Leg deine Hand in meine und lass uns ewig sein

Die Gegensätze vereinigen sich und die Welt wurde erhellt durch ein goldenes Licht. Durch mich geboren bleibt, wer schon immer war.

Leben und Tod nur Traum

Ich wurde geboren, als das All entstand. Und ich halte alle Welten immer noch in der Hand. Ich habe Macht über jede Form von Leben. Ich kann dir alles nehmen oder alles geben. Meine Worte können töten, meine Blicke verletzen. Doch ich habe mich entschieden, diese Waffen niemals einzusetzen. Meine Lektionen können heilsam sein lässt du dich drauf ein.

Denn ich halte das wundersame Gleichgewicht aller Welten und aller Sterne im Raum. Durch mich wird dein Licht in die Ewigkeit treten und Leben und Tod nur Traum.

Ich bin bei dir – die ganze Zeit. Ich verzeih dir nicht, tut es dir selbst nicht leid. Ich beobachte dich mit jedem Schritt, den du tust, nehme dich mit, wenn du mich rufst.

Ich erschuf eine Welt, die jetzt fast vernichtet ist. Ich trank vom Wasser des Lebens, das für dich vergiftet ist. Eure Blockaden durchbreche ich mit reiner Energie, die jeden Widerstand bricht und Harmonie. In der Gesamtheit der Dinge schafft eben diese Kraft Trost für dich. Und vielleicht tröstet es dich, denn ich erlöse dich. Die meisten weinen am Ende, denn sie erkennen ihre Größe nicht. Feind deiner selbst – du bist kein Gegner für mich.

Ich sehe deine Lebenslügen, sehe, wie du dich betrügst, auf der Suche nach Vergnügen, weil du dir nicht mehr genügst. Doch du verschwendest dein Leben jeden Tag, jede Stunde aufs Neue. Was euch Menschen an Liebe fehlt, das gebt ihr euren Göttern. Doch diese Welt steht am Rand und endet hier das Leben, dann vergib dir die Schuld und ich werde dir vergeben. Doch wenn du voller Schmutz und mit dir selbst nicht einig bist, wirst du durch meine Flammen gehen, bis du gereinigt bist.

Leg deine Hand in meine und lass uns ewig sein

(aus: Die Geschichte der Kinder Mirils)

Außerhalb von Zeit und Raum

„Leg deine Hand in meine und lass uns ewig sein.“ Das waren die letzten Worte, die Grynematz zu Thargonitoth sprach, bevor beide entrückt wurden. Die beiden waren nicht in der siebten Sphäre gelandet, wie die anderen die rund um den Hexenmeister von Angbar an dem Beschwörungsritual mitgewirkt hatten. Aber ob der Ort hier besser war? Das wollte Thargunitoth noch nicht mit Überzeugung beantworten.

Was hatte den Schelm getrieben? Warum hatte er so schreckliches Unheil über die Menschen gebracht? Schelme waren doch von Tsa gesegnet und von Kobolden erzogen keine üblen Zeitgenossen, die anderen Böses wollten. Grynematz gehörte zu den seltenen `Schwarzschelmen´. Das waren Schelme, denen die Fähigkeit, jeder Situation mit unerschütterlichem Optimismus zu begegnen, verloren gegangen war. Sie gingen langsam am Sarkasmus zu Grunde. Ein berühmter zeitgenössischer Schwarzschelm, der viele Ähnlichkeiten mit Grynematz hatte, war Torxes von Freigeist, der Ewige Wanderer, der Herold des Dämonenmeisters.

Aber was hatte Grynematz zu einem Schwarzschelm werden lassen? Er war doch behütet aufgewachsen in der `Aal Bosch´ in der Baronie Eisenstein bei dem friedlichen und liebevollen Kobold Luch Halbschuh.

