Haffax Feldzug Gallys Die Faenge Der Dunklen Mutter

Die Fänge der Dunklen Mutter (16. ING)

Inhalt:

Es war ein langer, heißer Tag gewesen. Die Geschäftigkeit im Feldlager war längst versiegt. Der Staub hatte sich gesenkt und die Dämmerung war der Nacht gewichen, als Marbolieb durch die scheinbar chaotisch platzierten Zelte des Regimentes Ingerimms Hammer schritt. Ihr Ziel war ein Feuer am Rande des Platzes, auf dem sich die Hammerschwinger niedergelassen hatten. Dwarosch hatte ihr den Weg beschrieben, doch es dauerte eine Weile, bis sie sich zurechtfand. In der Dunkelheit wirkte alles beliebig und die wenigen Feuer zwischen den Planen der behelfsmäßigen Ruhestätten spendeten nur unzureichend, flackerndes Licht. Als ihr Marsch endete stand sie zwischen drei Ein- Mann Zelten, in deren Mitte sich eine kleine Feuerstelle mit gusseisernem Dreibein befand. An einer kurzen Kette hing ein kleiner Topf, welcher wohl ebenfalls aus Guss gefertigt war. Von ihm ging ein intensiver Geruch nach Pilzen aus. Am Feuer befanden sich drei Angroschim. Zwei von ihnen lagen auf einfachen Decken und hatten ihre Köpfe auf Rucksäcke gebettet. Sie schliefen und schnarchten vernehmbar. Zugedeckt waren sie nicht, das war bei den immer noch angenehmen Temperaturen auch nicht notwendig. Allerdings trugen sie wie am Tage ihre Kettenhemden. Der dritte der Zwerge die sich vor ihr befand war Dwarosch. Er saß mit freiem Oberkörper und ausgestreckten Beinen an sein großes Rundschild gelehnt, welches leicht schräg nach hinten durch zwei halbe Zeltstangen abgestützt stand. Ein Schneidersitz wäre bei diesen massigen Oberschenkeln wohl auch kaum möglich gewesen, welche sich unter der Kettenhose abzeichneten. Der ehemalige Söldner hatte die Augen geschlossen und sah entspannt aus, seine Miene zeigte keine Regung, jedoch schien er nicht wie die anderen in Borons Armen zu liegen. Die Pfeife aus hellem Bein in seinem Mundwinkel rauchte beständig und ab und an kam ein solcher auch zwischen seinen Nasenflügeln hervor. Morbolieb ließ ihren Blick über seinen unbekleideten Oberkörper gleiten. Dieser war an Brust, Schultern, Nacken, sowie Ober- und Unterarmen von zwergischer Ornamentik bedeckt. Darin eingebettet waren nicht nur Rogolan- Schriftzeichen, nein, zu finden waren auch die viel älteren Angram- Runen. Die Geweihte hatte sie nur einmal in einem Lehrbuch über das kleine Volk gesehen, konnte beide Arten unterscheiden, jedoch nicht entziffern. Was jedoch herausstach waren einmal vier lange, scheinbar alte Narben, welche Schräg über dem Bauch verliefen und von der riesigen Tatze eines großen Bären, schlimmeren oder ähnlichem zu stammen schien und die Tätowierung eines Schwertkreuzes, welche offensichtlich über und in die Narben der sonst ungeschmückten Haut über dem Bauch gestochen worden war. Während sie noch regungslos dastand und ihn betrachtete sagte dieser unvermittelt und im ruhigen Ton:

“Tretet doch näher eure Gnaden. Schön das ihr Zeit gefunden habt mich zu besuchen. Ich habe noch etwas Pilzsuppe, wenn ihr mögt. Es ist ein einfaches Mahl, aber es ist auch für Menschen verträglich. Mir sind die für euch so schwer verdaulichen, teilweise sogar giftigen, mineralischen Gewürze längst ausgegangen.” Er öffnete die Augen und lächelte sie an. Etwas was zur Gänze im Kontrast zur Erscheinung des bulligen Zwergen zu stehen schien. Offensichtlich hatte er abgenommen, denn seine noch in Gratenfels leicht untersetzte Gestalt war nun deutlich schlanker. Aber dies änderte nichts an seinem fassartigem Torso. Eine einladende Geste an seine Linke folgte, wo eine ordentlich zusammengelegte, saubere Decke lag. “Ich bin euch dankbar, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid. Ein ernstes Gespräch mit einer Geweihten des Herren des Todes führe ich lieber in mir vertrauter Umgebung. Naja, so vertraut wie es eben geht. Nun verratet mir doch endlich was ihr mir sagen wolltet, ich zermartere mir seit euren vertraulich an mich gerichteten Worten das Hirn deswegen.” (Stefan [Dwarosch] 25.04.16)

