Eine Harte Schule Bedingungen

Kapitel 24: Bedingungen

Die Hochgeweihte schien Rahjalind und Doratrava bereits zu erwarten, als diese in deren `Arbeitszimmer` eintraten. Der Raum war hübsch dekoriert, aber nicht überladen oder gar kitschig. Es herrschten dunkle Möbel mit feinen Schnitzereien vor, die Rosen, Pferde, Weinreben und hier und da ein verliebtes Pärchen zeigten. Rote Vorhänge und ein dazu passender Teppich sorgten für angenehme Stimmung. Anscheinend vertrieb sich Alegretta hier die Zeit mit Buchhaltung und Rechnungen - in einem Regal stapelten sich Pergamentrollen und Büchlein. Sie blickte freundlich auf. "Setzt Euch, meine Lieben. Nehmt etwas Wasser. Das tut gut, gerade, wenn man lästige und ernstere Dinge erledigen muss." Sie seufzte und deutete auf das Pergament vor ihr. Dann streckte sie sich ausgiebig, wie eine Katze und hob amüsiert die Augenbrauen. „Liebes, Doratrava, ihr wisst ja warum ich nach euch beiden schicken ließ?"

Fragend und etwas verwirrt schaute Doratrava zu Rahjalind, während sie sich auf einen der Stühle setzte. Schon wieder brachte Alegrettas in ihren Augen seltsames Auftreten sie aus dem Gleichgewicht. „Äh … ja“, antwortete die Gauklerin deshalb nur knapp, während sie schon wieder bemüht war, die beim Frühstück noch vorhandene Entschlossenheit am Zerfasern zu hindern. Ach verdammt … sie zuckte unwillkürlich zusammen und musste wieder an ihren ‚Vater‘ denken, der immer gesagt hatte, es sei egal, ob man laut oder in Gedanken fluche, die Götter hörten alles. Dann war es jetzt schon zu spät. Ach verdammt …

„Sehr schön.“ Im Gegensatz zu gestern war Alegretta heute locker, entspannt und strahlte etwas aus, dass sie sofort sympathisch wirken ließ. Wie ein Mädchen ringelte sie eine Haarlocke um den Zeigefinger. „Gestern war alles etwas durcheinander, das tut mir leid.“ Sie schob den beiden eine Karaffe mit verdünntem Wein und zwei Kelchen zu. „Dora“. Sie wählte wie selbstverständlich diese vertraute Anrede. „Du willst Novizin bei uns werden? Das kam mir zu Ohren und ich freue mich sehr darüber. Sei so gut und erzähle mir, warum du das machen willst.“ Alegretta schlug ihre wohlgeformten Beine übereinander und lehnte sich zurück.

Erneut schaute Doratrava verwirrt zu Rahjalind, während sie automatisch ihren Kelch füllte, obwohl sie gar keinen Durst hatte, kamen sie doch gerade vom Frühstück. „Äh … Novizin? Nein … Rahjalind hat mich gefragt, ob ich nicht Akoluthin werden wolle.“ Trotz ihrer Verwirrung machte die Gauklerin heute einen gefassten und gefestigten Eindruck. „Sie … sieht das irgendwie in mir.“ Doratrava warf ihrer Freundin erneut einen Blick zu, lächelte aber diesmal liebevoll. „Ich habe eine Weile darüber nachdenken müssen … um es ganz offen zu sagen: ich weiß noch nicht, ob das wirklich mein Schicksal sein wird, da ich ja auch noch keine Ahnung habe, was ich dazu lernen muss und ob ich das kann. Aber ich würde es versuchen – wenn ich die Freiheit habe zu gehen, falls ich feststellen sollte, die falsche Wahl getroffen zu haben.“ Die Gauklerin machte eine kurze Pause und es dämmerte ihr, dass das keine sehr enthusiastische ‚Bewerbungsrede‘ gewesen war. Also setzte sie hinzu: „Ich verspreche, nicht bei der kleinsten Schwierigkeit die Flucht zu ergreifen. Auch wenn sich das vielleicht gerade nicht so anhört, werde ich mit Leidenschaft bei der Sache sein.“

