Schwarz steht der Tann - Akt 3

Hell war die Nacht...

Akt 3 der Briefspielgeschichte Schwarz steht der Tann

Trommeln in der Nacht

Neben dem Treffen so vieler Menschen (und einer Elfe) nahezu unbemerkt war das Licht des Tages nunmehr gänzlich erloschen, und nur noch das vollrunde Madamal warf sein bleiches Licht milchig auf die nächtlichen Lande, ihm zur Seite die erst langsam aufstrahlenden Sterne, deren schwacher Schein die über die Wipfel wallenden Schwaden aber nur sporadisch zu durchdringen vermochte.
Wo sonst die Geräusche des Abends durch das Lied der Dunkelheit abgelöst wurden, setzte heute jedoch ein dumpfes Geräusch ein, das rhythmische Schlagen von Trommeln, gedämpft nur tönend, doch dennoch scheinbar zum Greifen nah. Seine Quelle war nur schwer auszumachen, schien das immer wieder an- und abschwellende Pochen zwar von einer Stelle zu rühren, doch von verschiedenen Seiten herangeweht zu werden.

Wie vom Donner gerührt und nicht nur ein wenig betreten starrte Rondrard zu der Frau, die unmittelbar vor dem Einsetzen der Trommeln so fürchterlich in Zorn ausgebrochen war - das musste, das konnte nur Aedha sein. Und das schlimme war, dass sie Recht hatte. Die Trommeln waren es, die ihn wieder halbwegs zu sich kommen ließen: einige Momente lauschte er gebannt dem Schlagen, dann suchte er wieder den Blickkontakt mit Befinna. Mit einem Lächeln, das ihr die Furcht nehmen sollte, dem aber auch die Verunsicherung, die nicht zuletzt der Auftritt jener Frau gerade ausgelöst hatte, anzumerken war, sagte er nur: “Deshalb.” Auch wenn das immer noch nur die halbe Wahrheit war.

Es fiel Tsamitrius schwer, sich auf diesen Ort der Macht einzulassen. Wie es schien zog er die Leute an, wie die Motten das Licht. Aedha war ihm unheimlich und hatte ihn zutiefst verunsichert. Selinde mußte unbedingt von ihr erfahren. Schützend hatte er sich vor Khorena gestellt, in der Hoffnung, das sie besser wußte, mit dem Wutausbruch umzugehen. Doch auch wenn sich diese frau wünscht das alle hinfortgehen würden, war es um diese Zeit, mitten im Wald, für die meisten unmöglich. Und was hatte die Ambelmunder hier zu suchen? Offensichtlich war das Thema das er ansprach ´unangenehm´. Sollte es so sein. Vielleicht war es noch wichtig, vielleicht auch nicht. Die Elfe war ihm ein Rätsel und der stumme Mann … wahrscheinlich ein Diener Sumus. Jeder hatte anscheinend etwas seltsames an sich … somit musste er sich nicht viele Gedanken um Khorena machen. Was eigentlich noch fehlte wäre … ein Rotpelz. Amüsiert über den Gedanken blickte er auf zu einer der Baumkronen. Sein Kauz Strix saß dort oben und hatte die Lichtung im Auge. Beim Einsatz der Trommeln, schaute er seine Base an. “Sind das die Rotpelze? Gibt es heute einen Tanz zu Ehren der großen Mutter?” fragte er, den als Stimme dieser müßte sie ja wissen, was zu tun war.

Als Mutter Waldlieb die Trommeln vernahm, ließ sie von Lupina ab und stand auf. “Ich denke schon”, antwortete sie auf die Frage des Hexers. Sie hob den Kessel wieder auf, auch um ihn vor Lupina zu schützen. “Falls sie hier tanzen wollen, sollten wir ihnen nicht im Wege stehen.”

Llyilliala legte den Kopf schief und lauschte. Sie war in ihrem Leben schon vielen Goblins begegnet. Viele waren Strauchdiebe und Räuber gewesen, Verzweifelte, Entwurzelte. Doch Goblins, die noch in einem intakten Sippenverband lebten, hatte sie meist als kriegerisch erlebt, vor allem um die Rote Sichel herum und in der Grünen Ebene. Wie das wohl hier war? Allzu viel Angst schienen die Menschen ja nicht zu haben, wenn man von dieser jungen Edeldame absah, die den Eindruck eines gefangenen, verschüchterten Rehs auf sie machte. Sicherheitshalber hielt sie sich im Schatten der Bäume, so dass das Licht des Madamals sie nicht gleich jedem weiteren Neuankömmling enthüllte.

"Die Rotpelze?", fragte Befinna in hysterischem Ton. "Und du wusstest davon?" Ihr Blick legte sich auf Rondrard.

Eine hysterische Baroness direkt vor ihm und eine offensichtlich zur Furie gewordene weise Frau auf der Flanke, das ganze untermalt von den Trommeln der Goblins - da waren letztere - wenigstens in diesem Augenblick - tatsächlich zu seiner geringsten Sorge geworden. Schweißgebadet nickte der Ritter zunächst nur, dann hob er Befinna gegenüber beschwichtigend die Hände und versuchte ihr schonend die Umstände nahezubringen: “Wir sind mitten in ihrem Gebiet, das hier ist ein heiliger Ort für sie… ebenso wie für uns.” begann er zunächst, um dann hastig hinzuzufügen: “Aber Du brauchst sie nicht zu fürchten - Wenn wir uns an die Regeln halten, werden uns die Goblins schon in Ruhe lassen.” Rondrard grübelte, auch wenn er gerade kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, wie viel er ihr noch zumuten sollte und entschied sich dann, wenngleich mit erheblichen Restzweifeln, für die Flucht nach vorne: “Heute…” druckste er zunächst, “heute sollten wir eigentlich gar nicht hier sein - da hat sie schon Recht… aber ich wusste nicht, wo wir sonst noch hätten hin können, vor der Dunkelheit...”

Befinna schien das nicht wirklich zu beruhigen. "Du wusstest nicht wohin und meintest es sei eine gute Idee ein Heiligtum der Rotpelze als Unterschlupf zu suchen? Und du wusstest es und hast mir absichtlich nichts davon erzählt, obwohl ich dich einige Male danach gefragt habe?" Die Baroness schnaubte und ballte ihre Hände zu Fäusten. "Und wer ist sie?", sie deutete auf Aedha: "Etwa die Statthalterin der Goblins? Sie sieht mir nicht danach aus. Und welche Regeln? Das sind Tiere!" Es sprudelte eine Mischung aus Enttäuschung und Zorn aus der jungen Frau. Ihre Wangen waren gerötet und sie sah sich Hilfe suchend unter den anderen um. Ja, sie lief davon und wären nun nicht Rondrard und die anderen an ihrer Seite … wer weiß was ihr inzwischen passiert wäre. Doch daran dachte Befinna gegenwärtig nicht. In diesem Moment fühlte sie sich verraten und meinte von einem drohenden Käfig in eine lebensbedrohliche Falle geflohen zu sein.

Ulfaran setzte sich derweil in das Gras und ließ das Geräusch der Trommeln auf sich wirken. Die wilden Wesen waren genauso wie sie selbst Kinder der Mutter Sumu, doch im Gegensatz zu diesen Schreihälsen, die noch erleben würden, welche Folgen es hatte, diese mit Füßen zu treten, hatten die Goblins noch ein Gespür für den schwachen Herzschlag der Allmutter. “Der Ritter kann dir die Antworten nicht geben, die du suchst, Kind. Setz dich hin, hier, zu mir”, sagte er bestimmend zu Befinna. “Mach die Augen zu. Von den Goblins droht dir keine Gefahr. Ich weiß mit ihnen zu sprechen. Hör auf die Trommeln - sie sind der Herzschlag der Welt. Das wird dir die Angst nehmen.”

