Aufbruch nach Neukrashof

Aufbruch nach Neukrashof

Ort: Wehrhof Kaltenstein in dem Edlengut Kaltenklamm

Zeit: Phex 1045 BF

Kapitel I

03. Phex 1045 BF, Wehrhof Kaltenstein

„Nein, wir werden auf keinen Fall die Zahlungen aufschieben oder auch nur um Aufschub bitten!“
Ulfried blickte mit zusammengekniffenen Augen über seine Schulter hinweg auf die beschlagenen Butzenglasfenster seiner Schreibstube und holte tief Luft, ehe er den Kopf wieder in Richtung seiner Tante wandte.
„Es ist unsere Pflicht, den Tempelzehnt zu entrichten. Eine Pflicht, die keinen Aufschub duldet!“
Als er bemerkte, dass seine Tante etwas verwundert die Augenbrauen hob, wurde er sich der ungewollten Schärfe, mit denen er die letzten Worte ausgesprochen hatte, bewusst. Bevor sie jedoch zu einer Erwiderung ansetzen konnte, hob er seine Unterarme und fügte beschwichtigend hinzu:
„Aureliana, du weißt doch, dass wir es uns nicht leisten können, gegenüber dem Praiostempel oder der Baronin Schwäche zu zeigen.“
'Dass ich es mir nicht leisten kann', korrigierte er sich in Gedanken.
„Sie warten doch nur darauf, dass der junge Argenklamm mit seinem Lehen überfordert ist, verstehst du?“
Seine Tante schürzte ihre Lippen und blickte Ulfried mit ihren wachen, hellblauen Augen beinahe schon mitleidig an. Ihr aschblondes Haar, in dem sich bereits die ersten grauen Strähnen abzeichneten, hatte sie in einem langen Zopf um ihr Haupt gebunden. Trotz ihrer über fünfzig Götterläufe und einiger Falten im Gesicht war sie noch immer eine schöne, aufrechte Frau. 'Eine echte von Argenklamm', dachte Ulfried bei sich, als sie ihm nur stumm zunickte.
Er wendete den Blick von ihr ab und humpelte zu seinem Schreibtisch. Jetzt, da die Tage und Nächte langsam wieder wärmer wurden, schmerzte sein steifes rechtes Knie nur noch selten. Er stützte sich mit den Händen auf dem Tisch ab und ließ sich langsam in seinen Sessel sinken.
„Dann muss meine Schwester eben auf ihr Pferd verzichten.“
Ein Lächeln umspielte die Lippen seiner Tante, ehe sie ihm nickend beipflichtete: „Ich wusste, dass du so entscheiden würdest. Trotz deines Versprechens…“
Ulfried unterbach sie jäh und zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger in ihre Richtung:
„Ich habe ihr nicht versprochen, dieses Frühjahr ein Pferd zu kaufen! Ich habe ihr versprochen ein Pferd zu kaufen, sobald wir es uns leisten können!“, seine Züge wurden zorniger, „Und es ist mir völlig gleich, was sie dir erzählt hat, bei Praios, ein solches Versprechen würde ich ihr niemals geben!“.
Aureliana senkte den Kopf und presste ein: „Gut…“, hervor, ehe sie sich umwandte und gemessenen Schrittes die Schreibstube verließ. Als sie die Tür hinter sich schloß und sich ihre Schritte entfernen, schlug Ulfried zornig mit der rechten Faust auf die Platte seines Schreitisches.

Er hätte seine Wut nicht an seiner Tante auslassen sollen. Er sollte froh sein, dass sie ihn so tatkräftig bei der Verwaltung seines Lehens unterstützt, nachdem sein Vater und seine ältere Schwester von dem Tobrien-Feldzug, auf den sie sich vor sechs Götterläufen begaben, nicht mehr zurückgekehrt sind. Mutter hatte damals darauf gedrängt, dass Vater zumindest seine älteste Tochter Elid nicht mit auf den Schwertzug nimmt, jedoch vergebens. Da die von Argenklamms sich seit jeher als Streiter wider die Finsternis verstehen und selbst als eigentlich völlig unbedeutendes Geschlecht die Ideale Praios‘ und der Heiligen Lechmin hochhalten, ließen sich weder Vater noch Schwester von dem Vorhaben abbringen, die Schwarzen Lande von der Dämonenbrut zu befreien.
Ulfried stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab und legte seinen Kopf in seine Hände. Seine Finger strichen durch das dunkelbraune, lockige Haar. Seit rund drei Götterläufen lag die Verantwortung über das Edlengut Kaltenklamm in seinen Händen. Er besuchte gerade die Altenberger Rechtsschule in Gratenfels (so wie es alle Zweitgeborenen der letzten Generationen vor ihm taten) im letzten Jahr, als ihn der Ruf der Baronin ereilte und er die Nachfolge seines Vaters antrat und ihr gegenüber den Lehenseid ablegte. Das war keine Selbstverständlichkeit, die Edlengüter der Nordmarken sind keine erblichen Lehen. Zudem war Ulfried damals gerade volljährig geworden. Auf der anderen Seite war seine Familie seit unzähligen Generationen mit dem Gut belehnt und die von Argenklamms waren stets äußerst loyale und verlässliche Untergebene, zudem beliebt beim Volk.
„Wahrscheinlich hat die Baronin nur niemanden gefunden, der dieses karge, verlassene Stück Land für sie verwalten wollte“,
flüsterte er zu sich selbst und wahrscheinlich lag er mit dieser Annahme gar nicht falsch. Nur gut 200 Untertanen lebten hier in diesem von Bergen und Wäldern bedeckten Ort und trotzen dem kargen Boden gerade genug ab, um nicht zu verhungern. Der Stammsitz der Familie, Burg Argenklamm, eine kleine Felsenburg im Vorderkosch, wurde bereits vor einigen Generationen aufgegeben, da der Unterhalt Mittel beansprucht hätte, die nicht vorhanden gewesen sind. Seither lebte Ulfrieds Familie im Wehrhof Kaltenstein, gemeinsam mit einigen Bauernfamilien und einer Handvoll Handwerker, direkt am Ufer der Kalte - einen Namen, den der Bach völlig zu Recht trägt - die sich gurgelnd und rauschend aus dem Vorderkosch ergießt und dem Lehen seinen Namen spendete. Welcher Edle, der etwas auf seinen Stand gibt würde beinahe Tür an Tür mit Schweinehirten leben wollen? Er atmete hörbar aus.

