Zu Asche zu Staub

So hat jeder seine Geschichte. Es manifestiert sich die Angst eines jeden...

Auf dem Planeten des ewigen Regens

Ich habe oft von den Hügeln auf die Stadt gesehn ohne meinen Blick zu zügeln und mich satt zu sehn. Doch es war abzusehen – das Paradies endet hier und selbst das Leben sagte jedem: Mensch kapier es oder krepier.

Doch ihr wart tadellos tatenlos und dadurch gnadenlos, gabt der Welt die am Rande stand den Gnadenstoß. Jetzt heißt es jeder gegen jeden, da hilft kein Reden mehr. Ich würd vom Frieden singen, wenn das nicht vergeben wäre.

All meine Reden waren ein Hilferuf an eure Menschlichkeit, an das Bewusstsein in bewusstloser Zeit. Was bist du wert „Mensch“? Wie du dich selbst nennst, wenn du dich selbst nicht erkennst, in dieser Zeit der Unmenschlichkeit, kurz vor der Unendlichkeit eines jeden Lebens, auf dem Planeten des ewigen Regens.

Die Geschichte unseres Lebens – eines jeden Lebens – die Lebensgeschichte eines jeden – auf dem Planeten des ewigen Regens. Es scheint als hallten Schreie durch verlorene Gassen. Diese Stadt ist von den Göttern verlassen. Es ist nicht gut um uns bestellt und den meisten geht es schlecht und alle reden vom Ende der Welt und sie haben Recht. Dies ist das Ende der Poesie und jeder Menschlichkeit. Der Tod der Harmonie macht euch zu Krüppeln dieser Zeit. Es werden Meinungen zu Mörderminen, jeder Mensch zu Armbrustbolzen und andern zu helfen wird Hochverrat.

Die Fronten klaffen wie Wunden. Ihr verletzt Euresgleichen. Eure Meinungen sind Lauffeuer und gehen über Leichen. Dieser Rufmord an jedem führt uns und den Planeten in ein Leben mit ewigem Regen.


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Zu Asche zu Staub

(aus: Die Geschichte der Kinder Mirils und Der gefallene Stern)

1128 BF

Dicke, schwere, dunkle, ölige Regentropfen prasselten auf den blutgetränkten Schlamm zwischen den Trümmern und den Ruinen der Stadt hernieder. Der Himmel war von dunklen Wolken verhangen die dräuten, am Horizont stach ein blutrotes Schimmern hindurch, wenige Sonnenstrahlen reflektierten sich auf dem Staub und der Asche in der Luft. Wer durch diese Trümmerwüste wandelte, dem wurde das Atmen schnell schwer. Rußpartikel und Funken flogen durch die Luft, ab und an waren Glutnester zwischen den Resten der Häuser zu erkennen. Ein fauliger, schwefliger Geruch nach Tod stach in die Nase.

„Hohohohoooo...“ – Ein schrilles Lachen durchbrach die unheimliche Stille. Wer stört da meine Kreise? Irritiert war der Magier auch, dass hier überhaupt noch jemand lebte.

Thargunitoth stand auf der Anhöhe und blickte über die Trümmer der Stadt. Zehntausende hatten hier am Ende des alten Zeitalters ihr Leben eingebüßt. Auferstanden aus den Ruinen war nun das neue Zeitalter. Mit der Spezies, die nun dominierte, hatte der Magier ein Bündnis geschlossen. Er hatte ohne Zweifel die Fülle seiner Macht erlangt. Er war auf dem Höhepunkt seines Seins und Schaffens. Dieses Zeitalter war seines. Die neuen Götter waren ihm hold.

Geschickt hatte der Magier seine Möglichkeiten eingesetzt. Er der im Zentrum der `Öde´ über den Zugang zu jenem machtvollen Ort wachte, konnte maßgeblich den Ausgang des Karmakorthäons mitbestimmen. Die streitenden Völker, die verschiedenen Parteiungen – und sogar die Götter und Erzdämonen – waren von seiner Zuwendung abhängig. Er war das entscheidende Zünglein an der Wage. Nur wer sich mit ihm verbündete hatte im neuen Zeitalter eine reale Chance. Er war wohl nunmehr selbst gottgleich. Oder glich er doch eher einem Erzdämon? Thargunitoth.

