Tommelsbeuger Hochzeit

Musik, Tanz und ein Kuchenbuffet

Die abschließende Szene aus dem Briefspiel zur Tommelsbeuger Hochzeit, im Anschluss an Das Bankett.


12. Peraine 1046 BF, im Festsaal und dem Burggarten der Burg Fischwacht in Tommelsbeuge.

Als die Hohen Gäste zu Ende gespeist hatten, spielten die Männer und Frauen, die das Essen bereits mit sanften Klängen, die sie ihren Instrumenten entlockten, begleitet hatten, zum Tanz auf. Die Musik wurde lauter und die Melodien luden nun zum Tanzen ein. Man hatte die Möbel im Festsaal so drapiert, dass ein Bereich des großen Raumes frei von Möbeln, Teppichen und Dekoration geblieben war. Hier konnten die Hohen Damen und Herren, so sie denn mochten, mehr oder weniger ausgelassen tanzen. Wer nicht auf dem sprichwörtlichen Parkett seine Fähigkeiten unter Beweis stellen wollte, ließ sich vom Kuchentisch, auf dem nun unterschiedliche Kuchen, Plätzchen und weiteres Gebäck ihrer Verspeisung harrten, eine süße Köstlichkeit anreichen.

Geribold und seine Tsaja machten zunächst die Honneurs und kümmerten sich um die Gäste. Zuerst schauten sie bei den Herren und Damen vorbei, die sich nicht dem Tanze widmeten. Sie sprachen mit jedem höflich und liebenswürdig, so dass jeder Gast merkte, wie willkommen und geschätzt er wurde. Und sie schauten, ob es ihren Gästen auch an nichts fehlte, ließen hier und da Getränke kommen und einigen der älteren Feiernden holte Tsaja selbst etwas vom Kuchenbuffet.


~*~


Madalin von Lerchentutz und Ihr Gatte Anselm gefiel der Abend bisher sehr gut. Die beiden erinnerten sich des Öfteren an ihre eigene Hochzeit und schwelgten in alten Erinnerungen. Sie saßen in der Mitte des sehr langen Tisches. Ihr Sohn Praiophan war am anderen Tischflügel platziert worden. Noch etwas weiter hinten, aber nicht weit, saß Frederun Lechmin von Weitenfeld, Vögtin von Treuklingen, dem benachbarten Edlengut. Nach dem vorzüglichen Essen machten Madalin und Anselm ihrer Nachbarin einen kurzen Besuch am Tisch. Sie stießen auf einen schönen Abend an, verabschiedeten sich aber schnell wieder. Praiophan auf der anderen Tischseite hingegen saß mit Hilberian Jast von Weitenfeld und Praioberga von Weitenfeld, den Eltern von Frederun, an einem Tisch. Man führte den ganzen Abend unterhaltsame Gespräche und Praiophan lauschte den abenteuerlichen Geschichten des erfahrenen Ritters. Nach dem Essen wollte Praiophan sich ein wenig die Beine vertreten und so seinen Eltern auf der anderen Seite der Tafel einen kurzen Besuch abstatten. Nach einem kurzen Plausch über das Essen und die Feierlichkeiten erzählte Praiophan von seinen anregenden Gesprächen mit den von Weitenfelds. Madalin holte etwas Luft und sagte zu ihrem Sohn:
"Du solltest sie zum Tanz auffordern!"
Praiophan schaute etwas ungläubig und antwortete:
"Ich weiß nicht, ob der Herr Ritter Hilberian Jast von Weitenfeld dies gutheißen würde. Außerdem ist sie doch etwas zu alt für mich, Mutter."
Madalin kicherte etwas:
"Nein! Ihre Tochter Frederun!"
Dabei nickte sie mit dem Kopf in die Richtung ein paar Sitzplätze weiter den Tisch entlang. Praiophan folgte dem Blick seiner Mutter und lächelte, als er die junge Dame mit schulterlangen, blonden, etwas lockigen Haaren etwas einsam am Tisch sitzen sah.
"Aber gewiss doch.", entgegnete er seinen Eltern.


~*~


Nachdem der letzte Gang beendet war, erhob sich Irian von seinem Sitz und suchte den Tisch der Baronin und des Barons von Ambelmund auf. Er atmete auf den letzten Schritten kurz durch. Am Tisch angekommen wartete er kurz, bis das Baronspaar ihm seine Aufmerksamkeit zuwandte.
"Ich grüße Euch, Euer Hochgeboren. Meine Mutter, die Baronin von Kranick, bittet Euch, ihr ein paar Minuten Eurer wertvollen Zeit zu schenken. Sie würde Euch gerne etwas näher kennenlernen, Euer Lehen liegt ja nicht weit vom Lehen meiner Mutter."

"Sehr erfreut!", erwiderte Wunnemine, sich zu dem jungen Mann wendend.
"Gerne werde ich mich zu Eurer Mutter gesellen."
Sie drehte sich wieder zur Tochter des Landtgrafen, neben der sie zu Tisch saßen.
"Ihr entschuldigt mich bitte, Euer allerprinzlichste Hochgeboren? Mein Gemahl und meine Schwester werden Euch gewiss gerne weiter Gesellschaft leisten."
"Es ist mir Ehr und Freude!", pflichtete Leodegar bei, und auch Befinna nickte halbherzig.
Wunnemine war tatsächlich recht dankbar. Zum einen wollte auch sie die Baronin von Kranick gerne persönlich kennenlernen. Zum anderen war sie selbst durchaus als Kritikerin des Landtgrafen bekannt und bei Hof wohl auch verschrien, während Leodegar ein deutlich diplomatischerer Ruf vorauseilte. Sollte ruhig er sondieren, wie die mögliche Erbgräfin über die Zukunft und die Nordgratenfelser Belange dachte, und ob es sich - anders als im Falle ihres Vaters - lohnte, sich mit dieser gut zu stellen.
"Sehr gut."
Wunnemine stand auf und sah Irian auffordernd an.
"Begleitet Ihr mich dann zu Eurer Mutter?"

Irian lächelte die Baronin freundlich an.
"Sehr gerne euer Hochgeboren"
Er trat einen Schritt zurück und ließ der Baronin den Vortritt. Irian achtete sehr darauf, dass Wunnemine stets einen halben Schritt vor ihm ging.

"Wo waren wir gleich stehen geblieben?"
Leodegars Aufmerksamkeit galt nun wieder der Grafentochter.
"Ach ja, wie geht es Eurem hochwohlgeborenen Herrn Vater? Bei unserer letzten Begegnung wirkte er... recht mitgenommen? Wie steht es um seine Gesundheit?"

Lechim blickte den Adligen an, aber ein Lächeln war nicht auf ihren Lippen.
"Er genießt es, auf seinem Sitz der Jagd zu huldigen und nach den Ereignissen im vergangenen Götterlauf etwas Luft zu schöpfen. Ich gönne ihm diese Zerstreuung von Herzen."

"Wer würde es einem Mann in seinen Jahren nicht gönnen?", räumte Leodegar ein.
Er war in diesem Moment froh, dass Wunnemine gerade nicht dabei saß, hätte sie sich doch gewiss mit weniger diplomatischer Nachsicht geäußert.
"Gleichwohl leben wir in schwierigen Zeiten. Doch wem erzähle ich das - gewiss seid Ihr selbst bereits in deren Bewältigung eingebunden?"

Die junge Greifax nickte.
"Ich lebe am Hof und erfülle meine Pflichten. Es gibt genug zu tun. Gratenfels ist keine kleine Grafschaft - und die Verwaltung ist komplex."

"Gratenfels ist nicht nur nicht klein, sondern auch noch höchst verschieden. Im Becken geht es ganz anders zu als in Nordgratenfels, am Großen Fluss dräuen andere Herausforderungen als an Tommel und Ambla. Es ist erkennbar schwer, dem allem gerecht zu werden. Umso erfreuter bin ich, dass Ihr als mutmaßliche Nachfolgerin, unterstelle ich?," Leodegar taxierte Lechmins Reaktion genauestens, "früh in die Verwaltung der Grafschaft eingearbeitet werdet und bereits in diesem Zuge das Gespräch mit Euren Baronen sucht. Zuletzt war es hier - zu unserem Bedauern - sehr still geworden."

Die junge Greifax gab das Taxieren Zoll für Zoll zurück.
*Ich möchte wissen, was die Adligen in meiner Heimat bewegt. Wie sollte ich Gratenfels kennenlernen, wenn ich seine Bewohner nicht kenne? Wie ihr wisst, bin ich in Rommilys aufgewachsen - doch dort sind die Herausforderungen nur teils ähnlich, teils aber ganz anders gelagert als hier."
Sie schmunzelte, ein Zeichen, dass sie nicht gewillt war, in die freundlich ausgelegte Hasenfalle zu tappen.
"Wie ihr wisst, folgt die Gratenfelser Erbfolge nicht zwingend der Primogenitur. Das Erbe hängt zum einen am Besitz des Hlûtharssiegels, zum anderen an der Entscheidung seiner Hoheit. Wer dereinst meinem Vater - Praios und Phex mögen ihm noch viele Jahre schenken - auf dem Grafenthron folgen wird, ist so lange offen, bis er das Siegel in würdige Hände übergibt."

"Ja, die Erbfolge in Gratenfels hat bekanntermaßen ihre Besonderheiten", räumte Leodegar ein.
"Doch muss diese ja nicht in jeder Generation zwingend so ungeahnte Blüten treiben und schließlich auch Früchte tragen wie zuletzt durch die Hand des Kaisers. Und selbst wenn die Primogenitur nicht gesetzt ist, so zählt Ihr zweifelsohne zum engsten Kreis der möglichen Nachfolger."
Das konnte die Grafentochter nicht abstreiten.
"Daher ist es umso schöner, dass Ihr die Mauern der gräflichen Burg hinter Euch lasst, Euch selbst ein Bild von den Landen und den Lehensleuten macht und Euch so für deren Sorgen interessiert. Wenn es Euch beliebt, heißen wir Euch auch in Ambelmund gerne willkommen."
Leodegar war gespannt, ob die Prinzessin sich bei ihnen blicken lassen würde.

Lechmin schmunzelte.
"Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen, wenn es so weit ist. Aber davor nehme ich eine Einladung nach Ambelmund gerne an, wenn sie mich erreicht." Es war eine gute Gelegenheit, Land und Leute besser kennenzulernen - und vielleicht auch eine gute Gesprächsbasis mit der Baronin, über die so schon so einiges gehört hatte, zu finden.

"Sie ist hiermit bereits ausgesprochen.", neigte Leodegar schmunzelnd sein Haupt.
Das musste er jetzt nur noch Wunnemine schonend beibringen.


~*~


Unterdessen waren Wunnemine und Irian am Tisch seiner Mutter angekommen. Dort sprach der junge Mann Iriane von Kranick an:
"Mutter, darf ich Dir Ihre Hochgeboren Wunnemine von Fadersberg, Baronin zu Ambelmund, vorstellen?"
Dann trat er einen Schritt zurück, um nicht im Blickfeld der beiden Frauen zu stehen. Iriane von Kranick dankte ihrem Sohn kurz, wandte sich zu Wunnemine um und stand auf.
"Es ist mir eine Ehre. Ich freue mich, dass wir die Möglichkeit haben, uns persönlich kennenzulernen. Wollen wir nach dem reichhaltigen Essen ein wenig an die frische Luft und dort ein paar Worte wechseln?"

"Sehr erfreut."
Eingedenk der Taten, deretwegen der einstige Gemahl der Kranickerin gerichtet wurde, hielt Wunnemine sich zunächst zurück, ebenfalls von Ehre zu sprechen. Sie hatte zwar keine Vorurteile - wenn die Liebe und Einigkeit zwischen der Kranickerin und ihrem herzogenmordenden Gatten genauso ausgeprägt war wie zwischen ihr selbst und ihrem verstorbenen Gemahl Nibwyn, mochte sie mit der Sache tatsächlich nichts zu tun gehabt haben, wofür auch deren Baronserhebung kurz danach sprach. Dennoch wollte sie erst einmal hören, welches Anliegen ihre Ranggleiche hatte. Denn dass sie ein Anliegen haben könnte, ließ der Wunsch, ihr Gespräch abseits der Tischgemeinschaft zu führen, wenigstens erahnen.
"Ein paar Schritte an der frischen Luft sind jetzt genau das Richtige. Da komme ich gerne mit."
Sie wies zur Tür und reihte sich an die Seite Irianes.
"Es ist ein Segen, dass wir uns hier begegnen, und zugleich auch eine Mahnung. Denn dass wir uns heute erst kennenlernen, nach so vielen Jahren, die wir beide bereits den Baronsreif tragen, zeigt, dass wir, die wir Nordgratenfels zu führen und zu schützen haben, uns zu wenig sehen."

Iriane nickte, ob der Worte ihrer Standesgenossin.
"Ja, wenn man bedenkt, dass wir Nachbarn sind."
Ihr Gesichtsausdruck wurde kurz abwesend und hart.
"Nun, mir war es erst vergönnt, mein Amt mit dem Tod meines Gatten auszuüben. Die Umstände waren - wie ja allgemein bekannt ist - für mich und meine Familie belastend und haben dazu geführt, dass ich mich erstmal mit den Aufgaben, welche unser Amt mit sich bringt, befassen musste. Die Kinder brauchten mich auch. Irian zählte gerade mal elf Sommer. Bis dahin hat mein Gatte die Regierungsgeschäfte geführt."
Hier zuckte sie kurz mit den Schultern.
"Ich war bei unserer Trauung sechzehn Sommer, kurz nach der Hochzeit guter Hoffnung."

Um das Glück, rasch und mehrere Male schwanger geworden zu sein, beneidete Wunnemine die Kranickerin insgeheim. Sie selbst hatte nach einer Kriegsverletzung am Unterleib längst die Hoffnung aufgegeben, und es glich einem Wunder... nein, es war ein Wunder..., dass sie nun doch einen Stammhalter zur Welt gebracht hatte.

Iriane blinzelte kurz und zauberte wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht.
"Aber genug der trübsinnigen Gedanken. Wie geht es Eurem Sohn, Eure Nächte müssen kurz sein?"

"Ja, in der Tat habe ich schon besser geschlafen", bestätigte Wunnemine.
"Aber auch schon schlechter. Unser Wunibald ist ja bereits fünfzehn Monate alt, da gewinnen die Nächte so langsam wieder an Ruhe und Ordnung, wenigstens wenn er gesund ist. Und nicht zahnt. Nicht schlecht träumt und nichts Blähendes gegessen hat... aber wem erzähle ich das, das habt Ihr ja auch bereits mehrfach hinter Euch. Außerdem nimmt mir unsere Amme viel der Arbeit ab. Anders wären die Aufgaben als Baronin und Mutter kaum zu vereinbaren - gerade in diesen Zeiten..."
Die Ambelmunderin hob ihre Brauen, als erwarte sie, dass Iriane wisse, von was sie spräche.

Iriane nickte ihrer Standesgenossen ernst zu.
"Ihr habt Recht. So löblich es wirkt, dass die Truppen des Landtgrafen die großen und wichtigen Straßen sicher machen, sehe ich die Entwicklung kritisch. Sie werden den Abschaum in den Norden, also in unsere Lande treiben. Der Zustand des Grafen ist zurzeit ja nun mal fragwürdig, da wird nicht viel Hilfe zu holen sein. Der Hoftag ihrer Majestät steht an, hier werden Ausgaben auf uns alle zukommen, ich mag gar nicht daran denken."
Sie schüttelte kurz den Kopf, bevor sie weitersprach.
"Ich habe schon lange das Gefühl, dass die Nordgratenfelser immer mehr aus dem Blick verloren werden. Als ob die Seelen, für die wir verantwortlich sind, weniger wiegen würden. Ich denke, dass eine stärkere Vernetzung und Zusammenarbeit der Baronien, insbesondere mit Blick auf den Zustand unseres Lehnsherren, durchaus sinnvoll, wenn nicht gar von Nöten wären."
Hier machte sie eine Pause und sah ihre Gesprächspartnerin seitlich gespannt an.

Wunnemine war überrascht über den Vorstoß Irianes - auf angenehme Weise. Sie wusste, dass viele über den Landtgrafen grummelten, nicht nur im Norden, sondern auch im Becken, aber die Initiative ergriffen sie in der Regel nicht.
"Das sehe ich genau wie Ihr. Vom Grafen geht nicht mehr viel aus - weder für Nordgratenfels - was aber nichts Neues ist - noch für inzwischen auch den Rest der Grafschaft. Nicht einmal eine akute Bedrohungslage wie die Untaten des Erzfrevlers Pruch veranlassten ihn zu irgendeinem erkennbaren Handeln... auch nicht auf Nachhaken unsererseits."
Die Ambelmunderin schüttelte den Kopf.
"Ich habe das Gefühl, dass längst seine Ministerialen das Sagen haben. Und die interessieren sich nicht für unsere Belange. Hauptsache, die Reichstraße ist sauber, und wir dürfen mit unseren Problemen schön selbst fertig werden. Solange wir nur brav die Steuern abführen."
Wunnemine schnaubte. Sie wollte sich nicht noch weiter in Rage reden.
"Nein, wenn wir Hilfe brauchen, dann müssen wir uns helfen - selbst und gegenseitig. Ich begrüße daher Euren Vorstoß zur Zusammenarbeit - sehr sogar! Wir haben die gleichen Probleme, und auch ähnliche Interessen, die wir gemeinsam gewiss besser durchsetzen können als alleine."
Sie machte eine Pause.
"Habt Ihr bereits mit den anderen anwesenden Baronen und Baroninnen darüber gesprochen?"

Iriane nickte bei den Worten von Wunnemine.
"Es freut mich, dass Ihr das auch so seht. Nun, mit unserem Gastgeber und der Baronin von Schnakensee habe ich über dieses Thema schon gesprochen. Beide sind einer Zusammenarbeit ebenfalls nicht abgeneigt. Ansonsten seid Ihr die erste, mit der ich die Thematik bespreche. Ich denke, man sollte sich diesbezüglich mit allen Baroninnen und Baronen der Region zusammensetzen, gegebenenfalls ein Treffen mit dieser Thematik organisieren. Auf dieser Feierlichkeit sind ja nicht alle Würdenträger aus Nordgratenfels anwesend, zudem ist eine Hochzeit dafür auch der falsche Rahmen. Was haltet Ihr von so einer Vorgehensweise?"

"Die Vorgehensweise ist gut", bekräftigte Wunnemine.
"Aber was spricht dagegen, dennoch zu einem Gespräch aller hier anwesenden Barone und Baroninnen zusammenzukommen - ganz inoffiziell natürlich? Auch wir laufen uns ja nicht täglich über den Weg... so eine Gelegenheit sollten wir nicht ungenutzt lassen."

Iriane dachte kurz nach.
"Da habt ihr recht, ich spreche gleich mit Geribold darüber. Sein Einverständnis sollten wir diesbezüglich einholen, denke ich. Dann könnten wir hier zumindest Meinungen einholen."
Iriane schaute ihre Standesgenossin erneut lächelnd an.
"Ja, ihr habt Recht. Diese Gelegenheit verstreichen zu lassen, wäre nicht klug."

