Tannenfelser Hochzeit - Kapitel 1

Die verspätete Braut - I

Kapitel 1 der Briefspielgeschichte "Tannenfelser Hochzeit"

15. Travia 1043 BF, Traviastunde, Gänsetempel von Herzogenfurt

Maura von Altenberg, Doctora und zukünftige Schwiegermutter des jungen Kriegers Nivard von Tannenfels, schaute ungeduldig aus dem Fenster. Die Vorbereitungen der Hochzeiten, die ihres Sohnes Elvan, wie auch ihrer Tochter Elvrun, hatten sie ordentlich in den letzten Wochen beschäftigt. Sie hätte nie im Traum daran gedacht, dass ihr Bemühen, eine Brautschau für die Familie auf die Beine zu stellen, solche Früchte tragen würde. Zwölf ganze Verlobungen gab es und ihre Kinder darunter. Und heute nun war ihre Elvrun dran, den Traviabund einzugehen. Nach Wunsch des Paares, sollte die Trauung im hiesigen Gänsetempel stattfinden, mit einer kleinen Runde im Stadtpark als Nachgang. Wie glücklich war sie darüber, dass Elvrun, wie auch Nivard, von bescheidenem Charakter waren. Denn die Hochzeit der Baronin von Schweinsfold, Selinde II von Schweinsfold, mit Mauras Sohn Elvan stellte natürlich alles in den Schatten. Aber dennoch, wollte die Altenbergerin sich nicht lumpen lassen und hat zumindest für einen schönen Aufbau im Park gesorgt. Ihr Blick wanderte durch die Tempelhalle, die nun ordentlich gefüllt war. Die meisten Altenberger waren zugegen, wie auch die Tannenfelser. Von großer Ehre konnte man davon sprechen, dass Vater Winrich von Altenberg-Sturmfels extra aus seinem Tempel in Elenvina nach Herzogenfurt angereist war. Der Hauptgrund war natürlich die Hochzeit der Baronin, doch konnte das Oberhaupt des Hauses Altenberg es sich nicht nehmen lassen, die Trauung seiner Lieblingsnichte selbst zu übernehmen. Der Morgen bis hin zur Mittagszeit verging wie im Fluge und nun war es soweit, die Traviastunde hatte begonnen. Vor kurzem schon hatte das Tempelpaar, Mutter Regintrud und Vater Eberbald, die Führung übernommen und einem jeden einen Platz zugewiesen. Eine Seite für die Altenberger, die andere für die Tannenfelser. Dann Freunde und Ehrengäste und zu guter Letzt in den hinteren Reihen, die ärmsten und bedürftigsten Bürger Herzogenfurts. Nun sollten alle anwesend sein, doch einige Personen fehlten noch. Ausgerechnet Elvrun, die Braut, war noch immer nicht eingetroffen, sowie Amiel von Altenberg, ihr Vetter, wie auch Relindis von Tannenfels, die Schwester des Bräutigams. Unruhig nickte Maura der Mutter Nivards zu und hoffte inständig, dass die beiden ihrer Tochter beim Ankleiden halfen und nun jeden Moment durch die Tür des Tempels kommen würden. Der grimme Blick ihres Gemahls, Juno von Altenberg, der auf ihr lag, unterstützte ihre Unruhe. Innerlich ärgerte sie sich: ´Ganz so, als ob das meine Schuld wäre, für diese Verspätung!´ Maura zog die Luft scharf ein und verdrehte die Augen und zuckte ratlos mit den Schultern. Gerade wollte Juno, Geweihter des Wassergottes Efferd, zum Sprechen ansetzen, als der harte Druck einer Hand auf seinen Schultern ihn wieder zum Schweigen brachte. Seine Mutter, die greise Elva von Altenberg, kannte ihren Sohn. Dies war jetzt nicht der richtige Ort, um seinem Ärger freien Lauf zu lassen. Sie selbst war auch nicht in bester Stimmung. Schon früh hatte sie geahnt, dass etwas mit Elvrun nicht stimmte und wie es schien, hatte sie Recht. Die junge Braut war verschwunden und nun waren Relindis und Amiel auf der Suche nach ihr. Doch noch immer hielt sie am Glauben fest, dass Travia es richten würde. Winrich indessen kannte solche Verspätungen. Von seinen unzähligen Traviabünden, die er gesprochen hatte, hatten die meisten Zeremonien verspätet angefangen. Oft standen dem zukünftigen Paar die Nerven im Weg und zogen so Missgeschicke auf dem Weg zum Altar an. Gelassen wie er war, richtete er sich noch einmal das Zeremonialgewand und rührte noch mal in der Suppe für die Armenspeisung.

Auch die junge Cupida vom Lilienhain hatte sich im Tempel der gütigen Mutter eingefunden. Eine Hochzeit war immer auch ein Zeichen der Liebe - zumindest in den naiven Augen der jungen Frau - und deshalb sollte wohl auch Rahja eine Rolle spielen. Die junge Gärtnerin und Rahja-Akoluthin hatte bereits eine Glaubensschwester im Tempel ausmachen können - diese mutete südländisch an, doch kam Cupida noch nicht dazu sie zu begrüßen. Mitgebracht, als ein Geschenk an die Brautleute, hatte sie ein paar Rosen und Lilien aus dem Park. Nicht viele und von dezenter Farbe, denn die Gärtnerin wusste, dass sie hier immerhin in einem Haus Travias war, doch sollte das Fest nicht ganz so trostlos sein. Auch einen Blumenkranz für die Braut hatte Cupida gebastelt … wo die wohl blieb? Hm, die Lilienhainerin sah gespannt auf das Tempelportal. Es konnte sich sicher nur mehr um wenige Momente handeln bis es losging.

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Auch Celissa von Tannenfels, die Mutter des Bräutigams wurde zusehends unruhig. Wo steckte nur Elvrun? Und wo Relindis? Dass von der Braut zuletzt jede Spur fehlte, und von ihrer ältesten Tochter noch dazu... beide waren doch Geweihte der Travia und nicht nur deswegen die personifizierte Zuverlässigkeit! Was mochte es nur bedeuten, wenn ausgerechnet diese beiden zu spät zur heutigen Zeremonie kämen? Nach dem xten fragenden Blick zu Maura beugte Celissa sich zu Ringard, ihrer mit sechzehn Jahren jüngsten leiblichen Tochter, deren Verlobter sich bislang ebenfalls rar machte. "Hat Dein Amiel irgendetwas verlauten lassen, wo sie stecken könnten?" Sie hatte davon gehört, wie vertraut ihre angehende Schwiegertochter mit dem jungen Rechtsgelehrten war. Doch Ringard schüttelte nur, ihre Lippen schürzend und die Schultern hebend, ihren Kopf. Sie machte sich ebenfalls bereits ihre Gedanken und wartete sehnsuchtsvoll auf das Eintreffen aller drei. Nur Silfrun, mit dreizehn Sommern die allerjüngste der Tannenfels-Kinder, wirkte noch recht unangefasst. Stattdessen schien sie die Regungen aller Anwesenden voll unverhohlener Neugier zu beobachten und dabei gut unterhalten.
Die Blicke des ältesten Bruders des Bräutigams, des Ritters Rondrard von Tannenfels, der sich zur Seite gedreht hatte, um alles übersehen zu können, wanderten zwischen dem armen Nivard, der in offensichtlich wachsender Aufregung harrte, und deutlich verstohlener der zwei Reihen hinter ihnen sitzenden Befinna von Fadersberg hin und her. Der scharfe Blick ihrer älteren Schwester und Baronin von Ambelmund, Wunnemine, offenbarten ihm jedoch, dass er ertappt war. Rasch drehte er sich zu seiner Mutter. "Soll ich nach ihnen suchen gehen?" Die schüttelte energisch den Kopf. "Nicht auch Du noch. Sie werden hoffentlich gleich da sein." Möge die große und die gütige Mutter es wahr werden lassen.

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Waldlieb saß inmitten der Gäste auf der Seite der Tannenfelser. Obwohl sie eher pragmatisch unterwegs war, hatte sie sich dem Anlass entsprechend zurechtgemacht. Über der grünen Kutte trug sie den traditionellen Überwurf mit den geschlitzten Ärmeln. Auf der Brust waren, aus gelbgefärbter Wolle, drei Ähren eingestickt. Ihr langes nussbraunes Haar war in diverse Strähnen aufgeteilt und geflochten worden und die einzelnen Zöpfe zu einer kunstvollen Frisur zusammengefügt. Darin eingewoben waren getrocknete Blüten von Klatschmohn und Kornblume und einige Ähren der aktuellen Ernte, so dass man sich an ein Kornfeld erinnert fühlte. Wie immer hatte sie das Haar vorher mit ihrer Apfelseife gewaschen, so dass sie einen dezenten Duft von fruchtiger Frische verströmte. Ungewöhnlich war, zumindest für diejenigen, welche Waldlieb näher kannten, dass sie heute Schmuck trug. Es handelte sich dabei um eine Kette und ein Armband, welche beide aus kleinen getrockneten und polierten Arangen bestanden. Des Weiteren hatte sie einen kleinen Henkelkorb mitgebracht, dessen Inhalt von einem grünen Tuch vor neugierigen Blicken abgeschirmt war. Besonders feine Nasen vermochten den Duft von frischem Brot und würzigem Lauch vernehmen, welcher dem Korb entstieg.
Die Geweihte saß mit gemischten Gefühlen auf der Bank. Einerseits freute sie sich für Nivard und das ganze Haus Tannenfels, andererseits ahnte sie bereits, dass sie bald in Tränen ausbrechen würde, denn ihr selbst war dieses freudige Ereignis bisher verwehrt geblieben.
Ungeduldig rutschte sie auf ihrem Platz herum und sah immer wieder zum Portal, dann wieder in Nivards banges und nervöses Gesicht. Irgendetwas stimmte nicht. Wo nur war die Braut?

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In einem dunklen, moosgrünen Gehrock mit Stehkragen und dem goldenen, steigenden Gebirgsbock auf der Brust, stand der Urenkel des Rogmarog von Isnatosch unter den versammelten Gästen.
Der Sohn des Barbaxosch hatte seine Hände auf dem Rücken verschränkt und nickte jedermann freundlich zu, der ihn, den Vogt von Nilsitz grüßte. Und heute war Borindarax sein Amt leicht anzusehen, denn der noch junge Angroscho, mit den leuchtend roten Haaren und dem prächtig geschmückten Bart, trug die massige Amtskette aus diversen, runenverzierten Metallplatten stolz um den Hals.
Seine beiden Aufpasser indes mussten abseits warten, bei einer solchen festlichen Gesellschaft konnte er auf sie verzichten, so hatte er befunden, wenn auch Boindil dies nicht so einfach hatte akzeptieren wollen - alter Sturkopp. Borindarax grinste. Er freute sich aus purer Neugierde auf die Zeremonie.

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Hauptsächlich Pflichterfüllung war die Trauung hingegen für Lucilla Amaltheia von Galebfurten. Die noch recht junge Junkerin war in Vertretung ihres Lehnsherrn, des Barons von Galebquell zugegen. Als Erbvögtin von benannter Baronie im fruchtbaren gratenfelsener Becken, würde sie nun bald häufiger anstatt von Roklan von Leihenhof an gesellschaftlichen Festivitäten teilnehmen - eine Aufgabe, die ihre auf dem Rabenmarkfeldzug der Nordmärker verstorbene Vorgängerin Jolenta von Galebfurten stets als Graus empfunden hatte. Die aufrechte Ritterin war niemals eine Dame des Hofes geworden, aber wahrscheinlich war dies einer der Gründe, warum Roklan sie so geschätzt hatte. Sie, Lucilla mochte in den Augen vieler eine nüchterne Rechtsgelehrte sein, doch war sie eben auch eine junge Frau. Und so war die Feier für sie doch auch eine kleine Freude, denn sie mochte all die bunten Farben der geschmückten Stadt, die prächtigen Kleider der Damen, ebenso wie die Aufmachungen der herausgeputzten Herren.
Die Galebfurtenerin selbst hatte zu diesem Anlass ein hochgeschlossenes, dunkelblaues Kleid gewählt, dezent konnte man sagen, schließlich sollte die Braut an diesem Tage alles überstrahlen. Ihre hüftlangen Haare trug sie zu einer Hochsteckfrisur, so dass auch ein jeder anwesende Junggeselle erkennen musste - so hoffte Lucilla zumindest, dass sie bereits vergeben war.

