Der Sturm

Kapitel 1: Der Sturm

Am Hafen von Yar´ Dasham, 30. Rahja 1045 BF

“Bei Efferd, so hört doch zu, Kapitän Nollenborgen! Ich weiß das es nach einem Kauca aussieht, doch dafür ist es viel zu früh. Ihr müsst mir glauben, wenn ich euch sage, dass dieser Wirbelsturm etwas anderes ist. Ich kann mit jeder Faser meines Körpers spüren, dass es etwas unheiliges ist! Auch wenn die Flucht in die Stadt oder Wald am nächsten liegt, sag ich euch, dass wir Segel setzen sollten. Noch ist es nicht zu spät!” Die Efferdgeweihte Stevyana war aufgebracht. Mit festem Stand hielt sie sich auf einem Steg, der neben der recht schwankenden Thalukke “Kaiserin” lag. Seit gut zwei Götterläufen hatte sie auf diesem Handelsschiff ihren Dienst angetreten und stand dem Kapitän mit Rat und Tat zur Seite. Der Mittfünfzigerin sah man ihr Alter nicht an und fast jeder schätzte sie ganze zehn Götterläufe jünger ein. Sie war groß gewachsen und hatte eine athletische Figur. Ihr Gesicht war hübsch: feine geschwungene Augenbrauen, rehbraune Augen, eine schmale Nase und volle, sinnliche Lippen. Ihr dunkelblondes Haar trug sie schulterlang und wurde von einem blauen Haarband aus ihrem Gesicht gehalten. Die Geweihte des alten Gottes trug eine blaugrüne Robe mit weiten Ärmeln, welche sich in Hüfthöhe teilten. Ihre Hose und Stiefel waren ebenfalls blau und mit einem komplexen Schuppenmuster bestickt. Kragen und Gürtel waren mit Schildpatt und Perlmutt verziert und etliche Muscheln hingen daran. Auch ein Entermesser war daran befestigt und in ihrer rechten Hand hielt sie einen Efferdbart, den sie ´Juno´ nannte.
Vor ihr stand der Kapitän und schaute sie ungläubig an. Der bärtige Mann hatte beide Hände in die Hüften gestemmt und sein blauer Mantel flatterte im Wind. “Das ist Wahnsinn, euer Gnaden. Der Kauca wird uns zerreißen und in Borons Hallen schleudern. Wir stehen kurz vor den Namenlosen Tagen.” Sein Blick wanderte zu der kleinen Siedlung Yar´ Dasham. “Ich bin mir nicht mal sicher, ob meine ´Kaiserin´ das hier am Hafen übersteht. Zumindest können wir unser Leben in der Stadt retten. Die Hälfte der Mannschaft ist eh schon dort.” Wütend stieß die Geweihte den Schaft des Efferdbarts auf die Holzplanken. “Dann holt sie jetzt zurück. Ich habe gegen den Dämonenmeister und Heptarchen gekämpft. Glaubt mir, das, was da kommt, ist schlimmer als jeder diese und jede Dämonenarche, die die Meere unsicher gemacht hat.” Der Kapitän spie aus. “Verdammt nochmal, Stevyana. Ich bete zu den Göttern, dass ihr nicht falsch liegt. Also gut … ich hole die Mannschaft!” Dann stapfte er in die Richtung der Stadt.

Die Efferdgeweihte seufzte und blickte zum Horizont. Der Himmel war trüb und viel zu dunkel für die Tageszeit. Der Wind war stark und wurde stetig stärker. Das Meer war unruhig und schlug jetzt schon hohe Wellen an die Küste an dem das kleine Nest Yar´ Dasham lag. In der Weite war der dunkle Wirbelsturm zu erkennen und alle Zeichen deuten darauf hin, dass er direkt aufs Land steuerte. Stevyana war schon vielen Kauca begegnet, doch dieser war anders. Im dunklen Sturm zeichneten sich trübe, purpurne Blitze ab und das Heulen des Windes klang fast schon wie die Schreien von Kreaturen. Wie immer kurz vor den Namenlosen Tagen fühlte sie die Bindung zu ihrem Gott Efferd, Herr von Meer und Wind, schwächer werden, aber heute hatte sie das Gefühl, dass er selbst zur Flucht auffordern würde. So etwas hatte sie noch nie gespürt. Und das machte ihr gewaltig Angst. Inbrünstig hoffte sie, dass der Kapitän mit der Mannschaft rechtzeitig zurückkehren würde. Dann schaute auch sie zur Stadt. ´Alle werden wir nicht retten können. Oh Efferd, was kann ich nur tun?´