Schwarz steht der Tann - Akt 2: Unterschied zwischen den Versionen

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Wer dem Aberglauben des einfachen Volkes Glauben schenkte, dem schrie der Anblick der Frau das Wort HEXE förmlich in den Sinn. Reich war die junge Frau von Rahja mit Schönheit und Weiblichkeit beschenkt worden. In leuchtend roten Locken fiel ihr langes Haar ein gutes Stück über die Schultern. Feenküsschen zierten ihre Wangenknochen und  ihre Stupsnase, während smaragdgrüne Augen die beiden Besucher mit offensichtlicher Verwunderung musterten. Augen, deren Anblick ihr jugendliches Aussehen mit einem Schlag in Frage stellten. Nur mühsam nahm der Betrachter das restliche Bild war. Ihr moosgrünes Kleid, dass ihre Weiblichkeit auf verführerische Art trotz seiner scheinbaren Einfachheit unterstrich. <br>
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“Ich grüße Euch, an diesem besonderen Ort.” Erklang ihre weiche Stimme. Sie grüßte und hieß nicht willkommen, denn diese Besucher waren ihr nicht willkommen. <br>
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Khorena musterte ihr Gegenüber ausgiebig durch die bernsteinfarbenen Gläser ihrer Brille, bevor sie zu einer Antwort ansetzte. “Ich muss gestehen, dass ich nicht damit gerechnet habe, heute Abend hier so viel Gesellschaft zu finden. Sagt, gehört der Elf in den Bäumen zu Euch?” meinte sie im Plauderton. Ihre Mimik wurde von der ledernen Maske mit den feinen goldfarbenen Metallapplikationen vollständig verdeckt.<br>
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Die Unbekannte richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Sprecherin. Weder Menschen noch Elfen, sollten an diesem Abend, an diesem Ort weilen. In dieser Nacht, gehörte die Höhle den Kindern Mailam Rekdai, nur wenige Menschen waren ihnen dabei willkommen. Sie selbst gehörte zu einem kleinen Kreis, einem Kreis derer, die die Rotpelze duldeten. Womöglich war dulden in ihrem Fall aber auch das Falsche Wort, Aedha war bereits vor sehr langer Zeit in diese Region gekommen und hatte mehrere Generationen lang um ihre Vorherrschaft gestritten. Die Goblins duldeten sie also nicht, sie fürchteten ihre Macht. <br>
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Auf diese Gäste jedoch, würde das nicht zutreffen. Still musterte sie die eigenwillige Erscheinung der Sprecherin, ihre Bernsteingläser und diese Maske. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, beinahe so, als würde sie sich über das Gesehene amüsieren. “Auch ich habe nicht mit derart viel Besuch gerechnet...” Antwortete sie mit ihrer samtig weichen Stimme. “..., denn keiner von euch sollte sich heute Nacht hier aufhalten.” <br>
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“Seid Ihr die Hüterin dieses Orts? Ich dachte eigentlich, die Goblins würden über diesen Ort wachen. Jedenfalls wurde ich gewarnt, mich ohne Einladung von den Felsen auf der anderen Seeseite fernzuhalten.” meinte Khorena immer noch freundlich. “Mir wurde gesagt, dass ich dieses Hei… diesen Ort unbedingt in einer Vollmondnacht besuchen soll, denn dann soll dieser Ort von magischer Schönheit erfüllt sein.” <br>
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Als sie noch so jung war, wie sie noch immer aussah, war sie ein Wildfang gewesen. Ungebunden, Aufbrausend und Herrisch. Inzwischen war sehr viel Zeit vergangen und zahlreiche Erlebnisse hatten sie wichtige Lektionen gelehrt. “Wer immer dir von diesem Ort berichtete, war unwissend. Ein Tor der dich und deine Begleiter an einen Ort entsandte, an dem ihr nichts verloren habt. Oder diese Person wollte dir Leid zufügen.” Die Arme ausbreitend, drehte sich die rothaarige einmal im Kreis. “Dies ist ein Ort der Macht und mit eurer Anwesenheit stört ihr den Lauf der Dinge.” Als sie wieder zum Stillstand kam, blickten ihre unendlich grünen Augen wieder die ungewollten Gäste an. “Auch ich hüte diesen Ort, doch ist er für mich nur einer von vielen.”<br>