"Was haltet Ihr dann von gleich morgen früh?", schlug Wunnemine vor.
"Heute Abend wird sich der Rahmen kaum ergeben, und morgen werden die ersten bereits im Laufe des Tages abreisen, meine Person eingeschlossen... es sei denn, es wollen alle gleichermaßen mit dem Herzog nach Havena?"
Fragend blickte sie Iriane an.

Die schüttelte den Kopf.
"Ich werde seine Hoheit nicht nach Havena begleiten. Für meine Baronie begleitet ihn mein erster Ritter, Seine Wohlgeboren Fulco von Kranickteich. Dann Morgen früh. Ich werde Geribold direkt aufsuchen und das klären. Wenn Ihr mich entschuldigen wollt, Euer Hochgeboren?"
Sie nickte ihrer Standesgenossen freundlich lächelnd zu.

"Dann Morgen früh!", bestätigte Wunnemine.

Nachdem sich Wunnemine abgewandt hatte, suchte Iriane sogleich den Gastgeber der Feierlichkeit auf.
"Geribold hast du kurz Zeit? Unter vier Augen, bitte."

"Natürlich", nickte Geribold.
"Wir bleiben hier, stellen uns ein wenig abseits. Sonst weckt das mehr Aufmerksamkeit, als dass uns die Privatsphäre noch von Nutzen wäre."
Er geleitete sie in einen Teil des Saales, der derzeit nicht sonderlich frequentiert wurde.
"Nun, was liegt dir auf dem Herzen?"

Iriane lächelte ihn an.
"Danke. Wir hatten ja schon mal über Möglichkeiten der engeren Zusammenarbeit - in welcher Form auch immer - in Nordgratenfels gesprochen, ich hoffe du erinnerst dich. Ich habe grade mit Wunnemine von Fadersberg gesprochen. Sie ist ebenfalls nicht abgeneigt. Ihre Idee war, sich morgen Vormittag mit unseren anwesenden Standesgenossen der Region kurz zusammen zu setzten, und eine kurze - natürlich inoffizielle - wie soll ich sagen, Vorabsprache zu treffen, Meinungen zu sammeln und gegebenenfalls eine Vorgehensweise zu besprechen. Ich finde die Idee gut. Wir sollten im Nachgang ein offizielles Treffen diesbezüglich organisieren. Aber so haben wir zumindest einige Meinungen unter einem Hut, auch wenn wir immerhin von neun Baronien sprechen. Da du der Gastgeber bist, sollte die Einladung für morgen früh doch eher von dir kommen. Was meinst du dazu?"

Geribold nickte mehrmals während des Monologes Irianes, ohne sie zu unterbrechen.
"Mhm, ich erinnere mich. Du, Adula und ich waren bereits übereingekommen, dass ein Schulterschluss sinnstiftend wäre. Wenn nun Hochgeboren von Fadersberg ebenfalls nicht abgeneigt ist, wie du sagst, bleibt, stellvertretend für Vairningen, Hochgeboren Udilbras Timerlain von Vairningen, wobei ich mir nicht sicher bin, inwieweit er für die Baronie sprechen kann. Vergesse ich jemanden?"

Iriane dachte kurz nach.
"Ich glaube nicht, dass dürften alle Anwesenden aus der Region sein. Halt doch, Odelinde von der Graufurt gehört auch dazu. Hochgeboren Udilbras kann aber bestimmt einschätzen, wie seine Enkelin und ihr Gatte zu dieser Angelegenheit stehen. Ich könnte mir allerdings denken, dass meine Base nicht generell abgeneigt ist."

"Gut. Ich werde die beiden morgen vor ihrer Abreise ansprechen und sie bitten zu bleiben. Eine Gelegenheit, die wir am Schopfe packen sollten.", nickte er bestimmt, um dann sofort wieder breit zu lächeln.
"Aber fürs Erste, feiern wir!"

Iriane lächelte ihn dankbar an.
"Perfekt, Danke. Ja, lass uns noch etwas feiern, der Anlass ist ja ein guter und freudiger!"


~*~


Nachdem Irian den Auftrag seiner Mutter erfüllt hatte, stand er etwas unschlüssig im Raum herum und schaute sich um. Als die Musik zum Tanz aufspielte, schweifte sein Blick zu Hagunelda von Fischwachttal.
"Komm trau dich, so schwer ist das doch nicht"'", dachte er.
Trotzdem blähte er kurz die Wangen auf, bevor er zu Hagunelda ging. Am Tisch der jungen Frau angekommen, nahm er seinen gesamten Mut zusammen und sprach sie an:
"Darf ich um diesen Tanz bitten?"
Um seine Ohren lag eine leichte Röte.

Hagunelda hatte sich soeben ein Stück Kuchen in den Mund geschoben, an dem sie sich, als sie die Frage vernahm, beinahe verschluckte. Nur mit Mühe entging sie einem zünftigen Hustenanfall, dennoch waren ihr die Tränen in die Augen geschossen. Mehrmals musste sie sich räuspern, bevor sie ein knappes:
"Sehr gern, Euer Wohlgeboren.", herausbrachte.
Mit feuerrotem Kopf aber einem doch recht breiten Grinsen, das sie hinter vorgehaltener Hand zu verbergen suchte, stand sie auf.

Irian schaute Hagunelda kurz in die Augen, seine eigenen blitzten freudig auf.
"Geht es, braucht Ihr einen Schluck Wasser?"
Während er dies sprach, bot er Hagunelda aber auch schon seinem Arm an, um sie auf die Tanzfläche zu führen. Man sah ihm an, dass er sich sehr über die Zusage zum Tanz freute.

Noch ein letztes Mal räusperte sich die junge von Fischwachttal.
"Nein, es geht schon, vielen Dank, Wohlgeboren."
Dann hakte sie sich bei Irian ein. Die Wangen und Ohren noch immer gerötet und einem breiten Grinsen auf den Lippen schritt die neben ihm zum Tanz.

Irian grinste nicht weniger als seine Tanzpartnerin. Er führte sie geschickt auf die Tanzfläche, ein schlechter Tänzer war er nicht.
"Wollen wir nach dem Tanz noch etwas in den Park gehen?"

Hagunelda hingegen machte eine eher mittelmäßige Figur beim Tanz, dennoch genoss sie ihn. Auf die Frage Irians hin, errötete sie wieder.
"Aus…"'", ihre Stimme versagte kurz, sodass sie sich einmal mehr räusperte.
"Jetzt reiß' dich doch mal zusammen, verdammt!", dachte die junge Knappin.
Dann sprach sie etwas fester weiter.
"Ausgesprochen gern. Doch muss ich zunächst meinen Schwertvater um ein wenig Zeit bitten", was sie sogleich tat, nachdem die beiden ein wenig das Tanzbein geschwungen hatten:
"Verzeiht, Herr. Ob ich mir wohl ein wenig den Burggarten ansehen dürfte? Natürlich nur, wenn Ihr derzeit meiner Dienste nicht bedürft!"

"Geh nur, liebes Kind. Den Krug wird dein Schwertvater sich schon selber füllen können."
Dann hievte er sich auf - mit seinem Trinkgefäß in der Hand - und rief etwas zu laut:
"Also, auf ins Abenteuer - wo wird hier nachgeschenkt!?"
Sofort war eine Bedienstete zur Stelle, die dem Hohen Herren Bier, Wein oder Wasser anbot.

Hagunelda hatte sich indessen noch einmal tief verbeugt und war nach einem:
"Habt vielen Dank, Herr.", verschwunden.
Sie begab sich zum Pavillon im Garten und wartete dort wie abgemacht auf Irian.

Dieser hatte die Konversation zwischen Hagunelda und dem Hofmarschall und Hausritter seiner Mutter aufmerksam beobachtet. Als sich die junge Frau Richtung Garten begab, ging er schnell hinterher, bevor seine Mutter ihm noch einen Botengang aufs Auge drücken konnte. Er trat so an den Pavillon heran, dass die junge Frau ihn schon kommen sah. Lächelnd sprach er sie an:
"Und war es schwer dem alten Haudegen Zeit aus den Rippen zu Leiern?"

"Nein, gar nicht."
Sie lächelte fröhlich und ging ein paar Schritte vom Pavillon weg, würden sich hier nach ihren Mutmaßungen doch die meisten Leute aufhalten. Dann blieb sie stehen, grinste breit, reckte das Kinn hoch, stemmte die Hände in die Hüften und fragte:
"Und, was machen wir jetzt?"
Dass sie einige Schritte mehr getan hatte, um tief durchzuatmen und Mut zu fassen, um so keck aufzutreten, war durch die gnädige Dunkelheit für Irian nicht zu erkennen gewesen.

Irian grinste sie an.
"Nun. lass uns doch ein paar Schritte durch diesen wunderschönen Garten gehen und ein wenig plaudern."
Eine leichte Röte zog sich kurz über seine Wangen, dies konnte man in der beginnenden Abenddämmerung jedoch nur schwer erkennen. Er lächelte Hagunelda freundlich an und bot ihr seinen Arm an.

Zögerlich hakte Hagunelda sich bei Irian ein und gemeinsam gingen sie die ersten Schritte durch den Garten. Neben einigen Blumen, standen in einem größeren Beet verschiedene Kräuter, die wohl als Gewürz Verwendung in der Küche fanden.
Mehrmals schien Hagunelda etwas sagen zu wollen, fand dann aber offenbar nicht die richtigen Worte und schwieg in der Hoffnung, dass Irian etwas einfallen möge.

Irian lächelte freudig, als Hagunelda den angebotenen Arm annahm. Er suchte nach einem Einstieg ins Gespräch.
"Und, wie hat dir die Zeremonie gefallen?"
Irian wurde kurz rot, was man im Dunkeln - den Göttern sei Dank - nicht richtig sah.
"Idiot, das hast du ja gut gemacht!", schoss es ihm durch den Kopf.

"Hmm..", machte sie, da sie offenbar überlegen musste.
"Ich denke, dass sie meinem Bruder gefallen hat, also muss sie gut gewesen sein. Ich habe leider bislang wenige Vergleiche. Und Euch?"

Irian dachte auch kurz nach.
"Viele Vergleichsmöglichkeiten habe ich nicht. Ich fand die Zeremonie auch angenehm. Ich hoffe, dass Onkel Gundoin noch fit genug sein wird, um meine Trauung einmal vorzunehmen. Er war mir nach den Umständen um meinen Vater immer eine große Stütze und ein Ansprechpartner, dem ich voll vertrauen konnte."
Bei den letzten Worten wurde sein Gesichtsausdruck ernst und kurz nachdenklich. Dann lächelte er allerdings wieder und strahlte die junge Frau an seiner Seite an.
"Aber lassen wir die trübsinnigen Gedanken an einem solch freudigen Tag. Wie gestaltet sich deine Knappschaft, ist Hagrian weiterhin gut zu dir?"

"Machst du dir etwa Sorgen um mich?", lachte sie nur, um sich danach auf die Zunge zu beißen.
"Ähm, tut mir Leid, das war ungebührlich... ähm, ja, ist er. Ich hätte es nicht besser treffen können. Ich lerne viel und bin ihm dafür sehr dankbar. Wie alt ist Seine Hochwürden eigentlich, wenn die Frage gestattet ist?"

Irian nickte und wirkte überrascht.
"Das war nicht ungebührlich, sondern wahr. Dein Wohlergehen liegt mir sehr am Herzen. Onkel Gundoin müsste sechsundsechzig Sommer zählen, wenn ich mich nicht täusche. Er erfreut sich - den Göttern sei Dank - bester Gesundheit."
Man sah dem jungen Mann an, dass er seine Worte genauso meinte, wie er sie sagte.

"Sechsundsechzig Götterläufe?", staunte Hagunelda.
"Dann ist er wahrlich als weiser Ratgeber tauglich, hat er doch sicher schon viel gelesen, gesehen, gehört und erlebt. Aber wenn Du Dir nicht allzu lange Zeit lässt bis zu Deiner Trauung, wird er die bestimmt noch abhalten können."

Irian grinste.
"Das habe ich auch nicht vor." Hier geriet er kurz ins Stottern und wurde rot.
"Also, wenn die Richtige mich dann auch will. Nun denn, kennst du die Braut deines Bruders? Wie kommt ihr miteinander aus?"

"Im Grunde gar nicht. Ich habe sie das ein oder andere Mal gesehen, kaum gesprochen. Aber sie tut ihm gut, hat ein positiven Einfluss auf ihn und seine… Stimmungen. Ich glaube, dass sie eine gute Seele ist und dass die beiden miteinander glücklich werden. Wobei ich mir dessen sicher bin. Immerhin heirateten sie heute aus Liebe."
Einen Moment schwieg sie, sagte dann:
"Das wünsche ich mir ehrlich gesagt auch."

Irian lächelte breit.
"Das sollte auch so sein. Ich werde auch niemals aus politischem Kalkül oder sowas heiraten. Gott sei Dank sieht Mutter das auch, naja, ihre Ehe war ja keine Liebesheirat. Wollen wir wieder reingehen und noch ein wenig das Tanzbein schwingen?"

"Ausgesprochen gern.", antwortete sie mit einem breiten Lächeln.
"Das ist ein schöner Abend.", hauchte sie dann und ließ sich in den Saal zurückführen.


~*~


Geribold hatte den Tanz seiner Schwester beobachtet. Ebenso hatte er gesehen, wie sie kürzlich den Saal verlassen hatte. Mit einem leichten Grinsen ging er nach ihrem Gespräch über einen nordgratenfelser Schulterschluss erneut zu Iriane und sprach sie unumwunden an.
"Sollte ich etwas wissen?"
Sein Lächeln wurde ein wenig verschmitzter und er deutete einmal kurz in Richtung Ausgang, durch den nun auch Irian, der Sohn der Kranickerin, den Raum verließ.
"Gerade ging meine kleine Schwester in dieselbe Richtung."

Iriane lächelte nicht minder verschmitzt zurück.
"Nun, mir ist in letzter Zeit auch aufgefallen, dass Irian einige für ihn ungewöhnliche Interessen verfolgt. Er ist oft im Burghof, wenn deine Schwester ihre Waffenübungen macht, sucht zufälligerweise ein Buch in der Bibliothek, wenn sie ihre theoretischen Lektionen hat. Neulich hörte ich, dass er Selinde gebeten hat, die Sitzordnung bei Tisch zu ändern, damit er neben Hagunelda sitzen kann."
Sie hob kurz die Schultern.
*Ich kann dir aber versichern, dass seine Absichten ehrbarer Natur sind und nichts in meinem Haus passiert, was nicht den Göttern gefällig ist. Zudem ich finde, dass die beiden ein schönes Paar abgeben würden. Vielleicht finden unsere Familien doch noch zusammen. Oder hast du schon andere Pläne für deine Schwester?"

Zunächst schien er sichtlich überrascht, hatte er doch nichts geahnt. Erst heute hatte er erste Zeichen erkannt und sie offenbar richtig gedeutet.
"Im Hof sagte Irian, er hoffe, die Götter würden ihm bald die richtige Partnerin schicken. Und ich lobe noch seinen stattlichen Wuchs."
Er lachte auf.
"Dann haben die Götter ihm die Richtige offenbar schon gesandt. Wer wäre ich da zu intervenieren?", grinste er.
"Erwidert sie die Gefühle? Nenn mich einen alten Romantiker, aber das, was ich habe, gönne ich meiner kleinen Schwester ebenfalls."
Hier schaute er kurz zu Tsaja herüber und lächelte.
"Solle Irian ihr eines Tages öffentlich den Hof machen, werde ich nichts dagegen haben. Ich würde mich freuen, würden unsere Familien doch noch einen Weg finden, sich zu vereinen."
Er hob den Becher voll Wein, den er bislang in der Hand gehalten und gelegentlich geschwenkt hatte.
"Auf die Zukunft."

Iriane lächelte ihren Freund an und hob ihren Becher ebenfalls.
"Soweit ich das beurteilen kann, scheint auch bei deiner Schwester ein Interesse vorhanden zu sein. Ihr gefällt die Aufmerksamkeit von Irian, so zumindest mein Eindruck. Es freut mich, dass du bisher keine anderweitigen Pläne für das Mädchen hast. Ich würde mich ebenfalls freuen, wenn die beiden zusammen fänden. Sie ist ein liebes und großherziges Mädchen, welches eines Tages eine großartige Gattin eines Barons abgeben würde. Ich bewundere ihre Lebensfreude und ihre freundliche Art, insbesondere wenn man die Dinge bedenkt, die sie schon in jungen Jahren verarbeiten musste!"
Hier wirkte Iriane kurz nachdenklich, hatte sich aber schnell wieder im Griff und zauberte ein weiteres Lächeln in ihr Gesicht. Dann stieß sie mit Geribold an:
"Auf die Zukunft."

Er trank einen Schluck aus seinem Becher und frug dann mit einem leichten Lächeln:
"Begleitest du mich auf die Tanzfläche?"
Sogleich bot er ihr seinen Arm an.

Iriane lächelte Geribold freudig an.
"Sehr gerne."
Sie nahm den angebotenen Arm an und ließ sich auf die Tanzfläche führen.


~*~


Aidan Freiensteyn war einer der ersten, der sich beim Beginn der Musik erhoben hatte und nach einer geeigneten Partnerin umschaute. Er trat an den Tisch der Baronin von Rickenhausen. Die horasische Mode der Frau war ihm aufgefallen, ebenso ihre rahjagefällige Erscheinung. Er wandte sich mit einem strahlenden Lächeln an die junge Frau:
"Euer Hochgeboren, darf ich um diesen Tanz bitten?"

Thalissa trug heute Abend nicht die Farben ihrer Baronie, sondern hatte sich über ein blaues Kleid aus fließendem Stoff mit silbernen Stickereien nach - fast (denn es dauerte immer ein wenig, bis die Entwürfe der Vinsalter Schneider ihren Weg in die aus deren Sicht hinterwäldlerische nordmärker Provinz fanden) - der neuesten Vinsalter Mode entschieden, das besser zu ihren strahlend blauen Augen und ihren blonden Haaren passte, welche in einer komplizierten Flechtfrisur zurechtgemacht und mit einem blauen Band durchwirkt waren. An den Händen trug sie weiße, silbern gesprenkelte Handschuhe, welche bis über die Ellenbogen reichten. Silberne Ohrgehänge und eine silberne Kette mit einem blauen Stein, natürlich ebenfalls auf ihre Augenfarbe abgestimmt, komplettierten das Gesamtbild.
Als Aidan an ihren Tisch trat, musterte sie den Geweihten zunächst einen Moment, dieser konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, schnell und gründlich seziert zu werden. Aber dann lächelte sie freundlich und erhob sich.
"Aber sicher, Euer Gnaden. Wie war doch gleich der Name?"

Aidan behielt sein Lächeln trotz der Musterung durch sein Gegenüber bei, zog aber leicht den Bauch ein.
"Verzeiht mir den kleinen Lapsus. Aidan Freiensteyn mein Name."
Er hielt der Baronin galant den Arm hin, um sie zur Tanzfläche zu führen.