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Rahjania war aufgeregt und freute sich nahezu kindlich. Endlich eine Hochzeit, die nicht ganz so ungemein steif sein würde aber eine Gelegenheit, eines ihrer Kleider anzuziehen. Schade nur, dass Wallfried sie nicht begleitete. Ja, das war auch eine ihrer Eigenheiten. Sie schätzte die Gesellschaft von Männern nicht nur zu Rahjas Freuden, nein, sie mochte es, wie ein Problem anders angegangen wurde oder bei einer Diskussion neue Argumente gebracht wurden. Nun ja, dabei kam es natürlich auf den Mann an. Für den Anlass hatte die Zofe Rahjanias kräftiges, dunkles Haar meisterlich zu einer Hochsteckfrisur gelegt und frisiert. Sie trug ein Kleid, welches den Rücken bis kurz nach dem Becken frei ließ. Dafür waren Dekolleté, Brust und Bauch schon fast brav verdeckt - schließlich befanden sie sich in einem Haus Travias. Dass der Stoff dennoch so gut hielt, war ein Werk zahlreicher gut versteckter Klammern. Der Stoff fiel locker und luftig. Ach, was wirkte sie in den Nordmarken doch wie ein exotischer Vogel. Fast genauso wie in ihrer Wahlheimat Weiden. Rahjania roch nach Flieder und Stachelbeere, der Lieblingduft ihres Favoriten, ihre Haut war ansehnlich gebräunt und dort, wo man ihre Muskeln sah, wurde deutlich, dass ihr Arbeit nicht fremd war. Sie lächelte so offen und fröhlich, dass es schwer war, nicht ebenfalls gute Laune zu bekommen.

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Coletta von Hadingen hatte es nach der Schwertübung im Stadtpark nicht mehr geschafft, sich umzukleiden. Noch immer trug die schlanke durchtrainierte Dame ihre weiße Tunika mit dem Schweinsfolder Wappen. Die Lederschienen hatte sie noch abnehmen können und einzig ein kostbar wirkendes, goldenes Amulett trug sie nun deutlich sichtbar an einer Halskette über ihrer Kleidung.
Zu viele Aufgaben warteten heute auf die Hadinger Burgfrau. Die Übungen hatten mehr Zeit in Anspruch genommen als erwartet, und nach längeren Gesprächen mit dem ein oder anderen Teilnehmer hatte sie noch die Gerätschaften und Übungswaffen abbauen lassen, sodass ihre Leute diese zur Burg abtransportieren konnten. Danach hatte sie sich schnell mit dem Stadtvogt einen Überblick zur allgemeinen Situation und Sicherheitslage verschafft. Eigentlich hatte sie sich dann umziehen und frisch machen wollen, doch hatte Joram unerwartet ein Treffen mit dem Landgrafen und so musste Coletta für ihn die Tannenfelser Hochzeit übernehmen und sich vor der Zeremonie mit der Stadtwache besprechen. Unter den anwesenden Gardisten waren nicht nur vier offensichtliche Hellebardiere, die das Umfeld des Traviatempels von draußen absicherten, sondern auch drei Leute der Stadtwache, welche sich in ziviler Kleidung unter das gemeine Volk mischten, um so die Sicherheit zu erhöhen. ‘Was für ein Tag…’, dachte die Burgoffizierin und ließ sich erschöpft auf die Bank in der ersten Reihe des Traviatempels neben ihrem Neffen Tsamitrius nieder. Vorsichtig stellte sie ihr Schwert neben sich ab und fuhr sich mit den Händen durch ihre dunkelblonden, über die Schultern fließenden offenen Locken. Sie schaute sich um und beobachtete, wie die Gäste nach und nach ihre Plätze einnahmen. Während der Zeremonie würde sie ein wenig entspannen können. Sie merkte, dass ihre Augenlider, jetzt wo sie saß, doch etwas schwer wurden. ‘Bleib wach und munter und setze ein freundliches und frisches Lächeln auf…’, dachte sie und versuchte bemüht aufmerksam zu wirken. ‘Nachher noch der Junggesellenabschied der Baronin... Hoffentlich schaffe ich es vorher noch, mich umzuziehen und zurecht zu machen’; in diesem Moment wurde Coletta bewusst, dass es anscheinend ein Problem gab. Wo war die Braut?

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Der Albenholzer beobachtete die Szenerie. Trotz dieses freudigen Ereignisses konnte er seine Anspannung nicht ablegen. Ganz im Gegenteil. Das Fernbleiben der zukünftigen Gemahlin steigerte seine Nervosität. Noch vor wenigen Stunden hatte er mit Nivard darüber gesprochen: Ein jeder von Ihnen schwebte in Gefahr. Eoban hoffte inständig, dass sich eine einfache Erklärung finden und die Braut bald auftauchen würde. Er sandte ein kurzes Gebet an die gütige Göttin.

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Nivards Kameraden vom Geleitschutz Plötzbogen indes hatten ganz am Rand der Reihen Platz genommen, aus dem Grunde, dass sie planten, später ohne viel Aufsehen den Tempel zu verlassen. In dem Gewirr der Gäste fielen die mit einer eindrucksvoll punzierten Plattenrüstung gekleideten drei Männer und drei Frauen durchaus aufgrund des einheitlichen Erscheinungsbilds auf. Die Friedensknoten an ihren Waffen waren mit orangefarbenen Bändern gefasst. Für die Trauung ihres jungen Kameraden Nivard hatten sie auch ihre mit blaugefärbtem Rosshaar behängten Helme mitgebracht, die nun auf dem Schoß jedes Einzelnen lagen.
Emmeran blickte wachen Auges über die wartende Gästeschar.
“Der Kleine wirkt ein bisschen nervös.” Die schwarzhaarige Rhela beugte sich schmunzelnd zu Emmeran herüber.
Doch bevor der etwas antworten konnte, kam ihm Wolfmar, der hinter den beiden saß, zuvor: “Och, ich finde, er macht sich noch ganz gut. Da kenn ich andere!” brummte der Krieger mit dem Backenbart, wie ihn gerne die Schiffer trugen, und stieß mit einem beherzten Stoß den vor ihm sitzenden Freund an.
“Stiiiiimmt,” sinnierte nun auch die Schwarzhaarige gespielt ernst. “Ich erinnere mich da an einen Bräutigam, der nicht wusste, ob seine Verlobte nach 10 Götterläufen wirklich noch den Arsch in der Hose hat für diesen Schritt.” Dabei grinste sie ihren Freund und Kommandanten breit an.
Emmeran runzelte zwar die Stirn, entschied sich aber dann das Spiel mitzumachen: “Wenn meine Gundula etwas hat, dann wohl Arsch in der Hose! Aber hei, so nervös war ich nicht.”
“Nein, natürlich nicht. Du konntest nur Hände und Füße nicht stillhalten und gingst vor dem Altar auf und ab wie ein Lindwurm vor seiner Schatzhöhle.” lachte Rhela und deutete wirre Bewegungen mit ihrer Rechten an.
“Das war doch nur, weil ich so Hunger hatte und das Festmahl nicht erwarten konnte.” Emmeran schmunzelte selbst bei dieser Ausrede. Ein wenig stimmte es ja auch. Vor Nervosität hatte er damals vor der Trauung keinen Bissen hinunter- und vor dem Altar dann großes Magenknurren bekommen.
“Hattest gut aufgetischt! Bin gespannt, was uns Nivard hinstellt.” brummte Wolfmars Bass.
“Ja ja, der Nivi. Wer hätte bloß gedacht, dass er mal nicht diese Gelda heiratet, mit der er uns in den Ohren gelegen ist.”
“Äh, Freunde, diese Gelda sitzt übrigens da vorne.” meldete sich nun die stille Meingard zu Wort und deutete verstohlen, vielmehr peinlich berührt in die Richtung der Altenberger Sippe.
Rhela machte große Augen und versuchte im Folgenden den Kopf zu recken: “Echt jetzt? Wo? Wer von denen ist die denn?”
“Seit wann stieren wir potenzielle Kundschaft an?!” erklang Emmerans Stimme mahnend.
“Also jetzt gönn mir doch den Spaß, Bruder.” Sie waren keine leiblichen Geschwister, nur langjährige Waffengefährten. Und da Emmeran mit seinen Plötzbognern einen sehr kameradschaftlichen Umgang pflegte, war das ungefähr dasselbe.
“Meingard zeigt sie dir später.”
“Später, später.” maulte Rhela. “Ich will doch nur sehen, ob sie vielleicht heult oder so. Du weißt doch, Emme, ich ergötze mich gern…”
Wolfmar verdrehte die Augen und auch Emmeran entlockte der Ausspruch ein Seufzen. “Meingard zeigt sie dir bestimmt gern später bei der Feier.” - Meingard nickte hörig, Rhela fügsam. - “Und jetzt alle Ruhe, es geht los!”

***

Ein Glöckchen erklang und gab den Gästen das Zeichen, dass die Zeremonie begann. Sogleich suchten alle ihre Plätze und bemühten sich um Ruhe. Der zornige Blick, der die Glöckchenträgerin traf, entging den Meisten. Schwester Lichthild, eine magere, junge Frau und Geweihte, ignorierte diesen und schlug gleich nochmal das Glöckchen an. Nun konnte die alte Elva, ehemalige Tempelmutter dieser Hallen, nicht an sich halten, stand auf und tappte schnellen Schrittes mit ihrem Krückstock zu der Jüngeren. “Was soll das denn?”, zischte sie ihr flüsternd entgegen. “Die Braut ist doch noch gar nicht da!” Lichthild behielt ihre Fassade und flüsterte zurück. “Oh, ich dachte, naja, es ist ja schon so spät …” Elva zog scharf die Luft ein. “Du dumme Gans, denken war noch nie deine Stärke, du...” Weiter kam sie nicht, denn ihr Enkelsohn Elvan von Altenberg war an ihr herangetreten. ”Großmütterchen, ist alles in Ordnung? Du sollst dich doch nicht mehr so viel bewegen. Hat Mutter gesagt. Komm, ich bring dich wieder zu deinem Platz.” Nun senkte er die Stimme. “Du machst Nivard noch mehr nervös. Der fällt uns sonst noch um.” Elva drehte sich um, und schaute sich den blassen Tannenfelder an, der zappelig vor dem Altar stand. “Du hast recht. Bring mich zurück.” Noch auf halber Strecke ertönte das Glöckchen noch einmal und Elvan entging das unterdrückte Fluchen seiner Großmutter nicht. Kaum hatten sie sich gesetzt, kehrte Ruhe in den Tempel ein. Genauer gesagt fast. Aus den Reihen der Altenberger ertönten zischende, ja furzende Geräusche, die von der dunklen Stimme der schwangeren Sabea von Altenberg kommentiert wurden. “Ach herje... Verzeihung... Na ja, der kleine Troll halt ... Oh, haha, der Kleine hat wieder vom Kohl genascht.” Ihr zukünftiger Gemahl und Vater des Kindes, Junker Thankred von Trollpforz, saß nur mit einem seeligen Lächeln daneben und nickte bestätigend bei jedem Laut. Die andere Störquelle der Ruhe kam aus den letzten Reihen der Armen. Hier waren es die Witwe Schwartenfleck und ihre zehn Kinder, die im schönsten Hinterhofjargon ihre Bälger zur Ruhe bringen wollte. “Du kleine Pottsau! Jetzt setz dich auf dein Arsch! … Concabella, ich zieh dir die Zitzen lang, wenn du jetzt nicht Schweini in Ruhe läßt … Ohh, du altes Ferkel, wie sieht denn jetzt der Tempelteppich aus…”