Marbolieb setzte sich auf die gefaltete Decke und schnupperte in Richtung des Topfes. Es roch verheißungsvoll. „Euer Angebot nehme ich gerne an.“ Sie legte ihre Kapuze ab, betrachtete den Angroscho einige Atemzüge lang schweigend und ließ die Umgebung auf sich wirken. Und was sie sah, war durchaus beeindruckend. Ihre leicht gebräunte Haut, zusammen mit ihrem dunklen, kurz geschorenen Haar und ihren dunklen Augen verriet, dass ihre Wiege einst in den praioswärtigen Gegenden des Reiches gestanden haben mußte, und ganz leicht klang ein almadanischer Zungenschlag in ihren Worten mit. Die Geweihte mochte ungefähr Mitte Zwanzig sein und maß einige Finger über acht Spann.
Ein leicht verwunderter Blick traf das Gesicht Dwaroschs nach seinen letzten Worten. „Ihr habt den Herrn von Rabenstein darum gebeten. Er hat mich hergeschickt.“ Aufmerksam betrachtete sie die Züge des Angroscho, und der Widerschein der Flammen spiegelte sich in ihren ruhigen Augen. Es machte nicht den Anschein, als sei ihr diese Nacht am Lagerfeuer unangenehm. (Tina [Marbolieb] 25.4.16)

Unverständnis stand dem Angroscho ins Gesicht geschrieben. Es dauerte bis sich Erkenntnis zeigte, er die Augen weit öffnete und begriff. “Den Adligen bei der Seelenprüfung meint ihr. Ich verstand seine Worte nicht, sprach er doch in Rätseln. Nun ja, jedenfalls erschien es mir so. Aber ich stand auch noch unter dem Eindruck eines…”, er stockte, rang mit sich, nur um dann resignierend, schwer auszuatmen. “Ich hatte einen Tagtraum, den mir nur die Herrin der Untoten geschickt haben kann. Es waren die verzerrten Bilder eines Ereignisses, welches ich einst selbst durchlebt habe, als der untote Kaiserdrache von Warunk seine Horden am Todeswall gegen uns ins Feld führte. Seither plagen mich Albträume. Sie waren ein Grund warum ich die Korknaben verließ, meinen Hochkönig bitten musste mich freizustellen. Ich schaffte es über Jahre dies alles zu vergessen. Nein, ich konnte es lediglich verdrängen, denn nun ist alles wieder da.” Sein Kopf senkte sich bis sein Kinn auf der breiten, behaarten Brust lag. “Könnt ihr mir helfen?” Seine Stimme war zu einem flehenden Flüstern geworden. Und im Zwielicht des Feuers meinte Marbolieb eine einsame Träne auf seine blanke Brust tropfen zu sehen. (Stefan [Dwarosch] 26.04.16)

Sachte legte Marbolieb ihre Hände unter die bärtigen Wangen Dwaroschs und hob seinen Kopf, bis er ihr in die Augen blickte. Warm waren ihre bloßen Hände. Sie fand und hielt seinen Blick. Wie ein dunkler, stiller See waren ihre Augen, tief und ohne Grund. Ruhe lag darin – und eine Stärke, die ihn umfing und hielt.
Weit weg waren mit einemmal die Geräusche des Lagers, und vergessen die tanzenden Funken des Feuers, das die Nacht doch nicht zu erhellen vermochte. Weich, wie der Flügelschlag einer Motte oder die sanfte Berührung einer Feder, waren die Worte der Geweihten. „Es ist gut. Ich bin jetzt hier.“ (Tina [Marbolieb] 26.4.16)

