Schwarz steht der Tann - Epilog I

Im Lichte des jungen Tages

Epilog I der Briefspielgeschichte Schwarz steht der Tann

Überleitung zum PnP-Part

So sehr die Nacht dem Madamal gehört hatte, so wenig vermochte sich die Praiosscheibe am folgenden Tage gegen Efferds Wirken durchzusetzen - der Launenhafte schien sich darauf besonnen zu haben, dass dieser Monat der seine war: Der mondhellen Nacht waren diesige, kaum mehr erkennbare Morgenröte gefolgt, ehe schließlich das ganze Himmelszelt von dichter, geradezu herabkriechender Bewölkung verhangen wurde, aus der bald ein monoton plätschernder, kühler Landregen eingesetzt hatte.

Hätte das trockene Wetter nicht noch einen Tag halten können? Missmutig starrte Rondrard aus dem Höhleneingang hinaus in den Regen. Mittlerweile gehörten ihnen die Höhlen beinahe alleine - die meisten der Tuluukai brydh blogai hatten sich bereits im Morgengrauen auf den Weg zu ihren Behausungen gemacht. Neben der stark mitgenommenen und noch immer schlafenden Suncuua waren nur eine Goblinfrau, die Mutter Waldlieb offensichtlich kannte, und einige der Krieger unter der Führung Vahvillisiks zurückgeblieben, die ihre Älteste und die Höhle offensichtlich nicht unbeaufsichtigt unter Fremden lassen wollten. Außerdem drückte sich noch ein humpelnder Goblin herum, der sie die ganze Zeit beäugte - genau genommen schien er unentwegt die Elfe anzustarren.

Der junge Ritter fühlte sich überraschend erholt - nachdem er zu der Geisteraustreibung wenig beitragen konnte, hatte er sich wenigstens in der Pflicht gefühlt, für und über die merkwürdige Gemeinschaft, die in dieser noch merkwürdigeren Nacht zusammengefunden hatte, zu wachen und sich daher gar keine Ruhe zugebilligt. Khorena, Ulfaran und selbst die stets so übermenschlich anmutende Aedha waren dagegen erschöpft in den ebenso wohlverdieneten wie kurzen Schlaf gesunken, und auch die anderen hatten sich am Feuer niedergelegt - mitten unter den Goblins und diese wiederum zwischen sich. Er selbst hätte trotz des langen Tages und beinahe einer ganzen Nacht, die ihm in den Knochen steckten - oder hätten stecken müssen, denn der Odem der großen Mutter schien sich recht belebend auf Körper und Geist auszuwirken - ohnehin keinen Schlaf gefunden, kreisten seine Gedanken doch um das, was vor ihnen lag.
So hatte Rondrard den kurzen Rest der Nacht und den frühen Morgen damit verbracht, auf die Geräusche der Höhle und des Waldes zu lauschen, dann und wann übertönt von einem Schnarchen hier oder unwillkürlichen Grunzen dort. Seine Blicke waren über die im dunkelroten Schein der Glut erkennbaren Silhouetten von Menschen und Goblins gestreift, doch hatte er sich immer wieder dabei ertappt, wie seine Augen lange auf Befinna verharrten, die friedlich in den Armen der Foldenauerin schlief. Wenn es über die Gefahren für Tannenfels, diese Wälder und das Heiligtum sowie die Aufforderung des Jägers noch eines zusätzlichen Grundes bedurft hätte, sich seinen Alpträumen ein weiteres Mal zu stellen, dann war es Befinna - er hätte es auch nur für sie getan.
Langsam drehte er sich zu den anderen um. "Es hat sich wohl eingeregnet, fürchte ich... Wollen wir trotzdem?"