Doch dann ertönte ein Rumpeln von der Eingangstür des Tempels. Sichtlich erleichterte Gesichter schauten erwartungsvoll auf den Eintritt der Braut, denn die doppelflügelige Tür öffnete sich. Kurz wurden alle von Tageslicht geblendet, bis sich die zierliche Gestalt der Frau abzeichnete. Doch schnell wandelte sich das erwartungsvolle Lächeln der Gäste in ein überraschtes. Denn durch die Tür trat …

... eine junge Frau, mit langen weißen Haaren, doch zu einem kunstvollen Zopf geflochten, so dass ihre leicht spitzen Ohren viel besser zur Geltung kamen als sonst, zumal sie von kleinen, silbernen Anhängern in Form einer Mondsichel verziert wurden. Die weiße Haut der Frau war deutlich zu erkennen, denn das weinrote Samtkleid, das sie trug, ging ihr, obwohl nahezu hochgeschlossen mit einem sehr schmalen Ausschnitt vorne und einer rautenförmigen Öffnung über den Schulterblättern, nur bis zu den Knien, und die Arme wurden zwar bis zum Handgelenk bedeckt, aber lediglich von einem durchscheinenden blauen, schleierartigen Stoff, der zudem noch geschlitzt war. Um die Hüfte der schlanken Frau wand sich ein kunstvoll geknoteter gelber Schleier. Der Rock des Kleides war schräg geschnitten, so dass er an der einen Seite das weiße Bein fast bis zur Hüfte freiließ. Nach unten abgeschlossen wurde der Rock durch ein grünes Band mit Fransen, die im Moment wild hin- und her schwangen, als die Frau, deren Füße in goldenen Sandalen steckten, eilig hereinlief, um dann wie angewurzelt stehen zu bleiben, als ihr gewahr wurde, dass alle Anwesenden sie anstarrten, als hätten sie einen Geist gesehen.
Ihr Blick suchte Nivard, der neben dem Altar stand und einen extrem nervösen und angespannten Eindruck machte. Elvrun war nirgends zu sehen.
"Äh ...", entfuhr es Doratrava, denn niemand anderes stand hier im Tempeleingang, wenn sie auch mit den geflochtenen Haaren für die, die sie kannten, recht befremdlich aussah, "bin ich zu spät? Ist etwas... mit mir?" Verwirrt blickte sie von Nivard zu den Geweihten, dann zu den Gästen und zurück zu Nivard.

“Oh, das ist doch Blümchen!” ertönte die laute Stimme Sabeas.

Ein schwaches Lächeln huschte über Doratravas Gesicht, als sie Sabeas Ausruf hörte, und kurz nickte sie dieser zu. Dann fiel ihr Blick auf Cupida und sie stockte kurz, erst vor Überraschung, sie hier zu sehen, dann vor Freude - und dann vor banger Erwartung. Aber die seltsame, angespannte Stimmung in der Halle ließ nicht zu, dass ihre Gedanken sich jetzt zu sehr mit ihrer Freundin beschäftigten.

Nivard, der bereits seit geraumer Zeit wie im Hab-Acht durchgestreckt dastand, zuckte noch höher, als die Tür aufgestoßen wurde, nur um sogleich ein wenig in sich zusammenzusacken. Doratrava war auch gekommen! Wie sehr hätte er sich ungeachtet deren Verspätung darüber gefreut, wenn er nur wüsste, wo Elvrun steckte. Ohnehin schon mehr als aufgeregt angesichts des großen Tages, stand ihm nun bereits der Schweiß auf der Stirn, und es durchliefen ihn abwechselnd heiße und kalte Wogen. So war es ihm noch auf keinem seiner Abenteuer ergangen - bald wären seine Gewänder völlig durchnässt: Zu einer eigens für diesen Tag neu geschneiderten schwarzen Hose und ebenfalls neu erworbenen schwarzen Schnallenschuhen (die einen gehörigen Teil seines letzten Soldes gekostet hatten) trug er ein weißes, mit gleichsam weißen Stickereien geschmücktes Hemd und darüber ein dunkelgrünes, samtenes Wams, am Armansatz grünweiß gepufft, in dem bereits sein Vater den Bund mit seiner Mutter geschlossen hatte.
"Doratrava!" begrüßte Nivard die Gauklerin. "So komm doch herein und setz Dich!" Als diese näher gekommen war, fragte er leiser und in verzweifelter Hoffnung hinterher: "Hast Du Elvrun gesehen?" Vielleicht wusste sie ja etwas, so stürmisch sie hereingekommen war.

Dem Wink des Bräutigams folgend und dabei die Gäste, an denen sie vorbeikam, nickend, aber wortlos grüßend, gesellte sie sich zu ihm. Auf seine Frage hin schüttelte sie allerdings den Kopf und stellte leicht irritiert einmal mehr fest, dass sich ihre Haare in dieser Frisur seltsam anfühlten. “Tut mir leid, nein”, setzte sie in Worten flüsternd hinzu, “was ist denn mit ihr?” Doch gleich ging ihr auf, dass das eine blöde Frage war, denn wenn Nivard das wüsste, bräuchte er nicht so zappelig sein. “Äh - wann hast du sie denn zum letzten Mal gesehen … oder wann hat jemand von ihrer Familie sie zum letzten Mal gesehen?”, versuchte sie hilfreich zu sein, während ihr Blick erst zu Sabea, dann zu Maura wanderte und sie jetzt auch Gelda ausmachen konnte. Ihr fielen gleich noch viel mehr Fragen ein, die den Verbleib der Vermissten vielleicht klären konnten, aber es hatte ja jetzt bestimmt keinen Sinn, wenn sie den aufgelösten Bräutigam damit überschüttete, zumal sie sich denken konnte, dass viele dieser Fragen schon jemand anderes gestellt hatte. Also beließ sie es bei der einen und blickte Nivard an, wobei sie versuchte, ein “Wird-schon-werden”-Gesicht aufzusetzen.

"Heute noch gar nicht." gab Nivard nur bedrückt von sich. 'Wie es sich gehört.' Gerade wäre es ihm lieber, gegen die alte Tradition verstoßen zu haben und dafür zu wissen, wie es um Elvrun stand. Er wollte gerade ausholen, als er Mutter Waldlieb sich erheben sah.

Auch Cupida war die Ankunft Doratravas natürlich nicht entgangen. Sie nestelte an ihrem Kleid und richtete ihren Zopf, damit die junge Gärtnerin ihre Freundin nicht ansehen musste. Hier und jetzt ging es nicht um sie und die Gauklerin, es war eine Hochzeit zweier liebender Menschen und demnach hatten ihre Probleme hier auch keinen Platz. Sie hoffte, dass auch Doratrava sich so weit zurückhalten konnte. Noch dazu weil es auch der Lilienhainerin langsam aber sicher dämmerte, dass es hier wohl schon genug Drama gab.

Doratrava! Mutter Waldlieb hatte, wie alle anderen gehofft, dass die Braut durch das Portal schritt und war zunächst enttäuscht. Dann aber schien Hesinde selbst ihr einen Folianten gegen den Kopf zu werfen. Die Meisterin der Ernte stand auf, stellte den Korb auf ihren Platz und schlängelte sich entschuldigend durch die Reihe bis zum Hauptgang. Dort schritt sie nach vorn zu Nivard und Doratrava und winkte dem Geweihtenpaar, sich zu der kleinen Gruppe zu gesellen. Sie sprach alle vier gleichermaßen an und flüsterte: "Ich weiß zwar nicht, was hier gerade vorgeht, aber die Gäste werden langsam unruhig. Und Du bist es sicher schon, Nivard." Sie legte mitfühlend eine Hand auf seine Schulter. "Mir kam da gerade eine Idee. Wenn ihr es erlaubt, Bruder und Schwester im Geiste, und Du damit einverstanden bist, Doratrava, dann würde ich Dich bitten hier eine Deiner berühmten Vorstellungen zu geben, wenn auch dem Thema und dem Heiligen Hause angepasst. Ich weiß, dass ist… ähm… unorthodox… aber vielleicht können wir so zumindest die Gäste beruhigen. Ich könnte derweil schauen, wo die Braut abgeblieben ist."

Nivard nickte auf Mutter Waldliebs Vorschlag hin und erwiderte die beruhigende Berührung, in dem er ihr kurz auf die Hand fasste, die sie auf seine Schulter gelegt hatte. Ein wenig Ablenkung für die Gäste, ja, das wäre gut, denn jedes Sandkorn, das bis zu Elvruns Ankunft noch unter ihrer aller ungeteilter Aufmerksamkeit den Uhrentrichter hinab rieselte, würde seine - und wahrscheinlich nicht nur seine - Nerven unbarmherzig ein kleines Stückchen weiter zerschmirgeln. Und er könnte seine Verlobte mitsuchen gehen. Seit einigen Momenten bereits begann ihn nämlich ein ganz mieses Gefühl zu beschleichen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er hoffte inständig, dass ihm nur seine Instinkte zusammen mit der Aufregung vor seinem Traviabund einen Streich spielten und Elvrun jeden Augenblick genauso aufgeregt ob ihrer Verspätung, ansonsten aber guter Dinge in Begleitung seiner Schwester hereinkommen würde. "Der Vorschlag ist gut! Doratrava, wärst Du bereit dazu?" Er war sich nicht sicher, wie seine Freundin zu einem Auftritt im Travia-Tempel stehen würde. Und was Vater Eberbald und Mutter Regintrud davon hielten.

Doratrava nickte, obwohl ihre Miene undeutbar war. Einerseits hatte sie ja ein wenig darauf hingearbeitet und gehofft, hier tanzen zu können, als kleine Provokation ihren Zieheltern gegenüber, obwohl diese das wahrscheinlich niemals erfahren würden, und gegen die Traviakirche als solches, die es zuließ, dass Leute wie vor allem ihr Ziehvater ungestraft Kinder verkorksten, während ihre Ziehmutter untätig zugesehen oder ihn gar bestärkt hatte.
Bevor sie aber etwas sagen konnte, sprach Nivard schon weiter.

"Und ich komme mit Dir!" wandte er sich zu Lioba. "Ich gehe sonst ein." Es gab nichts schlimmeres, als untätig zu warten, während sich der Geist ausmalte, was los sein könnte. Nivards Blick fiel auf Emmeran von Plötzbogen und seine Kameraden. Ob er sie einbinden sollte? Zusammen hätten sie Elvrun sicher schnell gefunden, hoffte er.

“Nein, wirst Du nicht”, sagte sie in bestimmendem Tonfall, “wenn Du jetzt gehst, werden die Leute anfangen zu reden und sich fragen, ob die Hochzeit abgeblasen wurde. Tut mir Leid, aber da musst Du jetzt durch.”

Das sah er, wenngleich widerwillig, ein. Mit erkennbarem innerlichen Aufstöhnen nickte Nivard. “Du hast ja Recht.” gab er leise zurück, um im Flüsterton - er wollte die ‘übrigen Pferde’ nicht alleine seiner Aufregung wegen gänzlich scheu machen - fortzufahren: “Aber sag bitte sofort Bescheid, falls Du irgendwelche Anzeichen erkennst, dass mehr als ein widerwilliges Kleid oder eine andere Lappalie dahinter steckt, versprichst Du mir das?”

“Natürlich Nivard”; antwortete sie und schaute dann zu seinen Kameraden herüber, “Wem von denen traust Du am meisten?”, fragte sie unverblümt und drehte ihn leicht in die Richtung, dass er sie besser sehen konnte.

Nivard schürzte leicht die Lippen, während er kurz nachdachte. Er wusste und hatte in dem guten Jahr, das er bei den Plötzbognern war, erproben dürfen, dass er sich auf jeden seiner Kameraden verlassen konnte. Doch wenn es darum ging, voll sorgfältigem Ernst und ohne nachträgliches Prahlen und Feixen (immer nur intern natürlich) die Dinge zu tun, würde er der stillen Meingard den Vorzug geben. “Ich traue allen von Ihnen, blind. Aber siehst Du die Frau mit den blonden Locken? Ihr Name ist Meingard von Kropfenhold. Wenn etwas unauffällig sein und bleiben soll, ist sie die richtige. Sie wird Dir sicher helfen.”

