersten Gebote." Thymon stürzte den Rest seines Bechers hinunter, dann lächelte er den beiden zu und lud somit zur Fortsetzung des Rundgangs.

Der Magier hob eine Augenbraue und schaute den Gastgeber prüfend an. Er versuchte zu erkennen, ob die Versicherung ernst oder ironisch gemeint war. Doch er konnte keine Falschheit in den Worten erkennen und vertraute den Worten. Er wollte seinem Gegenüber glauben. Diskretion war wahrlich in seiner Situation vonnöten. Und so schlich sich ein freundliches Lächeln in Gudekars Gesicht.

Direkt vom Presshaus führten Wege in die Weinkeller. Hier unten war es beinahe unangenehm kühl gewesen und in regelmäßigen Abständen brannten kleine Kerzen, die das beeindruckende Gewölbe nicht nur in schummrigen Licht erhellten, sondern auch vor dem unsichtbaren Tod warnten. Unter Winzern waren die Gärgase gefürchtet gewesen und wiewohl man sich in Linnartstein eines ausgeklügelten Belüftungssystems bediente, konnte man nie gänzlich sicher sein.

Die Holzfässer im Keller waren penibel sortiert und mit Kreide beschriftet: nach Jahr, Rebsorte und sogar Zucker, denn oft wurde der Rebensaft mit Zucker vermengt um ein besonderes Prädikat zu erreichen. Bei der Spätlese, die gerade eben geerntet wurde, waren es beispielsweise anderthalb Stein auf ein Fass (80 Liter).

"Möchtet Ihr etwas kosten, gelehrter Herr", fragte Thymon im Stile eines vollendeten Gastgebers. Die hier unten herrschende Kühle, ließ den Atem des Ritters in kleinen Wölkchen sichtbar werden.

Gudekar schaute sich staunend um. Noch nie hatte er einen dermaßen beeindruckenden Weinkeller gesehen. Genau genommen hatte er noch keinen richtigen Weinkeller gesehen. Ja, das Kloster hatte einen Gewölbekeller, in dem auch Weinfässer gelagert wurden, aber nicht nur. Es gab ebenso Bierfässer wie andere Fässer mit eingelegten Vorräten, daneben verschiedene Kisten, Säcke mit Rüben und anderen Gemüsen, an der Decke hängende Schinken und Würste, Käselaibe  und so weiter. Der Wein hatte nur einen geringen Anteil, diente er doch hauptsächlich zur Zubereitung beruhigender Tränke, zumindest der offiziellen Beschreibung zufolge. In Wahrheit wurde er allerdings eher von den Schwestern und Brüdern zur eigenen Beruhigung genutzt, wurde jedoch nur sparsam ausgeschenkt. Hier gab es Fässer in einer Anzahl, die für den Anconiter bisher unvorstellbar schien.

“Sehr gerne würde ich eine Kostprobe Eurer Schätze nehmen.” Er wandte sich an die Knappin. “Ihr scheint Euch ebenfalls gut auszukennen mit diesen edlen Getränken. Was würdet ihr empfehlen, junge Dame, welche Sorte sollte ich probieren?”

Thymon wusste, dass Meta nicht gerade ein Sommelier war. “Rot oder Weiß”, fragte der Edle deshalb in die Richtung seiner Knappin.

„Rot, und ich weiß auch schon, welchen.“  So falsch konnte sie jetzt nicht mehr liegen. Meta hatte überlegt und sich an den roten Wein erinnert, über reden man gerade bei Tisch wohlwollend sprach und der mit so bunten, ausschweifenden und einladenden Worten, wie sie der Knappin gerade fehlten, gepriesen wurde. „Der „Rote Geißbart von 41“, den würde ich nehmen.“

Gudekar schaute interessiert zu Meta. “Na, wenn die junge Dame dies empfiehlt, dann würde ich diesen Wein gerne kennenlernen. Es sei denn, Euer Wohlgeboren hat zunächst eine andere Empfehlung.”

"Roter Geißbart …", Thymon schmunzelte, "... soso, nun gut." Der Edle ging zielsicher zu einer Reihe Fässern und griff dort nach einem Weinheber. "Die Rotweinfässer verkaufen wir nach ein paar Jahren", erklärte der Hausherr weiter. "Es gibt eine Destillerie, die ihren Schnaps darin lagern und wollen, dass er einen leicht rötlichen Ton annimmt. Das ist durch das, vom Rotwein durchzogene Holz des Fasses gewährleistet." Thymon kletterte ein großes Fass empor, öffnete einen Stoppel oben und hob dann den Wein mit seinem Heber. Wieder unten angekommen befüllte er drei kleine Trinkgefäße.

"Bitte, roter Geißbart", sah er in die Runde und roch an dem Rebensaft. Der Wein schmeckte tatsächlich gut, war dabei auf der etwas weichen Seite und einen warmen, nicht kratzenden Eindruck am Gaumen hinterlassend.

Der Magier nahm den Becher dankend an und schwenkte ihn ein wenig, damit die Aromen des Weins etwas entweichen konnten. Dann roch er zunächst an dem Gefäß. Schließlich nahm einen Schluck der roten Flüssigkeit, und ließ sie mit geschlossenen Augen langsam seine Zunge und den Gaumen umspülen. Er wollte seine anderen Sinne reduzieren und sich vollkommen auf den Geschmack des Weines konzentrieren. Zufrieden nickte er. “Ein wirklich hervorragender Tropfen. Meta, Ihr habt eine ausgezeichnete Wahl getroffen.” Genussvoll, aber dennoch deutlich zügiger leerte Gudekar den Bescher. Er zögerte jedoch, ob es unhöflich war, um noch eine Kostprobe eines anderen Weines zu bitten. Auch spürte er, wie sein Magen zu knurren anfing, und war sich nicht sicher, ob es klug war, die Weinprobe vor dem Abendessen fortzuführen. Deshalb wartete er ab, was Meta sagen würde, und was der Hausherr vorschlagen würde.

Meta hatte nicht vor, den beiden Herren nochmal ihr Wissen über Wein zu präsentieren. Sie trank zufrieden, schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Sie sollte nicht so aufgeregt sein. Sie nahm noch einen Schluck und der rote Geißbart entfaltete seine Wirkung. angenehm berauscht lauschte sie, was ihr Schwertvater sagen würde.

Dieser nickte seiner Knappin anerkennend zu. “Ja, eine gute Wahl. Vielleicht nicht die beste, aber eine gute.” Dann ging der Blick des Edlen weiter zum Magus. “Steht Euch der Sinn für einen anderen Tropfen?” Thymon machte eine ausladende Handbewegung. “Fühlt Euch eingeladen.”

„Ehrlich gesagt, ich wüsste nicht, wie ich ‚nein‘ sagen sollte, wenn Ihr mir dies anbietet. Welche Sorte sollte man als nächstes versuchen?“ Die guten Vorsätze von Gudekar waren bereits vergessen.

“Sehr beliebt ist der Weiße Linnartsteiner”, erklärte der Edle stolz. “Die Menschen assoziieren diesen Wein mit den Bannstrahlern hier … nicht wenige glauben sogar, dass dieser direkt vom Kloster gekeltert wird.” Thymon hob seine Schultern. “Auch die letztjährige Beerenauslese ist sehr gut gelungen. Sehr süß.”

„Wenn Ihr diesen Wein empfehlt, wird es mir eine Freude sein, ihn zu probieren!“ lächelte der Anconiter seinen Gastgeber an. Die Bemerkungen über die Bannstrahler überging Gudekar dabei. Solang er den Wein nicht mit ihnen Trinken musste, womöglich sogar noch in deren Klostermauern…

“Sehr gerne”, lächelte der Edle freundlich, griff nach einem sauberen Weinheber und verschwand in einem der Gänge an Fassregalen. Nicht lange danach erschien er mit dem gefüllten Weinheber an der Schulter und füllte drei ungebrauchte Trinkgefäße. Der Weiße Linnartsteiner entfaltete eine floral-fruchtige Note am Gaumen. Für Kenner schwangen darin Spuren an Rose, Pfirsich und Walnuss mit.

Für Gudekar schmeckte der Wein jedoch einfach nur fruchtig, süß und süffig, oder anders gesagt: einfach lecker. Noch nie hatte er einen solch vorzüglichen Wein getrunken. Hiervon hätte er jetzt am liebsten mehr genossen, Das Vergnügen, dass der edle Wein seinem ungeübten Gaumen bereitete spiegelte sich deutlich in seinen Gesicht ab. Mit geschlossenen Augen ließ er den Tropfen sich  langsam in seinem Mund entfalten, bevor er den Wein herunterschluckte. Dann schaute er zu Meta und fragte sie nach ihrem Urteil: “Was meinst du? Ist das nicht ein vorzüglicher Wein?”

“Jeder Wein hier ist vorzüglich, das wirst du noch merken. Der hohe Herr Rahjamann kümmert sich hauptsächlich darum und vermarktet ihn mit seiner Gattin Verema inzwischen erfolgreich nicht nur in den Nordmarken.” Sie zwinkerte ihm neckisch zu. “Auch euer Tal wird er erreichen und selbst Traviageweihte werden ihn lieben. Die Siechen erst recht, wenn du ihn -welche Schande- mit Wasser verdünnst.“

Ein entsetzter Blick zu Meta entwich Gudekar. Diesen Wein mit Wasser verpanschen und den Siechen geben? Das wäre ein Frevel an der Göttin Rahja. Dann fiel ihm ein, dass er vorhin irgendwann davon sprach, Weine für das Kloster bestellen zu wollen. Hatte Meta seine Lüge aufgegriffen und wollte sie ihn hier vor ihren Schwertvater aufziehen?

Mit einem leicht verärgerten Tonfall antwortete Gudekar seiner heimlichen Geliebten. „Es gibt auch in unserem Kloster andere Gelegenheiten, Wein zu genießen, als nur, ihn den Kranken zu verabreichen. Für jede Gelenheit gibt es den passenden Wein.“ Den Zusatz ‚Diesen hier wollen wir doch nicht an den armen Hunden vergeuden‘ verkniff er sich jedoch zu sagen. Ein Gedanke, den er schnell zu verwerfen gedachte, denn es war eine Beleidigung der Kranken, die seiner Art widersprach. Stattdessen ergänzte er: „Auch für solch Edle Tropfen gibt es bei uns Verwendung, wenn auch mit Sicherheit außerhalb der Mauern des Siechenhauses.“

“Gerne lasse ich Euch Kostproben ins Kloster bringen”, warf der Edle geschäftstüchtig lächelnd ein. “Mit den besten Grüßen, natürlich.” Nachdem sie die Weine verkostet haben, bedankte Thymon sich bei seinem Gast. Es war offensichtlich, dass es dem Edlen Freude bereitete, Fremde und Gäste durch seine Weinkeller zu führen und ihnen seine Schätze zu zeigen. “Vielleicht konnte ich Euch ja für einen der Weine begeistern”, schloss er, als die kleine Gruppe den Weinkeller wieder verließ. “Ich habe Euch zu danken! Es war äußerst interessant, die Weinkeller zu sehen. Und Eure Weine… einer war besser als der andere. Es wird mir schwerfallen, mich für einen davon zu entscheiden.” Es war ein sehr beeindruckendes Erlebnis für den Magier, der selbst zwar ausgiebige Erfahrungen in der Kunst der Destillerie und in geringem Maße im Bierbrauen besaß, von der Kelterei jedoch bisher lediglich das Endprodukt kannte, und da, wie er heute feststellen musste, wohl auch eher lediglich minderwertige Varianten.

Meta nutze den Themenwechsel und wandte sich an Thymon. “Hoher Herr, Schwertvater. Nehmen wir am Essen Teil oder ist das nicht geplant? Es wäre kein Bruch der Etikette, da Herr…Meister.. (Sie findet die richtige Anrede nicht) Gudekar ursprünglich geplant hatte, im Gasthaus zu speisen, ich überlasse die Entscheidung den Hohen Herren.”

“Wie ihr möchtet”, antwortete Thymon knapp. “Ich werde mit meiner Frau speisen und ihr seid beide eingeladen …”, gab sich der Hausherr wie gewohnt unkompliziert, “... aber ihr müsst nicht. Wenn euch beiden nicht danach ist, entschuldige ich euch bei Adda.” Das Zwinkern am Ende des Satzes ließ erahnen, dass er glaubte mehr zu wissen.

„Wäre es nicht unhöflich, die Einladung der Hausherrschaften auszuschlagen?“ fragte Gudekar an Meta gewandt. Er war ein so freigiebiges Gehabe nicht gewohnt.

Sittsam und ganz Knappin wandte sie sich an ihren Gast. „Auf keinen Fall. Der hohe Herr Thymon hat das Sagen und so soll es sein. Du wirst noch Gelegenheit haben, Adda beim speisen Gesellschaft zu leisten, für heute zeige ich dir noch, wo du dich ausruhen kannst und wir essen soäter.“ Meta schien Thymon auch zuzuzwinkern, dann verabschiedeten sie sich.

„Vielen Dank noch einmal für diese interessante und äußerst wohlschmeckende Kellerführung, Euer Eohlgeboren! Dann würde ich jedoch tatsächlich ein ruhiges Abendmahl bevorzugen. Die Reise heute war anstrengend und ich bin etwas erschöpft. Richtet Eurer Gemahlin bitte die besten Grüße von mir aus.“

Unverhofft zu zweit

Als sie mit Gudekar alleine zur Residenz ging kaute sie etwas besorgt auf ihrer Lippe. „Wir sollten morgen früh ins Dorf. Du hast sicher kein Gastgeschenk und das gehört sich so.“ Gudekar blieb vor Schreck fast das Herz stehen. Ein flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Er hatte so überstürzt entschieden, hierher zu reisen, dass er ganz vergessen hatte, Gastgeschenke zu besorgen - weder für die Edlen, noch für Meta. Mit hochrotem Kopf senkte er seinen Blick zu Boden. „Ja das wäre wohl gut.“

Sie überquerten gerade den Hof, Meta musste noch nach den edlen Pferden der Herrschaften sehen und nahm ihren neuen Freund mit. Etwas errötete sie wieder, sah Gudekar aber nicht an. „Du bist so schnell gekommen und.. ich bin gespannt, was du für mich hast. Wir haben ja noch nichts, was uns aneinander erinnert.“ Zuvor hatte er es nicht bemerkt, doch trug sie jetzt ein recht stabiles, unscheinbares Kettchen mit einem Halbelstein, wohl Amethyst, doch viel besonderer. Sie hatte es stets unter ihrem Gewand verborgen. „Linny hat mir mal einen hübschen Dolch geschenkt. Auch, wenn ich mir später ein richtiges Schwert wünsche, halte ich ihn in Ehren. Ich war ja auch unterwegs, aber leider war es unmöglich, eine Erinnerung zu besorgen.  Die Sache ist geheim, weißt du?“  Gudekar war in ihren Augen zumindest in der Hinsicht ein erfahrener Mann, er war des Öfteren weg gewesen und jede Frau freute sich, wenn sie nicht vergessen wurde.

Doch genau darin irrte sich Meta. Zum einen hatte er bis zu den Ereignissen beim Flussfest seit seiner Rückkehr aus Donnerbach nie mehr das Grafenland verlassen. Auch im Umgang mit Frauen war er unerfahren und ein wahrer Tölpel. So kam es, dass er - auch seiner kurzfristigen, überstürzten Abreise geschuldet - nicht an Mitbringsel gedacht hatte. Mit immernoch zum Boden gesenkten Blick und hochrotem Kopf stammelte der Magier: „Weißt du Meta, ich fürchte ich habe auch für dich kein Geschenk. Ich habe lange Ausschau gehalten“, log er, „aber ich habe nicht das richtige Geschenk gefunden, das meine Gefühle zu dir auch nur ansatzweise adäquat hätte zum Ausdruck bringen können.“ Zumindest dies war nicht gelogen, versuchte er sich einzureden - wer nicht Ausschau hält, kann auch nichts finden. Doch hatte er auch kaum Gelegenheit, etwas zu kaufen. „Weißt du, wir waren ja im Eisensteinischen auf dieser Hochzeit und danach in diesem verborgenen Tsatempel. Nirgendwo bin ich dort auf einen Markt gekommen oder konnte Handwerker aufsuchen. Und im Anschluss bin ich ganz überstürzt hierher gereist. Auch da hätte ich ohne arge Verzögerung nirgends etwas kaufen können.“

Meta verdrehte die Augen, als sie zur Seite blickte. Was für ein unbeholfener, unerfahrener Mann. Aber so lieb und mit etwas an sich, dass ihr Herz höher schlagen ließ. „Es ist bei mir nicht so wichtig, Linny und ich, wir sind, hmmm, ja sowas wie Geschwister aber nicht ganz. Du hattest nur Merle, der du ab und an was gebracht hast.“ Gudekar schluckte, seine Kehle fühlte sich unglaublich trocken an. Unertwartet und plötzlich ergriff Eifersucht Meta. Auf Merle, die es als Waise zu ihm gebracht hatte, während sie, gebildet und adelig ignoriert wurde. Auf Tsalinde, die durch den Zauber im Park eine weitere Frau in seinem Leben war und die er immer wieder treffen würde, die er zuvor schon gemocht hatte. Was wäre gewesen, wäre sie des Abends dort gewandelt? Hätten sie sich getroffen und es wäre der Auftakt zu einer glücklichen Beziehung gewesen? Wohl nicht, er wäre beschäftigt gewesen und sie hätte sich am Ende einen widerlichen Kerl hingegeben. Trübselig führte sie ihren Begleiter in einen kleinen Raum am Rande der Stallungen. „Für Adda brauchst du was und bis ins Dorf ist es zu weit. Setz dich.“ Gudekar tat, wie ihm geheißen. Das Zimmer war klein, eine Abstellkammer, jedoch mit einem Schrank und einer kleinen Bank sowie diversen Haken an den Wänden, an denen Zaumzeuge hingen. Meta suchte etwas in dem Schrank, überlegte und ließ es sein. Dann nahm sie eines der Zaumzeuge und entfernte den Stirnriemen, der mit roten und weißen glitzernden Steinchen geschmückt war. Gudekar war so arglos und sie wollte ihn nicht belasten oder ein schlechtes Gewissen bereiten. In diesem Raum bewahrte sie ihre Utensilien auf, die ihr wichtig waren, wenn sie irgendwann Ritterin mit einem eigenen Pferd (sie wusste genau, was sie wollte), war. Meta seufzte und gab Gudekar den Stirnriemen. „Hier, gib Adda das als Geschenk, mehr hab ich nicht und sie kennt ihn noch nicht. Und jetzt lass uns aufs Zimmer gehen, davor in die Küche und was holen. Wir müssen uns so viel erzählen und du darfst mich fragen, was du willst, wenn ich das auch darf.“

Als die junge Frau den Stirnriemen an den Magier übergab,stand er auf, ergriff ihre Hände und zog sie zu sich. Er gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn. “Meta, du bist so lieb! Aber ich kann das nicht annehmen. Dies ist deins. Ich habe einen - zwei Fehler gemacht. Ich werde dazu stehen. Ich werde zu deiner Herrin gehen und mich erklären und sie um Verzeihung für mein unwürdiges Verhalten bitten. Aber ich werde dir nichts wegnehmen, was dir gehört und an dem dein Herz hängt, um es einer anderen Frau zu schenken!”

Meta schmiegte sich an seinen Oberkörper und bettete kurz ihren Kopf an seinem Hals. Wie konnte man nur so viel können und dann doch so arglos sein. Es war etwas, was sie an Gudekar mochte, auch, wenn es ihr nicht bewusst war. Linnart war so anders, an ihm hatte sie gelernt, sich gefrotzelt und auf gewisse Weise konnten sie nicht ohne den anderen. Aber auch er würde ein Kind bekommen und nach und nach seinen Platz in der neuen Familie finden. “Schatzi, das ist lieb von dir, ich wollte dir nur helfen. Du wirst mir nichts mitbringen müssen, ich werde es nicht erwarten. Das war eine dumme, romantische Vorstellung von mir.”

„Nein, Liebes, das war keine dumme Idee. Ich war einfach unachtsam. Das musst du mir verzeihen. Es ist alles so neu für mich. Das Reisen, das Agieren in hoher Gesellschaft, die Gefühle, die ich für dich empfinde. Ich denke, du kannst mir noch viel beibringen, wie man sich richtig benimmt. Ich habe halt nicht die ritterliche Ausbildung genossen, die du als Knappin bekommst.“

Sie löste sich von ihm und nahm ihn bei der Hand. “Komm, ich kenne eine nette Laube, da werden wir essen und trinken. Du musst mir aber beim tragen helfen. Linnartstein ist wunderschön und in der Küche mag man mich” Ihre gute Laune war zurückgekehrt und sie zog ihn mit sich.

„Das ist eine wirklich gute Idee. Mir knurrt langsam der Magen, und der Wein deines Schwertvaters hatte es doch ein wenig in sich, wenn man den halben Tag nichts gegessen hat. Wo müssen wir hin?“ fragte der Magier.

„Wir lassen es mit dem Wein, ich werde uns Wasser holen.“

„Ja, etwas Wasser wird gut tun. Zumindest, bis wir etwas gegessen haben.“

„Warte du vor dem Hintereingang, ich bin gleich zurück.“ Meta führte ihren Begleiter durch engere Wege der Residenz, bis sie wohl - es duftete aus dem Fenster und Kisten voller Lebensmittel stapelten sich vor einer einfachen Holztür - am Hintereingang der Küche angekommen waren. Sofort wurde Gudekar von 4 Katzen umstrichen um beschnurrt. „Die trauen sich wegen Miez nicht rein.“ Dann war Meta für einige Zeit verschwunden. Als es ihm schon fad wurde, kam sie wieder. „Hier, eines für dich, eines für mich.“ Sie reichte ihm ein solides Hokztablett mit Griffen. Darauf lagen eine Flasche Wasser, Brot, Butter, kalter Braten und Käse.

Als Gudekar ihr das eine Tablett abnahm, lief ihm fast das Wasser im Mund zusammen, so köstlich sah der Braten aus und duftete der Käse. „Hab Dank, mein Liebes! Das sieht ja großartig aus!“ Am liebsten hätte er sofort hineingebissen, doch der Anconiter riss sich zusammen und wartete geduldig, wo Meta ihn hinführen wollte.

„Der Koch Normo ist ein lieber Kerl. Ich hab aber nur was Kaltes bekommen.“ Sie übernahm wieder zügig die Führung und sie gingen ein gutes Stück weg von der Residenz in die Gartenanlage. Unter einer mit Rosen bewachsenen Laube gab es eine Bank und einen Tisch. „Du bist so still. Iss erstmal mal und dann sag, was dir auf dem Herzen liegt.“

„Peraine sei gedankt für die Gaben, die sie uns geschenkt hat! Ich wünsche dir, ein gutes Mahl, Meta“, sprach der Weissenqueller ein äußerst kurzes Tischgebet, bevor er zu essen begann. Zunächst schnitt er sich ein Stück des Bratens ab und steckte es sich in den Mund. Genüsslich kaute es das Fleisch sorgfältig. „Hmm, oh, ist das lecker! Euer Koch versteht wirklich sein Handwerk!“ Als Gudekar bemerkte, dass Meta selbst noch nicht zu essen angefangen hatte, sondern ihn beobachtete, schnitt er noch ein mundgerechtes Stück ab und schob das auf die Gabel gespießte Fleisch mit einem Lächeln im Gesicht sacht in ihren Mund. „Hier mein Schatz, iss! Auch du brauchst nach deinen Übungen etwas zur Stärkung.“

Dann brach er sich vom Brot ab und beschmierte es mit Butter.

Es war ein schöner Moment, den beide in Erinnerung behalten sollten. Alleine am Rande der Nacht, zwanglos innerhalb ihrer gesetzten Grenzen und sie kamen sich frei vor. So aßen sie still, lauschten wie die Geräusche des Tages denen der Nacht wichen und hingen mehr oder weniger ihren Gedanken nach. Dabei behandelten sie sich so vertraut, als würden sie sich ewig kennen.

Meta war erstaunt, dass Gudekar auch einfach ruhig sein konnte. So war sie es, die am Ende das Gespräch begann. „Ich bin froh, hier zu sein, auch, wenn mir meine Heimat manchmal fehlt. Doch du merkst es ja. Die vom Traurigen Stein sind anders, man muss sie einfach mögen.“ In dem Punkt war Gudekar nicht ganz so sicher. Vorallem die Herrin des Hauses hatte er noch nicht durchschaut. Vom Sohn, dem Bannstrahler ganz zu schweigen.