Thalissa neigte leicht lächelnd den Kopf. Ihren Namen schien der Geweihte ja zu kennen, daher verzichtete sie auf die Gegenvorstellung.
"Erfreut, Euch kennenzulernen", sagte sie stattdessen, während sie Aidans Arm nahm und sich zur Tanzfläche führen ließ.
"Tut mir leid, wenn mir Euer Name nicht geläufig ist. Mögt Ihr mich aufklären über die verwandtschaftlichen Bande, welche zu Eurer Anwesenheit hier geführt haben? Oder sind es kirchliche ... nun, Verpflichtungen?"
Das Lächeln der Baronin bekam bei diesen Fragen einen sphinxhaften Einschlag.

Aidan erwiderte das Lächeln der Baronin.
"Verwandtschaftliche Bande zu einer der Familien des Brautpaares führen mich nicht zu diesen Feierlichkeiten. Ich begleite seine Hochwürden von Kranick. Mit Gundoin verbindet mich eine Freundschaft. Wir haben uns über meine Schwester, die Gattin des Edlen zu Kranickteich kennen gelernt. Meine Schwester dient als Geweihte der Hüterin des Lebens, also Schwester durch Geburt sowie Schwester im Glauben. Wie dem auch sei, eine Vermählung und ein gutes Fest sollte man sich ja nie entgehen lassen, nicht wahr?"
Dann schmunzelte der Geweihte kurz.
"Zudem ist auch der Segen der schönen Göttin für ein frisch gebackenes Ehepaar sicherlich nicht falsch."

"Ich verstehe. Nun, Rahja und Travia mögen sich gut ergänzen, doch können sie auch unversöhnliche Rivalen sein, meint Ihr nicht?", erwiderte Thalissa, während sie Aufstellung zum Tanz nahmen.
Ihr unergründliches Lächeln behielt sie bei.

Aidan dachte kurz nach, bevor er antwortete.
"Es mag Strömungen in beiden Gemeinschaften geben, welche sich nicht zugeneigt sind, da habt Ihr recht, Euer Hochgeboren. Aber ich sehe bei allen extremen Strömungen Probleme, ich denke der Schlüssel zu allem ist Kommunikation. Man kann alles besprechen. Zudem heißt es nicht umsonst die unteilbaren Zwölf."

"Nun, da habt Ihr sicher recht - mit beiden Aussagen", erwiderte Thalissa.
"Und nun freue ich mich darauf, von einem Geweihten der Rahja durch diesen Tanz geführt zu werden. Da kann ich doch sicher noch etwas lernen," lächelte die Baronin, und ihre Stimme hatte dabei keinen ironischen Unterton.

Aidan lächelte sie an.
"Ich hoffe Euch nicht zu enttäuschen! Bisher hat sich jedenfalls niemand über meine Fähigkeiten auf dem Tanzparkett beschwert."

"Das weiß ich nach dem Tanz", erwiderte Thalissa mit einem feinen Lächeln.
"Wollen wir?", fragte sie dann, als gleich darauf die Musik einsetzte.
Tatsächlich war die Baronin eine passable, aber keine herausragende Tänzerin und überließ sich gern der Führung des Geweihten. Ihre Aussage, von ihm vielleicht noch etwas lernen zu können, war durchaus ernst gemeint gewesen.

Aidan bemerkte, dass die Führung der Baronin ihm gut von der Hand ging. Auch wenn er der versiertere Tänzer der beiden war, ließ er dies nicht durchblicken. Er führte sie sanft, aber bestimmt über die Tanzfläche. Dabei lächelte er sie an.
"Ihr seid eine gute Tänzerin, Euer Hochgeboren."'"

Thalissa neigte leicht den Kopf und lächelte zurück.
"Habt Dank für das Kompliment, welches ich gerne zurückgebe. Und Ihr seid ein Schmeichler, aber das gehört bei einem Geweihten der lieblichen Rahja ja sozusagen zur Berufsbeschreibung."
Sie lächelte etwas stärker, zumindest bisher war sie nicht in der Stimmung, Spitzen zu verteilen, wie es sonst gelegentlich vorkam, sondern gab sich ganz dem Vergnügen des Tanzes hin.
Nach ein paar weiteren Drehungen wandte sie sich erneut an Aidan:
"Sagt, kennt Ihr den einen oder anderen Gast näher, vor allem was seine tänzerischen Fähigkeiten angeht? Wen könntet Ihr mir als weiteren Tanzpartner empfehlen? - Was natürlich nicht heißt, dass ich Eurer Gesellschaft bereits überdrüssig wäre."

Aidan lächelte offen und freundlich zurück.
"Oh, da täuscht Ihr Euch, Euer Hochgeboren. Ehrliche Komplimente oder Anmerkungen stehen der Geweihtenschaft meiner Herrin durchaus gut zu Gesicht, Diplomatie und Rücksichtnahme ebenfalls. Verkehrte Schmeicheleien hingegen nicht. Wir wollen, dass es den Menschen gut geht und sie dort stärken, wo ihre Kompetenzen liegen. Alles andere wäre der Göttin nicht wohlgefällig. Wir lassen niemanden in sein Unglück laufen, wenn wir ihn warnen können. Wobei es bei einer schlechten Tänzerin wohl weniger ein Unglück für sie wäre, als für die Füße ihres Tanzpartners."
Hier schmunzelte er kurz.
"Auch ich empfinde Eure Gesellschaft als sehr angenehm."

"Habt Dank für die... freundliche Lehrstunde", erwiderte die Baronin nun leicht ironisch.
"Ich werde in Zukunft daran denken. - Aber Ihr habt meine Frage nicht beantwortet. Gedenkt Ihr das noch zu tun, oder fürchtet Ihr die Konkurrenz?"

Aidan schmunzelte erneut kurz.
"Nun, ich bin mir nicht sicher, ob meine Kenntnisse über die Anwesenden ausreichen, um Euch einen Tanzpartner zu empfehlen. Allerdings sollen der Bräutigam sowie der Hohe Herr Dorcas von Paggenfeld gute und versierte Tänzer sein. Gleiches erzählt man sich über Rondrik von Eberbach."

Thalissa schmunzelte nun ebenfalls.
"Nun, dann habt Dank für Eure Expertise. Schauen wir mal, was sich daraus ergibt. Aber der nächste Tanz sei noch Euer."
Sie nickte ihm galant zu.


~*~


Auch seine Hochwürden Gundoin Baduar von Kranick führte seine Gattin Selinde von Aelgarsfels auf die Tanzfläche. Man sah dem Paar an, dass sie sehr oft miteinander das Tanzbein schwangen. Gundoin schaute beim Tanzen seiner Gattin verliebt in die Augen.
"Oh Travia, ich danke dir jeden Tag für diese wunderbare Frau", schoss es ihm durch den Kopf.

Selinde drückte sanft die Hand ihres Mannes und erwiderte seinen Blick. Nach dem Mahl fühlte sie sich unwohl, obwohl sie sehr zurückhaltend gewesen war. Seit einigen Monden bereits entwickelte sie eine zunehmende Unverträglichkeit gegenüber den Gaben Peraines und Travias. Anmerken ließ sie sich nichts, wollte sie doch Gundoin diesen Moment nicht verderben. Sie wusste, wie gerne er tanzte, also ignorierte sie den Protest ihres alternden Körpers und gab sich ihm und der Musik hin.


~*~


"Geribold, mein Gemahl, gewährt Ihr mir die Gunst eines Tanzes?"'", schelmisch blickte Tsaja ihren frisch angetrauten Ehemann an.

Er lachte.
"Jeden, den Du willst, meine Teure! Heute, morgen und für alle Tage!"
Mit einem breiten Lächeln stand er auf. Als er direkt neben ihr stand, flüsterte er ihr ins Ohr:
"Ich könnte nicht glücklicher sein, als in diesem Moment."

Tsaja strahlte ihn an:
"Mir geht es genauso! Möge unser Glück dauern!"
Gerne ließ sie sich von Geribold zur Tanzfläche führen.


~*~


Auch der Leutnant zur See a. D. Frodebrand Efferdlieb von Harthals - Schwarzklamm schwang mit seiner 'Verlobten' Lara von Siebenstein das Tanzbein. Und genauso Nyah DaRe von Tannwirk und ihr Gemahl, Reto von Tannwirk, von dem Gut Drachenstieg in Witzichenberg. Nyah lachte ihren Reto fröhlich an. Sie hatten eher selten Gelegenheit, zu ausgelassener Fröhlichkeit.


~*~


Der Hofmedicus von Witzichenberg, Herr Doctor Edorian Bellentor trat zu der Magisterin Circe:
"Gnädige Frau, darf ich Euch um diesen Tanz bitten?"

Circe ärgerte sich innerlich. Stand sie nicht weit genug abseits? Hatte sie sich nicht gut genug versteckt? Es schien sich noch nicht bis zu Doctor Bellentor herumgesprochen zu haben, dass Circe sich um jeden Tanz zu drücken pflegte. Da Circe nur die Wahl hatte, bei Ablehnung ganz sicher oder eben nur vielleicht, falls sie ihrem Tanzpartner auf die Füße treten sollte, entgegnete sie:
"Wenn Ihr den Mut habt, werter Doctor, mich aufs Parkett zu führen."
Sie reichte ihm die Hand und zeigte so an, dass sie ihm diesen Tanz gewährte.

Der Doktor schaute sie verdutzt an, führte sie aber unverzagt zur Tanzfläche, wo sie Aufstellung für den nächsten Tanz nahmen. Edorian war ein ganz passabler Tänzer und führte seine Tanzpartnerin sicher über das Parkett.
"Ich freue mich, dass Ihr mir die Ehre eines Tanzes zuteilwerden lasst. Kennt Ihr viele der hier anwesenden hohen Herrschaften? Soweit ich weiß, seid Ihr ja bereits einige Götterläufe in Eurem Amte und hattet sicher schon Gelegenheit, an solch hohen Festen teilzunehmen. Für mich ist das alles noch neu!"

Circe witterte die Chance, um das Tanzen herumzukommen:
"Dann kann ich Euch anbieten, Euch die mir bekannten Damen und Herren kurz zu benennen und, wenn Ihr mögt, Euch einander vorzustellen."

Edorian ließ Circe nicht aus seinen Armen und tanzte weiter.
"Seid bedankt für das Angebot, aber ich bin nur ein einfacher Mann in den Diensten der Baronin. Nur wenige hier werden das Bedürfnis haben, mir vorgestellt zu werden. Und die Gäste aus Witzichenberg sind mir bekannt!"
Fröhlich tanzte er weiter.

Circe ließ sich führen und versuchte es erneut:
"Ich möchte Euch auch zunächst nur sagen, wer wer ist. Wollt Ihr niemandem vorgestellt werden, bleibt es dabei."

'"Gerne, nach dem Tanz! Oder gewährt Ihr mir die Gunst eines weiteren Tanzes?"<Nr> Der Leibmedicus ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

Sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, war eigentlich genau die Eigenschaft, die einen guten Medicus ausmachte. Nur in dieser Situation missfiel Circe dies.
"Bei einem weiteren Tanz blicken wir in verschiedene Richtungen", entgegnete Circe.
"Bei einer Zuordnung sollten wir jedoch in dieselbe Richtung blicken", fügte sie hinzu.

*Das fasse ich als eine Absage auf", vermutete Edorian, ohne jedoch gekränkt zu wirken.
Er hatte bereits bemerkt, dass Circe beim Tanz nicht entspannt wirkte.
"Soll ich Euch lieber zu einem Fauteuil geleiten und Euch einen Becher Wein bringen? Dann könnt Ihr mir gerne die Zuordnung erläutern!"

Circe entgegnete:
"Lasst uns gemeinsam zu einem Fauteuil gehen, nicht ohne den Wein versteht sich. Dann kann ich Euch in aller Ruhe die Gäste benennen, die ich kenne."

"Sehr gerne!"
Edorian winkte einem Diener und bat um Wein. Anschließend nahmen Circe und Edorian auf zwei bequemen Sesseln Platz, genossen ihren Wein und widmeten sich den Gästen.

Circe nannte jeweils den Standort und die Position der beschriebenen Persönlichkeiten:
"Dort drüben seht Ihr Thalissa di Triavus, die Baronin von Rickenhausen. Ich hatte das Vergnügen, auf der Schweinsfolder Hochzeit mit ihr ins Gespräch zu kommen. Da wir gerade beim Thema sind. Hinten am Tisch erkennt Ihr Selinde von Schweinsfold. Von den Ereignissen, die während ihrer Hochzeitsfeierlichkeiten stattgefunden haben, habt Ihr vermutlich gehört. Der Herr dort ist Ritter Dorcas von Paggenfeld aus dem Gefolge der Baronin. Selindes Gemahl ist gar nicht da."
Dann kam die Neidensteiner Baronin ins Blickfeld der beiden.
"Odelinde Neidenstein von der Graufurt, Baronin von Nablafurt. Ich bin ihr vor langer Zeit einmal in Grangor begegnet, als sie und ich noch jung waren. Ganz hinten steht ihre Schwester Melinde von Neidenstein, eine Namensbase unserer Baronin."'"
Circe sah sich weiter um, sah jedoch im Moment keinen Gast, der ihr bekannt war, dem Doctor jedoch nicht.

"Ihre Hochgeboren hat mir einmal erzählt, dass Ihre Hochgeboren Odelinde ihre Schwertmutter war und dass Ihre Wohlgeboren Melinde Neidenstein ihre Großmutter ist. Die Verbindungen zwischen Nablafurt und Witzichenberg scheinen mir sehr eng zu sein."
Er nippte an seinem Becher.
"Wenn es nicht so neugierig erscheint, was ist denn auf der Hochzeit Ihrer Hochgeboren Selinde geschehen?"

Circe entgegnete:
"Die Aussagen kann ich bestätigen."
Circe fuhr fort:
"Auf den Hochzeitsfeierlichkeiten in Schweinsfold sind schreckliche Dinge passiert, die ich heute nicht – auch nicht verkürzt – wiedergeben möchte. Auf der Rückreise kann ich Euch dazu etwas sagen. Das verdirbt Euch heute nicht die Feier."

"Oh, wenn es derart unerfreulich ist, so lassen wir das Thema für heute wirklich besser ruhen! Darf ich Euch noch etwas vom Kuchenbuffet holen?"

Circe entgegnete:
"Es nicht nur sehr unerfreulich, sondern für eine Hochzeit ebenso unpassend wie ein Bericht über das Wirken eines Nekromanten auf einer Trauerfeier. Lasst uns gemeinsam zum Buffet gehen. Ich hege die Hoffnung, noch andere Gäste zu erkennen, die ich dann für Euch 'einordnen' kann."

Bei dem Wort 'Nekromant' erbleichte der Arzt kurzzeitig, fasste sich aber wieder.
"Gerne! Es gibt so viele Köstlichkeiten, da möchte ich doch gerne noch etwas probieren."
Er erhob sich und reichte Circe formvollendet den Arm.
"Übrigens, wer ist die elegante Erscheinung dort drüben in dem blauen Kleid mit silbernen Stickereien?"
Und nickte kaum merklich zur Baronin von Rickenhausen.

"Das ist Ihre Hochgeboren Thalissa di Triavus, die Baronin von Rickenhausen."
Circe sah den Arm an und nahm ihn formvollendet anschließend an.
"Lasst mich nochmal in 'nachsehen' und in meinem Gedächtnis kramen, ob mir noch jemand bekannt ist, den ich Euch benennen könnte."

"Ich vermute, dass Ihre Hochgeboren nicht in den Nordmarken geboren ist, oder? Sie trägt keinen typisch nordmärkischen Namen. Sie kleidet sich superb!"
Edorian blickte sich im Saal um und fragte Circe nach einigen weiteren Gästen.

Circe sah sich um:
"Die Dame dort hinten ist Frederun von Weitenfeld. Ich kenne sie nur vom Sehen."'"
Circe spähte weiter:
"Die Dame dort, am anderen Ende muss die Tochter des Landgrafen, Lechmin Alara Greifax, sein."

"Und wer sind die beiden hohen Damen, die dort drüben beisammen sitzen?"
Edorian blickte zu Adula und Iriane.

Circe überlegte kurz:
"Da muss ich passen. Auch sonst sehe ich kein bekanntes Gesicht."
Nach einem kurzen Augenblick korrigierte sich Circe:
"Oh, doch. Dort hinten seht Ihr Wunnemine von Fadersberg, die Baronin zu Ambelmund und ihre Schwester Regintrud, genannt Befinna. Das ist die junge Dame dort drüben."

Interessiert blickte der Arzt zu den beiden adeligen Damen. Es war ihm aber anzumerken, dass er sich unter den hohen Gästen fehl am Platz fühlte.
"Sehr geehrte Frau Magistra, ich danke Euch für den Tanz und Eure Gesellschaft, allerdings möchte ich mich jetzt zurückziehen. Ich werde nochmal bei den Mädchen in der Kindskammer vorbeischauen und mich angesichts der fortgeschrittenen Stunde dann in mein Gemach begeben. Ich wünsche Euch noch viel Vergnügen und später eine angenehme Nachtruhe!"'"
Er verbeugte sich vor Circe und deutete einen Handkuss an.

Circe entgegnete:
"Ich danke Euch und hoffe, Euch bei der nächsten Zusammenkunft dieser Art zu etwas mehr Orientierung verholfen zu haben. Ich wünsche Euch eine angenehme Nachtruhe."


~*~


Nachdem Geribold mit einigen Gästen und seiner frisch angetrauten Frau getanzt hatte, nahm er sich einen Moment der Ruhe und trat an Seine Hochgeboren Udilbras Timerlain von Vairningen heran, vor dem er respektvoll sein Haupt neigte.
"Euer Hochgeboren, erlaubt Ihr mir, mich für einen Moment zu Euch zu setzen?"

"Selbstverständlich Hochgeboren", hieß ihn der Alt-Baron herzlich willkommen und war gespannt, ob ein bestimmtes Anliegen seinen Nachbarn zu ihm getrieben hatte oder ob es um eine allgemeine Annäherung ging.
"Mir scheint, Ihr habt viel Mühe und Zeit in die Vorbereitungen dieses Fests investiert und ich kann Euch sagen, es hat sich ausgezahlt. Ein sehr schönes Fest habt Ihr hier..."

Er lächelte freundlich ob des Komplimentes und setzte sich.
"Habt vielen Dank, es freut mich zu hören, dass Euch das Fest zusagt."
Er nickte mehrfach leicht als er weitersprach.
"Für wahr! Viel Zeit und Mühe sind in die Vorbereitung der Hochzeit geflossen, doch wollte ich, dass sich ein jeder geladene Gast willkommen und wohl fühlt. Sollte mir dies bei der Mehrheit der Gäste gelungen sein, bin ich glücklich."
Er blickte einmal über die Gäste, wie sie so beisammen standen, gemeinsam parlierten, tranken, aßen, lachten und tanzten. Unwillkürlich musste er lächeln.
"Es erfüllt mich mit großer Freude, dass so viele unserer Einladung gefolgt sind und hier heute mit uns feiern. Ich war, wie ich gestehen muss, ausgesprochen aufgeregt. Ihr müsst wissen, seit… vielen Jahren, ist dies das erste Fest, das Burg Fischwacht sieht."

