Eine Harte Schule Verbindungen

Kapitel 20: Verbindungen

„Wozu dient dieses Gespräch?“ fragte Doratrava mit mühsam beherrschter Stimme. „Habt Ihr mich nur herbeigerufen, um mich zu beleidigen? Weil Ihr eine Adlige seid, die keine Strafe fürchten muss, selbst, wenn sie es in einem Tempel der Rahja tut, während ich mit jedem Wort mit meiner Freiheit oder gar meinem Leben spiele?“ Bitterkeit sprach aus ihrer Miene, Trotz, aber auch eine wilde Entschlossenheit, sich von dieser Frau nicht mehr alles gefallen zu lassen. „Ich wollte nichts als Freude bereiten, denn das ist mein Beruf, und den beherrsche ich ganz gut, wie Rahjalind bestätigen kann. Und auch Ihr schient mir zunächst ganz angetan. Aber seit es Rahja gefallen hat, in mir und Eurer Tochter gegenseitige Leidenschaft zu entfachen“ - und Liebe, was sie anging, aber das rieb sie Adda nicht auch noch unter die Nase - „behandelt Ihr mich wie Euren ärgsten Feind. Ist es vielleicht nicht Angst, die Euch treibt, sondern … Eifersucht?“

Die Halbergerin rollte mit ihren Augen. „Du hast ein ziemlich loses Mundwerk für eine Person, die so leicht angreifbar ist. Ein Fingerschnippen und du stehst die nächsten beiden Tage am Pranger.“ Abermals folgte ein abschätziges Lächeln. „Ich habe dich rufen lassen, um dies ein und für alle mal klar zu stellen. Rahjalind hat mich zuvor noch bekniet – auch sie hat es nicht verstanden. Ich empfand es als fair, dich gleich mit einzubinden.“ Addas Blick ging einen Moment an der Gauklerin vorbei und lag auf ihrer Tochter. „Sie wird machen was sie will. Ich kenne sie und sie war schon immer ein Sturkopf. Ich will nur, dass du weißt, dass ich ein Auge auf dich habe, solange du hier bist, und ich mahne dich zur Vorsicht.“

Zu ihrem eigenen Missvergnügen drängte sich Doratrava ein weiterer Gedanke auf. Auch Adda war ein Kind ihrer Erziehung, wie es aussah, auch sie konnte sich nicht ohne weiteres davon lösen, was ihre Eltern ihr eingetrichtert hatten. In ihrem Fall war es der fanatische Praios-Glaube, wie es bei Doratrava der nicht minder fanatische Travia-Glaube gewesen war. Im Gegensatz zu ihr wollte es die Halbergerin wohl auch nicht. Warum auch? Aber die Gauklerin glaubte, Adda nun zu einem gewissen Maß zu verstehen, was es schwieriger machte, ihren Groll aufrecht zu erhalten. Obwohl die Frau unabhängig von ihrer Erziehung eine arrogante, rechthaberische Schnepfe war. Gut, da war sie bei anderen Adligen vermutlich in guter Gesellschaft.

Doch Doratravas Widerspruchsgeist ließ sich nicht so einfach zum Schweigen bringen und verdrängte kurzerhand ihr bewusstes Denken. „Würdet Ihr auch eine Akoluthin der Rahja an den Pranger stellen?“

Adda zog eine Augenbraue hoch. „Du denkst daran, in die Kirche der Rahja einzutreten?“, fragte sie ohne auf die eigentliche Frage der Gauklerin einzugehen.

„Rahjalind hat es mir angeboten“, antwortete Doratrava kurz angebunden mit funkelnden Augen und leeren Gedanken.