Behaglich räkelte sie sich. Eine sehr gute Freundin war so lieb gewesen, Metas pflichten heute -im Tausch gegen rahjanisches wissen- zu übernehmen. „Sag, was interessiert dich? Wir kennen uns kaum, nur die Tragik der Vorgeschichte, die großen Dinge. Du bist sicher neugierig.“

Genüsslich lehnte sich Gudekar zurück und schloss die Augen. Für ein paar Augenblicke saß er einfach nur schweigend so da und genoss den Moment. Er wünschte, diese sorgenlose Zeit, hier bei Meta würde nie Enden. Keine Pflichten gegenüber des Ordens, gegenüber der Familie. Kein Paktierer. Dann öffnete er wieder die Augen und schaute Meta lächelnd an. „Es gibt so Vieles, was du mir erzählen musst. Eigentlich weiß ich ja gar nichts von dir.” Gudekar überlegte eine Weile, was er Meta als erstes fragen wollte. Dabei ließ er seinen Blick über die Umgebung schweifen. Dann fragte er etwas ganz banales: “Erzähle mir von der Person, die dir beigebracht hat, eine Schleife zu binden!”

„Schwere Frage, es ist so lange her. Hm. Wenn ich mich recht erinnere, dann war das wirklich meine Mutter. Wir sollten ordentlich daherkommen, auch, wenn wir armer Adel waren.“ Da schien ihr eine passende, nicht ganz so arglose Frage einzufallen. „Es gibt die von Praios bestimmte Ordnung. Wir passen auf die unter uns auf und man bleibt in seiner zugewiesenen Stellung. Warum hast du unter Stand geheiratet? Ich hatte wahrlich kaum sexuellen Kontakt, einer davon war der Mädchenschwarm des Dorfes. Er konnte mit mir als Adlige angeben, aber er war so langweilig, dass ich ihn abgetreten habe. Den Bund hätte ich nie mit ihm geschlossen. Ja, traurige Sache, mit dir sind es grad mal drei Männer.“ Sie lachte ihn lieb an. „Das reicht aber.“

Wie ein Stein schlug Metas Frage in Gudekars Magen. Ihr war der Standesdünkel wirklich so wichtig? Oder, nein, wahrscheinlich war dies nur ein Zeichen der Eifersucht, die Meta gegen Merle empfand. Vermutlich denkt sie, wenn Gudekar und seine Familie damals auf den Standesunterschied geachtet hätte, wäre er jetzt vielleicht nicht verheiratet und wäre frei für Meta. Ach, wie süß sie doch ist! Dennoch, Gudekar hatte seit seiner Abreise aus dem Eisensteinischen nicht mehr am Merle gedacht, sondern nur noch an Meta. Und jetzt holte ihn diese Frage in die Realität zurück. Diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf, bevor er zu einer Antwort ansetzte. “Weißt du, in meiner Gilde sind Standesunterschiede nicht in der Art von Belang, wie es für dich sein mag. In der Akademie werden Kinder jeden Standes ausgebildet, wenn bei Ihnen Hesindes Gabe entdeckt wurde. Ich glaube, auch mein alter Lehrmeister war von niederem Stand. Und vor Hesinde sind wir alle gleich. Mein bester Freund in Donnerbach war der Sohn eines Flussfischers aus Lowangen. Und dennoch hat er als Held gekämpft und ist als Held gestorben, während ich, als Sohn eines Adeligen in der Lehrstube blieb und mich hinter meinen Büchern versteckte.” Seine Stimme hatte einen traurigen Tonfall angenommen. “Schau mich an. Ja, ich bin von adeliger Abstammung. Doch was erwartet mich? Ich in der Fünftgeborene eines unbedeutenden Edlen. Selbst, wenn du Joleante und Jesro subtrahierst, bleibe ich als Dritter übrig und in der Erbfolge sind auch meine Nichten und Neffen noch vor mir. Außer dem Namen bleibt mir nichts von meinem adeligen Erbe. Was machte es damals also für einen Unterschied, ob ich eine Waise heirate oder nicht? So haben es wohl auch die Dreifelds und mein Vater gesehen, als sie mir dazu rieten, Merle zu heiraten. Kalman war damals der einzige, dem dies nicht passte, der wohl so dachte wie du. Aber ich war naiv genug, zu denken, die Verliebtheit, die ich für Merle empfand, würde für ewige Glücklichkeit reichen.” Meta konnte sehen, wie etwas in seinem Auge glitzerte. War dies eine Träne? Dann fragte er ganz plötzlich: “Wer war der dritte?”

„Sei nicht traurig, ich kenne das Problem einer tsagesegneten Familie.“ Liebevoll strich sie Gudekar über die Hand und hielt diese dann locker fest. „Wir sind verschieden aufgewachsen und sowas wie du, jemanden, den ich über alles geliebt hätte, den gab es bei mir nicht. Ich wollte mich  hauptsächlich finanziell verbessern.“ Sie zuckte resigiert mit den Schultern. „Außerdem war ich nie die junge Frau, um die man geworben hätte. Ich, äh, es steht mir nicht zu, aber wie soll ich sagen? Ich kenne Merle nicht. Sicher ist sie lieb und nett, aber ich weiß, dass ihr das Lager teilen werdet. Das ist in Ordnung, aber es ist ein unangenehmes Gefühl. Ärger, und ich denke zu oft dran. Dann gönne ich es ihr nicht.“ Sie hatte sich in Rage geredet und nahm mit der anderen Hand einen tiefen Schluck Wasser. „Ich habe niemanden, nur den Rahjatempel, aber das ist etwas anderes. Das ist wirklich Gebet für mich.“ Nach einer kurzen Pause sah sie ihn ungläubig und etwas erheitert an. „Du weißt es wirklich nicht? Es war natürlich Linny. Aber anders, als du denkst. Recht skurril. Wir hatten uns schon immer verstanden, wie Geschwister. Dann, vor dieser elendigen Verlobung, fand ich, es sei für mich an der Zeit. Wenn er was kann, dann das. Und ich wollte ihn deshalb. Er war vorsichtig, zärtlich und wir mögen uns. Ich wollte an keinen geraten, der schlecht ist. Ja, das erste Mal war schwer, aber er hat mir gezeigt, was ein Mann mit einer Frau, die er respektiert, macht. Natürlich habe ich verhütet und es weiß kaum jemand. Seit er verlobt ist, hat sich vieles geändert. Ich fürchte, nach der Hochzeit wird es sich weiter entfernen und er ist ein lieber Mann. Sobald er ein Kind hat, ist seine Familie in Elenvina und ich bin eine von vielen, vielleicht etwas mehr, da wir zwar nie ein Paar waren aber uns doch mehr verbunden hat. Du brauchst dir keine Sorgen machen, da wird nichts mehr sein und jetzt hab ich ja dich.“ Überschwänglich gab sie ihm einen Kuss auf die Backe. „Es wird nicht leicht, wenn du heim kommst, aber du bist kein Kind mehr. Und ich werde Thymon bitten, mich weiter auf Reisen zu schicken. Wir werden uns sehen können. Linny wohnt dann nicht mehr hier und ich werde mir Rabia reden. Bei ihr ist sicher Platz und du kannst es als Studienreise titulieren.“  Meta sah nun wieder voller Hoffnung in die Zukunft, ließ ihren Geliebten aber Zeit, über ihren Redeschwall nachzudenken und wartete mit ihrer nächsten Frage.

Was war eigentlich schlimmer? Dass er keine Ahnung hatte, wie es zurück in Albenhus weiter gehen sollte, oder die Gewissheit, dass Meta bereits mit dem verhassten Bannstrahler geteilt hatte. Er hatte dies zwar schon lange befürchtet, aber nun war die Gewissheit da. Warum musste er auch so dumm sein, und direkt danach fragen? Er schluckte die Spucke herunter, die sich in seinem Mund gesammelt hatte. Er versuchte, nichts dazu zu sagen. “Ich weiß nicht mehr, was ich eigentlich möchte. Nein, doch, ich weiß es. Ich möchte einfach nur hier bei dir bleiben. Ich möchte nicht zurück nach Albenhus. Doch ich muss irgendwann zurück. Die Pflicht ruft. Es geht darum, dem Paktierer das Handwerk zu legen. Dies ist wichtiger als meine Wünsche. Was dann kommt, wird sich zeigen. Doch ich weiß nicht, ob ich daheim noch das Lager mit Merle teilen kann. Das bringe ich nicht über das Herz, und ich glaube auch nicht, dass ich das Verlangen dazu hätte.”

O weh. Meta war mitfühlend genug -und gerade in ähnlicher Situation- dass sie wusste, was ihn bedrückte. „Früher oder später wird es bei euch wieder sie sein. Du liebst sie ja.“ Außerdem war es ein Drang, dem Männer nicht ewig widerstehen konnten. Seine Frau hatte er als sehr hübsch beschrieben. Wenn sie klug war, ihm verzieh und … nein, daran mochte Meta nicht denken.. hätte sie Stärke gezeigt. Er würde schon alleine durch den Druck der Familie bleiben und vor Travia Busse tun. Nun umarmte sie ihn fest. „Mach dir keine Sorgen, du wusstest, dass ich Männer hatte und Linnart kann dir nur recht sein. Er will mich körperlich nicht und wird sich mir nach der Hochzeit entfremden. Komm schon, halte mich und lach wieder.“ Sie vergrub wieder ihr Gesicht in seinem Ausschnitt und murmelte. „Und wegen Tsalinde muss ich mir keine Sorgen machen, ja? Ich stelle mir in letzter Zeit vor, wie es gelaufen wäre, hätte ich damals einen Spaziergang gemacht.“

“Tsalinde”, fragte Gudekar mit einem Lachen, “wer ist Tsalinde? Das kitzelt, was du da machst! Nein, wirklich, Tsalinde ist eine… nette Frau. Aber ich weiß einfach nicht, wie es dort zu dem… Zwischenfall kommen konnte.” Er hielt den Kopf der jungen Frau auf seiner Brust fest und küsste sie auf die Haare. “Ich bin froh, dass du nicht dort in dem Park warst. Dann wäre es vielleicht nur durch den Zauber gewesen, dass wir uns geliet hätten, ohne echte GEfühle. So wie es bei Tsalinde war. Aber wir haben uns ohne Feenmagie gefunden. So wissen wir, dass wir wirklich etwas für einander empfinden. Und ich weiß, dass sich dies für mich nicht mehr ändern wird.” Er machte einen Moment Pause, dann sprach er weiter. “Es tut mir leid, was in jener Nacht zwischen mir und Tsalinde vorgefallen ist. Es tut mir leid für dich, weil du denken musst, dass ich vorschnell mit jeder dahergelaufenen hübschen Frau etwas anfange und du Sorgen haben musst, dass eines Tages die nächste kommt. Dabei wird dies nicht passieren. Es tut mir leid für Tsalinde. Ich hoffe, sie macht sich keine falschen Hoffnungen auf tiefere Gefühle von mir für Sie. Ich hoffe, sie denkt nicht, es könnte daraus eine feste Verbindung entstehen, denn ich empfinde keine tieferen Gefühle für sie. Es tut mir leid, für meine Reisegemeinschaft, denn dieses Ereignis wird für immer zwischen uns stehen und den Umgang miteinander verändern. Und es tut mir auch für Merle leid, die ich hintergangen habe, obwohl sie dies nicht verdient hat.” Wieder unterbrach der Magier seine Worte, um Meta noch einmal zu küssen. “Aber egal, wie unsere Zukunft aussehen mag,  was wir beide mit einander erlebt haben, tut mir kein wenig leid.”

„Das hast du schön gesagt.“ Die junge Frau blieb geborgen bei ihm stehen und sprach weiter. „Im Vergleich zu deinen anderen Frauen bin ich nicht schön,auch nicht hässlich. Ich bereue nichts, was wir getan haben, was wir tun werden und wie es sich entwickelt.“ Ihr Atem kitzelte wieder seine Brust, als die tief ausatmete. „Ich werde mit Merle leben müssen. So oder so. Lass uns dieses Thema später weiter besprechen, darüber reden müssen wir. Dich hat es ja auch verwirrt.“Sie löste sich von ihm und lud die benutzen Teller auf das Tablett. Morgen würde sie aufräumen. „Schau, wie dunkel es ist. Morgen will ich mehr über deine gabs erfahren. Das fasziniert mich und ich wünschte, ich würde es auch können. Kannst du verschiedene Farben morgen Abend? Dann werden wir uns in deren Schein hier lieben.“ Meta nahm ihn bei der Hand und sag Gudekar sonderbar an. Verliebt mochte man meinen. „Jetzt gehen wir auf mein Zimmer. Ich war vorhin so dominant. Jetzt lasse ich mich von dir führen. Wie du es magst, es wird mir auch gefallen.“ Sie schätze ihn als einen liebevollen, gute Liebhaber ein, der eine Frau ehrte und nicht benutzte. Gudekar schien noch etwas neben sich zu stehen, als Meta ihn leise und voller Vorfreude zu ihrem Ziel führte.

Gudekar legte seinen Arm um ihre Hüfte und ließ sich von ihr zu ihrem Zimmer führen. Voller Vorfreude wurde ihm ganz warm und er lächelte freundlich. Er wollte ihr heute Nacht ein zärtlichesr Liebhaber sein. Er wusste, die erste Begierde war bereits am Nachmittag gestillt, und so hoffte er auf eine lange Nacht voller Zärtlichkeiten. „Meinst du, wir können noch eine Karaffe Wein mit auf dein Zimmer nehmen?“

Meta huschte los, sobald sie bei ihrem Zimmer waren. „Mach es uns doch bitte schon etwas gemütlich. Ich beeile mich und mache mich etwas frisch.“

Gudekar ging in Metas Zimmer und zog sich die Stiefel aus. Dann ging er langsam durch den Raum und schaute sich interessiert um. Alles, was irgendwo herumstand oder lag, wurde genau von ihm betrachtet, jedoch ohne auch nur etwas anzufassen. Er wollte nicht in Metas Privatsphäre eindringen.

Der Raum war eher spärlich eingerichtet, doch ein paar Kleinigkeiten gaben ihm eine persönliche Note. An einer Wand stand ein ausgesprochen schäbiges Regal, welches aber diversen Kram enthielt. Mehrere Bücher standen darin, hauptsächlich von Metas ehemaligem Schwertvater. “Drum parlier der Noble nicht wie ein Rustikal”, “Vom Benehmen des Noblen im Felde” und “Vom Benehmen des Noblen zu Hause” sah der neugierige Gudekar. Daneben lag als Stütze dein Band des Rahjasutras. Des weiteren entdeckte er einen hübschen Rosenquarz und Amethyst, eine kleine, sicher verschlossene Schatulle und einen sehr hübsch gefertigten Dolch. Auf dem Boden lag ein blauer, praktischer, gewebter Teppich, ihre Kleidung war sicher in dem Schrank verborgen. Auf dem Tisch, der war interessant, pflegte sie anscheinend, zu schreiben. Feder, Tinte und Pergament standen darauf, Thymon behandelte sie gut. Als er sich gerade den Wänden zuwenden wollte, kam Meta gut gelaunt mit einer Karaffe Wein und zwei Gläsern herein. “Schau, was ich noch bekommen habe.” Sie reichte Gudekar ihre Beute. “

„Ah, das ist großartig“, freute sich Gudekar. „Ein Schluck Wein wird uns gut tun.“ Er nahm ihr die Karaffe und Gläser ab und stellte sie auf den Tisch. Dann goss er etwas Wein in die Gläser und reichte Meta eines. Zärtlich streichelte er ihr durch das Gesicht. „Es ist so schön, wieder in deine Augen sehen zu können! Die Grübchen auf deinen Wangen, wenn du lächelst, habe ich vermisst.“

Meta wirkte kurz verlegen, dann war sie lieb, aufgeregt aber ruhig. „Es ist schmeichelnd, wenn du so redest. Ich glaube dann, dass es auch wirklich mir gilt.“ Sie nahm auf einem der Stühle Platz.

Gudekar ging zu ihr und kniete sich vor sie auf den Boden. „Wenn du das so sagst, klingt es, als würde ich so etwas zu jeder zweiten Frau sagen. Aber ich meine es ernst. Dein Anblick bringt mein Blut auf eine Art zum Pulsieren, wie ich es noch nie vorher erlebt habe.“ Er ergrimmtes ihre Hände und strich mit den Daumen über ihre Handrücken.

„Du bist viel erfahrener, als ich. Du darfst machen, wie es dir gefällt. Hm.. nochwas. Thymon scheint nichts gegen dich zu haben. Willst du mein Begleiter auf Linnarts Hochzeit sein? Es wäre schön, nicht wie gewohnt alleine dort zu sein. Er wird dir nichts tun, du bist mein Gast.“

Ein Strahlen machte sich über sein Gesicht breit. Es freute ihn unheimlich, dass Meta ihn als ihren offiziellen Begleiter auf ein solches gesellschaftliches Ereignis nehmen wollte. Doch dann verfinsterte sich sein Blick. Wie sollte das gehen? Und dann noch auf der Hochzeit des Bannstrahlers. Egal, was Meta ihm versicherte. Konnte ein Magier als Gast auf das Ehrenfest eines Bannstrahlers gehen? „Ich fürchte, das wird schwierig. Ich muss mich in Albenhus erklären, warum ich erneut reisen muss, ohne, dass dies mit meiner Mission zu tun hat. Wann ist das?“

Sein Zögern bemerkte Meta zuerst gar nicht. „Warte mal…23/24 Phex 1043. Es heiratete ja nicht nur er, eine Partnerin gibt es ja auch noch. Durinja von Altenberg. Es ist immer gut, Beziehungen zu pflegen, viele bekannte oder lokal bekannte Adlige werden dort sein. Überlege es dir bis zur Abreise, streichen kann ich dich ja immer noch- jeder kann krank werden.“ Scheinbar locker nahm sie es hin, dass er vielleicht nicht kommen würde. Er war sozial durch seine Frau natürlich anders gebunden. Sie kannte es von Linnartstein nicht anders. Wenn man geladen wurde, dann ging man. Nur durch Präsenz ließen sich viele Dinge regeln und man musste gesehen werden, sonst blieb man niemand in diesen Kreisen. Meta hatte nicht vor, den Abend weiter zu gestalten. Das überließ sie Gudekar. Er hatte keinen Grund mehr, scheu zu sein. Gudekar legte seinen Kopf in Metas Schoß und fing wieder an zu strahlen, doch das konnte sie nicht sehen. „Meinst du, dein Schwertvater kann mir eine offizielle Einladung schreiben? Weißt du, ich habe in Herzogenfurt gerade erst erfahren, dass mein Haus auch mit den Altenbergs verbandelt ist. Meine Tante, Boron habe sie selig, hatte in das Haus geheiratet. Das war mir gar nicht bewusst. Aber so könnte ich doch als Vertreter des entfernten Lützeltaler Verwandtschaft geladen werden, oder? Dann hätte ich einen Grund, dorthin zu reisen.“ Und er hätte noch ein paar Monde Zeit zu überlegen, warum er dann aber Merle nicht als Begleitung mitnehme. „Wie ist denn die Braut in der Familie Altenberg einzuordnen?“ Gudekar hatte zwar auf der Schweinsfolder Hochzeit einige Mitglieder der Altenburger Verwandtschaft kennengelernt, kannte aber noch nicht alle Namen und deren Beziehungsstatus. „Was für ein glücklicher Zufall, Phex sei Dank. Wir sprechen morgen mit Thymon darüber. Also die Braut… tja, sie ist eine blöde Kuh, die sich für die Schönste und Schlauste hält, Intrigant und spielt mit Männern. Da hier sowieso jeder irgendwie verwandt ist kann ich sie leider nich einordnen. Ich kann Linny fragen und es dir schreiben. Oder besser, wir lassen Thymon etwas erzählen.“ Meta bekam ein warmes Gefühl in der Brust. Die Schmach, gerade bei Linnarts Bund einen Partner zu haben fühlte sich so schön an. Sie würde sicher nicht am großen Tisch seiner ehemaligen Geliebten sitzen oder gar von Durinja rumgescheucht werden. Auch, wenn diese es sich nehmen lassen würde, Meta spüren zu lassen, was sie von Gudekar hielt. „Wie hast du eigentlich vor, mit Merle und deiner Familie umzugehen? Sie wird früher oder später merken, dass du eine Geliebte hast.“

Gudekar hatte immer noch seinen Kopf auf Metas Schoß liegen. Mit einer Hand wanderte er unter ihre Bluse und streichelte ihren Bauch, ihre Brüste, während er nachdachte. „Ich kann es natürlich nicht offen bekunden, was vorgefallen ist. Vater würde vermutlich alles dafür tun, um unsere Beziehung zu beenden. Ich weiß auch nicht, wie der Orden reagieren würde. Schließlich ist man dort um ein gutes Verhältnis zum Traviatempel bemüht. Und unsere Liebe ist ein Affront gegen die beiden Dreifelds. Deshalb muss ich unsere Beziehung erst einmal geheim halten in Albenhus. Ich hoffe, du verstehst das. Mir wäre lieber, es kommt später heraus als früher.“

Meta kraulte sein Haar und zwirbelte es verspielt um ihre Finger. “Das ist mir klar, der Vater der Kinder meiner Junkerin Verema Artigas, mit der ich aus Almada gekommen bin, hat seine Kinder zwar anerkannt und es fehlt ihnen an nichts. Aber niemand darf wissen, von wem sie sind. Um ihr Schmach zu ersparen, wurde sie doch mit Rahjaman verheiratet. Der mag Männer lieber.” Sie kicherte leise. “Aber die beiden hatten Glück, der Anfang war nicht einfach, jetzt sind sie ein Herz und eine Seele. Und er ist ein fescher Mann, und liebevoll. Es liebt seine Familie, ich bin mir sicher, dass er sie vor Allem schützen würde. Wenn sie am Abend etwas Wein trinken und den Tag ausklingen lassen, ist er richtig zärtlich. So einer würde mir, wenn ich heiraten muss, auch gefallen.” Sie strich nun über seine Hals und er bekam eine Gänsehaut. “Ich spiele mit dem Gedanken, frei zu bleiben und mich nicht zwangsweise zu verheiraten. Ausser, ich würde ein Kind von dir bekommen.” ‚Travia bewahre!‘, dachte der Magier. Er konnte es nicht sehen, aber ihre Backen erröteten wieder. Vielleicht würde es magisch begabt sein, das würde Meta freuen, obwohl sie für Kinder nicht viel übrig hatte. “Das wäre schön, wenn es zaubern könnte… Ach, Träumerei. Was hältst du davon? Davon, dass ich frei bleibe. Meinetwegen soll es erst später rauskommen, wenn es nicht nur die üblichen Worte sind, die Männer sprechen, wirst du einen Weg finden, mir zu zeigen, dass ich zu dir gehöre. Ich muss es tolerieren, dass du wieder mit Merle schlafen wirst. Alles andere wäre eine Illusion. Würdest du es auch ertragen, wenn ich nicht nur dich hätte? Viele Fragen auf einmal, ich weiss.”

„Wie könnte ich mir anmaßen, dir verbieten zu wollen, das Lager mit anderen Männern zu teilen, wenn dir der Sinn danach steht?“ Gudekar musste schlucken und eine leichte Traurigkeit trübte seinen Geist. „Ich, der ich doch selbst bewiesen habe, wie leicht es ist, Rahjas Verlockungen zu erliegen. Außerdem bist du mir gegenüber zu nichts verpflichtet.“ Er ergriff Metas Hand und führte sie an seine Lippen. Sanft küsste er ihre Fingerspitzen. „Ich fürchte, solange ich unsere Beziehung geheim halten muss, werde ich auch von Zeit zu Zeit mit Merle die Nacht verbringen. Doch kann ich mir gerade nicht vorstellen, wie meine Seele dabei glücklich sein soll. Ja, es würde mich freuen, wenn du frei bliebest. Auch, wenn wir unseren Bund nicht vor Travia schließen können, so würde dies einem Bund nur für uns gleichkommen. Aber verlangen kann ich das nicht von dir. Ich habe ein Leben in Albenhus, von dem Merle ein Teil ist. Und dieses Leben kann ich nicht von heute auf morgen ad acta legen. Wie sollte ich dir verwehren, auch ein Leben zu führen? Es würde mich schmerzen, wüsste ich dich mit einem anderen Manne zusammen. So, wie es dich schmerzen muss, wenn ich bei Merle bin. Aber ich würde es akzeptieren, solange ich sicher sein kann, dass hier und heute nicht unser letztes Zusammensein ist.“ Nun begann er, Metas Bluse zu öffnen. „Doch lass uns jetzt nicht daran denken, ob und wann der andere mit anderen Rahja huldigt. Hier sind wir beisammen. Das macht mich zu einem glücklichen Mann. Lass uns einander genießen!“ Der Gedanke, Meta mit einem anderen teilen zu müssen, sie womöglich an einen anderen zu verlieren, bewirkte bei ihm, dass seine Lustgefühle anwuchsen. So, als müsse er ihr zeigen, dass es für sie keinen Grund gäbe, einen anderen zu wollen.