Udilbras lächelte verständnisvoll.
"Ich kann Euch da sehr gut verstehen, ich wüsste nicht, wann es zuletzt in meiner Familie ein solches Fest gegeben hat."
Seine Tochter hatte nie geheiratet und so hatte es bei ihr auch nie ein großes Fest zum Traviabund gegeben. Vea hingegen hatte zwar geheiratet, doch war diese im engsten Kreis gefeiert worden, sie hatte vor dem Aufbruch des Heeres Gewissheit haben wollen.
"Nun, ich würde sagen, Ihr könnt die Aufregung zumindest in dieser Hinsicht getrost hinter Euch lassen."

"Ja, das denke ich auch", pflichtete Geribold seinem Gegenüber zu.
"So langsam stellt sich tatsächlich so etwas wie Entspannung ein und ich kann den Abend genießen, bevor morgen neue, ungekannte Pflichten auf mich warten, die ein Traviabund mitbringt", lachte er dann.
Er hatte immer gehofft, er könne mit einem größeren Familienkreis feiern, wenn er einst den Traviabund schloss - und seinen Vater an seiner Seite haben, der ihm eventuell den ein oder anderen Ratschlag hätte geben können. So musste er sich dieser Aufgabe, so wie den Dutzenden anderen zuvor, alleine stellen. Natürlich waren da noch Roana und Hagunelda, doch die waren noch jung.
Kurz schüttelte er den Kopf, bevor er an seinem letzten Satz wieder anschloss.
"Oh, versteht mich aber bitte nicht falsch, Hochgeboren. Ich freue mich auf die Zukunft. Offen gestanden, mehr denn je."

"Und daran tut Ihr gut", bestärkte ihn Udilbras sogleich.
"Vieles von dem, was war, konnten wir nie beeinflussen und werden es vor allem nicht mehr ändern können. Doch auf alles, was vor uns liegt, können wir, im Rahmen unserer Möglichkeiten, einwirken und sollten Euch einmal die Kräfte versagen, so ergreift die dargebotenen Hände Eurer Familie, Freunde und Verbündeter. Im Sinne der Baronin von Vairningen, kann ich Euch deshalb nur sagen, das Wohl unserer Nachbarn und von ganz Nordgratenfels hat auf der Vairnburg einen hohen Stellenwert. So Ihr Hilfe braucht, werden wir Euch den uns möglichen Beistand leisten."
Dass den Vairningern etwas an Nordgratenfels lag, war nicht zu bestreiten. Allerdings war für Außenstehende unmöglich zu erkennen, ob das Interesse zum Wohle des eigenen Kontors bestand oder ob der Kontor zum Wohle der Region geführt wurde.

"Seid herzlich bedankt, Hochgeboren. Ihr sprecht wahr, Rückwärtsgewandtheit führt letztlich zu Stagnation. Ich blicke nun in die Zukunft", sagte er, als müsse er sich selbst noch ein wenig davon überzeugen.
"Auch mir liegt viel an guter Nachbarschaft und an unserem schönen Nordgratenfels. Mag es auch ein wenig rauer sein, als im Gratenfelser Becken, so schätze ich die Geradlinigkeit der Menschen, die weitläufigen Wälder. Nur der eisige Wind im Winter dürfte sich für mein Dafürhalten ein wenig mehr zurückhalten", witzelte er.
Wieder ernster fuhr er fort:
"Spaß beiseite, Hochgeboren. Es ist mir wahrlich eine große Ehre heute mit Euch an einem Tisch zu sitzen. Auf viele weitere Male."
Er erhob seinen Becher.

"Auf weitere Zusammenkünfte!", stimmte Udilbras mit ein, konnte sich jedoch den scherzhaften Nachsatz nicht verkneifen.
"Auf dass die junge Göttin Euren Bund segne und uns allen die gütige Herrin Peraine Gesundheit schenke, Traviabünde dürften in den kommenden Monden eher rar gesät sein."


~*~


Nachdem er sich mit Seiner Hochgeboren aus Vairningen unterhalten hatte, stand dem frisch verheirateten Geribold offenbar der Sinn erneut nach ein wenig Bewegung, denn er trat sogleich an Ihre Hochgeboren Wunnemine von Fadersberg heran.
"Hochgeboren, erweist Ihr mir die Ehre und schenkt mir den ein oder anderen Tanz?"

"An mir ist es, mich geehrt zu fühlen, Euer Hochgeboren. Gerne erfülle ich Euren Wunsch, darauf vertrauend, damit nicht sofort die Eifersucht Eurer frisch angetrauten Gemahlin auf mich herabzubeschwören."
Wunnemine ergriff zielstrebig die Hand Geribolds. Beinahe wäre sie direkt los zur Tanzfläche geprescht, widerstand aber diesem Impuls. Sie war sich darüber im Klaren, dass nicht jeder Mann goutierte, von ihr geführt zu werden, weder auf dem Weg zum noch im Tanz. Sie wusste, warum sie mit Leodegar am allerliebsten dann den Reigen wagte, wenn sie vorher auf dem Schwertübungsplatz die ehelichen Fronten geklärt hatten, und die Führungsfragen ausgefochten waren.

Geribold lachte auf und hielt Wunnemines Hand dabei in seiner.
"Ich glaube nicht", antwortete er dann und bot, nachdem diese aufgestanden war und sich ihre Hände gelöst hatten, seinen Arm an. Auf dem Weg zur Tanzfläche raunte er ihr mit einem leicht schiefen Lächeln zu:
"Erwartet nicht zu viel, Hochgeboren. Ich tanze noch nicht lange."
Die Anspannung, die Geribold während der ersten Stunden der Feierlichkeiten noch befallen hatte, fiel nun nach und nach ab und er wirkte gelöster.

"Seid unbesorgt", beschwichtigte Wunnemine die selbstkritische Haltung Geribolds.
"Ich mag vielleicht schon länger tanzen, dafür tue ich dies recht selten und nur mit besonderen Tanzpartnern zu besonderen Anlässen... es sei denn, Ihr zählt auch die täglichen Schwertübungen als Reigen - in Sachen Fußbewegung, Körperhaltung und Ästhetik liegt beides ja nicht allzu weit auseinander."
Manche ihrer 'echten' Tänze kamen darüber hinaus auch Schwertduellen durchaus nahe... aber heute war ja kein Graf anwesend.

"Ihr habt Recht, so hatte ich das bislang noch gar nicht betrachtet!', lachte er.
"Und vielen Dank für das Kompliment. Sicherlich seid Ihr dennoch ein wenig versierter und ich bin tapfer genug einzugestehen, wenn mir jemand überlegen ist. Gebt mir gern den ein oder anderen Schubs in die richtige Richtung, wenn Ihr versteht. Ich will meiner Gemahlin ja auf der Tanzfläche einst alle Ehre machen!", grinste er dann.

"Damit habe ich keine Probleme", grinste nun Wunnemine.
"Ich weiß nur nicht so recht, ob ich Eurem Ziel nicht sogar schade, wenn ich gleich zu sehr die Führung übernehme - immerhin wird dies spätestens nachher Eure Aufgabe sein - oder ist Eure Gemahlin auch eine so resolute Tanzpartnerin?"
Die Ambelmunderin war gespannt, wie die Kräfteverhältnisse in der neu geschlossenen Ehe ausfielen. Wie ein Paar miteinander tanzte, sagte oft viel darüber aus.
"Falls nein, sollte ich mich vielleicht etwas zurückhalten."

"Nun, Tsaja ist keine resolute Tänzerin, nein. Sie korrigiert subtil, wo ich fehlschreite. Vielleicht bleiben wir bei dieser Methode?", lachte er dann.

"Ich gebe mein Bestes, halbwegs subtil zu bleiben. Aber nehmt es mir bitte nicht übel, sollte dies nicht immer gelingen", stimmte Wunnemine in Geribolds Lachen ein.
"Immerhin sind wir Nordgratenfelser eher gerade heraus. Und das ist auch gut so."

"Wohl gesprochen!", antwortete Geribold.
"Dann wollen wir mal sehen, was meine eingerosteten Knochen noch so hergeben."


~*~


Auch die Braut hatte sich unter die Tänzer begeben und sorgte dafür, dass jeder Herr, der das Tanzbein schwingen wollte, auch die Gelegenheit dazu bekam.


~*~


Farold musste zuerst mit seiner Frau Praiolore einen Tanz absolvieren, Beobachter konnten gut sehen, dass sie diejenige war, die auf der Tanzfläche führte und dass der großen Ritter ihr so gut es ging nachfolgte. Dies wärte jedoch nicht allzu lange und während sich Praiolore aufmachte, ihre Verwandte Praiosilvia aufzusuchen, hatte sich Farold zu ihrer gemeinsamen Tochter begeben.
Beide waren sofort als zugehörig zu erkennen, er trug ein Wams in den Farben seines Lehnsherrn mit einem großen Wappen derer von Eychstädt, sie hingegen ein Kleid in denselben Farben mit einer kleineren Ausführung des Wappens auf der Brust.
Als das Brautpaar auf ihrer Runde auf die beiden traf, erhoben sie sich und Farold verneigte sich vor Geribold. "Mein Lehnsherr!"
Dann verneigte er sich ebenfalls vor Tsaja.
"Eure Hochgeborene oder soll ich jetzt auch 'Eure Lehnsherrin' sagen?"

Tsaja blickte kurz unsicher zu Geribold.
"Nein, ich denke, dass das nicht richtig wäre. Mir habt Ihr keinen Lehnseid geschworen und somit bin ich auch nicht Eure Lehnsherrin. Ich freue mich aber, Euch und Eure Familie an dem heutigen Festtage kennen gelernt zu haben und hoffe, dass wir gute Bekannte werden!"

Geribold lächelte erst liebevoll 'seine' Tsaja an, nickte anschließend Farold zu und lächelte freundlich.
"Seid herzlich willkommen! Schön, dass Ihr der Einladung gefolgt seid.“"
Dann blickte er zu Farolds Tochter.
"Und Ihr müsst Isaena sein. Es ist mir eine wahre Freude, auch Euch begrüßen zu dürfen. Ich hoffe, es gefällt Euch?", fragte er die junge Dame dann.

Farold wollte schon darauf erwidern, ließ dann schließlich seiner Tochter den Vorrang. Isaena machte einen Knicks.
"Ja, Euer Hochgeborener. An einem solchen Fest mit vielen wunderbaren Speisen habe ich bis jetzt noch nicht teilgenommen. Mein Vater versucht mir die vielen Wappen und Familien zu erklären, die alle hier anwesend sind. Es ist sehr überwältigend für mich."
Farold fügte dann ergänzend hinzu:
"Nunja, sie ist auch von den ganzen Speisen und Getränken überwältigt, die hier angeboten werden. In erster Linie sind wir jedoch wegen Euch hergekommen, um Euren glücklichen Bund zu feiern. Dennoch ist es eine gute Gelegenheit Kontakte zu den verschiedenen Häuser zu knüpfen."

"Ganz recht. Wann sind sonst einmal so viele Hohe Damen und Herren an einem Ort anwesend? Da müsste man eine nicht ergriffene Gelegenheit im Grunde schon als fahrlässig beschreiben. Sequitur, packt sie am Schopfe", grinste Geribold.

Dann wandte sich Farold Tsaja zu:
"Unsere Familie hat über Generationen der Familie der Fischwachttal als Hausritter gedient und erst vor ein paar Jahren wurde uns ein Lehen übertragen. Es fühlt sich für mich daher jetzt richtig an, Euch auch als Teil dieser Familie zu sehen und meine Treue Euch darzubieten."

Tsaja lächelte ergriffen. Ihr bescheidenes Wesen war durch diese Rede gerührt.
"Mein Hoher Herr von Eychstädt! Ihr adelt mich durch Eure Worte und Euer Angebot, welches ich gerne annehme. Lasst uns gemeinsam das Glas erheben und unser Bündnis so besiegeln!"
Tsaja winkte einen Lakaien zu sich, der ein Tablett mit Getränken trug. Sie reichte dem Ritter und seiner Tochter ein Glas mit Bosparanjer, ein weiteres ihrem Gemahl und das vierte erhob sie selbst:
"Trinken wir auf die Häuser von Eychstädt und von Fischwachttal! Mögen sie gemeinsam erblühen und prosperieren, unter dem Lichte der Zwölfe!"

In Geribolds Augen mischten sich Liebe und Stolz und kondensierten in einem breiten Lächeln und strahlenden Augen, als er Tsaja ansah und das Glas erhob.
"Dem ist nichts hinzuzufügen, meine Liebe."

"Gut gesprochen. Ein Wohl auf unsere Häuser und deren Zukunft!", erwiderte Farold.
Er erhob auch sein Glas und nahm einen kräftigen Schluck. Anschließend betrachtete er das nur noch halbvolle Glas und sagte dann anerkennend:
"Da habt Ihr einen guten Tropfen aufgetischt," und wandte sich zu Isaena.
"Willst du nicht auch einen kleinen Schluck probieren, sowas trinkt man nicht alle Tage!", und fügte dann noch schnell hinzu:
"Du musst es ja deiner Mutter nicht sagen".
Etwas zurückhaltend fragte diese dann mit skeptischem Blick:
"Ich weiß nicht so recht, der Wein zuhause hat mir gar nicht geschmeckt. Ist dieser wirklich so viel besser?"
Darauf Farold leicht belustigt:
"Du musst nicht, nur wird eine solche Gelegenheit nicht so schnell wiederkommen. Aber vielleicht sollten wir wirklich köstlichen Kuchen eher probieren und dir einen Saft zum Trinken besorgen."
Dann wandte er sich wieder zum Brautpaar:
"Nochmals Danke für das schöne Fest und Ihr seid jederzeit willkommen auf meinem bescheidenen Gut. Ich würde mich gerne weiter unterhalten, allerdings bin ich auch nicht der einzige Gast hier und möchte nicht weiter Eure Zeit einfordern."

"Ihr ehrt uns mit Eurer Anwesenheit und es wäre mir ein Vergnügen, wenn Ihr mich zum Tanze auffordert!"
Tsaja lächelte Farold warmherzig an.

Farold zögerte kurz, antwortete dann mit einem Lächeln:
"Es wäre mir eine Freude, wenn Ihr mich mit einem Tanz beehren würdet. Allerdings muss ich Euch vorwarnen, ich bin es gewohnt eher auf einem Turnierplatz mich zu bewegen, als auf dem Parkett und mein linkes Bein ist immer noch etwas steif wegen einer Kriegsverletzung."

"Wohlan denn. Ich wünsche viel Spaß beim Tanze. Ich denke, ich werde heute auch noch den ein oder anderen Tanz wagen - auch, wenn dies sicher nicht meine Paradedisziplin darstellt, nicht wahr, meine Teuerste?", lachte der Bräutigam.

Tsaja lächelte Geribold verliebt an.
"Mein teurer Gemahl, setzt Eure Talente nicht unnötig herab!"
Dann wandte sie sich an Farold:
"Von Euren Bedenken wollen wir uns die Freude an einem Tänzchen nicht trüben lassen."
Sie bot ihm die Hand, um sich zur Tanzfläche führen zu lassen, und lächelte Geribold nochmal zu.

Farold nickte ihr zu und wandte sich kurz zu seiner Tochter:
"Isaena, suche jetzt lieber deine Mutter auf."
Dann nahm er die dargebotene Hand an, führte Tsaja auf die Tanzfläche und nahm Haltung an.

Geribold schaute den beiden noch kurz hinterher und mischte sich dann wieder unter die Gäste.

Tsaja hingegen setzte während des Tanzes die Unterhaltung mit Farold fort:
"Eure Tochter Isaena ist zauberhaft! Wie alt ist sie? Und hat Euch Tsa mit weiteren Kindern gesegnet?"

Sie merkte beim Tanzen schnell, dass er etwas steif, aber nicht ungeübt darin war:
"Isaena ist mit zehn Jahren unsere Älteste. Ulfried Baeromar ist drei Jahre jünger und darf für ein paar Tage den Herrn auf unserem Gut spielen. Tsa hat in der Hinsicht gnädig auf uns geschaut. Ich bin sicher, dass sie auch gnädig auf Euch sehen wird," und fügte dann noch hinzu:
"Verzeiht, wenn jetzt meine Aussage etwas aufdringlich war."

"Da gibt es nichts zu verzeihen! Kinder sind doch Sinn und Zweck eines Traviabundes! Und mein Gemahl und ich wünschen uns Kinder, nicht nur um die Familie zu erhalten. Isaena strebt den Pagendienst an? Und welche Neigungen zeigt Ulfried? Möchte er auch in den Ritterstand treten oder strebt er vielleicht eine akademische Ausbildung an?"

"Hm, bei Ulfried sind wir noch unsicher. Eine Ritterausbildung ist sehr kostspielig, meine Frau hat schon den Gedanken geäußert, ihn in eine Verwaltungslaufbahn zu bringen. Da hat sie über ihre Familie ein paar Verbindungen und natürlich auch, wenn er dafür geeignet ist."

"Es ist immer gut, verwandtschaftliche oder freundschaftliche Beziehung zu nutzen, wenn es um die Ausbildung der Kinder geht. So ganz in fremde Hände möchte ich meine Kinder auch nicht geben. Schaut, was für ihn in Frage kommt und wo seine Neigungen liegen, dann wird er bestimmt seinen Weg gehen!"
Die Musik verstummte, der Tanz war zu Ende.
"Ich bin ganz außer Atem. Wollen wir uns etwas setzen und einen Becher Wein nehmen? Und wir gesellen uns zu Eurer Gemahlin und Eurer Tochter. Ich würde beide gerne näher kennenlernen!"

"Gewiss, dann wollen wir mal auf die Suche machen!"
Farold hatte seinen Arm zum Einhaken hingehalten.
"Meine Gemahlin wollte vorhin Praiosilvia aufsuchen. Lass uns nachsehen, ob sie noch an der Tafel oder schon beim Kuchenessen sind."

Tsaja nahm den ihr angebotenen Arm und folgte Farold.


~*~


Lara von Siebenstein holte sich einen Becher Wein und machte eine Pause vom Tanz, um wieder zu Atem zu kommen. Sie gesellte sich zu der Hofmagierin Circe ter Greven:
"Erinnert Ihr Euch noch an den Pelura-Wettbewerb im letzten Rahja zu Albenhus? Wir hatten so viel Spaß! Wollen wir in diesem Jahr wieder gemeinsam daran teilnehmen?"

Circe entgegnete:
"Oh, das hängt sehr davon ab, wann es stattfindet. Wisst Ihr, wann es eine Neuauflage geben wird? Wieder im Rahja?"

"Der Wettbewerb findet jährlich am 2. Rahja statt, während des Fests der Freuden im Rosentempel zu Albenhus. Auch wenn ich beim vergangenen Turnier nicht gut abgeschnitten hatte, hatten wir alle doch sehr viel Spaß auf dem Fest! Und ich habe inzwischen fleißig geübt, so dass ich hoffe, dieses Jahr ein besseres Ergebnis zu erzielen! Möge der Herr Phex mir helfen!"
Optimistisch lächelte Lara Circe an.

Circe entgegnete:
"Ich muss erst Darios und meine Termine sichten, vor allem die nächste Reise nach Punin planen."

