Haffax Feldzug Gallys Barsch Und Eber2

Barsch und Eber 2 (13. ING abends)

- oder: wie man eine Frau gewinnt (oder doch nicht)

Inhalt:

  • Der junge Nordmärker Baronet Jost Verian von Sturmfels-Maurenbrecher freit um die Koscher Junkein Nale von Boltansroden. Um seinem Interesse Ausdruck zu verleihen, lädt er sie zu einem romantischen Essen in sein Lager ein. Gemeinsames Bad im Anschluss inklusive. Leider verlässt die Dame von Boltansroden die Veranstaltung eher als von Jost geplant...

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Jost Verian von Sturmfels-Maurenbrecher, der ungestüme Baronet aus Hlutharswacht, lief am Abend des 13.ten ING aufgeregt in seinem Zelt auf und ab. Immer wieder kontrollierte er den gedeckten Tisch, rückte hier ein Glas nach rechts, zog hier die Tischdecke gerade und besah sich wiederholt im Spiegel. Er trug ein weinrotes Wams, gegürtet mit einem feinen, braunen Wildledergürtel und hohem Kragen. Der Stoff des Wamses war sehr leicht und luftig gewoben und umschmeichelte Josts athletische Statur. Dazu trug er eine enge beige Hose aus ebenfalls leichtem Material. Die Stiefel, die Ira in stundenlanger Arbeit blitzeblank poliert hatte, waren schwarz mit weinroten Stulpen versehen, die die Farbe des Oberteils wieder aufgriffen. Auf eine Kopfbedeckung hatte er, nach langem hin und her, verzichtet und sich lieber die schulterlangen, dunkelblonden Haare ordentlich gewaschen und frisiert, so dass sie in, wie er fand, verwegenen Wellen nach hinten lagen. Auf einen Umhang hatte er auf Grund der sommerlichen Hitze verzichtet. Schmuck trug er keinen, abgesehen von einer goldenen Kette, die zwischen seinem Kragen aufblitzte und ansonsten unter dem Wams verschwand.

Als seine Knappin den Gast zu seinem Zelt geführt und angekündigt hatte, trat er daraus hervor und dankte Ira für diesen Dienst. Wie er nachmittags schon mit ihr besprochen hatte, sollte sie den Abend nun mit Sigiswolf von Flusswacht verbringen, der ihr mehr über das Führen von Ein- und Ausgabelisten einer Baronie beibringen sollte. Teil der Strafe, die er ihr aufgebrummt hatte.

Als Ira sich zurückgezogen hatte, wendete er sich voll und ganz seinem Gast zu:

„Edle Dame von Boltansroden, seid willkommen. Es ist mir wahrlich eine Freude, euch wieder zu sehen. Ich kann euch versichern, dass mein Zelt mäusefrei ist.“ Er lächelte sie offen an, seine grünbraunen Augen funkelten im Abendlicht und Fackelschein.

„Euer Hochgeboren“, grüßte sie den Baron mit einem dezenten Lächeln auf den Lippen zurück und erwiderte scherzhaft: „Das will ich doch stark hoffen, sonst müsse ich glauben, es hätte doch etwas mit den Nordmärkern zu tun...“

Sie trug ein dunkelgrünes, schlicht gehaltenes Wollkleid, welches ganz eng an ihrem Oberkörper saß und erst ab der Hüfte weiter wurde und dazu eines ihrer hochgeschlossenen, weißen Unterkleider mit einem aufwändig in schwarz besticktem Kragen. Auf Höhe der Taille trug sie ihren Gürtel, der ihre schmale Taille nur noch mehr betonte.

„Es ist mir eine große Ehre“, hob sie an, machte eine ausladende Geste mit ihrer Hand und deutete auf ihren Pagen, „Das ist Fernando Núñez von Graytenau, mein Page“

Artig grüßte auch der Page den Baron.

Dieser blickte kurz verdutzt den Pagen an, von oben bis unten in der Hoffnung, dieser würde wie eine Sinnestäuschung verschwinden. „Seid auch Ihr willkommen, mein Junge.“ ‚Du bist ein Vollidiot, Jost. Ehrlich, dachtest du, sie würde zu eurem ersten Treffen alleine kommen? Stell mal dein Hirn an, sonst kannst du das gleich vergessen‘

Er hob dann die Zeltplane hoch, um sie eintreten zu lassen. „Wollen wir? Ich denke, nach den Geschehnissen gestern, von denen ihr mir ausführlich berichten müsst, könnt Ihr einige Momente der Unbeschwertheit sicher genießen.“

„Gewiss doch“, Nale nickte und trat ein, ihr Page dicht hinter ihr, „Ein bisschen Zerstreuung bei all den Geschehnissen ist sicher nicht verkehrt“

Das Zeltinnere war, trotz der Temperaturen, von sanften Kerzenlicht erhellt. Auf dem Tisch in der Mitte hatte er ein leichtes und köstlich riechendes Mahl anrichten lassen. Verschiedene Weine warteten darauf, gekostet zu werden und die bequemen Lehnstühle hatte der junge Baron (denn als solcher fühlte er sich langsam) nebeneinanderstellen lassen. Er wollte keine störenden Tischkanten zwischen sich und seinem Gast.

Sie blieb beim Tisch stehen und wartet auf ihren Gastgeber, welcher sogleich hinter den Stuhl trat, den er Nale zugedacht hatte. Tatsächlich standen nur zwei Gedecke auf dem Tisch, wie die Junkerin feststellen konnte. Er zog den Lehnstuhl höflich zurück, so dass sich Nale setzten konnte. Als er den Stuhl an den Tisch schob, strichen Josts Hände kurz und sacht über Nales Schultern, was diese für ein Versehen hielt, bevor er dann direkt neben ihr Platz nahm.