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Khorena schüttelte den Kopf. “Nein, das würde sie nie tun. Sie sagte mir, dass dies ein heiliger Ort der Großen Mutter ist, weshalb ich auch hier bin.” Sie blickte auf in den rasch dunkler werdenden Abendhimmel. “Außerdem ist es nun zu spät um wieder zu gehen. Sie hat ausdrücklich davor gewarnt, diesen Ort vor Sonnenaufgang wieder zu verlassen. Also habt I… hast du meinen Vetter und mich für diese Nacht am Hals.” Sie legte den Kopf schief und grinste hinter ihrer Maske. “Dies ist Tsamitrius, ich höre auf Khorena und wie dürfen wir dich nennen?” Die Brillengläser richteten sich nochmals auf die Bäume. “Und dieser Elf gehört wirklich nicht zu dir?”<br>
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“Du darfst mich Aedha nennen...” Sagte die Rothaarige in einem leicht Gönnerhaften Tonfall. “... und was den Elf betrifft, muss ich mich wohl kaum wiederholen.” Den Beiden keine Beachtung schenkend, lief sie anschließend an ihnen vorbei und blickte in den dunkler werdenden Wald. Womöglich suchte sie etwas oder vergewisserte sie sich, dass es nicht noch mehr ungewollte Besucher geben würde? Auch richtete sich ihr Blick zum verblassenden Himmelszelt, bald schon würde unzählige kleine Lichtpunkte die volle Mada umgeben und sich ihre Macht auf dem Dereleib entfalten. In dieser Nacht sollte das Leben, die Fruchtbarkeit und die ekstatische Verbindung geehrt werden, sie konnte nur hoffen, dass ihre Besucher all dies nicht ruinierten. <br>
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Eigentlich hatte Llyilliala keine Lust, sich mit den Menschen auseinanderzusetzen, wenn es denn alles Menschen waren. Diese Aedha hatte etwas Seltsames an sich … wie auch immer, sie beschloss, das Versteckspiel aufzugeben, nachdem diese Khorena ihre Anwesenheit schon dem halben Wald verraten hatte. Flink huschte sie den Baum hinunter und trat auf die Lichtung hinaus.<br>
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Die Menschen sahen eine für eine Elfe mit etwas über 85 Halbfingern recht kleine Gestalt auf sich zukommen, gehüllt in unauffällige Wildlederkleidung in Grün und Braun, einen Köcher samt Bogen über dem Rücken, mit einem Wolfsmesser an der Seite, auf der anderen Seite trug sie eine Umhängetasche. Ihre glatten, schwarzen Haare hatte sie mit mehreren Bändern zu einem lange Zopf gebunden, der ihr bis in die Mitte des Rückens fiel. Ihre leicht schräg gestellten Elfenaugen waren von heller Farbe, die man in der beginnenden Dämmerung nicht genau ausmachen konnte.<br>
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“Seid gegrüßt. Ich bin Llyilliala von Lar’ilayant und nicht euer Feind.”<br>
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Freund und Feind, wählte noch immer ein jedes Individuum für sich selbst. Sie selbst, sah in diesen Fremden weder das eine, noch das andere. Für sie waren diese drei Unbekannten, Fremde die etwas störten von dem sie keine Ahnung hatten. Wenn auch ohne die Zweistimmigkeit, so erwiderte Aedha den Gruß der Elfe in der durchaus wohlklingenden elfischen Grußformel.<br>