Ulfaran hatte tief und fest geschlafen - so, wie es sein Talent war. Der Haindruine konnte im Sitzen die Augen schließen und, weil er in Sumu ruhte, in einen tiefen Schlaf sinken. In dieser Nacht hatte ihn die Mutter mit reichen, einsichtigen Träumen beschenkt. Der große Jäger war mit ihm durch die Lande gezogen und sie hatten die Schönheit des Lebens erkundet. Gemeinsam hatten sie blühende Felder, weite Wiesen, dichte Wälder und kleine, unscheinbare Ansiedlungen im Einklang mit Sumu entdeckt. Wie zum Abschied hatte ihm der große Jäger die Schulter gedrückt und war dann im dichten Gehölz verschwunden. So schlug er, als Rondrard sprach, plötzlich die Augen auf - der Ritter war sich deshalb nicht sicher, ob der Alte überhaupt geschlafen hatte oder wie lange er schon wach war und ihn heimlich beobachtete. “Regen schafft Leben. Das ist das richtige Wetter, um dem Feind der Mutter zu begegnen.”

Die Eigeborene hatte sich bei dem Zauber sehr verausgabt. Ihrer Erschöpfung zum Trotz, hatte sie in dieser Nacht jedoch nur wenig Ruhe gefunden. Zu viel hatte sich in der letzten Nacht ereignet und nichts davon hätte sich ereignen sollen. All die Besuche, hätte es nicht geben sollen. All die Störungen, hätte es nicht geben sollen. Ein Fest zu Ehren der großen Mutter, hatte so, wenn auch ähnlich zur Normalität, dennoch einen anderen Verlauf genommen.
Unwillig nahm sie den anbrechenden Morgen wahr und sehnte sich in ihr behagliches Bett.

Sehr zu Khorenas Bedauern hatte die schöne Eigeborene keine Ruhe gefunden und so hatte hatte sich die junge Priesterin alleine zurückgezogen um ein wenig Schlaf zu finden. Umso überraschter war sie am Morgen neben Befinna aufzuwachen. Scheinbar hatte nicht nur sie das Bedürfnis nach Nähe und Wärme gehabt.
Leise erhob sich Khorena um sich in einem der Becken zu waschen und dann anzuziehen. Gedankenverloren fuhr sie über die Malerei, die ihr die alte Goblinschamanin auf den Körper gemalt hatte. Vielleicht hätte sie mit dem Segen der Mutter ein Kind empfangen können, das nicht an dem Fluch litt. Kurz dauerte es sie, gestern nicht Rondrad oder Tsamitrius verführt zu haben, oder dass Rahjel nicht hier gewesen war. Beim Gedanken an den Rahja-Geweihten röteten sich ihre Wangen und sie eilte zum Wasser.

Die Baroness schrak hoch, als sie die Bewegungen Khorenas bemerkte und sah unsicher auf, ganz so als hätte sie inzwischen verdrängt gehabt, wo genau sie war. Oder hielt sie es lediglich für einen bösen Traum und wollte sich nun vergewissern, dass sie in einem gewohnten Umfeld aufwachte … ohne Geister, Goblins und dem Wissen, dass die Seele ihrer Mutter in irgendeinem Pferch gefangen war? Es half alles nichts. Befinna und die anderen waren immer noch im Wald unter Goblins. Etwas beschämt ob der Tatsache, dass sie in den Armen einer anderen Frau aufgewacht ist, strich sie über ihr zerschlissenes Kleid und erhob sich von der Schlafstatt.

Mit einem zufriedenen Seufzen hatte sich Khorena gerade ins Wasser gleiten lassen. Das warme Wasser war eine Wohltat. Als sie Befinna bemerkte, lächelte sie entschuldigend. “Habe ich dich geweckt? Das wollte ich nicht.” Die junge Tsatura-Priesterin musterte ihre neu gewonnene Freundin. “Wie geht es dir heute?”

Befinna biss sich auf die Unterlippe. "Ich hatte gehofft, dass das alles nur ein böser Traum war", sie wies um sich und ließ dann wieder ihren Kopf hängen. "Glaubst du wir können meiner Mutter helfen? Ich will nicht, dass sie leidet."