“Ich bin jetzt schon furchtbar eifersüchtig, das ist ein ganz neues Gefühl. Ja, mach weiter so.” Genüsslich schloss sie die Augen. “Ich gönne es Merle einfach nicht und es macht mich verrückt, euch beide nahe an Rahjas Zelt zu wissen.” Bei Linnart war es ähnlich.  Durinja war einfach zu schön, aber es machte sie traurig, zu wissen, dass dies für ihn wichtiger war als Freundschaft, die auch vor Rahja erfüllend war. So ähnlich mochte es Gudekar bei Merle sehen. Auch sie war hübsch und voller Liebe zu ihm. Trotz dieser Gedanken seufzte sie wohlig, als seine Hände über ihre kleine brust strichen. Sie liebte seine Hände. “Und dann noch Tsalinde. Wäre das doch nie geschehen. Ihr ward eins Zauber hin oder her. Und sie ist nicht irgendwer, ihr seid befreundet.” Meta öffnete die Augen und zog geschwind ihre Bluse aus. Sie hatte eine Idee, aber es war seine Zeit. Er sollte opfern, wie es ihm am besten gefiel.

„Mach dir wegen Tsalinde keine Gedanken, mein Schatz.“ Er hob den Kopf und schaute ihr in die Augen. „Da ist nichts. Freunde ist auch das falsche Wort. Wir sind nur vorübergehend Weggefährten. Nur durch die Ereignisse beim Flussfest und die Mission, die uns Grimberta auferlegt hat, sind wir zusammengekommen. Ist unsere Mission abgeschlossen, werden wir uns wahrscheinlich nie wiedersehen.“ Und diese Worte meinte er ernst, dass konnte Meta auch in seinen Augen sehen. Anders war es bei Eoban, dem Jugendfreund seines Bruders, oder bei Reto, dem Schwager seiner Schwester. Oder Adelchis, der aus dem Nachbarlehen stammte und nun an der Akademie in Elenvina wirkte, an der auch Gudekars Neffe Morgan ausgebildet wurde. Zu all diesen hatte Gudekar schon zuvor persönliche Beziehungen, auch, wenn der Zufall sie zusammengeführt hatte. Anders war es bei Tsalinde. Zu ihr gab es keine Verbindung. „Mach dir keine Sorgen um Tsalinde, an ihr habe ich kein Interesse und da wird nichts mehr passieren, selbst wenn wieder ein Zauber wie im Lillienpark wirkt.“ Bei dem Wort ‚Zauber‘ streichelte der Magier unerwartet mit den Fingerspitzen beider Hände schnell ihre Seiten entlang, von den Hüften unten bis zu den Achselhöhlen hoch, sodass Meta ein kalter Schauer den Rücken herunter lief, so sehr kitzelte dies.

Meta schalt sich selbst, sollte sie doch lieber den Moment genießen. „Ja…ein anders Mal“  Sie streckte den Kopf nach hinten und bekam eine Gänsehaut. „Es gibt doch auch harmlose Zauber. Ich will, dass du das mal mit mir machst. Später.“

Der Weissenqueller antwortete nichts. Stattdessen betrachtete er ihren entblößten Oberkörper und erfreute sich an dem Anblick. In seinen Augen waren ihre Brüste wunderschön. Nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Gerade so, dass man das Tal zwischen den zwei Hügeln sehen konnte. Wohlgeformt und nicht zu weich. Er küsste ihren Hals, dann spürte Meta seinen warmen Atem, den er langsam ausblies, wie ein Fluss, der sich durch das Tal schlängelt, im Zickzack hinab bis zu ihrem Bauch. Dort hielt er inne und Küsste ihren Bauchnabel, umspielte ihn mit seiner Zunge. Gleichzeitig versuchte er, die Verschnürung ihrer Hose zu öffnen.

Obwohl er vor Aufregung ungeschickt war, ließ sich die Hose leicht öffnen. Meta war oft zu sachlich und realistisch, jetzt schaffte sie es, ihn sich als ihren Mann vorzustellen, egal, was war.

Nachdem die Verschnürung geöffnet war, schob Gudekar Metas Hose über ihr Becken und zog langsam die Hosenbeine herunter. Immer wieder stoppte er und streichelte über Metas kräftige, trainierten Beine. Seine Bewegungen wirkten sinnlich, er ließ sich Zeit bei seinem Tun. Er wollte die Erwartungen bei Meta steigern. Als er sie endgültig ihrer Hose entledigt hatte, küsste er kurz ihre Füße. Dann kam er ihr wieder näher, küsste wieder den Bauch seiner Geliebten. Langsam wanderten seine Lippen tiefer. Er legte seinen Kopf auf ihren Schoß und schloss die Augen. Meta hörte, wie er tief einatmete. Er sog ihren Duft förmlich ins sich ein. Ein betörender Geruch, den er niemals mehr vergessen wollte. Mehrmals hintereinander spürte die Knappin seinen warmen Atem auf ihren Oberschenkeln.

Sie hielt seinen Kopf und drückte ihn noch fester auf sich. Ganz ruhig, jeder Atemzug eine kleine Meditation. Meta legte ihre Beine auf seine Schultern. Er hatte ja so viel mehr Zeit bisher im Leben gehabt, wenn auch nur mit einer Frau, doch wenn es passte, dann war das genug. Was er wohl schon so getrieben hatte? “Zieh dich doch auch aus. Und ich weiss nicht ob das geht, kannst du es hier drin dunkel machen-die Kerze löschen, meine ich- und mehrere Kugeln aus Licht schweben lassen? In verschiedenen Farben?”

Den Druck, den Meta auf seinen Kopf ausübte, nutze Gudekar, um mit seinen Lippen die vor ihm liegenden Stellen sanft zu küssen und daran zu knabbern. Bei ihren letzten Wunsch musste er leise schmunzeln. Wie fasziniert die doch von den Zauberkünsten war. Dennoch entgegnete er mit sanfter Stimme, immer wieder von zärtlichen Küssen unterbrochen: „Möchtest du, dass ich meine Aufmerksamkeit dir oder dem arkanen Wirken widme?“ Dann schob er ihre Schenkel auseinander, um sich aus ihrer Umklammerung zu lösen. Er stand aus und zog sich Tunika und Hose aus. Dann, erst dann, ging er zum Leuchter und blies die Kerzen aus. Dabei blickte er zu seiner Geliebten und sagte: „Na gut, eine Lichtkugel, nur eine. Du darfst dir jedoch eine Farbe wünschen.“

„Natürlich soll ich der Mittelpunkt deiner Konzentration und Aufmerksamkeit sein.“ Als wäre sie entrüstet schüttelte sie ihren Kopf und ging, während es im Raum dunkler wurde, zum Bett. Eine Kugel in einer Farbe? Meta schmunzelte und glitt geschmeidig über die Laken, bis sie weich und bequem lag. „Natürlich rot. Es wirkt dann wie im Tempel“ Sie kicherte.

Langsam ging der Magier zu der Liegestätte, auf der sich seine nakte Geliebte räkelte. Schmunzelnd kommentierte er: “Rot also. Wie… einfallslos!” Dann hob er die Hand in der Mitte über das Bett, konzentrierte sich, sprach die Worte “feya feiama i’ungra” – am Seminar in Donnerbach hatte er die Formel auch in der elfischen Repräsentation gelernt und fand diese nun in der aktuellen Situation angemessener – und schnippte mit den Fingern. Sofort erschien eine Lichtkugel über dem Bett in kräftig leuchtendem Rot. Nach einigen Augenblicken wurde das Licht jedoch dunkler, nur um kurz darauf wieder heller zu werden. Doch mit dem erneuten aufflackern hatte es seine Farbe geändert zu einem intensiven Orange, fast wie die Farbe der Roben der Traviageweihten. Dann wurde es wieder dunkler und wechselte zu einem Violettton. So ging es in regelmäßigen Abständen weiter, wobei verschiedene Rot-, Orange- und Violetttöne sich abwechselten. Gudekar beobachtete einige Perioden lang sein Werk und flüsterte dabei stolz zu Meta: “Es hat tatsächlich geklappt! So etwas habe ich noch nie ausprobiert.”

Wie gebannt beobachtete Meta die Lichtkugel und wendete den Blick nicht von ihr. “Fe oder Feia heisst Elf, oder? Darf man die anfassen? Stell dir vor, wenn wir eine Taverne mit solch einer Kugel hätte. Der astralen Umstände halber wären Speis und Trank etwas teurer, aber grad Verliebte glaub ich, werden zu einem Treffen kommen.” Gudekar kannte Meta zu wenig von früher, als rahja noch nicht diese Macht in ihr hatte. Dom Danilo hatte oft gemeint, sie tauge nicht zur Knappin sondern solle bei einem Geldwechsler in die Lehre gehen.

Gudekar musste über Metas Bemerkung lachen. Es war ein freundliches Lachen. “Versuche es doch, sie anzufassen!” Als Meta ihre Hand in Richtung der Lichtkugel ausstreckte, glitt diese jedoch einfach hindurch. Allerdings begann ihre Hand nun, während sie in der Lichtkugel verweilte, selbst an in der Farbe zu leuchten, in der auch die ganze Kugel gerade leuchtete. “Es ist reine Energie. Das Licht entsteht aus sich selbst heraus. Du kannst es nicht greifen. Gudekar hatte sich inzwischen direkt Meta auf das Bett gesetzt und sie spürte seinen warmen Atmen auf ihrem Hals, als er redete. Dann küsste er zärtlich ihren Nacken und fing an, mit sanftem Druck ihre Schultern zu massieren.  

Fasziniert fächerte Meta durch die Kugel. „Perfekt. Niemand würde sich verletzen und die Schenke würden nicht so leicht brennen.“ Während wohl eine Geschäftsidee oder nur etwas Verrücktes in ihr entstand, kaute sie in Gedanken auf der Unterlippe und sprach zu sich selbst. „Nordmarken und Weiden scheiden aus. Aber das liebliche Feld, das ist toll.“ Sie wandte sich zu Gudekar und plapperte fröhlich. “Travingo Rizzi, ein Freund von Verema, also ein sehr, sehr guter Freund. Der wohnt da. Er ist nett und dort muss es schön sein. Ein idealer Ort für etwas mit Magie.“ Sie lächelte und zwinkerte ihn an. „Wie schade, dass ich einen Freund hab, der so wenig Zeit hat. Wir feiern den Tag zwar nie, aber Ende Phex ist mein Tsatag. Ich kann ja davon träumen, dass wir gemeinsam einen Ausflug dorthin machen. Wann hast du denn und feiert ihr sowas?“ Meta lehnte sich voller Vertrauen in seine Arme und ließ sich unter seiner Massage völlig fallen. Er spürte, wie Last und Anspannung, Angst andere negativen Gefühle, die sie nie zeigte, von ihr abfielen. Sie schloss die Augen, atmete tief aber sie schlief nicht ein.

“Oh, mein Schatz, du hast Ideen! Ich kann so etwas doch nicht zaubern, um anderen den wohlverdienten Taler aus der Tasche zu locken. Das wäre nicht rechtens. Ich bin doch kein Scharlatan.” Die Worte klangen nach Belehrung, doch musste er bei dem Gedanken schmunzeln. Es war niedlich, wie naiv Meta über Magie dachte. Sie wusste nicht, welcher Kunstfertigkeit es bedurfte, die Matrix so zu weben, dass das geschah, was der Magier gerade wollte. Und nicht immer klappte dies. Es bestand immer eine Risiko, dass doch etwas anders verlief als geplant. Und deshalb war das Wirken von Magie zu Recht streng reguliert. Schon allein für diesen Lichtzauber hier, in privater Atmosphäre, konnte der Magier gehörigen Ärger bekommen, wenn die Praioten in dem Kloster nur wenige Meilen entfernt davon erfuhren. Es es erfüllte ihn mit Glück, welche Freude er der jungen Frau mit einem so banalen Zauber bereiten konnte.

“Ende Phex? Ist da nicht die Hochzeit deines Freundes, zu der ich dich begleiten soll? Wie könnten wir da im Lieblichen Feld sein? Mein eigener Tsatag? Ach ja, den feiere ich eigentlich nicht. Oder nur im engsten Kreis mit…”, er stockte kurz, “... der Familie. Doch meistens ist nur Gwenn da. Es ist halt mitten im Winter, am siebenten Firun. Da reist man nicht unnütz nach Albenhus. Das ist”, er senkte die Stimme, “viel zu gefährlich.” Dann richtete er sich plötzlich auf und unterbrach die Massage. “Weißt du, dieses Jahr ist mein 30. Tsatag. Aber wer interessiert sich schon dafür? Ich denke, wir werden abends mit Gwenn  zusammen speisen. Meistens treffen wir uns, wenn sie Dienstschluss hat, im Blauen Admiral, essen und trinken zusammen und erzählen uns den neuesten Tratsch und Klatsch. Gwenn hat immer viele Geschichten aus dem dem gräflichen Hof zu erzählen. Am schönsten ist es, wenn auch Mika dabei ist. Dann lachen wir viel und erzählen viel Unsinn.” Gudekar wurde bewusst, wie sehr ihn Meta an seine kleine Schwester erinnerte. Sie war genauso ungestüm. “Aber ich glaube nicht, dass Mika dieses Jahr in Albenhus sein wird.”

Als er plötzlich aufhörte, sie zu verwöhnen, seufzte Meta, öffnete die Augen und setzte sich auch auf. Gudekar wurde 30. Und er schien nicht glücklich. Als wäre er nie frei gewesen oder nie er selbst. Sie schob den Gedanken beiseite. „Letzten Phex war mein 20. Tsatag, ich glaub, die wenigsten wissen es. Es ist ein Tag, wie jeder andere.“ verschwörerisch senkte sie die Stimme. „Am 27. ist es. Wir könnten direkt nach der Hochzeit los.—-Oh. Ich träume lieber weiter. Nächstes Jahr vielleicht. Deine Frau bekommt doch ihr Kind.“ Natürlich war sie enttäuscht, nein, sie haderte mit Phex. Es würde ein Traum bleiben, wie schon so oft davor. Es nutze nichts. Aber vielleicht, er hatte sicher nicht einfach so erwähnt, wo sie sich trafen und er es war wohl nur seine Schwester dabei. So, wie er über Mika redete, schien sie ihm besonders lieb. Sicher war sie sympathisch und schien ein kleiner Regenbogen in dieser ernsten Familie zu sein. Jetzt kam sie nicht.. Meta ließ von der wunderbaren Geschäftsidee mit der Taverne oder so ähnlich, magisch veredelt ab. Sie hatte schon oft solche Einfälle gehabt, wie man zu mehr Geld kommen könnte. „Wie traurig. Warum ist Merle nicht dabei? Und das mit meiner Idee mit den Lichtkugel, nimm es nicht so ernst. Meine kreative Fantasie geht oft mit mir durch. Natürlich geht das nicht“

Gudekar ergriff Metas Hände und schaute ihr in die Augen. „Merle wird schon dabei sein. Sie meinte ich auch, als ich ‚wir‘ sagte. Aber ich fand es unpassend, jetzt, in diesem Augenblick, der nur uns gehören sollte, von ihr zu reden. Ich will nicht an sie denken. Zu wohl fühle ich mich bei dir. Aber du hast recht. Merle ist da, das kann ich nicht ignorieren. Und ich habe Verpflichtungen Merle gegenüber, die kann ich nicht leugnen. Lieber verbräche ich unser beider Tsatage mit dir. Ich würde dich so gerne meinen Schwestern vorstellen. Aber das darf ich nicht. Noch nicht. Ich wünschte, ich könnte Ende Phex zu deinem Tsatag ins Liebliche Feld reisen. Doch nach der Hochzeit deines Freundes, zu der ich gerne kommen möchte - für dich - muss ich zurück. Es ist mein Kind, das dann zur Welt kommt. Wenn das Kind geboren ist, dann sind neue Zeiten, dann werde ich einen Weg finden, dich an meiner Seite zu wissen. Bis dahin müssen wir etwas Geduld haben. Es wird uns schwer fallen, uns beiden. Doch wenn unsere Liebe so stark ist, wie ich es fühle, dann werden wir dies ertragen. Es ist nur ein halber Götterlauf. Und wir werden uns auch in dieser Zeit sehen, zumindest bei der Hochzeit.“

Meta nickte nur. Wieder war ein Plan zu einem Traum geworden und sie zweifelte daran, seine Familie überhaupt einmal zu sehen. „So sei es. Lass uns morgen Linnartstein anschauen, es ist ein netter Ort. Aber ich muss zu meinen Schwertübungen.“ Wie skurril. Jetzt saß sie da, er auch und eine Distanz war geschaffen. Er hatte sie gerade noch so lieb massiert. Sie lächelte scheu, es war sein Abend.

Gudekar versuchte die Gedanken an die Zukunft, an das Zuhause, an Merle zu verdrängen. Sie machten ihn traurig, doch jetzt war er hier, weit weg von dem allen. Er war bei Meta, dieser schönen, lebenslustigen, erfrischend unorthodoxen, ihn immer wieder überraschenden jungen Frau. Er war sich sicher, dass das richtig war. Meta gab seinem Leben einen neuen Sinn. Mehr noch als die Mission, wegen der er unterwegs war, als er Meta kennengelernt hatte. Sie machte das Leben für ihn lebenswert. Beides hatte sein Leben in kürzester Zeit verändert, hatte ihn verändert. Doch während die Mission eine Schreckensgeschichte war, – bei der wusste, dass er im Zweifel sein Leben geben musste um die Bewohner der Nordmarken vor dem Bösen zu schützen, – war Meta der neue Lichtblick in seinem Leben. Für sie musste er vorsichtiger sein. Er würde sein Leben nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, außer um ihres zu schützen, so wie neulich im Moor. Er würde alles dafür tun, um mit ihr zusammen sein zu können. Das musste er ihr beweisen.

Und so lächelte er zurück, ein zufriedenes, fast väterliches Lächeln. Er war stolz, dass er einer so wunderbaren Frau gegenüber sitzen durfte. Dann rückte er näher an sie heran, schlang seine Beine um ihre Hüften und umklammerte sie. Vorsichtig strich er ihr eine Haarsträhne von der Stirn. “Ich würde gerne dabei zusehen!”

„Oh nein, bitte nicht, das ist mir peinlich. Wenn ich Ritterin bin, versprochen?“

Er war anders als Linny, nicht so dominant zum Beispiel. Der Arme, es war psychisch natürlich auch keine leichte Situation für ihn. Sie glaubte nicht, dass er und seine Frau sich am liebsten so geliebt hatten. Zumindest am Anfang. „Komm, lass uns hinlegen. Ich will dir auch etwas den Rücken streicheln.“

Er legte sich auf den Bauch und genoss mit geschlossenen Augen und einem Lächeln auf den Lippen die Liebkosungen auf seinem Rücken. Dann begann er zu grinsen und neckte Meta: “So, es ist dir also peinlich, wenn ich dir zusehe? Bist du so schlecht im Hauen und Stechen?” “Ich kann mich dann besser konzentrieren. Und ich will vor dir nicht unfähig dastehen. Thymon ist ein guter Lehrmeister, aber es geht rau zu.” Meta fand es interessant, seinen Rücken so kennen zu lernen. Er war kein Krieger aber anders.  Dennoch entdeckte sie einige uralte Narben an seinen Rücken, die aussahen wie schlecht verheilte Peitschenstriemen. Sie versuchte an Schulter und Nacken einige Knoten zu lösen. “Sag ehrlich. Du bist müde, oder? Lass uns einfach gemeinsam einschlafen. Was sind das für Narben? Kommen die von einer Mission mit deinen Gefährten?”

“Narben?” Gudekar fasste sich unwilkürlich an den Rücken und ertastete die kleinen Wülste auf seiner Haut, die sich quer über seinen Rücken zogen. Er erinnerte sich. “Ach diese Narben! Nein, die sind nicht von der Mission, die sind deutlich älter. Da war ich noch ein Kind. Die sind von Meister Adario.”

Die junge Frau schluckte und blieb erstmal stumm, massierte die früher malträtierten stellen besonders. Warum hatte er ein so unglückliches Leben? Sie selbst stammte auch auch keinen großen Haus. „Hat er das mit allen gemacht, oder nur mit dir? —— Und du hast so viel Leid und Unglück bisher gehabt. Das mit Merle war eigentlich auch nicht das, was du wirklich wolltest.“ Sie legte sich neben ihn und hielt seine Hand. „Wir machen es jetzt besser.“

„Weißt du, ich war anfangs bei einem privaten Lehrmeister. Meister Adario hatte damals zwei Scholaren, mich und …“, Gudekar  überlegte,  „und… ich weiß gar nicht mehr, wie er hieß. Aber, wenn mal etwas nicht so war, wie Meister Adario es wollte, und das war wegen… Dingsda… oft so, dann holte Meister Adario seinen Gürtelriemen. Wir mussten uns dann als Übung hinterher gegenseitig heilen, aber nicht jeder von uns beiden hat die Übungen gleich ernst genommen. Und das hat dann Meister Adario verärgert… Ich denke, der andere, der hat nicht solche Narben.” Gudekar fuhr mit seinen Fingern suchend über ihre Haut. “Hast du irgendwo Narben von deinem Schwertmeister?”

“Wie schrecklich! Natürlich habe ich Schrammen an Armen und Beinen, manche werden bleiben, aber so etwas würde Thymon nicht machen. Stören sie dich sehr?” Zärtlich strich sie  über die Narben und ihr wurde bewusst, wie sehr sie selbst sich verändert hatte-

“Nein, sie stören mich nicht, ich habe mich daran gewöhnt. Eigentlich hatte ich sie schon fast vergessen.” Es war ihm unangenehm, dass Meta wegen dieser Lappalie traurig wurde. Deshalb setzte er sein schelmisches Grinsen auf und warf ihr in einem ironischen Tonfall vor: “Und wenn mich nicht ständig irgendwelche vorlauten junge Damen daran erinnern würden, hätte ich sie wahrscheinlich schon längst ganz und gar vergessen!” Dabei erhob er sich blitzartig aus seiner Liegeposition und kniete sich über Meta. Weiter grinsend begann er, sie zu kitzeln.

***

Erschöpft und überglücklich sank Gudekar zurück. Noch nie hatte er eine so innige und erfüllte Nacht erlebt wie gerade eben – und falls doch musste das Äonen zurück liegen und er konnte sich nicht daran erinnern. „Das war unglaublich, als hätte Rahja selbst ihr Lager mit mir geteilt! Meta, lass uns für immer hier zusammenliegen! Soll die Welt sich doch dort draußen selbst um sich scheren.“ Er drehte sich auf die Seite zu ihr, legte seinen Arm um sie, gab ihr noch einen sanften Kuss auf die Stelle, die er als erstes erreichte, und schlief zufrieden ein, ein tiefer traumloser Schlaf.

Der nächste Morgen

Der nächste Morgen verlief relativ ereignislos. Gudekar musste sich erst orientieren, wo er überhaupt war und ertappte sich dabei, beschämt, nach seiner Frau zu tasten. Meta hatte ihn schlafen lassen und war in ihre täglichen Pflichten eingebunden. Gerade am Vormittag gab es viel zu tun und ihre Ausbildung sollte nicht zu kurz kommen. Thymon sah es als persönliche Herausforderung. Kaum war Gudekar aufgestanden und hatte sich gewaschen, klopfte es und fast im selben Moment kam eine junge Zofe herein, die ihm etwas zu essen und trinken brachte. Sie schien schüchtern beäugte seinen fast nackten Köper so unauffällig es ging. „Habt Ihr noch einen Wunsch, Meister?“

Als die Zofe eintrat, griff der Magier schnell nach seiner Tunika und zog sie sich über. Schüchtern antwortete er: „Nein, habt Dank. Es ist alles gut.“ er hatte zwar einig Fragen, doch war es ihm unangenehm, diese zu stellen.

Als sie das Bett aufschüttelte, murmelte sie etwas von …machen wir dann später… oder so. Dann huschte sie wieder aus dem Zimmer, traf wohl eine andere Zofe und sprach mit ihr leise. Gerade hatte er sich gesetzt, da betrat diese andere Zofe sein Zimmer. Sie war auffällig hübsch mit schwarzbraunem Haar, das ihr in großen Locken über die Schulter fiel und faszinierenden, großen, braunen Augen. „Entschuldigt bitte das Verhalten von Biba, sie ist noch nicht lange hier und hat das Verhalten, wie man es auf der Straße pflegt ziemt sich als Zofe nicht. Mein Name ist Felina Fassbinder und ihr müsst Meister Gudekar sein.“ Sie lächelte lieb.

„Sehr erfreut, Felina Fassbinder! Sehr wohl, ich bin Gudekar von Weissenquell.“ Er lächelte freundlich, aber verlegen zurück.

„Gut, dass der Hohe Herr Junior länger auf Reisen ist. Ihr wollt das Dorf besuchen, sagte man mir. Aber das ist so leicht zu finden, da muss Euch niemand begleiten, oder?“

Gudekar ignorierte die Erwähnung des Bannstrahlers. Doch auf ihre Frage antwortete er. “Nun, ich habe den Weg aus dem Dorf hierher gefunden, so werde ich es wohl auch wieder zurück finden. Doch muss ich gestehen, ich wüsste gar nicht, was ich mir in dem Dorf ansehen sollte. Das Gasthaus habe ich gestern bereits kennengelernt.  Ich dachte, die junge Dame wollte mich dorthin führen. Ach, da ich das Gasthaus erwähnt habe: der Hohe Herr wollte einen Knecht dorthin schicken, um meine Sachen bringen zu lassen. Wisst Ihr, ob dies bereits geschehen ist?”