"Was weißt Du schon darüber, welche Antworten ich zu geben vermag oder nicht?" fuhr Rondrard den Druiden an. Dessen ganze Art machte ihn wütend. Sprach kaum ein Wort, doch war deutlich seine Geringschätzung ihnen allen Gegenüber zu spüren, sein Überlegenheitsgefühl. Vor allem aber fühlte er, dass er selbst dabei war, den Kampf um den Zugang zu Befinna gegen diesen Kerl zu verlieren. Was wollte dieser eigentlich von der Baroness? An Selbstlosigkeit als treibendes Motiv konnte und wollte er nicht glauben.

Der jungen Frau schienen die Worte des Druiden etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ulfaran war vielleicht wirklich der Einzige, dem sie vertrauen konnte. Der Einzige, der wirklich ihr Wohlergehen im Sinn hatte. Ihr Blick ging noch einmal hinüber zu Rondrard, Mutter Waldlieb und Khorena. Sie waren alle nicht ehrlich zu ihr gewesen - aus welchen Gründen auch immer. Es interessierte sie auch nicht mehr. Mit dieser Erkenntnis setzte sich Befinna zum Waideler auf den Boden und versuchte zu tun wie er sie angewiesen hatte. Sie schloss ihre Augen, doch hatten die Trommeln keine beruhigende Wirkung auf sie.

Hilflos sah Rondrard mit an, wie sich Befinna, ihm offensichtlich noch immer grollend, neben Ulfaran niederließ und anfing zu meditieren, oder was auch immer das hier werden sollte. Vielleicht beruhigte sie sich dadurch wenigstens soweit, nachher wieder vernünftig mit ihr reden zu können. "Ich erklär Dir gleich alles und in aller Ruhe - was es mit diesem Ort und den Goblins auf sich hat. Und den weisen Frauen. Versprochen."
Apropos weise Frauen. Mit mulmigem Bauchgefühl löste er seinen Blick von Befinna und sah zur Lichtung. Er musste mit der Frau, die niemand anderes als Aedha sein konnte, sprechen. Jetzt. Im Losgehen deutete er Lioba stumm, nur mit den Augen, seine Bitte, derweil ein Auge auf Befinna zu haben, und warf auch Khorena einen vielsagenden Blick zu.

Die Geweihte nickte und setzte sich dann stumm neben Befinna ins Gras.

Lupina drängte sich eng an Befinna und nahm Platz. Khorena gesellte sich ebenfalls zu der kleinen Gruppe und ließ sich dort nieder. “Die Goblins hier sind nicht mit den Räubern und Strauchdieben zu vergleichen, von welchen man normalerweise hört. Diese hier leben im Einklang mit der Natur und ihrer Form des alten Glaubens. ” meinte die Gleichaltrige zu der Baroness. “Ihr wisst von welchem Glauben ich spreche, nicht wahr?”

"Ja …", dachte sie zumindest. Immerhin war sie Ulfaran ja erst in den Wald gefolgt, um mehr über Mutter Sumu zu erfahren. Es faszinierte Befinna, seit sie den Druiden das erste Mal im Forst getroffen hatte - damals noch zufällig, doch entwickelte sie über kurze Zeit ein solches Maß an Interesse, dass sie der Zwangsheirat eben dorthin entfliehen wollte, wo sie sich inzwischen auch geborgen fühlte. Zumindest in ihrem eigenen Bild des Waldes und der Natur. Und dort kamen nunmal keine Rotpelze oder wilden Tiere vor, die ihr Übles wollen. "Ihr sprecht von Mutter Sumu, auf deren Leib wir wandeln …", rezitierte sie Worte Ulfarans, "... die Mutter der Zwölfgötter?"

Ulfaran nickte und brummte zustimmend. Dass die gierigen, neidigen Kinder der großen Mutter keine Götter, sondern Schlächter waren würde er ihr noch früh genug beibringen. Jetzt erst einmal musste ihr neues Bild der Welt gefestigt werden.

Khorena lächelte unter ihrer Maske und nickte. “Sehr gut. Dann habt Ihr doch sicher auch schon von der großen Mutter gehört. Sie steht für das Leben, Fruchtbarkeit, Zusammenhalt und noch so vieles mehr. Dieser Ort hier ist ihr geweiht. Das habe ich Euch vorhin zu erklären versucht.”

Die angesprochene Baroness blies ihre Backen auf und ließ dann die Luft langsam aus ihrem Mund entweichen. Währenddessen überlegte sie. “Große Mutter … hm … Ihr meint die gütige Mutter Travia … wobei …”, nun sickerten langsam die anderen Worte Khorenas durch, “... Fruchtbarkeit … Leben … das ist Tsa. Ist das hier ein Tsa-Heiligtum?” Andächtig blickte sich Befinna um. “Aber was wollen die Rotpelze denn hier?”

“Das hier ist kein TSA-Heiligtum”, versetzte Ulfaran hierauf. “Meine Tochter, es gibt so viele Götter außerhalb Eurer Vorstellungskraft. Die Gottheit, die hier verehrt ist, ist älter als TSA. Aber auch sie ist ein Aspekt der großen Mutter Sumu.”

Befinnas Augen weiteten sich vor Schreck. “Älter als Tsa …”, flüsterte sie, “... aber Meister Rundarek meinte immer, dass die Götter von Anbeginn der Zeiten existieren und dass es keine außerhalb des Zwölfkreis gebe.” Der Schreck wich ihr aus dem Antlitz und Sorge machte sich darauf breit. “Meister Rundarek sagte auf die Frage nach anderen Göttern stets, dass diese nur die Hirngespinste von Wilden seien. Und dass solcherlei Gedanken, wenn man sie laut aussprach, die Praioskirche auf den Plan ruft und das würden wir alle nicht wollen.” Ihre letzten Worte verkamen dabei zu einem beinahe lautlosen Flüstern.

“Das war nicht die einzige Lüge, die er dir erzählt haben wird. Die Männer in den goldenen Gewändern machen Jagd auf alle, die dieser Lüge widersprechen. So auch auf mich”, sagte Ulfaran und schlug die Augen nieder.

Die junge Frau kaute unsicher auf ihrer Unterlippe. “Was ist das denn für eine Gottheit, in deren Heiligtum mich Rondrard geführt hat? Ist er ein Ketzer?”

“Frag ihn. Er sollte anfangen, dir gegenüber ehrlich zu sein.”

Damit hatte der Druide recht. Das wusste Befinna und es enttäuschte sie. Sie mochte vielleicht naiv sein, doch dumm war sie nicht. Und auch nicht blind. Sie konnte die Blicke des Ritters spüren und wusste, dass er sie mochte. Aber ging man so mit der Frau um, die man mochte? Unehrlichkeit … Tücke … sie hätte es ihm nie zugetraut. War dieser Ort, oder das was er hier mit ihr vorhatte, wirklich so schlimm? Nicht einmal Ulfaran klärte sie auf, obwohl der Waideler es wusste was hier auf sie wartete, da war sie sich sicher. “Ihr habt recht … er sollte ehrlich zu mir sein.” Mehr sagte Befinna nicht, dann blickte sie schweigend in die Dunkelheit des Waldes.