Mit siebzehn Jahren war Grynematz dem Magier Thargunitoth zum ersten Mal begegnet. Er hatte ihn so verärgert, dass der Magier ihn in den Limbus schleudern wollte. Doch das misslang, weil der Frevel des Liscom von Fasar die Beschaffenheit der Zeit bis zu diesem Tag so sehr geschädigt hatte, dass es zu einem Unfall kam. Das war `Satinavs Rache´. Kein Zufall. Es ereignete sich bewusst. Grynematz wurde in die Zeit zurückgeworfen. Jeder Tag an dem er erwachte, war der Tag vor dem vorigen Tag – vorgestern. Ein schrecklicher Fluch. Außerdem war sein Schicksal mit dem des Magiers Thargunitoth eng verknüpft und er lebte fortan stets in seiner Gegenwart. Nur kam er ihm quasi entgegen, während der Magier `ganz normal´ in die Zukunft schritt.

Der Magier und der Schelm waren an diesen Ort gebunden, wie der Jhrarhra-Zauberer Ssad´Navv selbst einst von Kha an das Schiff der Zeit.

Dieser Fluch und der Einfluss und die Einwirkung des Magiers auf ihn ließ Grynematz von Jahr zu Jahr, von Jahrhundert zu Jahrhundert verbitterter werden. Dabei wurde er mit über die Jahre immer mächtiger. Er alterte zwar nicht – zumindest im Vergleich zur Welt außerhalb, weil die Wirkung der Zeit an diesem Ort eine andere war, denn der Ort lag nahe an Globulen deren Zeit anders verlief – er nahm aber an Wissen und Macht zu. Sein Schicksalsgenosse jedoch war an jedem Tag, an dem Grynematz dem Magier erneut begegnete, immer einen Tag jünger und darum auch weniger wissend und mächtig. Bald war es der Schelm, der dem Magier weit überlegen war. In ihm wuchs der Plan, dass er sich an Thargunitoth rächen wollte, den er für dieses üble Schicksal verantwortlich machte. Grynematz ging einen Pakt mit Asfaloth ein.

Dann schien seine Stunde gekommen. Der Krieg der Magier tobte in Aventurien. Der Hexenmeister von Angbar bereitete auf dem Eisenstein ein großes Beschwörungsritual vor, um die Zwerge zu vernichten. Thargunitoth war sein Gehilfe. Grynematz griff ein und störte das Ritual chaotisch. Alle Beteiligten wurden in die Niederhöllen gerissen. Nur Grynematz und Thargunitoth nicht.

Die beiden waren an einem seltsamen Ort. Der Magier war hier gebunden und Grynematz auf gewisse Weise mit ihm. Im Gegensatz zu seinem Schicksalsgenossen konnte Grynematz diesen Ort verlassen, wachte aber am nächsten Morgen, der am Tag vorgestern war, wieder beim Magier auf. Seine Hand in die des Magiers gefügt.

Im Laufe der Zeit verstand der Magier es, diese Situation zu nutzen. Es war zwar ein wenig verwirrend, denn aus des Magiers Perspektive wusste der Schelm am Folgetag nicht mehr, was ihm der Magier am Tag zuvor gesagt hatte. Dafür wusste der Schelm erstaunlich viel über die Zukunft und über das, was der Magier in der kommenden Zeit von ihm verlangen würde. Diese Umstände waren für den Magier irritierend und nicht immer leicht einzuordnen. Aber im Laufe der Jahre schaffte er es, sich diese Umstände zu Nutzen zu machen.

Thargunitoth fand heraus, dass auch er nicht ewig und dauerhaft an diesen Ort gebunden war. Es gab Sternenkonstellationen und Umstände, die es ihm erlaubten, diesen Ort zu verlassen. Das hatte etwas mit dem Sternbild des Uthars zu tun: Drei Sterne und in ihrer Mitte ein Pulsar. Der Magier ahnte nicht, dass ganz in der Nähe Trolle am Ende des vierten Zeitalters dieses Sternenbild auf dem Weißenstein im heutigen Rittergut Breewald abgebildet hatten, dort wo heute die `Scheuburg´ steht.