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Llyilliala hob leicht eine Augenbraue und legte den Kopf fast unmerklich schief, als lauschte sie einem fernen Ton. Sie sprach das Garethi zwar mit deutlichem Akzent und sehr melodisch, hielt die Zweistimmigkeit aber weitgehend heraus, da das viele Menschen irritierte. Zudem hatte sie absichtlich darauf verzichtet, die elfische Grußformel zu verwenden, da es genügend Menschen gab, die noch nie einen Elfen gesehen, geschweige denn begrüßt hatten und deshalb mit Unverständnis auf einen elfischen Gruß reagierten. Jetzt im Gegenzug auf Isdira begrüßt zu werden, überraschte sie deshalb. Aber sie nahm es darüber hinaus ohne sichtbare Regung zur Kenntnis und musterte zunächst die drei Menschen vor ihr abwartend.<br>
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Khorena kraulte die Wolfshündin, welche sich schützend vor die junge Frau gestellt hatte, hinter den Ohren. Was dem großgewachsenen Tier offensichtlich gefiel. “Schön dich kennenzulernen.” Sie blieb lieber beim Garethi, auch wenn sie dem Isdira in Grundzügen mächtig war. “Darf ich fragen was dich hierher führt?” Insgeheim ärgerte es Khorena ein wenig, dass Tsamitrius sich dermaßen im Hintergrund hielt und ihr die Rolle der Sprecherin ihrer kleinen Gruppe aufzwang. Ihm wäre es leicht gefallen Aedha zu beweisen, dass sie ebenfalls Kinder der Großen Mutter waren. Sie selbst hätte das im Grunde auch machen können, doch dann hätte sie Aedha einen Blick auf ihre Augen gewähren müssen und das war… problematisch. <br>
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“Eine Suche”, antwortete Llyilliala knapp. Sie war nicht der Feind dieser Menschen, das hieß aber noch lange nicht, dass sie ihnen vertraute. “Und euch?” Sie blickte von einem zur anderen, sich durchaus bewusst, dass Aedha nicht zu den anderen gehörte.<br>
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Ganz seiner Art geschuldet, hielt der wortkarge Hexer sich zurück. Vorsichtig ließ er die Erdenkraft in seinem Blick sammeln und richtete diesen dann auf Aedha. War sie wirklich eine Tochter Tsatuaras? Doch blieb der Zauber ihm die Antwort schuldig.<br>
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Tsamitrius nickte kurz und drehte sich zur Elfe und versuchte möglichst unbeeindruckt zu wirken. “Ebenfalls eine Suche.”, war seine knappe Antwort. <br>
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Mehrere Herzschläge lang sah Llyilliala den Mann noch an nach seiner gespiegelten Antwort, dann drehte sie sich zu Aedha. “Und du hast bereits gefunden … ?” Man konnte aus ihrem Tonfall nicht genau heraushören, ob das nun eine Frage oder doch eher eine Feststellung war.<br>
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Ging es nach ihrem Verständnis, so endete eine Suche nicht. Die Jugend verlor lediglich das Interesse, weil es andere Fragen für wichtiger erachtet, vergaß oder dem Irrglauben erlag die Antwort bereits zu kennen. Noch immer die melodische Sprache der Elfen sprechend, richtete Aedha ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Elfe. “Es ist nicht die Suche, welche mich in dieser Nacht hierher zog. Es ist der Wunsch an werden, sein und vergehen teilzuhaben.”  <br>
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Während sie sich mit der Elfe unterhielt, sann die rothaarige Frau zugleich über die beiden anderen Störenfriede nach. Das Mädchen mit ihrer komischen Maske und ihren Bernsteingläsern und dieser Bursche. Sein Versuch, sie zu erkennen, hatte sie verhindert. Zugleich hatte er sich damit als Hexer ihr gegenüber offenbart und dabei waren Hexer ein eher seltener Anblick. <br>
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“Komm Vetter, setzen wir uns einfach da drüben hin und warten auf den Vollmond.” meinte Khorena laut genug um das Gespräch auf Isdira zu übertönen. “Scheinbar sind wir bei diesem Gespräch da nicht erwünscht.”  Damit ließ sich Khorena ein paar Schritt entfernt auf einem umgefallenen Baumstamm nieder, mit dem Rücken zu Aedha. Die junge Frau strich Lupina durchs Fell, während sie das kurze Aufflackern von Zorn erfolgreich niederkämpfte.<br>