Doch was war das für ein Wicht, der kichernd hinter den Resten dieses Turmes hervorkroch? Das schrille, gellende Lachen drang tief in des Magiers Ohr. Es stach wie eine Nadel in das Gedankenspiel des selbstverliebten und mächtigen neuen Herrn der Welt. Was war das für eine Kreatur, die all das Geschehene überlebt hatte? Wie konnte dieses Wesen so dumm sein und statt sich zu verstecken auf so penetrante Weise auf sich aufmerksam machen? Wollte es denn nicht weiterleben? Musste es provozieren, dass Thargunitoth es hinwegfegte wie eine Fliege die nervend umher surrend die Andacht der wahrhaft Großen störte?

Was war das für ein Anblick? Dieses Etwas schälte sich hinter der Ruine heraus. Auf der rechten Hälfte seines Schädel trug das befremdende Wesen eine eng auf der Kopfhaut anliegende Kappe, scharlachrot, aus einem Material wie menschliche Haut, die zulange der Sonne ausgesetzt war. Es waren sogar an einzelnen Stellen auf der Kappe Brandblasen und Pusteln zu erkennen. Die andere Kopfhälfte war nicht bedeckt. Dort wuchsen lange Haare zu dicken Zöpfen gepflochten. Ein jeder Zopf war in einer anderen Farbe eingefärbt: grün, blau, gelb, rot, orange, violett,... Mitten im Gesicht stach eine überdimensionale krumme Hakennase hervor. Die beiden Augen rollten immer wieder und wechselten von einem Schielen auf die Nase dann wieder zu dem diametralen gleichsam nach rechts und links weg Blicken. Der Mund war mit roter Farbe zu einem breitem Grinsen geschminkt. Die Lippen schienen von einem Ohr zum anderen zu reichen. Das linke Ohr sah aus wie ein Schweineöhrchen und das andere wie das eines Elfen, am Ohrläppchen einen großen Klunker als Ohrring baumelnd. Ein langer Ziegenbart wuchs von seinem Kinn hinunter bis auf die Erde. Insgesamt hatte er die Proportionen eines recht dürren Menschen, sehr wahrscheinlich gehörte er dieser Spezies an. Er war gekleidet in eine Persiflage einer bosperanischen Legionärs-Rüstung: über eine Tunika aus rosa gefärbtem Löwenmähnenhaar trug er eine Lorica , die aus Ork-Nasenringen aus Bein zusammen gefügt war. Die Lorica hatte in der Mitte ein großes herzförmiges Loch unter dem die rosa Tunika besonders leuchtend hervorzustechen schien. Um den Hals trug er ein regenbogenfarbenes Halstuch, das zu einer Schleife gebunden war. Die Lorica war im Bereich des Gemächts ebenfalls großzügig ausgeschnitten. Als übertrieben großes Suspensorium trug er dort einen Stierschädel mit zwei Hörnern. Die Beine unter der Tunika waren nackt. Das rechte Bein war auffallend behaart, die Haare in den verschiedenen Farben gefärbt, die auch die Zöpfe des Haupthaares trugen. Das andere Bein war glattrasiert, trug nur an verschiedenen Stellen die frischen Narben von Rasiermesser-Wunden, die offensichtlich absichtlich zugefügt wurden, weil sie sehr gleichmäßig waren. An dem einen Fuß trug er die Ledersandale eines Bosperanischen Legionärs, allerdings mit einer 10 Finger hohen Plateausohle darunter, was den eh schon langen und schlaksigen Körper noch einmal ein gutes Stück verlängerte. Der andere Fuß steckte in einer Wassermelone, die Zehen guckten vorne aus der Melone heraus.

„Wat pisst tuu tenn?“, fragte er, jedes Wort künstlich betonend, die fragenden Blicke seines Gegenübers spiegelnd. Das chaotische Wesen legte dabei seinen Kopf schief und grinste. Das breite Grinsen legte seine Zähne frei und es fiel auf, dass exakt jeder zweite Zahn fehlte.