„Oh ja. Er hat sie sicher in die Kammer gestellt. Ich werde sie Euch bringen.“ Felina legte den Kopf leicht schief und sah ihn neckisch an. „Woher diese Vorurteile? Linnartstein ist ein sehr hübsches Dorf. Im Rahjatempel gibt es sogar ein Bad, in kleine schenken kann man sich etwas Wein holen und ich kenne eine Abkürzung. Die bin ich früher oft gegangen, als ..als ich hier noch kein Zimmer hatte. Der Ausblick ist wunderschön und im Dorf, wartete dann immer ein streunender Kater, den ich etwas mitgebracht hatte. (Wie albern dachte sie sich. Romantisches Gefasel, das wird ihn nicht interessieren). Ich vergaß, eine Heilerin haben wir auch. Sie heilt sehr speziell, aber immer so, dass es keiner merkt. So wie Ihr.“

“Ihr habt mich falsch verstanden. Ich habe keine Vorurteile gegen den Ort. Ich habe bereits gestern kurz sehen können, welch liebreizender Ort das Dorf ist. Ich wusste nur nicht genau, wie ich dort alleine die Zeit verbringen sollte.”

„Da habt Ihr recht. Der Ort ist hübsch, aber interessanter ist es auf der Residenz. Thymon will Metas Ausbildung gerade im Kampf nur nicht zu kurz kommen lassen. Das sei wichtig und sie müsse es in sich haben. Man kann sich nicht immer durch Reden retten.“ Felina schmunzelte und auf die Art, wie sie über sie sprach, merkte er, dass seine Freundin und sie sicher viel teilten.

„Ja, das ist ist wichtig!“, bestätigte der Magier. „Ich möchte keinesfalls, dass die junge Dame meinetwegen ihre Ausbildung vernachlässigt. Vielleicht gehe ich dann nach dem Frühstück doch einfach ein wenig im Dorf spazieren.“ Hungrig schaute er auf das Tablett.

Als sich Gudekar seinem Frühstück widmen wollte, wandte sie sich zum Gehen. Anders als Meta war sie sehr weiblich gebaut und nicht gertenschlank, wie so viele. Es fügte sich bei ihr optisch alles perfekt zusammen. Sie biss sich auf die Unterlippe und drehte sich nochmal verlegen um. „Ähm.. in was für einer Sprache lest ihr Eure Bücher? Habt Ihr eines dabei, das ich einmal anschauen könnte? Linny, also Linnart vom traurigen Stein hat mir das lesen beigebracht, aber Bücher sind teuer. Ich passe natürlich besonders auf. ‚Das Leben Rohal des Weisen’ kenne ich bereits. Oh, entschuldigt bitte, ich halte Euch nur auf.“ Eilig entfernte sie sich.

Gudekar schaute sie bei ihrer Frage nach einem Buch schmunzelnd an. Das einzige Buch, dass er auf der Reise dabei hatte, war sein persönliches Notizbuch. Doch dies war nun wahrlich nicht für die Augen einer Zofe gedacht, oder für die Augen irgend einer anderen Person. “Wartet, Felina Fassbinder! Ich habe Eure Fragen noch nicht beantwortet. Es ist sehr löblich, dass der hohe Herr Euch das Lesen gelehrt hat! doch muss ich Euch leider enttäuschen. Ich habe keine Bücher mit auf Reisen. Dafür sind Bücher viel zu schwer und zu wertvoll, und dorthin, wo ich ursprünglich unterwegs war, konnte ich kein Buch gebrauchen. Vielmehr versuche ich, wenn ich auf Reisen bin in den dort vorhandenen Büchern zu lesen, um neues Wissen zu erlangen. Außerdem, fürchte ich, könntet Ihr die meisten Bücher, für die ich mich interessiere, nicht entziffern. Diese sind zumeist in Bosporanischer Sprache verfasst. Aber die Biographie des Meisters Rohal ist sicherlich eine hervorragende Lektüre. Er war wahrlich ein großer Mann!”

Felina blieb stehen und errötete vor Scham. Was hatte sie auch so eine dumme Frage gestellt „Natürlich, wie naiv von mir. Ich bin sofort zurück.“

Der Magier schob bei dem Versuch aufzustehen den Stuhl hektisch zurück, so dass dieser umkippte. “Verzeiht”, rief er der Zofe hinterher, “ich wollte euch nicht verletzen! Vielleicht finde ich ja im Dorf ein Buch, dass Ihr noch nicht kennt.

Die Zofe stelle den Stuhl wieder auf.

„Lasst doch, das kann ich doch machen!“

Gudekar war ihr sympathisch. Meta hatte von ihm erzählt, dass er Menschen nach ihrer Art behandelte, ohne die üblichen Vorurteile nach Herkunft und Stand. „Habt Dank, das ist viel zu teuer, ich könnte es sowieso nicht annehmen. Aber wenn ihr so lieb seid, und mir eine Gefallen tun wollt, weiß ich was. Kinderspiel für Euch, vielleicht etwas,was mir später hilft.“ Sie klopfte ihre Hände an der Seite ihres Gewandes ab und sprach weiter. „Jetzt lasse ich Euch die Zeit, die ihr braucht. Ein halbes Stundenglas brauche ich noch, ich soll Addas Frisur machen, hatte aber im Gefühl, dass Biba sich unprofessionell verhält.“ Sie rollte mit den Augen. „Dabei hat sie noch nicht einmal eines der legendären Feste hier erlebt. Dann würde ich euch suchen. Etwas, worauf man schreiben kann, bringe ich mit.“

„Bis später!“, rief er ihr nach. Er schaute etwas traurig, als sie den Raum verlassen hatte. Gudekar fühlte sich einsam und verlassen in dieser ihm fremden Umgebung. Er fühlte sich fehl am Platze. Und er wusste noch immer nicht, wo sein Reisegepäch aufbewahrt wurde. Dass hieß, er musste seine Kleider vom Vortag erneut anziehen, die er gern zur Wäsche gegeben hätte. Nun gut, dachte er, frühstücken und dann ein wenig ins Dorf gehen. Was soll ich sonst tun?

Es dauerte nicht lange, da kam Felina überraschenderweise mit seiner Satteltasche und dem Rucksack wieder. “Das hätte ich ja fast vergessen, tut mir Leid. In Gedanken war ich schon bei der Frisur.”

“Oh, vielen Dank, das ist wunderbar, dass mein Gepäck da ist.” Gudekar lächelte die Zofe an.

Sie legte das Gepäck auf dem Stuhl ab. “Wenn ich nachher etwas Zeit habe, könntet Ihr mir dann helfen?” Er hob fragend eine Augenbraue. “So lange empfiehlt sich ein Spaziergang durch den Park. Die haben es recht hübsch hier. Es steht Euch natürlich frei. Ewig wird Meta nicht brauchen. Aus Neugier kann man am Übungsplatz vorbei schlendern.”

„Habt vielen Dank! Dann schaue ich mir nach dem Frühstück den Park an.“ Gudekar setzte sich wieder und widmete sich seinem Morgenmahl. Er kostete genüsslich von allen ihm dargebotenen Speisen und ließ sich viel Zeit dabei. Danach suchte er in seinem Gepäck nach einer sauberen Garnitur Kleider und zog sich um, während er allein im Zimmer war. Anschließend verließ er die Kammer und suchte den Weg hinaus zum Park, um ein wenig zu spazieren und über das Erlebte der letzten Wochen nachzudenken. Die kühle Herbstluft tat gut dabei. Relativ überraschend stupste ihn eine gut gelaunte, verschwitzte Meta im Übungswams am Rücken an. “Ah, da bist du ja. Eben bin ich fertig geworden, das wird wieder blaue Flecken geben.” Dem leuchten in ihren Augen nach, war es wohl nicht so schlecht verlaufen.

Gudekar zuckte zusammen, als er plötzlich aus seinen Gedanken gerissen wurde. “Ach, du bist es! Ich habe nicht damit gerechnet, dich so früh bereits zu sehen. Ich bin doch gerade erst vom Frühstück gekommen. Soll ich mir deine Blessuren mal anschauen?”

Es dauerte etwas, bis sie verstand, was er meinte. „Na ja…müssen Krieger da nicht durch?“  Immer noch quirlig küsste sie ihn kurz auf den Hals .“Aber warum nicht? Wenn mein Freund das kann? Später, ich ziehe mich erst um.“

“Ganz wie du willst!” Vielleicht wollte sie ihm ja auch stolz zeigen, was sie alles aushält. Diese Freude wollte er ihr keinesfalls nehmen. “Ich hab Felina getroffen, sie hat ein paar Fragen oder so. Ich muss mich eh erstmal waschen. Ich hab ihr gesagt, dass sie am Eingang auf dich warten soll, ich weiss dann, wo ihr seid.” “Ja, sie scheint sehr aufgeweckt zu sein. Das ist eine gute Eigenschaft und leider viel zu selten zu finden. Sie wartet auf mich? Am Eingang der Villa? Da bin ich doch gerade erst raus. Ich dachte, sie hat noch zu tun.” Dann schaute er auf den Stand der Sonne. “Oh je, es ist ja tatsächlich schon so viel Zeit vergangen. Ich war wohl so in Gedanken, dass ich das nicht gemerkt habe.”

„Dann passt es ja. Sie ist noch nicht über die Trennung hinweg. Von Natur aus ist sie sehr wissbegierig und es lenkt natürlich ab. Also bis später.“ So eilte sie wieder irgendeinen Weg entlang.

Gudekar schaute ihr mit einem Schmunzeln hinterher. Meta sprühte nur so vor Energie, dass es ansteckend war. Eine solche Lebensfreude hatte er schon lange nicht mehr erlebt.

Vor dem Eingang wartete Felina bereits, jetzt trug sie ein langes, figurbetontes aber einfaches grünes Kleid. Sie freute sich sichtlich, als Gudekar kam. „Wie lieb von Euch. Lasst uns in eine Sitzecke im Seitentrakt gehen, da stören wir nicht.“ Sie führte ihren Begleiter durch die sehr beeindruckend, geschmackvoll, manchmal allerdings mit rahjagefälligen Kunstwerken ausgestatteten Residenz zu einer kleinen Nische mit einer um einen Tisch gruppierten Gruppe Polstermöbel. Als sie sich gesetzt hatten, trug  Felina ihre Bitte vor. „Leider haben wir nicht so viel Zeit. Aber es wäre nur eine Hilfe, wenn ich die gängigsten Erkrankungen einteilen kann, und weiß, wann ich die Heilerin rufen soll. Es geht um sowas wie Verletzungen in der Küche, beim Übungskkampf oder sowas. Könnt ihr mir das ein bisschen erklären?”

“Ähm, nunja, klar. Also, grundsätzlich, wenn ihr einen Heiler in der Nähe habt, ist es immer besser, er schaut einmal auf eine Verletzung. Selbst ein vermeintlich leichter Schnitt kann sich, wird er falsch behandelt oder war das Messer verschmutzt, schnell entzünden. Und dann muss man im schlimmsten Fall amputieren.” Der Heilmagier sah das verschreckte Gesicht der Zofe und ergänzte deshalb schnell: “Aber das passiert nur ganz selten! Wenn es nur ein kleiner Schnitt ist und das Blut nur ein wenig fließt, aber nicht spritzt, dann könnt Ihr es sicher selbst behandeln. Am besten reinigt Ihr die Wunde zunächst gründlich mit einem richtig kräftigen Branntwein oder anderen Geist. Je kräftiger der Geist, umso besser. Dann ist es wichtig, die Wunde mit frischen, sauberen Tüchern abzubinden. So richtig fest, dass das Blut zu fließen aufhört. Gut wäre es, wenn Ihr immer einen kleinen Vorrat sauberer, am besten ausgekochter Tücher für solche Zwecke vorrätig habt. Überhaupt: Sauberkeit ist das Ah und Oh bei der Wundbehandlung!”

Er schaute Fellina an, ob es tatsächlich das war, was sie hören wollte. “ihr habt eine Trennung hinter Euch?” fragte er überraschend das Thema wechselnd.

Felina hatte konzentriert, sich Notizen auf einer kleinen Tafel gemacht und Gudekar ab und zu gebeten, etwas ausführlicher oder langsamer zu erklären. Bei seiner letzten Frage verkrampfte sie sich. „Stimmt, es tut so sehr weh. Ihr wisst, wer es ist. Und ich hoffe, dass es nach der Hochzeit besser wird.“ Ihre Stimme war leise und rauh geworden „Ihr seid ein guter Mann. Eure Frau ist so wie ich. Ihr hättet mich nicht abgelehnt.“

Gudekar hob fragend eine Augenbraue, er wusste es nicht. Wollte sie andeuten, dass sie eine Beziehung mit dem Sohn des Hauses hatte, und dass er sie für die Frau, die er zu heiraten gedenkt, sitzen gelassen hat? Eine interessante Erkenntnis. Die Zofe war nicht von Stand. Dies war für die meisten Adeligen ein Kriterium bei der Wahl des Ehepartners, insbesondere, wenn man der Erbe eines angesehenen Hauses war. „Nun, bei mir waren die Umstände andere.“ Und dennoch, wenn es nach seinem Bruder gegangen wäre, hätte es seine Hochzeit nicht gegeben. Nun, vielleicht hätte es einiges leichter gemacht, wäre er damals seinem Bruder gefolgt. „Ihr seid eine Frau aus dem Dorf?“

“Ja, Tochter des Fassbinders.” Unsicher sah sie Gudekar an und zwirbelte eine Haarsträhne um ihren Finger. “Ich dachte, Meta hätte es Euch erzählt. Wenn es euch nicht stört, mache ich das jetzt.” Sie hatte wieder an Selbstbewusstsein gewonnen und begann, zu sprechen.”Wie gesagt, bin ich eine Gemeine aus dem Dorf. Unsere Familie ist nicht so arm, dass sie hunger leiden muss, ich würde sagen, wir repräsentieren den Standard einer Handwerkerfamilie mit vielen Kindern. Nur mein Vater ist manchmal recht cholerisch. Vor allem, wenn er zu viel berauschendes getrunken hat. Und das macht er leider viel zu oft. Ihr habt Recht, auf einem Dorffest habe ich den Hohen Herrn Junior getroffen und wir haben uns sehr gut verstanden. Das kürze ich etwas ab, es kam dazu, dass er der erste Mann wurde, mit dem ich der Schönen opferte. Wir hatten eine so schöne Zeit. Aber auf der Brautschau hat er eine andere, adlige Frau genommen und er ist verlobt. Es hat mich so sehr getroffen, als er sagte, dass ich nie als seine Frau äh.. akzeptiert würde, er würde auch nicht unter Stand heiraten. Ich weiss, dass er mich mag. Er hat mir die Stelle als Zofe organisiert und auf meinen Wunsch hin Lesen und Schreiben beigebracht.” sie seufzte nach ihrer langen Rede. “Das war es. Bald wird er heiraten und immer seltener hier sein. Sie haben ein großes Haus in Elenvina und er muss immer mal wieder zu seinem Orden.

Gudekar hörte ihr aufmerksam zu und schaute sie mitfühlend an. „Ihr liebt ihn noch immer.“ Dies war eher eine Feststellung denn eine Frage.

Felina senkte den Kopf. Gudekar sollte ihre Augen nicht sehen und den Schmerz. “Ja, leider. Es wird irgendwann besser, wurde mir gesagt, aber es ist schwer. Die Götter haben mir meinen Platz gegeben. Ich sollte zufrieden sein.” Sie flüsterte aber ihr Gegenüber konnte sie gut verstehen.

Gudekar räusperte sich. „Hm, was soll ich dazu sagen? Ich bin sicherlich der falsche Ratgeber in Fragen des Herzens. Das meine ist selbst viel zu verwirrt in den letzten Wochen. Und ich kann auch nicht gerade sagen, dass ich von früher aus einem umfangreichen Fundus von Erfahrungen schöpfen könnte. Es wäre schön, wenn jede und jeder einfach mit der Person zusammen sein könnte, die das Herz für einen ausgewählt hat. Doch in unserer Welt scheint das nicht immer möglich zu sein.“ Gudekar machte eine Pause und wirkte äußerst nachdenklich, „Die Frage ist doch nur, ob man sich immer widerspruchslos in die Gegebenheiten fügt, ob man sogar damit zufrieden ist, oder ob man bereit ist, sich gegen sein Umfeld, gegen die göttergefällige Ordnung zu stellen, um sein Herzensglück zu finden. Und ob es dann auf Dauer das Herzensglück ist, wenn man sich hat aufzwingen lassen, was alle von einem erwarten.“ Vor allem der Schluss klang für Felina widersprüchlich, denn hier hätte sie eher ein ‚… wenn man sich gegen die Ordnung stellt‘ erwartet. Wovon genau sprach der Magier eigentlich?

“Das verstehe ich nicht ganz, es klang wie etwas, das Eure Seele berührt. Was nutzt es mir, wenn ich das mache, der Mann meines Herzens aber nicht? Natürlich hat man keine Garantie, dass das Glück, wenn man seine große Liebe heiratet, für immer hält. das gibt es nur in den Büchern, die das Volk gerne liest. Aber was meint Ihr mit aufzwingen ? Wenn ich mich gegen die Ordnung stelle, dann wähle ich doch meinen Partner selbst.”

Der Magier schaute sie kurz etwas verwirrt an. Dann begann er zu lachen, doch es klang ein wenig erzwungen, gequält. „Seht Ihr, ich hab doch gesagt, ich bin in solchen Dingen ein schlechter Ratgeber!“ Gudekar schaute sie an und schien abzuwägen, was er als Nächstes sagen sollte. „Wisst Ihr, der Bannstrahler und ich werden nie gute Freunde sein.“ Dies war sicherlich eine Untertreibung. „Aber das liegt in der Natur der Sache, in unseren professionsbedingt unterschiedlichen Anschauungen über die Ordnung der Welt. Und auch sonst gibt es bislang wenig Anlass, mich mit Dem jungen Herrn gütlich zu stellen. Ich empfinde, wie Ihr wisst, gewisse Gefühle für Meta, und ich sorge mich, dass ihm das nicht schmeckt. Ich vermutete zunächst, er hat Interesse an ihr. Doch nun erfahre ich, dass er einerseits eine Liebschaft mit Euch hatte, andererseits den Bund mit einer anderen edlen Dame eingehen wird. Ich frage mich, habe ich mich in seinen Gefühlen zu Meta dermaßen getäuscht, oder versucht er, auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen? In letzterem Fall wäre es für euch besser, ihr vergesstet den Bannstrahler so schnell wie möglich.“ Er schaute in Felinas Augen, um ihre Reaktion zu deuten. „Aber wie ich bereits sagte: ich bin ein schlechter Ratgeber in diesen Dingen.“

Die hübsche Zofe strich sich mit beiden Händen die Haare nach hinten, schmunzelte erst, dann musste sie lachen. Richtig lachen. „Was für eine List von Phex. Jetzt sitzen wir zwei da, sinnieren über die Liebe und haben beide wenig Erfahrung.“ Sie wischte sich eine Lachträne aus den Augen. „Erstmal zu Meta. Sie hatte noch nie bei einem Mann gelegen und ein Kerl aus dem Dorf war der Schwarm aller Mädchen. Sie wusste, dass sie ihn bekommt, alleine schon, weil sich viele Dörfler gerne mit dem Adel zeigen und angeben.Mit Thymon haben sie es gut getroffen. Um nicht wie ein unerfahrenes, unbeholfenes Mädchen dazustehen, beschloss sie, „rahjanische Kunst“ von jemanden zu lernen, der dafür bekannt war. Das war, als Linny und ich und er sich schon getrennt hatten. Linnart kannte Meta damals nur vage, und da ist ihm ihr Art, die viele so seltsam Leuten, aufgefallen. Es war nicht oft, Meta erreichte ihr Ziel, der Traum der Dorfjugend stellte sich aber als langweilig und im Bett ungeschickt an, so ließ sie es bleiben. Aber Linny und Meta kommen seitdem so perfekt miteinander klar, dass er sie wohl wie eine kleine Schwester sieht. Vergesst nicht, sie sagte ja immer, dass sie sich nicht verlieben würde.“ Felina errötete. „Damals. Ich habe ja auch nicht alles mitbekommen. Zuletzt zufällig auf einer Terrasse trafen sie sich abends tranken Wein, da meinte sie, dass sie sowas nicht mehr wolle. Sie sollten aber weiter enge Freunde bleiben, da sie merkte, dass auch er mit der Situation Probleme. Das ist es,was ich weiß. Und glaubt mir, Meta und ich haben uns damals gestritten. Doch eine Freundschaft war mehr Wert, als sie deswegen. Sie hat sich auf ihre Art entschuldigt. So, das weiß ich. Ihr braucht euch nicht sorgen, glaubt mir.“ Sie lächelte verschmitzt und hob den Kopf Richtung Gudekar. „Na, ich hab so viel geredet, da hab ich mir doch eure Geschichten verdient?“

Doch Gudekar sorgte sich. Er schaute etwas irritiert, oder besser gesagt traurig, zu Boden. Er war sich nicht sicher, ob das wirklich alles zwischen Linnart und Meta war. Er hatte das Gefühl, dass der Bannstrahler immer noch etwas von Meta wollte. Und er war sich nicht mehr sicher, ob Meta die Zeit mit ihm, Gudekar, nur verbrachte, um dem Sohn ihres Schwertvaters eins auszuwischen und zurück zu ihm laufen würde, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab. Er hatte Angst davor. Doch konnte er es ihr verübeln? Auch er spielte ja ein falsches Spiel, nicht mit Meta, aber mit seiner Frau. Was er hier gerade machte, war ja auch keinen Kreuzer besser. Aber dennoch, es tat weh, diese Geschichten zu hören. Mit der Fußspitze scharrte er am Boden, zog unsichtbare Kreise und andere Formen. “Ähm, ja, wisst Ihr, ich bin eigentlich nicht so der Erzähler. Eigentlich bin ich eher so der Stille, der nicht viel redet. Aber Ihr wollt meine Geschichte hören, meine Liebesgeschichten?” Er schaute sie fragend an, doch als er ihr bekräftigendes Nicken sah, fing er vorsichtig an. “Ja, also, ich… ich hab nicht so die Erfahrung mit Frauen. Zumindest bisher nicht”, korrigierte er sich. “Als ich noch auf der Akademie war, da haben die anderen Scholarinnen und Scholaren schon, so manche… Erfahrungen gesammelt. Manchmal mit den Mitschülern, manchmal mit den Mädchen oder Jungs aus Donnerbach. Einige wohl auch mit den Elfen, die in manchen Dingen etwas…, ähm, freier Denken als wir. Aber ich hab mich da lieber mit meinen Studien beschäftigt. Nicht, dass mich die Mädchen nicht interessiert hätten”, er wurde rot im Gesicht und sprach mit leiser Stimme weiter, “aber wer wollte schon was von mir?” Felina sah, dass seine Augen feucht wurden bei der Erinnerung an die alten Zeiten. Nach einer kurzen Pause sprach er weiter. “Nach meinem Abschluss kam ich dann zurück nach Albenhus und hab in unserem Kloster gelebt. Das war meine Bestimmung, mein Leben. Den Kranken der Stadt helfen, das Leid mildern Ich war mir sicher, dass ich für immer allein bleiben würde, so wie ich es eigentlich schon mein ganzes Leben lang war.” Der Magier schaute wieder auf den Boden und malte erneut unsichtbare Muster auf den Boden.

Felina nichte betreten. “Ja, das ist wahrlich eine traurige Geschichte. Aber Ihr habt doch so viel mehr Möglichkeiten, als ich. Ich seid adlig, vertretet ein Haus und in einem  magietoleranten Land könntet Ihr viel erreichen. Uns jetzt seid Ihr nicht mehr alleine. Da ist etwas, das Meta an Euch gefällt. So war sie noch nie. Es scheint, als würden die Götter es endlich gut mit Euch meinen.”

“Ach, wenn es doch so einfach wäre. Ihr müsst wissen, ich bin bereits verheiratet. Und wir leben in einem Land, das weder gegen Magie noch gegen den Bruch des Traviabundes tolerant ist.” Gudekar schaute die Zofe an. “Jetzt denkt ihr bestimmt, dass ich ein Schurke bin. Ich bin verheiratet und dennoch laufe ich der jungen Dame hinterher und mache ihr Hoffnung auf eine Zukunft, die ich ihr wohl kaum bieten kann. Ich sollte mich wohl besser von dannen scheren, denkt Ihr sicherlich. Und wahrscheinlich habt Ihr recht.” Der Magier stand nervös auf und schien die Flucht antreten zu wollen. “Ich hole lieber mein Gepäck und verlasse das Gut, so schnell ich kann.”