“Tsatuara”, sagte Mutter Waldlieb unvermittelt und blickte Befinna an. “Dies ist ein Heiligtum der Göttin Tsatuara. Sie gehört zu den Gottheiten, die mit dem Silem - Horas - Edikt, vor über 1.100 Jahren, verboten wurden und so im Laufe der Zeit in Vergessenheit geriet. In einigen abgelegenen Gegenden, sowie bei Hexen und Druiden, haben sich Teile ihres Kultes erhalten. Die zwölf Kirchen halten dieses Wissen zurück, da es Menschen gibt, die mit diesem Wissen nicht umgehen können und andere, die es für böse Zwecke missbrauchen. Ja, in gewisser Weise ist es eine Lüge. Aber, wenn Ihr ehrlich mit Euch selbst seid, so werdet Ihr sicher auch die ein oder andere Lüge finden, die Ihr lieben Menschen erzählt habt, weil Ihr sie vor Schaden, Schmerzen oder Sorgen bewahren wolltet. Ich verstehe, wenn Ihr enttäuscht und verärgert seid, aber Euch die Wahrheit zu sagen, bedeutet auch Euch in Gefahr zu bringen.”

Die Baroness hatte aufmerksam zugehört. Den Namen dieser Gottheit hatte sie schon vernommen. "Aber was sollen wir dann hier?"

“Hier im Wald gibt es … Gefahren, die schlimmer sind, als wilde Tiere oder Goblins. Gefahren, vor denen nur ein Heiligtum einen beschützen kann. Deshalb hat Rondrard uns hierher geführt. Auch, wenn Du es gerade nicht glauben magst, aber er sorgt sich um Dich und will nur Dein Bestes. Ich weiß, dass es schwer ist, aber Du musst vertrauen.”

Die Augen der jungen Frau weiteten sich. "Welche Gefahren?", fragte sie tonlos. "Und warum war er nicht ehrlich zu mir?"

“Ach, Wohlgeboren”, sagte sie sanft,” Ihr habt sicher oft davon gelesen und geträumt und doch erkennt Ihr es nicht. Was glaubst Du denn, warum er Dich beschützen will? Hier eine Prinzessin, dort ein Ritter…” Sie sprach den Satz nicht zuende, fuhr aber nach kurzer Pause fort: “Er sorgt sich so sehr um Dich, dass er Dir ein Geheimnis offenbarte. Wenn die Gemeinschaft des Lichts von diesem Ort erfährt, dann wird sie ihn zerstören und diejenigen hängen, die davon wussten. Er legt damit sein Leben in Deine Hände.”

Skeptisch zog Befinna ihre Augenbrauen zusammen. Gänzlich auf der Einbrennsuppe war sie auch nicht dahergeschwommen. "Er hat ihn mir ja nicht offenbart. Ich hab ihn mehrere Male gefragt und er gab mir nie eine Antwort …", sie stoppte und sah sich noch einmal um, "... was ist der Grund dafür, dass ich heute Abend hier sein muss. Bitte seid ehrlich zu mir und sagt nicht wieder, dass dies der sicherste Ort im Wald ist. Diese Frau dort …", die Baroness zeigte auf Aedha, "... ist zornig, dass wir hier sind."

"Sie ist zornig, weil wir heute nicht hier sein dürfen, denn heute findet hier ein Fest statt. Eine Art Göttinnendienst. Da wir es eilig hatten, blieb uns keine Zeit um Erlaubnis zu fragen. Uns stehen also noch Verhandlungen bevor."

"Verhandlungen?", abermals schlug der Geweihten geballtes Unverständnis entgegen. "Das ist das Land meiner Schwester. Warum sollten wir verhandeln? Ich rede mit dieser Frau, wir werden den Göttinnendienst schon nicht stören."

"Wie Euch der Sume bestätigen wird, gehört das Land niemandem. Keinem Elf, Zwerg, Goblin oder Mensch. Euer Geburtsrecht hat hier keine Bedeutung. Und… wir werden mit denen verhandeln müssen, deren Trommeln ihr hört. Den Goblins."

Die junge Frau schwieg und blickte auf die befremdlich wirkende Perainedienerin. Dies ging gegen alles was sie in ihrem Leben gelernt hatte. "Wenn dieser Wald niemandem gehört, dann gehört er auch nicht den Goblins. Wozu also verhandeln?" Sie wartete keine Antwort ab. "Vielmehr, wenn dieser Wald wirklich niemandem gehört, hätte meine Schwester ihn auch niemals abholzen lassen können", warf sie trotzig ein. "Ich wollte ihn mit Ulfaran retten."

"Die Goblins schützen diesen Ort, den Wald und bewachen etwas von dem ich nur weiß, dass es uralt und gefährlich, sogar böse ist. Etwas, dass nicht befreit werden darf. Eure Eingebung, diesen Wald zu schützen, ist richtig und etwas, dass Ihr Eurer Schwester wieder ins Gedächtnis rufen müsst. Trotz der leeren Truhen, die ihr Sorgen bereiten."

"Wunnemine ist die Baronin und von Praios' Gnaden die Herrin über dieses Land. Ich kann es nur versuchen … und es braucht keine Rotpelze um diesen Ort zu schützen. Der Adel tut es, so wie Rondra es verlangt." Sie konnte sich nicht vorstellen vor was man diesen Ort überhaupt schützen sollte, wenn schon nicht vor den Rotpelzen und wilden Tieren.

Die Geweihte blickte kurz zum Druiden herüber, doch schien sich dieser aus dem Gespräch raushalten zu wollen. Sie seufzte. “Ja, ganz recht. Wie Praios und Rondra es wollen. Wenn Ihr ein Haus hättet und es müsste beschützt werden, würdet Ihr dann wollen, dass es Eure Wachen beschützten, so wie Ihr es geschützt haben wollt, oder würdet Ihr zulassen, dass Euer Nachbar seine Wachen schickt, die sich nicht zu benehmen wissen und bei ihrer Wache Euer Haus beschmutzen oder gar beschädigen?”

"Wollt Ihr damit sagen, dass Diener der Götter, so wie Ihr es seid, diesen Ort … beschmutzen würden?" Befinna war fassungslos.

“Wenn es nach ihm geht, ja”, sie nickte Richtung Ulfaran, “aber eigentlich meinte ich dass die Goblins schon hier waren, bevor die Menschen kamen. Sie sind besser darin diesen Ort zu schützen, weil sie ihn länger kennen. Sie wissen besser, wie die Hausherrin ihr Haus beschützt haben möchte, während wir Menschen der Nachbar sind, die zwar ihre Pflicht erfüllen und Wache halten würden, aber ohne den Ort auf die richtige Art und Weise zu beschützen.”

"Hm …", mehr kam nicht aus dem Mund der Baroness. Sie konnte der Geweihten nicht folgen. Vielleicht würden die kommenden Ereignisse dies ändern.

Tsamitrius rutschte näher an Khorena und flüsterte. ”Was hälst du von dieser Aedha? Ich konnte sie nicht als Schwester erkennen, aber … sie hat etwas an sich … etwas mächtiges. Ich meine, nur die Eigeborenen besitzen solch eine Aura. Du bist eine Stimme Tsatuaras. Was denkst du?” Noch immer war ihm die Verunsicherung anzumerken und sein Blick fragend.

Aedha einen abschätzenden Blick zuwerfend, kaute Khorena auf der Lippe, während sie über die Frage ihres Vetters nachdachte. “Ich mag sie nicht.” gestand sie leise. “Eigeboren oder nicht, ihr Verhalten uns gegenüber war nicht gerade nett. Es hätte auch nichts geändert, wenn sie wüsste was ich bin. Da bin ich mir sehr sicher.” Sie sah zu Tsamitrius hinüber. “Was denkst du von ihr?”