„Ja Gretta …“, warf Rahjalind in vertrautem Ton ein, „… Dora möchte eine niedere Weihe anstreben und kein Noviziat. Sie ist meiner Meinung nach dafür geeignet, sollte aber dennoch im Glauben unterwiesen werden.“

Die Hochgeweihte schien zufrieden mit der Antwort ihrer neuen Schülerin. Sicher war es für das Vögelchen Doratrava nicht leicht gewesen, sich dazu durchzuringen. Sie lächelte lieb und voller Zuversicht. „Ach so, ja, eine Akoluthin, das ist eine gute Idee. Und natürlich kannst du gehen, wenn du willst. Wir sind hier schließlich ein Tempel der Holden und kein Gefängnis. Ich erwarte aber dennoch eine wachsende und ehrliche Hinwendung zu Rahja. Bedenke, dass wir hier alle bloß Diener sind. Wir vermitteln zwischen der Herrin und dem Volk.“ Alegretta leerte ihren Kelch und goss sich nach. Der Wein hier war vorzüglich. Etwas ernster fuhr sie fort, um zu erklären, was Doratrava mit Sicherheit interessierte. „Sicherlich willst du wissen, wie es nun weitergeht. Du bekommst ein Zimmer. Leider haben wir jedoch nicht besonders viel Auswahl. Wenn Liebchen nichts dagegen hat, kannst du ihres benutzen, oder du bleibst in unserem ´Notzimmer‘. Wir werden dich in feines Gewand kleiden, nicht völlig durchsichtig, aber in hübschen Rottönen.“ Sie lächelte voller Vorfreude. „Natürlich wirst du neben deinem theologischen Unterricht auch kleinere Aufgaben im Tempel übernehmen müssen. Ein Haus der Göttin ist kein Bordell, es muss sauber und rein bleiben. Das wird deine erste Aufgabe sein. Reinigung der Polstermöbel, von den vom Liebesspiel, Speis und Trank hinterlassen Spuren. Besonders auf unseren hübschen Polstermöbeln hinterlässt der Levthanssaft oft unappetitliche Spuren. Auch die Latrinen müssen gereinigt werden und der Garten gepflegt ... mein lieber Novize Robin wird sich um dich kümmern, er ist von nun an deine Ansprechperson.“

Mit wachsendem Entsetzen war Doratrava Alegrettas Ausführungen gefolgt. Endlich hielt die Geweihte inne und Doratrava wollte ihre Meinung äußern, da sprach Alegretta auch schon weiter und die Gauklerin klappte ihren Mund notgedrungen wieder zu.

Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sie sich an Rahjalind. „Es schmerzt mich, mein Liebchen, aber ein neuer Aspekt in deiner Ausbildung naht. Durch die Verbindung deines Onkels mit der Domna Verema, hast du die Chance, dein Wissen und Können im herzoglichem Gestüt zu erweitern. Ich werde dich für ein paar Monde dorthin abstellen. Die Domna weiß Bescheid und freut sich schon darauf mit dir zusammen zu arbeiten. Das ist eine wunderbare Möglichkeit für dich." Alegretta nahm noch einen Schluck aus ihrem Kelch - das viele Reden machte ihren Mund fusselig. "So, da war jetzt viel auf einmal. Habt ihr jetzt gleich noch Fragen? Keine Sorge, wir besprechen es noch genauer.“ Aufmunternd nickte sie Doratrava und Rahjalind zu.

Rahjalind musste schlucken. „Nach Elenvina? Jetzt?“ fragte sie mit weit aufgerissenen Augen.

Und jetzt wollte Alegretta ihr auch noch Rahjalind wegnehmen … Doratravas grüne Augen blitzten gefährlich auf. Doch sie riss sich zusammen, mit einem impulsiven Wutausbruch würde sie vermutlich das Falsche erreichen. Tief holte sie Luft, um sich zu beruhigen. ‚Man muss sich nicht verstellen oder es jemandem recht machen‘, das waren die Worte von Alegretta selbst gewesen gestern Abend. Also würde sie das auch nicht tun.



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