Seine Gedanken kehrten langsam wieder zurück zu dem Grund für seinen Zorn. Oder besser: dem Grund für seine Unsicherheit, die den Zorn in ihm aufkommen ließ. Er öffnete seine Schublade und holte den Brief hervor, den ihm gestern ein Bote aus Gratenfels zugestellt hatte. Bevor er ihn öffnete, strichen seine Finger nochmals über das gebrochene Siegel des Gräflichen Rats Oldebor Greifax.

Er erinnerte sich noch gut daran, als er ihn zum ersten Mal sah, einen Tag nachdem er vom Tode seines Vaters erfahren hatte. Ulfried saß damals in seiner Kammer an der Rechtsschule und Tränen der Verzweiflung und der Trauer rannen über seine Wangen. Oldebor betrat sein Zimmer ohne anzuklopfen und blickte Ulfried überrascht an. Er vermeinte ein wenig Abscheu in Oldebors Blick zu erkennen, die er ihm aufgrund seiner offenkundigen Schwäche entgegenbrachte.
„Junge, bist du der von Argenklamm?“, fragte er ihn in militärisch knappen Ton das Offensichtliche. Ulfried nickte nur stumm.
„Es tut mir leid um deinen Vater, er war ein guter Mann, mögen die Götter seiner Seele gnädig sein.“, das Fehlen jeglicher Emotion in diesen Worten hatte sich Ulfried ins Gedächtnis gebrannt.
„Ich habe mit Prianna gesprochen. Du kannst die Schule heute noch verlassen. Auch ist dir deine Schuld erlassen.“. Er wartete kurz ab, als er sah, wie Ulfried versuchte, das Gesprochene einzuordnen.
„Wie…wie meint ihr das?“, brachte er noch halb wimmernd heraus.
„Du musst dich um dein Lehen kümmern. Und deine Familie. Das kannst du nicht, wenn du hier“, verächtlich blickte er sich in der Kammer um, „hier in diesem Loch zehn Götterläufe lang Schüler unterweisen willst.“ Sein strenger Blick fiel wieder auf Ulfried. „Verstehst du das, Junge?“.
Ulfried nickte stumm und als sich Oldebor zum Gehen wendete, brachte Ulfried noch ein „Danke!“ über die Lippen.
Bevor der Gräfliche Rat das Zimmer verließ, blickte er über die Schulter und fixierte Ulfried nochmals eingehend. An die Klarheit und die Kälte in den Worten erinnert sich Ulfried noch, als wäre es gestern gewesen: „Du kannst mir Danken, wenn ich eines Tages deine Hilfe einfordern werde.“, dann schloss er hinter sich die Tür.

Was wusste er über Oldebor? Nicht viel, außer dass dieser ein sehr angesehenes Mitglied der Grafenfamilie ist, ein Schwager des Grafen. Ulfried überflog die wenigen Worte, die in geschulter Handschrift auf dem Pergament niedergeschrieben wurden:

“Geschätzter Standesfreund,

in einer vertraulichen Angelegenheit wende ich mich an Euch. Ich - und die Grafschaft - benötigen Eure Dienste. Ich bitte euch, findet Euch am 15. Phex diesen Götterlaufes auf meinem Gut Neukrashof in der Grafenmark Gratenfels ein. Ich baue auf Eure Diskretion.