„Ich bin ganz deiner Meinung. Egoistisch. Könnte gefährlich werden. Die Schwestern in Schweinsfold sollten von ihr wissen. Die Unwissenden hier sollten wir versuchen, möglichst zu schützen. Die große Mutter ist eine Gebende Göttin.“

“Gewalt kann ich an diesem Ort nicht gutheißen und sie sollte es besser wissen, als hier etwas derart Frevlerisches zu versuchen.” Khorena suchte seinen Blick und zog die Brille soweit herunter, dass sie einander in die Augen sehen konnten. “Sollte sie aber dennoch jemanden hier verletzen wollen, so müssen wir ihr schnell und entschieden entgegentreten, ohne dabei Blut zu vergießen. Ich vertraue da ganz auf deine Fertigkeiten.” Tsamitrius nickte nur. Er war bereit.

Dann stapfte der Ritter langsam auf Aedha zu, versuchte dabei selbstsicher und gelassen zu wirken. Immerhin war er der Erstgeborene und Erbe der Edlen, die Hüterin des Heiligtums und dieser Lande war. Dennoch schienen seine Knie mit jedem Schritt auf die alte und zugleich so junge Hexe hin weicher zu werden. Er hatte daher kaum Augen für die Elfe, die er auf seinem schweren Gang passierte.

Unbeweglich stand Llyilliala im Schatten und ließ den Krieger an sich vorüberziehen. Unbewegt hatte sie auch dem Streit der Menschen gelauscht, aber dabei wieder ihren Bogen aus dem Köcher gezogen, allerdings ohne ihn bislang wieder zu spannen. Sie stützte sich lediglich darauf, einerseits, um zu sehen, ob er in irgendeiner Weise auf die Umgebung reagierte, andererseits, um einen Wimpernschlag Zeit zu sparen, wenn sie ihn brauchen sollte. Denn dafür, dass die Menschen sich bewusst waren, die Goblins hier zu stören, machten sie einen ordentlichen Radau, der den Rotpelzen wohl kaum entgehen konnte.

Noch immer funkelten ihre Augen vor Zorn. Für sie machte es keinen Unterschied, ob vor ihr jemand aus dem Adel oder dem einfachen Volk stand. Keinen Unterschied, ob Kind oder Großmutter. Für sie waren sie alle Grünschnäbel! Törichte Kinder. Schweigend wartete sie ab, wollte die Ausflüchte dieses Bengels hören - bevor ihr Zorn sich ihrer wieder bemächtigte und klare Worte aus seinem Mund zunichte machte.

Als er sie im Mondenschein von nahe sah, wusste Rondrard, dass es Aedha war. So viele Geschichten hatte er über sie gehört, von ihrer Weisheit und ihrer Macht. Sie konnte Rettung in höchster Not sein, doch ebenso sollte ihr Zorn fürchterlich sein. Es hieß, sie sei nicht nur eine weise Frau, sondern eine direkte Tochter der großen Mutter. Und so musste es sein, wie sonst sollte sie in diesem Alter von so makelloser Jugend und Schönheit sein? Selbst seine eigene Mutter, die sonst auf das Gerede des einfachen Volkes nicht allzuviel gab, sprach mit tiefem Respekt von dieser Auserwählten Tsatuaras.
Doch auch wenn ihm nicht wohl war, vor ihr Angesicht zu treten, wollte er dennoch nicht unterwürfig sein. Rondrard nahm all seine Willenskraft zusammen und sah Aedha in die Augen, hielt ihrem Blick stand: "Ich verstehe Deinen Zorn, weise Aedha." trachtete er danach, diese zu besänftigen. "Ich weiß, dass wir alle heute Nacht nicht hier sein sollten. Doch sei gewiss, dass ich diesen heiligen Platz nicht leichtfertig aufgesucht habe. Es war die einzige Zuflucht, die wir diese Nacht noch erreichen konnten, oder wir hätten in den 'bösen Wäldern' genächtigt." Nach diesen Worten senkte er die Stimme und sprach beinahe im Flüsterton weiter: "Und glaube nicht, ich hätte es aus Angst um mich getan - die, aus deren Schoß die Zukunft dieses Landes entspringen muss und die diese Tage beinahe, mitsamt diesen Wäldern hier, zum Opfer des leeren Säckels dieser Baronie geworden wäre, ist bei mir. Ich musste sie zur großen Mutter bringen!"

“Du kommst in einer Nacht der vollen Mada in dieses Heiligtum und sprichst von einem sicheren Ort?” Durch diese Torheit noch weiter angestachelt, loderte ihr Zorn noch heißer. Damals, als Schattenfell noch an ihrer Seite gewesen ist, hätte sie ihn für diese Ausflüchte bereits eine schallende Ohrfeige verpasst gehabt.

“Sicherer als jeder andere Ort, den wir noch erreichen konnten.” hielt Rondrard entgegen, doch entging ihm nicht das immer kälter werdende Funkeln in den Augen der Hexe. “Ich werde dafür Sorge tragen, dass alle hier bleiben und keiner der mit mir gekommenen den Höhlen zu nahe kommt, keiner das Fest zu Ehren Mailam Rekdais stört, das schwöre ich Dir!” schob er in pflichtschuldiger Hast hinterher. Doch wie sollte er dies wirklich sicherstellen, da der unberechenbare Druide dabei war, der auf sein Wort, da war er sich sicher, genau gar nichts gab. In seiner Verzweiflung kam ihm ein Gedanke: “Doch trotz alledem hast Du Recht, Tochter der großen Mutter, in einem habe ich habe tatsächlich gefehlt und damit den Frieden dieses Ortes in Gefahr gebracht.” zeigte sich der Ritter reuig.

‘Diese Kinder, müssten selbst sie es nicht bereits besser wissen?’ Brodelte es in ihren Gedanken. “Und du glaubst, dass sich die Schamanin mit deinem Wort zufrieden geben wird, Kind?” Keine Warmherzigkeit, nichts mütterliches lag in ihren Worten - stattdessen waren es die Worte eines Menschen, der weit mehr Erfahrung besaß.


Ein wenig unschlüssig sah Llyilliala zwischen den beiden Gruppen hin und her. Die Leute waren Fremde für sie und sie war eine Fremde für die Leute, so dass sie nicht erwarten konnte, in dieser angespannten Situation durch einfaches Fragen Antworten zu erhalten - zumindest keine tiefgehenden. Also beschränkte sie sich weiterhin aufs Zuhören, nur wo würde das lohnender sein? Diese seltsame Frau Aedha war so sehr von sich eingenommen, ja arrogant, dass sie sich von ihr nicht viel erhoffte. Andererseits wäre es möglich, dass sie am meisten über diesen Ort wusste, wenn Llyilliala die Andeutungen bisher richtig verstanden hatte. Nochmals ging ihr Blick zu der größeren Gruppe, aber dann gab sie sich einen Ruck und huschte lautlos wie ein Windhauch näher an Aedha und Rondrard heran.