Dwarosch war innerlich im Aufruhr und das fand seinen Widerhall in seinen Augen, denn diese huschten unstet hin und her. Dann, mit einer sich beruhigenden Atmung fanden auch seine Augen einen Halt, einen Anker in den ihren. Seine Tränen verebbten und er hatte das Gefühl in Marbolieb zu versinken, zu ertrinken, aber er fürchtete sich nicht. Nach einer scheinbaren Ewigkeit, in der er ihr Wesen in sich aufgenommen hatte und selbst zu einem inneren Ausgleich gekommen war, welchen er verloren geglaubt hatte, fand er Worte.
„Die Jahre seit der Dämonenschlacht an der Trollpforte habe ich stets und immer Ruhe gemieden, denn mit ihr kommt der Schlaf und die finsteren Träume, welche mit seither verfolgen. Ich habe mich mit Gebranntem und Rauschkraut betäubt und nur dann geschlafen, wenn die Erschöpfung mich übermannt hat. Die Ruhe die euch umgibt verheißt Frieden. Mir fehlen die Worte es anders auszudrücken eure Gnaden. Ich kann euch nur inständig bitten mir zu helfen. Glaubt mir wenn ich sage das ich alles dafür tun würde wieder frei von dem zu sein, von diesen Albträumen.“
Nachdem er geendet hatte sah er ins Feuer, nahm eine kleine, hölzerne Schale mit einem Löffel aus Bein darin von seinem Platz neben der Feuerstelle, lehnte sich vor und goss ihr mit der Schöpfkelle aus dem Topf über dem Feuer etwas von der Pilzsuppe ein. Als er ihr das Gefäß mit der dampfenden Flüssigkeit und den geschnittenen Pilzen darin reichte fuhr er fort.
„Ich habe vor vielen Jahren, zu meiner Zeit als Untergebener des Hochkönigs einige Golgariten im Felde kennengelernt. Sie erzählten mir viel von eurer Kirche, auch wenn ich nicht weiß ob ich alles verstanden habe. Dennoch erinnere ich mich daran dass es diverse Orden und auch Heilige gibt und das ein Teil eurer Glaubensgemeinschaft sich mit Träumen beschäftigt, ist das richtig? Boron gebietet ja auch über sie, nicht nur über den Tod.“ Darf ich fragen ob ihr einem Orden angehört und was eure Profession innerhalb der Kirche ist? (Stefan [Dwarosch] 27.04.16)

Marbolieb nahm mit einem dankenden Nicken die Suppe entgegen und hielt die warme Schüssel in ihren Händen. „Ich werde Euch helfen.“ So gut sie dies vermochte. Was, so der Schweigsame dies zuließ, viel sein würde. „Doch dies wird seinen Preis einfordern. Von euch wie vor mir.“
Marbolieb steckte ihre Nase in den Dampf, der aus der heißen Schüssel aufstieg. Die Suppe, trotz ihrer einfachen Inhaltsstoffe, duftete verheißungsvoll. Sie kostete einen Löffel voll, schloss die Augen und befand sie für gut. Langsam und genüsslich speiste sie und setzte schließlich die leere Schale neben sich.
„Träume sind die Fingerzeige unseres Herrn. Diese und Vergessen gehören zu seiner Sphäre, hier habt ihr recht.“ Sie überlegte einige Atemzüge lang. „Ich stamme aus dem Gebrochenen Rad, dem Haupttempel Borons in Punin.“ Ihre Augen musterten das Antlitz des Angroscho. „Traumdeutung ist, was ich tue – und Heilkunde verletzter Seelen. Beides ist eines.“ Sie holte Luft und setzte eine kurze Erklärung hinterher. „Kein Orden.“
Träume.
Lockend. Treibend. Fordernd.
Federsanft. Mit der Kraft einer Urgewalt.
Langsam atmete sie ein. Und aus.
Still betrachtete sie Dwarosch, und es schien, als entginge nichts ihren ruhigen Augen.
„Hat Eure Narbe mit den Alpträumen zu tun?“ Ereignisse, die das gesamte Sein eines Menschen – oder in diesem Fall Zwergen – erschütterten, waren oft auch körperlicher Art. Körperliche Wunden heilten rasch – die Wunden der Seele dagegen wucherten und fraßen sich oft über Jahrzehnte weiter, wenn ihnen keine Heilung zuteil wurde. ‚darf ich?’ fragte ihr Blick, während ihre Hände ruhig übereinandergelegt in ihrem Schoß ruhten. (Tina [Marbolieb] 27.4.16)