Für einen Moment schien der Baron, den Nale als recht wortwitzig in Erinnerung hatte, nicht zu wissen was er sagen sollte. Er blickte vom Pagen zu Nale, zum Tisch und wieder zum Pagen bevor er sich leicht zu Nale hinüberneigte: „Verehrte Dame von Boltansroden, Ihr müsst meine Schusseligkeit entschuldigen, ich hatte nicht damit gerechnet, dass Ihr eine Begleitperson mitbringt. Wünscht Ihr, dass ich ein weiteres Gedeck aufsetzen lasse oder kann er sich meiner Knappin anschließen? Diese erhält in dieser Stunde von meinem ersten Ritter, Sigiswolf von Flusswacht, eine Unterweisung in monetärer Verwaltungslehre. Sigiswolf müsste euch ja noch ein Begriff sein, aus unserer gemeinsamen Zeit in Angbar. Ich habe jedenfalls vor, euch selbst mit Speis und Trank zu bedienen und hoffe von Herzen, ihr seht darin keinen Affront gegen die guten Sitten?“

„Er hat schon gegessen“, erwiderte Nale lediglich und nickte, „Ein weiteres Gedeck wird also nicht vonnöten sein, sorgt Euch also nicht...“

Einen Augenblick hielt sie inne, dachte über die Worte des Barons nach, musterte den Baron schließlich aufmerksam, zog ihre Stirn kraus,was Jost absolut entzückend fand,und wollte dann doch bereits ein wenig irritiert wissen: „Und warum sollte ich ihn auch nicht mitbringen? Es ist seine Aufgabe... ich glaube nicht, dass ich Euch erklären muss, was die Aufgaben eines Pagen sind, nicht wahr? Was für eine bessere Gelegenheit gäbe es? Wie oft darf ich schon Gast bei einem Baron sein?“

Sie lachte und versuchte damit ihre Unsicherheit zu überspielen und mit ein wenig Humor die Situation zu entschärfen.

„Und zu Eurer Knappin, zu dieser... diesem Mädchen? Er kann Mädchen nicht leiden, noch nicht und für Unterweisungen in der Führung eines Lehens ist er noch zu jung und ihn allein durchs Lager zu schicken ist unverantwortlich“

Jost atmete durch, was er recht schnell bereute, als er den Geruch wahrnahm, der von der Junkerin von Boltansroden ausging. Er musste nicht lange nachdenken, als ihm die Geschichte einfiel, die sich heute mit dem Stinktopf im Lager der Koscher ereignet hatte. Aber zum Glück hatte er ja Vorbereitungen getroffen. Ein Lausbubenlächeln schob sich auf sein Gesicht, als er nach etwas frischem Brot und guter Butter langte, das Brot schmierte und schließlich mit etwas Honig beträufelte. Dies reichte er Nale, die es entgegennahm, einen Augenblick nachdenklich anschaute, ein wenig blass um die Nase herum wurde und es schließlich vor sich auf den Teller legte, bevor er erwiderte: „Ich hatte noch nicht das Privileg, einen eigenen Pagen auszubilden. Ein Knappe reicht mir beim Feldzug völlig, aber daheim, wenn all das hier vorbei ist, werde ich mich auch dieser Aufgabe stellen.“ An den Pagen gewandt: „Du kannst dort auf dieser Liege Platz nehmen. Einige Bücher sind in diesem Regal, und auf dem Tisch, wenn Du Dir die Zeit vertreiben willst.“ In einer Ecke des doch recht großen Zeltes war eine Liege nach bosparanischer Manier aufgestellt, mit einem kleinen Tisch in Reichweite, auf dem einige Schriftrollen und Bücher lagen.

Der Page schaute Nale unsicher an. Er verstand vermutlich genauso wenig warum der Baron ihn nicht hier haben wollte, wie sie. Die Junkerin nickte ein wenig entnervt und er ging zu den Büchern hinüber und tat zumindest so, als würde er sich damit beschäftigen, schaute aber immer wieder aufmerksam zu den beiden hinüber.

Dann drehte er sich erneut seinem Gast zu. „Sagt, hattet ihr Gelegenheit der Geschichte des alten Gebäudes in eurem Moor nachzugehen?“

Er bestrich sich selbst ein kleines Stück Brot und biss manierlich davon ab. ‚Wie lange wir wohl noch diese Annehmlichkeiten genießen können? Bald wird es hier nur noch trocken Brot und Rauchfleisch geben, Rahja, lass mich genießen solange es geht.‘

„Ein wenig“, gestand sie und musterte das Brot auf ihrem Teller und wurde nur noch blasser, dann schaute sie wieder den Baron an, schaute dabei zu wie er aß und fragte sich, wie sie diesen Abend nur überleben sollte. Welchen der Götter musste man anrufen, wenn man befürchtete, man müsse sich vor einem Baron, auch wenn sie den ganzen Tag weder etwas gegessen noch getrunken hatte, übergeben? Als wäre es nicht genug, dass sie noch immer das Gefühl hatte unangenehm zu riechen...

„Ich stinke, nicht wahr?“, wollte sie von ihm wissen, ihre Wangen färbten sich rot und sie wandte ihren Blick schamerfüllt von ihm ab, „Es tut mir so leid, aber... Meine Kleider haben ich gleich verbrennen lassen, weil der Geruch ohnehin da nicht mehr rauszubekommen gewesen wäre und Alvide hat mich geschrubbt, bis ich das Gefühl hatte, sie hätte mir die Haut abgezogen; bedauerlicherweise scheint das alles nichts gebracht zu haben...“

„Was müsst Ihr nur von mir denken...“, sie nickte, dann versuchte sie sich an einem Lächeln und schaute ihn mit glitzernden blauen Augen an, „Welchen dieser Weine mögt Ihr am liebsten?“

Ehrliches Mitgefühl machte sich auf dem Gesicht Jost Verians breit, als er die Nöte der jungen Junkerin erleben musste. Gleichzeitig sah er in ihre Augen und musste an den Moment in Angbar denken, als sie alleine unter dem Sternenhimmel standen, Sternschnuppen über den Nachthimmel zogen und sie über den Moment vor dem ersten Kuss sprachen. Gänsehaut zog über seine Arme und seinen Rücken.

„Mein liebster Wein? Das ist jener Roter hier“ Er langte nach einer Flasche mit grün-goldenen Lettern. Gelesen an den Hängen in der Nähe Belhankas und so leicht und lieblich wie die Feste dort. Er macht den Kopf nicht schwer, beflügelt nur ein wenig und wenn ich ihn trinke, trägt mich sein Geschmack fort zu der schönsten Stadt, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Aber ich fürchte, meine Liebe, Ihr könntet ihn jetzt nicht Recht genießen.“ Er stellte die Flasche wieder auf den Tisch und stand auf. Während er ihr die Hand reichte, fuhr er mit leiser Stimme fort. „Ich habe mir erlaubt, etwas für euch vorzubereiten, nachdem ich von eurem Missgeschick heute früh gehört habe. Wollt ihr mir hinters Zelt folgen? Euer Page bleibt derweil hier, dies ist nicht für seine Augen bestimmt.“

„Warum nur fühle ich mich gerade an Imma von Schellenbergs Piratenbraut erinnert?“, sagte sie mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen.