"Ich denke, dass die Älteste verstehen wird, dass ich tun musste, was ich getan habe.” fing Rondrard an, mehr von seiner Hoffnung als von seiner Überzeugung kündend. ‘Und das sogar, obwohl ich nur ein Mann bin.’ "Hätte ich die Baroness alleine hier herumirren lassen sollen? Oder hätte ich vorher zulassen sollen, dass sie auf Phexens Altar geopfert wird und mit ihr diese Wälder? Irgendwann wären sie auch den Landen der Tuluukai brydh-blogai zu Leibe gerückt..."
Er deutete in Richtung Befinna: “Irgendwann musste sie ohnehin jemand hierher bringen - sieh sie dir doch an - so verängstigt und verstört sie auch sein mag, ist SIE die Hoffnung, dass der einst unzerbrechliche Bund zwischen dem Blut der Barone und dem alten Glauben Erneuerung findet.” Aedha gegenüber brauchte er nicht auszusprechen, dass sich Wunnemine offensichtlich von Tsatuara entfremdet hatte, sonst hätte sie diese Wälder und ihre eigene Schwester nicht für schnödes Gold preisgegeben.
“Glaubst Du nicht, dass es ein Zeichen der großen Mutter sein muss, dass es uns ausgerechnet an diesem, uns eigentlich verbotenen heiligen Tage hierher verschlagen hat, und wir dort trotzdem auf Dich, Du Stimme der großen Mutter getroffen sind?” Und mit Khorena auch eine Priesterin Tsatuaras! aber diese verblüffende Erkenntnis sprach er Aedha gegenüber lieber nicht aus - wer wusste, ob und wie weit sich seine Base bereits offenbart hatte.
Zum Schluss senkte er die Stimme, die nun wirklich zu einem Flüstern wurde: “Der einzige schlimme Fehler, den ich mir zuzuschreiben habe, ist, dass ich Befinna nicht vor dem Druiden dort finden konnte, der so sehr nach ihr trachtet…, und ihn auch noch hierher gebracht habe!” Beschwörend sah er Aedha in die Augen: “Wenn wir sie nicht für Tsatuara gewinnen, wird sie ihm gehören.”

Die Hexe sah nicht einmal zur Baroness hinüber. "Nur weil dieses Kind vermählt werden soll, bedeutet das noch lange nicht, dass es seinen eigene Willen aufgeben muss." Nahm sie die Begründung nicht hin. Noch immer zornerfüllt funkelte sie den Ritter an, sie mochte Weise, nicht aber allwissend sein. "Auf Phexens Altar geopfert...", wiederholte sie Rondrards Formulierung, "... was soll ich darunter verstehen?"

"Sie sollte diese Tage verheiratet werden, mit einem horasischen Holzhändler. Sein Gold zur Gesundung des Säckels gegen ihre Hand und ein umfassendes Holzschlagregal." setzte Rondrard Aedha kurz und knapp darüber ins Bild, was er gemeint hatte. "Ich bin mir bewusst, dass Hochzeiten, noch dazu im Adel, oft weit mehr Handel sind als alles andere.” musste er einräumen. “Aber diese Vermählung war voll und ganz gegen ihren Willen, sie hätte diesen also sehr wohl aufgeben müssen. Befinna selbst hat sich ihr durch Flucht entzogen,... und ich habe ihr dabei geholfen. Doch jetzt droht sie von der Fuchtel der Baronin in die Hand dieses Druiden zu geraten..." machte er aus seinen Befürchtungen weiterhin keinen Hehl.

Die Rothaarige schüttelte den Kopf. "Nur weil man das Mädchen verheiratet, heißt das nicht dass es seinen Willen aufgeben muss. Stattdessen könnte es sich mit der Situation arrangieren und seine eigene Position dafür einsetzten um diesen Handel zum Wohle dieser Lande zu wandeln. Was spricht dagegen, wenn das Mädchen ihrem Gatten bei der Wahl der zu fällenden Bäume Vorgaben macht und zugleich kontrolliert neue anpflanzen lässt. Das Leben ist Werden und Vergehen, diese Bäume werden also unweigerlich Teil dieses Kreislaufs werden. Wieso sollten sie nicht den Menschen von Nutzen sein, es schadet diesen Wäldern nicht - sofern kontinuierlich neue Setzlinge gepflanzt werden."
Ihr Zorn war derweil kälter geworden, nicht weniger nur frostiger. Wie konnten diese Grünschnäbel derart Kurzsichtigkeit und im Geist beschränkt sein?

"Dieses Gleichgewicht von Fällen und Neupflanzen, Geben und Nehmen besteht doch längst." insistierte Rondrard, langsam wieder innere Festigkeit fassend. Die weise Frau mochte mehr vom Leben insgesamt und den Geheimnissen des Tanns oder vom Wesen der großen Mutter verstehen wie er. Aber was das Leben und Wirtschaften in den Wäldern anging, hatte er von Kleinauf erfahren. "So nutzen wir unsere Wälder seit Jahrhunderten. Aber es ist ein fragiles Gleichgewicht, auf den kargen Böden hier. Um unsere Siedlungen ist ein stärkerer Einschlag nicht mehr tragbar, so lange wir auch noch unsere Schweine in den Wäldern äsen lassen und Holzkohle oder Glas herstellen wollen und zu unserem Unterhalt die besten Stämme verkaufen und das Geäst verfeuern müssen. Sieh Dir die Hügellande unmittelbar westlich des Tanns an, wo dereinst auch noch Wald war! Was ist dort übrig geblieben außer karge Heide? Wenn das im Norden nicht genauso passieren soll, müsste sich der Horasier hier, im Stammesgebiet der Goblins schadlos halten. Sag Du mir, was das für den Frieden hier in der Gegend bedeuten wird! Denkst Du, das ist zum Gefallen der großen Mutter? Und sag mir auch, wie Befinna ihre Hand über den Tann halten soll, wenn sie mit ihrem Gemahl ins Horasreich gezogen ist - denn glaubst Du, ein solcher Gecke - ich hab ihn gesehen - würde sich selbst hier in Ambelmund niederlassen? Der schickt seine Handlanger..."
Dass ihm neben seiner Sorge um die Wälder, das Heiligtum und den Frieden mit den Goblins schlichtweg bereits der reine Gedanke daran, Befinna an der Hand dieses Stutzers zu sehen, den Magen umdrehte, sprach er nicht aus.

Ein leises, kaltes Lachen erklang aus dem Mund Aedhas. “Wer von den beiden ist Baronin und wer eitler Geck?” Fragte sie und klang weniger Zornig als vielmehr Streng. “Das Mädchen kann selbst bestimmen wo es sein, schalten und walten will. DIe Baronin braucht das Gold, sonst steht sie mit leerer Schatulle da. Kannst du ihr das nötige Gold bieten oder einen Kandidaten herbeischaffen der ihr aus dieser Misere heraushilft? Dann überlege lieber wie du die Situation nutzen kannst, anstatt sie von Herzen auszuschließen.”
Die Grünschnäbel würden nicht mehr verschwinden und es musste sich zeigen wie die Rotpelze auf ihre Anwesenheit reagieren würde, sich deshalb weiter aufzuregen brachte jedoch nichts und so nutzte sie die Gelegenheit lieber um diesen kurzsichtigen Kindern die Augen zu öffnen. “Die Hügellande sind karg, wieso wurden sie noch immer nicht wieder mit jungen Bäumen bepflanzt? Wo sind die jungen Schösslinge der künftigen Wälder? Mit der Macht der Göttin wäre es der Schwesterschaft, der Schamanin und selbst dem Sumen möglich ihr Wachstum zu fördern.”