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Ohne sich umzudrehen, ließ sich Aedha die Spitze nicht nehmen. “Es ist nicht das Gespräch bei dem ihr unerwünscht seid, es ist der Ort.” Wenn auch diesmal in Garethi gesprochen, verlor ihre Stimme nichts von ihrer Weichheit. “Zur Sommer- oder Wintersonnenwende mag man euch Grünschnäbel willkommen heißen, in dieser Nacht jedoch, ist dem nicht so.”<br>
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“Da ich diesen Ort noch nicht kenne”, erwiderte Llyilliala, die bisher noch kein Wort auf Isdira gesprochen hatte, weiterhin auf Garethi, “und du offensichtlich mehr weißt als die, die du ‘Grünschnäbel’ nennst: erkläre uns doch, was das für ein Ort ist und warum du heute erwünscht bist, andere aber nicht?” Aufgrund des Akzents und des leichten zweistimmigen Unterklangs waren die Emotionen der Elfe nur schwer aus der Stimmlage zu erkennen, wenn denn welche mitschwangen. Auch ihre Mimik schien nichts als milde Neugier auszudrücken.<br>
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“Dies…”, sagte sie und drehte sich ein weiteres Mal im Kreis. “... ist ein Heiligtum der großen Mutter Tsatuara, aber auch der Mutter-Göttin Mailam Rekdai deren Dienerschaft ihnen, wenn das Madamal voll am Himmelszelt steht, treffen abhält und Rituale ausführt. In diesem Mond, sind es die Kinder Mailam Rekdai die sich hier versammeln und sie dulden keine Fremden.” Einzeln blickte sie die ungebetenen Gäste, ebenso wie deren tierischen Begleiter, an. “Einigen Wenigen, zu denen du mich zählen kannst, ist es hingegen gestattet ihrem Ritual beizuwohnen.” Dabei erklärte sie dennoch, noch immer nicht aus welchem Grund ihr dieses Recht zugestanden wurde.<br>
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“Und … was macht diesen Ort zu einem Heiligtum, noch dazu mehrerer … Götter?” fragte Llyilliala weiter. Solange sie schon unter Menschen lebte, hatte sie doch mit der Art, wie diese, und auch andere Spezies wie Orks oder eben auch Goblins, die Kräfte, die sie nicht verstanden, in eine ihnen genehme Form pressten und dann auch noch anbeteten, noch nie etwas anfangen können.<br>
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Ein belustigtes Lächeln umspielte die sinnlichen Lippen Aedhas. “Dies ist kein Heiligtum, wie es die Diener der Zwölfgötter kennen. Es ist ein Ort der Macht! Hier konzentriert sich die Kraft der Natur und ist in Nächten wie dieser besonders stark, sodass die Töchter Tsatuarias und Kinder Mailam Rekdai größere magische Rituale zu wirken vermögen.” Wohlwissend, dass mit diesem Grünschnabel auch ein Sohn ihrer Göttin zugegen war, hatte Aedha die Macht ihrer Töchter betont. <br>
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Da war sie wohl zu einem ungünstigen Zeitpunkt hierher gelangt, dachte Llyilliala bei sich. Einem Zeitpunkt, der allerlei Menschen und Goblins anlockte, viel mehr, als es sonst der Fall war, so dass sie sich nicht ungestört umsehen konnte. Sinnend sah sie zu Khorena und Tsamitrius hinüber, abwartend, ob diese auch noch etwas zu dem Gespräch beizutragen hatten. Offensichtlich war ihnen nicht bewusst, hier unerwünscht zu sein, oder es war ihnen egal - oder ein wichtiger Grund trieb sie hierher.<br>
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Die ihnen den Rücken zukehrende Frau machte keinerlei Anstalten sich in das Gespräch einzubringen, tatsächlich hatte sie sich auch ein gutes Stück von ihnen entfernt und streichelte ihren Wolfshund. Der wortkarge Hexer tat es ihr gleich, auch wenn sich der Kauz, Strinx, weiterhin in den Baumkrone verbarg.<br>
  