Die Zofe stand auf und hielt den Magus energisch an der Schulter fest. “Was soll denn das? Kein Wunder, dass Ihr bei dem Verhalten keinen Erfolg haben werdet. Benehmt Euch wie ein Mann, der weiss, was er will und nicht wie ein Lappen. Es wird seine Gründe gehabt haben, ich kenne weder Eure Familie noch Eure Frau. aber wenn Ihr jetzt abhaut, habt Ihr aus Feigheit, sie könnte Euch weh tun oder Ihr müsstet Euch einem unglücklichen Schicksal fügen um eine wunderbare Chance gebracht.” Sie drehte ihn zu sich um und sah verärgert und ernst. “Was meint Ihr? Ich würde Linnart sofort wieder nehmen, selbst, wenn er verheiratet wäre. Vorausgesetzt, er würde mich so behandeln wie zuvor. Wir waren in den Momenten gleich. Nur Mann und Frau und wir haben uns nicht nur schnell für den Dienst an Rahja getroffen sondern auch viel gredet.”

Gudekar wollte gerade fast wieder auf den Boden schauen, doch dann besann er sich eines Besseren und schaute Felina in die Augen. “Ihr habt natürlich recht. Ich will doch nur das Beste für Meta, aber ich weiß nicht, ob gerade ich das bin. Und Ihr meint, es macht Meta nichts aus, dass ich bereits verheiratet bin? Ich meine, wird sie auf Dauer nicht doch einen Mann suchen, der voll und ganz für sie da sein kann? Oder einen, der näher bei ihr ist?” ‘So wie der Linnart’, dachte er still. “Ich meine, sie ist ja noch sehr jung, und eines Tages wird sie eine Familie haben wollen, einen Mann, der stets für sie da ist. Einen ritterlichen Mann. Ich habe Sorge, dass sie das Zusammensein mir nur als ein Abenteuer sieht. Eine Trophäe, einmal einen Magier erobert zu haben. Wisst Ihr, wir haben uns ja gerade erst kennengelernt. WIr hatten nicht viel Zeit miteinander, Und jetzt tauche ich hier unerwartet  auf. Woher weiß ich, ob sie die Beziehung mit mir ernst meint oder es nur als einen netten Zeitvertreib sieht, solange, bis es langweilig wird. Ich meine, wenn es so wäre, ich könnte es verstehen. Es wäre in Ordnung. Dann wäre ich dankbar für jeden Tag, jede Nacht, die ich mit ihr verbringen darf.”

Felina kniff den Mund zusammen, er war ein Hoher Herr, da musste sie so gut es ging, höflich bleiben. Wenn er wirklich meinen Rat will und er in Meta nicht bloß als Zeitvertreib nutzt, musste er das aushalten „Warum denkt Ihr denn so schlecht von ihr?

Die Zukunft, Kinder, Familie müsst Ihr ihr selbst sagen. Überhaupt solltet Ihr ehrlich Eure Sorgen mit ihr teilen. Jetzt erzähl mir bitte von eurer Frau und dem Leben mit ihr.“

„Ihr müsst wahrlich eine gute Freundin für Meta sein! Meta muss sich glücklich schätzen, jemanden wie Euch in der Nähe zu haben.“ Er lächelte die Zofe an. Wen hatte er schon, mit dem er so über seine Sorgen reden konnte?

„Wisst Ihr, ich bin zwar der Sohn eines Edlen, doch spielt das bei mir keine Rolle. Ich stehe in der Erbfolge zu weit hinten, als dass ich je das Lehen erben könnte. Doch das ist auch nicht wichtig. Als Angehöriger meines Ordens ist die Abstammung nicht von Belang. Auf der Akademie gab es Scholaren aus jeder Bevölkerungsschicht. Dort war man Stolz auf den Weg und nicht darauf, wo er begann. Der Wert eines Scholaren wurde gemessen an dem, was er tat, und nicht daran, woher er kam. So wurde ich an der Akademie erzogen. Auch die Niedersten können gute und einflussreiche Magier werden. Deshalb, wenn dem jungen Herrn wirklich an Euch gelegen wäre, täte er gut daran, Euch nicht an Eurem Elternhaus zu messen.“ In seinem Gesicht lag ein freundliches, aufmunterndes Lächeln. So schaute er sie eine Weile an. Dann seufzte er und steckte die Hände in die Taschen seines Umhangs.

„Meine Frau? Merle? Sie ist ein Waisenkind aus Albenhus. Ich habe sie im Waisenhaus unseres Traviatempels kennengelernt, das von Vater und Mutter Dreifeld geleitet wird. Sie hatten Merle so wie die anderen Waisen adoptiert. Für Merle waren sie wie ihre leiblichen Eltern. Nachdem ich von Donnerbach zurückgekehrt war, hatte mir unser Abt aufgetragen, im Waisenhaus nach den Kindern zu schauen. Und so habe ich Merle kennengelernt. Da war sie noch ein Kind. So wie auch andere der Kinder war Merle von meinen Künsten fasziniert.“ (So wie auch Meta!) „Im Laufe der Zeit hat sich dann erst eine Freundschaft entwickelt und irgendwann, als Merle reifer geworden ist, eine Romanze.“ Gudekar schaute verlegen und bekam rote Ohren. „Wir hatten uns damals keine Gedanken über die Zukunft gemacht, sondern nur den Augenblick genossen. Doch unsere Romanze wurde von Vater Reginbald entdeckt. Und dann haben die Dreifelds auf einen Traviabund gedrängt. Kalman, mein Bruder, war ja dagegen, doch Vater war sehr auf ein gutes Verhältnis zum Traviatempel bedacht und so haben wir uns gefügt und sind den Bund eingegangen. Das war in Ordnung, wir haben uns ja geliebt und keiner von uns beiden hatte gedacht, dass dies jemals anders sein könnte oder dass es auch andere Menschen geben könnte, die sich für einen interessieren.“

Lange hörte sie mit ausdrucksloser, ernster Miene da und schwieg, als Gudekar geendet hatte. “Hm.” Sie betrachtete ihn genau und versuchte, sich in Meta zu versetzen. Linny würde sie nicht mehr erwähnen, das gab nur Ärger. Aber der etwas schüchterne Magier musste etwas an sich haben, was Meta dazu gebracht hatte, sie etwas von Linny zu distanzieren. “Eure Geschichte klingt ein Glücksfall. Ihr verliebt Euch in ein Mädchen und trotz aller Widerstände der Familie könnt Ihr den Bund mit ihr schließen. Mehr noch. ihr habt Euch lange geliebt. Wie war es, als Ihr abgereist seid? War Sie froh, wart ihr erleichtert? Ich versuche nur, etwas zu verstehen. Von Tsa wurde euer Bund-wie lange besteht der gleich?- noch nicht gesegnet.

“Oh weh, Ihr müsst denken, was ich für ein Schuft sein muss. Da erzähle ich, wie gut ich es mit meiner Frau habe, und gleichzeitig vergnüge ich mich hier mit einer anderen jungen Dame. Und ja, wenn ihr das denkt, habt ihr wohl Recht.” Das schlechte Gewissen ließ ihn schuldbewusst schauen. “Aber der Traviabund war ja nicht gegen den Widerstand der Familie, da habt ihr mich falsch verstanden. Mein Vater hatte den Wunsch der Traviageweihten sofort akzeptiert und mich dazu ge… darum gebeten, dem Bund zuzustimmen. Nur mein Bruder, meinte, das ginge nicht, weil sie nicht von Adel sei. Ich solle mir bei ihr die Hörner abstoßen und mir dann jemanden Vernünftiges suchen. Aber das weiß Vater nicht. Vater war das egal, weil ich als Anconiter eh nicht wirklich die Linie des Hauses weitertrage. Hauptsache, keinen Ärger mit der Traviakirche. Also hatten wir uns gefügt. Aber es war einfach damals das Richtige. Und ich mag Merle, sehr sogar. Sie ist eine gute Frau. Natürlich gab es gute und schlechte Zeiten. Man nimmt das Leben, wie es einem gegeben ist. Aber ob wir miteinander wirklich glücklich waren? Ich habe das immer geglaubt. Oder Ich wollte es zumindest glauben. Doch bin ich mir da nicht mehr so sicher. Ich denke, Merle ist nicht wirklich glücklich im Kloster, wo wir leben. Es ist mein Zuhause. Sie arbeitet als Schwester dort mit und ist zufrieden, dass sie eine sichere Zukunft hat. Doch ist sie wirklich glücklich? Sind wir wirklich glücklich?” Gudekar schluckte, er war sich unsicher, wie offen er wirklich sein sollte. Hatte er schon zu viel gesagt?  

Jetzt lächelte Felina zärtlich und strich über seinen Arm, da sie merkte, wie er unsicher wurde. „Ich will Euch nicht als schlecht oder Schuft bezeichnen. Ich erfahre erst jetzt Einzelheiten und meist liegt der Grund nicht eindeutig bei einem der Partner. Wer meint, seine Seele sei vor Travia makellos, der möge sich prüfen lassen. Ihr redet so positiv von Merle, als wäre für  Meta kein Platz mehr. Sie hat sich verändert, positiv. Nicht immer, aber zu mir zu Beispiel.” Sie holte tief Luft und schien an etwas zu denken, was ihre Freundin ihr erzählt hatte. Gerade erst hatte sie sich gefragr, was genau Meta an Gudekar speziell fand, wie dumm und vergesslich sie doch war. “Meta hat sehr von Euch geschwärmt und dabei war sie so aufgedreht und mitreißend. Das sind schöne Zeiten. Sie hat mir aufgezählt, was sie an Euch mag. Was ihr gefällt, was sie schätzt. Das würde ich gerne von Euch über sie hören.  Leichter Wein steht auf der Anrichte da drüben, zum Schreiben habe ich etwas dabei. Nehmt Euch Zeit. So, wie Ihr es erzählt habt, habt Ihr und Eure Frau harmonisch getrennt, vor der Feier. Meta müsste Angst haben, dass Ihr mit Ihr spielt und sie dann so wie Linny mich, nicht mehr sehen wollt.” Sie merkte, dass Gudekar bleich wurde. “Ich glaube das alles nicht. Nicht, nach dem, was Meta mir erzählt hat und nicht, jetzt, wo ich Euch persönlich kenne. In Ordnung? Ich hole den Wein und Ihr überlegt.

Gudekar schaute ihr hinterher, wie ein treuer Hund, dessen Herrchen ihn an einem Baum angeleint hat und weggeht. Als Felina begann den Wein einzuschenken und ihm dabei den Rücken zugewandt hatte, fing er an zu erzählen. “Hättet Ihr mich vor einem Mond gefragt, ja, ich hätte Euch gesagt, in meinem Herzen sei kein Platz für eine andere Frau als Merle. Es könne darin niemals solchen Platz geben. Ich hätte Euch ausgelacht. Ich hätte nicht einmal gewusst, dass es andere Frauen gibt. Doch vieles hat sich geändert in mir seit dem. Ich kann es nicht erklären. Auf der Hochzeitsfeier ist viel passiert. Ich weiß nicht, inwieweit ihr informiert seid. Aber es fing nicht erst an, als ich Meta traf. Schon am Tag zuvor wurde mir bewusst gemacht, dass Ereignisse passieren können, die das eigene Weltbild zurechtrücken können, die das, was einst war, für immer verändern können. Die Erkenntnis, dass Merle nicht für immer die einzige Frau in meinem Leben sein würde traf mich an jenem Abend. Und sie traf mich wie ein Blitz, so schmerzhaft und nachhaltig, dass vieles, alles, was vorher war, auf einmal zerstört war. Denkt an einen alten Baum, der lange gut gewachsen ist, groß und kräftig im Wuchs. Doch dann schlägt der Blitz ein und spaltet den Baum im Bruchteil eines Wimpernschlags. So wurde an jenem Abend die Liebe zwischen Merle und mir gespalten, und keiner von uns beiden trug in jener Nacht die Schuld. Ich möchte darüber nicht weiter reden, bitte versteht das. Erst im Laufe des nächsten Tages wurde mir bewusst, was damals geschehen war, was es tatsächlich bedeutete, und ich war sehr verwirrt. Und dann traf ich auf Meta. Ich hätte mich an jenem Abend zurückziehen sollen, zumindest von vom weiblicher Gesellschaft fern halten sollen. Doch ich tat, warum auch immer, genau das Gegenteil. Schon im ersten Moment war ich von Metas Anblick fasziniert. Von Ihrem Lächeln, von ihrer Stimme, von von den Grübchen in ihrem Gesicht, wenn sie lachte. Von Ihrem Willen. Sie war eine starke Frau, das spürte ich sofort. Sie wusste, was sie will, und sie war bereit dafür einzustehen, auch gegen die Etikette, auch gegenüber höheren Herren.” Er dachte dabei an den Wortwechsel zwischen Meta und dem Eisensteinischen Baron, den andere vermutlich als ungehörig verurteilt hätten. “Diese Stärke und diesen Willen habe ich bewundert.” Als Felina ihm ein Glas Wein reichte, nahm er es dankend an und trank einen kräftigen Schluck. Er achtete nicht auf den Geschmack. Hätte man ihn hinterher gefragt, ob es ein weißer oder ein roter Wein, ein trockener oder ein lieblicher Wein war, er hätte es nicht sagen können. Er trank den Schluck gegen den Durst. Gegen die Nervosität. “Und so führte eines zum anderen und Meta und ich haben uns gut unterhalten. Doch nicht die ganze Zeit lief es reibungslos an jenem Abend, und wir verloren uns aus den Augen. Schon da war mein Herz schwer wie Stein, weil ich mich sorgte, sie nicht mehr wiederzusehen. Dabei wollte ich nichts weiter, als mich mit ihr unterhalten, in ihrer Nähe sein, vielleicht ihre Hand in meiner spüren. Erst spät in der Nacht trafen wir uns wieder. und dann ist es passiert, dass wir uns ein zurückgezogenes Plätzchen suchten, um die Nacht zusammen zu verbringen. Dies hatte ich nicht gewollt. Naja, vielleicht sollte ich lieber sagen, nicht geplant. Es ist einfach so passiert. Es war eine wundervolle Nacht. Es war aufregend, bezaubernd, romantisch. Wunderschön.” Erneut nahm er einen Schluck Wein und schaute dabei zu Felina. Als er sah, dass sie auffordernd abwartete und keine Anstalten machte, ihn zu unterbrechen, sprach er weiter. “Vermutlich wäre in den meisten Fällen die GeschiMorgenchte damit zu Ende. Am nächsten  gingen beide auseinander und sahen sich nie wieder, und wenn doch, dann wäre diese Nacht verdrängt und man tat, als sei nichts geschehen. So gingen auch wir am Morgen auseinander. Meta zog hinaus zur Rnghüterprozession. Ich genoss die Erinnerungen an die vergangene Nacht und traf mich später mit meinen Weggefährten zu einer geschäftlichen Besprechung. Ende. Schluss. Die Geschichte ist vorbei. Doch nein, so war es nicht. Denn dann ging das Schlamassel auf der Burg und in der Stadt los. Habt ihr davon gehört? Oh, es war ein anstrengender Vormittag, überall wurde meine Hilfe gebraucht und ich konnte gar nicht schnell genug von einem Ort an den anderen, um die Hochzeitsgäste vor den Folgen einer Vergiftung zu retten. Und eine junge Travianovizin musste ich ganz allein aus einer tiefen Latrinengrube retten, um sie vor dem qualvollen ertrinken zu bewahren. Und schließlich erfuhren wir, dass die Ringhüterprozession in Gefahr war, weil sich dort ein Verräter, ein Paktierer unter die Teilnehmer gemischt hatte, der alle bedrohte.” Ein sorgenvolles Gesicht machte sich in seinem Gesicht breit und Gudekar trank sein Glas leer. “Und dann spürte ich etwas, was ich noch nie zuvor in meinem Leben gespürt hatte. Nicht in dieser Intensität. Sorge. Angst! Unermessliche Angst. Doch nicht um mein Leben, sondern um das Leben dieser jungen Knappin, mit der ich die Nacht zuvor verbracht hatte. So etwas hatte ich nie zuvor empfunden. Ja, sicher, ich hatte mich auch schon zuvor um das Leben anderer gesorgt. Erst kürzlich, als mein Schwippschwager Reto von Paktierern entführt und beinahe zu Tode gefoltert wurde, bevor ich ihn aus ihrem Versteck retten konnte. Auch da war ich in großer Sorge, hatte Angst um sein Leben. Er war immerhin der Schwager und Dienstherr meiner Schwerster. Doch es war nicht das Gleiche. Es war damals die normale Sorge, die man um die Seinen hatte. Doch nun war es anders. Ich spürte eine Angst, die mir die Luft abschnürte, die wie ein Dolch in mein Herz stach. Und in gleicher Weise spürte ich Hoffnung, als wir - also der Rettungstrupp, der mich ins Moor begleitete - ein Lebenszeichen von Meta und den anderen Prozessionsteilnehmern vernahmen. Ich kann Euch nicht berichten, welche Schrecken wir dann noch durchlebten, bis wir die Verschollenen endlich vor dem Dämon retten konnten. Noch kann ich es nicht erzählen, dazu ist das alles noch zu frisch. Doch als ich endlich Meta gegenüberstand und wusste, dass sie außer Gefahr war, da wusste ich, ich würde niemals zulassen, dass ihr etwas ähnliches noch einmal geschehen würde. Ich wusste, ich gehöre zu ihr, ich muss für immer für sie da sein. Sie ist mein Schicksal, meine Bestimmung.” Gudekar stand auf und ging zu der Anrichte, um sich neuen Wein nachzuschenken.  

Felina wartete, bis er sich setzte. “Eine ungewöhnliche Geschichte. In so kurzer Zeit hat sich Euer Leben gedreht und mir scheint, dass das bei Euch und Eurer Frau – Kinder habt ihr ja keine – längst nötig war. Wenn man Mimik, Gestik und Art der Sprache dazu sieht, klingt das eher wie eine Befreiung aus einem unsichtbaren Gefängnis, als eine Liebelei von beiden Seiten. Das wollte ich wissen. Meta schwärmt, doch gewisse Hindernisse, die ihr früher egal gewesen wären, die stören sie nun. Alles erzählt sie nicht, aber sie beschäftigt sich sehr damit. Ihr braucht keine Angst haben, sie zu verlieren.  Euer bisheriges Leben, da hat was nicht gestimmt. Wie hat es Eure Familie aufgenommen?”

Gudekar dachte still nach. Ein Gefängnis? Eine Befreiung? So hatte er es noch gar nicht gesehen. Diese junge Zofe scheint sich tatsächlich mehr Gedanken über Meta und ihn zu machen, als er es bisher getan hatte. Allerdings hatte er auch noch nicht wirklich Zeit, sich seiner Gefühle, seiner Wünsche klar zu werden.

“Ich weiß es nicht, ich weiß eigentlich gar nichts wirklich. Ihr habt mich gerade dazu gebracht, Dinge auszusprechen, über die ich mir bisher gar nicht klar war. Es hat etwas nicht gestimmt, sagt Ihr. Vielleicht habt Ihr Recht. Wieso ist mir dies aber bisher nie aufgefallen? Nun, ich habe das Leben bisher wohl noch nie in Frage gestellt. Ja. Meine Familie? Oh, ich war seit dem Zusammentreffen mit Meta noch nicht bei meiner Familie, ich war noch nicht zu Hause in Albenhus. Nach den Feierlichkeiten in Herzogenfurt musste meine Reisegruppe direkt in die Baronie Eisenstein reisen. Und von dort bin ich, anstatt mit den Gefährten heimzukehren, direkt hierher gereist. Niemand in der heimat weiß bisher, was mich gerade bewegt. Und die Familie sollte es besser auch vorerst nicht wissen. Noch nicht. Sie würden es nicht dulden, dass ich in Meta eine neue Gefährtin sehe.”

Felina stand auf und schien zufrieden. “Ich werde jetzt Meta holen, das was wir gemacht haben, war überfällig. Ihr werdet damit arbeiten müssen, es ist, als hätte man in einem scheinbar klaren Teich den Schlamm am Grund aufgerührt. Und unterschätzt die psychische Tragweite nicht. Es wird weh tun, aber Ihr werdet daran wachsen. Solche Prozesse finden normalerweise im Laufe der Zeit statt. Übereilt nichts und verdrängt nicht. Redet mit Meta offen und ehrlich. Sie hat etwas besonderes, was mir fehlt und umgekehrt. Wir beneiden uns gegenseitig.” Felia verliess die Nische und Gudekar war einen Moment alleine.

Verwundert schaute Gudekar Felina hinterher und schüttelte den Kopf. ‚Was war das denn?‘ fragte er sich. Wer war die Frau wirklich, die lediglich eine Zofe des Hauses und Freundin von Meta zu sein vorgab. Das konnte aber nicht sein, sie musste mehr sein als nur eine einfache Zofe. Sie benahm sich, wie eine Seelenheilerin. Sie hatte es geschafft, dass sich Gudekar ihr gegenüber in kürzester Zeit öffnete und Dinge von sich preisgab, die er selbst noch nicht von sich wusste. Er hatte so etwas bisher lediglich einige ganz wenige Male erlebt, dass dies jemand bei jemand anderem auf diese Weise geschafft hatte, und das waren Elfen gewesen, die ihre intuitive magische Begabung dafür einsetzten. Doch Gudekar hätte es bemerkt, hätte Felina versucht, ihn zu verzaubern. Oder etwa nicht? Jedenfalls, er muss musste mehr über diese einfühlsame Zofe erfahren. Gudekar leerte sein Weinglas in einem Zug.

Besuch im Dorf

Seine Freundin kam leise zu ihm und setzte sich. Sie hatte auch einen Becher leichten Weines bei sich. „Und? Geht es dir besser? Ich hoffe, sie hat dich nicht zu sehr durcheinander gebracht.“ Alegretta, die hiesige Hochgeweihte des Rahjatempels hatte versucht, Felina für sich zu gewinnen. Als Novizin mit der Hauptaufgabe, Dramen der Liebe zu kösen und zu helfen. Felina hatte abgelehnt, der Rest des Dienstes an die Schöne sagte ihr nicht zu. „Ich bin fertig. Zu was hast du Lust? Oder willst du mich etwas fragen?“

“Hallo Meta! Schön, dass du wieder da bist!” lächelte er die Knappin an. Dann schaute er erneut nachdenklich. “Felina ist wirklich eine interessante Persönlichkeit. Sie hat etwas an sich, das bemerkenswert ist. Man könnte meinen, sie sei eine erfahrene Seelenheilkundlerin oder eine Geistliche.” Dann schüttelte er die Begegnung von sich ab. “Hast du jetzt Zeit? Du wolltest mir doch ein wenig das Dorf zeigen. Ich habe extra auf dich gewartet, weil ich lieber mit dir zusammen losgehen wollte.”

„Ich wusste, dass sie dir gefällt.“ Meta lachte lieb und trank ihren Wein aus. „Anfangs hab ich sie nicht gemocht, als sie vom Dorf gekommen ist, da war sie noch so.. rustikal. Hier hat sie sich wie eine prachtvolle Blume entfaltet. Sie hat sehr viel Gespür und ist sehr intelligent. Wir sind inzwischen sehr gut befreundet und vertrauen uns ganz viel an.“ Meta nahm Gudekars Hand. Der Wein nach der körperlichen Anstrengung entfaltete seine Wirkung. „Lass uns ins Dorf gehen. Thymon ist ein sehr guter Schwervater und ein Genießer. In Rahjas Sinne habe ich heute frei. Ich zeige dir zuerst den Tempel“ Sie lehnte sich warm und weich an seine Seite, als sie losgingen. „Ich mag deine Augen. Das Grau wie aus den fernen, hohen Bergen mit kleinen Silberadern darin. Und ich sehe so vieles darin.“ Meta hielt sich noch an ihm fest, als sie in den Park der Residenz Richtung Straße zum Dorf gingen. Anscheinend hatte der Wein sie dazu gebracht, ihren Gefühlen nachzugeben. Verliebt sah sie zu ihm auf und war einfach nur glücklich.

Gudekar hatte zwar auch bereits zwei Becher Wein getrunken, doch spürte er dessen Wirkung nicht. Dies lag sicherlich auch daran, dass der leichte Wein, der hier zum Trinken bereitstand, leicht mit Wasser verdünnt war. In erster Linie lag es jedoch daran, dass Gudekar gewohnt war, auch bereits zu früher Stunde verdünnten Wein zu trinken. Auch im Kloster wurde an die Anconiter eher Wein als Wasser ausgeschenkt, denn dieser war bekömmlicher als das Brunnenwasser. Und selbst das abgekochte Wasser schmeckte besser, wenn man ein wenig Wein vor dem Trinken hinein mengte.