Mit aufrechten Gratenfelser Grüßen,

Oldebor Greifax, gräflicher Rat für Victualien und Proviantwesen”

Wie es schien, war die Zeit gekommen, um dem Gräflichen Rat die Dankbarkeit entgegenzubringen, die dieser vor gut vier Götterläufen eingefordert hatte. Was könnte ein Mann wie er von einem unbedeutenden Edlen wie Ulfried wollen? In wenigen Tagen würde er es herausfinden.

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Draussen auf dem Platz zwischen den Gebäuden des Wehrhofs blies noch immer ein eisiger Wind, der sich durch die Ritzen der hölzernen Palisade drückte oder einfach über diese hinwegfegte. So zügig, wie es sein Bein eben zulässt ohne zu rennen, eilte Ulfried zu den Stallungen hinüber. Dort hielt sich Thusdrick, sein Cousin, für gewöhnlich auf. Und er sollte nicht enttäuscht werden. Die beiden noch verbliebenen Pferde sowie die zwei Zugochsen füllten den Stall zwar nur spärlich, aber dennoch musste sich jemand um diese kümmern. Thusdrick war jedoch noch viel mehr als ein Stallbursche, er war Ulfrieds Freund, der einzige, wenn man genau war. Nur ein gutes Jahr älter als er selbst, aber doch so anders. Das begann bereits bei seiner Statur, war Thusdrick doch groß und kräftig, eine jede seiner Bewegungen verrieten geschulte Muskeln. Ganz wie seine Mutter, Ulfrieds Tante, war er unverkennbar ein von Argenklamm, nur dass sich in seine langen Haare ein Rotstich geschlichen hat. Wahrscheinlich ein Erbe Thusdricks Vater, wer auch immer dies sein mochte. Ein Geheimnis, dass Aureliana vielleicht mit ins Grab nehmen mochte, denn all die Jahre schwieg sie beharrlich auf jede Frage danach, von wem sie vor 27 Götterläufen schwanger wurde und daher ihrer Lehrtätigkeit an der Rechtsschule nicht mehr nachgehen konnte und durfte. Ja, es war eine Schande für die Familie und Ulfried bekam dies zu spüren, als er mit 12 Jahren nach Gratenfels geschickt wurde. Die abfälligen Blicke der Lehrer, der Tempeldiener und besonders der Direktorin der Schule, Prianna von Altenberg, verfolgten ihn auf Schritt und Tritt. Zum Glück könne er sich kein Balg in den Bauch setzen lassen, das war das erste, was man im Tempel der Sonne zu ihm sagte. Ulfried hasste es, für die Verfehlungen seiner Tante verantwortlich gemacht zu werden. Dadurch musste er immer ohne Fehl und Tadel sein, konnte sich keinen Ausrutscher erlauben, blieb brav auf seiner Stube, wenn seine Mitschüler ausbüxten um die Kneipen in Gratenfels unsicher zu machen. Und er hatte immer besser sein müssen als die anderen, aber, bei Praios, das ist er gewesen! Ein Krüppel zwar, mit einer Tante, die einen Bastard zur Welt brachte, aber ein kluger Krüppel, klüger als die meisten. Und dieser Bastard, sein Cousin, war sein bester Freund.

„Thusdrick, hier steckst du also!“, rief er ihm schmunzelnd zu. Sein Freund legte einen Sattel beiseite und kam ihm entgegen.
„Was ist los? Du siehst aus, als hättest du es eilig.“
Ulfried war beim Anblick des lichten Bartes, den sich Thusdrick über den Winter hatte wachsen, immer wieder irritiert. Thusdrick war ein hübscher und stattlicher Kerl, dem so manche Bauerstochter einen verschmitzten Blick zuwarf, aber mit diesem Bart sah er irgendwie lächerlich aus.
Thusdrick bemerkt seinen Blick und strich sich demonstrativ mit der Rechten über seine Kinnhaare.
„Schaut gut aus, oder? Je nach Licht schimmern sie rötlich und direkt am Kinn sind auch einige braune dabei.“
„Jaja, du weißt was ich davon halte. Ich finde, das sieht lächerlich aus.“, Ulfried winkte ab. „Aber ich bin nicht zum Streiten gekommen, sondern um etwas zu besprechen. Ich werde mit Gunde ausreiten, bitte mach sie fertig. In einer Stunde geht es los, sonst bin ich vor der Dämmerung nicht mehr zurück.“
Thusdrick nickte: „Gerne, das…“
„…und da wäre noch etwas“, unterbrach Ulfried ihn, „in drei Tagen muss ich nach Gratenfels, für ungefähr eine Woche. Du wirst mich begleiten. Daher solltest du dein bestes Wams flicken, ich will, dass du ordentlich aussiehst.“ Dann fügte Ulfried breit grinsend hinzu: „Das bedeutet, auch das Gefussel in deinem Gesicht muss ab.“