“Gut.” Lioba nickte. “Ich werde sie mitnehmen. Wann und wo hast Du Elvrun zuletzt gesehen, oder weißt Du, was sie zuletzt vorhatte?”

“Mit eigenen Augen habe ich sie zuletzt gestern, zur Abendandacht hier im Tempel gesehen.” berichtete Nivard in Flüsterstimme. “Heute morgen hat man uns getrennt gehalten. Vielleicht weiß meine Schwiegermutter… meine angehende, meine ich…, Bescheid.” Er nickte in Richtung Maura. “Oder jemand anders aus dem Tempel? Relindis fehlt im Übrigen auch…”

“Natürlich wird sie Deine Schwiegermutter, dafür sorge ich schon, “ die Geweihte lächelte. Dass auch Relindis fehlte, war ihr nicht bewusst gewesen. Sie war einfach davon ausgegangen, dass diese sich um die Braut, oder irgendwelche Vorbereitungen, gekümmert hätte. “Seit wann fehlt Relindis denn?”, fragte sie immer noch flüsternd.

“Ich sah sie heute in der Frühe zum Tempel kommen, habe sie darinnen aber nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ich dachte, sie hilft Elvrun oder geht sonst im Tempel zur Hand.” Nivard dachte nach, konnte aber nicht viel mehr sagen. “Ich kann mir gut vorstellen, dass sie bei Elvrun ist.” Wenigstens hoffte der junge Krieger das. “Wer aber mehr wissen könnte, sind die hiesigen Geweihten der gütigen Mutter.”

Fragend, aber auch auffordernd, blickte Lioba das Tempelpaar an.

Doratrava war dem Austausch angespannt gefolgt, während sie sich schon ein paar Gedanken gemacht hatte, wie ihre Vorführung aussehen sollte. Allerdings war auch ihr klar, dass die Tempelvorsteher zuerst einmal zustimmen mussten. Also schaute auch sie etwas unsicher in deren Richtung.

“Nun ja,” räusperte sich der pausbäckige Tempelvater Eberbald, “Mutter Elva hat uns schon vorgewarnt, dass wir die zukünftige Braut wahrscheinlich erst kurz vor der Zeremonie zu sehen bekommen.” Nun wanderte sein Blick zu der Greisin. Diese hatte die Gruppe schon eine Weile mit zusammen gekniffenem Blick im Visier. Dann erhob sie sich und gesellte sich zu ihnen. “Oh, Mutter Elva, wir hatten uns gerade gefragt, ob wir nicht nach Elvrun schauen lassen sollten…”, hob Mutter Regintrud vorsichtig an. Die Alte rollte nur kurz mit ihren Augen. “Diese Lichthild… , ich wusste, dass nun alle wie aufgescheuchte Gänse unruhig werden. Ich bitte euch, habt Geduld. Relindis und Amiel werden Elvrun zu uns bringen.” Resigniert atmete die rundliche Tempelmutter aus. “Nun gut, geben wir ihnen noch einen Moment.” Dann wanderte ihr Blick zu der Gauklerin. “Gesang und Tanz könnten wir wohl gebrauchen. Aber nur kurz!” Sie deutete einen strengen Blick an.

Voller Erwartung auf den schönen Anblick der Braut sah Coletta zum Eingang, erblickte dann jedoch nur die Gauklerin, die sie zur Mittagsstunde schon einmal kennengelernt hatte. Leicht amüsiert schaute sie zu, wie Doratrava scheinbar etwas peinlich berührt nach vorne schritt. Doch wo war nur die Braut? Hoffentlich hatte sie keine kalten Füße bekommen.
Aufmerksam beobachtete Coletta die Diskussion zwischen Doratrava, Nivard, Mutter Waldlieb und dem Tempelpaar, doch sie konnte von der leisen Unterhaltung nur Bruchstücke verstehen. Anscheinend gab es ein Problem. Hatte es sich die Braut tatsächlich anders überlegt? Um die Sicherheit der Hochzeit, oder dass der Braut etwas zugestoßen sein könnte, sorgte sich Coletta bisher eher weniger. Doch fiel ihrem geschulten Auge nun der verdächtige Blickkontakt von Nivard und Mutter Waldlieb zu dem Plötzbogener Geleitschutz auf. War wirklich alles in Ordnung?
Sie stupste ihren Verwandten an: ”Tsamitrius, denkst du, die Braut hat sich aus dem Staub gemacht? Vielleicht sollte ich mal nachschauen, ob es Ärger gibt.”

Der Herold schaute nachdenklich. Tsamitrius schaute in die Menge, um sich ein Bild zu verschaffen. “Hmmm. Ich weiß nicht, Coletta. Vielleicht sollten wir warten mit solch einer Vermutung. Obwohl, es wäre dann an dir nachzufragen, oder?” Nun war sein Blick ein amüsierter.

Auf den belustigten Blick von Tsamitrius antwortete sie mit einem schnellen Abwinken. "Ja ja, du denkst wohl, ich kann meine Arbeit nie ruhen lassen… Aber tatsächlich bin ich in erster Linie deswegen hier."

Die Erbvögtin von Galebquell spitzte die Ohren und wandte ihren Kopf in Richtung jener Personen, die dort Mutmaßungen anstellten, wobei sie eine Augenbraue hob und ein dezentes Lächeln ihre Lippen umspielte - war es gar ein Anflug von Belustigung über die Situation?
Borindarax von Nilsitz hingegen saß ungeachtet des Gemurmels um sich auf seinem Platz. Er maß dieser Verzögerung keine Bedeutung zu, ja vielleicht gehörte sie in seiner Unwissenheit ja sogar zu der Zeremonie des Traviabundes?

Rahjania war bisher brav auf ihrem Platz geblieben und hatte sich über vieles gewundert. In ihrer Heimat wäre das anders gewesen und wohl selbst in Weiden. Warum saß sie irgendwo in der Masse? War sie nun als Geweihte hier oder nicht? Nivard schien sich überhaupt nicht an sie zu erinnern. Gut, das mochte seinem Gemüt entsprechen. Auch, als es anscheinend unter Geweihten etwas zu tuscheln gab, blieb sie Gast. Warum sollte sie sich jetzt also einmischen? Rahjania sah sich um. Ein seltsamer Haufen. Es ziemte sich nicht, eine Hochgeweihte der schönen Göttin falsch zu behandeln, aber sie wusste, dass sie die schönste Frau im Raum war. Natürlich bevorzugten viele Männer Frauen, die mürrisch und unnahbar wirkten, doch etwas Aufmerksamkeit, ein Gespräch vielleicht, das hatte sie erwartet. Sie seufzte. Es war um keinen Deut einfacher als in Weiden. Nein, schwieriger sogar. In Wargentrutz hatte sie gewusst, wo Vorurteile bestanden und Männer hatten sich so verhalten, wie man es erwartete. Hier… na ja sie wollte immer noch kein vorschnelles Urteil über die Nordmärker fällen und sah sich um, wer noch im Kreis der Ausgeschlossenen war. Ah, da war eine Frau nicht jung, nicht alt, deren Blick suchend umher irrte. Sicher galt es nicht ihr, aber sie lächelte Coletta trotzdem aufmunternd zu. Zudem sah sie eine Frau, die wohl eine junge Geweihte oder Akoluthin war. Sie saß dort, wo die Geweihten Platz genommen hatten. Anscheinend war sie Nivard wichtig, wenn er den Bund von einer Anfängerin statt einer Hochgeweihten besiegeln wollte. Rahjania war es egal. Sie verstand es nicht, und es wäre die Mühe nicht wert. Auch dieser Person lächelte sie zu.

Der irritierte Blick, wie aber auch das aufgesetzte Lächeln der Hochgeweihten entgingen dem Herold Tsamitrius nicht. Dieser stupste seine Platznachbarin an. “Hast du den Blick gesehen, den dir die Rahjani zugeworfen hat?” flüsterte er Coletta ins Ohr. “Sie wirkt verstimmt, trotz ihres Lächelns. Also wenn hier was nicht in Ordnung ist, dann wird es vielleicht Zeit, dass du der Sache nachgehst oder?”

Auch Cupida beobachtete ihre schöne Glaubensschwester. Warum sie wohl unter den Gästen saß und nicht bei der Zeremonie half? Sie hob ihre Schultern, es war nicht die Aufgabe der Akoluthin dies zu entscheiden. Im Grunde genommen war die Lilienhainerin bloß für den Blumenschmuck zuständig - die Braut war zwar eine weitschichtige Verwandte, aber sie hatte nicht wirklich engen Kontakt zu ihr.

“Findest Du?”, fragte sie Tsamitrius nachdenklich und runzelte die Stirn. “Der Gründe, weshalb die Rahjani verstimmt umherschaut, gibt es viele. Beispielsweise weil die Braut auf sich warten lässt. Vielleicht sollte ich mal zu dem Gemach gehen, wo sich diese umkleiden sollte”, fügte sie hinzu und ergriff das Langschwert, welches sie neben sich abgelegt hatte.

***

Nachdem nun eine Weile vergangen war, war es die Tempelmutter Regintrud, die in die Hände klatschte und alle zur Ruhe anhielt. “Liebe Gäste, die Braut wird sich ein wenig verspäten, doch wollen wir die Zeit nicht ungenutzt lassen und die gütige Mutter mit Gesang und einer Tanzvorführung ehren. Wir alle sind eine Familie und so wollen wir in Gemeinschaft frohlocken. Liebste Nordrun, wärt ihr so frei, den Müllerswalzer anzustimmen. Ich nehme an, die meisten kennen den Text.” Nun gab sie der Bardin ein Zeichen und ließ ihren Blick auf der Gauklerin Doratrava ruhen.
Leicht überrascht stand die ältere Frau auf, griff nach ihrer Laute und begann an zu spielen. Feierlich erhob die Tempelmutter ihre Arme und begann mit hoher Stimme zu singen. “Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp klapp…”

Natürlich war Mutter Waldlieb dieses Lied, was den Fleiß der Müller und Bäcker lobte, wohl bekannt. Mit einer auffordernden Geste blickte sie Doratrava an und stimmte mit ein: “Bei Tag und bei Nacht ist der Müller stets wach, klipp klapp…

Nivard war sofort klar, dass sich Doratrava ganz sicher eine andere Art von Musik zu ihrem Tanz vorgestellt hatte, als dieses fromme Stück, doch war er viel zu sehr von Elvruns Fehlen und seiner Sorge um sie mitgenommen, um hier rettend einzugreifen. Außerdem war es im Grunde ein schönes, ja erdendes und Travia wohlgefälliges Lied, das in seiner Einfachheit und Bekanntheit dem rastlosen Gedanken halt bot, anstatt ihn weiter in Unruhe schneller und schneller kreiseln zu lassen. Leise stimmte er mit in das Lied ein, und tatsächlich verschaffte es wenigstens ein wenig Linderung. Dabei schweiften seine Blicke zum Eingang und von dort weiter zu den Gästen.
Wer alles gekommen war - neben dem engsten Kreis der "offiziellen" Familien und auch dem jüngst entdeckten weiteren Zweig der seinen, über den sie aber zu aller Schutz schweigsam blieben - hatten auch Emmeran mit seinen Kriegern, Nivards Mitstreitern, den Weg hierhergefunden, ebenso Borindarax, der gräfliche Vogt von Nilsitz, die Baronin von Ambelmund, Eoban von Albenholz, den er erst hier kennengelernt hatte und eine Reihe weiterer Adliger. Wie sehr betete er, dass dieser Weg nicht umsonst gewesen sein würde.
Dabei kreuzte sein Blick den Borindarax', über dessen für ihn überraschende Anwesenheit er sich besonders freute. Seine Gefühlslage konnte Nivard dabei kaum verbergen, selbst als er den Vogt von Nilsitz freundlich auf die Distanz begrüßte.