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Der Magier funkelte ihn mit wütenden Augen an. Thargunitoth hatte ein einschüchterndes Erscheinungsbild. Sein Haupt war kahlrasiert und vernarbt. Schwarze Augenbrauen dräuten über seinen dunklen Augen, deren Iris tiefschwarz waren. So musste er nicht viel hinzutun, um finster dreinzublicken. Sein Kinn zierte ein sauber rasierter und frisierter etwa fünf Finger langer Rohalsbart. Gekleidet war er in einen weiten, schwarzen, ledernden Mantel, der nicht verriet, was er darunter trug und auch seine Arme und Beine verbarg. Der Mantel ging bis kurz über den Boden, so dass nur ab und an die Spitzen seiner ebenfalls schwarzen, ledernden Stiefel hervorlugten.

Sein Name? Ja, das war so eine Sache. Sein Lehrmeister Zulipan von Punin gab ihm diesen Namen. Das ist nun fast 550 Jahre her. Vielleicht war es seine besondere Art von Humor. Als junger Magier hatte sein Zögling auf sich aufmerksam gemacht, weil er die Chimärologie mit der Nekromantie auf unheilvolle Weise verbunden hatte. Wesen, die bei den Experimenten seines Lehrmeisters verstorben waren, hatte er zum Leben erweckt und andere tote Wesen hatte er zu Chimären gewandelt. Darum gab ihm Zulipan den Namen Thargunitoth. Kein glücklicher Name. Einerseits wirkte er immer ein wenig lächerlich. Andererseits stand der Name bei Dämonenbeschwörungen stets im Wege. Das untergangenen Menschen verballhornten den Namen und nannten den Magier `Tunich-Guhd´ – was schon gut war, wenn man nicht ständig den Namen eine Erzdämons ausrufen wollte. Aber unter dem Namen `Tunich-Guhd´ erwarb der Magier in den Nordmarken im Laufe der Jahrhunderte einen finsteren Ruf. Zurecht.

„Wat kuckuckst tuu zoo böze?“ Jetzt legte es seinen Kopf zur anderen Seite und schaute traurig und mitleidig. „Hastuu tenn kinn Spazz?“

Thargunitoth war mittlerweile schon ziemlich genervt durch das unerwartete Gegenüber. Das hier überhaupt noch etwas lebt. Und dann sowas. Eine Karikatur der Schöpfung. Der Magier sagte nur verächtlich: „Du Wurm!“

„Hihii!“ Ein schrilles Kichern gellte in einem unangenehm hohen Ton durch die Luft. Der Magier spürte etwas auf seiner Haut. Instinktiv hob er einen seiner Arme unter dem langen Mantel hervor und wischte sich mit der schwarz behandschuhten Hand über das Gesicht, strich etwas heraus, hatte dieses nun an auf dem Handschuh und beäugte es ungläubig: ein Wurm?

Thargunitoth war irritiert. Er versuchte aber, sich seine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. Konnte es sein? Hatte dieses unmögliche Wesen seine mächtigen Abwehrzauber durchdrungen? Es durfte einfach auf Dere niemanden mehr geben, der so etwas vermochte...

„Neeeheee!“ Das unmögliche Wesen schüttelte wild den Kopf. „Du! Wurm. ... Offensichtlich.“

„Wer bist du?! ... Dass du es wagst! ...“ Die Empörung des Magiers wuchs.

„Ischspinn Grynematz. Teer Köönich teer Narren. Unn tuu?“

„Geh mir aus den Augen! Scher dich hinfort!“ Die Geduld des Magiers war an ihrem Ende.

Unvermittelt hatte Grynematz plötzlich eine Schafschere in der Hand wie sie die Hirten zu Schur ihrer Herde nutzen. „Tann kumm heer tuu Schaaaaf!“ Erneut grinste Grünematz breit und zeigte seine Zahnlücken. Dabei riss er seine Augen weit auf, vielleicht um anzuzeigen, dass er bereit sei, die Schafe zu scheren.

Thargunitoth hingegen spürte etwas Seltsames auf seinem kahlen Schädel. Er griff erneut mit der Hand danach, doch dieses Mal ließ es sich nicht wegwischen. Durch die behandschuhte Hand konnte er nicht fühlen, was es war. Aber er spürte auf seiner Kopfhaut, dass es damit verwachsen war. Und es kratzte. Es war dem Magier eine Locke gewachsen: Schafswolle.