 
=== Neuankömmlinge, noch mehr! ===
 
=== Neuankömmlinge, noch mehr! ===

Version vom 8. Mai 2021, 00:42 Uhr

Die Schatten werden länger

Akt 2 der Briefspielgeschichte Schwarz steht der Tann

Im Heiligtum

Fortsetzung nach Ankunft Khorena, Tsamitrius und Llyilliala

´Das wird ja immer besser, das muss der Jahrmarktsplatz des Waldes sein´ ging es Tsamitrius zynisch durch den Kopf. Vorsichtig berührte er die überschwängliche Khorena am Ellenbogen. “Eine Schwester?”, raunte er ihr zu.

“Wer würde sich sonst so tief in den Wäldern aufhalten? Außer entlaufenen Jungfern natürlich.” meinte Khorena leise schmunzelnd. Aber eigentlich war ihr gar nicht zu lachen. Sie hatte gewusst, dass sie in diesen Wäldern Goblins treffen könnte und sich damit abgefunden. Doch dann auch noch Tsamitrius, Elfen und jetzt eine fremde Frau? Das waren zuviele Zufälle. Aber vielleicht lag es auch einfach an dieser besonderen Nacht und der Macht des Ortes. Khorena musterte die fremde Frau und seufzte. “Fragen wir sie, was sie hier macht.” Die Tsatuara-Priesterin tat zwei Schritte auf die Lichtung, verharrte aber dann plötzlich. Schnell zog sie eine dunkle Brille sowie eine Ledermaske hervor und legte beides an. Erst dann sprach sie die Sitzende an. “Die gütige Mutter zum Gruße.” Lupina indes war Khorena nicht von der Seite gewichen und wirkte angespannt.


Noch ein Mensch. Dafür, dass dieses Heiligtum recht abgelegen in den Wäldern lag, war hier ja ganz schön was los, zumal die Frau auf der Lichtung den beiden anderen Menschen nicht bekannt zu sein schien. Und warum maskierte die junge Frau mit dem Wolfshund sich jetzt? Das wurde ja immer seltsamer, sogar für menschliche Verhältnisse. Llyilliala machte es sich auf einem Baum mit dichtem Blattwerk am Rande der Lichtung bequem und beobachtete weiter.

Wer dem Aberglauben des einfachen Volkes Glauben schenkte, dem schrie der Anblick der Frau das Wort HEXE förmlich in den Sinn. Reich war die junge Frau von Rahja mit Schönheit und Weiblichkeit beschenkt worden. In leuchtend roten Locken fiel ihr langes Haar ein gutes Stück über die Schultern. Feenküsschen zierten ihre Wangenknochen und ihre Stupsnase, während smaragdgrüne Augen die beiden Besucher mit offensichtlicher Verwunderung musterten. Augen, deren Anblick ihr jugendliches Aussehen mit einem Schlag in Frage stellten. Nur mühsam nahm der Betrachter das restliche Bild war. Ihr moosgrünes Kleid, dass ihre Weiblichkeit auf verführerische Art trotz seiner scheinbaren Einfachheit unterstrich.

“Ich grüße Euch, an diesem besonderen Ort.” Erklang ihre weiche Stimme. Sie grüßte und hieß nicht willkommen, denn diese Besucher waren ihr nicht willkommen.

Khorena musterte ihr Gegenüber ausgiebig durch die bernsteinfarbenen Gläser ihrer Brille, bevor sie zu einer Antwort ansetzte. “Ich muss gestehen, dass ich nicht damit gerechnet habe, heute Abend hier so viel Gesellschaft zu finden. Sagt, gehört der Elf in den Bäumen zu Euch?” meinte sie im Plauderton. Ihre Mimik wurde von der ledernen Maske mit den feinen goldfarbenen Metallapplikationen vollständig verdeckt.

Die Unbekannte richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Sprecherin. Weder Menschen noch Elfen, sollten an diesem Abend, an diesem Ort weilen. In dieser Nacht, gehörte die Höhle den Kindern Mailam Rekdai, nur wenige Menschen waren ihnen dabei willkommen. Sie selbst gehörte zu einem kleinen Kreis, einem Kreis derer, die die Rotpelze duldeten. Womöglich war dulden in ihrem Fall aber auch das Falsche Wort, Aedha war bereits vor sehr langer Zeit in diese Region gekommen und hatte mehrere Generationen lang um ihre Vorherrschaft gestritten. Die Goblins duldeten sie also nicht, sie fürchteten ihre Macht.

Auf diese Gäste jedoch, würde das nicht zutreffen. Still musterte sie die eigenwillige Erscheinung der Sprecherin, ihre Bernsteingläser und diese Maske. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, beinahe so, als würde sie sich über das Gesehene amüsieren. “Auch ich habe nicht mit derart viel Besuch gerechnet...” Antwortete sie mit ihrer samtig weichen Stimme. “..., denn keiner von euch sollte sich heute Nacht hier aufhalten.”

“Seid Ihr die Hüterin dieses Orts? Ich dachte eigentlich, die Goblins würden über diesen Ort wachen. Jedenfalls wurde ich gewarnt, mich ohne Einladung von den Felsen auf der anderen Seeseite fernzuhalten.” meinte Khorena immer noch freundlich. “Mir wurde gesagt, dass ich dieses Hei… diesen Ort unbedingt in einer Vollmondnacht besuchen soll, denn dann soll dieser Ort von magischer Schönheit erfüllt sein.”