Er nickte. „Ich bin bereit jeden Preis zu zahlen, alles zu tun, um endlich wieder frei zu sein. Ich will mein Leben nicht länger davon bestimmen lassen. Die Angst vor jeder Nacht, vor jedem bisschen Ruhe, vor dem Schlaf macht mein Dasein nicht mehr lebenswert.“ Grimmige Entschlossenheit sich seinen inneren Dämonen zu stellen zeigte sich in Dwaroschs Zügen. Marbolieb wurde klar dass er sich nun stellen musste, denn sein unterschwelliges Verlangen dies alles zu überwinden würde ihn bald in den Freitod führen. Im Laufe des Feldzuges würden sich Gelegenheiten bieten mit Ehre vor seinen Schöpfer zu treten, ohne das andere die Schwäche erahnen konnten, die ihn vorantrieben. „Ich bitte euch, verlangt von mir was ihr wollt, nur lasst nicht noch mehr Zeit verrinnen!“
Sein Blick wanderte an sich herab zu den vier tiefen Narben über seinem Bauch. Ein Mundwinkel verzog sich zu einem müden Schmunzeln. „Bitte.“ Dies Wort klang wie eine Aufforderung. Es folgte eine kurze Pause bis er weiter erklärte. „Ja und nein ist die Frage auf eure andere Frage. Es ist nur ein Teil des Grauens und geschah am Ende der Schlacht an der Trollpforte. Es war ein Zsant, ein Dämon dem ich meine Deckung öffnete. Ich war zu erschöpft für einen langen Kampf, den hätte ich nicht gewinnen können. Meine Rüstung hat das meiste abgehalten, mein Spieß jedoch fand im selben Moment da seine Pranke mich traf seinen Weg durch seinen nach Verwesung riechenden Leib und er verging. Vorher jedoch riss er mich um, landete auf mir und raubte mir die Möglichkeit mich zu bewegen. Aufgespießt rutschte er langsam den Spieß herab, mir entgegen. Mit aufgerissenem Maul zappelte er, schnappte nach mir und versuchte mich mit in den Tod zu reißen. Was ich in dem unendlich Abgrund des Schlundes sah, welches sein reißzahnbewehrtes Maul darstellte, war das Chaos der siebten Sphäre und auch dies trägt zu dem Schrecken bei, den ich empfinde, wenn ich an diese Schlacht denke. Ich wurde bewußtlos. Im herüberdämmern sah ich durch halb geschlossene Lieder die sieben gleißenden Strahlen von Alveran herabstoßen, welche Borbarad gerichtet haben sollen. Dann war es dunkel um mich. Meine Haare waren Schlootweiß danach und ein großer Graueinschlag ist geblieben, während das weiß herauswuchs. Ich war damals nicht einmal einhundertundzwanzig Jahre alt, der Jugend gerade entwachsen. Naja, bei uns ist weißes und graues Haar ja unabhängig vom Alter möglich. Erwacht bin ich erst viel später im Feldlazarett. Seither habe ich kaum eine Nacht ohne Rausch Frieden gefunden. Gab es kaum eine Nacht ohne Heimsuchung der dunklen Mutter, denn es war nicht der Dämon der mich so verstört hat, es waren diese Horden an Untoten und allem was damit verbunden ist. Die Ausweglosigkeit gegen eine solche Übermacht, dass der Feind immer wieder aufgestanden ist, es nur halb den Kopf vom Rumpf zu trennen, das eigene, gefallene Kameraden sich neben einem noch auf dem Schlachtfeld zu untoten Gegnern erhoben und mich angriffen, alles…“ Seine Stimme wurde immer leiser, bis sie brach. (Stefan [Dwarosch] 28.04.16)