Khorena widerstand dem starken Drang zu Befinna hinüber zu eilen, um sie tröstend in den Arm zu nehmen ...und sie zusammen mit ihrem Kleid dabei völlig zu durchnässen. Stattdessen bedachte sie die Gleichaltrige mit einem aufmunternden Lächeln. “Das glaube ich aus vollem Herzen, ja. Wir werden deine Mutter retten, gemeinsam, mit dir.” erklärte die Tsatuara-Priesterin im Brustton der Überzeugung.

Der Mund der Baroness öffnete sich zwar, doch entfleuchte im ersten Moment kein Ton ihrer Kehle. Erst nach einigen Momenten schien sie sich gefangen zu haben. "I … ich? Aber wie soll ich … wie kann ich denn helfen?"

Nun erhob sich Khorena doch aus dem warmen Wasser um zu Befinna zu eilen. Sie streckte ihre Hände vor und ergriff die von Befinna, während sie der jungen Fadersberg direkt in die Augen sah. “Du bist die Tochter deiner Mutter. Wir anderen mögen über Madas Gabe oder den Segen der Götter verfügen, doch du, du allein verfügst über die wohl wichtigste Gabe, welche wir für diese Aufgabe benötigen. Das heilige Band der Liebe und Zuneigung zwischen einer Mutter und ihrem Kind, ihrer Tochter. Nur du kannst uns zu deiner Mutter führen.” Wieder lächelte Khorena aufmunternd. “Und behaupte bitte nicht, dass du das nicht könntest. Ich habe dich letzte Nacht gesehen wie du dich dieser zuerst beängstigenden Situation gestellt hast anstatt fortzulaufen oder sich irgendwo zu verkriechen. Du bist stark und mutig, auch wenn du es vielleicht noch nicht glauben magst, doch irgendwann wirst auch du erkennen, was ich bereits jetzt in dir sehen kann.” Sie sah kurz hinüber zu Rondrard. “Außerdem bist du nicht alleine, du hast Freunde und Verbündete, die dir gerne zur Seite stehen, wann immer du sie brauchst.”

Abermals schwieg die Baroness auf diese Worte hin in sich hinein. Befinna war stets behütet innerhalb der Mauern Burg Ambelmunds aufgewachsen. Zwar träumte sie immer von Abenteuern, die sie sich zusammen mit Ringard in ihrer kindlichen Naivität ausgemalt hatte, doch erkannte die junge Frau nun, dass die Realität nicht viel mit eben jenen romantischen Träumereien gemein hatte. Und dennoch, Khorena hatte recht. Sie hätte auch gestern schon ihrem Drang nachgeben können und ihr Heil in der Flucht zu suchen. Viel hatte ja eigentlich nicht mehr gefehlt gehabt und sie wäre getürmt. Aber jetzt ging es um ihre Mutter und diese musste wohl leiden … und brauchte sie - deshalb riss sich Befinna auch zusammen, hob ihr Kinn und nickte der Foldenauerin mit einem gequälten Lächeln zu.