Der Zwerg nickte dem jungen Mann freundlich und mit einem frechen Augenzwinkern zu. Borax schien gut gelaunt, obwohl er inmitten all der Menschen etwas fremdartig anmutete. Indes ihn schien das nicht aufzufallen, oder einfach nicht zu kümmern.

Das Zwinkern des gräflichen Vogts hatte etwas tröstliches und beruhigendes. Zum einen zeigte es Nivard, dass noch nicht alle hier bereits mit dem Platzen seiner Hochzeit rechneten. Außerdem erdete ihn der Blickkontakt, in dem er ihn daran erinnerte, in was er gemeinsam mit Borindarax vor mehr als einem Jahr geraten war: Ereignisse und Begegnungen, die nicht nur sein Leben, sondern am Ende gar das Los der ganzen Nordmarken prägten. Wie konnte er der Verspätung Elvruns da nur eine viel zu große Bedeutung beimessen...? Der junge Krieger lächelte ernst zurück. Nachher würde er mit dem Vogt anstoßen. Er hoffte, dieser würde ihm die Ehre geben.
Doch vorher müsste erst einmal Elvrun auftauchen... bald... sehr bald… Wann würde Lioba denn endlich aufbrechen?
Auch die restlichen Tannenfelser stimmten in den Gesang ein, selbst wenn es hier und da an Inbrunst fehlte: Celissa sorgte sich zu sehr um ihre Schwiegertochter und den weiteren Gang der Dinge am heutigen Tage. Auch allen anderen der Familie stand die Sorge um den Verbleib Elvruns ins Gesicht geschrieben, lediglich Silfrun wirkte noch recht entspannt. Für sie nahm all das hier äußerst unterhaltsame Züge an, die sie keineswegs verpassen wollte. Wie diese Doratrava, von der sie bereits einiges gehört hatte, zu diesem Lied tanzen würde, wollte und musste sie ebenfalls unbedingt sehen.
Wunnemine seufzte derweil innerlich. Wann ging es denn endlich los? Wann würden sie schließlich den jungen Tannenfels erlösen? Ihr kamen ungute Erinnerungen an das eigene Fiasko vor gut einem Mond, die noch verschärft wurden vom Anblick der neben ihr sitzenden Befinna. Die nahm von Wunnemines Überlegungen nicht viel wahr.

Während Doratrava, wie erwartet, ein wenig zuviel ihrer brotlosen Kunst darbot und aller Augen auf sie gerichtet waren, begab sich Lioba zurück zu den Bänken, um sich wieder zu setzten. So schien es zumindest, denn offenbar hatte sie vergessen, in welcher Reihe ihr Platz war und so gelangte sie zufällig zu den Reihen der Plötzbogner. Dort beugte sie sich zu der Blondine, die ihr von Nivard gezeigt worden war, und fragte leise: “Meingard von Kropfenhold?” Als die Angesprochene überrascht doch pflichtbewusst nickte, fragte sie: “Würdet Ihr mich begleiten?” Ihr Tonfall machte allerdings klar, dass es sich dabei nicht um eine Frage oder gar Bitte handelte, sondern um eine Aufforderung mit einem Lächeln vorgetragen.

Vor Verwunderung noch eben unschlüssig suchte die Angesprochene stumm Blickkontakt zu ihrem Freund und Kommandanten, der sich ebenso wie die anderen Plötzbogner neugierig der Geweihten zuwandte, als diese an die Gruppe herangetreten war.
“Verzeiht, Ihro Gnaden, gibt es ein Problem?” fragte Emmeran von Plötzbogen diskret.

"Frauenprobleme, dringend", antwortete Lioba knapp und trippelte, um ihre Worte zu untermauern, von einem Bein auf das andere. Für gewöhnlich stellten Männer ihre Neugier ein, sobald frau das Thema Monatsblut auch nur vage andeutete.

Auch der charismatische Krieger tat sich damit zufrieden. “Verstehe. Frau Meingard sei euch anempfohlen - sofern Ihr sie uns bis zum Ende der Trauung wieder bringt?” Eine eher rhetorische Frage. Mit einem Nicken entließ der Kommandant der Plötzbogner seine Untergebene.
Die Kropfenhold aalte sich alsdann von ihrem Platz und folgte der Geweihten, wenn auch nach wie vor deutlich verwirrt. Sie schien sich die durchaus verständliche Frage zu stellen, warum die Dienerin Peraines unter all den anwesenden Damen gerade sie ausgesucht hatte.

In dem Moment, wo sich die Burgoffizierin gerade erheben wollte, begann zu ihrer und der vermutlich meisten Gäste Verwunderung die Tanzvorführung. ‘Da stimmt wirklich etwas nicht’, dachte sie angesichts des ungewöhnlichen Unterhaltungsprogramms, musste jedoch Doratrava zugestehen, dass diese wirklich äußerst gelenkig war. Sich im Sitzen weiter umschauend beobachtete Coletta, wie Mutter Waldlieb sich zu den Plötzbogener Schwertgesellen begab und nur Augenblicke später mit einer der Kriegerinnen fort ging. ‘Versucht sie diese um Unterstützung zu bitten?’ Coletta erhob sich nun doch und folgte Mutter Waldlieb, um diese anzusprechen.

Mit leicht besorgtem Gesichtsausdruck, und immer noch tippelnd, fragte Lioba: "Wie kann ich Dir helfen, Tochter?"

“Verzeiht, Euer Gnaden…” flüsterte die Hadingerin so leise es die Umstände zuließen. “Coletta von Hadingen”, stellte sie sich routiniert mit einem leichten Lächeln vor. “Ich bin als Burgoffizierin Schnweinfolds für die Sicherheit verantwortlich. Ist alles in Ordnung? Benötigt die Braut vielleicht Hilfe? Ich wollte gerade schauen, wo sie bleibt.”

Innerlich verdrehte Lioba die Augen, hatte sie doch Nivard versprochen diskret zu bleiben. Nun ja, sie war nicht zur Geweihten geworden, ohne ein gewisses Maß an Pragmatismus. Bevor noch mehr auf die Misere aufmerksam wurden raunte sie: “Kommt mit nach draußen, dann erkläre ich Euch alles.”

Coletta nickte mit ernster Miene und folgte eiligen Schrittes der Geweihten. Bewusst schaute sie nicht in Richtung der drei Wachleute in Zivil, um keine Aufmerksamkeit auf diese zu lenken. Ihrem Verwandten Tsamitrius, von dem sie beobachtet wurde, warf sie einen beruhigenden Blick zu.

Die Geweihte wollte die beiden Kriegerinnen durch eine Nebentür nach draußen führen, denn das Öffnen des Hauptportals würde sicherlich auffallen, doch bemerkte sie schnell, dass dort Schwester Lichthild stand, weshalb sie keine Wahl hatte. Sie öffnete das Tor deshalb sehr vorsichtig und gerade so weit, dass sie hindurchschlüpfen konnte und winkte den anderen ihr zu folgen.
Draußen entfernte sie sich ein paar Schritte vom Tempel, ehe sie sich den beiden zuwandte: “Peraine zum Gruße euch beiden. Ich bin Mutter Waldlieb und eine enge Freundin des Hauses Tannenfels. Wie ihr sicher bemerkt habt, steht der arme Nivard allein vor dem Altar und er hat mich gebeten diskret nach seiner Braut zu schauen. Euch hat er mir empfohlen, “ sie deutete auf Meingard, “deshalb sprach ich Euch an. Er bittet um Diskretion und Schnelligkeit. Ich weiß nicht, wie lange diese Gauklerin die Menge ablenken kann, also lasst uns eilen und hoffen, dass ihre Verspätung lediglich einem aufgerissenem Saum zuzuschreiben ist.”

Die Burgoffizierin hörte Mutter Waldlieb aufmerksam und mit einem leicht besorgten Gesichtsausdruck zu. “Dann sollten wir keine Zeit verlieren”, sagte sie mit leiser Stimme und nickte der Geweihten und der Kriegerin zu. “Wo sollen wir zuerst suchen?”, fragte sie, während plötzlich hinter ihr Schwester Firuna ebenfalls den Tempel verließ und auf die Gruppe zu kam.

Als die Tempelmutter ihren Musikwunsch kundtat, runzelte Doratrava irritiert die Stirn. Doch was hatte sie in einem Traviatempel erwartet? Zwar konnte sie sich nun alle Gedanken aus dem Kopf schlagen, die sich sich gerade zu ihrer Vorführung gemacht hatte, aber sie wäre nicht die Tänzerin, die sie nun mal war, wenn sie nicht auch aus dieser Situation etwas zu zaubern imstande wäre.
So sprang sie nach der doch etwas überraschend einsetzenden ersten Teilstrophe schnell auf und eilte zur Mitte des freien Platzes vor dem Altar. Mit einem nur ein klein wenig schelmischen Grinsen im Gesicht vollführte sie zur zweiten Teilstrophe die Schritte des einfachen Walzers, den die Bauern oft zu diesem Lied tanzten, natürlich mit einer Präzision und Anmut, welche einem ungeübten Tänzer abging. Doch beim “klipp, klapp” am Ende der Teilstrophe nahm sie Schwung und schwebte plötzlich im perfekten Spagat in zwei Schritt Höhe über dem Boden, beide Arme anmutig nach oben gebogen und den Blick zur Decke des Tempelraumes gerichtet. Zwangsläufig rutschte ihr dabei das sowieso nicht lange Kleid komplett hoch zur Hüfte und präsentierte ihre schlanken Beine und ein wenig mehr in voller Pracht. Natürlich trug sie ein Lendentuch, allerdings ein dünnes und schmales, da sie beim Tanzen keinen Knubbel zwischen den Beinen gebrauchen konnte.
Das Lied ging weiter:
Er mahlet uns Korn zu dem kräftigen Brot,
und haben wir solches, so hat's keine Not.
Hier verfiel Doratrava wieder in die allgemein bekannten Tanzschritte, allerdings schaffte sie es irgendwie, dort, wo diese je nach Ausgestaltung eine viertel oder halbe Drehung verlangten, eine komplette zusätzliche volle Drehung einzuflechten, so dass man ihren Bewegungen kaum folgen konnte.
Klipp klapp, klipp klapp, klipp klapp!
Hier folgten erneut ein Spagat hoch in der Luft, ein Rad, ohne dass sie dabei die Arme auf dem Boden aufsetzte und ein weiterer Spagat, wobei die Figuren sie die ganze freie Breite des Tempelraumes durchmessen ließen und sie bedrohlich nahe an die Bänke der Zuschauer heranführten.
Auch die nächsten beiden Strophen des einfachen Liedes verzierte sie so auf ihre eigene, eigenwillige Weise, wobei sie variierte: Sie tanzte die Grundschritte spiegelverkehrt, setzte zusätzliche Drehungen nicht immer an der gleichen Stelle und ersetzte die Spagate teilweise durch doppelte Schrauben oder einen Salto. Zudem waren ihre Arme immer in Bewegung, wanden sich schlangengleich um ihren Körper, als hätten sie ein Eigenleben und erzählten ihre eigene Geschichte.
Das Ende der letzten Strophe beschloss sie mit drei direkt hintereinander eingesprungenen Schrauben, wiederum ohne dabei mit den Armen den Boden zu berühren, um sich dann vor den Geweihten und dem Publikum fließend zu verbeugen. Nun war sie sehr gespannt auf die Reaktionen.

Betont langsam und würdevoll erhob sich Lucilla Amalteia von Galebfurten inmitten der anderen Gäste. Ihre Mimik indes drückte etwas ganz anderes aus: Zorn und höchste Empörung.
Der Blick der Adligen suchte und fand das geweihte Paar. Ihre Augen waren eine stumme Aufforderung und ein jeder mit einem gewissen Maß an Menschenkenntnis verstand, diese Frau würde die Schande auf dieses Gotteshaus herabrufen, wenn dem frivolen Treiben nicht sofort und nachdrücklich einhalt geboten werden würde.