Der Albenhuser genoss Metas Intimität und ihre Komplimente. So wie sie es sagte, klang es so natürlich, so selbstverständlich. Das machte ihn zutiefst glücklich, mehr noch als die intimen Momente am vergangenen Abend. Er wollte ihre Schmeicheleien erwidern, doch dann überlegte er, dass Gegenkomplimente direkt als Erwiderung vielleicht nicht echt, eher aufgezwungen klingen könnten, und dies würde den Moment zerstören, wohingegen Metas Worte aus ihrem tiefsten Herzen zu kommen schienen. So entschied er, nicht zu antworten, sondern den Moment schweigend zu genießen. Stattdessen legte er seinen Arm um sie, zog sie noch enger an sich heran und küsste sie auf die Stirn. Arm in Arm folgte er ihr auf dem Weg ins Dorf.

Etwa ein Viertel Stundenglas wanderten sie an Wiesen und kleinen Weinhängen vorbei, ein Weg, den Gudekar schon kannte. Für Boron war es ein angenehm milder und sonniger Tag. Als sie in das Dorf kamen, steuerten sie auf das Gebäude neben seinem ursprünglich  ausgewählten Haus zu. Der liebliche Fachwerkbau am Dorfplatz war von Weinranken überwachsen und durch kunstvolle Schnitzereien verziert. Das war der “Rahjatempel Linnartstein”, ein der Schönen Göttin geweihtes Haus. Meta blieb davor stehen. “Hier ist es, das ist der Rahjatempel, klein aber gemütlich. Sie haben eine warme Quelle, die ein Bad des Tempels speist. Es dreht sich sehr viel um Wein, wie du siehst. Wollen wir rein?”

Das Gebäude hatte Gudekar zwar am Vortag schon gesehen, aber überhaupt nicht beachtet, da er sich derart beeilt hatte, auf das Edlengut zu gelangen. Jetzt bereute er dies fast schon, denn zumindest ein Gebet zu der schönen Göttin wäre gestern durchaus angebracht gewesen. Nun aber freute er sich darauf, Rahja danken zu können für das, was er erlebt hatte. Und ein Bad in warmen Quellwasser war auch eine vielversprechende Aussicht. „Oh ja, sehr gerne! Aber gibt es hier im Dorf die Möglichkeit, von Eurem Wein zu kaufen? Ich möchte etwas als Opfergabe für die Göttin besorgen.“

Meta blieb der Mund offen stehen. „Ähhhmmm…“ Dann schluckte sie, hielt sich an Gudekars Schulter und musste herzhaft lachen. „Überall, hier…. Auch direkt beim Tempel..“ Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und fand es lieb, dass ihr Begleiter mehr auf sie als auf die Häuser geworfen hatte. Als Gudekar sich nun umsah, fielen ihm immer mehr Schilder über den Türen auf, die Becher und Weintrauben zeigten. „Beim Tempel kann man nach dem Hauswein fragen.“

Wie dumm er doch war, dachte Gudekar. Natürlich musste es hier überall Wein geben. Und wahrscheinlich war an diesem Ort etwas Wein keine angemessene Opfergabe für die schöne Göttin. Aber was sollte er jetzt tun? Er hatte sich noch nie mit intensiver mit dem Rahjakult auseinandergesetzt, aber er war neugierig und wollte Meta auch nicht enttäuschen. Es schien ihr viel zu bedeuten. Gudekar nahm Metas Hände und lächelte sie an. “Weißt du, hier ist dein Zuhause. Du weißt am besten, was wir tun sollten. Führe mich einfach, zeige mir, was dir hier am meisten gefällt. Ich bin heute ganz und gar dein Gast.”

„Mach dir keine Sorgen. Du kaufst beim Tempel einen Wein, den trinken wir dann drinnen mit Alegretta. Das ist die Hochgeweihte hier.“ Schmunzelnd und fast lauernd sah sie zu ihm und nahm Gudekar bei der Hand. „Sie kennt mich. Ich war des Öfteren bei ihr. Dich kennt sie von mir. Ich will mit ihr über uns reden.“

Gudekar wunderte sich erneut, mit wem Meta bereits alles über ihn geredet hat. Er ließ sich jedoch nichts anmerken. Er war bis zu seiner Anreise davon ausgegangen, dass Meta das Techtelmechtel mit ihm ähnlich geheim gehalten hätte, wie er es in seiner Heimat getan hätte. Doch scheinbar wusste halb Linnartstein bereits Bescheid, was in Herzogenfurt geschehen war. Am Anfang war ihm das unangenehm, doch langsam gewöhnte er sich an diesen Gedanken. Es freute ihn sogar sehr, denn das zeigte ihm, dass er für Meta mehr als ein kurzzeitiges Abenteuer war, mehr als eine Art gesammelte Trophäe – der Magier, den sie verführt hat. Sie hatte wirklich ernsthafte Gefühle für ihn entwickelt. Das machte ihn unglaublich stolz und glücklich. Gleichzeitig schämte er sich, dass er die Beziehung in Albenhus nicht so öffentlich bekannt geben konnte. Doch war es bei ihm anders. Er war verheiratet und von ihm wurde traviagefällige Treue erwartet.

„Einverstanden! Gehen wir Wein kaufen und dann bin ich gespannt, was Ihre Hochwürden uns zu sagen hat.“ Gudekar folgte Meta zu einem der Häuser der ansässigen Weinbauern und gemeinsam wählten sie einen passenden Wein für die bevorstehende Begegnung aus. Dann ließ sich Gudekar in den Rahjatempel Linnartstein führen.

“Was für ein guter Zufall, dass du mich besuchst. Ich hatte begonnen, mir Alegretta über die Sache zu reden, weil…weil sie mich nicht mehr losgelassen hat. Ich musste daran denken und war zornig und traurig, weil ich keine Lösung gefunden habe.” Am Eingang wurden sie herzlich von einer jungen Novizin empfangen, die ihnen ein weisses Gewand reichte. Dieses sollten sie nach der ersten Waschung im Tempel anziehen. Es war wohl sein erstes Mal in einem Rahjatempel und verstohlen musterte Meta ihn. Sie hatte sich anfangs unwohl gefühlt, unsicher, so selbstverständlich nackt herumzulaufen. Als sie umgezogen waren, nahm sie ihren Freund bei der Hand und dirigierte ihn ein paar Schritt weiter in das, was wohl die Haupthalle des Tempels war. Hier dominierte eine lebensgroße Statue der Rahja, die einen Kelch hielt und einen Kranz aus Reben auf dem Kopf trug. “Küss mich vor ihr.” flüsterte sie Gudekar ins Ohr.

Gudekar schaute sich neugierig um. Alles hier sah so lieblich, so harmonisch aus. Ganz von selbst stellte sich in dem Magier ein vertrautes Gefühl ein, obwohl die Umgebung für ihn völlig ungewohnt war. Doch dies war kein Ort für Scham und Scheue. Dies war sofort zu spüren, und so öffnete auch er seine innerste Gefühlswelt, bereit, sich der Göttin zu offenbaren. Interessiert betrachtete er die Statue der Göttin. Wohlig kitzelte ihn Metas Atem, als sie ihm ins Ohr flüsterte. Im ersten Moment schien er gar nicht mitbekommen zu haben, wozu sie ihn aufgefordert hatte, den er blickte weiter auf die Statue. Erst als er meinte, jedes Detail der Skulptur verinnerlicht zu haben, drehte er sich zu seiner Geliebten um, schlang seine Arme um ihre Hüften und beugte seinen Kopf, so dass sein Mund auf ihrem zu liegen kam. Er begann einen innigen Kuss, zuerst mit geschlossenen Lippen, doch dann öffnete er sie und ließ seine Zunge zärtlich an ihren Lippen spielen.

Meta erwiderte den Kuss und gab sich ganz dem Moment hin. Möglichst nah wollte sie ihm sein und umarmte Gudekar fest. Wie lange, das konnte danach keiner der beiden sagen. Er spürte, dass es hier etwas anders, nein, besonders war. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, löste Meta sich von ihm. „Hier ist es ganz anders. Das kenne ich bisher nur von Erzählungen. Fast, als hätte man den Segen Rahjas bekommen. Oder zumindest ihr wohlwollen.“ Meta ließ seine Hand nicht los und so folgte er ihr auf der Suche nach einer Geweihten. Sie fanden einen spärlich bekleideten, hübschen Geweihten, den sie mit  Samaro ansprach. Es folgte ein kurzer, schneller Wortwechsel, worauf Meta sich mit Gudekar in ein extra Zimmer begab. Es war lauschig, schwach beleuchtet und angenehm. In der Mitte plätscherte ein kleiner Brunnen aus Rosenquarz und angenehmer Duft exotischer Gewächse regte die Nase an. Die Beiden setzen sich auf eine chaiselongue, gegenüber Stand eines Zweite. „Er holt Hochwürden.“ wisperte Meta.

Gudekar hielt es aber nicht lange auf der Chaiselongue, denn er war zu neugierig auf diesen lieblichen Ort und zu aufgeregt. So stand er auf und betrachtete den Brunnen intensiv. Auch die Pflanzen, die diesen Raum so exotisch und entspannend wirken ließen mussten einer Inspektion standhalten. „Weißt du, was das für Blumen sind, Meta?“ fragte er bei einer ihm gänzlich unbekannten Art. Er war sich sicher, dass diese nicht in den Nordmarken heimisch war, und auch nicht in der Nähe des Neunaugensees.

Meta sah sich um. Er meinte wohl prachtvoll blühende Pflanzen mit dicken Blättern und einem Stängel, von dem wie Trauben viele Gelb-rot gestreifte Blüten abgingen. Fast wie bei einem seltsamen Baum. „Ah die… die steht hier schon länger. Einen oder zwei Mond. Den botanischen Namen kenne ich nicht. Wir nennen sie Blumenbäumchen. Ein wohl sehr zufriedener Pilger, angeblich ein Forscher, war wohl so zufrieden, dass er sie Alegretta geschenkt hat. Die hatte er aus dem Süden, dort, wo der Wald so gefährlich ist. Ich bin mir sicher, dass er nicht nur diese eine von der Sorte hatte.“

Ein Lächeln zog sich über Gudekars Gesicht. Er dachte sich schon, dass diese Pflanze aus dem tiefsten Süden stammte. Sein forschergeist war geweckt. Welche Kräfte diese exotische Pflanze wohl haben mochte? Konnte man sie nutzen, um ein Heilelixier daraus herzustellen? Vielleicht sollte er einst in den Süden reisen, um dessen Geheimnisse zu lüften. So war der Magier etwas abgelenkt und nahm gar nicht wahr, wie die Zeit verging, bis die Hochgeweihte kam.

Gudekars Gedanken hingen noch an der möglichen Verwendung der Pflanze, als die Hochgeweihte Alegretta in flotten Schritt in das Zimmer kam. „Meta, Rahja sei mit dir. Und das muss dein Freund sein.“ Alegretta war keine besonders große Frau aber ihre Ausstrahlung machte sie unverkennbar besonders. Wie so viele Rahjani, trug sie langes, rotes Haar, dunkelrot, um genau zu sein. Ihre Augen schimmerten golden und sie verströmte ansteckend Optimismus.

Gudekar erschrak im ersten Moment, als die Geweihte sprach. So sehr war er in Gedanken. Rasch drehte er sich um, doch als er die Geweihte erblickte entspannte er wie von selbst, so lieblich war ihre Ausstrahlung, und ein Lächeln durchzog sein Gesicht.

Geschwind nahm sie auf einem freien Stuhl Platz und betrachtete Gudekar neugierig. „Was für eine Überraschung. Ich hätte nie gedacht, dass du plötzlich im Rahjatempel Linnartstein auftauchst. Wie geht es dir?“ Meta hatte inzwischen Gudekars Hand genommen.

Auch der Magier musterte Alegretta. Noch nie hatte er mit einer Geweihten der lieblichen Göttin geredet, wenn sie im Dienst war, sondern höchstens, wenn seine Dienste benötigt wurden. „Wie es mir geht? Ach, ich glaube, ähm, ich kann nicht klagen.“ Er wirkte von der Frage überrascht und wusste nicht, ob sie als Floskel gemeint war, so wie man so oft bei einem Gespräch unverbindlich nach dem eigenen Wohlbefinden gefragt wurde, wobei das Gegenüber keine ehrliche, sondern stets eine positive Antwort erwartete. „Ich hoffe, Euch geht es auch gut, Euer Gnaden!“, war deshalb seine deplatzierte Erwiderung.

Meta gab ihm einen Stoß in die Seite. „Ja, es war auch für mich überraschend.“ Sie lachte fröhlich.“Plötzlich stand er da. Gudekar von Weissenquell, du weißt doch noch, was ich dir grob erzählt habe von unserem Dilemma.“ Alegretta nickte und sprach Gudekar an. „Ja, Meta hat es mir erzählt. Sag du mir bitte, aus deiner Sicht, wo liegen die  Probleme und wie stellst du dir die gemeinsame Zukunft vor?“

Gudekar schluckte. Er hatte plötzlich einen ganz trockenen Mund, seine Zunge klebte am Gaumen und es fühlte sich an, als wollte sie sich nie wieder lösen. Nach einer Weile sprach, nein, stotterte er: „Nun, ähm, also. Also, Ihr müsste wissen, ich liebe Meta. Ich liebe sie von ganzem Herzen, wie ich nie zuvor eine Frau geliebt habe.“ Er schaute mit einem verträumten Blick zu Meta, schaute sie an, schaute tief in ihre Augen, und sprach weiter: „Ich liebe sie so sehr, wie ich mir nicht vorstellen konnte, dass ein Mensch einen anderen Menschen lieben kann. Das schwöre ich bei Rahja! Schon die wenigen Tagen, die vergangen waren, als sich unsere Wege nach unserer Begegnung in Herzogenfurt getrennt hatten, ließen mein Herz wie in Flammen brennen, dass ich nicht mehr schlafen konnte.“ Dann blickte er wieder zu Alegretta und senkte den Blick. „Doch ich bin bereits verheiratet und meine Ehe steht unter einem besonderen Schirm der Traviakirche.“ Mehr sagte er dazu zunächst nicht.

Als er so sprach und sie so ansah, drückte Meta fest seine Hand und blickte zu Boden. Niemand sollte sehen, wie gerührt sie war und dass ihre Augen feucht wurden.

Nach diesem Gefühlsausbruch, der sicher schon lange in ihm versteckte Gefühle ans Licht brachte, nahm ihn Alegretta fest in den Arm. Sie drückte ihn an sich und küsste seine Backe. Oh, wie roch sie gut und was für eine Geborgenheit mit einem Hauch sexueller Lust spürte der Magier. “Ach Gudekar, du bist du bist hier genau richtig.” Insgeheim hatte sie befürchtet, dass Meta ihr Herz an einen Mann, der es nicht wert war, verschenkt hatte. Sie ließ ihn wieder los und alle drei prosteten sich zu. Der Wein war nicht schwer, für einen Hauswein aber ungewöhnlich schmackhaft mit einem Hauch von Rosen und Honig. “Das unlösbare Problem mal wieder. Gudekar, sag mir bitte, was dir für die Zukunft mit Meta am wichtigsten ist. Heute eilt es nicht und mir scheint, als hättet ihr endlich mal Zeit und Ruhe, um euch beide Gedanken zu machen.”

Gudekar wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Nein, er wusste nicht ob er darauf antworten sollte. Doch hatte es die Aura der Geweihten geschaffte, dass er sich soweit wie möglich öffnete. “Euer Gnaden, ich kann kaum verstehen, was der heutige Tag für uns bereithält. Wie soll ich mir Gedanken über die Zukunft machen? Ich weiß nur, dass ich jede Minute, die ich mit Meta verbringen werde, als Geschenk der Göttin  ansehen werde.“

Meta neben ihm umarmte ihn so fest, dass ihm fast die Luft wegblieb. Halb geschlossen waren ihre Augen und sie küsste sein Gesicht wo immer sie es erreichte. Gudekar spürte die Tränen auf ihrer Wange, seine Freundin wollte ihn einfach nicht loslassen. „Ich hab dich so lieb, so unendlich lieb. Mein Herz möchte zerspringen und ich denke jede Nacht an dich, wie es dir geht.“ Nur langsam beruhigte sie sich, die Backen gerötet, das Haar verstrubbelt und sie wischte Reste der Tränen aus ihren Augen. „Alegretta, jetzt hast du es gesehen. Ich habe nicht Zuviel versprochen.“

Die Rahjani wirkte überglücklich. „Es stimmt. Bei Rahja, ihr müsst zusammen sein.“ Alegretta nahm seine und ihre Hand und legte sie aufeinander. „Ich habe mir Gedanken gemacht, Gudekar, mit Meta. Es wird noch etwas dauern. So weit mir bekannt ist, befindest du dich in geheimer Mission. Mehr will ich darüber nicht wissen.  Der Traviabund existiert. Es gäbe die Möglichkeit, ihn für ungültig zu erklären, da ihr jetzt schon lange zusammen seid und noch keine Kind habt. Ein Kind ist die Voraussetzung für den Bestand der Familie. Vielleicht wurde der Bund in dieser Hinsicht nicht gut genug ausgeführt. Du bist etwas überraschend gekommen, so muss ich mich erst genauer informieren. Was sagst du dazu. Es gibt noch eine zweite, unangenehmere Möglichkeit. Die darf dir Meta erklären aber wahrscheinlich müssen wir gar nicht so weit gehen.“

Der Albenhuser schaute fragend, fast schon erwartungsvoll zu Meta, ließ ihr jedoch gar keine Gelegenheit zu antworten. Stattdessen erklärte er: “Euer Gnaden. Ich liebe Meta über alles. Ich möchte jeden einzelnen Schlag meines Herzens in ihrer Gegenwart verbringen und wünschte mir nichts sehnlicher, als dass ich nicht den Traviabund mit Merle eingegangen wäre. Doch kann ich nicht schlecht über Merle reden. Sie ist eine gute Frau. Ich verstehe nicht, was Ihr damit meint, der Bund sei nicht gut genug ausgeführt worden.”

“Der Bund wurde nicht vollzogen. In Rahjas Sinne.”

„Verzeiht, Euer Gnaden. Ich bin zu wenig in den Lehren Rahjas bewandert.“ Gudekar es genauer verstehen. Während er sprach, hielt er Metas Hand fest in seiner. „Ich verstehe es noch nicht richtig. Sagt Ihr, in den Augen Eahjas wurde der Bund nicht vollständig vollzogen, solange er nicht von Tsa gesegnet wurde? Selbst, wenn… nun, wenn es sonst ein vollwertiger Bund war?“ Es lag eine Spur von Hoffnung in seinen Worten, ebenso wie in seinen Augen.

"Leider nicht. So kommen wir vielleicht bei Travia weiter.  Wenn ihr den Bund vor Travia geschlossen habt, danach aber nicht mehr intim wurdet, könnte man versuchen, den Bund abzuerkennen. Eure Pflichten, eine traviagefällige Familie zu gründen wurden vertan.”

„Nun, Euer Gnaden“, Gudekar wurde rot und schluckte, „mangelnde Intimität kann ich in unserer Ehe nicht bezeugen. Es gab zwischen Merle und mir durchaus intime“, er schaute entschuldigend zu Meta, „sogar sehr rahjagefällige Momente. Sowohl vor als auch nach unserem Ehegelübde. Ich weiß nicht, wieso diese nicht von Tsa gesegnet wurden.“

Die Rahjani presste die Lippen zusammen, nickte und sah Meta an. Sie verstand, was die Knappin, die forsch, oft zu unerschrocken und bisher Phex als ihren Gott gesehen hatte, an Gudekar mochte. Er war einfach ehrlich und so lieb. Meta zuckte mit den Schultern. Sie hatte natürlich gewusst, dass er und Merke sich fleißig paarten (so würde sie es ausdrücken, sie konnte Merle nicht leiden, obwohl sie sich nicht kannten, und war froh, dass Tsa sie bisher nicht gesegnet hatte.) Meta war eifersüchtig auf das Waisenkind. Ihre eigenen Kindheit war nicht so rosig, wie das gemeine Volk oft glaubte, sie hatte sich stets ihren Weg suchen müssen und dabei viele Enttäuschungen und Rückschläge erlebt. Ohne einen Mann, der sie liebte. Insgeheim, das würde sie aber verleugnen, träumte ein kleiner Teil in ihr von einem Leben in einem glücklich Traviabund. Ein Platz, wo sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen konnte ob diese nun gut oder schlecht waren. Ein sicheres Nest nach so manchem Abenteuer mit einem Mann, der sie auch mal in den Arm nahm. „Alegretta, dann bleibt noch die zweite Möglichkeit.“  Sie atmete tief durch und begann, enthusiastisch zu erzählen. „Gudi, wir können also keinen Bund vor Travia haben und wie ich dich einschätze, würdest du dein Heim auch nichts aufgeben, um später bei mir zu sein. Aber wir können einen Rahjabund schließen. Nicht hier. Lass uns mit Zeitpunkt und Ort keinen Druck machen. Ich weiß, dass du in einer Mission bist. Hier würde Linny nur stören, aber ich werde einen Tempel finden, nicht zu überlaufen aber hübsch. Was meinst du?“

Zunächst schaute Gudekar traurig zu Meta. Er wusste, dass es keinen Weg gab, den Traviabund mit Merle zu lösen, um zugleich einen neuen mit Meta einzugehen. Dies war von der guten Mutter nicht gewollt, und es war eigentlich auch sinnvoll. Umso mehr bereute er es, den Bund mit Merle eingegangen zu sein. Er erkannte jetzt, dass Meta die Frau war, die zu ihm gehörte, er spürte eine Seelenverwandtschaft, die er bei Merle nie gespürt hatte. Nach außen hin schienen Meta und er so verschieden zu sein. Meta, die lebenslustige, sprunghafte junge Knappin, voller Mut und Tatendrang., bereit, in die Welt hinauszuziehen, um Abenteuer zu erleben. Auf der anderer Seite er, Gudekar, der zurückhaltende, zweifelnde, übervorsichtige Anconiter, der jede Veränderung scheute, der am liebsten in seinem Kämmerlein geblieben wäre, seine Liebsten um sich geschart, um die Konstanz der Albenhusischen Heimat zu genießen. Doch er spürte, dass sie sich im Inneren doch so ähnlich waren. Meta verkörperte in vielerlei Hinsicht all das, was er gerne wäre, was ihm seine Erziehung aber ausgetrieben hatte. Umgekehrt war er davon überzeugt, dass auch bei Meta vieles nur Fassade war und sie sich insgeheim die Geborgenheit im Schoß der Familie wünschte, diese Geborgenheit brauchte, auch wenn sie es nie zugeben würde. Er wünschte, er könnte Meta dies bieten, doch sein Bund mit Merle stand dem im Wege.

Als Meta anfing, von einem Rahjabund zu erzählen, fingen seine Augen zu strahlen an. Warum eigentlich nicht Albenhus verlassen? Warum nicht einfach mit Meta weggehen? Was hielt ihn denn in Albenhus? Seine Verpflichtung dem Orden gegenüber. Noch zwei Götterläufe, dann wäre die Verpflichtung erfüllt. Seine geliebten kleinen Schwestern. Es würde Wege geben, sie zu sehen. Merle. Was würde aus ihr werden? Nun, der Orden würde ihr weiter ein Heim und Arbeit geben, da war er sicher. Auch die beiden Dreifelds im Tempel wären für sie da. Es würde ihr bestimmt so weit gut gehen. Er hoffte, eines Tages würde auch sie einen Mann finden, der sie so liebte, wie sie es verdient hatte. Doch Gudekar war wohl nicht dieser Mann.

Gudekar schaute am Ende von Metas Worten abwechselnd zu Alegretta und zu Meta. Er lächelte. „Ja, ist denn ein Rahjabund möglich, auch wenn ich schon einen Bund vor Mitter Travia eingegangen bin? Das wäre ja wundervoll! Meta, auch wenn dies heute noch zu früh ist, das hast du selbst gesagt, gib mir die Zeit, meine Verpflichtungen zu erfüllen. Wenn es dein Herz dann immer noch will, dann werde ich diesen Bund mit dir eingehen! Wir finden einen Ort, an dem wir zusammen sein können, in Liebe vereint.“

„Ja, man kann beides machen.“ erklärte Alegretta Gudekar. „Viele, die in einem Traviabund gefangen  sind, schließen den Rahjabund mit einem anderen Partner. Es ist vor Gesellschaft aber meist nur eine vade Ausrede, weswegen das Paar von den Rahjani genau geprüft wird.“

Meta sah die Lage viel entspannter. „Das ist doch eine wundervolle Angelegenheit. Nicht hier, aber ich habe mir schon Gedanken gemacht. Auf der Hochzeit von Linny und der Schnepfe wirst du ihn treffen. Ein toller Kerl. Bei ihm dürfen wir sicher wohnen, in Unternfels. In der Nähe gibts einen Rahjatempel. Im lieblichen Feld war das.“

Der Weissenqueller verstand nicht richtig. „Auf Linnarts Hochzeit willst du mit mir den Rahjabund eingehen? Verstehe ich das richtig? Wäre das nicht… hm, ein Affront? Und wer ist dieser ‚Kerl‘? Auch ein Rahjani?“

Meta lachte herzlich. „Aber nein, nicht doch. Travingo ist ein äh am ehesten trifft Lebemann zu. Die Familie ist sehr reich und er sehr gastfreundlich. Er besucht seine Tochter regelmäßig, wir würden bequem in einem Zimmer mit großen Bett wohnen. Und seine Familie ist auch sehr lieb.“ Sie überlegte, was ihr noch zu ihm einfiel. „Den Bund gehen wir natürlich nicht auf der Hochzeit ein. Ich schreibe ihm und es gibt in der Nähe, dem Nachbardorf, einen kleinen Tempel. Belhanka wäre zu groß, findest du nicht auch? Ich vertraue Travingo, er liebt Rahja und wird einen Weg finden. Und er ist so ein niedlicher Vater, wenn er kommt,— ich glaube, das gefällt ihm auch.“

„Bist du einverstanden?“ fragte Alegretta.