Als sie, mit Hilfe seiner starken Hand, aufgestanden war, lies er ihre nicht los, sondern hielt sie fest in der seinen, jedoch ohne ihr dabei weh zu tun. Dann führte er sie zu einem hinteren Ausgang durch das Zelt, das über zwei weitere abgetrennte Kammern verfügte.

Dort fand sie einen mit Leinentüchern abgetrennten Bereich, in dem ein großer Badezuber stand. Kerzen waren im Kreis um das Bad entzündet und ein kleines Servierbrett schwamm auf dem noch dampfenden Wasser, und wartete mit zwei Weingläsern auf sie.

„Wenn ich so kühn sein darf, würde ich euch ein gemeinsames Bad vorschlagen. Es wird euch entspannen und ich selbst werde euch von den Erinnerungen an heute Morgen befreien.“ Er trat, immer noch ihre Hand halten, nah an sie heran. „Auch die Sterne leuchten uns wieder, wie in Angbar, wie in dem Moment, als ihr euch in mein Herz geschlichen habt. Ihr erinnert euch an jenen Moment? Den, als wir davon sprachen, wie es ist, sich fast zu küssen?“ Er fasste mit seiner linken ihr Kinn und hob ihren Kopf sanft an, blickte dabei in ihre funkelnden, blauen Augen.

Und küsste sie.

Aus Reflex verpasste sie dem Baron erst einmal eine Ohrfeige, dann schaute sie ihn etwas entsetzt an, teilweise erschrocken über ihn, aber auch erschrocken über sich selbst.

„Euer Hochgeboren, was war das denn jetzt?“, fragte sie ihn verwirrt und schüttelte ein wenig entsetzt ihren Kopf, „Ihr wollt mir doch nicht ernsthaft erklären, dass es in den Nordmarken üblich ist sich vor dem Baden zu küssen?“

Josts erste Reaktion wäre Enttäuschung gewesen, wenn ihre Frage nicht gewesen wäre. So fasste er diese Ohrfeige nicht als Ablehnung auf, schob sie vielmehr auf ihre Unerfahrenheit. Also verbeugte er sich artig vor der Junkerin, trag einen Schritt von ihr zurück um sie nicht einzuengen und erwiderte mit einem Lächeln: „Meinen Respekt für eure Rechte, die hat es in sich. Und nein, ihr habt völlig Recht. Natürlich küssen wir uns in den Nordmarken erst während oder nach dem Baden, so will es die gute alte Tradition.“

Und er fing an, sich zu entkleiden und stieg rasch in das warme Wasser. Er drehte sich dabei schicklich um, so dass nur sein muskulöses Hinterteil und der glatte, haarlose Rücken zu sehen war. Erst im Bad drehte er sich zu ihr um und grinste sie frech an, spritze sogar ein wenig Wasser in ihre Richtung.

Sie atmete tief durch, biss sich auf die Lippen und entgegnete ihm, wobei ihre Stimme vor Wut zitterte: „Ich weiß nicht, wie man... bestimmte Dinge in den Nordmarken handhabt, ich weiß nichts von den Belangen eines Barons, noch dazu eines nordmärkischen, ich kenne Euch und Euer Haus kaum, ich bin eine einfache Junkerin aus dem Kosch, aus einem Haus mit Tradition und Anstand, uns verlangt es nicht nach höheren Ämtern, dafür sind wir für unseren tadellosen Ruf und unsere Demut bekannt.“

Nale holte Atem und machte wirklich keinerlei Anstalten ihm zu folgen.

„Und Ihr beleidigt mich, Euer Hochgeboren, Ihr beleidigt mich auf eine Art und Weise, wie es noch nie ein Mann zuvor getan hat. Ihr kränkt mich!“, verzweifelt schüttelte sie ihren Kopf, ihre Wangen rot vor Zorn und Scham über sein Verhalten. Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre sofort gegangen, warum sie es nicht tat, verstand sie auch nicht so recht. Er war gewiss ein ansehnlicher Mann, sie hatte ein wenig länger auf seinen Hintern gestarrt als sie es sich eigentlich eingestehen wollte, aber er schien nur zu gut über seine Wirkung auf das weibliche Geschlecht zu wissen...

„Was beabsichtigt Ihr eigentlich mit dieser ganzen Scharade hier zu erreichen? Erst versucht Ihr meinen Pagen fortzuschicken und nun versuchte Ihr, ja, was eigentlich genau?“

Er bewegte sich an den Rand des Zubers, wo er die Arme heraushängen lies. „Scharade? So empfindet ihr dies? Habt ihr jemals daran gedacht, dass es auch andere Formen des Werbens um eine schöne Frau gibt, Formen, die der heiteren und schönen Herrin Rahja zu Ehre gereichen? Nale, ich hege Gefühle für Euch. Und glaubt mir, wären wir in der Heimat, würde ich Euch, mir, Zeit lassen. Doch wo sind wir hier? Umgeben von tausenden von Kämpfern ziehen wir in den Krieg, den größten der letzten Jahrzehnte. Wisst Ihr, ob Ihr Überleben werdet? Ich nicht. Und ich weiß aber was ich will, was ich jetzt will. Weshalb sollte ich damit warten, wo ich nicht weiß, ob nicht Ihr oder ich von einem feigen Attentäter gemeuchelt werden?“ Seine Stimme wurde drängend, fast flehend, als er seine Hand nach ihr ausstreckte. „Ich entschuldige mich dafür, dass Ihr euch beleidigt fühlt. Denn das lag gewiss nicht in meiner Absicht. Ich hörte nur von den Anschlägen heute Morgen und hatte Furcht, Euch zu verlieren, bevor ich Euch gewinnen konnte. Ich habe Angst, am Morgen nach der Sternennacht alleine zu sein. Daher hatte mich auch euer Page gestört, denn Romantik ist etwas für zwei, nicht für drei. Und ja, ich bin ein Draufgänger, war es, solange ich nicht die Bürde des Barons auf meinen Schultern trug. Doch das bin ich jetzt, und ich muss an die Zukunft meiner Baronie denken. Daher habe ich heute um euch geworben, auf die schönste und rahjagefälligste Art, die ich mir nur vorstellen konnte. Ich dachte, ich könne Euch damit erreichen. Ich habe mich wohl geirrt.“

Langsam ließ er seine Hand sinken.

