Vindobona - die Kaserne

Kapitel 4: Vindabona - die Kaserne

Kühle umfasste sie und helle Wände aus glattem Stein formten sich um Cupida herum. Feine Reliefs folgten und ein langer Gang wurde von Feuerschalen erhellt. Die Stimme Tannenfels’ hallte nach. “Habt Dank, Vindonissa. Der Praefect wird äußerst zufrieden sein, dass Ihr mein Anliegen unterstützt. Dort lang sagtet Ihr und die Treppe hinunter?” Der Halbelf stand vor einer gerüsteten Wachsoldatin. Diese nickte nur freundlich und deutete den Gang hinunter - genau in die Richtung, wo Cupida stand. Dann kam er auf sie zu und zwinkerte mit seinem rechten Auge. “Folgt mir, Gartenmeisterin. Wir müssen die Treppe hinunter.” Cupida dröhnte der Kopf. Alles schien ihr so unwirklich, aber im nächsten Moment fühlte es sich ausgeschlossen an, dass es bloß ein Traum war. Sie nickte dem Botschafter zu und folgte ihm die Treppe hinunter. Nach einigen Momenten des Weges, formulierte sie eine Frage, die ihr nun auf der Zunge brannte: “Wie kommen wir denn hier wieder raus?”, flüsterte sie. “Ich denke nicht, dass sie uns mit meiner Schwester hier hinaus spazieren lassen.”

Aufmunternd schaute er Cupida an. “Das weiß ich auch … noch nicht. Rede doch erstmal mit ihr, oder?” Doch bevor sie etwas sagen konnten, kamen sie an einem Durchgang an, der vergittert war. Wieder stand eine Wachfrau davor. Genau wie die anderen, trug sie einen Lederharnisch, einen eisernen Helm mit Federn, sowie einen roten Rock und Sandalen, die ihr bis zu den Knien gebunden waren. In ihrer rechten Hand hielt sie einen langen Speer. “Aves, Ratisbona! Wie schön, Euch wiederzusehen. Der Praefectus gab mir die Erlaubnis, die menschlichen Aufrührer zu besuchen. Vielleicht kann ich etwas erfahren.” Die Wachfrau straffte sich. “Heil, Jel-Horas! Ich grüße Euch, Botschafter des Albenkönigs.” Ihr Blick wanderte zu Cupida. “Die Gartenmeisterin wird mich unterstützen. Vielleicht kann sie zu ihrer Schwester vordringen”, erklärte Tannenfels schnell. Anscheinend gab die Wachfrau Ratisbona sich mit der Antwort zufrieden. “Nun gut.” Sie machte einen Schritt zur Seite und öffnete die Gittertür. Cupida versuchte nicht zu nahe an der Gardistin vorbei zu gehen. Sie war ihr unheimlich - so wie vieles hier. Was für eine seltsame Zeit? Aber auch ihre Neugier war geweckt und auch das Mitgefühl mit ihrer ´Schwester´, die hier gefangen war. Das Herz der jungen Frau schlug schneller und fester, mit jedem Schritt, den sie sich dem Kerker näherten.

Unerwarteterweise waren die Kellergewölbe größer als sie erwartet hatte. Der Geruch von abgestandener Luft, verrottendem Stroh und … Fäkalien begrüßte beide, doch sah Cupida, dass der Geruch ihren elfischen Freund härter traf. Dieser blieb kurz stehen und zog ein Tuch vor seine Nase. “Wir … wir müssen weiter. Da drüben”, sagte Tannenfels stockend. Dann erreichten sie ein offenes Gewölbe, das mit Stroh ausgelegt worden war, die Wände mit Fackeln beschienen und das Behälter für die Notdurft hatte. Auf dem Boden saßen drei Menschen, die an einem ihrer Füße angekettet waren. Die Ketten endeten an eisernen Ringen an der Wand. Die erste war eine Frau, die außergewöhnlich groß war. Sie trug eine grüne, wollene Tunika und blaue feste Hosen. Ihre Arme waren kräftig und mit Tätowierungen und beinernen Armreifen verziert. Ihr weißblondes Haar trug sie zu zwei dicken Zöpfen geflochten, die ihr bis zur Leibesmitte reichten.
Ihr Gesicht wirkte kantig, doch ihre wasserblauen Augen wirkten freundlich. Neben ihr saß ein Jugendlicher mit südländischem Einschlag. Seine dunklen Locken fielen ihm wild ins Gesicht, die dunklen Augen wirkten aufgeweckt und seine einfache braune Tunika wirkte schmutzig. Doch nur wenige Schritte weiter, war die Gesuchte. Kurz sah Cupida ihre Schwester Flora dort sitzen, doch verschwand ihr Antlitz in einem Augenblick. Das Gesicht war herzförmiger und ihre Nase wirkte kurz. Ihr dunkelblondes Haar war voll und von einem grünen Band in Zaum gehalten. Ihr Gewand war in erdigen Grüntönen gehalten und zarte florale Hautbilder zierten ihre Unterarme. Auch wenn ihr ihr Gesicht nicht bekannt war, so wusste Cupida doch intuitiv, dass es sich hier um ihre Schwester Caracalla handelte. Ihre Augen weiteten sich. ”Cupida. Schwester. Was machst du hier?” Unsicher ging der Blick der Angesprochenen von ihrer unbekannten ´Schwester´ zu ihren beiden Mitgefangenen. Cupida war sich unschlüssig darüber, wie offen sie hier reden konnten. “Hallo … Schwester …”, flüsterte sie dann zögerlich, “... wir sind hier um zu helfen … was ist dir geschehen?”