Gudekar dachte angestrengt nach. Er schien noch nicht überzeugt zu sein. „Das Liebliche Feld? Ich kenne dort doch niemanden. Wie soll ich dort wirken? Ich weiß gar nicht, ob ich dort meine Profession ausüben darf. Und diesen Travingo kenne ich auch nicht. Du willst doch nicht für immer dort bleiben, oder?“

Entrüstet riss Meta die Augen auf. “Auf gar keinen Fall. Wir besuchen ihn und nach einer gewissen Zeit reisen wir wieder heim. Ach, seine Tochter ist die kleine Aurelia von Verema. Er besucht sie immer mal wieder. er will zu jedem ihrer Geburtstage kommen, das ist doch lieb.”

Alegretta nickte wissend. Sie schien ihn auch zu kennen. “Macht Euch auf der Hochzeit ein Bild von ihm, aber er ist ein guter Mann. Lasst Euch nicht von seinem Gehabe ablenken.“

Nun entspannte sich der Magier wieder und lächelte. Für eine Weile, wenige Wochen, das Liebliche Feld aufsuchen? Das konnte kein Fehler sein. Dies wäre bestimmt eine wertvolle Erfahrung, auf der er sein Wissen mehren konnte. Er könnte dies vielleicht als Studienreise ausgeben. „Das klingt doch nach eine guten Plan! Es würde mich interessieren, diesen Mann kennenzulernen. Wie komme ich am besten zu einer Einladung zu dieser Hochzeit?“

„Du bist mein Begleiter. Linny hat genug zu tun, es sind zu viele wichtige Personen anwesend, da wird er sich nicht aufführen. Und Thymon ist doch in Ordnung?“ Meta hatte mit dieser Frage gerechnet. Dauernd war da diese, ihrer Meinung nach, sinnlose Spannung. Linny sollte sich um wirklich gefährliche Dinge Gedanken machen und Gudekar ihn am besten höflich ignorieren.“

„Das klappt. Ich werde kurz dort sein, ich leite die Feier nicht, aber da ich Linnart schon lange kenne, ist das selbstverständlich“, bestätigte die Geweihte.

Gudekar wirkte etwas nachdenklich. „Hm, wir können da nicht offiziell als Paar auftreten. Ich kann nicht einfach als dein Begleiter auftreten. Thymon ist sicherlich sehr nett zu mir und hätte damit vermutlich keine Probleme. Aber es sind ja auch andere Gäste da. Und das würde Gespräche provozieren, die nicht nach Albenhus dringen sollten. Noch nicht. Außerdem brauche ich einen Grund, warum ich dann das Kloster für die Reise verlasse. Aber ich denke, das bekomme ich geregelt. Meine Tante, Boron habe sie selig, hatte in das Haus Altenberg geheiratet. Sie war übrigens auch Dienerin der lieblichen Göttin. Ich könnte bei den Altenbergs nachfragen, ob ich eine Einladung als Vertreter der Hauses Weissenquell erhalten kann. Der alten familiären Bande wegen.“

Man soll gehen, wenn es am schönsten ist

Meta und Gudekar verbrachten den restlichen Tag sowie den nächsten gemeinsam in Linnartstein. Es waren zwei schöne Tage, voller inniger Zweisamkeit, unterbrochen lediglich durch die regelmäßigen Übungen der Knappin mit ihrem Schwertvater. Das Wetter war ihnen hold, es waren goldene Herbsttage, die sie im Park, im Dorf und in den Weinbergergen genießen konnten. Das Laub der Reben tauchte die Landschaft unter den letzten Sonnenstrahlen in ein leuchtendes Rot, und die beiden halfen ein wenig bei der späten Lese der zuckersüßen Trauben. Es war eine unbeschwerte Zeit, in der sie bei gemeinsamen Spaziergängen Zukunftspläne schmieden konnten. Doch die gemeinsame Zukunft war ungewiss, denn Gudekar war noch immer gebunden. Gebunden an seine Frau, an das Kloster, an seine Mission. Und so rückte der Abschied näher. Der Magier musste aufbrechen in seine Heimat, damit sein unerklärtes Fortbleiben nicht zu viele Fragen aufwarf. Er hatte seinem Abt und den Traviageweihten in Albenhus Bericht zu erstatten über die Ereignisse in Schweinsfold und in Eisenstein. Dies konnte er nicht länger warten lassen. Und auch vor seiner Frau hatte er seine lange Reise zu erklären.

So hatte Gudekar sein Pferd gesattelt und die Tasche gepackt. Drei Flaschen des guten Weins hatte er als Präsente eingepackt, für seinen Vater, für den Abt und für das Geweihtenpaar.

„Lebe Wohl, Meta, mein Schatz! Ich hoffe, dich bald wiederzusehen, spätestens auf der Hochzeit deines Freundes. Doch bis dahin muss ich meine Mission voranbringen. Und du hast zu üben, damit auch du eines Tages endlich den Ritterschlag erhalten kannst und frei von Deinem Herren sein wirst. Ich werde dir schreiben, wie ich es dir versprach. Ich werde dir berichten, wie es mir ergeht. Und wenn wir uns wiedersehen, werde ich ein Präsent für dich haben.“ Der Magier umarmte seine Geliebte und gab ihr einen innigen Kuss.

Briefwechsel

Brief von Gudekar an Tassilo von Altenberg mit der Bitte, zur Hochzeit geladen zu werden

An Advocatus Tassilo von Altenberg

Kanzlei Altenberg, Elenvina


Gelehrter Herr,

ich schreibe Euch als Angehöriger des Hauses von Weissenquell, einer mit Eurem Haus entfernt verschwägerten Familie.

Mit großer Freude durfte ich vor kurzem auf den Feierlichkeiten der Hochzeit Ihrer Hochgeborenen Baronin Selinde von Schweinsfold Eure gute Frau Mutter sowie Eure Nichte Elvrun und Ihren jungen Gemahl kennenlernen. Auf Empfehlung meiner Schwiegereltern, Mutter Liudbirg und Vater Reginbald Dreifeld vom Traviatempel in Albenhus, hatte ich Unterkunft im Herzogenfelder Tempel der guten Mutter gefunden.

Dort, im Gespräch mit Eurer Frau Mutter wurde mir die verwandtschaftliche Beziehung unserer Häuser offenbart. Meine Tante war Luzia von Weissenquell, die Gemahlin von Denwill von Altenberg.

Es wäre mir eine tiefste Herzensangelegenheit, wenn wir die Beziehungen unserer Häuser nach den langen Jahren des Ignorierens wieder aufleben lassen könnten. Mir ist durchaus bewusst, dass das Haus Weissenquell eine Schuld daran trägt, dass unsere Beziehungen in Vergessenheit geraten sind. Mein Vater Friedewald von Weissenquell, Edler von Lützeltal, ist sehr traviagläubig und konnte sich nicht mit der Lebensweise seiner Schwester, die ihre Profession als Geweihte der lieblichen Rahja mit sich brachte, abfinden. Dies hat leider zum Abbruch des Kontakts geführt. Doch nicht alle in unserer Familie sind derart intolerant. Wäre es nicht ein Jammer, wenn wir allein aufgrund der eingeschränkten Sichtweise meines Vaters auf wertvolle familiäre Verbindungen verzichten müssten?

Wie ich erst kürzlich in einem Gespräch mit dem Edlen Thymon vom Traurigen Stein erfahren habe, steht in wenigen Monden die Hochzeit dessen Sohnes mit Eurer Tochter an. Es wäre mir ein Vergnügen, wenn ich zu dieser Gelegenheit Eurem Haus die Ehre erweisen dürfte, im Namen des Hauses Weissenquell dem Brautpaar die besten Wünsche für Travias Segen überbringen zu dürfen.

Wäre es in Eurem Sinne, mir eine Einladung zu den Festlichkeiten auszusprechen und mir diese in Schriftform zu übermitteln? Dann könnte ich in meinem Orden um Freistellung von meinen Diensten für diese Zeit bitten.

Euer ergebenster Vetter, Adeptus Major

Gudekar von Weissenquell

Albenhus, Kloster der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilzauberei des Anconius

3. Hesinde im Jahre 1043 nach dem Fall des mächtigen Bosporanischen Reiches

Brief nach der Gudekars Rückkehr nach Albenhus, 10. Hesinde 1043 BF

An Meta Croy

Knappin im Hause vom Traurigen Stein,

Edlengut Linnartstein, Baronie Kyndoch Geliebte Meta, einen Mond ist es nun her, dass ich dich in Linnartstein verlassen musste, doch kommt es mir vor, als wären wir bereits seit Äonen von einander getrennt. Ich bin mir dessen bewusst, dass ich mir keine Hoffnungen machen darf, dich bald wiederzusehen, geschweige denn, dass es uns möglich sein wird, eine dauerhafte Bindung an einem gemeinsamen Ort einzugehen. Dennoch sehne ich den Tag herbei, an dem ich dich wieder sehen darf, an dem ich in deiner Nähe sein, deinen Körper spüren darf. Meine Heimreise nach Albenhus lief problemlos vonstatten. Ich bin zum großen Fluss geritten und dort der Straße in Richtung Rahja gefolgt. Ich hatte mich schon darauf eingerichtet, bis nach Turehall reiten zu müssen, doch traf ich bereits früher auf einen Flusssegler gen Elenvina, der bereit war, mich aufzunehmen. Dies hat mir einen Tag gespart. In Elenvina hatte ich meine Reisegesellschaft zwar verpasst, doch damit war zu rechnen. Ich wollte dort eh kurz verweilen, da ich bei einem Besuch in der Akademie nach meinem Neffen Morgan sehen wollte, der dort als Scholar lebt. Ich konnte mich davon überzeugen, dass es ihm gut geht, dass er nicht in Gefahr ist. Und dass er seine Lektionen gewissenhaft lernt. Schließlich nahm ich einen anderen Flusssegler, der mich bis nach Albenhus mitnehmen konnte, so dass ich mich auf einer ruhigen Flussfahrt bei durchwachsenem Wetter von den Strapazen der langen Reise erholen konnte. Meine Heimkehr in Albenhus allerdings war nicht so erfreulich. Du musst wissen, wie ich es befürchtet hatte, war Merle bereits informiert über das, was ich in Herzogenfurt getan – oder besser gesagt - gefühlt hatte. Und durch sie wussten es auch die Dreifelds, unsere Traviageweihten, und meine Familie. Auch hatte sich durch meine Reisegefährten die Kunde verbreitet, dass ich nicht mit der Albenhuser Delegation von den beiden Hochzeiten zurückgekehrt bin, sondern auf eigene Faust die Reise verlängert hatte, aber niemand wusste warum oder wohin. Du kannst dir sicherlich vorstellen, welch ein Empfang mich in Albenhus erwartete. Und erst recht in Lützeltal, denn dorthin, in das Haus meines Vaters und meines Bruders, war Merle gebracht worden, damit sich meine Familie um sie kümmern konnte. Denn Merle war, wie ich erst nach meiner Rückkehr erfuhr, du wirst es kaum glauben, schwanger. Es ist kaum zu fassen, all die Götterläufe hat Tsa unsere Verbindung übersehen, und ausgerechnet jetzt, jetzt, wo du in mein Leben getreten bist, hat uns die Göttin gesegnet. Eigentlich sollte mich dies doch mit Freude erfüllen, oder? Aber ich fühle nur Leere, wo eigentlich Liebe zu spüren sein sollte. Natürlich, ich freue mich auf den Nachwuchs. Ich freue mich, dass mein Samen neues Leben gespendet hat. Aber dennoch macht es mich gleichzeitig unglücklich, und das Unglück wird noch größer, wenn ich gleichzeitig an dich denken muss. Merle sagt, sie könne mir meine Missetaten verzeihen. Ich solle nur Abbitte im Traviatempel leisten und sie wieder zurück ins Anconiterkloster nach Albenhus nehmen.

Auch Vater und Kalman haben mit mir geredet und mich zu überzeugen versucht, das in Schweinsfold Geschehene zu vergessen und mich wieder an Merle und unser Kind zu binden. Doch sie wissen nicht, wie ich für dich empfinde. Ja, sie wissen auch nicht, wem meine Aufmerksamkeit auf meiner Reise galt.

Nun, ich bin jedenfalls mit Merle zurück in das Kloster gekehrt. Was hätte ich auch tun sollen? Doch die Beziehung zu Merle ist nicht mehr, wie sie vor meiner Reise nach Herzogenfurt war. Und dafür kann ich nur mir selbst die Verantwortung geben. Merle ist sehr bemüht, unsere Ehe wieder zu dem zu machen, was sie einst war. Doch schafft sie es nicht, mein Herz zu rühren, denn stets muss ich an dich denken.

Auch habe ich es bisher vermieden, das Gespräch mit Mutter Liudirg und Vater Reginbald, unseren Traviageweihten und Merles Zieheltern, zu suchen. Es gibt zur Zeit kaum etwas, was ich mehr fürchte. Am liebsten würde ich sofort aufbrechen und zurück zu dir nach Linnartstein reisen. Doch gibt es zu viele Pflichten, die mich momentan in Albenhus binden. Am Ende des Monats werde ich mit den Albenhusener Ermittlern nach Liepenstein reisen. Wir wurden von meinem Freund Eoban zu sich nach Poluik eingeladen. Von dort aus wollen wir zum Lichterfest nach Weilheim. Wir müssen den dortigen Edlen bezüglich unserer Ermittlungen befragen, doch darüber darf ich dir eigentlich nichts berichten. Spätestens zum 7. Firun werde ich zurück in Albenhus sein, denn dann ist mein 30. Tsatag. Ich würde diesem Tag keine besondere Aufmerksamkeit schenken. Zumal, für mich ist der Tag kein Tag zum Feiern, wenn du nicht an meiner Seite sein kannst. Doch hat Meister Ector zur Perainestunde zu einem kleinen Empfang in das Ordenshaus geladen. Vielleicht werde ich abends meine Schwester Gwenn zum Essen einladen. Sonst wird wohl kaum ein Mitglied meiner Familie in Albenhus sein. Ach, wäre es schön, wenn du an Merles statt hier sein könntest! Ich werde dir nach dem Lichterfest wieder schreiben. Ich hoffe vom tiefsten Herzen, dass ich dich danach bald wieder besuchen kann. In tiefster Zuneigung,

Dein ergebenster Adeptus Major

Gudekar von Weissenquell Albenhus, Kloster der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilzauberei des Anconius 10. Hesinde im Jahre 1043 nach dem Fall des mächtigen Bosporanischen Reiches

Metas Antwort

Albenhus, Kloster der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilzauberei des Anconius zu Händen von Adeptus Major

Gudekar von Weissenquell Was soll ich dazu schreiben? Natürlich ist es schrecklich für dich und du bist hin und hergerissen, voller Gewissensbisse. Aber, auch, wenn es kein Trost ist, so bist du nicht alleine. Es fällt mir schwer, klar zu schreiben. Ich bin so aufgewühlt, ich kenne mich kaum. Als ein Brief von dir kam, habe ich mich so gefreut, doch dann kam es anders und nun schnürt es mir Magen und Kehle zu. Lass es mich von meiner Seite aus schreiben. Ich habe etwas gebraucht, um zu überlegen und bin zu dem Schluss gekommen, dass du sicher gut aus der Sache kommen wirst. Ich hingegen werde verlieren und so dastehen, als hätten wir uns nie getroffen. Widersprich nicht, es ist leider so. Zuerst habe ich aber noch eine Frage. Woher wussten die von der Affäre? Mich kennen sie nicht und werden mich nie kennen. Du hast eine Frau, die dich über alles liebt und du empfindest ebenso. Du hast es schön geschrieben, ihr wurdet von Tsa gesegnet, ein göttliches Zeichen, das zu einer vollständigen Familie führt. Alle deine Bekannten und Verwandten sind auf Merles und deiner Seite, Merle will dir vergeben und bemüht sich, was könnte es besseres geben? Noch bist du skeptisch, aber wenn das Kind da ist, wirst du es lieben, du wirst Merle noch mehr lieben, da sie ihm das Leben geschenkt hat und euer Bund wird gefestigt sein. Siehst du? Es gibt dort keinen Platz mehr für mich, ich werde in deiner Erinnerung eine kurze Affäre sein. Ach, ich bin so traurig, wusste ich doch, dass sich mit einer Schwangerschaft alles ändern würde. Dein Besuch bei mir war so schön und ich hatte das Gefühl, jemanden gefunden zu haben, mit dem ich nicht nur vor Rahja eins sein kann, sondern der mir ein lieber und passender Partner ist. Jemand, der mich so mag, wie ich nunmal bin. Ich habe auch keine Lust mehr, mich in einer Zwangsehe zu binden, ich wollte Ritterin werden und somit, wenn du auch etwas gewagt hättest, hätten wir zusammen sein können. Verstehe mich nicht falsch, ich kann von dir genauso wenig verlangen, dass du nur bei mir liegst, wie du von mir, aber es kam mir auf das Gefühl an. Schreib mir bitte, bevor du die nächste Aufgabe antrittst. Ich habe mich beeilt, eine Antwort zu verfassen und schicke sie mit dem Eilboten, da ich deine Antwort nicht abwarten kann. Wie siehst du jetzt unsere Zukunft? Wird es einen gemeinsame Zukunft geben? In sehnsüchtiger Erwartung,

Meta Croy

Knappin im

Hause vom Traurigen Stein,

Edlengut Linnartstein, Baronie Kyndoch 18. Hesinde 1043 BF

Brief vor Gudekars Abreise nach Liepenstein,  23. Hesinde 1043 BF

An Meta Croy Knappin im Hause vom Traurigen Stein,

Edlengut Linnartstein, Baronie Kyndoch Geliebte Meta, Deine Antwort hat mich gerade noch rechtzeitig vor meiner Abreise erreicht. Eigentlich wollte ich dir ja erst nach der Rückkehr schreiben, doch da aus deinen Worten so viel Verzweiflung spricht, musste ich noch sofort antworten. Mit vielen von dem, was du schreibst, hast du recht und zugleich so unrecht. Du musst Vertrauen in mich und meine Gefühle für dich haben. Ich weiß, es ist für dich schwer. Du hoffst, ich biete dir eine gemeinsame Zukunft mit all dem, was du dir wünschst. Doch dafür müsstest du dich für mich aufsparen. Gleichwohl hast du keine Sicherheit, wie es mit uns weitergeht. Ich hingegen könnte jederzeit sagen, jetzt ist Schluss, und hätte dann immer noch das, was ich vor unserer Zusammenkunft hatte. Doch glaube mir, dem ist nicht so. Eine Trennung von dir würde mein Herz zersprengen, es würde zerbrechen wie das Herz der Nordmarken. Oh, welch ein perfides Spiel haben sich der listige Phex und seine Geschwister doch für uns erdacht! Seit fünf Jahren sind Merle und ich im Bund, und ja, wir haben regelmäßig das Bett geteilt, zunächst in Liebe und Leidenschaft, immer in Vertrautheit und manches Mal auch nur zur ehelichen Pflicht. Nicht einmal hat uns dabei Tsa gesegnet, auch wenn dies gewünscht war und von uns erwartet wurde. Und just, als die Hoffnung auf Tsas Segen zu schwinden begann, hat Rahja mir einen neuen Weg gezeigt und mich zu dir geführt. Doch gleichzeitig mit Rahja hat sich auch Tsa meiner erinnert, nur leider waren sich die beiden Schwestern wohl nicht einig, an wen ich mich binden soll. Vielleicht wollen die Götter mich auf die Probe stellen.

Noch kann ich dir nicht sagen, wie eine gemeinsame Zukunft von uns – für dich und mich - aussehen kann. Zu wenig Zeit ist vergangen, um diese Zukunft aufzubauen. Doch werde ich einen Weg finden. Zuvor jedoch muss ich meine Mission beenden. Denn es wird für uns keine Zukunft geben, solange die Nordmarken in Gefahr sind. Du fragst, wie die Familie von dem erfahren konnte, was geschehen war. Es ist meine eigene Schuld, meine Dummheit, dass es dazu gekommen ist. Um die Prophezeiung während des Flussfestes zu verstehen, führte der Weg meine Reisegruppe und mich in das Reich des Muschelfürsten, der jedem von uns ein Geschenk machte. So erhielt ich zwei Amulette, eines für mich, eines für meine Frau. Diese Amulette verbinden uns, wenn wir diese um den Hals tragen– auch über die Ferne – auf der Gefühlsebene. Was der eine fühlt, fühlt auch die andere, und umgekehrt. In der Nacht mit dir hatte ich das Amulett abgelegt, doch in der Nacht davor, war mir dies nicht möglich. So wurden Gefühle übertragen, die eine Frau nicht fühlen möchte. Auch hier muss Phex sich ins Fäustchen lachen ob der Ironie, wurde doch ein gut gemeintes Geschenk zu einem Fluch. Ich werde mich den Prüfungen der Götter stellen. Ich werde stark sein. Und ich werde zu dir halten. Meine Zukunft soll dir gehören! Bald schon geht unsere Reise nach Liepenstein los, von der ich dir bereits geschrieben hatte. Vater und Mika sind gestern in Albenhus eingetroffen. Vater wird uns begleiten, er freut sich bereits auf die Jagd zum Lichterfest. Mika hingegen bleibt derweil bis zu meinem Tsafest bei meiner Schwester Gwenn. Spätestens morgen rechne ich mit der Ankunft der anderen Reisegefährten, so dass wir dann nach Poluik losreisen können. Wenn du also auf diesen Brief antwortest, wird mich deine Nachricht nicht mehr rechtzeitig erreichen. Bedenke dies bitte. Ich schreibe dir, sobald ich zurück bin. In innigster Liebe, Dein ergebenster Adeptus Major

Gudekar von Weissenquell Albenhus, Kloster der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilzauberei des Anconius 23. Hesinde im Jahre 1043 nach dem Fall des mächtigen Bosporanischen Reiches

Brief aus Liepenstein, 2. Firun 1043 BF, morgens

An Meta Croy Knappin im Hause vom Traurigen Stein,

Edlengut Linnartstein, Baronie Kyndoch Liebste Meta, viel ist geschehen in den letzten Tagen seit meinem letzten Brief an dich.  Und es dauert mich, dass ich nicht bei dir sein kann. Kein Tag ist seit dem vergangenen, an dem ich nicht an dich gedacht habe, keine Nacht, in der ich nicht nach dir geschmachtet habe.