„Im Angesicht des Todes sind auch schon bei erfahrenen Kämpfern die Gefühle durcheinandergeraten“, sie nickte geradezu verständnisvoll und blickte ihn sanftmütig an, „Der Tod Eures werten Vaters, die damit verbundene Last auf Euren Schultern, nun seid Ihr für eine Baronie verantwortlich, müsst bald damit beginnen eine Frau zu suchen, für einen Erben sorgen und das alles gerade im Angesicht des Feindes, des möglicherweise nahenden Todes. Die Konfrontation mit unserer eigenen Sterblichkeit ist eine Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen und eine Flucht in die rahjanischen Freuden sorgt nur dafür, dass die Angst vor dem Tod im ungünstigen Augenblick zurückkommt. Irgendwann holt sie uns alle ein. Glaubt nicht, dass ich Euch nicht verstünde und Rahja, als eine der Zwölfe, zu huldigen ist durchaus ein Zeichen von Demut, aber einer einzigen unverbindlichen Rahjasnacht kann ich einfach nichts abgewinnen, denn das was ich suche, was ich will ist die Liebe und zwar jene die Rahja- und Traviagefällig ist, denn was kann es schöneres geben als sich demjenigen hinzugeben, den man aufrichtig liebt?“

„Ihr denkt, mir ist nur an dieser Nacht gelegen? Mir ist an vielen, vielen Nächten und auch Tagen mit euch gelegen, verehrte Nale. Wie erklärt Ihr euch denn die Tatsache, dass ich, sobald wir uns hätten wiedersehen können, dies auch verfolgte? Ich denke an euch, seit jener Nacht in Angbar. Da war ich noch kein Baron, der Krieg war fern und ihr in meinen Augen schon lieblich anzusehen. Und ich dachte, da wäre etwas, auch in Euren Augen, am angbarer See. Seht mich an und sagt mir, dass ich Euch egal bin, und ich werde Euch nicht mehr belästigen. Oder habe ich mich getäuscht?“

„Wie könnte ich sagen, dass Ihr mir egal seid? Egal sind mir nur diejenigen, die ich nicht kenne. Euch aber kenne ich, wenn auch nur äußerst flüchtig“, ging sie zumindest kurz auf seine Frage ein und begann ein wenig nervös auf und ab zu gehen. Die ganze Situation war ihr unangenehm, hatte er da tatsächlich seine Liebe zu ihr gestanden?

„Ihr müsst meine Vorsicht verstehen“, bat sie, „Euch eilt ein gewisser Ruf voraus was Frauen betrifft und ich kann und will es mir nicht leisten zu einer Eurer Eroberungen zu werden, habe ich doch meinem zukünftigen Ehemann nichts anzubieten außer mich selbst, meinen tadellosen Ruf und meiner Demut. Und woher wollt Ihr überhaupt wissen, ob Ihr es mehr als eine Nacht mit mir aushaltet oder ich mit Euch? Ihr kennt mich nicht und ich kenne Euch nicht. Sich in etwas hineinzustürzen, dass nicht einmal durchdacht wurde, könnte uns beide ins Unglück stürzen und wenn Euch tatsächlich so viel an mir liegt, wie man Euren Worten entnehmen kann, dann könnt Ihr das nicht wirklich wollen. Wenn Ihr ernsthaftes Interesse habt, dann gebt den Dingen Gelegenheit sich zu entwickeln“

Wie ein Kind ließ sich Jost rücklings in den Zuber fallen, tauchte kurz unter und, die nassen Haare schüttelnd, so dass auch Nale von Wassertropfen getroffen wurde, gleich wieder auf.

„So, ich habe einen Ruf? Welchen denn, wenn ich fragen darf? Dass ich gern Rahjas Geboten folge? Dann habt ihr Recht gehört. Doch wie ein jeder Eroberer will ich mich nicht mein Leben lang nach dem nächsten Schatz umsehen, sondern den einen finden, der so hell leuchtet, dass jedes Geschmeide und Gold daneben verblasst. Aber Ihr habt in einem Recht, wir kennen uns nur wenig. Das wollte ich, wenn auch auf meine eigene, zugegeben ungestüme Art, ändern.“ Er seufzte in seinem Zuber und lachte Nale gequält an. „Aber, wenn Ihr wünscht, gebe ich uns Zeit. Versprecht mir nur nicht zu sterben, bevor ich Euch davon überzeugen konnte, dass ein gemeinsames Bad eine wunderbare Möglichkeit ist, jemanden kennen zu lernen. Und eins muss ich jedoch sagen. Um zu wissen, ob man mehr als eine Nacht mit jemanden verbringen möchte, ist es zumeist hilfreich, diese Nacht auch mit jemand zu verbringen. Denn nicht nur Ehre und Demut und ein guter Ruf machen eine Ehe aus, auch wie sich jemand im Krieg der Laken schlägt, ist von Bedeutung für eine glückliche Zeit.“

„Sorgt Euch nicht“, versicherte sie ihm und nickte selbstsicher, „Golgari wird mich nicht holen, dieses mal nicht und das kann ich Euch sogar versprechen!“

Dann kam sie näher auf ihn zu, trat so gut es ging neben ihn, beugte sich zu ihm herab und blickte ihn an. In ihren Augen glänzte ein merkwürdiger Funke, der jeden Augenblick entweder erlosch oder aber ein Feuer zu entfachen vermochte. Vorsichtig und ganz langsam legte sie die Fingerspitzen ihrer rechten Hand gegen seine noch feuchte Wange.

„Ich mag Euch, das kann ich nun wirklich nicht bestreiten und warum sollte ich das auch?“, sie sprach ganz leise und gefühlvoll, geradezu beseelt, dabei ließ sie ihre Finger andächtig von seiner Wange über den Hals bis zu seiner Brust hinabgleiten, „Nachdem Ihr mir gestanden habt, dass Ihr an mich dachtet als uns die Zorganpocken niederstreckten, während ich nur darniederlag und die Götter um Gnade angefleht habe, war ich tief beeindruckt von Euch und ich begann nachzudenken. Mit jedem Abend den ich damit zubrachte in die Sterne zu schauen änderten sich meine Gedankengänge immer mehr. Zuerst dachte ich, so muss ich gestehen, ihr seid ein Schwätzer und ein Schönling, der den rahjanischen Freuden ein wenig zu sehr zugetan ist und wie Ihr gerade eben selbst eingeräumt habt, scheint letzteres auch durchaus zuzutreffen. Doch je öfter ich zu den Sternen sah, desto öfter dachte ich, dass es vielleicht gar nicht so ist wie ich glaubte und dass Ihr sicherlich ein ehrbarer Ritter seid, der sich allen zwölf Tugenden gleichermaßen verpflichtet fühlt, Ihr lediglich jung und ungestüm seid, so wie wir es doch alle einst waren, aber aufrichtig und mit einem guten Herz und schlussendlich ist es doch genau das was zählt, nicht wahr?“

Ein reizendes Lächeln legte sich über ihre Wangen.