Nun hatte dieses unmögliche Wesen ein zweites Mal den mächtigen Schutzzauber durchdrungen. Wie machte es das? Der Magier ärgerte sich sehr. Er war der mächtigste Zauberkundige seiner Zeit und so ein dahergelaufenes Etwas überwand offensichtlich spielend seine Schutzmaßnahmen. Das war gefährlich. Vernichtung! Er musste dieses unmögliche Wesen vom Antlitz der Welt tilgen! Ignisphaero. Thargunitoth streckte die Hand, mit der er gerade noch seinen Schädel betastet hatte, in einer raschen, schleudernden Bewegung in die Richtung seines Gegenübers aus. Eine kleine Feuerkugel verließ seine Hand und flog wie ein geworfener Ball aber auf gerader Linie in die Richtung, wo das Grynematz stand. In einem mächtigen Feuerball explodierte die Kugel dort und die Flammen breiteten sich von dort mit großer Wucht in einem beeindruckenden Durchmesser aus. Der Magier bekam von diesem Feuer und von der Druckwelle nichts ab, weil ein unsichtbarer Schirm ihn schützte.

„Boaaah! Kaanz zöön heiz.“, klang eine schrille Stimme hinter dem Rücken des Magiers. Thargunitoth fuhr herum. Da stand Grynematz unversehrt. Er hatte sich im letzten Moment hinweg teleportiert. Der Magier funkelte ihn zornig an. Da teleportiert sich der Schelm erneut. „Hiieer pinn isch!“ Der Magier dreht sich in die Richtung, aus dem die schrille Stimme kam. „Neeein hieer!“ Das kam von einer anderen Seite. Grynematz schien es zu gefallen, sich wild hin und her zu teleportieren.

Schluss jetzt! Das muss aufhören! Der Magier war fest entschlossen all dem nun ein Ende zu setzten. Wenn ein Feuerball das unmögliche Wesen nicht tilgen konnte, dann mussten jetzt mächtigere Maßnahmen eingesetzt werden. Leise murmelte Thargunitoth in einer fremden Sprache eine Beschwörung. „Fahr in die Niederhöllen!“, rief der Magier zornig. Es öffnete sich ein Strudel aus dem Limbus. Schimmernden Blau- und Violett-Tönen drehten sich wie ein Mahlstrom in der Luft, so groß wie ein dreimastiges Schiff. Mit einem heftigen Windstoß wurde die Luft mächtig angesogen. Was nicht niet- und nagelfest war, machte sich auf den Weg in das Zentrum des Strudels. Grynematz versuchte sich irgendwo festzuhalten, was ihm aber nicht gelang, er wurde gnadenlos in den Strudel hineingezogen. Dabei stand der Magier fast unberührt fest wie ein Fels an seinem Ort. Ein mächtiger Schutzzauber bewahrte ihn vor der Wirkung der Beschwörung. Nun ist diesem unmöglichen Wesen das Lachen vergangen, dachte Thargunitoth.

Doch was war das? Als der Strudel erschien, der den Schelm in die Niederhöllen reißen sollte, erbebte die Erde ringsherum. Und das Beben wurde heftiger. Alles ringsherum flackerte wie eine Kerze im Wind. Das Szenario, dass die beiden gerade erlebten, schien sich in kurzen Abschnitten mehrfach zu wiederholen.

Damit hatte Thargunitoth nicht gerechnet. Das war eine ungewollte Nebenwirkung der Temporalkriege des Karmakorthäons. Kriegsparteien hatten den Zeitfrevel des Liscom von Fasar für ihre Zwecke genutzt und die Zeit fortschreitend manipuliert. Doch ihnen waren diese Experimente entglitten und es hatte ihnen nicht zum Sieg verholfen. Doch die Folgen machten verschiedentlich Beschwörungen unberechenbar. Thargunitoth spürte, wie er mit in den Temporalen Bruch hinein verwickelt wurde. Es kostete ihn viel Kraft. Zu seinem Erstaunen war er nicht im Stande, sich aus dem Dilemma zu retten. Das war Satinavs Rache. So wurden beide – Thargunitoth und Grynematz – gleichsam aus der Zeit getilgt...


Autor: Innozenz m.c.