Als sie noch so jung war, wie sie noch immer aussah, war sie ein Wildfang gewesen. Ungebunden, Aufbrausend und Herrisch. Inzwischen war sehr viel Zeit vergangen und zahlreiche Erlebnisse hatten sie wichtige Lektionen gelehrt. “Wer immer dir von diesem Ort berichtete, war unwissend. Ein Tor der dich und deine Begleiter an einen Ort entsandte, an dem ihr nichts verloren habt. Oder diese Person wollte dir Leid zufügen.” Die Arme ausbreitend, drehte sich die rothaarige einmal im Kreis. “Dies ist ein Ort der Macht und mit eurer Anwesenheit stört ihr den Lauf der Dinge.” Als sie wieder zum Stillstand kam, blickten ihre unendlich grünen Augen wieder die ungewollten Gäste an. “Auch ich hüte diesen Ort, doch ist er für mich nur einer von vielen.”

Khorena schüttelte den Kopf. “Nein, das würde sie nie tun. Sie sagte mir, dass dies ein heiliger Ort der Großen Mutter ist, weshalb ich auch hier bin.” Sie blickte auf in den rasch dunkler werdenden Abendhimmel. “Außerdem ist es nun zu spät um wieder zu gehen. Sie hat ausdrücklich davor gewarnt, diesen Ort vor Sonnenaufgang wieder zu verlassen. Also habt I… hast du meinen Vetter und mich für diese Nacht am Hals.” Sie legte den Kopf schief und grinste hinter ihrer Maske. “Dies ist Tsamitrius, ich höre auf Khorena und wie dürfen wir dich nennen?” Die Brillengläser richteten sich nochmals auf die Bäume. “Und dieser Elf gehört wirklich nicht zu dir?”

“Du darfst mich Aedha nennen...” Sagte die Rothaarige in einem leicht Gönnerhaften Tonfall. “... und was den Elf betrifft, muss ich mich wohl kaum wiederholen.” Den Beiden keine Beachtung schenkend, lief sie anschließend an ihnen vorbei und blickte in den dunkler werdenden Wald. Womöglich suchte sie etwas oder vergewisserte sie sich, dass es nicht noch mehr ungewollte Besucher geben würde? Auch richtete sich ihr Blick zum verblassenden Himmelszelt, bald schon würde unzählige kleine Lichtpunkte die volle Mada umgeben und sich ihre Macht auf dem Dereleib entfalten. In dieser Nacht sollte das Leben, die Fruchtbarkeit und die ekstatische Verbindung geehrt werden, sie konnte nur hoffen, dass ihre Besucher all dies nicht ruinierten.

Eigentlich hatte Llyilliala keine Lust, sich mit den Menschen auseinanderzusetzen, wenn es denn alles Menschen waren. Diese Aedha hatte etwas Seltsames an sich … wie auch immer, sie beschloss, das Versteckspiel aufzugeben, nachdem diese Khorena ihre Anwesenheit schon dem halben Wald verraten hatte. Flink huschte sie den Baum hinunter und trat auf die Lichtung hinaus.

Die Menschen sahen eine für eine Elfe mit etwas über 85 Halbfingern recht kleine Gestalt auf sich zukommen, gehüllt in unauffällige Wildlederkleidung in Grün und Braun, einen Köcher samt Bogen über dem Rücken, mit einem Wolfsmesser an der Seite, auf der anderen Seite trug sie eine Umhängetasche. Ihre glatten, schwarzen Haare hatte sie mit mehreren Bändern zu einem lange Zopf gebunden, der ihr bis in die Mitte des Rückens fiel. Ihre leicht schräg gestellten Elfenaugen waren von heller Farbe, die man in der beginnenden Dämmerung nicht genau ausmachen konnte.

“Seid gegrüßt. Ich bin Llyilliala von Lar’ilayant und nicht euer Feind.”