In Silfrun stiegen beim Anblick der Künste Doratravas Erinnerungen an Erlebnisse ihrer früheren Kindheit auf - einige Male war sie ausgebüchst, die Wälder zu erkunden und dabei auf die so lebendigen und ihr gegenüber immerzu freundlichen Tuluukai-brydh-blogai gestoßen. Einmal hatte sie, bevor ihre Eltern sie wiedergefunden hatten, einem derer Feste beiwohnen dürfen. Die Goblins tanzten auch Figuren und Geschehnisse aus ihrem Leben nach, und sie kannten dabei keine förmliche Etikette und vorgegebenen Bewegungsfolgen, sondern gingen ganz in ihrem Tanz auf.
So erschien ihr auch der Auftritt dieser Gauklerin, dessen Lebendigkeit sie geradezu ansteckte, wie das Glänzen ihrer Augen und das Lächeln verrieten. Dergleichen hatte sie im Travia-Tempel noch nicht erlebt.
Silfrun behielt diesen Ausdruck auch auf ihrem Gesicht, als sie die deutlich verhalteneren Reaktionen der Umsitzenden vernahm, und sah Doratrava vergnügt an. Als die ihren Blick erwiderte, zwinkerte sie dieser verschwörerisch zu.

Ihre Mutter Celissa blickte lediglich fragend in Richtung Mauras. Hatte sie die Gauklerin für diesen Auftritt engagiert, wie bereits zur Brautschau? Gut, für diesen genau eher nicht, war die Verspätung sicherlich nicht eingeplant. Doch überhaupt für eine Vorführung hier im Tempel? Dann war das ganze hoffentlich auch mit Vater Winrich abgeklärt... sie hätte jedenfalls einen so offenherzigen Auftritt nicht hier erwartet, selbst wenn der alte Glaube, der Travias Gebote bei weitem nicht so sittenstreng interpretierte wie es Kirchenmeinung war, hier stark war... aber im Verborgenen eben.

Maura war sprachlos, wie fast alle der Gäste. Kopfschüttelnd beantwortete sie Celissas Blick.

Ringard versuchte zunächst ein neutrales Gesicht aufzusetzen - auch wenn der Tanz nicht im selben Maße glänzte wie der zur Brautschau (wie auch, bei der Begleitmusik?), zeichnete er sich doch durch Anmut und Ästhetik aus und wusste auch ihr zu gefallen. Doch spürte sie deutlich, wie die Gesichtsausdrücke um sie herum sparsamer ausfielen und sich mancher Rücken versteifte. In Nordgratenfels wäre das hier in einem Traviatempel geschehene sicher ein Skandal gewesen, aber hier, im weltläufigeren Süden mochte das vielleicht anders sein. Oder? Sie beobachtete weiter die Reaktionen.

Rondrard wiederum besaß nach dem Miterleben eines Taati Mulla vor wenigen Wochen überhaupt noch nicht wieder die Fähigkeit, sich über diesen doch recht zahmen Auftritt zu wundern oder gar zu echauffieren. Sein Blick galt verstohlen Befinna. Wie würde die auf so etwas reagieren? Doch schien auch diese inzwischen zu müde von den jüngeren Ereignissen, um stärkere Regungen an den Tag zu legen. Und ihre Schwester, die Baronin Wunnemine, wirkte ohnehin versteift wie zuletzt auch immer. Es wurde Zeit, dass Elvrun endlich käme.

Der Bräutigam selbst hatte zunächst auch den Atem angehalten, ob das, hier und jetzt, gut ging, und was man sich hinterher über Elvruns und seine Hochzeit erzählen oder besser das Maul zerreißen würde. Doch dann erkannte Nivard das Gute in dem wieder sehr anmutigen Tanz und Doratravas dahinterstehendem Plan (wie er ihn interpretierte), der gut aufzugehen schien: schließlich galt jetzt alle Aufmerksamkeit und Aufregung dem Tanze der Gauklerin, so dass, wenigstens für einige Momente, das Fehlen Elvruns kaschiert und Zeit gewonnen wäre, Zeit, die Lioba und Meingard hoffentlich bereits zu nutzen wussten. Mit inzwischen dennoch deutlich gerötetem Gesicht lächelte er Doratrava dankbar zu.

So schön und aufregend die Aufführung ihrer Freundin auch war, Cupida sah sich besorgt im Tempel der Travia um. Dass solcherlei Künste hier nicht allzu gerne gesehen wurden, war der Akoluthin bewusst und es würde bestimmt ein Donnerwetter setzen. Ihr Blick ging auch kurz hin zu der südländischen Rahjageweihten - vielleicht würde sie die Wogen etwas glätten können.

Statt Applaus gab es eine unheimliche Stille. Die Tempelmutter blickte entsetzt auf die Tänzerin und rang sichtlich nach Worten, der Tempelvater Eberbald lief rot an, während Vater Winrich die Rührkelle aus der Hand fiel. Die greise Mutter Elva schloß die Augen und rieb sich die Stirn und Schwester Lichthild blickte abwartend in die Menge. “RAUS! Hinaus mit dir!”, brach es aus dem Tempelvater hinaus. “Solch sittenloses Verhalten wird hier nicht geduldet!”, beendete er den Satz. Als dann der Kommentar aus der letzten Reihe der Schwartenfleck hinzu kam: “Hat die da gerade ihre Spaßbüchse gezeigt?”, brach das empörte Schnattern der Geweihten, wie auch einiger Gäste, aus. Geistesgegenwärtig stand die ehemalige Gänseritterin Schwester Firuna auf und richtete sich vor der Gauklerin auf. Die Darpatierin schaute sie finster an, mit einem Blick der keinen Widerspruch duldete. “Genug der schlechten Vorstellung, wir gehen jetzt an die frische Luft!” sagte sie befehlsgewohnt und wies Doratrava mit einer Handgeste nach draußen.

Hatte sie es übertrieben? Bei der Bemerkung aus den hinteren Reihen musste sie mit sich kämpfen, um nicht rosa anzulaufen ob der unverschämten Anschuldigung, obwohl sie den Traviageweihten durchaus zutraute, das genauso zu sehen. Wenn sie es recht bedachte, hatte sie eigentlich gar nichts anderes erwartet. Sie hatte nur getanzt, nur getan, um was sie gebeten worden war. Keine Familie war dadurch zerstört worden, keine Treue in Frage gestellt. Kein Herdfeuer gelöscht, niemand musste wegen ihrer Aktion hungern. Niemand verlor sein Heim. Nur das, was die Travianer als ‘Anstand’ bezeichneten, war in den Augen der verbohrten Fanatiker verletzt worden. Prinzipien waren wichtig und richtig, aber nur, wenn man deren Sinn verstand und lebte, und nicht, wenn man sich dahinter versteckte und sie als Knüppel benutzte, um andere damit niederzuhalten. Aber sie würde hier nicht streiten und keine Widerworte geben; sie sparte sich alle Emotionen für später auf. Sie hatte nur einem Freund einen Gefallen getan und wollte seine Hochzeit nicht mehr als schon geschehen beeinträchtigen. Im Gegenteil, sie hoffte ja, durch ihre Aktion die Gemüter von der fehlenden Braut genügend abgelenkt zu haben, dass Leute mit Verstand die Gelegenheit nutzten, um sie herbeizuschaffen.
Also machte sie ein ausdrucksloses Gesicht, aber zwinkerte Nivard zu, und in Cupidas Richtung deutete sie einen flüchtigen Kussmund an, wenn sie auch nicht sicher sein konnte, dass die beiden das jeweils bemerkten. Doch bevor sie dann der Aufforderung der Geweihten, vor allem der direkt vor ihr, folgte, zögerte sie kurz, um zu sehen, ob es doch noch jemanden gab, der ein gutes Wort für sie einlegte. Die Rahjageweihte zum Beispiel. Oder Sabea. Oder gar Borindarax? Aber ob diesem klar war, was hier gerade passierte? Und Gelda … aber würde sie es wagen, gegen alle Geweihten die Stimme zu erheben?

Rahjania war während Doratravas Auftritt auf dem Weg zu Cupida gewesen. Sie selbst wollte in der Nähe einer Glaubensschwester sein, da sie sich fehl am Platz fühlte. Als man nun derart auf das hübsche Elfenmädchen oder was sie war, einschimpfte, musste sie eingreifen. Auch, wenn Doratrava sie nicht mochte. Das war egal. “Also bitte, meine hohen Damen und Herren, mäßigt Eure Worte.” Rahjania wandte sich zur Menge, dann zunehmend zu den Traviageweihten und Regintrud. Die Rahjani war selbst nicht allzu traviagefällig gekleidet, aber damit mussten die leben, die sie eingeladen hatten. “Lasst Doratrava in Ruhe! Was, bei den Göttern und besonders bei der liebenden Mutter fällt Euch ein, sie derart zu beschimpfen? Ihr selbst habt die Arme beauftragt, zu tanzen. Was habt Ihr bitteschön erwartet? Ablenken wolltet Ihr, da die Braut nicht auftaucht, und dafür muss nun Doratrava geopfert werden. Schämen solltet Ihr Euch!” Sie hatte sich in Rage geredet und war derweil weiter zu Cupida gegangen, neben der sie nun stand.

Doratrava zuckte zusammen bei dem Ausbruch der Rahjani, so sehr sie sich auch darüber freute. Aber eine Ablenkung war nur so lange eine Ablenkung, so lange sie nicht als solche erkannt wurde. Nun, so viel dazu …
Dennoch zeigte sie die Andeutung eines Lächelns in Rahjanias und damit auch in Cupidas Richtung, aber sie blieb stumm. Allerdings machte sie zunächst auch keine Anstalten mehr, den Tempel sofort zu verlassen.

Der Blick der Gärtnerin ging etwas unsicher zwischen Doratrava und der Rahjageweihten hin und her. Den Gesten ihrer Freundin begegnete sie mit einem schüchtern anmutenden Lächeln, begleitet von einem verhaltenen Winken. Ob es der Ausbruch ihrer Glaubensschwester wirklich besser machen wird? Geweihte der Travia in ihrem eigenen Haus derart maßzuregeln konnte nur schlecht ausgehen. Nervös auf ihrer Unterlippe kauend sah sie sich nach dem hohen Tempelpaar um.

Allgemeine Begeisterung über Doratravas Darbietung hatte er ja in der Tat nicht erwartet, aber dass sie derart hart angegangen wurde für einen Gefallen, den sie auf Bitten einiger anwesender Geweihter, ganz besonders aber ihm und auch seinen Hochzeitsgästen tun wollte, das konnte Nivard nicht hinnehmen. Ein Ablenkungsmanöver war in Ordnung, aber sie selbst sollte nicht das Opfer dafür sein, die Verspätung der Braut zu kaschieren. Gleichzeitig wollte er die Wogen insgesamt glätten. Mochte das Land seit dem Zerbrechen seines Kristallenen Herzens im Verborgenen bereits im Aufruhr und der Frieden in Gefahr sein, so wollte er erst recht nicht zulassen, dass an seiner eigenen Hochzeit der Zwist im Heim der Gütigen selbst ausbrach. Sich räuspernd stellte er sich neben die Freundin und sah Tempelmutter und Tempelvater entschuldigend an: “Ich bitte Euch, habt Nachsicht mit Doratrava! Ihr Auftritt mag an mancher Stelle für diesen Ort zu weit gegangen sein, doch war es, davon bin ich überzeugt, zweifellos nicht ihre Absicht, die guten Sitten zu verletzen. Vielmehr wollte sie der gütigen Mutter auf die Weise huldigen, die ihrem eigenen, fröhlichen Wesen entspricht, in dem sie die Feier nach bestem Können mit Schönheit bereichert, und uns allen eine Freude machen. Dabei mögen vielleicht die Pferde mit ihr durchgegangen sein... doch würde eine gütige und liebende Mutter ein Kind, das es offensichtlich nur gut gemeint hat, geradewegs von Tisch und Herdfeuer verstoßen, nur weil es in seinem Streben zu weit gegangen ist? Ich glaube, sie würde sich insgeheim über die Inbrunst und den guten Willen freuen, und dann ernst, aber in liebendem Sanftmut erklären, wie es das nächste Mal besser gelingen würde.” Nivard konnte nur hoffen, dass seine theologisch wenig geschulten Argumente auf Gehör bei den aufgebrachten Geweihten stoßen würden - ach wären doch nur Elvrun und Relindis endlich da, die würden sicher noch bessere Worte finden.