Llyilliala hatte genug gehört. Hier würde sie wohl nicht mehr erfahren als weitere unwichtige Gedanken, wie die Menschen mit dem Wald umgehen wollten oder auch nicht. Kurz nur regte sich Zorn in ihr, Zorn darauf, wie die Menschen überall gedankenlos die Natur vergewaltigten, aber sie beruhigte sich gleich wieder. Das hier war nicht ihr Wald, nichts verband sie mit ihm. Und immerhin schien Aedha und Rondrard im Grunde daran gelegen, den Missbrauch desselben nach Kräften zu begrenzen, eine Haltung, die unter Menschen eher selten war.
Sie zog sich weiter in die Schatten zurück, dann huschte sie hinüber zur anderen Gruppe. Vielleicht gab es dort noch etwas zu erfahren. Wenn nicht, würde sie sich wieder allein auf die Suche machen. Der Mond schien hell, dies war keine Nacht, in der man ruhen musste.



Mit der Macht der großen Mutter wäre vieles möglich, das musste Rondrard zugeben. Offenbar hatte aber genau das, was eigentlich auf der Hand lag, niemand versucht. Während die Hügel nahe Tommel und Ambla noch saftiges Gras trugen und damit den zahllosen Schafen eine gute Lebensgrundlage boten, war das in den felsigen und kargen Heiden unmittelbar westlich und nördlich des Tanns, in denen allenfalls noch die Ziegenhirten mit ihren genügsamen Tieren ein glückliches, wenngleich bescheidenes Auskommen fanden, anders. Hätte man nur direkt nachgepflanzt... doch jetzt brauchte es schon ein großes Wunder der großen Mutter. Wo der Boden von den Felsen gewaschen war und Ziegen jedem Schössling die zarten Zweige abnagten, war es schwer, dem Walde zur Rückkehr zu verhelfen. Es würde Zeit brauchen, viel Zeit - zu viel Zeit für die Ungeduld der Menschen, die ja von irgendetwas leben mussten. Warum hatten die große Mutter und ihre Dienerschaft hier nicht früher eingegriffen? Er konnte es nicht sagen. Vielleicht, weil die Anhänger des alten Glaubens diesen immer schon und immer mehr im Verborgenen leben mussten? Was würde ein Junker von Lîfstein wohl dazu sagen, würden die gerodeten und erodierten Kuppen im Süden seines Gutes mit Hexenmacht wieder bewaldet? Und umgekehrt - wie würde der alte Glauben im heutigen Tann fortbestehen, wenn ihm die Deckung des Dickichts mehr und mehr genommen würde?
Auch wenn er sich, mit jedem Wort Aedhas ernüchterter, eingestehen musste, dass er - außer vagen Träumereien -keinerlei, vor allem keinen tragfähigen Plan hatte, was sein sollte, wenn sich die Sonne nach dieser Nacht wieder erhob, was er dann mit Befinna anfangen und was diese selbst tun sollte - wurde ihm aus dem Gespräch mit der Hexe wenigstens eines klar: Das Band zwischen dem Baronshaus und dem Glauben an die große Mutter, das - soweit er den Erzählungen seiner Mutter folgte - in den letzten beiden Generationen zusehends dünner und löchriger geworden war, musste wieder erstarken - und war es daher nicht doch gut, Befinna hierher gebracht zu haben?

Der nachdenklich gewordene Ritter setzte gerade zu einer Antwort an, als ihn ein lautes Krachen aus dem Gebüsch nahe der Lichtung herumfahren ließ.

Sogleich war der Zorn der Hexe wieder entfacht, wehe es wagte sich noch ein Unbefugter an diesen Ort!

Späher

Lautlos wie ein Luchs war Llyilliala eins mit dem Schatten des Waldrands geworden, für ein ans Mondlicht angepasstes menschliches Auge, das nicht wusste, dass sie sich dort verbarg, praktisch nicht auszumachen. Aus dem Dickicht am Rand der Lichtung war dies offensichtlich anders - jedenfalls war, als die Elfe in fließenden Bewegungen auf das Strauchwerk zuhielt, unmittelbar neben ihr kurz das Rascheln bewegter Blätter und Zweige, dann, wenige Schritt weiter, ein einzelnes lautes Knacken zu vernehmen, dem zwei-drei hektische Schritte, ein weiteres, nahezu ohrenbetäubend erscheinendes Krachen und das Rascheln und Brechen etlicher kleiner Äste und Zweige folgten. Offensichtlich versuchte jemand oder etwas panisch, sich wieder aufzurichten.

Erschrocken, weil sie nichts sah, ließ Llyilliala sich in die Hocke sinken und legte die Hand an den Griff ihres Wolfsmessers, nachdem sie den ungespannten Bogen vor sich abgelegt hatte. Dann versuchte sie, den Ursprung der Geräusche zu ergründen.

Mit der Ruhe einer erfahrenen Jägerin wob Llyilliala die zweistimmigen Harmonien ihres dhao visya'my ama'e'ra in das Lied ihrer Umgebung, stimmte ein in den Klang allen Lebens, und wie ihre Seele nach diesem rief, so antwortete das Leben ihr, selbst das, welches lieber verborgen geblieben wäre. Zu ihrem Erstaunen wirkte alles um die Elfe herum noch heller, als sie es sonst aus den Wäldern kannte - ein diffuses Glimmen, das auf die überbordende Mannigfaltigkeit kleinerer Tiere zurückzuführen war, die den Waldboden, das tote Holz auf diesem und die lebenden Pflanzen besiedelte - überall schien es zu keuchen und zu fleuchen. Trotz des Kraches, der manch scheueres Tür sicher bereits vertrieben hatte, ehe sie ihr Zauberlied gewirkt hatte, wimmelte es aber auch immer noch von größerem Leben - sowohl aus dem Waldboden als auch in den Baumkronen über ihr nahm ihr inneres Augen das deutliche Leuchten etlicher Wesen war, kleinere und größere Punkte, teils still kauernd, teils in leiser Bewegung, welche am ehesten von zahllosen Karnickeln, die den Waldboden bevölkerten, aber auch Tannhörnchen oder Mardern stammen mochten.

Am hellsten aber war ein sehr viel größerer Leucktfleck, vielleicht fünf Schritt von Llyilliala entfernt im Buschwerk liegend, so viel konnte sie erkennen, der sich, den Geräuschen zufolge, verzweifelt zu erheben suchte. Wenige Schritte weiter konnte sie ein ähnlich großes Wesen erkennen, das zunächst leise wegzuhuschen schien, dann aber kehrt machte und zu dem wesentlich lauteren am Boden zurück schlich. So leise es dies auch versuchte, entging der Elfe weder dessen Bewegung noch der rasche Atem der Kreatur.
Als ihr Lied verklungen war, nahmen ihre an dämmriges Licht bestens angepassten und inzwischen wieder darauf eingestellten Augen, die jetzt auch wussten, wohin sie zu blicken hatten, durch das Unterholz hindurch schemenhaft die struppig bepelzte Gestalt war, etwas länger als ein Zwerg vielleicht, aber von schlankerer Gestalt, die mit ihren überlangen Armen rudernd dabei war, sich wieder hochzuziehen. In diesem Moment gab eine vorübergezogene Schwade das Madamal wieder frei, dessen nun hellerer Schein die Lichtverhältnisse an dieser schattigen Stelle für ein menschliches Auge kaum besserte, aber sowohl für Llyilliala als auch den gestürzten Goblin ausreichten, sich gegenseitig für den Hauch eines Momentes ins Antlitz zu blicken. Die Gesichtszüge des Goblins erstarrten dabei zu einem Ausdruck, den selbst die Waldelfe als Maske des Entsetzens erkannte.

