Eine unerwartete Begegnung

Eine unerwartete Begegnung

Eine unerwartete Begegnung

Autor: RekkiThorkarson,

Tsa 1042 B.F.

Es war ein Abend wie jeder andere. Der Oberst des Eisenwalder Garderegimentes Ingerimms Hammer war zu den regelmäßigen stattfindenden Inspektionen von Burg Nilsitz nach Senalosch gekommen, wo die Banner der Schützen stationiert waren. Nach Feierabend begab sich Dwarosch wie stets in den ‘Bobaldurs Krug’, einem urigen Gasthof mit zwergischer Küche und gutem Bier, dass auch aus überregionalen Brauereien kam. Marbolieb und ihre kleine Tochter waren auf Burg Nilsitz geblieben, da Mirla unter Fieber litt und ruhe brauchte. Im nachhinein wusste der Oberst nicht zu sagen wieviele Humpen er schon gelehrt hatte, doch erinnerte er sich daran, dass er vorgehabt hatte bald ins Haus des Vogtes zurückzukehren, dort wo er gastierte, wenn er in Senalosch war.
Gerde war er von seinem Hocker am länglichen Tresen aufgestanden, als ein Fremder an ihn herantrat und ihn ansprach. “Bist du der Sohn des Dwalin, den sie den Oberst rufen?” Fragte der Fremde mit tiefer Stimme und einem Akzent im Rogolan, der ihn als Südländer auswies. Er war nicht aus dem Phecanowald oder dem Rashdulswall. Nein, er gehörte wahrscheinlich zu einer der kleinen Sippen der Erzzwerge, die es in Kunchom oder einer anderen Stadt der Mhanadistan- Region gab. Er war jung, vielleicht halb so alt wie er selbst, breitschultrig, besaß dunkelgraue Augen mit grünen Sprenkeln. Dwarosch kannte diese Augen, doch woher konnte er in diesem Moment nicht sagen. Die Haare des Fremden waren pechschwarz, lang und gewellt, sein gleichfarbiger Bart zu zwei dicken Zöpfen geflochten, die ihm bis auf die Brust vielen. Zwei Kegel aus Gold waren an ihren Enden angebracht und sorgten dafür, dass sie stets in gerader Linie zum Boden wiesen.
“Der bin ich”, antwortete der Oberst mit einem freundlichen Nicken und musterte dabei den vortrefflichen, langen Mantel aus golden, glänzenden, doppelt gelegten Kettengliedern und die edel bestickte Weste aus dunkel- blauem Bausch darüber. ‘Irgendetwas stimmt hier nicht.’ Dwaroschs registrierte die Bedrohung noch bevor die Schulter des Fremden nach hinten ruckte, um auszuholen. ‘Anfängerfehler.‘
Reflexartig verinnerlichte der Oberst die Situation und die ihn umgebende Szenerie. Es galt eine größere Bedrohung als einen Fausthieb auszuschließen- ‘keine weiteren Unbekannten, keine blanken Waffen. ‘
Ebenso instinktiv handelte er als Ergebnis- antworten anstatt blocken war das Resultat der finalen Abwägung. Angriff war die beste Verteidigung. Ohne nachzudenken und ohne Ansatz riss Dwarosch seinen Arm nach oben. Der Hieb des Fremden traf ihn auf das Jochbein. ‘Nicht übel.’ Fast gleichzeitig donnerte Dwaroschs Rechte dem jungen Angroscho ans Kinn. Er taumelte schwer benommen nach hinten, genau zwischen zwei der Soldaten des Oberst. Dwarosch nahm unterdessen die Arme spielerisch in Abwehrhaltung hoch vor den Kopf und schüttelte die kurze Benommenheit des kassierten Schlages ab. Dann deutete er dem Schläger in einer provozierenden Geste doch wieder zu ihm zu kommen um weiterzumachen. Dieser jedoch hatte inzwischen ganz andere Sorgen. Die beiden Mitglieder des zweiten Schützenbanners, mit denen der Oberst zuvor einen getrunken hatte, hatten den Fremden mit auf dem Rücken gedrehten Armen gegen den Tresen gedrückt fixiert. Er leistete keine nennenswerte Gegenwehr.
Der Oberst senkte die Arme und grinste in Richtung seiner Männer. “Den hättet ihr mir ruhig überlassen können. Mit so einem Grünling hätte ich den Boden aufgewischt. Sei's drum. Nun lasst ihn los, mit dem werd ich schon fertig. Ich will wissen was ihn geritten hat.” Die Soldaten kamen der Order ihres Obersts nach und traten einige Schritte zurück. Der Fremde kam mit erhobenen Armen von der Fläche des Tresens hoch, als er frei kam. Doch seine Rechte griff sogleich an sein Kinn, was zur Folge hatte, dass er das Gesicht vor Schmerz verzog. Dwarosch schlag hatte gesessen.