Sacht glitten Marboliebs Fingerspitzen über die wuchtige Narbe auf dem Bauch des Zwergen und verharrten dort. Ihre Augen blieben in jenen Dwaroschs verhaftet, während sich seine Geschichte entspann wie der Faden einer Garnrolle. Wärme ging von ihrer Hand aus und löste einen eiskalten Knoten, von dessen Existenz der Angroscho bislang nichts gewußt hatte.
„Und doch hast Du überlebt.“ Irgendwann im Laufe seiner Geschichte war ihre Hand zu seinem Haupt gewandert, wo sie nun ruhte, ruhig und warm und ein sicherer Anker im Hier und Jetzt. „Gezeichnet durch die Widersacherin, die nach Dir ruft.“ Einige Atemzüge lang schwieg sie, ihren Blick in seinen Augen verankert. „Lang war Dein Weg. Doch jetzt bist Du hier.“ Marbolieb nahm ein kleines Fläschchen von ihrem Gürtel und öffnete es. Der herbe Duft nach Zedernholz, Kräutern und Gewürzen umschmeichelte Dwaroschs Nase.
‚Fürchte dich nicht.’
Hatte sie dies ausgesprochen? Oder war es nur ein Unterton in ihren Worten, der wie ein Versprechen mitklang? Sie benetzte einen Finger mit dem duftenden Öl und zeichnete damit die Form eines gebrochenen Rades auf die Stirne Dwaroschs. Tröstlich war die Berührung und warm die Spur des Salböls.
„Und zu uns gehörst Du.“
Die Flammen in der Feuerstelle knisterten und sandten Funken in die hereinbrechende Dunkelheit. Die Schatten wuchsen und bildeten einen dunklen Mantel, der beide einhüllte.
„Lass’ uns ein paar Schritte gehen. Später werden wir gemeinsam beten.“ Langsam erhob sich die Priesterin und hielt Dwarosch ihre Hand entgegen. (Tina [Marbolieb] 28.4.16)

Er war verunsichert, das spürte sie, davon sprachen seine Augen, doch es war keine Angst, vielmehr war es die Erwartung an das Unbekannte, an das was kommen würde und das er nicht würde vorhersehen können. Aber er wollte es, er wollte diesen Schritt gehen, mit jedem kleinen ihm noch verbliebenen Funken seines Lebenswillens. Die Esse seines Lebens durfte nicht länger nur schwach vor sich hinschwelen, sie sollte hell und heiß brennen, verzehrend, wie sie es einst getan hatte. So dauert es einen kurzen, zögerlichen Moment bis er mit der seinen, einer Hand die einen Ballen besaß, welcher einem Hühnerschenkel glich, so kräftig war sie, nach ihrer zierlichen Hand griff und sich aufhelfen ließ.

Still gingen sie vorbei an den Kontrollfeuern am Rande des Feldlagers und an den Wachen die dessen Grenzen patrollierten. Er begann wo es angefangen hatte, kurz nach seiner Geburt. Dass er nie das große Talent für ein Handwerk gehabt hatte, wie sonst allen Erzzwergen zuteilwurde. Das er immer ein Sonderling gewesen sei und das er irgendwann, kurz nach seiner Feuertaufe, von einem entfernten Vetter mit auf Reisen genommen wurde. Er berichtete von seinen ersten Begegnungen mit den kriegerischen Amboßzwergen, mit Söldnern, deren Geschichten und Leben ihn fasziniert hatten. Von den ersten Handelszügen die er mit der Waffe in der Hand begleitete hatte und von der Aufnahme in die legendären Korknaben.
Seine Füße fanden einen Weg, sie folgte und hörte auf ihre eigene, stille Art einfach nur zu. Es folgten die verstörenden Eindrücke eines ganzen Menschenlebens voller Krieg, Entsetzen und Dingen, die eine normale Seele längst in den Strudel der Verderbnis gerissen hätten. Dass Zwerge ein für Menschen unverständlich hohes Alter erreichten, konnte für ihre seelische Gesundheit eine große Herausforderung sein. Über fünfzig Jahre als Mann der Waffe, welcher viele Leben genommen, viele Kameraden begraben, aber vor allem unzählige Grausamkeiten hatte sehen, ertragen müssen.
Stunden vergingen, Stunden in denen er sein Herz vor ihr ausschüttete, sich selbst ausweidete, so erschien es ihr. Er lachte, weinte, sein Gesicht zeigte Freude, Leid und tiefste Abgründe die ein sterbliches Wesen empfinden mussten bei alle dem. Doch all das war nur der Prolog zu dem was folgte. Sein ganzes Leben schien unweigerlich auf diesen einen Moment zugestrebt zu sein, indem er auf Befehl des Hochkönigs aller Zwerge mit einer großen Elitegruppe der Korknaben den Sturm auf die Trollmauer begann, während die dritte Dämoenschlacht tobte und ihren Höhepunkt erreichte. Wie er es erzählte musste sein Leben einem großen Plan entsprochen haben, etwas, das er weder begreifen noch fassen konnte, doch er schien unterschwellig überzeugt davon. Nur hätte er nach diesem Plan sterben müssen, das hörte sie heraus. Er sah sich als ein Überbleibsel einer vergangenen Zeit, als wenn er nicht mehr hierher gehören solle.
Die Erzählung der Schlacht war derart lebendig, sein Blick in diesen Momenten so abwesend das es einem jeden der ihm zugehört hätte klar hätte werden müssen das er diesen Ort, das Schlachtfeld nie verlassen hatte. Seine Seele war noch immer dort gefangen. Es endete, als sie auf dem Todeswall die letzten Untoten besiegten, eigene, gefallene und wiederauferstandene Kameraden enthaupteten und ihn der Rachedämon, der Zsant anfiel, in einem Moment, da er vor Blutverlust kaum noch bei Sinnen war und vor Erschöpfung kaum noch stehen konnte. Dann folgte Schweigen und sein Blick kehrte nicht wieder ins hier und jetzt zurück. Sein Körper zitterte und seine Lieder flackerten. Marbolieb kannte den Ort an dem er sich befand, sie würde seine Seele nach Hause begleiten. (Stefan [Dwarosch] 28.04.16)