Besorgt schaute Caracalla ihre Schwester an. “Tempelmutter Sumandena wird vorgeworfen, den göttlichen Pfad verlassen zu haben. Statt die heiligen Worte Tsatuaras zu verkünden, bediene sie sich böser Magie. So wie alle Dienerinnen des Tempels. Der Hohe Priester der Luxerianer hat das dem Praefectus gesteckt. Noch trauen sie sich nicht, Sumandena zu verhaften. Sie haben mich nach dem Stab der Großen Mutter befragt. Anscheinend gehen sie davon aus, dass wir alle ihn nicht mehr berühren könnten. Und das wäre wohl der Beweis …” Die letzten Worte gingen in einem Seufzen unter. “Und … ähm … jetzt lassen sie dich gehen, wenn sie dich befragt haben?”, fragte die Gärtnerin leicht naiv. Sie hatte keine Ahnung, was Luxerianer sein sollten und was es mit diesem seltsamen Stab auf sich haben soll. “Oder musst du diesen Stab berühren?”

“Das hoffe ich. Nun, der Stab ist das Zeichen der Hohepriesterin.” Nun senkte sie die Stimme. “Er ist tatsächlich verschwunden … doch Said hier weiß, wo er ist.” Nun schaute der schmutzige Junge auf und rückte näher. “Die Luxerianer haben ihn”, flüsterte er. Als er Cupidas fragenden Blick sah, setzte er an: ”Sie haben ihn in ihren Tempel bringen lassen, den mit den seltsamen Türmen, gegenüber vom Trabinatempel.” Cupida blinzelte verwirrt. "Aber was wollen sie denn damit? Ihr müsst ihn doch berühren, um ihnen zu beweisen, dass ihr immer noch der Göttin dient." Die Gärtnerin hoffte, das richtig verstanden zu haben. “Wenn Sumandena den Stab nicht vorzeigen kann, könnte es als Beweis dienen, dass die Göttin nicht mehr auf unserer Seite ist. Er wurde mit Absicht gestohlen. Wir, die Dienerinnen der großen Mutter, wurden schon einmal vertrieben … doch diesmal möchte man uns vernichten. Ich habe gehört, dass im Süden Schwestern öffentlich verbrannt wurden. Der Kaiser ist kein Freund unseres Glaubens.” Nun mischte sich die große Frau ein, die einen harten, doch melodiösen Akzent hatte. Cupida kam dieser bekannt vor, doch eher in einer sanften Form. Die Frau musste eine Thorwalerin sein. “Ich habe in Jelenvina gesehen, wie sie Frauen verbrannt haben. Im selben Gewand wie deine Schwester.” Ihre Stimme war tief, doch angenehm.

“Dann müssen wir helfen”, wandte Cupida sich sogleich zu ihrem Begleiter um. “Meiner Schwester und auch der Sum … Suma … Sumandrea …” Die junge Frau war jedoch vollkommen unerfahren in solchen Dingen; ja, sie konnte ihre Rosen pflegen und sie tanzte gerne, aber einen Gefängnisausbruch? Dennoch war ihre Tatkraft nun geweckt. “Wir müssen sie hier rausholen … alle drei.” Dann legte ihre Schwester ihre Hand auf die ihrige. “Da hat Kirkegard recht. Wichtiger ist, den Stab zu bekommen. Würdest du ihn aus dem Tempel der Luxerianer holen? Niemand kennt dich hier gut und du weißt wie frau unauffällig sein kann.” Der Halbelf legte den Kopf schief. “Wir könnten hier raus, doch dann werden sicher die ganze Kaserne und ihre Soldaten nach ihnen suchen.” "Und was wird aus dir?" Cupida rang mit sich. "Wenn der Stab weg ist, werden sie es bestimmt nicht auf sich sitzen lassen. Und überhaupt, wo soll ich ihn denn hinbringen?" “Bring den Stab zur Hohepriesterin in den Tsatuara-Tempel. Hat sie ihn, gibt es auch keinen Grund mehr, mich hier festzuhalten. Würdest du das für mich tun, Schwester?” Hoffnungsvoll schaute sie Cupida an. “Ich kann es versuchen”, meinte die Gärtnerin schmallippig, bevor sie sich zu Tannenfels umwandte: “Hilfst du mir dabei?” Der Halbelf lächelte sie an. ”Immer”, sagte er und die Welt verschwamm vor ihren Augen.