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Ulfried hing seinen Gedanken nach, als er um die Praiosstunde am Thureshof vorbeiritt, dem letzten Hof, auf dem noch ordentliche Felder bestellt wurden, ehe der Boden des Vorderkosch zu steinig und karg wurde um noch Getreide anbauen zu können. Da riss ihn ein Rufen aus seiner Abwesenheit:
„Junger Herr, junger Herr, wartet, so wartet!“. Seffel, der Bauer des Hofes, ein älterer, grobschlächtiger, aber gutherziger Mann, kam mit watschelndem Gang den Weg vom Hof zu ihm herüber geeilt.
Ulfried hielt sein Pferd an und zog den Schal, welchen er sich als Schutz vor der Kälte über Mund und Nase gebunden hatte, unter sein Kinn. Mit gleichmütigem Blick beobachtete er, wie der Bauer näherkam und kurz hinter ihm seine Tochter, Irmegunde, mit wogendem Rock einherschritt. Sie trug ein kleines Tablett vor sich her, auf dem ein irdener Krug mit einer Flüssigkeit vor sich hin dampfte. Atemlos erreichte Seffel Ulfrieds Pferd und tätschelte Gundes Hals um kurz durchzuschnaufen.
„Was gibt es Seffel? Was ist so eilig, dass du dich so sputest?“
„Junger Herr“, bei dieser Anrede zuckten Ulfrieds Mundwinkel kurz, „gut, dass ihr vorbeikommt. Irmegunde“, er zeigte, noch immer nach Luft ringend, auf seine Tochter, die beide schon fast erreicht hatte, „Irmegunde hat etwas für euch!“.
Ulfried blickte den Bauern an und meinte in beinahe schon väterlichem Tonfall: „Guter Seffel, es heißt euer Wohlgeboren, jetzt, da ich euer Herr bin.“
Den verwirrten Blick des Bauern vermochte er nicht zu deuten, aber jetzt wurde Ulfrieds Aufmerksamkeit ohnehin von dessen Tochter eingenommen. Irmegunde mochte in etwa in seinem Alter sein, sie trug einen weiten, erdfarbenen Rock und darüber nur eine Leinenbluse, die eigentlich zu dünn und zu knapp für die zu dieser Jahreszeit noch kalte Witterung war. Sie hatte ein hübsches, rundes Gesicht mit vollen Lippen und über ihr Haar trug sie ein traviafarbenes Tuch, aus welchem sich keck zwei hellbraune Locken hervorstohlen und ihre Züge umspielten. Ihre Rundungen wurden durch die Kleidung betont und unter der Bluse zeichneten sich zwei feste Brüste ab, auf die Ulfried vielleicht einen Moment zu lange blickte.
Als sie vor seinem Pferd stand deutete sie einen Knicks an, senkte ihren Blick und hob das Tablett empor. „Für euch, euer Wohlgeboren. Ein wärmender Kräutertee mit Honig!“
„Habt…habt dank Irmegunde“, stammelte Ulfried, beugte sich zu ihr herab und nahm den Krug von dem Holztablett entgegen. Trotz seiner Wollhandschuhe merkte er sofort die Wärme, welche sich über seine Finger ergoss.
Ulfried errötete, als er die von durch die Kälte hervorstehenden Brustwarzen unter Irmegundes Bluse sah. „Das ist sehr freundlich von euch!“, fügte er hinzu, richtete sich langsam wieder auf und zwang seinen Blick in die Ferne.
„Den Krug kann der junge Herr behalten!“, lächelte Seffel ihn an und machte dabei eine einladende Handbewegung mit der Rechten, während die Linke noch immer den Hals von Ulfrieds Pferd tätschelte.
Mit der Wärme, die sich zunächst in Ulfrieds Händen und dann seinem Körper ausbreitete, wuchs auch die Erregung in ihm und trotz des abgewandten Blickes sah er vor seinem inneren Auge Irmegunde, wie sie ihm den Becher reichte. Scham überkam ihn.
„Travias Segen sei mit euch“, sagte er abwesend und ohne sich den beiden zuzuwenden, „aber nun geht wieder nach drinnen in die warme Stube, ich habe es eilig.“
Ohne einen weiteren Blick nach unten drückte er seine Schenkel zusammen und gab Gunde somit den Befehl weiterzutraben. Durch das Schaukeln, als sich sein Pferd in Bewegung setzte, ergoss sich beinahe der halbe Becherinhalt des Tees über seine Handschuhe. Er konzentrierte sich auf den Schmerz, als sich die heiße Flüssigkeit durch den Stoff seiner Handschuhe sog, in der Hoffnung, dass dieser ihn von seinen unkeuschen Gedanken ablenken mochte, doch das gelang ihm nicht wirklich.