„Ich denke also ich habe sie bestanden“, sie straffte sich und nahm ganz langsam ihre Hand von seiner Brust, „Eure Prüfung. Ich verstehe zwar nicht so recht, warum es Euch notwendig erschien mich eben solcher zu unterziehen, aber gewiss werdet Ihr Euch etwas dabei gedacht haben, was verstehe ich denn schon von den Belangen eines nordmärkischen Barons und dem was ihn umtreibt?“

Sie hielt kurz inne, dann fuhr sie jedoch fort: „Und was für eine Ritterin wäre ich, wenn ich mich im Angesicht des Todes nackt zu Füßen eines Mannes werfen würde? Was würde das über mich aussagen? Und gerade Ihr, der Ihr im lieblichen Feld ward, Ihr müsst doch sehr genau wissen was einer Frau gefällt, wie man das von ihr erhält, was man sich so sehnlichst wünscht, wie man sie umgarnt, wie man ihr Komplimente macht, welche ihr dezente Röte ins Gesicht treiben und wie man ihr letztendlich die Liebe gesteht, warum also solltet Ihr Euch mir gegenüber wie ein ungehobelter Rohling verhalten, wenn nicht um mich zu prüfen?“

Zu sagen, Jost war perplex, wäre untertrieben. Der Baron spürte noch die Stellen auf seiner Haut, an denen Nale ihn berührte, gleich einer feurigen Spur von seiner Wange bis zu seiner Brust herab. Als sie ihre Finger fortnahm, war es ihm, als würde es sogleich kalt und kälter werden und er wollte am liebsten ihre Hand nehmen und sich an die Wange drücken. Als die Junkerin dann aber von einer Prüfung sprach, die er ihr wohl auferlegt hatte, verstand er die Welt nicht mehr. Und als sie ihn dann noch als ‚ungehobelten Rohling‘ titulierte, fing sein Blut kurz an zu kochen, jedoch nicht vor entflammter Leidenschaft. Natürlich wusste er, dass er sie nicht prüfen wollte, das konnte er ihr jetzt nur nicht sagen, ohne sich als Rohling zu bestätigen. ‚Verdammt, was mach ich nur? Ich dachte doch nur, es wäre jetzt eine gute Idee, Rahja zu huldigen während wir uns kennenlernen. Dass sie so umständlich ist hätte man mir ja mal ruhig sagen können. Aber hättest du etwas anders gemacht? Ehrlich? Nein, na also. So, und jetzt? Wenn sie wüsste, wie schamlos und zügig die jungen Damen im lieblichen Feld einem zeigten, was sie wollten, sie würde wohl vor Fremdscham verbrennen.‘ Der Gedanke an eine Nale, deren, wie er fand, viel zu unfreizügige Kleidung von ihrem Leib verbrannte, amüsierte ihn. Und aus diesem Amüsement heraus gebar er eine Idee, die seine Augen wieder aufblitzen ließen.

„Meine Liebe, ich muss Euch wohl demütig um Verzeihung bitten für mein Auftreten. Mögt Ihr mir bitte das Handtuch dort reichen, so dass ich mich ankleiden kann? Danach würde ich Euch vorschlagen, begeben wir uns zu Tisch. Dort warten noch einige Leckereien auf uns, natürlich nur, wenn Eure Zeit dies noch zulässt.“ Er begann, sich langsam aus dem Wasser zu erheben, natürlich ohne anstößige Anblicke preiszugeben. Obwohl er sich sicherlich nicht anstößig fand, im Gegenteil.re

Angekleidet geleitete er Nale wieder in das Zelt, wo er ihr noch einen Vorschlag vortrug: „Meine Liebe, ich scheine für unser erstes Treffen nicht den richtigen Ton getroffen zu haben. Mögt Ihr mir wohl die Gunst erweisen und, so Ihr mich nach diesem Abend wiedersehen mögt, unseren zweiten Abend in Eure Hände nehmen? Ich bin neugierig, wie Ihr ein Rendezvous mit mir ausrichten würdet. Und versteht dies bitte nicht als Prüfung, denn das ist keine. Nur, wie Ihr schon so schön sagtet, eine Möglichkeit uns weiter kennen zu lernen.“

„Bei mir?“, wollte sie von ihm ein wenig entsetzt wissen, „Ich könnte Euch wohl kaum das bieten was Ihr gewohnt seid! Ein für Eure Ansprüche karges Mahl und eine Partie Rote und Weiße Kamele wäre alles was ich Euch anbieten könnte, umgeben von den meinigen versteht sich, wenn Euch das genügt, dann lasst es mich wissen. Ihr seid jederzeit willkommen!“

Ihre Hand griff nach seiner: „Ich sehe keinerlei Hindernisse, wenn Ihr mich besuchen wollt nur... ich bin eben eine Junkerin und kann euch kaum das bieten, was ihr gewohnt seid...“

Sie schaute sich demonstrativ um und versuchte sich anschließend an einem Lächeln, ließ dabei jedoch seine Hand los.

„Die letzte Zeit scheinen alle Männer in meiner Gegenwart Hesindes Gaben zu verlieren...“, Nale wirkte merkwürdig nachdenklich, sogar ein wenig erschüttert, „Erst mein werter Vetter, der sich übermäßig um mich sorgt, wenn nicht gar zu sagen viel zu übertrieben und am liebsten jeden meiner Schritt überwachen würde, dann Aeladir von Waldbachtal der sich gar todesmutig zwischen mich und einige Räuber stellte, als könnte ich nicht selbst auf mich aufpassen, als wäre ich keine Ritterin und jetzt Ihr, ganz abgesehen von meinem Vater und meinen Brüdern...“

Damit setzte sie sich und bat: „Gesteht Ihr mir nun einen Becher Wein zu?“

Jost schenkte langsam und bedächtig vom Belhankaner Rotwein ein, erst einen Becher, dann einen anderen. Er reichte Nale den ihren und prostete ihr zu. „Auf euch. Genießt den Tropfen, ich will euch für einen Moment nicht weiter mit Worten ablenken.“

Und er setzte sich ebenfalls, die Haare noch nass, und beobachtete ihre Reaktion aufs genaueste. Jedoch nicht ohne selbst von dem guten Wein zu nippen und dabei genießerisch zu lächeln.