Schrecken war gut - und schlecht. Ein erschreckter Gegner reagierte langsamer - aber oft auch aggressiver. Llyilliala konnte die Situation rund um die Lichtung noch immer nicht richtig einschätzen, deshalb ließ sie für den Moment ihren Instinkten freien Lauf. Und die sagten ihr: Goblin - Feind. Das zweite Wesen klassifizierte sie jetzt einfach ebenfalls als Goblin. Während ihr Geist diese Gedanken formte, stand ihr Körper schon in einer fließende Bewegung auf, wobei er den Bogen wieder hochnahm, und hakte die Sehne ein, um gleich darauf einen Pfeil aus dem Köcher zu nehmen und aufzulegen. “Sanyaza, gobian!” zischte sie, unwillkürlich ins Isdira verfallend. Die nächsten Momente würden über Leben oder Tod des Wesens entscheiden.

Vor Angst noch immer wie paralysiert verfolgte der am Boden liegende Goblin die lautlosen, eher einem gespenstischen Schatten als einem Wesen aus Fleisch und Blut gleichen Bewegungen der Elfe. Erst Llyillialas drohend ausgespiene Worte weckten ihn aus dem Bann, der auf ihm zu liegen schien. "Wjassus blogai!" gab er zunächst noch leise in Richtung des anderen Wesens zu verstehen, ehe er jäh laut aufbrüllte: "Turuvkorvu, iuostu, voruitt suncuua! Wjassus turuvkorvu!" (Spitzohr! Lauf! Warn Suncuua! Spitzohriger Geist!)

Der Goblin schrie nur etwas in seiner unmelodischen, harten Sprache, aber er griff weder zu einer Waffe, noch bewegte er sich auf Llyilliala zu. Sie besann sich darauf, dass der Goblin ziemlich sicher kein Isdira verstand, und versuchte es daher auf Garethi: “Weiche zurück! Was willst du?” Unmerklich nur senkte sie den Bogen.

Verdammt, was hatte die Elfe angerichtet? "Den Bogen runter, schnell!", raunte Rondrard, der zu LLyilliala eilte, dieser von hinten zu.

Als Llyilliala etwas von hinten heranstürmen hörte, fuhr sie halb herum und riss den Bogen hoch zum Schuss. Im letzten Moment erkannte sie den Krieger, der gleichzeitig auf sie einsprach, so dass sie den Pfeil gerade noch halten konnte. Sie warf dem Mann einen undefinierbaren Blick zu, der nicht freundlich aussah, und wandte sich schnell wieder dem Goblin zu.

Vor sich konnte die Angesprochene hören und grob erkennen, wie der Goblin mit der Kraft der Verzweiflung wieder auf die Beine kam und sogleich Fersengeld gab. Dabei stieß er wieder lauthals etwas aus, dass wie "Wjassus turuvkorvu!" klang. Von etwas weiter stimmte offensichtlich ein weiteres Grüppchen in den Warnruf ein.

Als der Goblin floh, senkte die Elfe die Waffe, behielt den Pfeil aber schussbereit.

Verzweifelt versuchte Rondrard, die Goblins zu beschwichtigen, indem er laut in den Wald hinein rief: "Tul rauhar, ei pelko. Ei vaara taati mulla! Huol varmask peura!" (Sinngemäß übersetzt: "(Wir) kommen (in) Frieden - keine Angst! Keine Gefahr (für) Taati Mulla! (Für Eure) Sicher(heit) sorgt (der) Hirsch.)

Dennoch verstummten jäh die Trommeln.

Der Mensch sprach die Goblinsprache, wie interessant. Aber der Stimmlage nach schien er vor etwas Angst zu haben. “Was geht hier vor sich?” wandte sie sich in Garethi an den Krieger. “Warum schleichen die Goblins hier heimlich herum? Ich dachte, aus euren Gesprächen entnommen zu haben, dass ihr hier ‘geduldet’ seid?” Gleichzeitig lauschte Llyilliala weiter auf die Geräusche um sich herum. Nur weil dieser Goblin hier geflohen war, musste das nicht heißen, dass nicht gleich anderswo ein Angriff erfolgte.

Das Schweigen der Trommeln schien den Ritter keineswegs zu beruhigen - eher im Gegenteil. Er legte seinen Finger auf die Lippen und lauschte. Bei jedem Geräusch zuckte sein Haupt ein wenig. "Sie kommen." sprach er schließlich leise aus, was auch Llyilliala angesichts der Geräusch erahnen konnte. Rondrard wirkte darüber besorgt, machte aber keine Anstalten, etwas zu unternehmen.
Stattdessen drehte er sich zu ihr: "Ihr fragtet, was hier vor sich geht? Die Goblins feiern heute ein großes Fest zu Ehren ihrer großen Mutter. Ihr habt sie ja gehört, die Trommeln. Sie wollen dabei unter sich sein. Und wenn wir schon hier sein müssen, sollten wir sie nicht stören. Dann dulden sie uns auch - haben sie die ganze Zeit, denn dass wir hier sind, noch dazu so viele, wissen sie längst... Natürlich beobachten sie uns. Würdet Ihr es anders halten, an deren Stelle?" Er schien keine Antwort auf diese Frage zu erwarten. "Ich hoffe, Ihr habt mit Eurer Drohung nichts angerichtet. Soweit ich weiß, trauen sie Eurem Volk noch weniger als anderen Fremden."

“Das beruht auf Gegenseitigkeit”, gab die Elfe zurück. Rondrard vermeinte sogar, einen gewissen Sarkasmus aus der melodiösen Stimme herauszuhören, welcher im landläufigen Elfenbild keinen Platz hatte. “Und nun? Kämpfen wir oder fliehen wir?” Der Blick, mit dem Llyilliala den Krieger bedachte, war im Mondschatten des Waldes nicht wirklich zu deuten, aber dennoch fühlte Rondrard sich … gewogen.

"Weder noch." antwortete Rondrard zunächst knapp, wieder in die Nacht lauschend. Als er bestätigt sah, was er vermutet hatte, fügte er dem hinzu: "Fliehen ist sinnlos - hier in den Wäldern lauern des Nachts Dinge, denen ich ein ernstes Gespräch mit den Goblins vorziehe. Und Kämpfen ist ebenso falsch wie aussichtlos. Wir würden nur heiligen Boden mit Blut tränken, aber am Ende doch unterliegen. Dazu sind es zu viele." Der Ritter schnaubte laut aus. "Wir werden mit ihnen reden müssen. Und ihr Vertrauen zurückgewinnen." Die letzten Worte hatte er betont langsam ausgesprochen und Llyilliala dabei eindringlich, nachgerade beschwörend angesehen.

Fast hätte Llyilliala laut aufgelacht. Reden. Mit Goblins. Gut, dass sie nicht kämpfen würde, zumindest nicht, um zu gewinnen, war ihr schon vor ihrer Frage an den Krieger klar gewesen, aber sie hatte seine Reaktion sehen wollen.
Doch wenn sie es sich recht überlegte … die Goblins wussten bestimmt mehr über dieses Heiligtum hier, als es die Menschen taten. Vielleicht abgesehen von dieser Aedha, aber diese machte ihr einen äußerst unnahbaren Eindruck.
“Die Goblins haben Angst vor mir - so, wie es sein sollte”, gab sie Rondrard zur Antwort. “Ich werde mich zurückziehen, denn mein Vertrauen werden sie weder suchen noch erwarten.”