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Ulfried umrundete die kleine Felskuppe, als die Bäume den Blick auf die Ruine Argenklamm freigaben. Der Pfad wandt sich gut sichtbar den kleinen Berg nach oben, auf dessen vorgelagerter Felsspitze sich halb verfallene Mauerreste abzeichneten. Seit gut einhundert Götterläufen wurde die kleine Burg nicht mehr bewohnt. Die Dächer waren allesamt eingestürzt und nur noch der ehemalige Bergfried reckte sich trotzig in die Höhe und gab einen Hinweis auf die einstige Wehrhaftigkeit des Bauwerks.
Doch Ulfried schenke diesem Anblick, der ihn sonst mit Stolz und Wehmut zugleich erfüllte, keine Beachtung. Noch immer grübelte er über Irmegunde nach. Was sollte das Schauspiel bedeuten? War es nur ein Dank an den Lehensherren? Oder versuchte Seffel wirklich, ihm seine Tochter anzudienen? Er musste doch wissen, dass Irmegunde nicht von Stand war und ein Traviabund mit einer Bauerstochter für einen Edlen einem Gesichtsverlust vor Standesgenossen gleichkäme. Auf der anderen Seite war dem Bauern noch nicht einmal die korrekte Anrede für ihn geläufig, also war dies vielleicht doch sein Plan? Ulfried wusste, dass er zwar kein stattlicher Krieger ist, aber dennoch hübsch anzuschauen, mit seinem welligen, brauchen Haaren, den weichen Gesichtszügen und, vor allem, seinen tiefen, braunen Augen. Insbesondere seine Schwester neckt ihn gerne damit, dass ein „hübscher Bengel“ wie er doch so langsam auch mal an eine Frau denken müsse. Aber Irmegunde? Zumindest Rahja, die Göttin der Leidenschaft wäre dieser Verbindung gewogen, wie Ulfried am eigenen Leib spürte. „Aber sicher nicht Praios!“, sprach er laut zu sich selbst, als er durch den Torbogen in den Hof der Burg ritt.
Er band Gunde an einem Pfosten fest und führte seine Schritte zu dem Gewölbe unter dem Bergfried, welches durch ein massives Eisengitter verschlossen war. Ulfried zog den Schlüssel für das Gitter aus seiner Gürteltasche und schloss auf. Der Brief des Gräflichen Rats, die Begegnung mit Irmegunde…es gab einiges, über das er in Ruhe nachdenken musste.
Er stieg die Stufen hinab und spürte bereits die Vorfreude auf die nächsten Stunden der inneren Einkehr und des Gebets. Hier unten, im Herzen des Hauses von Argenklamm, vor dem Praiosschrein, in den man vor vielen Jahrhunderten eine Reliquie eingearbeitete, die seiner Familie zum Geschenk gemacht wurde und welche die Treue und die Frömmigkeit seines Hauses bezeugte, hier unten fand er Frieden und Kraft.

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Kapitel II

Als Ulfried am Abend, bereits nach Einbruch der Dämmerung auf den Wehrhof zurückkehrte, drang durch die Butzenglasscheiben des Hauptgebäudes, in dem er mit seiner Familie lebte, bereits Licht. Er brachte Gunde in den Stall und sattelte sie ab. Die Kälte machte sich in seinem Knie bemerkbar, es schmerzte und pochte, wie jeden Winter, seit er im Alter von 11 Jahren beim Klettern mit Thusdrick von einem Felsen stürzte und der Aufprall seine Gelenkknochen zertrümmerte. Der Heiler aus Schnakensee konnte nicht viel mehr tun, als den offenen Bruch zu versorgen und das Bein zu schienen, woraufhin es versteifte. Genau genommen ging der Sturz aus gut fünf Schritt Höhe noch glimpflich aus, aber obwohl er nichts dafür konnte, wurde Thusdrick als der Ältere der beiden Jungen schwer für den Unfall gescholten, insbesondere von seiner eigenen Mutter. Jedem war klar, dass ein junger Bursche mit steifem Bein und leicht verdrehtem Knie niemals einen Schwertvater finden würde oder zu einem guten Kämpfer taugte. Ein Glück, dass er als Zweitgeborener ohnehin nicht für das Kriegshandwerk auserkoren gewesen war, sondern für das Studium an der Rechtsschule in Gratenfels.
Dennoch wäre er gerne mit Thudrick über die Wiesen und durch die Wälder gerannt und hätte sich von seinem Vater den ein oder anderen kühnen Streich mit dem Schwert beibringen lassen. Stattdessen war das einzige, für das er ein wenig Talent aufbrachte, das Schießen mit dem Bogen. Immerhin war das Bogenschießen in der Baronie sehr angesehen, so stellten die Schnakenseer seit jeher ein Banner Bogner, wenn der Herzog zu den Waffen rief. Jedoch waren Ulfrieds Künste im Vergleich zu denen von Thusdrick nur bescheiden zu nennen. Sein Cousin war die große Hoffnung der Kaltenklammer, dass beim nächsten Praiosfest der Preis für den besten Schützen nach vielen Jahren endlich wieder von einem Einheimischen errungen werden könne.
Ulfried verließ den Stall und ging langsam zu dem Haupthaus hinüber. Von drinnen hörte man Stimmen und Thusdricks herzhaftes Lachen. Vor der Tür hielt er einen Moment inne, straffte sein Wams und betrat schließlich sein Haus.