Ein wenig später nahm er ihr vorher Gesagtes wieder auf: „Mag es vielleicht sein, dass Ihr es nur nicht gewohnt seid, Männer in eurer Gegenwart zu haben, die euch ergeben sind? Euren Vetter zumindest davon ausgeschlossen.“ Er lachte kurz auf. „Denn wenn Männer dabei sind, ihr Herz an eine schöne Maid zu verlieren, fällt das Denken oft schwer.“ Fügte er mit einem feinen schmunzeln hinzu.

„Und bezüglich Eurer Befürchtungen, meinen Ansprüchen nicht genügen zu können, lasst euch gesagt sein, dass Eure Anwesenheit mich völlig zufrieden zu stellen vermag. Die Umgebung mag mir für ein nettes Gespräch fast egal sein.“ Er neigte sich ihr zu und griff ihre rechte Hand mit seiner linken und begann, ihren Handrücken sanft mit seinem Daumen zu streicheln. „Ihr müsst mir nur versprechen, in Bälde, wenn Phexens Schätze am Himmel zu sehen sind, einen Spaziergang zu unternehmen, nur mit euch allein. Dann bin ich gewillt, jede Gesellschaft Eurerseits zu begrüßen.“

Er ließ ihre Hand noch nicht los.

Über Nales Wangen legte sich ein hübsches Lächeln.

„Vortrefflich gesprochen, Euer Hochgeboren“, entgegnete sie ihm und nickte, „Das klingt ganz nach dem Jost, den ich vor kurzem kennenlernen durfte“

Erst da fiel ihr auf, dass sie ihn einfach so beim Vornamen genannt hatte und über ihre Wangen legte sich ein zarter rosa Hauch. Sie schlug ein wenig verlegen ihren Blick nieder und versuchte vorsichtig ihre Hand aus der seinen zu ziehen, doch er hielt sie noch immer sanft, wenn auch bestimmt fest und irgendwie war sie ganz froh darüber. Nale begann seine Nähe zu genießen, die Wärme seine Hand, sein Daumen, der ihr über den Handrücken strich und ein merkwürdiges Kribbeln hinterließ.

„Wie ich Euch bereits sagte, seit dem habe ich oft in die Sterne gesehen. Gegen einen gemeinsamen Spaziergang ist also nichts einzuwenden und dann auch ganz ohne Bewachung“, sie blickte zu ihrem Pagen hinüber, der friedlich schlafend auf der Liege lag oder viel mehr kauerte und dann wieder zu Jost, „So ein junger Mensch bedeutet viel Arbeit, seid Ihr Euch sicher, dass Ihr das wirklich wollte? Ich meine, schaut Euch Ira an, sie konnte bestimmt schon immer sehr gut auf sich selbst aufpassen! Aber ein so junger Mensch? Solltet Ihr Euch nicht zuallererst um eine Frau bemühen und für zumindest einen Erben sorgen?“

Sein Daumen, der ihre Hand so sanft und zärtlich gestreichelt hatte, hielt inne. Jost blickte Nale tief in die Augen, als er erwiderte „Aber liebste Nale, genau das tue ich doch gerade.“

Verdutzt blickte Nale ihn an, ihre Stirn in Falten gelegt. Um sicherzugehen, dass er da gerade wirklich mit ihr sprach, schaute sie sich sehr demonstrativ um.

„Ähm... also... werter Baron“, hob sie ziemlich verunsichert an, „Ich mag nicht viele Dinge wissen, nicht so viel Erfahrung im Umgang mit dem anderen Geschlecht haben wir Ihr und mir scheint es auch von Zeit zu Zeit an vielen anderen Dingen zu mangeln, aber... aber wie das mit einem Erben funktioniert, noch dazu mit einem legitimen, was ich an dieser Stelle ganz besonders betonen möchte, das ist mir sehr wohl bekannt und ich... ich muss Euch bedauerlicherweise sagen, dass das gewiss nicht so funktioniert!“

Nale wurde einfach nicht so recht schlau aus dem Baron. Was machte er auch immerzu solch seltsame Anspielungen? Was wollte er eigentlich damit bezwecken? Was wollte er ihr eigentlich sagen? Warum war sie hier? War das alles noch Bestandteil der Prüfung? War das zuvor etwa nicht genug gewesen? War der ganze Tag etwa nicht genug gewesen?

Sie zog ein wenig zu energisch ihre Hand aus seiner.

„Zuerst dieser Mob heute Morgen, der meinem Vetter ans Leder wollte, dann dieser hinterhältige Anschlag auf unsere Mägen und Nasen und nicht genug damit, dass alles nur um anschließend beinahe von etwas Magischem in die Luft gejagt zu werden!“, brach es plötzlich aus ihr heraus und in ihrer Stimme schwang Zorn und Wut mit, „Ich habe mehr Zeit auf dem Boden verbracht als mir lieb ist! Ich hatte keinen einzigen Augenblick Ruhe an diesem Tag, ich...“

Da begriff sie, dass sie sich im Ton vergriffen hatte.

„Ich glaube es ist besser, wenn ich jetzt gehe“, hob sie an und machte Anstalten sich zu erheben.

Jost war enttäuscht. Sie hatte es nicht verstanden, so vermutete er. Was sie vielleicht wirklich so naiv oder unerfahren? Natürlich wollte er nicht jetzt gleich mit ihr hier im Zelt einen Erben zeugen. Vielleicht im Zuber ein wenig üben, aber das war etwas Anderes, musste er schmunzelnd sich selbst eingestehen. Aber ihre Worte, ihre Gestik – hart und ablehnend – trafen ihn. Da offenbarte er ihr seine Gedanken und Sehnsüchte, und sie wies ihn derartig zurück? Verletzter Stolz flackerte in ihm auf, gepaart mit dem Trotz eines verletzten Herzens.

„Natürlich, Ihr habt Recht. Es war ein langer Tag für Euch. Zieht euch zurück und ruht euch aus. Ihr wisst, wo ihr mich findet und könnt einen Boten schicken, wenn Ihr euch besser fühlt.“ Auch Jost stand auf, kein Lächeln im Gesicht milderten seine harten Worte. Er trat an den Zelteingang und hob die Plane hoch, so viel Höflichkeit war das Mindeste, das er einer Dame angedeihen lassen musste.

„Ja“, entgegnete sie ihm nur tonlos und rief ihren Pagen zu sich. Man hörte es poltern, als wäre er von der Liege gefallen, dann trat er auch schon neben sie.

„Ich bin keine Made!“, erklärte er schläfrig und sah Nale mit kleinen Augen an.

„Ich weiß“, erwiderte sie ihm mit ganz weicher, warmer Stimme.