Doch nun habe ich eine Neuigkeit erfahren, die dir nicht schmecken wird. Ach, welch ein perfides Spiel die Götter doch mit mir spielen. Doch lass mich von vorne beginnen. Nachdem ich mit meinen Reisegefährten Albenhus verlassen hatte, sind wir zunächst eine Nacht in Darrenbruck eingekehrt. Hatte ich dir von Reto, dem Schwager meiner Schwester erzählt? Er war auch Teil unserer Ermittlergruppe, und er war ebenfalls in Herzogenfurt auf der Feier. Doch etwa einen Monat vor der Feier wurde er im Rahmen unserer Ermittlungen in Elenvina von den Schergen des Paktierers entführt und misshandelt. Das hat ihn gebrochen. Erst ließ er es sich nicht anmerken, doch schon auf der Feier in Herzogenfurt brach es aus ihm heraus und seit dem ist er nicht mehr er selbst. Es war schlimm, dies mit anzusehen, wie er noch immer leidet. Auch Eilada, meine Schwester war ganz bedrückt. Doch ich schweife ab, das war nicht das, was ich dir zu erzählen habe. Ach, es ist alles so verworren, und ich weiß nicht, womit ich anfangen soll, um dich nicht mit unnötigen Details zu langweilen. Ich fühle mich so verlassen, verraten. Ganz Dere scheint sich gegen mich gewendet zu haben. Und ich weiß, wenn ich dir jetzt offenbare, was ich erfahren habe, dann wirst auch du dich von mir abwenden. Kein Mitglied meiner Gefährten vertraut mir noch, mit Ausnahme von Adeptus Adelchis von der Akademie in Elenvina. Selbst mein Vater hat mit mir gebrochen. Der Einfluss des Paktierers, dessen perfides Wirken auch du in Herzogenfurt zu spüren bekamst, hat mich wieder eingeholt. Ich flehe dich an: Wenn du die nächsten Zeilen liest, dann wende dich nicht von mir. Lies die Zeilen bis zum Ende, bevor du mich verurteilst. Sei versichert: Mein Herz gehört ganz allein dir, auch, wenn geschehen ist, was geschehen ist. Bitte setz dich, bevor du weiterliest. Stell dir vor: Ich hatte dir von Tsalinde gebeichtet. Ich war so sicher, dass dieses ungewollte Ereignis ein für allemal beendet sei. Doch gestern offenbarte mir Tsalinde so mir nichts, dir nichts, dass sie durch unser aufeinandertreffen von Tsa gesegnet sei. Sagen wir so, sie sagte es mir lediglich, um mich daran zu hindern, Meister Adelchis und mich weiter zu verteidigen. Sonst hätte sie es mir vermutlich weiterhin verschwiegen. Und dies wäre wohl besser gewesen. Wie es zu dieser Offenbarung kam, fragst du dich nun bestimmt. Nun, in Liepenstein fanden wir eine Kammer unermesslicher arkaner Macht. Meister Aldelchis und ich haben als einzige erkannt, welches Potential zum Wohle der Menschen in den Nordmarken in diesem Ort steckt. Als wir versuchten, die Möglichkeiten, die diese Quelle astraler Energie bietet, auszuloten, wurden wir unvermittelt von denen, die wir unsere Gefährten, unsere Vertrauten, ja, sogar unsere Freunde nannten, angegriffen. Allen voran dieser Praiosanhänger Lares von Mersingen, der die Kammer am liebsten sofort hätte zerstören lassen. Ich versuchte, Meister Adelchis und mich vor den hinterhältigen Angriffen der anderen zu verteidigen, als Tsalinde mir plötzlich zurief, sie trage mein Kind in sich. Dies versetzte mir einen solchen Schock, dass ich nicht weiter in der Lage war, Schutzzauber für Adelchis und mich zu wirken. Zu unserem Glück kamen auch die anderen Expeditionsmitglieder dadurch zur Besinnung, ich wüsste nicht, ob ich sonst noch hätte diese Zeilen schreiben können. Des Abends suchte ich Trost und halt bei meinem Vater, doch auch von diesem kann ich nicht erwarten, dass er zu mir steht. Er stellte Forderungen an Tsalinde, dass diese das Kind in den Traviatempel bringen solle, oder dass das Kind unter der Aufsicht meines Vaters großgezogen werden solle. Doch Tsalinde möchte das Kind bei sich behalten. Sie stellt auch keinerlei Forderungen an mich oder das Haus meines Vaters. So wie es aussieht, bleibt mir die Schmach erspart, mich wegen dieses Bastards erklären zu müssen. Dennoch, ich fürchte, mein Vater wird dies nicht akzeptieren. Es ist, wie es schon immer war. Er mischt sich in mein Leben und das Leben derer ein, an denen mir irgend etwas liegt. Nur durch ihn bin ich ein Gefangener. Ein Gefangener des Ordens, des Traviatempels, ein Gefangener Merles. Ohne seine Einmischungen wäre ich heute frei, mein Leben mit der Frau zu verbringen, an der mir so viel liegt: mit dir!

Ich habe Vater heute früh gesagt, er solle sich nicht mehr in mein Leben einmischen. Und er sagte, er akzeptiere dies. Doch ich habe gespürt, dass er damit meinte, dann bin ich für ihn nicht mehr sein Sohn.

Meta, ich hoffe du siehst ein, dass ich in dieser Situation mich noch nicht offenbaren kann und ich unsere Beziehung hier in Albenhus bis auf weiteres geheimzuhalten versuchen muss. Ich weiß nicht, welchen Einfluss meine Widersacher geltend machen würden, um mir, oder noch schlimmer: um dir wegen unserer Beziehung zu schaden.

Aber ich werde zu dir zurückkehren. Wir werden uns wiedersehen, spätestens auf der Hochzeit deines Freundes in Linnartstein im Ingerimm, doch versuche ich, schon früher zu dir zu finden. Doch zunächst muss ich unsere Investigationen voranbringen, um dem Feind nicht die Möglichkeit zu geben, weiteren Schaden anzurichten. In innigster Liebe, Dein ergebenster Adeptus Major

Gudekar von Weissenquell P.S.: Ich kehre nun heim nach Albenhus. Du kannst mir dorthin wieder Nachrichten senden. Poluik in Liepenstein

2. Firun im Jahre 1043 nach dem Fall des mächtigen Bosporanischen Reiches

Metas Antwort

Albenhus, Kloster der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilzauberei des Anconius

zu Händen

von Adeptus Major

Gudekar von Weissenquell Geliebter, dein letzter Brief hat mir das Herz gebrochen und mir gleichzeitig Vieles klar gemacht. Ich verzeihe Dir Deine Dummheit. Angefangen, so jung dich für ewig an Merle zu binden, bis zu dem Pech, was nun ihr Glück ist - wie du weißt, hätte ich, natürlich erst in ein paar Jahren, mich über ein derlei begabtes Kind gefreut. Ich schweife ab, wir konnten immer so vieles perfekt zusammen. Reden. Lachen, über andere Frotzeln und uns aufeinander verlassen. Darauf hoffe ich auch jetzt. Komm als mein Begleiter zu Linnys Hochzeit. Da du mit Merle im Traviabund stehst, müssen wir gewisse Distanz wahren. Und danach? Ich weiß es nicht. Du bist bis zu ihrem Tod mit ihr verbunden, ich darf nicht öffentlich auftreten. Wir werden geheime Geliebte sein müssen, mehr kannst du mir nicht geben. Ich fühle mich leer und von den Göttern betrogen. Ich weiß, dass ich nicht die Frau bin, die Männer wählen. So wird es wohl bleiben und ich stehe da, wie vor unserem Treffen. Einen kurzen Augenblick durfte ich das Licht sehen. Seit wir uns kennen, hast du dich sehr positiv verändert, arbeite bitte weiter daran, lass dir von Tsalinde nicht alles gefallen. Ich vermisse dich so schrecklich. Ich kann nicht mehr. Lass uns bitte regelmäßig Briefe schreiben, die geheimen Sachen bleiben geheim, aber wir sind so wenigstens in Kontakt. Die Aussicht, mit dir auf der Hochzeit zusammen zu sein, ist ein Lichtblick. Bitte komm, wenn es sich machen lässt. In Liebe, deine Meta Knappin im

Hause vom Traurigen Stein,

Edlengut Linnartstein, Baronie Kyndoch, 10. Firun 1043 BF

Gudekars Erwiderung

An Meta Croy

Knappin im Hause vom Traurigen Stein,

Edlengut Linnartstein, Baronie Kyndoch Meta, mein Ein und Alles! Dein Brief stimmt mich traurig! Denn mit so manchem hast du recht. Doch bin ich froh, dass du mir überhaupt geantwortet hast nach meiner Neuigkeit. Ich habe es nicht verdient, dass du das für mich empfindest, was du beschreibst.

Ach, ich weiß gar nicht, womit ich beginnen soll, dir zu schreiben. Es gibt so vieles, was mich bewegt. Es würde mir so vieles leichter machen, wenn du hier wärst. Aber es würde auch so vieles schwerer machen.

Nun gut, du sprachst Tsalinde an. Ich fürchte, hier ist ein Band gerissen, das nicht mehr zu verbinden geht. Sie hat sich mir gegenüber immer wieder sehr merkwürdig verhalten. Und das Gebaren meines Vaters war auch nicht hilfreich. Gut, nachdem, was zwischen ihr und mir vorgefallen ist, bin ich froh, dass sie die Verbindung zu mir gekappt hat. Denn seit ich dich kenne, schmerzt es noch mehr, dass ich gezwungen wurde, mich mit Tsalinde einzulassen. Doch dennoch wäre es gut gewesen, sich in ihr als eine weitere Verbündete sicher gewesen zu sein.

Wem kann ich nun noch trauen? Da fallen mir nur noch eine Handvoll Menschen ein. An erster Stelle stehst du! Bitte, enttäusche nicht auch du mich noch! Dann natürlich meinen Schwestern Gwenn und Mika. Doch auch bei Gwenn muss ich vorsichtig sein, denn schon ihre Stellung bringt es mit sich, dass ich nicht in allem offen zu ihr sein kann. Und Mika? Nun, sie ist noch fast ein Kind. Doch das macht es so erfrischend, mit ihr zu reden und zu scherzen. So, wie mit dir. Und ansonsten? Von den Gefährten? Nun da wären Eoban und Adelchis. Ich weiß, auf Eoban kann ich mich ein Stück weit verlassen.  Das hat er damals im Moor im Schweinsfoldischen bewiesen. Doch auch sein Misstrauen mir gegenüber ist groß geworden. Er ist sehr traviatreu und die Verbindung, die ich zu dir habe, passt nicht in seine Vorstellungswelt. Dann bliebe noch Adelchis. Wir haben in weiten Teilen ähnliche Ziele, doch kenne ich ihn zu wenig, um zu verstehen, was seine wahren Absichten sind. Im Zweifel ist es besser, ihn zu seinen Verbündeten zu zählen als zu den Feinden. Doch bin ich sicher, dass er mich jederzeit opfern würde, wenn sich nur dadurch seine Ziele, welche auch immer das sein mögen, erreichen lassen. Ach, was schreibe ich hier bloß? Ich mache dir trübe Gedanken, und du musst denken, ich bin paranoid! Doch nein, ich wollte eigentlich nur aufzeigen: Es gibt so wenig, was mich noch in Albenhus hält. Mein Herz ist eh die ganze Zeit bei dir. Und ich zähle die Tage, bis wir uns endlich wieder sehen, die Tage bis zu der Hochzeitsfeier deines Freundes. Die Reise dorthin wird eine Erlösung für mich sein. Beide, Eoban und Adelchis, waren übrigens zu meinem Tsafest in Albenhus geblieben, als einzige unserer Gemeinschaft. Das hatte mich sehr gefreut. Eoban hat mir sogar ein kleines Geschenk gemacht: Eine geschnitzte Schale und einen passenden Löffel aus seinem Lehen. Das ist ein Reisegeschirr. Sehr Aufmerksam. Hatte ich dir eigentlich geschrieben, dass ich dir auch ein Geschenk aus Liepenstein mitgebracht habe? Ich hoffe, ich kann es dir bald überreichen. Ich mag es nicht per Boten senden, denn es ist sehr filigran und zerbrechlich. Ich hoffe, es wird dir gefallen! Ach mein Tsafest. Wie schön wäre es gewesen, ich hätte dich an meiner Seite gehabt. Tagsüber gab es erst einen kleinen Empfang im Kloster mit langweiligen Reden. Nachmittags hielten die Dreifelds eine Traviaandacht mit einer Predigt und anschließender Speisung der Waisenkinder. Ach, alle waren so gekünstelt harmonisch. Was für ein Hohn! Dabei wusste jeder genau, wie die Stimmung in der Familie ist, seit die Sache mit Tsalinde ans Licht kam. Stell dir nur vor, welche Gesichter sie gemacht hätten, wenn auch noch du aufgetaucht wärst und wir uns im Speisesaal geküsst hätten! Eine amüsante Vorstellung! Wie ich dir irgendwann erzählt hatte, waren wir abends gemeinsam Essen. Doch weder Merle noch mein Vater, der auf Mikas Wunsch hin extra in Albenhus geblieben war, haben daran teilgenommen. Dies hat mich, ehrlich gesagt, ein wenig pikiert. Dennoch war es ein gemütlicher Abend mit Gwenn, Mika, Eoban und Adelchis. Was machen deine Schwertübungen? Machst du Fortschritte? Ich hoffe sehr, du erlangst bald deine Schwertleihe, damit wenigstens du frei von deinem Schwertvater sein wirst. Bitte schreibe mir, damit die Zeit bis zu unserem Wiedersehen kürzer wird.

Es sind nun noch zwei Monde. Mein Herz schmachtet nach dir! In ewiger Liebe, Dein  

Gudekar von Weissenquell Albenhus, Kloster der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilzauberei des Anconius 18. Firun im Jahre 1043 nach dem Fall des mächtigen Bosporanischen Reiches

Briefe vor der Hochzeit in Linnartstein

Der folgende Brief ist natürlich versiegelt und darin ist eine gepresstes, getrocknete Rose. An Meister Gudekar von Weißenquell,

Albenhus, Kloster der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilzauberei des Anconius

26. Firun 1043 B.F. Mein lieber Gudekar, wahrscheinlich war ich etwas psychisch aufgewühlt, als ich den letzten Brief gelesen hatte. Es wurden wieder einige Pläne zerschlagen. Ich wollte dich wirklich an deinen Tsatag heimlich besuchen, aber nur in der Gaststätte und hätte mich, was ja stimmt, als Gefährtin im Kampf gegen den Dämon ausgegeben und dich nicht geküsst. Vielleicht hätte ich dir auch Reisegeschirr geschenkt, doppelt hält besser. Es beruhigt mich etwas, wie du über Tsalinde schreibst. Das ärgert mich einfach, es war so vollkommen unnötig, dieses Kind. Und selbst, wenn sie dich raushält, wird sie immer als armes Opfer, das nicht verhüten kann, und du als der Böse dastehen. Es ist ungerecht, warum halten deine Gefährten nicht zu dir? Sehen sie dich überhaupt als Gefährten? Du bist doch Teil ihrer Gruppe. Das Verhalten der Traviani bestätigt mal wieder wie falsch dieser Glaube meist gelebt wird. Wenn, dann werde ich immer an deiner Seite stehen. Ich bin mir in so vielen nicht sicher, auch ich habe mich verändert und denke darüber nach, wie die Zukunft, so es eine gemeinsame gibt, aussehen kann. Ich übe fleißig Schwertkampf, denn jetzt will ich endlich Ritterin werden.

Ich freue mich so sehr, dass du kommst. Nur muss ich dich warnen. Deine zwei Kinder, dein Bund, das alles geht nicht spurlos an mir vorbei. Immer noch in Liebe, deine Meta.

Gudekars Antwort

An Meta Croy Knappin im Hause vom Traurigen Stein,

Edlengut Linnartstein, Baronie Kyndoch Ach Meta, meine geliebte Meta! Wie sehr ich dich vermisse! Hab vielen Dank, für die Rose, die du mir geschickt hast. Sie hat mitten in mein Herz gestochen. Es fühlt sich an, als würde Rahja selbst mich zu dir schicken wollen. Doch noch muss ich hier ausharren. Aber nicht mehr lang, denn die Hochzeit in Linnartstein rückt näher. Und endlich habe ich auch offiziell eine Einladung erhalten und die Genehmigung von Meister Egtor, dorthin zu reisen. Er war nicht begeistert, aber er hat zugestimmt. Noch weniger wird Merle begeistert sein, wenn sie erfährt, dass ich so kurz vor Ihrer Niederkunft noch einmal auf Reisen gehe. Der Abt wollte fast vorschlagen, dass mich Merle begleiten soll, doch in ihrem Zustand Ende Phex wäre dies wohl nicht zu empfehlen. Ich bin als Vertreter des Hauses Weissenquell geladen. Ich kann mir schon vorstellen, was Vater dazu sagen wird. Nun denn, darauf lasse ich es ankommen. Meta, ich brauche deinen Rat. Es ist sehr wichtig: Ich bin nicht gut in diesen gesellschaftlichen Regeln. Was wäre ein angemessenes Präsent im Namen des Hauses Weissenquell für das Brautpaar? Ich traue mich nicht, Vater danach zu fragen, und selbst habe ich keine Erfahrung in diesen Dingen. Vielleicht kannst du mir weiterhelfen. Ich glaube, du kennst dich mit solchen Dingen gut aus. Du machst dir Sorgen um das Vertrauen meiner Gefährten zu mir. Das ist so lieb. Doch nimm das nicht so schwer. Es ist eine komplizierte Sache. Die meisten sind nur Wegbegleiter auf unserer Mission, den Feind der guten Mutter zu bekämpfen. Und wir haben an vielen Stellen gesehen, welches Leid dieser über die Völker bringen kann. Deshalb solltest du auch nicht so sehr über den Weg des Glaubens der Traviani klagen. Die Praioten sind da noch viel schlimmer. Aber es geht viel Angst um, das Vertrauen der Menschen untereinander wird immer wieder auf eine harte Probe gestellt. Und immer wieder gab es Vorfälle, bei denen das Vertrauen vom Bösen missbraucht wurde. Und so haben viele Schwierigkeiten, noch zu unterscheiden, was gut und was böse ist. Ich nehme dieses Misstrauen mir gegenüber nicht zu ernst. Und es ist mir auch egal, wie die meisten anderen über mich urteilen. Ich weiß, dass ich meinen Weg gehe, um das Gute in den Nordmarken zu verteidigen. Ich denke, das versuchen auch die anderen, doch sind ihre Sichtweisen zum Teil verblendet, verblendet durch den Hass der Praioten gegen Madas Gabe. Ich hoffe, zumindest in Eoban einen Verbündeten sicher zu haben. Er ist schon so lange ein guter Freund für uns Weissenquells. Doch die Zeit wird kommen, wo die hesindianischen Künste wieder Anerkennung finden werden. Allerdings wird dies nicht von selbst geschehen. Genug der trüben Gedanken! Ich freue mich, dich bald zu sehen. Und dann finden wir auch Gelegenheit, uns zu zweit zu sehen und dort weiter zu machen, wo wir in Linnartstein aufgehört haben.

Du findest in diesem Brief ein paar getrocknete Blätter. Wenn dich dein Schwertvater  einmal zu sehr bei den Übungen gefordert hat, brühe dir einen Tee mit diesen Kräutern, und er wird dir neue Kraft spenden. In ewiger Liebe, Dein   Gudekar von Weissenquell Albenhus, Kloster der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilzauberei des Anconius 6. Tsa im Jahre 1043 nach dem Fall des mächtigen Bosporanischen Reiches

Metas Antwort

An Gudekar von Weissenquell Albenhus, Kloster der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilzauberei des Anconius

15. Tsa 1043 BF Liebster Gudekar, auch ich zähle die Tage bis wir uns endlich wiedersehen. Täglich fallen mir eigentlich unwichtige Kleinigkeiten ein und auf, die ich dir erzählen oder zeigen will. Und ich bin froh, dass dir nichts geschehen ist bisher. Du bist doch immer noch mit deinen Gefährten unterwegs? Hoffentlich schenkt ihnen Hesinde etwas Einsicht und du kannst ihnen wieder vertrauen. Dir fehlt ein echter Freund. Das kann man nicht erzwingen, man trifft sie, so wie ich in Imelda eine Freundin habe.

Natürlich mache ich brav meine Übungen. Wenn ich es endlich geschafft habe, dann wünsche ich mir ein gutes Schwert und ein gut ausgebildetes Pferd. Wenn es auf der Hochzeit gut läuft, wird mir Linny sicher helfen. Oder meine Almadanerin Verema, sie ist Zuchtmeisterin auf dem herzöglichen Gestüt in Elenvina.

Wegen des Geschenkes habe ich mir Gedanken gemacht. Beide haben eigentlich alles und Geld genug. Sicher werden sie bald Nachwuchs bekommen. Ein Schaukelpferd, wenn es geht ein `Schaukelgreif`, eine Kette für Durinja (ich werde sie besorgen und du übergibst sie in deinem Namen, ich kann eher schauen was sie so trägt) und für Linnart etwas, das mit Praios zu tun hat. Ein Buch. Hm, das ist teuer. Wenn dir nichts einfällt, ein hübscher Zierdolch vielleicht.

Ich bin froh, dass wir wieder halbwegs normal miteinander umgehen können, doch es kommt gerade jetzt die Zeit, in der deine Nachkommen Dere erblicken werden. Ja, ich gebe zu, dass ich eifersüchtig bin, auch, wenn ich dir in allem glaube, was du gesagt hast. Aber die Mütter sehen dich so oft, Tsalinde behandelt dich wie Dreck, sie wollte nur deinen Samen, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass ihr Kind die Gabe haben wird. Das gönne ich ihr nicht. Und als Geliebte kann ich nie offen mit dir auf eine Feier, wenn Merle nicht verhindert ist. Sie wird doch sicher auch ab und zu mehr sehen wollen als euer Tal?

Was ist nur aus mir geworden? Merkst du das?  Ich habe mich verändert. In manchen Ansichten zumindest. Wer weiss denn eigentlich von uns?

Es ist zuckersüß und schmerzt doch so sehr. Das muss Liebe sein. Deine tapfere, gewiefte Meta

Gudekars letzter Brief vor der Abreise

An Meta Croy Knappin im Hause vom Traurigen Stein,

Edlengut Linnartstein, Baronie Kyndoch Meta, meine Göttin, nun ist es bald so weit, dass wir uns endlich wieder in den Armen halten können! In zehn Tagen findet die Hochzeitsfeier deines Freundes statt. Mein Reisegepäck ist gerichtet und schon morgen werde ich aufbrechen, es ist ein langer Weg aus Albenhus nach Linnartstein, auch bei gutem Wetter.

Hab’ Dank für den Rat, was ich als Geschenk für das Brautpaar mitbringen kann. Ich habe deinen Rat befolgt und einen Schaukelgreif besorgt. Gleich, nachdem ich deinen Brief erhielt, schickte ich eine Nachricht an meinen Freund Eoban. In seinem Dorf Poluik gibt es geschickte Spielzeugschnitzer, und so bat ich ihn, ein passendes Getier anfertigen zu lassen. Und obwohl die Zeit sehr knapp war, worauf ich ihn hinwies, kam tatsächlich gestern ein Bote mit einem besonders prächtigen Schaukeltier in Greifenform. Es ist ein Wunderwerk der Klingenbacher Schnitzkunst! Ich hoffe, es kommt heil in Linnartstein an. Die letzten Monde waren sehr einsam für mich. Unsere Mission kommt nicht voran, die Gefährten haben sich über den Winter in ihre Heimat verstreut. Eine Spur, die ich in Albenhus verfolgen wollte, blieb kalt. So verbrachte ich meine Zeit damit, in Albenhus die Keuchen und Gebrechen zu heilen, die Firuns eisiger Hauch mit sich bringt. Nun, auch Merle war die letzten zwei Monde, seit meinem Tsafest nicht in Albenhus. Hatte ich dir das berichtet? Vater hat sie nach Lützeltal mitgenommen. Er sagte, nach dem, was alles vorgefallen war, sei sie dort besser aufgehoben. Besser aufgehoben als bei mir! Stell dir das vor! Was denkt sich dieser Mann eigentlich? Nun gut, ich muss gestehen, ich war nicht wirklich unglücklich, gab es mir doch viel Zeit, über alles nachzudenken, über das Geschehene, über die Zukunft - unsere Zukunft! Die Einsamkeit hat mir offenbart, dass ich mein Leben nur mit dir verbringen möchte. Es wird der Tag kommen, da ich Albenhus verlassen kann, für immer verlassen kann. Vertraue mir, dass ich einen Weg finde. Ach, könnte ich doch nur mit irgendjemandem über uns sprechen, wenigstens mit Gwenn. Aber ihre Stellung am Hofe macht es mir nicht leicht, sie in unser pikantes Geheimnis einzuweihen. Vor einer Woche kam dann jedoch Merle wieder zurück zu mir ins Kloster. Sie sagte, sie wolle die Geburt unseres Kindes hier verbringen, im Kloster, in der Sicherheit der Heiler, in meiner Nähe. Sie hätte nur so lange gewartet, bis das Wetter eine sichere Reise auf eisfreier Straße erlaubte, wollte aber nicht länger warten, da der Tag der Geburt immer näher rückte. Sie würde mir vergeben, was mit Tsalinde geschehen sei. Sie möchte mit mir und dem Kind eine Familie sein, für immer zusammen.

Es brach mir fast das Herz, ihr sagen zu müssen, dass ich nun schon wieder, noch vor ihrer Niederkunft, aufbrechen muss. Ich hoffe sehr, das Kind lässt sich Zeit, bis ich zurück aus Linnartstein bin. Doch mein Versprechen, das ich dir gegeben habe, ist wichtiger, als dass ich hier sitze und auf den Tag warte. Egal, was ich tue, es wird immer jemanden geben, der unglücklich ist. Und ich möchte nicht, dass du dies bist. Mein Verstand sagt mir, ich sollte in Albenhus bleiben, doch mein Herz ist bereits abgereist, es ist bereits auf dem Weg zu dir. Und mein Leib wird morgen aufbrechen und ihm folgen. Halte durch! Dieser Brief wird nur wenige Tage vor mir bei dir eintreffen, selbst wenn der Botenreiter sich arg beeilt. Ich freue mich darauf, wieder in deiner Nähe zu sein. Dann ist für mich die Zeit der Einsamkeit zunächst vorüber. Dein dich unendlich vermissender

Gudekar von Weissenquell Albenhus, Kloster der Bruder- und Schwesternschaft zur Förderung der Heilzauberei des Anconius 13. Phex im Jahre 1043 nach dem Fall des mächtigen Bosporanischen Reiches