In einem langen Bogen hatten ihre Schritte sie zum Zelt des Zwergen zurückgeführt, an den Ort, an dem ihre Wanderung begonnen hatte. Wortlos ließen sie sich nieder, und Marbolieb bettete den Zwergen auf sein Lager. Sie kniete sich neben den Angroscho und legte ihre Rechte auf seine schweißnasse Stirn. Mit geschlossenen Augen verharrte sie eine Weile, lange genug, bis ihr Herzschlag langsam und gleichmäßig klang und der Atem Dwaroschs sich, langsam, ganz gemächlich, diesem angenährt hatte. Stille wand sich wie ein Tuch über beide, mehr, als es in dem umtriebigen Lager möglich war.
„Heilige Noiona, siehe, verwirrt ist der Geist dieses Zwergen und voll Unruhe und Qual. Verleihe ihm Stärke, auf dass er der Widersacherin entrinnen mag. Lass’ ihn Weisheit und Ruhe finden und schenke ihm Deinen Frieden. Gib ihm neue Kraft und lass’ ihn zurückfinden zu seinem Glauben. So sei es.“
Laut und vernehmlich klang das Schlagen ihres Herzens in Marboliebs Ohren – langsam, ruhig und vollkommen eins mit aller Umgebung. Ein stiller, machtvoller Fluss, der durch sie hindurchströmte, die Gestalt des Zwergen vor ihr berührte und umschloss und ihn umhüllte, wie eine Mutter ihr Kind bergen mochte, oder die stille Umarmung eines Grabes jenen, der hineingebettet wurde. Ein ruhiger Ort, fernab aller Geschäftigkeit und allen Treibens – fernab allen Getrieben-seins. Geborgen und sicher.
Frieden schenkend.
Und Gewißheit.
Über einen Weg, den es zu beschreiten galt, klar und deutlich sich zeigend an dieser Grenze zwischen Wachen und Traum. (Tina [Marbolieb] 28.4.16)