"Ihr wart jetzt schon eine Weile nicht mehr in Punin. Ich dachte mir schon, dass bald wieder eine Reise dorthin ansteht. Jetzt ist das kleine Mädchen ja da, dann sollte Eurer Reise nichts mehr im Wege stehen. Wie macht sich Eure Scholarin?"

Circe entgegnete:
"Die Reise steht ohnehin im Mittel nur alle drei Jahre an, dafür reise ich nicht nur nach Punin, wenn ich schon unterwegs bin. Die Scholarin macht sich gut, aber verratet ihr das bitte nicht."

Belina von Siebenstein trat zu den beiden Frauen.
"Lara, hast Du Deinen Bruder gesehen? Ich kann ihn nirgends finden!"
Ihre Stimme klang so vorwurfsvoll, als ob Lara mit Unterstützung der Hofmaga für Travins Verschwinden verantwortlich wäre.
"Es ist schon eine Weile her, dass ich ihn sah, werte Frau Mama. Falls es auf der Burg eine Vogelvoliere gibt, wäre das der Ort, wo ich zuerst suchen würde!", erwiderte Lara und zwinkerte Circe zu.

In Circe wäre beinahe die Abenteurerin und Ermittlerin hochgekommen. Die Frage 'Wo, wann und von wem wurde er zuletzt gesehen?' verschluckte sie gerade noch rechtzeitig.

Belina blickte zur Hofmagierin.
"Verzeiht, wolltet Ihr noch etwas sagen?"

Circe fiel ein, dass Lara ihr mal erzählt hatte, dass sie glaube, ihre Mutter könne Gedanken lesen.
"Ich hatte die Frage 'Wo, wann und von wem wurde er zuletzt gesehen?' auf der Zunge, muss ich gestehen."

Belina überlegte:
"Die Tafel war noch nicht aufgehoben. Er hat diese Tänzerin mit großen Augen angeschaut. Als dann das Mahl vorüber war, ist er aufgestanden. Ich hatte gehofft, er würde sich den Tänzern anschließen, aber ich sehe ihn weder auf der Tanzfläche noch am Kuchenbuffet."

"Lara, wenn Du Deinen Bruder siehst, überrede ihn doch, dass er eine der Damen zum Tanze auffordert. Ich bitte mich zu entschuldigen!"
Belina nickte Circe höflich zu. Als sie verschwunden war, grinste Lara Circe an:
"Ich habe Travin in den Garten gehen sehen. Solche Feste liegen ihm gar nicht. Mutter weiß das auch und versucht trotzdem immer, ihn zum Tanzen oder Parlieren zu bringen."
Lara konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken.
"Mutter weiß nur nicht, wie vergeblich ihre Bemühungen sind, doch noch eine gute Partie für Travin zu arrangieren, denn ich habe den Eindruck, dass mein Bruderherz bereits für eine Dame entflammt ist!"

"Auch das noch – Beziehungskisten", dachte Circe.
"Ich wundere mich jetzt, dass Ihr nur ‘den Eindruck’ habt und nicht etwa wisst, um wen es sich handelt."
Circe vermied bewusst die Formulierung '... wer die Glückliche ist'.

"Mein Bruder hat sich mir noch nicht anvertraut, aber ich sehe, wie verlegen er immer wird, wenn besagte Dame, die kürzlich in die Dienste Ihrer Hochgeboren getreten ist, das Gespräch mit ihm sucht."
Lara lächelte schelmisch.
"Allerdings ist die Herkunft der Dame nicht so bedeutend, wie sich meine Mutter das wünscht. Naja, vom Heiraten sind die beiden noch weit entfernt. Im Moment schmachtet Travin sie eher heimlich an. Doch ist mir aufgefallen, dass die holde Maid relativ oft in der Falknerei vorbei schaut. Naja, wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Wollen wir ein wenig in den Garten gehen? Etwas frische Luft wäre nicht schlecht."

"Warum denn nicht. Vielleicht sehen wir ja Euren Bruder. Dann hätte sich die Suche Eurer Mutter ja erledigt."

Lara lachte.
"Und wie soll ich ihn zum Tanzen überreden? Ah vielleicht mit dem Hinweis, dass Frauen im Allgemeinen das Tanzen schätzen."
Jetzt grinste Lara wie ein Honigkuchenpferd.

"Wie Ihr ihn zum Tanzen überredet, solltet Ihr besser wissen als ich. Und in Bezug auf die Vorlieben gibt es Ausnahmen. Das weiß ich ganz genau."

"Naja, solange wir die Dame nicht näher kennen, nehmen wir mal an, dass sie gerne tanzt!"
Lara zwinkerte Circe wieder zu.

Circe machte eine Handbewegung, wie sie stets machte, wenn sich im Seminar mal wieder jemand zu unbegründeten Spekulationen hinreißen ließ.


~*~


Travin von Siebenstein, der Sohn der Junkerin Belina von Siebenstein zu Bussardstein, drückte sich am Kuchentisch herum. Für gewöhnlich verbrachte er seine Zeit lieber mit seinen Falken. Höfische Feste lagen ihm nicht, doch zu diesem Anlass hatte seine Mutter ihn genötigt, teilzunehmen. Nicht zuletzt in der Hoffnung, endlich eine Braut für ihn zu finden. Als er merkte, dass seine Mutter ihn suchte, floh er unauffällig in den Schlossgarten, wo ihn hoffentlich niemand zum Tanzen zwingen würde.

Der junge Leodegar von Eberbach sah mit einem amüsanten Schmunzeln die 'Flucht' seines ehemaligen Ausbilders. Er entschuldigte sich kurz bei seiner Mutter, die ohnehin gerade alle Hände voll damit zu tun hatte, ihren Gatten vom vierten Stück Kuchen abzuhalten. Also lief Leodegar dem den sozialen Zwängen Fliehenden hinterher. Im Burggarten holte er ihn ein.
"Na, mein Freund. Auch du wärst nun lieber bei deinen Falken, nicht?"
Mit breitem Grinsen und einer herzlichen Umarmung begrüßte er seinen mittlerweile langjährigen Freund.

"Leodegar! Ja, Du kennst mich eben!"
Travin lachte fröhlich auf.
"Wie geht es Gwynna und ihrer Familie? Und wie sagt Dir Gratenfels mit seinen Schwefelquellen zu?"

"Soweit ich das beurteilen kann, geht es ihnen gut. Albin nimmt ihr nach wie vor vieles ab, sodass sie sich auf ihre geliebten Tiere konzentrieren kann. Die Arbeit mit ihr ist unglaublich inspirierend."
Er grinste schelmisch und schob nach:
"Nicht, dass sie das mit dir nicht auch war. Aber dort ist alles irgendwie... größer und... und intensiver!"
Dann grübelte er kurz, bevor er den zweiten Teil der Frage mit einem knappen:
"Zu groß, zu viele Leute.", beantwortete. "Aber wie ist es dir ergangen?"

"Auf Bussardstein ist alles beim Alten. Ich bin froh, dass ich dort leben und arbeiten kann. Mein Großvater kränkelt ein wenig. Nichts, was besorgniserregend wäre, aber er zählt nun auch schon weit über achzig Götterläufe und seine Kraft lässt langsam nach."
Travin zögert einen Moment. Leodegar merkte, dass er noch etwas sagen wollte, aber noch zögerte. Travin errötete leicht. Begann zu sprechen, doch seine Stimme versagte. Er räusperte sich mehrmals und hob dann wieder an:
"Ich habe jemanden kennen gelernt."

"Hast du? Wie wunderbar! Also das mit dem Kennenlernen, nicht das mit Deinem Großvater natürlich."
Jetzt war es Leodegar, der errötete. Konversation war wohl nach wie vor nicht seine Sache.
"Willst du mir von ihr erzählen?"

"Ja, gerne!"
Travin fühlte sich in Leodegars Gesellschaft wohl. Die beiden kannten und verstanden sich seit der Zeit, als der junge Mann seine Falknerausbildung auf Gut Bussardstein absolviert hatte.
"Sie heißt Erdrun Eisenblatt und ist die Tochter des Edlen zu Hohwiesen in der Baronie Orgils Heim. Die Familie lebt im Windhag. Ihr Bruder verwaltet das Lehen für seinen Vater. Erdrun hält sich zeitweise dort auf und es ist im Gespräch, dass sie sich um die Forellenzucht Ihrer Hochgeboren Melinde kümmern soll. Als die beiden Damen das Gelände besichtigten, wo die Teiche am Entstehen sind, habe ich sie getroffen und die Baronin hat sie mir vorgestellt. Es ist das erste Mal, dass mir eine Frau begegnet ist, von der ich mir vorstellen kann, dass sie zu mir passt. Keine Puppe, sondern ein Frau, die bodenständig ist, ein zurückgezogenes Leben nicht scheut und die meine Arbeit mit den Vögeln nicht abschreckt. Sie ist bei aller Zurückhaltung freundlich und ich glaube, sie findet Gefallen an meiner Gesellschaft. Nur, meine Mutter erwartet, dass ich eine gute Partie mache!"
Sein Blick trübte sich.
"Als Erbe eines Junkergutes meint sie, dass ich die Familie weiterbringen soll. Wahrscheinlich erwartet sie eine Baronstochter. Nur welche Frau von Stand würde sich mit meiner abgeschiedenen Lebensweise zufriedengeben? Die Hege der Vögel geht mir über alles und was soll ich mit einer Frau, die ein geselliges Leben in Elenvina bevorzugt? Das würde keine harmonische Ehe werden. Nein, ich schätze ein behagliches, häusliches Leben. Und, ich zähle bereits fünfundvierzig Götterläufe, da wird mich auch nicht mehr jede junge Baroness haben wollen, selbst, wenn ich sie wollte!"
Bei dem Gedanken an Erdrun lächelte er, ganz unbewusst, glücklich vor sich hin.

"Erdrun, also. Sie klingt ganz wundervoll! Ich kann es kaum erwarten sie eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages kennenzulernen. Und ich glaube, sie ist eine ganz wunderbare Partie. Du strahlst, wie du es sonst nur bei deinen geliebten Vögel tust. Wenn sie das nicht zu einer guten Partie macht, weiß ich auch nicht."
Er lächelte warmherzig.
"Ich hoffe, dass ich eines Tages auch jemanden finde, für den mein Herz so sehr schlägt. Bis dahin sollte ich lernen, nicht nur über Vergilio und Livia zu reden."
Er lachte freudig auf.

Travin fiel in sein Lachen ein.
"Du bist noch jung und ich hoffe, dass Du den Traviabund eines Tages auch aus Liebe eingehen wirst! Apropos Vögel! Vielleicht hast Du nach der Feier, bevor Du wieder nach Gratenfels reisen wirst, noch Zeit, ein oder zwei Tage in Bussardstein vorbei zu schauen! Dann kannst Du Dir meinen aktuellen Bestand ansehen. Das böte uns Gelegenheit zu überlegen, welche Vögel man eventuell mit Eurem Bestand in Gratenfels tauschen könnte, um die Zucht aufzufrischen. Und so ganz nebenbei könnte man mal bei der Fischzucht vorbei schauen", merkte Travin mit einem Augenzwinkern an.

Leodegars Augen leuchteten auf.
"Herzlich gern, Travin! Herzlich gern! Sicher hast du ganz wunderbare Vögel, ich brenne darauf sie zu sehen. Aber...", stockte er und kratzte sich am Kopf, "warum schauen wir Fische an?"
Nach einem kurzen Moment des gemeinsamen Schweigens, schlug er sich die Hand vor die Stirn.
"Erdrun!", rief er dann und lachte wieder.
"Also abgemacht."
Dann bekam seine Stimme einen verschwörerischen Unterton und er blickte sich dramatisch um, auf dass er sicher gehen konnte, dass sie niemand hörte.
"Im Gegenzug verrate ich dir welcher Hohe Herr so gar nicht mit den Falken zurechtkommt."
Er zwinkerte nun seinerseits.

"Meinst Du einen der hier Anwesenden?"
Travin blickte sich um, musste aber bemerken, dass die meisten Gäste im Festsaal weilten, dazu freiwillig.
"Sag’ schon, wer ist der Bedauernswerte?"

Leodegars Grinsen wurde noch breiter, als er antwortete. Er musste sich sichtlich zusammenreißen, nicht loszulachen.
"Mein Vater! Als ich zuletzt zu Besuch war, hatte ich meine beiden Schätze dabei. Er meinte, ich solle ihm 'das mit den Vögeln doch mal zeigen'. Unglaublich, wie man sich anstellen kann!"
Jetzt musste er doch lauthals lachen, brachte nur einzelne Worte hervor.
"Hilfe… Er macht… komische Sachen… Mach doch was!"

Travin fiel in Leodegars Gelächter ein.
"Bitte entschuldige! Ich wollte Deinem Vater gegenüber nicht respektlos sein! Deine Darstellung jedoch war so großartig, dass ich mich nicht beherrschen konnte!"

Inzwischen waren auch Circe ter Greven und Lara in den Garten getreten und kamen auf die beiden zu.
"Ohje! Da naht Unheil! Vermutlich lässt meine Mutter mich suchen!", seufzte Travin.

Nur mit Mühe bekam Leodegar das Lachen in den Griff.
"Werden wir uns jetzt verstecken wie die Kinder?", konnte er sich dann einen weiteren Scherz nicht verkneifen.
"Wenn wir wieder unter uns sind, zeige ich dir, wie er dabei ausgesehen hat", schob er leise nach und musste noch einmal leise kichern.

Travin seufzte.
"Ich fürchte, sie haben uns schon gesehen. Ich denke, ich tanze ein oder zwei Tänze und verschwinde dann wieder in den Garten. Kommst Du mit zum Tanze? Man sagt immer 'geteiltes Leid sei halbes Leid'."

Leodegar setzte eine Miene auf, die eindeutig so etwas wie: 'Muss das sein?' aussagte. Dennoch sagte er:
"In Ordnung. Aber mit wem tanze ich? Mit dir ja wohl nicht und mit meiner Schwester, geschweige meiner Mutter wäre es ebenfalls komisch. Irgendwelche Vorschläge?"
Da die beiden Damen nun definitiv in Hörweite sein mussten, sprach er sie an.
"Seid gegrüßt, die Hohe Dame und die ehrenwerte Magistra."
Er senkte sein Haupt zur Begrüßung.

"Lara ist eine passable Tänzerin", raunte Travin Leodegar zu, bevor die beiden Frauen bei ihnen ankamen.
"Gelehrte Dame! Lara, lass’ mich raten: Mutter wünscht meine Anwesenheit auf dem Tanzparkett?"
"So ist es! Ich denke, Du kannst unbesorgt die ein oder andere Dame zum Tanzen auffordern. Ich habe noch nicht gesehen, dass heute jemand gebissen worden wäre, oder Frau ter Greven?"
Lara gluckste:
"Außerdem würde Dir etwas Übung nicht schaden. Ich weiß ja, dass Du kein ganz schlechter Tänzer bist, aber vielleicht ergibt sich ja demnächst Daheim mal die Gelegenheit, eine bestimmte Dame zum Tanze zu bitten!"
Travin errötete, murmelte etwas Unverständliches und begab sich Richtung Palas.

Leodegar grinste breit, als Travin von dannen zog. Alsdann wandte er sich an Lara von Siebenstein.
"Ich gehe dann wohl ebenfalls zurück."
Er räusperte sich kurz, bevor er weitersprach:
"Würdet Ihr mir, solltet Ihr ebenfalls zum Fest zurückkehren wollen, die Ehre erweisen und mir einen Tanz schenken?"

Circe signalisierte durch eine Handbewegung, dass sie noch hier zu verweilen gedachte.

Lara vollführte einen kurzen, koketten Knicks:
"Es ist mir ein Vergnügen!", dabei warf sie dem jungen Mann einen Blick zu, der zu sagen schien, dass sie schon den ganzen Abend nur darauf wartete, von ihm zum Tanz gebeten zu werden.
Sie nickte Circe zu und ließ sich von Leodegar in den Saal zurückführen.

Leodegar strahlte, als er Lara seinen Arm anbot. Gemeinsam mit ihr begab er sich durch den Garten zurück in den Saal, wo er sie auf die Tanzfläche führte.


~*~


Liliane Eberwulf von Tannwirk suchte für den Brautvater Alrik, Altbaron zu Witzichenberg, persönlich einige appetitliche Häppchen vom Kuchentisch und brachte sie ihm an die Tafel. Leon Eberwulf von Tannwirk leistete seinem Vater Alrik, gemeinsam mit seiner Gattin Basilissa von Vairningen, Gesellschaft. Nach einer Weile begaben sich beide zu Seiner Hochgeboren Udilbras III. Efferdan Timerlain, Altbaron zu Vairningen:
"Euer Hochgeboren, wie hat Euch das Mahl gemundet?", fragte Basilissa ihren entfernten Verwandten.

"Sehr gut, sehr gut", bestätigte dieser freundlich.
"Nur leider kann ich nicht mehr so viel essen wie früher und gerne hätte ich noch eine dieser gut aussehenden kleinen Apfelküchlein probiert. Ich hatte allerdings bereits eine dieser wunderbaren Geflügel-Pastetchen und der Nachgang stand auch noch aus."
Schicksalsergeben zuckte er etwas mit den Schultern.
"Nun, ich sollte mich nicht beschweren, für mein Alter geht es mir sehr gut."
Es gab jedoch auch Dinge, die ihn interessierten und so nutzte er die Gelegenheit, um seinerseits eine Frage an die junge Anverwandte zu richten:
"Doch sag Großnichte, wie hast du dich in Witzichenberg eingelebt?"

Leon verschwand kurz in Richtung Kuchenbuffet, sodass Basilissa frei sprechen konnte.
"Leon ist ein sehr rücksichtsvoller Gatte und auf Burg Tannwirk kann man mit allen auskommen. Ich denke, ich hätte es schlechter treffen können."

Inzwischen kehrte Leon mit zwei Apfelküchlein zurück.
"Bitte sehr, Euer Hochgeboren, wenn wir sie aufteilen, dann ist es für jeden nur ein kleines Häppchen - zum Probieren!"
Leon zerteilte die Küchlein in kleine Viertel und bot sie zuerst Udilbras und dann seiner Gemahlin an, bevor auch er selbst davon kostete.

"Ein kluger Boltanzug!", merkte der Altbaron dankbar an und probierte sogleich von dem Küchlein.
"Ausgezeichnet, ich befürchte jedoch, ich muss mich glücklich schätzen, dass unsere Köche ein strenges Auge darauf haben, was oder wie viel ich esse. Andernfalls ginge ich wohl auf wie ein Hefezopf."
Dann kam er jedoch auf die Antwort Basilissas zurück.
"Es freut mich, dass du dich hier in den Nordmarken so einleben konntest."
Denn sicher war, sah er einmal von Aarwin ab, drohte den Nachkommen seiner Geschwister der Verlust des Adelsstandes.

