Die Leienhofer

Kapitel 2-1: Die Leihenhofer

Autoren: GalebQuell

1042 B.F., Herzogtum Nordmarken ---

Tosend rauschte der Wind um die Türme der uralten Festung auf einem Steilhang über der hier noch jungen Galebra. Die schwarzen Mauern warenseit Jahrhunderten nicht mehr erstürmt worden. Und seit ebenso vielen Jahrhunderten boten sie dem Herrscher über die Lande zwischen Kosch und Galebra Zuflucht.Und eben dieser Herrscher saß nun mit einigen Mitgliedern seiner perainegefällig vielköpfigen Familie im Saal. Nun seit einigen Jahren bereits Herrscher Galebquells hatte Roklan von Leihenhof die 30 Sommer überschritten und war in seinem Amt gereift. Baron von Galebquell, Junker von Hainen, Junker von Niedergalebra und Junker von Finsterklamm in der benachbarten Grafschaft Albenhus und als Junker von Hainen auch Niederadliger Reichskammerrichter - an Arbeit mangelte es ihm nicht. Und gerade jetzt konnte er streitende und Widerworte gebende Leihenhofer nicht gebrauchen. Erhielt sich den Kopf, die Stimme seiner Tante klang schrill in seinen Ohren. Auch das dumpfere Organ seines Vetters war nicht minder dröhnend. Der junge Baron und Oberhaupt der Familie Leihenhof runzelte die Stirn und schloss für einen Moment die Augen. Dann fühlte er eine Berührung auf seine Schulter, eine schlanke Hand. Er wusste, es war seine geliebte Gemahlin, Jileia von Blauendorn, Baroneß von Metenar aus dem Kosch. Er öffnete die Augen und wandte ihr das Gesicht zu - und erwiderte das
Lächeln, welches sie ihm schenkte. Dann glitt ihr Blick aus dem freundlichen Gesicht mit indes nun wieder ernstem Gesichtsausdruck zu den Streithähnen am Tisch. Roklan tat es ihr gleich. Doch dann drosch er auf die Tischplatte. "Schweigt! Still!" Die deutlich ältere Frau, mit breiten Schultern und einem Gesicht wie ein Wehrheimer Bluthund verschluckte die letzte Silbe ihres Wortes, der junge Mann ihr gegenüber, mit ihren Augen aber sanfteren Gesichtszügen erstarrte in seiner Bewegung. Auch der etwa im selben Alter befindliche Mann neben ihm mit schulterlangem Haar, das einen leichten Kupferschimmer zeigte, und der doch deutlich vornehmer und eleganter wirkte als seine augenscheinlichen Verwandten hielt inne, jedoch den Arm seines Vettes umklammert, ein weiterer junger Mann und eine junge, ihm sehr ähnlich sehende Frau blinzelten verwirrt. Auch andere Vertreter, die einen Platz in diesem Saal ergattert hatten, hielten in ihren Gesprächen inne und wandten den Blick zu dem für seine eher beherrschten und vorsichtigen Aktionen
bekannten Baron - der doch immerhin ein Consor, ein Akoluth der Hesinde-Kirche war.
"Danke." keuchte dieser und ließ seinen Blick schweifen. "Ich habe wirklich keine Lust auf dieses Gezeter. Das Haus Leihenhof war viel zu lange viel zu ruhig. Die einzige, die Präsenz zeigt und uns vertritt ist unsere Tante Ivetta und was macht ihr?!" Seine Verwandten erkannten, dass dies eine eher rethorische Frage war und unterließen es für ihr körperliches oder seelisches Wohl lieber zu antworten. "Genau. Und daher beschließe ich, dass wir nach Herzogenfurt reisen und der Einladung des Hauses Altenberg folgen."
"Aber ..." wagte doch tatsächlich die ältere Frau mit dem Doggengesicht einen Vorstoß.
"Raxia..." knurrte Roklan und wirkte nun selbst wie ein Hund, dem man versuchte seinen Knochen zu klauen. "Ich diskutiere nicht mehr. Deine Kinder Ingeras und Lucasta werden mich begleiten, ich muss auch für sie vorsorgen." Die beiden jungen Männer, die eben noch mit der besagten Raxia diskutiert hatten, kicherten unterdrückt. Roklans Blick fuhr herum. "Aureus, du bist davon ausgenommen, aber deine Verlobung mit Lucilla von Galebfurten werde ich demnächst auch vor Travia bekräftigen lassen. Die Hochzeit wird stattfinden." Er sah den kräftigeren von beiden an, dessen Augen der von Raxia so ähnlich sahen. Aureus, Ingeras und Lucasta waren Raxias Kinder und damit Roklans Cousins. "Und du, Lucrann!" taxierte er nun den vornehm wirkenden Mann mit dem Rotschimmer im Haar. Dieser schluckte. "Du solltest als Cavalliere und Junker von Liannon schon längst verheiratet sein und einen Stall von Kindern haben. Im Moment lümmelst du nur herum und verprasst die Einnahmen deines geerbten Gutes. Elenvina, Sewamund - nur nicht daheim! Du kommst mit." Lucrann Aureus von Leihenhof, Sohn von Roklans Onkel Ancuiras und dessen verstorbener Gattin Auxilia von Ibenburg, war der Erbe Auxilias und hatte so nach ihrem Tod das in der Baronie Galebquell befindliche ertragreiche Junkergut Liannon geerbt. Er richtete sich auf, spannte seine Schultern an, starrte Roklan in die Augen - und nickte. Der Patriarch des Hauses Leihenhof, so jung er auch noch sein mochte, erhob sich von seinem Stuhl. "Damit ist alles gesagt. Jungs, Mädchen, macht euch bereit für einen Ausflug. Und nun, von dem ganzen Gezeter habe ich Kopfschmerzen und es warten noch einige Eingaben an das Gericht auf mich. Ich ziehe mich zurück."
Damit verließ er den Großen Saal der Galebburg gemeinsam mit seiner Gattin und zog sich in die privaten Gemächer zurück - wohl wissend, dass seine zahlreiche, schwatzhafte Familie nun das Geschehene diskutieren würde.

-- Main.DanSch - 17 Dec 2019