Freund und Feind, wählte noch immer ein jedes Individuum für sich selbst. Sie selbst, sah in diesen Fremden weder das eine, noch das andere. Für sie waren diese drei Unbekannten, Fremde die etwas störten von dem sie keine Ahnung hatten. Wenn auch ohne die Zweistimmigkeit, so erwiderte Aedha den Gruß der Elfe in der durchaus wohlklingenden elfischen Grußformel.

Llyilliala hob leicht eine Augenbraue und legte den Kopf fast unmerklich schief, als lauschte sie einem fernen Ton. Sie sprach das Garethi zwar mit deutlichem Akzent und sehr melodisch, hielt die Zweistimmigkeit aber weitgehend heraus, da das viele Menschen irritierte. Zudem hatte sie absichtlich darauf verzichtet, die elfische Grußformel zu verwenden, da es genügend Menschen gab, die noch nie einen Elfen gesehen, geschweige denn begrüßt hatten und deshalb mit Unverständnis auf einen elfischen Gruß reagierten. Jetzt im Gegenzug auf Isdira begrüßt zu werden, überraschte sie deshalb. Aber sie nahm es darüber hinaus ohne sichtbare Regung zur Kenntnis und musterte zunächst die drei Menschen vor ihr abwartend.

Khorena kraulte die Wolfshündin, welche sich schützend vor die junge Frau gestellt hatte, hinter den Ohren. Was dem großgewachsenen Tier offensichtlich gefiel. “Schön dich kennenzulernen.” Sie blieb lieber beim Garethi, auch wenn sie dem Isdira in Grundzügen mächtig war. “Darf ich fragen was dich hierher führt?” Insgeheim ärgerte es Khorena ein wenig, dass Tsamitrius sich dermaßen im Hintergrund hielt und ihr die Rolle der Sprecherin ihrer kleinen Gruppe aufzwang. Ihm wäre es leicht gefallen Aedha zu beweisen, dass sie ebenfalls Kinder der Großen Mutter waren. Sie selbst hätte das im Grunde auch machen können, doch dann hätte sie Aedha einen Blick auf ihre Augen gewähren müssen und das war… problematisch.

“Eine Suche”, antwortete Llyilliala knapp. Sie war nicht der Feind dieser Menschen, das hieß aber noch lange nicht, dass sie ihnen vertraute. “Und euch?” Sie blickte von einem zur anderen, sich durchaus bewusst, dass Aedha nicht zu den anderen gehörte.

Ganz seiner Art geschuldet, hielt der wortkarge Hexer sich zurück. Vorsichtig ließ er die Erdenkraft in seinem Blick sammeln und richtete diesen dann auf Aedha. War sie wirklich eine Tochter Tsatuaras? Doch blieb der Zauber ihm die Antwort schuldig.

Tsamitrius nickte kurz und drehte sich zur Elfe und versuchte möglichst unbeeindruckt zu wirken. “Ebenfalls eine Suche.”, war seine knappe Antwort.

Mehrere Herzschläge lang sah Llyilliala den Mann noch an nach seiner gespiegelten Antwort, dann drehte sie sich zu Aedha. “Und du hast bereits gefunden … ?” Man konnte aus ihrem Tonfall nicht genau heraushören, ob das nun eine Frage oder doch eher eine Feststellung war.

Ging es nach ihrem Verständnis, so endete eine Suche nicht. Die Jugend verlor lediglich das Interesse, weil es andere Fragen für wichtiger erachtet, vergaß oder dem Irrglauben erlag die Antwort bereits zu kennen. Noch immer die melodische Sprache der Elfen sprechend, richtete Aedha ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Elfe. “Es ist nicht die Suche, welche mich in dieser Nacht hierher zog. Es ist der Wunsch an werden, sein und vergehen teilzuhaben.”

Während sie sich mit der Elfe unterhielt, sann die rothaarige Frau zugleich über die beiden anderen Störenfriede nach. Das Mädchen mit ihrer komischen Maske und ihren Bernsteingläsern und dieser Bursche. Sein Versuch, sie zu erkennen, hatte sie verhindert. Zugleich hatte er sich damit als Hexer ihr gegenüber offenbart und dabei waren Hexer ein eher seltener Anblick.