Basilissa blickte nachdenklich auf den Altbaron. Noch betrachtete sie Witzichenberg nicht als ihr Zuhause, auch wenn ihr Gemahl alles versuchte, dass sie sich wohl fühlte. Auch die Tannwirks waren freundlich, aber manche Dinge brauchten eben Zeit...
Alrik Eberwulf von Tannwirk, Altbaron zu Witzichenberg, wandte sich an Udilbras:
"Wie hat Euch die junge Tänzerin gefallen? Ich bedaure es sehr, dass ich seit meinem Schlagfluss nicht mehr das Tanzbein schwingen kann."
Schelmisch wandte er den Blick zu Aridana.
Als Leon sah, dass sich zwischen den beiden Herren ein Gespräch entspann, forderte er seine junge Frau zum Tanzen auf und als diese zustimmte, führte er sie zur Tanzfläche.

"Sehr schön anzuschauen, wobei ich nie der große Tänzer war."
Ruhig blickte er in den Raum, sah die vielen Gäste und unterschiedlichen Gespräche, die den Raum mit einem Stimmengewirr füllten und fand es gut, dass die Region hier zusammenkam, zusammenfand und vielleicht auch im Geiste näher zueinander fand.
"Wie ist es Euch in den zurückliegenden Monden ergangen, wie war es für Euch das Zepter an die nächste Generation zu übergeben?"
Er selbst hatte diesen Schritt auch einst getan, genau genommen vor ungefähr einem viertel Jahrhundert. Natürlich waren die Umstände andere gewesen, doch umso mehr interessierte es ihn, wie Alrik mit dem Loslassen klarkam. Da es ihn schmerzte, an diese Zeit zurückzudenken, nahm er einen Schluck aus seinem Kelch und sah fragend zum Tannwirker.v

"Die letzten Monde waren nicht so einfach für mich, da ich nach meinem Schlagfluss mein gewohntes Leben in Elenvina nicht fortsetzen konnte und mich nach Burg Tannwirk in den Schoß meiner Familie zurückgezogen habe."
Er seufzte.
"Was meine Pflichten als Baron betrifft, nun, mein teurer Vater verstarb sehr jung und ich war noch keine zwanzig Götterläufe alt, als ich durch seinen Tod Baron von Witzichenberg wurde, zumindest nominell. Ich absolvierte natürlich zuerst meinen Knappendienst bis zum Ritterschlag, aber mit Anfang zwanzig trug ich die Last und die Verantwortung für alle mir anvertrauten Seelen und das mir anvertraute Land. Ich kam leider nicht mehr in den Genuss, von meines Vaters Erfahrung zu profitieren. Natürlich hatte ich andere Ratgeber und nicht die schlechtesten dazu. Ich vermählte mich mit einer wundervollen Frau, die mir sechs gesunde Kinder schenkte, aber viel zu früh verstarb. Nachdem ich die Baronswürde mehr als fünfzig Götterläufe trug, gab ich sie an meine Tochter Roana weiter. Ich bin stolz auf meine kluge Tochter gewesen, die sich als würdige Nachfolgerin erwiesen hat. Danach zog ich nach Elenvina, um im Alter noch etwas vom Leben zu haben. Natürlich habe ich es mir auch früher gut gehen lassen, aber nun konnte ich mein Dasein unbelastet leben. Ich habe getanzt, gespielt - in Maßen - und gezecht - nicht immer in Maßen. Die Götter haben mich lange mit guter Gesundheit gesegnet, aber alles findet ein Ende und ich bin nun siebenundachtzig Götterläufe alt und ich merke, dass mein derisches Dasein sich dem Ende zuneigt. Dankbar bin ich für jeden Tag, besonders für den heutigen, an dem mein jüngstes Kind meinen ehemaligen Knappen geehelicht hat, den ich noch erleben darf. Und ich freue mich über meine Familie, besonders über die Enkelkinder und meine beiden Urenkelinnen. Wenn Boron mich zu sich ruft, kann ich mit Stolz sagen, dass ich meine Pflicht erfüllt habe und das mir einst anvertraute Lehen wohl bestellt an meine Nachfolger weitergegeben habe. Und nachdem meine Tochter Roana aus Witzichenberg fortgegangen ist und es in die fähigen Hände Melindes gegeben hat, weiß ich, dass alles bestens bestellt ist. Mögen die Zwölfe ihren Segen weiterhin auf Witzichenberg, auf Gratenfels, den Nordmarken und dem gesamten Mittelreich ruhen lassen und Krieg und Elend fernhalten!"
Alrik rang nach seiner langen Rede um Luft und nahm dann einen großen Schluck Wein aus seinem Becher.
"Eure Frage erweckt in mir das Gefühl, dass es Euch möglicherweise nicht ganz so leicht gefallen ist, diesen Schritt zu gehen."
Alrik blickte fragend auf Udilbras.

"Ich will ehrlich sein, wir beide sind alte Männer und haben unsere besten Götterläufe längst hinter uns gelassen. Dennoch ist es uns vergönnt zu sehen, dass die zahlreichen als schlecht empfundenen Ereignisse sich irgendwie mit all den guten Dinge auf Dere ausgleichen lassen."
Kurz nippte er an seinem Kelch und stellte ihn anschließend wieder ab.
"Meine Mutter, Boron sei ihrer gnädig, verfügte über viel Gespür für Macht, jedoch nicht über Familiensinn. Das Volk und der Adel in Vairningen trauerten ihr nicht nach und ich selbst auch nicht. Sie hätte mir eine Lehre sein können und dennoch habe ich es selbst versäumt, meinen Kindern ein guter Vater oder zumindest ein gutes Vorbild zu sein. Ich hatte immer einen Sohn haben wollen und hatte darüber hinaus meine Töchter vernachlässigt, bis ich endlich meinen ersehnten Erben hatte. Seine Geburt kostete seine Mutter das Leben und nahm mir viel der Freude, die er mir hätte bringen sollen. Ich trank viel, zu viel! Und als ich ihn nach einem Erdrutsch für Tod hielt, war für mich der Punkt erreicht, an dem ich mich selbst wiederfinden musste. Ich dankte ab, übergab alles meiner Tochter und ging auf Pilgerreise. Als ich zurückkehrte, erfuhr ich, dass Angrawen, mein Sohn, nur verschollen gegangen und einige Monde später wieder auf der Vairnburg aufgetaucht war. Er zog jedoch mit meinem Bruder gegen den Bethanier, wo beide fielen."
Es war eine schwere Kost die er seinem Leidensgenossen hier auftischte, doch tat es auch gut diese Last, dadurch dass er sie aussprach, vielleicht ein Stück weit von den Schultern genommen zu bekommen.
"So betrachtet mag das alles furchtbar klingen, doch muss ich gestehen, ich bin dank meiner Enkeltochter damit nicht im reinen, aber zumindest versöhnt. Denn alles hat sich irgendwie dennoch zum Guten gewendet. Nie hatte mein Haus so viele Angehörige oder zählte so viele Ritter..."
Nur in Gedanken, ergänzte er:
'... oder gebot über so viele Lehen und Vasallen', "wie es die Vairningens heute tun. Wäre meine Mutter nicht gewesen wie sie war, wären ihre Brüder nicht gen Rahja gezogen und mein Bruder nie Statthalter der damals neu begründeten Markgrafschaft Windhag geworden. Die Nachkommen meiner Onkel lebten in Garetien und Tobrien, mein Neffe in der Rabenmark."
Erneut musste er sich einen Schluck aus seinem Kelch genehmigen. Als er ihn abstellte, richtete er sein altersgebeugtes Kreuz ein wenig stolz voll auf.
"Ich selbst bin damals vor meiner Bürde geflohen, doch bin ich zutiefst stolz darauf was meine Nachkommen aus dem gemacht haben, was ich ihnen hinterlassen habe. Und ich bin dankbar, denn es ist mir vergönnt gewesen, zurückzukehren und noch heute vergönnt zu helfen wo ich kann und es mir möglich ist."

Alrik seufzte, auch er hatte ein Kind verloren, sein ältester Sohn Lechdan war in Mendena gefallen.
"Das Leben schlägt uns allen Wunden und wir haben Verluste erlitten - Ihr genauso wie ich. Mein Sohn Lechdan ist im Feldzug gegen Haffax gefallen. Ich trauere um ihn, genau wie um seine Mutter. Er war tapfer und hat seiner Familie keine Schande bereitet! Trinken wir auf unsere Lieben, die wir verloren haben und die wir in einer nicht allzu fernen Zukunft wiedersehen werden!"
Er erhob seinen Krug, um mit Udilbras anzustoßen.

"Auf die Familie! Auf unsere Freunde! Auf jene, die Boron viel zu früh zu sich berufen hat!" , nahm Udilbras den Anlass auf und stieß mit dem Tannwirker an.

"Ich hoffe, dass mich meine Witzichenberger in nicht allzu schlechter Erinnerung behalten werden. Die Tannwirks haben nicht ein solches Einflussgebiet aufgebaut wie Eure Familie, dafür sind die Tannwirks zu bodenständig. Sie bleiben lieber daheim!"
Alrik lachte kurz auf.
"Personen wie ich oder meine Tochter Roana sind schon fast schwarze Schafe unter den Tannwirks mit unserer Lebensfreude und unserer Abenteuerlust!"
Leise murmelte er:
"Wo sie sich wohl aufhält? Wie gerne würde ich sie noch einmal sehen, bevor ich über das Nirgendmeer reise!"
Dann riss er sich zusammen und richtete sich aus seinem Trübsal auf und ließ sich erneut den Becher füllen.

"Ihr meint sicherlich Eure Tochter, doch grämt Euch nicht. Auch ich denke häufig daran, was ich meinen Enkeln noch alles mitgeben wollen würde. Oder denke an die Zeit, die ich gern mit ihnen verbringen würde. Wir sollten den Göttern vertrauen, dass es, so wie es ist, auch sein soll. Ich bin kein sonderlich frommer Mensch, allerdings verlieren wir ohne das Vertrauen in die Zwölfe unsere eigene Aufgabe auf Dere aus den Augen."

"Ja, bitte vergebt mir! Der Gedanke an Roana schoss mir gerade so durch den Kopf!"
Mit einem lachenden, aber auch einem weinenden Auge versuchte er, möglichst locker, hinzuzufügen:
"In den zwölfgöttlichen Paradiesen werden wir alle wieder vereint sein und haben dann bis ans Ende der Zeit mehr als genug Gelegenheit, um uns auszusöhnen, zu verkrachen und erneut auszusöhnen."
So hob er erneut seinen Kelch und blickte seinen Leidensgenossen mitfühlend an.
"Auf jene, die wir aus tiefstem Herzen vermissen!"

"Auf jene, die wir aus tiefstem Herzen vermissen!"
Alrik stieß erneut mit Udilbras an.


~*~


Später am Abend trat Melinde mit Travin zu Regintrud Befinna:
"Euer Wohlgeboren, bitte gestattet, dass ich Euch meinen Verwandten Travin von Siebenstein zu Bussardstein vorstelle. Travin, das ist Regintrud Befinna von Fadersberg, die Schwester Ihrer Hochgeboren Wunnemine von Fadersberg, Baronin zu Ambelmund."
Travin verbeugte sich höflich vor der jungen Dame. Travin war Mitte vierzig und etwas größer als Regintrud. Seine dunklen Haare trug er schulterlang. Sein sonnengebräuntes Gesicht und seine Figur wiesen auf körperliche Betätigung im Freien hin. Obwohl seine Kleidung dem Anlass entsprechend elegant war, wirkte er, als wäre er es gewohnt, andere Kleidung zu tragen.
"Euer Wohlgeboren, es ist mir eine Ehre Euch kennenzulernen!"

"Äh, ja...", schreckte Befinna wie aus fernen Gedanken hoch, "sehr erfreut."
Verlegen strich sie zuerst ihr grünes Kleid glatt, bevor ihre Hand zu einer Strähne ihres langen braunes Haares ging, die sich inzwischen aus der strengen Flechtfrisur gelöst hatte. Die ganze Zeit über musterten ihre blauen Augen den ihr vorgestellten Mann. Schließlich hatte sie sich wieder gefangen.
"Bussardstein? Liegt das hier in der Baronie? Was hat es mit dem Namen auf sich?"

Travin entspannt sich merklich, als Befinna ihn nach Bussardstein fragte.
"Das Junkergut Bussardstein liegt in der Baronie Witzichenberg. Auf Bussardstein liegt die Falknerei der Barone von Witzichenberg. Wir Siebensteins sind dort seit etlichen Götterläufen Zuhause und ich stehe der Falknerei vor. Mein Großvater Jergan hat mich zum Falkner ausgebildet und inzwischen bin ich ihm in sein Amt nachgefolgt. Mein Großvater arbeitet, soweit seine Kräfte es zulassen, noch in der Falknerei mit. Im letzten Götterlauf haben Ihre Hochgeboren Melinde und ich eine Brieftaubenverbindung quer durch die Baronie aufgebaut, die hervorragend funktioniert."
Eigentlich wollte er der jungen Dame noch über seine Falken berichten, aber er bemerkte rechtzeitig, dass er seine Gesprächspartnerin damit vielleicht langweilen würde.
"Mit was beschäftigt Ihr Euch?"

Befinna entglitten für einen Moment die Züge. Mit was sie sich beschäftigte? Der wollte tatsächlich wissen, mit was sie sich beschäftigte! Außer von ihrer Schwester wohlbehütet und mit Argusaugen bewacht bei Hof zu weilen, sich mit Hilfe von Büchern in die Ferne zu träumen und darauf zu warten, dass Wunnemine sie wieder verheiraten wollte? Nach ihrer Flucht vor ihrer eigenen Hochzeit, den Erlebnissen im Tann und den Gesprächen in Schweinsfold hatte sie endlich begonnen, dem goldenen Käfig zu entfliehen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und die Welt außerhalb der heimatlichen Burg kennenzulernen. Mit ihrer Freundin Khorena und geleitet von Rondrard von Tannenfels, von dem sie wusste, dass er weit mehr für sie empfunden hatte, als ihm in den Augen Wunnemines zugestanden hätte. Der auch ihr viel bedeutet hatte. Jetzt war er tot, auf bestialische Weise vor ihren Augen getötet, und sie wieder dort, von wo sie vor zwei Jahren ausgebrochen war. Sie hatte lernen müssen, dass die Welt da draußen gefährlich war, voll von Bosheit...
"Ich bin Hofdame...", antwortete sie nach einer Weile, ihr Kinn leicht nach vorne reckend.
"Ich helfe meiner Schwester... bei den Geschäften bei Hof."

"Ah, eh… Was sind denn die Aufgaben einer Hofdame? Ich stelle mir darunter so eine Art Gesellschafterin vor. Von Eurem Amte abgesehen, was mögt Ihr denn? Reitet oder lest Ihr gerne oder macht Ihr vielleicht sogar Handarbeiten?"
Travin fühlte sich unsicher. Ob es sich schickte, so mit einer jungen Dame zu sprechen?

"Handarbeiten... ja, die auch", antwortete Befinna vage.
"Aber in der Tat: ich lese sehr gerne. Aus Büchern erfahrt Ihr so viel über die Welt und anderer Länder Sitten, und es schwingen oftmals so viele erhabene Gefühle darin. Findet Ihr nicht auch?"

"Äh, bestimmt!"
Travin wirkte nervös.
"Verzeiht, mein Lesestoff richtet sich mehr auf Werke über das edle Handwerk der Falknerei, alles Bücher über Ornithologie und andere botanische und zoologische Werke. Darf ich Euch um den nächsten Tanz bitten?"

"Mmh, ja..., gerne."
Etwas zögerlich reichte Befinna dem Herren die Hand. Ihren letzten Reigen hatte sie noch mit Rondrard getanzt, kurz bevor.... Einerseits kam ihr die Tanzaufforderung Travins in diesem Kontext falsch vor (wofür dieser aber nichts konnte), andererseits hatte Wunnemine sie ermahnt, sich gesellschaftlich angemessen zu verhalten. Also fügte sie sich eben. Um gar nicht erst Schweigen aufkommen zu lassen, das sie am Ende in die Arme schwerer Erinnerungen hätte treiben können, hörte sie sich selbst mit einem Male plappern:
"Erst kürzlich habe ich im Übrigen auch ein Buch gelesen, das sich teilweise mit Vögeln auseinandergesetzt hat."

Travin bemerkte zwar Befinnas Zögern, war aber erleichtert, dass er keinen Korb bekommen hatte. Ihm war klar, dass er schon aufgrund seines Alters nicht die erste Wahl als Tanzpartner war.
"Ach, das ist hochinteressant! Wer hat es verfasst und um was ging es in dem Werk, wenn es nur teilweise Vögel behandelt hat?"
Travin stellte sich auf dem Tanzparkett gar nicht mal schlecht an, dafür dass er kein geübter Tänzer war.

Jetzt fragte ihr Tanzpartner auch noch nach... Befinna lief rot an. Warum hatte sie ihren Mund nicht halten können. Tatsächlich beschäftigte sich der neueste Rosenkron 'Alrique und der Vögelfänger' zwar auch mit dem Beruf des Vogelfängers und dem Leben seiner Beute, aber eigentlich widmete das Werk weit mehr Seiten 'Vögeln' in einem anderen Sinne.
"Es war...", druckste sie herum, "die Biographie eines Vogelfängers, dessen Leben umfassend beschrieben wurde... genau... . Mir war vorher gar nicht bewusst, wie abenteuerlich so ein Vögel... Vogelfängerleben sein kann."

Travin war etwas ratlos. Eine Biographie über einen Vogelfänger? Er beschäftigte sich nur mit Sachbüchern. Ups! Da war es geschehen! Er war so in Gedanken versunken, dass er seiner Tanzpartnerin leicht auf die Zehen getreten war.
"Bitte vergebt mir, es soll nicht wieder vorkommen!", doch vor Schreck war Travin aus dem Takt geraten, hatte seine Tanzschritte durcheinandergebracht und erwischte noch einmal Befinnas Zehen, dieses Mal der andere Fuß.

"Verzeiht. Ich war es, die zu viel geredet und Euch damit aus dem Takt gebracht hat", gestand Befinna peinlich berührt ein, sichtbar errötend.
Sie war sich mit einem Male sicher, dass Travin wusste, von welchem Buch sie gesprochen hatte. Warum sonst hätte er ihr genau in diesem Moment auf die Füße treten sollen - wahrscheinlich war er erschrocken, ja entsetzt, dass sie so etwas las...
"Lasst uns kurz auf den Tanz konzentrieren, dann sind wir sicher gleich wieder im Rhythmus“, ergriff sie die Gelegenheit, das Thema hinter sich zu lassen."


~*~


Praiophan beobachtete Frederun von Weitenfeld noch ein wenig an diesem Abend. Als der Tanz eröffnet war, wartete er noch ein paar Tänze, bis sich viele Paare im Raum bewegten. So würde es sicher nicht so auffallen, wenn er einen ungeschickten Schritt machen würde. Seine Mutter hielt es für angebracht, dass er Frederun zum Tanz aufforderte. Eigentlich war es nicht sein Bestreben gewesen, doch wusste seine Mutter in diesen Belangen immer recht gut ihn anzuleiten. „Und wenn sie es für das Beste hielt, dann soll es wohl so sein”, sagte er halblaut vor sich hin und machte sich auf den Weg zur anderen Seite des Tisches. Er näherte sich Frederun etwas zögerlich. Würde sie ihn noch gleich erkennen? Es war nun doch schon eine Weile her, dass man sich gesehen hat.
Er räusperte sich, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Als sie sich zu ihm umdrehte, stellte er sich vor:
"Seid gegrüßt, Hohe Dame von Weitenfeld. Praiophan von Lerchentrutz", dabei legte er eine Hand auf seine Brust.
"Es ist schon eine Weile her, dass wir uns sahen. Sagt, amüsiert Ihr euch gut bei einer so schönen Festlichkeit?"
Nach wenigen höflich ausgetauschten Floskeln über die Schöne Hochzeit, fasste er etwas Mut und fragte:
"Dürfte ich Euch, Hohe Dame Frederun von Weitenfeld, wohl zum Tanze führen?"
Dabei blickte er sie an und versuchte, seine Unsicherheit über die Antwort mit einem Lächeln zu überdecken.