Still war es geworden in Bobaldurs Krug. Alle Angroschim und die wenigen, menschlichen Gäste sagen bange aber auch gespannt zu den beiden Kontrahenten. Der Oberst wollte nun wissen woran er war. “Verrätst du mir nun deinen Namen und was das Ganze soll, oder muss ich es aus dir herausprügeln?” Der Fremde lehnte sich wieder auf den Tresen und bedeutete dem Wirt, dass er ein Bier wollte. Er bewegte die Kiefer, um zu sehen, ob alles heil war. Dann antwortete er mit ruhiger, ja fast gleichmütiger Stimme. “Ich bin Dwarix, Sohn der Orymaxa.”
'Orymaxa'- dieser Name traf Dwarosch härter, als es ein Schlag hätte tun können. Er gehörte zu einer der wenigen zwergischen Frauen, für die er einmal Gefühle besessen hatte. “Aber…”, mehr brachte der Oberst nicht hervor, dann drehte sich der Fremde wieder zu ihm und und sah ihn auffordernd an. “Meine Mutter ist Tod”, fuhr der junge Zwerg fort. “Unter ihren persönlichen Sachen fand ich Briefe.”
“Meine”, stellte Dwarosch mit trockener Kehle fest. Dwarix nickte knapp, um dann mit energischer Stimme eine Feststellung zu machen, die der ganze Schankraum hören konnte. “Ich bin der Sohn des Dwarosch, dein Sohn!”
Während in Bobaldurs Krug gestaunt wurde über diese Aussage, fühlte sich Dwarosch in die Vergangenheit zurückgesetzt. Es war tatsächlich in Kunchom gewesen, da er die Mutter dieses Burschen kennengelernt- und mehr noch lieben gelernt hatte. Orymaxa war damals bereits Witwe gewesen. Ihr Mann war früh gestorben, der Bund zwischen ihnen kinderlos geblieben. Dennoch hatte ihre Sippe sich gegen Dwarosch entschieden und ihnen ihr Einverständnis zum Bund von Feuer und Erz verweigert. Man wollte keinen Söldner in den Clan aufnehmen. Acht Jahrzehnte musste das zurückliegen.
Der damals verspürte Zorn mischte sich mit dem Schmerz der Trauer um sie.
Dwarosch stieß hörbar die Luft aus und wandte sich dem Schankraum zu. Er wusste, dass er hier unter Beobachtung stand, war er doch eine Person der Öffentlichkeit. “Freibier für alle”, rief er aus und erntete daraufhin Jubel und das gehämmere von Krügen auf die hölzernen Tische. “Heute feiern wir die Geburt meines Sohnes, wenn auch etwas spät, wie ich zugeben muss.” Lautes Gelächter folgte, aber es war nichts hämisches daran. Jeder Angroschim der geboren wurde, war ein Geschenk Angroschs. An den Umständen mochte man sich später stören, doch nicht in diesem Moment.
Dwarosch drehte sich wieder Dwarix zu, lehnte sich auf den Tresen, als suche er Halt. “Wofür war der Schlag”, fragte er ruhig, doch mit einem gewissen Unterton, der verriet, dass ihm die Komik des Momentes durchaus nicht entging. Sein Sohn blickte ihm ernst in die Augen, schüttelte dann aber den Kopf und grinste schief. “Dafür, dass ich so lange gerätselt habe wer mein Vater ist. Und bevor du jetzt den Einwand vorbringst, dass du daran nicht schuldig bist- das ist mir völlig gleichgültig. Ich weiß ebenso wie du, dass meine Mutter eine sehr dickköpfige, temperamentvolle Angroschna war und ja, sie hat dich nie auch nur mit einem Wort erwähnt. Dennoch hättest du sie ja Mal besuchen können, auch wenn du wahrscheinlich nicht wusstest, dass ich existiere.”
“Ich wusste es wirklich nicht”, entgegnete Dwarosch kleinlaut. Dwarix schnaubte. “Ich hatte es befürchtet und gleichwohl gehofft. Ansonsten wäre es sicher nicht bei diesem, einen Schlag geblieben.
Nun, hier bin ich und ich werde erst wieder gehen, wenn ich weiß, wer mein Vater ist. Deinen Namen kenne ich ja nun und ich sehe, dass du schon ein wenig grau wirst.” Dwarosch lachte und strich sich mit der Hand eine einzelne Träne aus dem rechten Auge. Er hatte einen Sohn. Bei Angrosch, er hatte einen Sohn!
"Komm", sagte er an Dwarix gerichtet und nickte in Richtung Ausgang des Gasthofs. "Suchen wir uns einen ruhigeren Ort an dem wir ungestört reden können. Und so taten sie es.