Ihre Worte waren wie Balsam für ihn, wie ein wärmender Pelz in der tiefsten Kälte der dunklen Jahreszeit. Eines Winters, so wie er ihn im nördlichen Bornland einst erlebt hatte. Sie spendeten Gelassenheit, Vertrauen und Ruhe. Ruhe vor der er sich nicht fürchtete. Ein Gefühl das er vergessen geglaubt hatte. ER spendete Frieden durch seine Dienerin. Diese Erkenntnis streifte ihn sanft wie die fallende Feder eines Raben im Übergang in SEINE beschützenden Arme. Was ihn erwartete war nichts als Dunkelheit. Sie umfing ihn, hüllte ihn ein und erfüllte sein ganzes Wesen, sein Dasein mit dem, was er von allen Empfindungen am stärksten begehrte, innerem Frieden. (Stefan [Dwarosch] 29.04.16)

ls er erwachte war er allein und völlig desorientiert. Wie lang hatte er geschlafen? Es war die Art Orientierungslosigeit, die einem nach langem, tiefem Schlaf überfiel.
Langsam erhob er sich, rieb sich die Augen und erkannte das die Sonne bereits lange aufgegangen sein musste. Die Schatten, welche die anderen, großen Zelte warfen und die er als Schemen auf der Plane seines erahnen konnte waren bereits kurz. Ein Gefühl von Dankbarkeit erfüllte ihn. Er war erholt und ausgeruht. Wie lange hatte er sich nicht mehr so gefühlt? So sendete er stumm ein kurzes Gebet an den Herren der Todes und der Träume für dieses Geschenk. Seine Dienerin hatte gehalten was sie versprochen hatte und er würde nicht hadern und sich ihr weiter anvertrauen. Hoffnung war das sich in seiner Empfindung mit Gewalt in ihm ausbreitende Gefühl der nächsten Tage. Mit neuem, ansteckendem Enthusiasmus ging er der ihm zugewiesenen Arbeit als Herold nach und suchte jedem Mut und Trost zu schenken, unbewusst etwas von dem weiterzugeben, das ihm widerfahren war.

Noch am selben Tag, es war später Abend, nachdem er alles Tagewerk verrichtet hatte, suchte er das Zelt Marboliebs auf. Nur in einer leichten Hose aus wildem Leder und einem ungefärbten Hemd aus Wolle trat er ein. Er sagte kein Wort, nickte ihr nur mit einem Lächeln dankbar zu, trat an ihr vorbei an den kleinen Reisealtar ihres Herren und ließ sich schwer auf die Knie fallen, senkte den Kopf und verharrte in so in stiller Einkehr.
Nach einem halben Stundenglas etwa erhob er sich und wandte sich der Geweihten zu. “Ich muss Euch danken. Das was ihr mir zum Geschenk gemacht habt ist mit keinen weltlichen Gütern aufzuwiegen. Ich bitte euch mich auf diesem Weg weiter zu begleiten und mich zu lehren wie ich meine Worte angemessen an euren Herren richten kann. Ich habe noch zu keinem der Zwölf gebetet bis zu diesem Tag. Dies ist allein euer Verdienst, hatte ich doch bisher keine entsprechend positive Meinung von euren Göttern.” (Stefan [Dwarosch] 29.04.16)
Sie war hinter ihn getreten, still und ruhig, ohne ihn zu stören. Als er geendet hatte und aufblickte, reichte sie ihm die Hand, um dem Angroscho auf die Beine zu helfen. Mehr eine Geste denn eine echte Hilfe war es, ungleich kräftiger war Dwarosch als die zierliche Geweihte.
„Das werde ich.“ Wenige Worte nur, doch warm und wie eine weiche Berührung, einer Feder gleich. Den Tod fürchteten die Menschen, und mehr noch jenen, der ihn brachte. Und vergaßen dabei, was die stillen Geschwister, Schlaf und Tod, bedeuteten: Frieden.
Leicht legte sie ihre Hand auf den Scheitel „Möge der Schweigsame Dich behüten und führen und Dich aufnehmen, wenn Du vor ihn trittst.“ Einige Atemzüge lang ließ sie der Ruhe Raum, die das kleine Zelt erfüllte, dem Duft von Räucherwerk gleich. „Du bist hier stets willkommen.“ (Tina [Marbolieb] 29.4.16)

Dwarosch kam jeden Tag, früh am Morgen bevor die Sonne aufging und kurz nach Untergang des Praios- Rundes. Sie wechselten nie viele Worte, das Gebet war ihre Sprache und ihre gemeinsame Zeit währte meist nur ein halbes Stundenglas, aber der feste Ablauf schien dem Angroschim zu gefallen, Halt zu geben und seinem Wesen zu entsprechen, denn er schien immer zur exakt identischen Zeit zu ihr zu kommen. (Stefan [Dwarosch] 29.04.16)