Kurz ging der Blick der Halbergerin wieder zurück auf ihre Tochter. „Soso, hat sie das …“, bemerkte sie und wandte sich dann sogleich Doratrava zu, „… nun, wenn du Mitglied einer der zwölfgöttlichen Gemeinschaften bist, steht es dem weltlichen Adel nicht zu, über dich zu richten, aber …“, Adda hob drohend ihren Zeigefinger, „… das heißt nicht, dass du über dem Gesetz stehst. Man würde nach Kirchenrecht über dich urteilen und der Orden oder die Kirche würde Recht sprechen.“ Kurz schmunzelte die Adelige. Es war ein Ausdruck, den die Gauklerin nicht zuordnen konnte, wusste sie doch nicht, dass die Familie von Addas Mann als eine der wenigen Gönner und finanzielle Unterstützer der Rahjakirche innerhalb der Nordmarken galt. Doratrava würde sich ihres Einflusses nicht entziehen können, auch wenn sie in die Obhut der Kirche floh.

Erneut verwirrt von Addas unerwarteter Reaktion warf Doratrava Rahjalind einen hilfesuchenden Blick zu. „Äh … und was wollt Ihr mir damit sagen?“

Adda schüttelte lächelnd ihren Kopf. „Du hast mich gefragt, ob es mir zustünde, eine Akoluthin der Rahja an den Pranger zu stellen. Ich habe dir die Frage soeben beantwortet.“

Doratrava furchte die Stirn, um die Worte der Halbergerin richtig einordnen zu können, was ein paar Augenblicke in Anspruch nahm. Richtig beantwortet hatte sie die Frage ja nicht, aber die Gauklerin vermeinte schließen zu können, dass Adda eine Akoluthin der Rahja wohl nicht an den Pranger stellen würde, dafür aber andere Hebel in Bewegung setzen könnte. Das war Doratrava alles zu kompliziert, einmal mehr fühlte sie sich im unsichtbaren Netz einer großen Spinne gefangen. Laut sagte sie: „Gut, dann wäre das ja geklärt. Und nun?“

Adda schob noch einmal streng ihre Augenbrauen zusammen. „Und nun … nichts. Ich habe dir gesagt was ich dir zu sagen hatte. Ich kann dir schwer verbieten, hier zu sein, aber ich kann dich warnen, den Bogen nicht zu überspannen.“ Die Adelige legte sich wieder auf ihre Chaiselongue. „Du darfst dich wieder entfernen.“ Sie machte eine wegwedelnde Handbewegung. „Du hast bestimmt noch irgendetwas anderes zu tun als hier zu stehen und Maulaffen feilzubieten.“

‚Vielen Dank, eine weitere Beleidigung, gegen die ich mich nicht wehren kann, zum Abschluss‘, dachte Doratrava mit zusammengepressten Lippen. Dann ließ sie Rahjalind los und drehte sich zur Tür, aber nicht, ohne ihrer Freundin noch einen sehnsuchtsvollen Blick zuzuwerfen. Mit ein wenig eckig wirkenden Bewegungen verließ sie dann den Raum, um draußen, außer Sicht von Adda, erst einmal wieder stehenzubleiben. Sie ballte die Fäuste und bohrte die Fingernägel in die Handflächen, bis der Schmerz kaum mehr auszuhalten war, um sich dann langsam, ganz langsam wieder zu entspannen.

Die Gauklerin fühlte eine Berührung aus ihrem Rücken. Rahjalind streichelte ihr sanft über die Oberarme. „Tut mir leid, dass du das hören musstest …“, flüsterte sie. Es war für die junge Novizin immer noch schwer ihrer Mutter die Stirn zu bieten. In Addas Nähe fühlte sie sich immer noch wie ein kleines Mädchen.

Doratrava schauderte und bekam eine Gänsehaut bei der Berührung, sie drückte sich unwillkürlich in die Arme ihrer Freundin. „Warum macht sie das?“ flüsterte die Gauklerin zurück. „Was gibt ihr das?“ Verständnislos schüttelte sie den Kopf. „Komm, zeig‘ mir das Zimmer. Ich will hier weg.“



Kapitel 19: Verhör

Kapitel 21: Fragen