„Und ich will auch nicht, dass Ihr eine Made seid, auch keine sprechende!“, fügte er erschüttert hinzu. Ob er wieder geträumt hatte?

Nale fuhr dem Knaben durchs Haar, nickte und schluckte die Wut auf Josts Knappin so gut es ging hinunter, obgleich man eine gewisse Verstimmung deutlich aus ihrem Gesicht ablesen konnte. Da hatte diese Ira ja was angerichtet! Was doch wenige Worte zur falschen Zeit alles durcheinanderbringen konnten...

Mit ihren blauen Augen fixierte sie den Baron: „Mir scheint, uns war kein guter Start vergönnt, daher bedaure ich Eure Zeit in Anspruch genommen zu haben und wünsche Euch noch eine geruhsame Nacht“

[Nale von Boltansroden (Monika), Jost (Chris)]

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Am Morgen des 14. Ingerimm hatten sich der Knappe des Koscher Rittersmanns Baduar von Eichstein, Aedin von Eschenquell, und der Page der Junkerin von Boltansroden, Fernando von Graytenau, eben auf den Weg zur Wasserstelle gemacht, so wie sie es jeden Morgen zusammen taten, um den Pferden frisches Wasser zu bringen. Der Page der Junkerin Nale, sonst aufgeweckt und fröhlich, wirkte heute merkwürdig ernst. Das ihn etwas beschäftigte, konnte man allein an seinem Gesicht ablesen, aber noch ging er einfach neben Aedin her und schwieg. Erst als sie schon fast bei der Wasserstelle waren wandte er sich an den Knappen: „Du, Aedin?“ [Fernando (Monika)]

Aedin, der sich schon die ganze Zeit gewundert hatte, warum Fernando heute so still war und wann er endlich anfangen würde wie ein Wasserfall zu erzählen fragte: „Ja, Fernando, was gibt’s denn?“ [Aedin (Carsten)]

„Ist dir schon mal passiert, dass du mit dem Schwertvater irgendwo zu Besuch warst und der dich da nicht haben wollte?“, wollte der Knabe wissen und schaute den Knappen mit großen Augen an.

Aedin horchte auf, das konnte jetzt durchaus interessant werden. „Wer er?“, hackte er nach, „Mein Schwertvater oder der Gastgeber?“

„Der Gastgeber!“, erwiderte Fernando und strich sich ein seiner Haarsträhnen aus dem Gesicht, „Kannst du dir vorstellen, dass mich der Baronet von Hlutharswacht gestern Abend zu seiner Knappin schicken wollte? Ausgerechnet zu der? Dabei kann ich die gar nicht leiden! Und was Schlimmes gemacht hab ich auch nicht!“

Er dachte nur ungern an seine erste Begegnung mit diese Ira zurück. Zu ihr geschickt zu werden und in ihrer Gegenwart sein zu müssen empfand er als schlimmste Strafe überhaupt und er konnte sich einfach nicht vorstellen, was er Schlimmes gemacht hatte, um das verdient zu haben.

„Hm“, machte der Knappe nur und wartete darauf, dass der Page weiter vom gestrigen Abend berichtete. Insgeheim war er gespannt, ob es interessante Neuigkeiten gab. Er hatte schließlich einen Auftrag seines Schwertvaters zu erfüllen. Aedin war ja mehr oder weniger fast schon ein Familienmitglied der Eichsteins und Nale von Boltansroden ja die Base seines Schwertvaters und gehörte also quasi auch zur Familie und überhaupt. Naja, eigentlich wirkte die ganze Sache ja etwas kindisch auf ihn und er dachte sich insgeheim, dass die Junkerin sicher auf sich selbst Acht geben konnte, aber ein oder zwei zusätzliche Augenpaare, die die Geschehnisse im Blick behalten konnten, waren sicher auch nicht schlecht. Er war gespannt, was der Kleine zu berichten hatte.

„Der Baronet war auch ein bisschen... komisch“, plapperte der Kleine munter weiter, „Ich hatte das Gefühl, dass er mit der Junkerin allein sein wollte. Der Tisch war nur für zwei gedeckt und auftragen durfte ich auch nicht, das wollte der selber machen...“

Irgendwie passte das alles nicht so recht in sein Weltbild.

Aedin nickte und lauschte aufmerksam.

„Aber als die Junkerin einen Becher Wein haben wollte, hat er ihr keinen gegeben“, vollkommen fassungslos schüttelte der Knabe seinen Kopf. Da hatte der Baron erst behauptet, er würde die Junkerin selbst bedienen und dann tat er es doch nicht!

„Tatsächlich? Und was ist dann passiert?“

Nun stürzte Fernando die Lippen: „Er hat sich über den Geruch der Junkerin beschwert, dabei konnte sie doch gar nichts dafür! Sie hat das doch nicht absichtlich gemacht! Und dann... ja, dann... ja, also...“

Er fixierte Aedin.

„Ja, da konnte sie nun wirklich nichts dafür. Und was war dann?“

Der Page holte Atem und senkte seine Stimme: „Er hat sie bei der Hand genommen und sie weggebracht, mich hieß er zu warten, aber ich bin ihnen hinterher und... und... und.. da hab ich... also ich hab... ich hab ihn gesehen...“

„Ja wie, du hast ihn gesehen. Was hast du denn gesehen?“ Innerlich kicherte Aedin, natürlich ohne sich das nach außen hin anmerken zu lassen: Sollte der Baronet da etwa nackt rumgehüpft sein und der kleine Fernando seinen… Ah, der Gedanke war wirklich zu abwegig. Andererseits, was man so hörte, demnach war der Baronet ja wahrlich kein Kostverächter. Aber gleich am ersten Abend? Aedin beschloss, dass das nicht sein konnte – so ungehobelt und plump würde selbst der charmante Nordmärker nicht sein.

„Den Baronet!“, der Page nickte sehr ernst, „und er war nackt!“

„Was?“, entfuhr es Aedin und in seinem Kopf ging er alle Möglichkeiten durch, warum der Hlutharswachter in Gegenwart der Junkerin unbekleidet gewesen sein sollte, doch ihm fiel eigentlich nur eine ein. Also doch. Plump. Wie ein… das konnte Aedin gar nicht in Worte oder beziehungsweise in Gedanken fassen. „Wie, der war nackt? Warum? Und was war mit der Junkerin? War die auch... nackt?“

„Die Junkerin?“, Fernando verstand den Sinn der Frage nicht so recht, „Warum sollte sie denn nackt gewesen sein?“

Er zuckte verwirrt mit den Achseln. Irgendwie war der gestrige Abend höchst merkwürdig gewesen und es gab da so einiges, was er einfach nicht so recht begreifen konnte.