Es war der dritte Tag nach ihrer gemeinsamen Traumreise gewesen da Dwarosch am Morgen, früher wie sonst üblich vor ihrem Zelt auf sie wartete. Er sah traurig aus, seine Haare waren zerzaust und er wirkte ein wenig übernächtigt. Dies erkannte sie als sie die Plane ihrer Behausung öffnete und er noch dem bunten Treiben des Lagers seine Aufmerksamkeit schenkte. Als sie heraus trat wandte er sich ihr zu und sah sie an. Marbolieb erkannte, dass sich seine Züge aufhellten. “Eure Gnaden, ihr hattet Recht. Die Träume sind zurückgekehrt, wenn auch nicht in der gleichen Intensität. Dennoch habe ich es vorgezogen nicht weiterzuschlafen.” Die Bitte die ihm unausgesprochen auf den Lippen lag verstand sie auch ohne Worte. (Stefan [Dwarosch] 29.04.16)

Marbolieb nickte. Und trat zur Seite, den Weg in ihr Zelt, vor den kleinen Feldaltar des Rabenherrn, freigebend.
„Lass uns beten.“ Es würde den aufgewühlten Geist Dwaroschs besänftigen und stärken für diesen Tag, ihn Ruhe finden lassen, wenn die Dämmerung kam.

Eine kurze Andacht war es nur, gemeinsam mit dem Angroscho, ein stilles Gebet ohne Worte für den Herrn des Schweigens, des Ewigen. Unergründlich in seinen Wegen und Willen und doch Versprechen und Zuflucht allem Sterblichen.
Gelehrt hatte sie den Zwergen, die rechten Gesten und die rechten – wenigen - Worte zu wählen, auf dass er den Weg finden mochte vor die unerbittlichen Augen des Rabengottes, Herrn über Schlaf, Vergessen, Traum und Tod.
In einer Feuerschale neben dem Altar schwelten Räucherkräuter und erfüllten das innere des Zeltes mit einem feinen, unaufdringlichen Duft, nicht mehr als ein Kitzeln in Nase und Geist, eine Ahnung an den federleichten Wimpernschlag der Zeit.
Und so mochte es nur ein paar Atemzüge oder aber ein Wassermaß sein, bis beide, erquickt wie nach tiefer Ruhe, wieder aufblickten.
„Komm heute Abend zu mir.“ Fast ein Flüstern die sanfte Stimme der Priesterin. „Ich werde dich segnen.“ (Tina [Marbolieb] 29.4.16)

Seine Augen leuchteten ein wenig, er schien ergriffen, vom Gebet, aber auch von ihren letzten an ihn gerichteten Worten. „Ich werde rechtzeitig hier sein, Euer Gnaden. Habt Dank!“ Er griff sich an eine kleine Gürteltasche und reichte ihr mit beiden Händen ein zusammengefaltetes, helles Leinentuch, indem sich etwas Weiches zu befinden schien. „Nehmt dies als Zeichen meines Willens den Weg den ihr mir aufzeigtet zuende zu gehen. Es sind edle Rauschkräuter aus dem Süden, aus Brabak. Ich werde sie nun nicht mehr brauchen, um mir Ruhe zu verschaffen, will sie nicht mehr brauchen!“ Er schüttelte bekräftigend den Kopf. „Aber ich habe auch gehört das solch Kraut zu bestimmten Riten in euren Tempeln verwendet wird. Vielleicht sind sie auch eine angemessenes Opfer an den Herren der Träume und des Todes.“ (Stefan [Dwarosch] 29.04.16)

Warm war die Berührung von Marboliebs Fingern, als das kleine Bündel es aus Dwaroschs Händen nahm.
„Hab Dank.“ Ihre Augen leuchteten. Sie würde es in Ehren halten und gebührend verwenden. „Das sind sie.“ Achtsam legte sie das Leinentuch beiseite, neben den Klappaltar. Still schritt sie mit dem Angroscho zum Eingang ihres Zeltes und sah ihm nach, als er in das grelle Licht des Morgens hinaustrat und davonschritt. Der Abend würde kommen. Bald schon. (Tina [Marbolieb] 29.4.16)