Das hätte Frederun wahrlich nicht erwarten können. Sie hatte sich eben darauf eingerichtet, nach dem opulenten Hochzeitsmahl und den doch etwas ermüdenden Gesprächen derweil nun unauffällig mit einem Krug Wein für eine Weile in den Garten hinaus zu spazieren, um ein wenig an die Luft und etwas zur Ruhe zu kommen. Mit leicht geöffnetem Mund stand sie doch nun schon einige Augenblicke Praiophan von Lerchentrutz gegenüber. Ihre Pupillen huschten einige Male hin und her, als wollte sie gerade das Für und Wider seiner Aufforderung abwägen: Gewiss der Hohe Herr Praiophan hatte ihr durchaus gefallen und es konnte sich doch auch nur als vorteilhaft erweisen, an diesem Abend eine sichere Figur auf der Tanzfläche abzugeben. Nicht, dass Frederun davor zurückschrecken müsste, doch wurde sie das Gefühl nicht los, dass ihre Frau Mutter herda erneut versucht haben könnte, Frederun in die Richtung eines Travia-Bundes zu dirigieren und einen neuen Kandidaten zu präsentieren. Den ganzen Abend hatte ihre Mutter zwar dieses leidige Thema fast schon peinlichst gemieden... doch, nun. Da stand Praiophan, der wohlgeratene Spross der Madalin von Lerchentrutz mit einem schüchternen Lächeln vor ihr und wollte doch tatsächlich mit ihr tanzen.
Frederun spürte, dass das Lächeln auf Praiophans Gesicht wohl langsam zu erstarren drohte. Kurzum beschloss sie, das Spiel ihrer Frau Mutter zur Liebe vorerst mitzuspielen:
"Hoher Herr, Praiophan,... es würde mir eine große Freude bereiten, Eurer Aufforderung... nachzukommen. Bitte!"
Frederun wies mit ihrer rechten Hand einladend auf die Tanzfläche; und in einem kühnen Versuch, ihr vorhergehendes Zögern zu überspielen, fügte sie mit einem schief sitzenden Lächeln an:
"Ich hoffe doch, ihr seid auch wahrlich meinetwegen gekommen!"
So mischten sich Frederun und Praiophan dann unter die tanzenden Gäste. Nach einigen Minuten schwanden dann auch zusehends ihre Zweifel an dem ganzen Unterfangen. So schüchtern Praiophan zuerst auch aufgetreten sein mochte, so verstand er doch, beim Tanz sicher zu führen.


~*~


Noch später am Abend traten die Braut und Travin zu Frederun und ihrer Knappin.
"Meine Damen! Ich hoffe, Ihr amüsiert Euch gut? Darf ich Euch den Herrn Travin von Siebenstein zu Bussardstein, einen Verwandten von mir aus Witzichenberg, vorstellen? Travin von Siebenstein - Frederun von Weitenfeld - Karline von Weitenfeld."
Tsaja lächelte ihre Gäste fröhlich an. Travin beneidete sie in diesem Moment um ihre Gabe, einfach auf Menschen zugehen zu können. Auch er lächelte - oder versuchte es zumindest. Hier waren gleich zwei Damen, mit den er Konversation machen sollte. Frederun und Karline standen einem Mann von etwas über vierzig Götterläufen gegenüber, etwas über 1,70 Schritt groß, dunkle, schulterlange Haare, sein Gesicht von häufigen Aufenthalten im Freien gebräunt.
"Meine Damen, es ist mir ein - äh - Vergnügen, Sie kennenzulernen!"

Als Frederun die Braut in ihre Richtung kommen sah, tastete sie schnell nach ihren Haaren. Es war stets eine gewisse Mühe von Nöten, ihre lockige Mähne zu zähmen. Nach dem Tanz mit Praiophan mochte es gut sein, dass der Knoten nicht mehr saß. Erleichtert stellte sie jedoch fest, dass das blaue Zierband gehalten hatte.
Frederun und Karline erwiderten das Lächeln der Braut. Frederun antwortete ihr:
"Euer Wohlgeboren, ich möchte mich allerherzlichst bedanken, dass wir an diesem Freudentage zugegen sein dürfen. In der Tat, Musik und Tanz bereiten mir eine große Freude."
Sie hob ihren Becher Wein.
"Möget Ihr stets in Praios hellstem Lichte stehen."
Karline lächelte der Braut schüchtern zu. Sie hatte sich bislang ganz gut in der Begleitung ihrer Schwertmutter verbergen können. Die vielen hohen Herrschaften auf dieser Feier überforderten sie. Sie würde sich wohl nicht trauen, es Frederun gleich zu tun, und sich auf die Tanzfläche wagen. Jetzt aber, da sie die Braut persönlich angesprochen und vorgestellt hatte, musste sie sich wohl überwinden, zumindest etwas zu sagen. Sie sprach mit leiser Stimme und schaute dabei mehr zu Boden als nach oben:
"Euer Wohlgeboren… habt vielen Dank, dass ich heute zugegen sein darf… ich beglückwünsche Euch allerherzlichst."
Nachdem Tsaja ihren Begleiter vorgestellt hatte, wandte Frederun sich Travin zu:
"Travin von Siebenstein, es freut mich ebenso, Euch kennen zu lernen."
Sie konnte sich nicht erinnern, Travin schon einmal begegnet zu sein und wusste nicht so recht, wie sie die Konversation beginnen könnte. Um Zeit zu gewinnen, strich sie über eine Falte ihres enzianblauen Kleides.
"Darf ich euch fragen: Von Bussardstein habe ich wohl gehört. Das liegt doch recht südlich der Tommel, nicht wahr? Es freut mich, wie der Schluss des Travia-Bundes die Menschen von nah und fern zusammenbringt."
So ganz ließ Frederun der Gedanke nicht los, dass Ihre Frau Mutter hier erneut ihre Finger im Spiel gehabt und nach Praiophan nun schon den nächsten Kandidaten präsentiert haben könnte.

Tsaja lächelte die beiden Frauen an.
"Es ehrt uns, dass Ihr... Travin, wo wollt Ihr denn hin?"
Travin murmelte eine Entschuldigung und verließ den Saal fluchtartig.
"Bitte vergebt ihm. Er scheint indisponiert zu sein. Vielleicht sollte ich besser nach ihm sehen. Geribold und ich freuen uns sehr, dass Ihr die Feier anlässlich unseres Traviabundes mit Eurer Anwesenheit bereichert habt!"
Dann stürzte Tsaja, in Sorge um Travin, ebenfalls aus dem Saal. Im Garten fand sie ihn, die Arme auf eine Mauer gestützt, den Blick in die Ferne gerichtet.
"Travin, seid Ihr wohlauf?"
Langsam wandte er sich um.
"Euer Hochgeboren!"
Seine Stimme klang etwas hohl.
"Was ist denn?", flüsterte Tsaja sacht.
"Wie macht Ihr das?"
"Mache ich was?"
"Ihr redet und lächelt, als würdet Ihr die Leute alle schon Ewigkeiten kennen. Dabei habt Ihr die meisten heute zum ersten Mal gesehen."
"Nun, mir macht das nichts aus. Ich mag die Menschen und es fällt mir leicht, auf sie zuzugehen und sie anzusprechen. Euch nicht, das habe ich bemerkt. Das ist doch aber gar nicht schlimm! Ihr könnt so wunderbar mit Tieren umgehen und Ihr seid ein ehrlicher, aufrechter Mensch. Wir haben nicht alle die gleichen Gaben. Jeder hat ganz unterschiedliche Talente, so haben die Götter es eingerichtet und das ist doch gut so! Zwingt Euch nicht, jemand zu sein, der Ihr gar nicht sein wollt!"
Sie legte ihre Hand zart auf seine Schulter. Travin ergriff sie vorsichtig und hauchte einen Kuss darauf.
"Ihr habt Recht, Euer Hochgeboren! Bitte gestattet mir noch eine Weile hier an der frischen Luft zu bleiben, bis ich meine Contenance wieder gefunden habe."
Tsaja nickte ihm freundlich zu und begab sich wieder in den Festsaal.


~*~


Melinde und Tsaja gesellten sich zu ihren Verwandten aus Schweinsfold. Diese hatten bisher keine Gelegenheit gehabt, Tsaja näher kennenzulernen. Melinde wandte sich zunächst an Ansvin:
"Eure Arbeit an der Motte Feldertrutz ist ganz hervorragend! Ich habe sie mir kürzlich angesehen und bin sehr zufrieden!"

"Danke, Euer Hochgeboren! Wenn es Euch beliebt, werde ich in nächster Zeit zur Burg kommen und eine Inspektion vornehmen, dann können wir besprechen, welche Arbeiten dort anstehen."
"Ihr seid herzlich willkommen!"
Dann wandte sie sich an Rovena:
"Wir haben einander länger nicht gesehen. Wie geht es Euch?"
"Danke, Euer Hochgeboren, ich befinde mich wohl. Ich hoffe, Ihr und Eure Familie seid ebenfalls gesund?"
"Danke, wir sind ebenfalls wohlauf, bis auf mein Großvater, dessen Gesundheit im letzten Götterlauf merklich gelitten hat."

Tsaja wandte sich an die beiden jüngeren Frauen:
"Leider hatten wir bisher noch nicht die Gelegenheit, näher miteinander zu sprechen. Ich bedauere es sehr, dass wir uns während meiner kurzen Zeit in Witzichenberg nicht kennengelernt haben. Wie ich höre, wird Junivera zum 1. Praios als Pagin zu meinem Bruder Leon kommen?"
Die Damen bestätigten dies und versicherten, wie sehr das Mädchen sich auf den Beginn ihrer Ausbildung freute. Die Unterhaltung plätscherte noch eine Weile vor sich hin, bis sich Tsaja bei den Damen entschuldigte, um sich um weitere Gäste zu kümmern.


~*~


Gala von Tannwirk drückte sich in der Nähe der Tanzfläche herum und beobachtete die Tänzer mit heimlichem Neid. Zwar gefiel sie sich in ihrem neuen Festgewand aus himmelblauem Brokat ganz gut, aber sie hatte wenig Hoffnung, dass einer der hohen Herrschaften einen vierzehnjährigen Backfisch zum Tanzen auffordern würde. Ein leises Seufzen entrang sich ihrer Brust.

Leodegar trat an die Junge Dame Ancilla Gala von Tannwirk heran. Mit einem freundlichen Lächeln fragte er:
"Schenkt Ihr mir einen Tanz?"

Gala errötete leicht.
"Oh! Sehr gerne!"
Sie lächelte ihn fröhlich an, während sie zur Tanzfläche schritten.
"Ihr seid der Herr Leodegar von Eberbach, nicht wahr? Eure Schwester ist ja auf Burg Tannwirk als Knappin meiner Cousine."

"Ganz Recht. Ich selbst war unlängst bei Travin von Siebenstein auf Bussardstein als Falkner in der Lehre. Gefällt Euch das Fest?"
Kurz wirkte er verdrossen und sagte dann mit verlegenem Grinsen:
"Entschuldigt, die Frage ist nicht sonderlich originell."

"Ach, dann kennt Ihr ja Witzichenberg recht gut? Und - zu Eurer Frage - ich weiß noch nicht, wie ich das Fest finde. Ich kenne nur wenige der hohen Gäste und die meisten Leute hier sind...", sie blickte Leodegar verschwörerisch an, "...so alt! Und alles ist so förmlich!"
Sie blickte zu Leodegar auf:
"Nein, ich finde Eure Frage durchaus angemessen! Immerhin kennen wir einander noch nicht und meine Rede war bestimmt zu freimütig. Bitte entschuldigt das! Tante Liliane würde mich rügen, hätte sie mich gehört", seufzte Gala.
"Ich hoffe, Ihr werdet trotz meiner mangelnden Umgangsformen weiter mit mir tanzen?"
Kess blickte sie ihn mit einem Augenaufschlag an und hoffte dabei, dass der junge Mann ihre Unsicherheit nicht bemerken würde.

Der kaum ältere Leodegar antwortete mit breitem Grinsen und Schalk im Blick.
"In Anbetracht Eurer Worte nun umso mehr. Im Grunde geht es mir genauso wie Euch. Ich kenne Seine Hochgeboren Geribold von Fischwachttal und Eure Familie. Moment, nein. Ihre Hochgeboren Adula von Schnakensee kenne ich auch noch. Aber das war es nun. Ah, nein. Die Familie von Siebenstein ebenso. Aber die dürftet Ihr ja ebenfalls kennen."
Nachdenklich schob er nach:
"Um ehrlich zu sein, kannte ich vor dem heutigen Tage nicht einmal die Braut. Ich war lange nicht mehr auf Burg Tannwirk. Zu lange, für mein Empfinden."
Dann lächelte er wieder breit.
"Darf ich für Ausgleich sorgen und Euch meiner Familie vorstellen? Natürlich erst, nachdem wir noch ausgiebig getanzt haben."

Gala lachte befreit auf:
"Sehr gerne! Vielleicht kommt Ihr ja bald mal wieder nach Witzichenberg und besucht Eure Schwester? Bevor ich nach Witzichenberg kam, lebte ich in Elenvina und in Gratenfels, da gab es natürlich mehr Abwechslung als auf Burg Tannwirk."
Nach einem Moment fügte sie hinzu:
"Bitte denkt nicht, dass ich nicht gerne dort lebe, es ist nur alles so anders und daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Auf jeden Fall ist die Luft dort besser als in Gratenfels."

"Die Schwefelquellen!", rümpfte Leodegar die Nase.
"Ich gewöhne mich recht schwerlich an diesen Geruch, bin aber auch noch nicht lange dort. Ich hoffe, irgendwann kann ich den Geruch ertragen."
Als würde er dem Geruch gerade nachspüren, verzog er das Gesicht.
"Ich hoffe, ich werde Burg Tannwirk bald besuchen können, meine Schwester und mich verbindet eine tiefe Freundschaft, sodass ich sie sicherlich schon vermisse, wenn ich dies Fest morgen verlassen. Zwillinge eben", lachte er und hob die Schultern.
"Aber wenn ich dort bin, vermisse ich Vergilio und Livia. Ihr seht, es ist kompliziert."

"Ach, Ihr residiert nun in Gratenfels? Und wer sind denn Vergilio und Livia? Und seid Ihr und Amadis Zwillinge? Meine Mutter und mein Onkel sind ebenfalls Zwillinge. Ist es wirklich so, dass Zwillinge eine engere Bindung zueinander fühlen als andere Geschwister?", plapperte Gala drauf los.
"Nicht, dass ich einen Vergleich hätte, da ich weder ein Zwilling noch ein Geschwister bin", seufzte Gala.

"Ja, ich habe meine Ausbildung bei Travin von Siebenstein beendet. Seine Schwester hat mich nun unter ihre Fittiche genommen - Gwynna von Siebenstein ist herzogliche Falknerin am Gratenfelser Hof."
Im Kopf sortierte er die vielen Fragen, die Gala ihm soeben gestellt hatte.
"Hmm..., ach ja. Vergilio und Livia sind meine Falken. Ich selbst bin Falkner, hatte ich das erwähnt?", lachte er, während er ein verlegenes Grinsen trug.
"Beide sind Blaufalken", fuhr er dann fort, "ganz prächtige Tiere! Vergilio war einst ein Geschenk meiner Mutter, Livia habe ich aufgezogen - und seitdem haben wir eine Verbindung."
Er zog die Augenbrauen überrascht hoch, da ihm unbeabsichtigt eine wunderbare Überleitung gelungen war.
"Und Amadis und mich verbindet ebenfalls ein enges Band, ja. Ich würde es durchaus als enger als das zu Rondrik beschreiben. Wir schreiben uns ständig, ich glaube zu wissen, dass es ihr schlecht, geht bevor sie es weiß und solche Sachen."
Dann schien er kurz zu überlegen, ob er alles beantwortet hatte, entschied sich dafür, dass dem so war und stellte nun selbst eine Frage:
"Verratet Ihr mir, was Eure Leidenschaften ist? Meine sind unverkennbar die Vögel und die Falknerei, ich bin gespannt, was die Eure ist."

"Also ist es wirklich so, dass Zwillinge ein enges Band verbindet", sinnierte Gala nachdenklich und überlegte, ob das nicht einiges am Verhalten ihrer Mutter und ihres Onkels erklärte und lächelte Leodegar dann erleichtert an.
"Dass Ihr auch Falkner seid, wenn der Herr von Siebenstein Euch ausgebildet hat, habe ich mir schon gedacht. Mh, was mache ich gerne? Das ist gar nicht so einfach. Bisher habe ich immer versucht, das zu machen, was meine Mutter oder meine Lehrer von mir wollten. Eigentlich zeichne ich ganz gerne und seit neuestem backe ich auch ganz gerne. Tante Liliane hat mich schon einige Male zu Frau Eichenblatt in die Küche gesteckt und es hat tatsächlich Spaß gemacht! Seltsam, dass eine so spießige Tätigkeit Freude bereiten kann, aber es ist so ähnlich wie beim Zeichnen, es entsteht etwas. Dann ist es vielleicht doch nicht spießig, sondern kreativ", überlegte Gala.

Leodegar lachte herzlich.
"Ist Spießigkeit also für dich etwas, das du nicht in deinem Leben möchtest? Ich persönlich finde aber ohnehin nichts Spießiges an der Kochkunst - und am Zeichnen schon einmal gar nicht! Beides sind tatsächlich kreative Tätigkeiten, wie ich finde. Mit denselben Zutaten lassen sich doch unterschiedliche Speisen herstellen. Mit einem Kohlestift und einem Blatt Papier steht Euch die sprichwörtliche Welt offen."
Er grinste schief.
"Die Falknerei ist spießig", lachte er.
"Nicht die Arbeit mit den Tieren per se. Aber die Jagden mit Hohen Herrschaften umso mehr", flüsterte er dann.

"Oh je! Da müsst Ihr wohl oft mit? Im Gegensatz zu mir seid Ihr doch von Stand. Ist es dann immer noch so schlimm?", flüsterte sie zurück.

"Nun... ja!", grinste er.
"Wobei sich manch einer, mein Vater allen voran - wie drücke ich das aus", sinnierte er, "nicht sonderlich fachmännisch anstellt. Da muss man dann schon die richtigen Worte finden - und vor allem nicht lachen!", kicherte er leise.

"Ich würde mich auch sehr ungeschickt anstellen. Vielleicht sollte ich Falkner-Stunden bei Herrn Gumbeltritt nehmen?", kicherte Gala.