Allerdings war der Magier dabei auf Unterstützung von außen angewiesen. So versuchte Thargunitoth sich mit Hilfe des Schelms Verbündete in der Welt dort draußen zu verschaffen. Das gelang ihm auch immer wieder. Und immer wieder gelang es tapferen und mutigen Streitern von draußen, dem Magier diese Möglichkeiten wieder einzuschränken. Es war ein ständiges Ringen.

Aber was war das für ein Ort, an dem der Magier und der Schelm gebunden waren? Der Magier fand im Laufe der Zeit heraus, dass hier verschiedene uralte mächtige Trollzauber wirkten. Es war der Eingang eine Trollpfades, dass wusste Thargunitoth mittlerweile. Doch wie war dieser Trollpfad beschaffen? Es war kein Zugang in den Limbus und dennoch konnte man von hier aus an andere Orte reisen. Leider war der Magier hier an den Eingang gebunden, so dass er nicht auf diesem Pfad zu reisen vermochte. Doch es musste ein bedeutender Trollpfad sein. Die Echos und Signale die der Magier empfing, deuteten auf sehr außergewöhnliche und bedeutende Orte hin, die am anderen Ende des Pfades lagen. Er ahnte etwas von Tharun und Thalami Sora, sogar von den Niederhöllen und gar von Alveran.

Die Verbindung zu den Niederhöllen war es im Übrigen, die den Fehlschlag der großen Beschwörung des Hexenmeisters von Angbar noch intensiver herbeigeführt hat, als das Eingreifen des mit Asfaloth paktierenden Schelms. Wenn der Hexenmeister von dem Trollpfad und dieser Verbindung gewusst hätte, so wäre er vielleicht auf den Gedanken gekommen, dass es keine gute Idee ist, an einem solchen Ort eine große Beschwörung vorzunehmen.

Ein zweiter mächtiger Trollzauber war eine mächtige trollische Verhehlung. Mithilfe dieses Zaubers wurde dieser Ort vor der Außenwelt verborgen. Da draußen war inzwischen an der Stelle, wo der Meteorit eingeschlagen war, ein karger und lebensfeindlicher Ort entstanden, den die Menschen `die Öde´ nannten. Doch der Zugang zum Trollpfad blieb ihnen verborgen.

Dem Magier gelang es jedoch, von Zeit zu Zeit den Verhelungszauber zu durchbrechen. Er fand die Reste einer Art Trollburg in diesem Eingangsbereicht des Trollpfades. Dieses Gemäuer bezog er als Wohnstatt. Durch das Wirken des Magiers wurde das Gemäuer immer mal wieder für die Außenwelt sichtbar. Es wirkte aber wie eine Illusion oder eine Fata Morgana mitten in der Öde. Die Menschen, die mittlerweile um die Existenz des Magiers und des Schelms wussten, begannen dieses Gemäuer, das sie verschiedentlich bei ihren Reisen durch die Öde sahen, bald `Tunich-Guhds Turm´ oder `Tunich-Guhds Schloss´ zu nennen. Den Namen `Tunich-Guhd´ hatten die Menschen dem Magier gegeben, nachdem er sich ihnen mit seinem Magiernamen Thargunitoth offenbart hatte. Klugerweise vermieden es die Menschen, den Namen einer Erzdämonin auszusprechen und fanden stattdessen den Namen `Tunich-Guhd´ passend.

Es war kein Zufall, dass der Magier und der Schelm an diesen Ort gebunden wurden. Sie waren Opfer von `Satinavs Rache´. Der Wächter der Zeit hatte erkannt, dass von diesem Ort der Ausgang des Karmakorthäons abhängen konnte. Es war der Zugang zum Durchbruch und zur Verbindung zwischen den Sphären. Neben Satinav hatten auch alle anderen streitenden Entitäten ein Interesse, diesen Ort zu kontrollieren: die Zwölfgötter, der Namenlose, die Erzdämonen... Und alle spielten ihr Spielchen. Der Magier und der Schelm waren zu ihrem Spielball geworden.