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Nach dem Abendmahl mit seiner Familie, für das sich nur wieder seine Mutter entschuldigen ließ, da sie niemanden anstecken wolle (was sowohl auf ihre Erkältung als auch ihre Laune zutraf), bat Ulfried Thusdrick noch kurz mit in seine Schreibstube, in der er auch seine Untertanen empfing, falls diese ein Anliegen hatten. Sie setzten sich auf bequemen Stühlen gegenüber und Ulfried schenkte beiden einen Becher Honigwein ein.

„Nun halt‘ mich nicht länger hin! Was gibt’s denn?“, bedrängte Thusdrick ihn, kaum dass er sich hingesetzt hatte.
„Hier, nimm!“, Ulfried reichte ihm den Becher und leerte dann den eigenen in einem Zug, ehe er sich nochmals nachgoß.
„Junge, du hast aber‚ `nen Durst!“. Thusdrick blickte ihn mit weit geöffneten Augen an, als Ulfried auch den zweiten Becher mit einem Male leerte.
„Thusdrick, versprich mir, dass dieses Gespräch unter uns bleibt!“
Sein Cousin schien misstrauisch, aber er entgegnete ihm wie selbstverständlich: „Na klar, versprochen!“.
„Gut.“, Ulfried setze sich ihm gegenüber, blickte jedoch an ihm vorbei. „Du kennst doch Seffel vom Thureshof.“ Es war mehr eine Feststellung, denn eine Frage, aber dennoch antwortete Thusdrick ihm: „Na klar!“.
„Und auch seine Tochter, Irmegunde.“
Ulfried konnte nicht erkennen, wie sich Thusdricks Augen mit einem Male verengten und er zögerlich fragend antwortete: „Jaaaaa? Und?“.
„Ich bin ihnen heute Mittag begegnet, als ich ausritt. Und…und es war seltsam. Sie hielten mich auf und machten mir ihre Aufwartung. Irmegunde beschenkte mich sogar mit einem warmen Krug Tee mit Honig. Verstehst du?“
Thusdrick wiegte seine Hand hin und her: „Was soll ich denn verstehen, das ist doch sehr nett von den beiden, oder?“.
Ulfried fixierte Thusdrick nun: „Ganz genau! Aber warum sollte Irmegunde so ganz ohne weiteres nett zu mir sein? Hmmm?“.
Thusdrick konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen, sodass man auch im dämmrigen Licht des kleinen Kaminfeuers seine strahlenden Zähne sehen konnte.
„Oh, euer Wohlgeboren traut seinem Volk nicht!“, dann musste er laut lachen.
„Was ist daran denn bitte lustig?“, erwiderte Ulfried verständnislos.
„Naja, jetzt muss ich’s dir wohl sagen.“, Thusdrick rang sichtlich damit, die passenden Worte zu finden. „Es ist so, ähm, ich habe ihr und Seffel gesagt, sie sollen sich dir gegenüber von ihrer besten Seite zeigen. Weil, weil…weil ich um ihre Hand angehalten habe und dich um Erlaubnis bitten wollte, mit Irmegunde den Traviabund zu schließen“.
Während sein Cousin die letzten Worte aussprach, hörte Ulfried nur noch das Rauschen des Blutes in seinen Ohren. Was für ein Idiot er doch ist! Unwillkürlich schämte er sich. Für seine Gedanken, seine Unterstellungen, seine Dummheit. Und dafür, dass er sich mit dieser eitlen Torheit sogar in seinem Gebet an Praios gewandt hatte.
Er starrte abwesend in das Feuer des Kamins und winkte Thusdrick kurz zu. „Natürlich, sehr gerne, das freut mich für dich.“, aber seine Worte klangen freudlos und leer. „Ich glaube, ich gehe jetzt besser, das war wohl doch zu viel Met in zu kurzer Zeit.“
Noch bevor Thusdrick etwas erwidern konnte, stürzte Ulfried aus der Schreibstube und eilte, so schnell sein Bein es zuließ, auf sein Zimmer.

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04. Phex 1044 BF, Wehrhof Kaltenstein