"Ach, das glaube ich nicht.", antwortete Leodegar mit einem breitem Lächeln.
"So Ihr mögt, könnt Ihr natürlich ein paar Stunden nehmen. Oder ich zeige Euch den ein oder anderen Kniff, sobald ich das nächste Mal auf Burg Tannwirk zu Gast bin. Livia hat ein recht ruhiges Gemüt, mit ihr werdet Ihr gut umgehen können. Es wäre mir eine Freude."
Und so tanzten sie noch den ein oder anderen Tanz, bevor sie sich beide wieder unter die Gäste mischten.


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Falk von Tannwirk forderte seine Mutter Nyah Dare zum Tanz auf. Auf Burg Tannwirk erhielt er auch Unterricht in allen gesellschaftlichen Talenten, von denen Tanzen ihm wesentlich mehr Freude bereitete als Dichtkunst, Kalligraphie oder Ähnliches. Stolz ließ sich Nyah von ihrem Sohn zur Tanzfläche führen. Wie schnell war er groß geworden! Nyah musste daran zurückdenken, wie sie ihren kleinen Sohn noch in einem Tragetuch mit sich führte und jetzt bat er sie schon zum Tanz!


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Belina von Siebenstein und Liliane Eberwulf von Tannwirk hatten sich bequeme Lehnstühle am Rande des Saals gesucht und beobachteten die Tänzer. Liliane lächelte zufrieden, als sie Gala mit Leodegar tanzen sah. Sie hatte die Befürchtung gehegt, das Mädchen könne keine Gesellschaft finden. Sie holte ihr Häkelzeug aus ihrem Handarbeitskörbchen und arbeitete an etwas, das im Moment noch recht unförmig wirkte.
"Was soll das werden, wenn es fertig ist?", fragte Belina.
"Eine Mütze für Svanhild. Sie ist schon einige Finger gewachsen."
Stolz lächelte die alte Dame.
"Ja, Kinder sind ein großes Glück! Wie gerne hätte ich auch wieder Kinder auf Bussardstein! Gwynna und Yasemine leben weit weg und meine Enkelkinder sehe ich selten. Lara und Travin machen noch gar keine Anstalten, Familien zu gründen."
"Aber Lara ist doch mit Frodebrand verlobt, dann werden sie doch sicher bald den Traviabund eingehen!"
"Da bin ich mir nicht sicher! Die beiden führen ein so unstetes Leben. Bestimmt planen sie noch nicht, eine Familie zu gründen. Und ob sie verlobt sind, bin ich mir auch nicht sicher. Formal hat Frodebrand bei mir noch nicht um Laras Hand angehalten."
Belina runzelte die Stirn und seufzte. Liliane kommentierte diese Information nicht, aber Belina kannte die Ansicht der sittenstrengen Dame zur Genüge.
"Und Travin hat nur Augen für seine Vögel. Als Erbe des Gutes sollte ihn doch irgendeine halbwegs geeignete junge Dame nehmen, aber er unternimmt so gar nichts in die Richtung!"
Liliane konnte die Sorgen ihrer Nachbarin verstehen.
"Sorgt Euch nicht! Selbst wenn Travin nicht in den Stand der Ehe treten sollte, habt Ihr doch jetzt schon weitere potentielle Erben. Und seht auf mich! Keines meiner Kinder wollte Gut Kreuzweiher übernehmen! Kinder sind also auch kein Garant für Kontinuität in unseren Lehen."
"Wie geht es Euch denn nun, da Ihr auf das Altenteil gezogen seid? Besonders geruhsam erscheint mir Euer Leben nicht."
"Nun, auf der Burg gibt es immer etwas zu tun und ich kümmere mich gerne um die Kinder. Mit Gala haben wir die Verantwortung für einen weiteren jungen Tannwirk übernommen und nachdem Tsaja sich vermählt hat, ist die Position der Haushofmeisterin unbesetzt. Ich übernehme sie, bis Melinde eine geeignete Nachfolgerin gefunden hat. Eigentlich versuche ich, Gala für dieses Amt auszubilden. Die Ausbildung an der Rechtsschule in Gratenfels hat sie abgebrochen, jetzt muss eine andere Aufgabe für sie her, und zwar schleunigst, bevor sie nur noch Flausen im Kopf hat."
"Ich sehe schon! Auf das Altenteil gehört Ihr noch lange nicht!", bemerkte Belina schmunzelnd.


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Ihre Hochwürden, Elfriede Gumbeltritt, Hochgeweihte des Perainetempels von Kreuzweiher überredete Seine Hochwürden, Ardan von Siebenstein, Hochgeweihter des Praiostempels von Kefberg, zu einem Spaziergang im Garten. Der Praiosgeweihte schätzte gutes Essen und hatte den kulinarischen Köstlichkeiten ausgiebig zugesprochen, so dass Elfriede ihm etwas Bewegung verordnete, obwohl er lieber sitzen geblieben wäre und sich mit dem Altbaron Alrik unterhalten hätte.

Iriane von Kranick trat in den Garten und schaute sich kurz um. Nachdem sie kurz Luft geholt hatte, trat sie an die beiden Geweihten heran und lächelte freundlich.
"Hochwürden von Siebenstein, wenn ich mich kurz vorstellen dürfte? Iriane von Kranick."
Hier nickte sie dem Hochgeweihten zu.
"Hättet Ihr ein paar Minuten Eurer Zeit für mich übrig? Ich würde Euch gerne in einer Angelegenheit privater Natur sprechen."

Die beiden Geweihten neigten kurz ihr Haupt.
"Sehr gerne, Euer Hochgeboren!", erwiderte Ardan.
Elfriede Gumbeltritt entschuldigte sich und ließ die beiden allein.

Iriane wartete kurz, bis sie mit dem Geweihten alleine war.
"Danke für eure Zeit, Hochwürden, ich möchte Euch nicht lange aufhalten. Es geht um meine Base, Etyra von Kranick. Sie ist Geweihte Eures Glaubens und möchte gerne in Eurem Tempel dauerhaft ihren Dienst am himmlischen Richter vollziehen. Sie möchte das entsprechende Gesuch dahingehend einreichen. Natürlich wäre eine Fürsprache Eurerseits mit Sicherheit von großem Nutzen. Habt Ihr noch Verwendung für eine weitere Geweihte in Eurem Tempel?"

Ardan blickte überrascht auf. Bisher hatten er und sein Bruder im Glauben, Praiodan Gumbeltritt, den Tempel nur zu zweit geführt und Ardan hatte in dem jüngeren Mann immer seinen Nachfolger gesehen, wenn er eines Tages nicht mehr da wäre. Ja, aber er selbst war schon nicht mehr der Jüngste und auf Praiodans Schultern lastete sehr viel Arbeit, besonders wenn er, Ardan, auf Burg Tannwirk weilte, um seine Aufgaben als Hofkaplan und Rechtsberater der Baronin wahrzunehmen. Vielleicht war es wirklich an der Zeit, an Verstärkung zu denken.
"Das ist ein interessanter Vorschlag!", erwiderte Ardan vorsichtig.
"Wie ist die Dame auf unseren bescheidenen Tempel gekommen? Es gibt bedeutendere und interessantere Tempel als unseren in Kefberg."

Iriane dachte kurz nach und wählte ihre Worte mit Bedacht.
"Nun, ich denke, dass es einige Umstände sind, die sie bewogen haben, Euren Tempel ins Auge zu fassen. Zum einen möchte sie - glaube ich - näher an ihrer Heimat sein, ihre Eltern sind ja nicht mehr die Jüngsten. Zum anderen erwähnte sie, dass Eure Auslegung des Glaubens ihrer persönlichen Einstellung sehr nahekommt. Ich glaube, das ist ihr noch das Wichtigste. Zudem möchte sie einen überschaubaren Aufgabenbereich haben. Ich denke, dass diese Aspekte alle durchaus für einen dauerhaften Wechsel sprechen."
Sie lächelte den Geweihten an und beobachtete die Reaktion Seiner Hochwürden recht genau.

Ardan, der ebenso wie Praiodan einen relativ gemäßigten Kurs in Glaubensfragen eingeschlagen hatte, kämpfte einen Moment mit Panik, die seine Miene versteinern ließ. Sollte er in den Ruf geraten sein, seinen Glauben zu liberal zu praktizieren? Würde er demnächst vielleicht unbequemen Fragen, Rede und Antwort stehen müssen? Er atmete tief durch und gewann seine Fassung wieder.
"Gerne möchte ich Frau von Kranick kennenlernen! Bei einem dauerhaften Wechsel ist es nur angebracht, wenn sich beide Seiten vorher treffen und meine Schwester im Glauben sich den Tempel und ihre künftigen Brüder ansieht, bevor sie eine endgültige Entscheidung trifft. Und wenn wir alle nach diesem Besuch der Meinung sind, dass unser gemeinsames Wirken ein segensreiches sein wird, dann wird es mir ein Vergnügen sein, ihr Gesuch zu unterstützen."

Iriane nickte dem Geweihten freundlich und offen zu.
"Ich danke Euch für das Gesprächsangebot. Ich werde meine Base nach den Feierlichkeiten aufsuchen und ihr die gute Botschaft überbringen. Gibt es einen Zeitpunkt, zu dem der Besuch von Etyra ungünstig wäre?"

"Ich habe in der nächsten Zeit keine Verpflichtungen, die meine Abwesenheit von der Baronie erforderten. Frau Etyra ist uns herzlich willkommen! Sie möge uns ihre Ankunft einige Tage vorher ankündigen, damit wir alles vorbereiten können. Gerne mag sie einen Mond die Arbeit mit uns teilen, dann lernen wir einander kennen. In dieser Zeit wird sie auch die Gelegenheit haben, die Bewohner von Burg Tannwirk und die Baronie kennenzulernen."

Iriane lächelte wieder freundlich.
"Das werde ich Etyra ausrichten, sie wird sich freuen. Dann rechnet mit einem baldigen Gast in eurem Gotteshaus. Danke für eure Zeit und die freundlichen Worte Hochwürden. Ich wünsche Euch noch einen schönen Abend."
Sie nickte dem Geweihten zu.

"Ich danke Euch, dass Ihr Eure Verwandte meinem Tempel empfehlt! Ich freue mich sehr auf ihren Besuch! Der Segen des Herrn Praios sei mit Euch, Euer Hochgeboren!"


~*~


Mit leicht schiefem Grinsen suchte Irminella das Gespräch mit ihrer ehemaligen Knappin Adula von Schnakensee.
"Und, Euer Hochgeboren, vergnügt Ihr Euch?"
Adula konnte ihr ansehen, dass sie sich ein Kichern über ihren kleinen Scherz nur schwer verkneifen konnte.
"Was haltet Ihr davon, wenn wir ein wenig im Garten spazieren gehen? Balther ist... eben Balther."
Sie verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf, musste aber dennoch lächeln.

Die Baronin von Schnakensee, die in einem sehr figurbetonten, hellblauen Kleid mit weitem Halsausschnitt, der bis zu den Schultern reichte, etwas verloren im großen Saal herum stand und nach irgendjemandem Ausschau zu halten schien, erschrak beinahe, als Irminella sie ansprach. Die Überraschung wich aber schnell einem Lächeln.
"Ja, sehr gerne!"
Mit ihren hellblonden, hochgesteckten Haaren wirkte sie ungewohnt elegant, wäre da nicht ihre Haltung gewesen. Mit ihren verschränkten Armen und ihrem breiten Stand wirkte sie in dem Aufzug deplatziert.
Sie ließ ihren Blick noch einmal über die Tänzer schweifen und wandte sich dann ganz ehemaligen Schwertmutter zu:
"Gibt es draußen auch etwas zu trinken?"
An Adulas leicht geröteten Wangen konnte man erkennen, dass sie bereits das ein oder andere Glas geleert hatte.

"Eine gute und wichtige Frage!", antwortete sie.
"Soweit ich informiert bin, gab es draußen nur während der Zeremonie eine Erfrischung. Wir sollten uns etwas mitnehmen."
Sie ließ sich von einem der Bediensteten einen Weißwein bringen und schaute dann fragend zu Adula.
"Was bevorzugst Du eigentlich?"

Adula nahm ein Glas Rotwein vom Tablett und hielt es Irminella entgegen:
"Diesen hier!", sprach sie mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht und stieß mit ihrem Gegenüber an.
Nachdem sie einen Schluck getrunken hatte, bugsierte sie die Vögtin von Burg Bösalbentrutz mit dem Arm sanft in Richtung Garten.
Noch auf dem Weg raunte sie ihr zu:
"Hast Du Spaß?"

Irminella folgte der Richtungsvorgabe Adulas.
"Ja, durchaus. Zu Beginn war ich ein wenig skeptisch, wie die Hohen Herrschaften auf mich und meine Familie reagieren würden. 'Des Alriks Freunde', du verstehst? Aber bislang war meine Sorge unbegründet. Ich hoffe nur, dass Balther demnächst ein wenig kürzer tritt.", lächelte sie dann.
Den meisten anderen wäre das entgangen, da Adula ihre ehemalige Schwertmutter gut kannte, sah sie, dass das Lächeln ein gequältes war.

Adula kicherte in sich hinein.
"Ach, lass ihn doch."
Als die beiden Frauen schließlich nach draußen in den Garten traten, atmete die Baronin von Schnakensee tief durch und eine Last schien von ihr abzufallen. Da es um diese Stunde bereits etwas frischer war, fröstelte sie kurz, ehe sie einen weiteren Schluck ihres Weines nahm und dann Irminella ansprach, ohne diese anzusehen:
"Ich hatte befürchtet, dass mich jemand zum Tanz auffordern könnte. Einerseits bin ich froh, dass es nicht soweit kam, andererseits...", es folgte ein weiterer Schluck, "...ist es auch... enttäuschend."
So offen ihre Gefühle mitzuteilen war ungewöhnlich für Adula, die eher schwieg und ihr Innenleben für sich behielt.
Sie sah an sich herab und dann ihrer Schwertmutter direkt in die Augen:
"Liegt es an dem Kleid?"

Irminella blieb stehen und lächelte ihre Freundin liebevoll an.
"Das sicher nicht, du siehst bezaubernd aus. Mit mir hat auch niemand getanzt, auch wenn das sicher nicht tröstlich für dich ist. Es erklärt aber, dass zumindest Balther dich nicht gefragt hat. Und Hochgeboren von Fischwachttal hat sicherlich gedacht, er täte dir einen Gefallen, ihr kennt euch doch, oder?"
Sie legte eine Hand auf Adulas Schulter und drückte sie kurz.
"Es tut mir Leid, dass dich heute niemand gefragt hat."
Dann grinste sie, erhob ihren Becher und sagte:
"Auf uns Unaufgeforderte!"

Adula von Schnakensee hob abwehrend die Hände:
"Praios bewahre, dass der Bräutigam mich fragt! Wie hätte ich da ablehnen können? Nein, nein, tanzen wollte ich nicht. Schau, ich habe Schmerzen im Bein, Jagdunfall!"
Die junge Frau begann ein wenig zu hinken und verzog dabei ihr Gesicht. Einige Augenblicke später lächelte sie jedoch schon wieder.
"War das überzeugend?"
Sie seufzte und nahm den letzten Schluck Rotwein.
"Außerdem kenne ich ihn nicht richtig. Ja, ich weiß wer er ist, aber mehr nicht."
Die junge Frau schien erstaunlich gelöst. So zutraulich hatte man sie bislang selten erlebt. Sie war für gewöhnlich verschlossen und distanziert.

Irminella lachte herzlich.
"Wenn man dich nicht kennt, war das sicherlich ein glaubwürdiger Vortrag!"
Sie brauchte einen Moment, bis sie sich wieder gefasst hatte, auch ihr hatte der Wein das Gemüt aufgehellt.
"Nun, du wirst sicherlich Gelegenheit finden, den Herrn besser kennenzulernen - so du das möchtest."
Dann musste sie doch noch einmal kichern: "Wildunfall..."
Nach kurzer Pause fragte sie dann:
"Hättest du dir denn einen bestimmten Tanzpartner gewünscht, heute?"

Adula machte große Augen und winkte bestimmt ab.
"Nein, nein, keinesfalls! Ich bin eine…sehr schlechte Tänzerin und hätte mich sicher blamiert. Daher hatte ich auch diese Scharade erdacht."
Die junge Baronin kicherte wieder wie ein kleines Kind.

"Na, jetzt komm' schon. Wir sind doch hier unter uns Unaufgeforderten!", grinste sie.
"Irgendjemand muss dir doch gefallen! Nur theoretisch, versteht sich."

Eine leichte Röte zeigte sich auf Adulas Gesicht und ihr Blick wanderte irgendwo in die Peripherie.
"Hmmm... ich weiß nicht. Ich...", sie blickte kurz bedauernd in ihr leeres Glas, "...ich glaube, ich möchte darüber nicht sprechen."
Für einen Moment schien sie über ihre eigene Aussage erschrocken, dann griff sie mit der linken Hand an Irminellas Schulter.
"Sei mir nicht böse, bitte! Es ist nur... nicht einfach. Ein andermal vielleicht, ja?"
Die junge Baronin schien mit einem Male recht traurig und presste ihre Lippen zusammen.

Irminella umfasste mit der freien Hand, die Adulas.
"Ich bin dir nicht böse, nicht im Geringsten. Alles zu seiner Zeit, nicht wahr?"
Da war es wieder, dieses beinahe mütterlich-liebevolle Lächeln, dass sie nur dem engsten Kreise ihrer Familie und Freunde zu schenken pflegte.
"Weißt du was? Besuch' deine alte Schwertmutter doch bei nächster Gelegenheit einmal. Ganz frei von gesellschaftlichen Zwängen, Tanz und Händeschütteln. Zu jeder Tag- und Nachtzeit stehen die Tore für doch geöffnet."
Sie drückte die Hand Adulas, die sie noch immer in der ihrigen hielt, bevor sie sie schließlich wieder losließ.
"Doch für den Moment, lass uns noch ein wenig durch den Garten spazieren. Ich genieße die Ruhe und die frische Luft gerade sehr."
Dann wandte sie sich auf dem Absatz um und fragte dann mit breitem Lächeln über ihre Schulter:
"Kommst du nun, oder was?"

Adulas Gesichtsausdruck bei der vertrauten Berührung ihrer Schwertmutter war schwer zu deuten. Es mochte Erleichterung sein, die sie mit ihrem Lächeln zeigen wollte. Als sie Irminella folgte, antwortete sie nur noch:
"Ja, das würde mich freuen!", und die beiden Frauen verschwanden plaudernd im Halbdunkel des Parks.


~*~


Bis spät in die Nacht hatten die Gäste gemeinsam mit dem Brautpaar den Traviabund und gefeiert. Noch lange hatte man getanzt, gegessen, getrunken, geredet und gelacht.
Erst als die ersten Vögel den kommenden Tag besungen hatten, war vollends Ruhe auf Burg Fischwachttal eingekehrt. Einzig die auf der Burg beinahe allgegenwärtigen Katzen setzten das Fest fort, indem sie sich an dem gütlich Taten, was von den Tellern und Tischen gefallen war, bevor man es hatte aufkehren können.



Ende der Briefspielgeschichte zur Tommelsbeuger Hochzeit.