Rondrard nickte. "Wahrscheinlich ist das das beste."
Er hatte nicht den Eindruck, dass diese Elfe Ratschläge brauchte - die Bewegungen und Reaktionen, die er vor einigen Augenblicken schattenhaft verfolgen hatte können, aber auch ihr ganzes Auftreten zeugten von der Sicherheit und tödlichen Präzision einer Jägerin und Kämpferin, die er nur ungern zur Gegnerin hätte. Dennoch gab er ihr folgendes auf den Weg: "Lasst Euch nicht sehen. Am besten versteckt Euch hier irgendwo, bis der Morgen graut und ihr diesen Ort gefahrlos wieder verlassen könnt. Und um alles, was Euch heilig ist: wahrt den Frieden!" Der Ritter wollte sich bereits auf zu den anderen auf der Lichtung machen, als er sich noch einmal kurz umdrehte: "Noch etwas: Was auch immer Euch hierher lockte - sucht nicht weiter, als Euch das Leben umfängt…” Der Mondschein offenbarte, wie sein Blick kurz ins Leere ging, dann schluckte er und straffte sich: “Was Ihr jenseits davon findet, wird Euch nicht gefallen."
Mit diesen wie hingeworfenen Worten wandte er sich endgültig ab und stapfte zügig zu den anderen.

Llyilliala sah dem Krieger schweigend nach. Menschen und ihre Geheimnisse. Und wer sagte, dass sie etwas suchte, was ihr gefiel? Mit einem letzten Blick wandte sie sich um und verschwand in den Schatten.

***

Die schöne Eigeborene war nicht glücklich mit den Entwicklungen des Abends, erst all die ungeladenen Gäste und jetzt auch noch diese unglückselige Begegnung. Es gab ein Gleichgewicht, dass zusehends drohte ins wanken zu geraten. Um sich selbst brauchte sich Aedha eigentlich keine Sorgen machen, die Furcht vor ihr war groß genug um Schaden von ihr abzuwenden. Doch galt dies auch jetzt noch, wenn sie allein oder unter ihren Schwestern war, wusste jeder Rotpelz was ihm drohte. Nun aber, in dieser veränderten Lage mit all den ungebetenen Grünschnäbeln, war nicht auszuschließen, dass sich einer der Rotpelze auch an ihr vergreifen wollte.

***

Auch das Grüppchen am Ende der Lichtung wurde durch die Geräusche aus seinen Gesprächen und Kontemplationen gerissen.

Der Hexer horchte auf und machte einen Schnalzlaut. Nur einen Augenblick später erhob sich der Kauz aus der Baumkrone und setzte sich auf Tsamitrius Schulter. Er hoffte darauf, das die Sinne des Vogels mehr wahrnahmen als seine. Seine Rechte glitt langsam zu seinem Wolfsmesser.

"Bei der Gütigen …", entfleuchte es Befinna, "... was … was war das?"

“Beruhige dich. Dir droht keine Gefahr. Ich bin da. Wenn sich das Wesen zeigt wirst du es sehen”, sprach Ulfaran ruhig und sanft.

Khorenas Hand legte sich sanft auf die Waffenhand Tsamitirius’, während sie mit beruhigender Stimme meinte: “Keine Gewalt, Tsamitrius, nicht hier in einem Heiligtum Tsatuaras. ” Lupina indes war aufgesprungen und hatte sich schützend vor der jungen Foldenau positioniert. Sie knurrte erst leise, dann verstummte sie, als Khorena mit ihrer anderen Hand über ihren Kopf strich. “Ganz ruhig, meine Hübsche.”

Mit den Augen, die sein Gefährte Tsamitrius lieh, lösten sich die ineinander verschwommenen Schatten der Nacht und des Waldrands in dämmrige Bilder auf, und wo vorher allenfalls zerflossene Schemen wahrzunehmen waren, konnte der Hexer nun erkennen, wie sich die Elfe in traumwandlerisch anmutenden, fließenden Bewegungen kampf-, oder war es eher jagdbereit? machte. Dabei stieß sie bedrohlich klingende, zischende Laute aus, die so gar nicht mit der sonst so melodischen Sprachführung der Elfen gemein hatte.

Als Antwort war kurz darauf das laute Schreien einer kehligen Stimme zu vernehmen. Diesem folgten raschelnde Geräusche, offenbar von verschiedenen Stellen im Dickicht um die Lichtung herum.

Derweil war sich Befinna unschlüssig ob sie nun aufstehen, sitzen bleiben oder gleich davonlaufen sollte. Sie bekam nicht wirklich mit was eben geschah und dennoch konnte sie die wachsende Unruhe der anderen fühlen.

“Ich glaube die Goblins kommen jetzt und wie es scheint mögen Elfen die Rotpelze nicht”, sagte der Hexer laut in die Runde.

'Wer mochte die schon?', dachte die Baroness bei sich. Rondrard offensichtlich. Sie hatte Wunnemine einmal im Zorn sagen gehört, dass die Tannenfelser 'Goblinkuschler' seien, doch hatte sie diese Wort damals nicht verstanden. Meister Rundarek nannte die Rotpelze gar 'Tiere'. Befinnas Blick ging zwischen Tsamitrius, Ulfaran und Khorena hin und her. Die Gruppe würde sie doch hoffentlich beschützen.

Lioba waren die Rufe und das Geraschel nicht entgangen. Nun wurde es ernst. Sie stand auf, strich ihr Gewand glatt und reichte Befinna die Hand. “Bitte erhebt Euch. Wir bekommen gleich Besuch und es wäre unhöflich sitzen zu bleiben.”

Befinna wirkte irritiert. Sollte sie nun den Rotpelzen Ehre erweisen? Die junge Frau schnaubte unwillig.

Khorena hielt Befinna die Hand hin. “Darf ich Euch aufhelfen, Wohlgeboren?” meinte die junge Adlige freundlich. “Habt keine Angst, Lupina wird, ebenso wie Rondrad, Tsamitirius oder ich selbst, auf Euch aufpassen.” Sie schob sich näher an die Baroness heran und flüsterte in ihr Ohr: “Ihr solltet den Worten Mutter Waldliebs mehr Beachtung schenken, als denen Ulfarans, gerade wenn es um Rondrad geht. Er ist ein guter, treuer Mann, dem viel an Euch liegt.”

Zögerlich nahm sie die Hand der Frau und ließ sich aufhelfen. Khorenas Worten begegnete sie, indem sie ihren Kopf schief und ihre Stirn in Falten legte. “Das habe ich heute schon öfters gehört, edle Dame … alleine mir fehlt der Glaube. Wäre Mutter Waldlieb nicht eben gerade so offen gewesen, wüsste ich immer noch nicht wo ich bin. Es ist eine seltsame Weise jemandem seine Zuneigung zu zeigen, indem man unehrlich und verschlossen ist, meint Ihr nicht?”

“Seine Beweggründe kann ich Euch nicht nennen, das kann nur er selbst. Aber vielleicht solltet Ihr ihn danach fragen, wenn sich die Zeit dafür ergibt.” Khorena bedachte die Baroness mit einem nachdenklichen Blick. “Zu gerne würde ich dieses Thema noch mehr vertiefen, doch fürchte ich, dass uns die Goblins vorerst keine Zeit dafür lassen werden.” Ihr Blick wanderte über den Saum des Waldes.

Ulfaran erhob sich ebenfalls und stützte sich demonstrativ auf seinen Stock. Er spitzte die Ohren und schärfte die Augen. Wenn er eingreifen würde müssen, dann war er bereit.

Befinna folgte dem Blick der Anderen. Ihre Hände ballte sie zu Fäusten - so fest, dass sich ihre Nägel in die Handflächen gruben. Sie war nervös was hier kommen mag.

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