“Komm Vetter, setzen wir uns einfach da drüben hin und warten auf den Vollmond.” meinte Khorena laut genug um das Gespräch auf Isdira zu übertönen. “Scheinbar sind wir bei diesem Gespräch da nicht erwünscht.” Damit ließ sich Khorena ein paar Schritt entfernt auf einem umgefallenen Baumstamm nieder, mit dem Rücken zu Aedha. Die junge Frau strich Lupina durchs Fell, während sie das kurze Aufflackern von Zorn erfolgreich niederkämpfte.

Ohne sich umzudrehen, ließ sich Aedha die Spitze nicht nehmen. “Es ist nicht das Gespräch bei dem ihr unerwünscht seid, es ist der Ort.” Wenn auch diesmal in Garethi gesprochen, verlor ihre Stimme nichts von ihrer Weichheit. “Zur Sommer- oder Wintersonnenwende mag man euch Grünschnäbel willkommen heißen, in dieser Nacht jedoch, ist dem nicht so.”

“Da ich diesen Ort noch nicht kenne”, erwiderte Llyilliala, die bisher noch kein Wort auf Isdira gesprochen hatte, weiterhin auf Garethi, “und du offensichtlich mehr weißt als die, die du ‘Grünschnäbel’ nennst: erkläre uns doch, was das für ein Ort ist und warum du heute erwünscht bist, andere aber nicht?” Aufgrund des Akzents und des leichten zweistimmigen Unterklangs waren die Emotionen der Elfe nur schwer aus der Stimmlage zu erkennen, wenn denn welche mitschwangen. Auch ihre Mimik schien nichts als milde Neugier auszudrücken.

“Dies…”, sagte sie und drehte sich ein weiteres Mal im Kreis. “... ist ein Heiligtum der großen Mutter Tsatuara, aber auch der Mutter-Göttin Mailam Rekdai deren Dienerschaft ihnen, wenn das Madamal voll am Himmelszelt steht, treffen abhält und Rituale ausführt. In diesem Mond, sind es die Kinder Mailam Rekdai die sich hier versammeln und sie dulden keine Fremden.” Einzeln blickte sie die ungebetenen Gäste, ebenso wie deren tierischen Begleiter, an. “Einigen Wenigen, zu denen du mich zählen kannst, ist es hingegen gestattet ihrem Ritual beizuwohnen.” Dabei erklärte sie dennoch, noch immer nicht aus welchem Grund ihr dieses Recht zugestanden wurde.

“Und … was macht diesen Ort zu einem Heiligtum, noch dazu mehrerer … Götter?” fragte Llyilliala weiter. Solange sie schon unter Menschen lebte, hatte sie doch mit der Art, wie diese, und auch andere Spezies wie Orks oder eben auch Goblins, die Kräfte, die sie nicht verstanden, in eine ihnen genehme Form pressten und dann auch noch anbeteten, noch nie etwas anfangen können.

Ein belustigtes Lächeln umspielte die sinnlichen Lippen Aedhas. “Dies ist kein Heiligtum, wie es die Diener der Zwölfgötter kennen. Es ist ein Ort der Macht! Hier konzentriert sich die Kraft der Natur und ist in Nächten wie dieser besonders stark, sodass die Töchter Tsatuarias und Kinder Mailam Rekdai größere magische Rituale zu wirken vermögen.” Wohlwissend, dass mit diesem Grünschnabel auch ein Sohn ihrer Göttin zugegen war, hatte Aedha die Macht ihrer Töchter betont.

Da war sie wohl zu einem ungünstigen Zeitpunkt hierher gelangt, dachte Llyilliala bei sich. Einem Zeitpunkt, der allerlei Menschen und Goblins anlockte, viel mehr, als es sonst der Fall war, so dass sie sich nicht ungestört umsehen konnte. Sinnend sah sie zu Khorena und Tsamitrius hinüber, abwartend, ob diese auch noch etwas zu dem Gespräch beizutragen hatten. Offensichtlich war ihnen nicht bewusst, hier unerwünscht zu sein, oder es war ihnen egal - oder ein wichtiger Grund trieb sie hierher.

Die ihnen den Rücken zukehrende Frau machte keinerlei Anstalten sich in das Gespräch einzubringen, tatsächlich hatte sie sich auch ein gutes Stück von ihnen entfernt und streichelte ihren Wolfshund. Der wortkarge Hexer tat es ihr gleich, auch wenn sich der Kauz, Strinx, weiterhin in den Baumkrone verbarg.

Neuankömmlinge, noch mehr!


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