An der frischen Abendluft angelangt, das Praiosrund sandte bereits rötliches Licht vom Horizont und tauchte die Berge des Eisenwaldes in ein mystisches Licht, atmete Dwarosch tief ein. Er schaffte es jedoch nicht wie erhofft sich zu sammeln. In seinem Kopf schwirrten zu viele Gedanken und noch mehr Erinnerungen, welche sich mit verwirrenden Gefühlen um die Vorherrschaft stritten. “Du musst mir glauben, wenn ich gewusst hätte”, begann der Oberst ohne umschweife, unsicher wie er die Situation bewältigen, wie das Gespräch beginnen sollte. Doch Dwarix fiel seinem Vater sofort ins Wort. “Darum geht es nicht. Ich hatte es ohnehin für unwahrscheinlich gehalten, dass sie es dir gesagt oder geschrieben hat.” Der junge Zwerg zuckte mit den Schultern. “Ich bin ein Unfall, damit habe ich mich längst abgefunden. Meine Sippe hat mich ausgestoßen nach meiner Feuertaufe und meine Mutter fast verbannt, als klar wurde von wem sie schwanger war. Doch sie hat alles mit stolz ertragen- aus liebe zu ihrem ungeborenen Kind. Allein das tröstet mich.” Dwarix sah kurz zu Boden, bevor er wieder zu sprechen begann. “Ich mache ihr den Vorwurf, dass sie dir nicht die Chance gegeben hat zu ihr zu stehen. Und zu mir. Dir hingegen werfe ich vor sie zu einfach aufgegeben zu haben. Selbst ohne das Wissen um ihre Umstände hättest du sie wieder besuchen können, wenn du sie wirklich geliebt hast.”
Dwarosch nickte betrübt bei diesen Worte. Dwarix hatte recht, daran gab es nichts zu beschönigen. Er wollte ansetzen etwas zu sagen, doch sein Gegenüber war in Fahrt und hob die Hand, um ihm anzuzeigen, dass er noch nicht fertig war. “Was mir bisher von dir zu Ohren gekommen ist, ist gelinde gesagt wenig schmeichelhaft, auch wenn du eine Menge Orden und Medaillen tragen magst. Am Ende wirst du von deiner Sippe aber wohl auch mit Argwohn betrachtet, stimmts? Du hast nie ein Handwerk erlernt und folgst Kor anstatt dem Allvater.” Dwarosch nickte, auch darin hatte sein Sohn recht.
Dwarix schnaubte. “Mutter hat mich immer beschützt indem sie für mich eingestanden ist. Jetzt wo sie nicht mehr da ist hat man mich vertrieben. Versteh mich nicht falsch, ich bin nicht arm und weiß mich durchs Leben zu schlagen, aber ich würde dennoch gerne wissen- ob uns, Vater und Sohn etwas verbindet.”
“Das will ich auch”, brachte Dwarosch hervor und es klang nun etwas überzeugter. “Ich bin ehrlich noch etwas überfordert zu sein mit deinem Auftauchen, aber das wird sich legen. Wenn du mir eine Chance gibst, dann zeige ich dir wer dein Vater bist. Eines jedoch will ich vorweg nehmen, denn es ist die Wahrheit, die ich nicht leugnen will. Du bist im recht mit dem was du mir vorwirfst. Ja, ich hätte sie wieder besuchen müssen, ich hätte sie mit mir nehmen müssen als ich ging. Jede Entschuldigung, mit der ich relativieren könnte das ich es nicht tat, will ich selbst nicht gelten lassen.” Dwarosch nickte um seine Worte zu unterstreichen. “Wenn du akzeptierst, dass ich zu dieser Erkenntnis gekommen bin, dann haben wir einen Anfang auf dem wir langsam aufbauen können, so du dies willst. Versteh mich nicht falsch, Ich will nicht das du mir vergibst, nur das du versuchst unvoreingenommen zu sein. Naja, zumindest soweit das möglich ist.”
Diesmal war es an Dwarix zu nicken, zögerlich nur, aber zumindest erkannte Dwarosch seine Absicht darüber nachzudenken. Womöglich war es tatsächlich so etwas wie ein Anfang.
“Wie?” Fragte Dwarosch kurz darauf. Diese eine Frage ließ ihm keine Ruhe und musste an diesem Abend noch gestellt und beantwortet werden. Dwarix seufzte erneut, dieses mal zeigte sich jedoch Trauer und nicht Trotz auf seiner Miene. “Sie starb bei einem schweren Steinschlag im Gebirge des Rashdulswall. Wir waren mit einigen Brüdern und Schwestern unterwegs, um geschliffene Edelsteine und Geschmeide als Handelsware bei unseren Verwandten in Angralosch zu erstehen. Es sind mehrere von uns umgekommen.” Dwarixs Lippen formten einen Strich. “Ich hatte Glück.”
Dwaroschs Hand legte sich schwer auf die Schulter seines Sohnes. Er war fast so groß wie er selbst. “Komm. Lass uns zu meiner Unterkunft gehen. Dort gibt es genug platz und mehr Ruhe als du sie hier unten in der Stadt findest.” “Ich habe schon ein Zimmer im ‘betrunkenen Schrat’”, entgegnete Dwarix, doch Dwarosch wollte es dabei nicht auf sich bewenden lassen. “Wir holen deine Sachen unterwegs. Im Schrat kann man nur gut einen über den Durst trinken, aber nicht schlafen.”