„Ich bin dann gegangen... Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich... erwünscht war, eigentlich sollte ich ja auch warten...“

Sollte die Junkerin sich tatsächlich auf den Baronet von Hlutharswacht eingelassen haben? Ob sie tatsächlich so unbedarft war, wie sie oft wirkte? Auf der einen Seite, konnte er sich das so überhaupt nicht vorstellen, auf der anderen Seite hatte er ja so einiges über den Baron gehört. Er war sich nicht ganz sicher, was er glauben sollte. Und er konnte sich noch immer nicht recht vorstellen, warum er sonst in ihrer Gegenwart nackt gewesen sein sollte. Noch mehr gab es ihm allerdings zu denken, dass die Junkerin bekleidet gewesen sein soll. Wobei, andererseits – insgeheim wäre er schwer enttäuscht von der Base seines Schwertvaters gewesen, wenn sie ebenso – und vor allem so schnell – gleich blankgezogen hätte. Was war denn mit den ritterlichen Idealen? Der Minne? Das hatte sich doch im Gespräch mit Daphne alles ganz anders angehört. Sie hatte ihm die Kunst der hohen Minne nahegebracht, das alte Spiel des Werbens und der kunstvollen Verführung. Ja, zugegeben, nicht nur das, sie hatte ihn auch sein Wissen in anderen Dingen erweitert – aber doch bitte nicht so. So plump!

„Hast du die beiden denn lange allein gelassen?“, wollte Aedin da wissen.

„Ich weiß nicht genau“, gestand er ein wenig beschämt ein, „Ich habe gewartet, bin dann eingeschlafen und hab wieder von den Maden geträumt...“

Fernando schüttelte sich: „Und dann hat mich die Junkerin irgendwann geweckt und wir sind gegangen...“

Eingeschlafen. Natürlich. Manchmal wirkte Fernando in etwa so unbedarft wie seine zukünftige Schwertmutter. Aber das passte ja schließlich auch irgendwie. Trotzdem – gerade als es interessant wurde. Wobei andererseits – dafür war Fernando wohl noch zu jung. So wie Aedin das sah, hatte der Kleine noch ein paar Jahre, bis er solche Situationen in einem anderen Licht sehen würde.

„Ja und, wie war sie da? Hat sie was gesagt? Wirkte sie... fröhlich oder gut gelaunt?“

„Sie war ein bisschen seltsam und ziemlich still als wir zurückgegangen sind, genaugenommen hat sie eigentlich überhaupt nichts gesagt“, das schien auch dem Pagen zu denken zu geben, „Ich glaube sie war sauer...“

„Auf wen? Auf den Nordmärker?“, hakte der Knappe des Junkers von Eichstein nach. Wenn sie sauer war, dann konnte das, was auch immer es war, ja nicht sonderlich... zufriedenstellend gewesen sein.

„Hm“, machte Fernando da allerdings nur und war sich nicht so recht sicher, ob er nicht doch etwas angestellt hatte, vielleicht hatte sie ja herausbekommen, da s s er ihnen gefolgt war, „Sie war den ganzen Tag über schon nicht sonderlich gut gelaunt, wegen den Ereignissen am Morgen. Aber ich glaube, es hat was mit dem Baron et zu tun. Der schien auch irgendwie... verstimmt.“

Oh, dachte Aedin und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der Abend war wohl nicht ganz so gelaufen, wie erwartet.

„Muss ich jetzt in die Nordmarken umziehen? Zu Ira?“, dem Pagen war das Unbehagen bei dieser Vorstellung ins Gesicht geschrieben, „In den... Hinterkosch?“

Aedin schüttelte kurz den Kopf und schaute Fernando irritiert an.

„In den Hinterkosch umziehen? Wieso das denn? Hast du Ira einen Heiratsantrag gemacht?“, antwortete er und konnte es nicht lassen, den Pagen ein bisschen aufzuziehen. Doch grinste er Fernando dabei fröhlich an, so da s s dieser wusste, das s es nicht böse gemeint war und dennoch schaute der Page ihn vollkommen fassungslos an. „Ira heiraten? Bist du verrückt?“, Fernando war die Wut ins Gesicht geschrieben, diese eine Begegnung mit der Knappin hatte ihm vollkommen ausgereicht. „Heirate du sie doch!“, würgte er dann hervor.

Wieder ernster schauend hakte Aedin nach: „Aber ernsthaft: Warum solltest du in den Hinterkosch umziehen müssen? Da will doch keiner hin freiwillig“

„Eben!“, Fernando nickte energisch, „Da will wirklich niemand hin – ich auch nicht! Aber du weißt doch wie das bei den Erwachsenen ist, kaum haben die sich nackt gesehen, heiraten die gleich...“

Aedin schüttelte gedankenverloren den Kopf. „Keine Sorge, so schnell geht das dann wohl auch nicht.“ Aedin erinnerte sich daran, dass Fernando noch ein paar Jahre jünger war. Er glaubte nicht, dass dessen zukünftige Schwertmutter schon mit ihm über gewisse Themen des rahjagefälligen Zusammenlebens, aber auch der traviagefälligen Ehe, gesprochen hatte.

„Nun mach dir mal nicht zu viel Sorgen. Bis deine zukünftige Schwertmutter überhaupt mal irgendwen heiratet, da müssen wohl noch ein paar mehr Dinge gegeben sein, als dass sie ihren zukünftigen Mann nackt gesehen hat. Und so wie du berichtet hast, sind diese wohl noch nicht passiert...“, erwiderte er dann.

Der Page hatte dem Knappen aufmerksam zugehört. Nun nickte er nachdenklich: „Meinst du wirklich?“

„Wie gesagt, mach dir keine Sorgen, so schnell heiratet es sich nicht“, antwortete Aedin, während sie die Wassereimer für die Pferde füllte.

Nun da Fernando dem Knappen seine Sorgen mitgeteilt hatte und dieser für vollkommen unbegründet hielt ging es ihm gleich schon viel besser und plötzlich war er wie ausgewechselt, wirkte fröhlich und aufgeweckt wie sonst auch. Das wichtigste war ohnehin, dass er nicht in die Nähe von Ira musste. Und so machten sich die beiden mit ihren gefüllten Wassereimern auf den Weg zu den Pferden und Aedin sann darüber nach, was und wie er es am besten seinem Schwertvater erzählen würde.

[Aedin (Carsten)], [Fernando (Monika)]