Der kurze Schlaf hatte gereicht, das Tsamitrius wieder frisch fühlte. Genau wie seine Base Khorena, suchte er sich ein Becken und wusch sich die letzten Spuren der letzten Nacht hinfort. Flüchtig beobachtete er Befinna und Khorena und ihm war klar das nur einer der beiden Frauen, Khorena oder Aedha, der jungen Adligen echten zuspruch geben konnte. Seine Aufgabe lag nun woanders. Sollte er ursprünglich als Vertreter der Baronin von Schweinsfold in Ambelmund auftreten, hatte ihm Tsatuara einen anderen Weg gewiesen. Dennoch war seine Aufgabe hier gar nicht so weit von den Wünschen seiner Baronin entfernt. Auch hier konnte er für Schweinsfold Vertreter sein und an der Seite Ambelmunds helfen. Glücklicherweise war Khorena hier und so mit konnte er sich um Rondrard kümmern, denn der junge Mann war selbst ein wenig verloren. Nach dem Tsamitrius seine Kleidung wieder ordentlich machte, setzte sich Strinx, sein Waldkauz auf seine Schulter. Die Nacht über war er der Wächter in der Ferne, doch jetzt war es wieder an der Zeit das die beiden Vertrauten ihre Nähe wieder spürten. Mit gemächlichen Schritt ging er zu dem jungen Tannenfelser hinüber, mit flüchtigem Blick auf den Diener der Sumu. Doch bevor er Rondrard erreichte, fiel ihm die Geweihte der Peraine auf. Nun erkannte er sie, als diejenige, die ihm im Namen Tsatuaras erwählt hatte. Hatte die Göttin sie erhört und gesegnet? Kurzerhand wechselte er seine Schritte auf die ältere Frau zu. “Guten Morgen, Meisterin. Konntet ihr ruhen?”, sprach der ansonst recht wortkarge Mann sie an.

Die Geweihte, die schon bei Morgengrauen aufgestanden war, um stumm ihrer Göttin zu danken und gerade dabei war ein Frühstück zu bereiten, blickte zu dem Hexer auf: “Danke, ja. Und Ihr?” Tsamitrius schien es, als würden Liobas dunkelbraune Augen leuchten. “Wer ist denn Euer kleiner Freund?”, fragte sie neugierig und blinzelte dem Käuzchen zu.

Er lächelte sie an. “Das ist Strinx, mein kleiner kauziger Freund. Er hat heute Nacht auf uns aufgepasst.” Dann schaute er sie etwas genauer an. “Ich bin froh das es euch gut geht, eure Gnaden. So ein Fest kann ganz schön kräftezehrend sein.” Dann lugte er wieder zu Rondrard rüber. Ich werde mal schauen, wie sich der junge Tannfelser macht.” Der Hexer strich ihr über die Schulter und ging nun zu dem Ritter rüber. “Wie geht es dir?”, sprach er ihn direkt an.

"Ehrlich gesagt: ich weiß es nicht so recht." Rondrard dachte nach, wirkte, als versuchte er sich ein Bild seines Inneren zu machen. Warum ruhten seine Augen dabei schon wieder auf Befinna? Nach einer Weile riss er sie los und fuhr leise fort. "Die letzten Tage und die vergangene Nacht wirken im Lichte des Tages wie ein verworrener, teils verstörender Traum auf mich, den ich noch nicht annähernd ganz verstehe. Und angesichts dessen, was vor uns liegt, bin ich mir nicht im Klaren, ob dieser Traum überhaupt schon zu Ende ist oder noch fortdauert." Oder gar wieder zu dem Alptraum würde, dem er einmal bereits nur mit Mühe und Not entronnen war. Leider trug er Zweifel, ob daran ein Weg vorbeiführte, nach allem was geschehen war und der Jäger ihm gesagt hatte. Der Jäger... Der junge Ritter verscheuchte die aufsteigenden Bilder des vorvergangenen Sommers und straffte sich: "Ich schwanke also irgendwo zwischen der Benommenheit, die mich ergreift, wenn ich zuviel darüber nachdenke, und dem Tatendrang, uns den Dingen endlich zu stellen... da mir letzterer besser schmecken will, zieht es mich hinaus, hinaus in die nassen Wälder.” Ein Lächeln trat auf Rondrards Lippen. “Jedenfalls bin ich dankbar, dass ihr alle da seid und helfen wollt."

Llyilliala saß im Schneidersitz im Höhleneingang, gerade so weit drinnen, dass sie nicht nass wurde, die Augen geschlossen und den entspannten Bogen auf den Knien liegend. Es war nicht zu erkennen, ob sie schlief oder wachte oder meditierte, denn bisher zeigte sie mit keiner Regung, ob sie von der zunehmenden Geschäftigkeit in der Höhle Notiz genommen hatte.

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