Nach dem gemeinsamen Frühstück mit seiner Familie, zu dem seine Mutter mal wieder mit ihrer Abwesenheit glänzte, zog Ulfried sich in seine Schreibstube zurück. Das Studium religiöser oder philosophischer Schriften war seit jeher seine Leidenschaft. Bereits auf der Rechtsschule in Gratenfels verschlang er die entsprechenden Folianten und war auch der ein oder anderen Debatte mit den Lehrkörpern nicht abgeneigt. Sonderbar nur, dass ich dort als Untergebener sicherer auftreten konnte als hier, wo ich nun der Herrscher bin. Er vertrieb den Gedanken und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das dicke Buch, welches vor ihm auf dem Tisch lag: „Über das Seyn und dasz Werden, dasz Guth und dasz Gerecht“, ein sperriger Titel für ein 200 Seiten dickes Traktat über den praiosgegeben Funken des Lebens und des Verstandes in uns. In der Bibliothek des Gutes, sofern man diesen kleinen Schrank mit nicht mehr als einem Dutzend Büchern überhaupt so nennen konnte, gab es nicht viel, was ihn reizte, aber dieses Buch beschäftigte ihn bereits seit Jahren. Gleich zu Beginn vertritt der Autor die These, dass Erkenntnis nur dann einen Wert besäße, wenn man sie aus sich selbst heraus erlangt. Getreu diesem Leitsatz wollte er sich das in diesem Buch vermittelte Wissen selbst erarbeiten, ohne dass ein Lehrer oder seine Tante ihm mit schlauen Formeln auf die Quintessenz der Erkenntnisse des Autors hinweisen.
Und so nahm er sich seit fünf Jahren jeden Winter das Buch zur Hand und las Seite um Seite, machte sich dabei stets Notizen auf separaten Blättern, trug seine Lehren zusammen, prüfte diese, verwarf sie oft und hatte doch noch nicht alles entschlüsselt. Er notierte sich gerade die Frage: „Denkendes Wesen: Verstand durch Glaube?“ auf einem Blatt, als es an der Tür klopfte. „Ja?“, rief er in Richtung der Türe und nahm währenddessen etwas Löschsand und verteilte diesen auf seinen frischen Notizen.
„Oh, du vergräbst deine Nase wieder in Büchern, wie ich sehe. Störe ich dich oder kann ich eintreten?“. Seine Schwester Gunhild streckte ihren Kopf durch den geöffneten Spalt und sah ihn erwartungsvoll an. „Komm ruhig herein!“, entgegnete Ulfried ihr mit einer einladenden Geste. „Was möchtest du so dringendes von deinem Herren?“, er legte den Kopf in den Nacken und unterstrich dadurch seine bewusst übertriebenen Worte noch.
Seine Schwester trat ein, und tat einen züchtigen Knicks. „Nur meine Aufwartung machen, euer Wohlgeboren, herzlichsten Dank!“. Sie spielte das Spiel also mit. Während sie anschließend nähertrat, bemerkte Ulfried, dass sie etwas hinter ihrem Rücken versteckte. „Ach, und ich habe meinen Tribut für euer Wohlgeboren mitgebracht, sogar noch vor der Zeit und ohne, dass Alrik mich auf meiner Stube besucht hat um mich auf meinen Zehnt hinzuweisen!“. Gunhild hatte Ulfrieds Neugier war geweckt.
Er musterte seine Schwester und versuchte zu erblicken, was sie hinter sich verbarg, konnte es aber nicht erkennen.
„Na, Neugierig?“, sie musste perlend lachen und Ulfried mit ihr. Es war eine der Eigenschaften, die jeder so an ihr liebte: Sie konnte auf der Stelle dafür sorgen, dass sich jedermanns Laune besserte. Oft genügte nur ein Blick von ihr oder eine Geste und sie zauberte einem ein Grinsen ins Gesicht. Und sie war die Einzige, die es länger als einen Moment mit Mutter aushielt.
„Na, da werde ich gleich die Kämmerin hinzuholen und abschätzen lassen, ob der Tribut auch ausreichend ist!“, Ulfried wedelte mahnend mit dem Zeigefinger in der Luft herum und lachte wieder.
Gunhild verzog die Schnute und versuchte enttäuscht zu blicken. Doch selbst dann, mit dieser Grimasse, war sie noch wunderschön. Das lange, aschblonde Haar nur durch ein Band gezähmt, wache blaue Augen, ein bezauberndes Lächeln. Ja, sie war eine wahre Schönheit, der Schatz der Familie. Jeder liebte sie und sie liebte alles und jeden. Sie fand Freude daran, den Bauern des Hofs zur Hand zu gehen. Sie tanzte im Sommer über die Wiesen und hatte für jeden ein offenes Ohr. Sogar für die Tiere des Hofes, mit denen sie oft zu sprechen schien und deren Muhen oder Wiehern sie eine ganz eigene Bedeutung verlieh, wenn sie mit ihnen Zwiesprache hielt.
Jetzt änderte sie das Spiel. Jetzt war sie eine Raubkatze, die elegant auf Ulfried zu spazierte und ihn mit gesenktem Kopf fixierte: „Vielleicht habe ich einen Dolch hinter dem Rücken versteckt und du solltest eher die Wachen rufen, ehe ich den Tyrannen morde!“
„Wenn wir den eine Wache hätten!“, fügte Ulfried oberlehrerhaft hinzu.
Gunhild war am Schreibtisch angekommen und ließ ihre Hand blitzschnell nach vorne sausen und zog dabei einen Stecken hervor, der in Ulfrieds Richtung schlug. Sie stoppte den Schwung erst kurz vor seiner Brust.
„Ist aber nur ein Gehstock, damit der edle Herr besser laufen kann.“, sie zuckte dabei mit den Schultern.
Ulfried beugte sich etwas nach vorne um den Stecken besser sehen zu können. Sie hielt ein gut sechs Spann langes Stück Kernholz in der Hand, welches sich nach unten hin leicht verjüngte, während an dessen oberem Ende ein mit Schnitzereien verzierter Knauf prangte. Ulfried fuhr mit den Fingern seiner rechten Hand den Stecken entlang bis, er langsam über die Schnitzereien strich. „Ist das…“.
„Ja, das ist eine Greifenfeder!“, beantwortete sie seine Frage, noch ehe er sie gestellt hatte.
„Wo hast du den her?“, fragte Ulfried und blickte sie erstaunt an.
„Selbst gemacht, den Winter über. Alrik hat mir beigebracht, wie man schnitzt. Ist auch das Ergebnis des zweiten Versuchs. Bei dem ersten sah die Greifenfeder eher aus wie die Daune eines gerupften Huhns.“, wieder lachte sie laut auf.
In Ulfrieds Augenwinkel zeigte sich eine Träne der Rührung. Ja, der Stecken war nicht perfekt und man sah, dass er das Werk eines Lehrlings und nicht eines Meisters gewesen ist. Aber er war mit Überlegung, Liebe und Beharrlichkeit gefertigt worden und dadurch so viel mehr wert als jeder Gehstock, den man in Gratenfels für Gold kaufen konnte. „Danke!“, stammelte er, noch immer ergriffen.
„Tante Aurelia hat gesagt, dass du nach Gratenfels musst, zu einem Treffen mit anderen Edlen. Da dachte ich mir, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt um ihn dir zu geben. Du bist zwar noch jung, aber das Gehen mit dem Stock verleiht dir die würdevolle Ausstrahlung eines alten Edelmannes!“, sie stolzierte bei den letzten Worten gemächlich vor dem Schreibtisch einher und imitierte dabei das Gehen mit einem Stecken.
Ulfried stand auf, ging um den Schreibtisch herum und schloss sie so fest in die Arme, dass sie kurz aufrief.
Schon seit einem Jahr trug er den Gedanken mit sich, dass seine Schwester jetzt in einem Alter ist, in dem er für sie einen Mann suchen und finden müsste. Aber dann ginge sie fort. Und Kaltenstein wäre ein so viel weniger schöner Ort, ohne sie.