Nun konnte Lucilla nicht mehr an sich halten. Dies verstieß gegen ihr Verständnis von Götterfürchtigkeit und dem Respekt gegenüber einem ihrer Tempel.
"Dies ist Travias Haus und kein Zirkus”, sprach sie laut und energisch, wie man es ihrem zierlichen Leib nicht zutrauen mochte. “Seit wann frage ich die Anwesenden, ist die Darbietung einer Schaustellerin Bestandteil eines Gottesdienstes? Braucht es eine Attraktion, um die Gläubigen hierher zu ‘locken’? Wohl kaum, denn dies sind die Nordmarken, oder nicht?
Schlimmer noch aber ist die Tatsache, dass unmittelbar vor dem Schluss eines Bundes, der ein Leben lang halten soll - einem Bund, der vor Travia selbst geschlossen werden soll und der einen Treueeid beinhaltet, der Bräutigam sich derart viel nacktes Fleisch einer Frau ansehen muss, die nicht die seine sein wird. Was für eine Beleidigung für die Braut. Schande!
Ich will hiermit nicht in Verbindung gebracht werden, ohne mich durch mein Handeln klar davon distanziert zu haben - wenn diese Frau nicht des Tempels verwiesen wird.”
Mit diesen Worten machte sich die Erbvögtin auf dem Weg den Tempel zu verlassen. Sie tat dies mit gemessenem Schritt, um zu sehen, ob die Geweihten des Hauses ihren Worten auch tatsächlich Taten würden folgen lassen, oder ob es nur leere Absichtsbekundungen gewesen waren. Die Symbolik war klar, sie würde den Tempel verlassen, wenn die Schaustellerin bleiben würde.

Der Vogt von Nilsitz saß unterdessen mit weit aufgerissenen Augen und aufgeklapptem Mundwerk in der Menge und wusste beim besten Willen nicht, wie ihm geschieht. Gut, Borindarax war von dem, was er mit angesehen hatte gelinde gesagt überrascht, denn er wusste um die hohen, moralischen Ansprüche der Kirche der Travia und er war sich sicher, dass es hier zu einem Bruch gewisser Traditionen gekommen war, aber das dies einen solchen Streit zur Folge hatte - noch dazu offen geführt, verwunderte ihn dann doch.

Der ungewöhnliche Tanz hatte Eoban aus seinen Gedanken gerissen. Dieses Hochzeitsritual passte nicht zu den Bräuchen, die er aus seiner Heimat Albenhus kannte. Vielleicht würde sein Waffenknecht Thobalt mehr dazu berichten können? … Der Ausbruch der Traviageweihten und einiger Anwesender sorgte dann aber für Klärung, obwohl Eoban eine, gemessen an seinen Erfahrungen, ungewöhnliche und unerwartete Strenge spürte.


Doratrava hatte einen Schritt weiter in Richtung des Eingangs gemacht, um ein wenig mehr Raum zwischen sich und die Traviageweihte zu bringen, die da so forsch auf sie zugekommen war. Beim Argument dieser ihr unbekannten Adligen mit dem “nackten Fleisch” war sie ein wenig hin- und hergerissen zwischen Empörung (über die Unterstellung, damit Nivard in Versuchung führen zu wollen) und Belustigung (da Rahjania auch ziemlich viel Haut zeigte, aber wie sie selbst bei weitem nicht so viel wie bei Gelegenheiten außerhalb des Traviatempels).
Die Tatsache, dass sogar die Tempelgeweihten sie gebeten hatten zu tanzen, war der Adligen wohl entgangen. Und damit, dass sie nun den Tempel verlassen wollte, strafte sie in Doratravas Augen nur sich selbst. Allerdings tat sie das ja nicht ohne weiteres, sondern benutzte es als Druckmittel gegenüber den Geweihten, was Doratravas Blut in Wallung brachte. Ihr Gesicht nahm nun doch einen rosa Farbton an, aber nicht aus Verlegenheit oder Scham.
Aber sie hatte sich ja vorgenommen, nicht zu streiten und keine Widerworte zu geben, zumindest nicht hier im Tempel, deshalb schwieg sie weiter verbissen und beobachtete die weitere Entwicklung der Dinge (vor allem bei Rahjania und Cupida), so lange sie das vertreten konnte.

In Wunnemines Augen war die Darbietung der Tänzerin auch mehr als grenzwertig gewesen. Soviel Bewunderung diese sich durch ihren Auftritt in Nilsitz verdient hatte, der nicht von dieser Welt gewesen schien, so wenig Gespür hatte sie gerade für diesen Ort und diesen Anlass bewiesen. Dass über diesen nunmehr nicht zuletzt aufgrund des Eingreifens der Rahjani ein handfester Streit entbrannte war aber noch deplatzierter. Sie stand kurz davor, selbst das Wort zu erheben, als der junge Tannenfels dies ergriff. Nun beobachtete sie aufmerksam, wie die Sache sich weiterentwickelte, und war gespannt, wie Nivard sich weiter schlug.

Celissa von Tannenfels blickte Silfrun derweil scharf an, gefälligst ein ernsteres, der Situation angemesseneres Gesicht aufzusetzen. Was die Sache selbst anging: Im Zweifel hatten die hiesigen Geweihten in ihrem Tempel Hausrecht, und das hatten alle zu akzeptieren. Falls es darüber zu Meinungsverschiedenheiten käme, würde sie ein klares Machtwort zugunsten des Tempelpaares sprechen, auch wenn deren Wort keiner zusätzlichen Autorität mehr bedürfen sollte. Zunächst wollte sie aber den versöhnlichen Bemühungen ihres Sohnes nicht in den Rücken fallen und hielt sich daher ebenfalls zurück.

Der wiederum merkte das zunehmende Weichen Doratravas, auch wenn es sich nur um einen Schritt handelte, und stellte sich einen Halbschritt weiter nach vorne, halb zwischen Schwester Firuna und der Tänzerin. Diese sollte spüren, dass er sich nicht nur neben sie, sondern im Zweifel auch vor sie stellte. Nivards Blick ruhte aber nach wie vor auf dem Tempelpaar - dieser war jedoch nicht aufsässig, sondern erkennbar von Respekt geprägt. Er wollte doch nur den Frieden wahren - weder sollte an seiner Hochzeit gestritten noch eine Freundin weggejagt werden.

Fast war das Tempelpaar gewillt bei den Worten des Bräutigams einzulenken, kippte die Meinung aber wieder bei den eindeutigen Worten der jungen Galebfurterin. “Ihr habt ganz Recht, euer Wohlgeboren von Galebfurten: Dies hier ist das Haus Travias und die Nordmarken! Unsere Gutgläubigkeit mit solch einer Darbietung auszunutzen übertrifft alles. Und nun hinaus!” ignorierte er die Worte der Rahjani und blieb weiter in Rage. “Aber, aber, gütiger Vater. Mutter Regintrud hat nun wirklich die Gauklerin aufgefordert zu tanzen, da kann ich doch nur dem Bräutigam recht geben … und der Gastgeberin der Leidenschaft. Die Braut ist zu spät”, schlug sich nun Schwester Lichthild auf die Seite Doratravas. “Wären wir in Rommilys, wäre diese Scharade schon längst beendet”, setzte Schwester Firuna hinterher. Diese warf nun dem Inquisitor einen fragenden Blick zu. Noch immer mit hochrotem Kopf keuchte nun Mutter Regintrud. “Frieden. Das ist es, was es in diesem Haus gibt. Und der wird nun wieder einkehren. Doratrava, Kind, gehe nun und mache dir über deine Verfehlung Gedanken, kehre zurück, wenn du dich entschuldigen kannst!” Bevor es zu weiteren Meinungen kann, mischte sich die letztere der Geweihten ein. “Nun, ihr habt das Tempelpaar gehört. Wer Doratrava in ihre Schuldfindung beistehen möchte, soll das tun und frische Luft schnappen. In der Zwischenzeit warten wir, bis die Braut kommt. Es sei!” Die Stimme Mutter Elvas war laut und bar jeglicher Geduld. Es war die junge Gelda von Altenberg, die nun aus ihrer Sitzreihe huschte und sich bei ihre Freundin, der Gauklerin, einhakte. “Wir sollten gehen”, flüsterte sie ihr zu. “Sie hat recht”, kam es von der anderen Seite, denn nun hatte sich Schwester Lichthild zu ihr gestellt und lächelte sie milde an.

Entschuldigen! Das könnte denen so passen! Natürlich hatte Doratrava mit so etwas gerechnet, mit fanatischen, verbohrten Traviageweihten und Traviaanhängern hatte sie ja nicht zuletzt in jüngerer Zeit wieder genug zu tun gehabt. Allerdings kam ihr die Reaktion der hiesigen Geweihten, von dieser Jungen abgesehen, Lichthild hieß sie, wenn sie richtig gehört hatte, schon ein wenig heftig vor. Aber die Gauklerin blieb ihrem Vorsatz treu, jetzt keine Szene zu machen. Sie drückte Geldas Arm, erfreut über ihren Beistand, und wandte sich zum Gehen. Wollte diese Lichthild etwa mitkommen?

Cupida und Rahjania waren ja auch schon draußen, nachdem sie miteinander getuschelt hatten. Doratrava warf Nivard einen entschuldigenden Blick zu. Hoffentlich verflüchtigten sich nicht noch mehr Gäste. Nun ja, alle außer ihr durften sicher auch wieder zurückkommen, wenn die Braut endlich auftauchte. Sie drehte sich im Eingang nochmal halb zur Seite, um zu sehen, ob Lichthild wirklich mitkam. Und um zu sehen, ob diese sehr traviafürchtige Adlige wieder herumdrehte. Sanft spürte die Gauklerin die Hand der Traviageweihten auf ihrer Schulter. “Ich bin bei dir. Ich zumindest lasse dich nicht im Stich.”, flüsterte Lichthild ihr zu.
Doratrava zuckte zusammen, als sie Lichthilds Hand spürte. Mochte sie Berührungen von ihr unbekannten Leuten sowieso schon nicht, hatte sie natürlich zusätzliche Vorbehalte der Traviageweihten gegenüber. Aber immerhin hatte diese sich für sie ausgesprochen, wenn sie sich auch nicht offen gegen ihre Schwestern und Brüder stellte. So biss sie die Zähne zusammen, nickte und drückte Geldas Arm noch etwas fester.


Nur kurz zuckten die Mundwinkel der Erbvögtin nach oben, dann zeigten ihre Gesichtszüge wieder nüchterne Beherrschtheit. Kaum jemand vermochte es daher die Regung zu vernehmen, die darauf deutete, dass Lucilla von Galebfurten mit der Entwicklung der Geschehnisse zufrieden war. Aber das war sie. Ihre Worte hatten anscheinend etwas bewirkt. Dennoch, die Schande war geschehen und der Bruch von Anstand und Sitte nicht wegzudiskutieren.
Offensichtlicher als jedwedes offensichtliche oder verdeckte Mienenspiel aber war, dass die Adlige ihren Weg nach draußen nicht beendete, sondern stehen lieb. Lucilla war schon fast am Ausgang des Tempels gewesen, auf Höhe der letzten Bankreihen, als ‘das Ärgernis’ den Sakralbau verlassen ‘musste’. Ungeachtet der Tatsache, dass sie nun fernab des Platzes war, dem ihr aufgrund ihres Standes zustand, strich die Junkerin ihr Kleid glatt und setzte sich dort zu dem einfachen Volke, um dem Gottesdienst weiterhin beizuwohnen- wenn die Braut sich denn dazu herabließ ihrem zukünftigen Gatten und dem Tempel endlich ihre Aufwartung zu machen.

***

“Schwester? Rahjania ist mein Name, ich bin Gastgeberin der Leidenschaft zu Wargentrutz.” Kurz zögerte sie, doch sicher war sicher. “Das ist in Weiden. Ein wunderbares Heiligtum ist dort … ähm, ich will nicht ablenken. Wollen wir die Braut holen? Ich habe diese Scharade hier satt.”

“Äh …”, Cupida wunderte sich von der Geweihten direkt angesprochen zu werden. Gebannt beobachtete sie die junge Frau in Rage, sodass sie einige Momente lang benötigte, bis sie ihre Gedanken soweit sortiert hatte, “... Ho … Hochwürden … ähm ja … wisst Ihr denn wo die Braut ist?”

“Nein! Diesmal nicht!” Es musste Cupida überraschen, warum die Tulamidin derart empfindlich reagierte. Rahjania aber lachte über sich selbst, schüttelte den Kopf und klärte sie selbst auf. “Ach, es ist so skurril, das konntet Ihr nicht wissen. Bei der Hochzeit zwischen Palinor und Boromada war ich in das Verschwinden der Braut involviert, um Beiden zu Rahjas Segen zu verhelfen.” Rahjania kratzte sich ratlos am Kopf und zog die Brauen hoch. “Wisst Ihr, wo sie sich vorbereitet oder wo sie untergebracht ist?”

“Ähm … nein, aber ich denke vielleicht irgendwo auf der Burg”, Cupida kratzte sich an ihrer Schläfe. “Oder sie ist bei uns im Lilienpark im Gasthaus. Da könnte ich nachsehen, wenn Ihr wollt? In der Burg kann ich mich sicher nicht frei bewegen.”

Schon die zweite Braut, die fehlte. Rahjania wollte nicht vorschnell urteilen, aber wie groß war die Freude Schwester Travias an Bünden, vor denen die Menschen eigentlich lieber flüchten wollten? Später würde sie darüber sinnieren. Wer wusste schon, was hier hinter der Verspätung lag. „Ich komme mit. Cupida, meine Gute, erzähle mir doch, was du von der Familie weist.“ Sicher kannte diese Akoluthin zumindest einen Teil der Parteien besser.

Cupida war immer noch leicht unsicher. “Und was passiert wenn sie in der Zwischenzeit doch kommt und wir dann die ganze Trauung verpassen?”, fragte sie flüsternd.

Ein kleines, lösbares Problem war das. „Wir nehmen den Bräutigam mit. So sind wir auf der sicheren Seite. Ich kenne Nivard, er ist ein guter Mann. Aber ein Angroscho spricht mit ihm. Und den kenne ich auch. Ich habe mich bei diesem Rasse nicht allzu beliebt gemacht und suche keinen Ärger.“

“Den Bräutigam …”, der Blick der jungen Frau ging hin zu diesem Nivard, “... meint Ihr, dass er den Tempel nun auch noch verlassen sollte? Die Gesellschaft ist so schon so unruhig. Wenn plötzlich die Hälfte verschwindet, meint vielleicht der Rest noch, dass das Fest abgesagt ist. Vielleicht solltet Ihr beim Bräutigam bleiben und ihm gut zureden, ich suche die Braut.”

“Was soll's, er wird es mir schon nicht übel nehmen. Immerhin durfte er damals durch meine Hilfe mit seiner Angebeteten tanzen.” Rahjania seufzte. “Ihr sucht die Braut, ich werde Euch holen lassen, sollte es trotzdem irgendwie weitergehen. Ich behalte den Bräutigam im Auge und rede mit ihm.”

Die Angesprochene nickte eifrig. “Ja Hochwürden, ich werde in den Park schauen zum Gasthaus meiner Familie.” Mit diesen Worten schlüpfte sie zwischen den Wartenden hindurch und hinaus aus dem Tempel.

In der Trubel und der Unruhe, die nun folgte, schlängelte sich Rahjania zielsicher durch die Gäste auf Nivard zu. Cupida würde die Braut schon finden, wenn sie noch hier wäre. “Rahja zum Gruße, Nirvad.” Geschwind hakte sie sich bei dem Bräutigam unter und zog ihn zu sich heran. Er würde sich gewiss an sie erinnern. “Ihr kennt mich doch noch? Wir beide wollen, im Sinne Rahjas oder Schwester Travias, dass es gut wird. Also keine Ausflüchte. Was ist hier los? Erzähl mir etwas. Wann und wo hast du deine Liebste zuletzt gesehen?”

Nivard zuckte auf die überraschende Berührung durch die Geweihte und die direkten Fragen zusammen. "Hochwürden... wie könnte ich Euch... und unsere Begegnungen und Gespräche in Nilsitz vergessen?" Vielleicht hatten diese, insbesondere ihr erstes Aufeinandertreffen, einen nicht unwichtigen Anteil daran gehabt, dass er jetzt hier stand, auch wenn er damals sicherlich weit weniger dankbar dafür gewesen war als heute. Wäre er nicht noch immer und jetzt wieder zunehmend so beunruhigt, hätte er beim Gedanken daran sogar lächeln müssen. So aber war ihm anzusehen, wie sehr ihn inzwischen die Sorge zu übermannen drohte, zumal er dazu verurteilt war, noch nicht selbst nach seiner Braut suchen zu dürfen, sondern hier die Stellung halten zu müssen. "Ich habe keine Ahnung, was hier los ist. Elvrun... sie ist noch nicht da. Sonst ist sie ein Ausbund an Verlässlichkeit. Aber heute... Gesehen habe ich sie zuletzt gestern, zur Abendandacht hier im Tempel.” berichtete Nivard auch ihr, wieder in Flüsterstimme. “Derzeit kann ich nur hoffen, dass sie rasch gefunden wird oder sich selbst noch rechtzeitig hier einfindet. Ich hoffe so sehr, dass nichts passiert ist...”

Lächelnd tätschelte Rahjania Nivards Arm, ein paar Schritte gingen sie ziellos gemeinsam. “Es ist jemand auf dem Weg, sie zu suchen. Ebenfalls eine Person, die Rahja dient. Es sollte eigentlich gleich besser werden…” Hochwürden presste ernst ihre Lippen zusammen. Der junge Ritter schien noch keinen weiteren seelischen Beistand nötig zu haben. “Sagt, ihr seid euch doch einig, Elvrun und du? Es gibt weit und breit nichts und niemanden gegen diese Verbindung.”

"Ja, das sind wir!" erwiderte Nivard entschieden, dessen war er sich gewiss. "Und ich wüsste von niemandem, der etwas dagegen haben könnte. Außer..." Noch bestimmter schüttelte Nivard sein Haupt. Er war tatsächlich in Elenvina in Dinge hineingezogen worden, an Feinde geraten, die etwas gegen jede traviagefällige Verbindung hatten, weil sie die gütige Mutter selbst zu hassen schienen. Aber er wollte den Gedanken nicht zulassen, dass diese Kräfte ihre Hände bis zu seiner Hochzeit, in Herzogenfurt ausstreckten. Oder etwa doch? Sein Blick huschte kurz zu Eoban, den er ebenfalls in den Reihen ausgemacht hatte, dann wandte er sich wieder voll und ganz Rahjania zu. "Nein. Da ist nichts und niemand gegen unsere Verbindung." Seiner Stimme fehlte aller Bestimmtheit zum Trotz die letzte Überzeugung.

Rahjania hatte seinen Zweifel nicht bemerkt, oder sie wollte ihn einfach nicht hören. “So sei es. Ich wünsche euch eine Partnerin, mit der ihr euer Glück findet.” Kurz schielte sie zur Tür und zog Nivard im Gespräch mit sich. Eine Kurve wollte sie noch schlendern, dann würde sie den Bräutigam nach Draussen führen. “Wie seid ihr eigentlich zum Paar geworden? Ich bin schon gespannt, sie zu treffen.”

"Wir haben uns auf der Brautschau des Hauses Altenberg, hier in Herzogenfurt, kennengelernt." fing Nivard an, zunächst noch sichtlich nervös und fahrig. "Ich weiß nicht, ob Ihr von dieser gehört gehabt. Sie war kurz nach der großen Jagd." Er konnte sich zwar nicht vorstellen, wie die Hochgeweihte zur großen Jagd in Nilsitz gewesen sein könnte, ohne davon mitbekommen zu haben, immerhin war die Brautschau bereits während der Einweihung der Jagdhütte in aller Munde. "Dort haben sich Rahja zunächst meiner und Travia uns dann beider angenommen, uns gezeigt, zu wem wir wirklich gehören.” Die Gedanken an seine erste Begegnung mit Elvrun, das Käseschneiden und Verzehren bei Vater Winrich und ihr Beisammensein im alten Theater, wo er Elvrun mit einem Lied fragte, ob sie seine Frau werden wollte, und diese Ja sagte, beruhigte den jungen Krieger. Elvrun würde kommen. Es konnte gar nicht anders sein. “Es mag sich seltsam anhören,” huschte ihm erstmals wieder ein Lächeln über das noch immer angespannte Gesicht, “doch es war ein Käse, mit dem Travia uns ein erstes Zeichen schenkte."

Rahjania kicherte vergnügt. “Freilich habe ich von der Brautschau gehört, leider musste ich nach Wargentrutz, ich war schon zu lange weg.” Damals hatte sie auch wenig Lust verspürt, noch eine Veranstaltung mit seltsamen Regeln zu besuchen. “Ein Käse? Wie passt denn der da rein? Doch, irgendwie passt es schon zu Travia, erzähl.” Sie vergass trotz ihrer heiteren Stimmung nicht, ihren Begleiter rechtzeitig für eine weitere Runde schlendern zu drehen.

"Zum Kennenlernen fand ein Käsezubereiten- und -essen statt." erklärte Nivard, der im Schwelgen in der Erinnerung daran überhaupt nicht mitbekam, dass er eine weitere Runde durch den Tempel geführt wurde. "Ihr glaubt gar nicht, wie viel eines Menschen sich darin zeigt, wie er mit einer Gabe Travias wie einem guten Hartkäse umgeht." Er musste noch einmal daran denken, wie Elvrun den ihren zerteilte. "Jedenfalls hat sich einer der Käselaiber auf einmal auf und davon machen wollen, ist vom Tisch gefallen und weiter gerollt. Gemeinsam haben wir ihn aufgefangen, zwei Menschen, zwei Hände, doch handelten wir, als ob wir eins waren, um die Tafel zusammenzuhalten... Es mag sich für Euch seltsam anhören, doch konnten wir spätestens ab diesem Moment ein Band zwischen uns fühlen..." Nivards Züge zierte inzwischen ein sanftes Lächeln.

Seltsam, diese Nordmarken. Erst Spinnensuppe, jetzt Hartkäse. Das Essen hielt die Leute zusammen. „Das ist sehr schön, wie Ihr Euch getroffen habt. Es zeigt, dass man den Willen der Götter in den ungewöhnlichsten Dingen findet und.. oh, Moment.“ Rahjania nahm Trubel am Eingang wahr. Aufgeregte Gäste, sie gestikulierten und deuteten nach draußen. „Nirvad, ich glaube, es ist so weit.“ Kräftig drehte sie den Mann, damit er den Ausgang sehen konnte und schob ihn etwas an.

Der Schupser Rahjanias riss Nivard jäh aus seinen schönen Erinnerungen. "Was...?" Um ihn herum kam ein Raunen auf. "Die Braut kommt... Elvrun kommt..." hörte er heraus.
Gut, dass es kurz so laut war, vielleicht hätte man sonst noch die Steine gehört, die vom Herzen des jungen Kriegers polterten. Sehnsüchtig sah er zur Tempelpforte, darauf wartend, dass Elvrun endlich hindurchträte. Es war die Hand seiner Mutter, die ihn an den Ablauf gemahnte. "Auf geht's Nivard, Du musst auf Deinen Platz, schnell!" Im Vorbeieilen, währenddessen Celissa letzte Hand an den akkuraten Sitz von Hemd und Wams anlegte, kreuzten sich kurz noch einmal seine und Rahjanias Blicke, und die Geweihte der schönen Göttin konnte die Dankbarkeit in dem seinen erkennen.

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