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10. Phex 1045 BF, kurz nach Ambelmund

Ulfried und Thusdrick ritten bereits sein einem Stundenglas gemächlich den Karrenweg entlang, der nach der Schneeschmelze noch immer nicht ausgebessert wurde und tiefe Pfützen aufwies. Immerhin hatte sich der Regel gelegt, der gestern beide noch bis auf die Haut durchnässt hatte. Auch der Morgennebel verzog sich langsam und das Plätschern der Tommel, die einige dutzend Schritt zu ihrer Rechten träge dahin floss, war nun klar und deutlich zu hören.
„Thusdrick?“, begann Ulfried, doch mehr als ein „Hmmm?“, bekam er nicht als Antwort. Seit dem Gespräch in seiner Schreibstufe vor wenigen Tagen, hatten sie nicht viel miteinander gesprochen und Thusdrick schien das nicht viel auszumachen, im Gegenteil. Vielleicht war er auch noch angefressen, weil Ulfried wirklich darauf bestanden hatte, dass er sich den Bart abrasiert, um wie ein zivilisierter Mensch auszusehen.
Ulfried hielt sein Pferd an und blickte nach hinten und vorne über den menschenleeren Karrenweg. Auch Thusdrick stoppte und blickt ihn verwundert über seine Schulter hinweg an.
„Es tut mir leid, dass ich auf dein Glück nicht angemessen reagiert habe“, begann Ulfried zu sprechen. „Es freut mich wirklich, dass du und Irmegunde zueinander gefunden habt. Sie ist eine schöne Frau und sie kommt aus einer aufrechten Familie. Ich gönne euch alles Glück der Welt und den Segen aller Zwölfe.“
„Aber?“, hakte Thusdrick ein, wohl wissend, dass jetzt noch etwas folgen würde.
Ulfried schloss mit seinem Pferd zu ihm auf und blickte ihm in die Augen, ehe er sein Haupt senkte. „Ich dachte, Irmegunde wollte mir die Aufwartung machen, als sie mir den Tee brachte. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte und habe mir den ganzen Weg zur Burg und wieder zurück darüber den Kopf zerbrochen, wie ich damit umgehen soll. Ich habe mich verhalten wie ein Narr und das war mir in dem Moment, als du von eurem geplanten Traviabund erzähltest, zutiefst peinlich. Nicht nur vor dir, sondern auch vor mir selbst und auch vor unserem Herren Praios, den ich in meinem Gebet am Schrein damit belästigt habe, verstehst du?“
Thusdrick kratze sich am Kopf. „Oh, also…“, dann setze er nach einer kurzen Pause hinzu: „also willst du deine Erlaubnis nochmal überdenken und sie selbst zur Frau nehmen?“, ehe er Ulfried mit der Faust an der Schulter knuffte und zu lachen begann. Ulfried konnte nicht anders, als mit einzustimmen, weniger über den Scherz seines Vetters, als vielmehr ob der Last, die mit der Beichte von seinen Schultern fiel.